Meine Eltern hatten sich einander versprochen und 1928
geheiratet.
Auch da war schon die Wohnungsnot so groß, dass sie sich
mit einem Zimmer in der elterlichen Wohnung ohne fließendes Wasser
(Waschlavoir) und ohne eine Privatsphäre zu haben, begnügen mussten.
Die Schlafzimmermöbel aus1926 von meinen Eltern stehen aufgearbeitet in der Ferienwohnung meines Sohnes |
Man ging seiner geregelten Arbeit nach immer mit dem Ziel
einer Familiengründung und einer angemessenen Bleibe dafür.
1931 erblickte dann aber ein unter widrigen Umständen
geborener 11 Pfund schwerer Junge das Licht der Welt. Nun war Eile geboten und
Papa erstand 1933 ein 400qm großes Grundstück auf einer aufgelassenen Sandgrube.
Die Stadt Nürnberg genehmigte ein Holznotwohnhaus ohne Keller auf 50 Jahre.
Schnell war es hingestellt (Heute steht es traurig und verlassen immer noch
dort)
und das Leben nahm andere Formen an. Die Arbeitslosigkeit griff um sich,
Papa als Kaufmann im Kunsthandel verlor seine Arbeit, aber Mama behielt ihren
Sekretärinnenposten bei Telefonbau und Normalzeit am Frauentorgraben, heute
bekannt als Telekom. Sie war nun diejenige der die Abzahlung des Häuschens
vornehmlich oblag.
Später dann als ein gewisser Herr A.H. ins Spiel kam, gab
es wieder Arbeit und die gebeutelten Menschen lebten wieder etwas auf. Rüstung
hieß aber leider das Zauberwort das so gar keines war, denn Firmen wie Städtler
machten keine Griffel und Buntstifte zur Freude der Kinder mehr, sondern eben
Rüstung. Autobahnen, Straßen und Brücken waren für das was uns bald bevorstehen
sollte wichtiger wie die Bevölkerung.
Meine Eltern hatten anderes im Sinn, der
gemeinsame Sohn Gustav sollte ein
Geschwisterchen bekommen. Die Zeiten waren ungünstig und man überlegte hin und
her wie dies in ungewissen Zeiten gehen sollte. Man wartete und wartete,
verdrängte den Gedanken an Krieg, die Menschen hatten halbwegs wieder Arbeit,
Gustav bereits 8 Jahre alt, Mama 34, es war Eile geboten mit dem geplanten
Helgele. Papa fuhr ein Motorrad mit Beiwagen, was zu dieser Zeit
schon etwas sensationell war.
Damit fuhren meine Eltern dann ins Thüringische Crawinkel
zur Sommerfrische, so nannte man Urlaub damals. Der Gedanke dort in fremder
Umgebung blitzte wieder auf und das Helgele, das kleine Schwesterchen für
Gustav entstand.
Leider war der Zeitpunkt dann doch ungünstig, denn 1939
brach tatsächlich der Krieg aus. Alle Zeichen standen darauf, man hätte es also
besser wissen müssen. Aber die Menschen wollten leben, sie haben ja nur das
Eine. Bereits 1940 dann die Botschaft dass Papa nach Frankreich
zur Verteidigung des Deutschen Reiches eingezogen wurde. Gerne hätte er sein
kleines Mädele aufwachsen sehen.
Mama arbeitete immer noch für Telefonbau und
wir Kinder wurden von der Großmutter väterlicherseits betreut. Autos und Handys
waren Fremdwörter, nur ein Fahrrad mit Kindersitz fürs Helgele und ein eigenes
Fahrrad für Gustav waren vorrätig, um zu Oma zu gelangen.
Bald wurde Papa versetzt, von Frankreich über Bessarabien,
Richtung Ukraine auf die Krim. Reger Briefkontakt und viele Bildchen und sogar
ein Märchen zeichnete und schrieb Papa seinem Helgele.
(Alles noch in drei
Ordnern von Mama aufgehoben) Dass man den Menschen glauben machte das der Krieg
gleich vorbei sein würde, erwies sich als Farce.
Bereits 1942 am 8. Mai kam die Todesnachricht aus dem
heute als Donbass bekannten Saparoshje (so steht es auf dem Totenschein
geschrieben) und dass der Mann der Witwe an der Panzerstraße 8 in Grab 312
begraben liegt. So gab es keinen schnellen Frieden, sondern Tod und Elend,
Verletzte, Verstümmelte, Bein- und
Armamputierte und Blinde. Draußen tobte der Krieg. Erst 1945 als das Helgele
eingeschult wurde und mit ihrem Quäkerspeisetöpfchen am Haken der
Büchertasche, wo der bunte Tafellappen als nachbarschaftliche Gesellschaft
hing und auf den Haferbrei aus Milchpulver wartete gegessen zu werden, wurden
die Tage etwas erträglicher. Mama tat was damals üblich war, sie klaute für uns,
Kartoffeln von einem abgeernteten Feld, Äpfel aus Bauerngärten und ging
hamstern. Briketts organisieren für den
Winter, Alteisen sammeln, wobei Kupfer und Messing begehrt waren.
Die Amis hatten Huhn in Dosen, endlich wurde man satt,
was Mama dazu anstachelte sechs Hühner zu halten. Eier waren ein wichtiges Lebensmittel.
Auch Stallhasen für den Sonntagsbraten wurden im Garten gehalten (das
Schlachten übernahm die Nachbarin) hätte Mama und mein Bruder Gustav niemals
gemacht, aber hungrig war der 15 jährige sehr heftig.
So schlug sich Mama die Kriegerswitwe nach Ende des
Krieges durch, bis nach und nach der Wiederaufbau der meist in den Händen der
Frauen lag langsam Gestalt annahm. Der Herausforderung, den großen Mühen, dem
Mut und dem Zusammenhalt der Frauen und nicht zuletzt der Freude, die langsam wieder zurückkehrte,
ist Deutschland wieder auferstanden.
Nur mühsam kehrte der Alltag der Stunde Null nach Ende
des Krieges wieder zurück. Die Menschen lebten
inmitten einer Trümmerlandschaft. Viele hungerten und hatten kein Dach
über dem Kopf. Das der Wiederaufbau so schnell voran kam, lag maßgeblich an den
Frauen, die auf sich alleine gestellt Mittel und Wege finden mussten sich und
ihre Familie zu ernähren. Mama räumte auch Schutt und Trümmer weg und handelte
mit Zigaretten mit den Besatzern und organisierte das neu erblühende Leben.
Heute erst wird mir klar, was Mama für uns alles geleistet hat. Sie war
befallen von einem unglaublichen Aufbauwillen und nur überleben mit ihren Kindern an der Seite.
Grüße aus meinem Plauderstübchen der Vergangenheit
Euere Helga
Verlinkt mit: *Samstagsplausch*,