Mittwoch, 1. April 2020

Ein regenfester Trenchcoat - Isla von named clothing


Heute hätte die Präsentation dieses schon vor zwei Monaten fertiggenähten Trenchcoats beinahe wieder nicht geklappt, weil ich den MeMadeMittwoch-Termin fast vergessen hätte. Ehrlich, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wer hat nur das Gerücht in die Welt gesetzt, derzeit könne man die Entschleunigung leben, mal wieder ein gutes Buch lesen, sich auf das Wesentliche besinnen, die Beziehungen im Familienverband stärken, so als wären wir alle kollektiv in einen luxuriösen Wellness-Achtsamkeitsurlaub geschickt worden? Ich habe genauso viel zu tun wie vorher auch, und dazu noch diverse Sorgen um Familienangehörige, Einkommen und die Zukunft obendrauf, ich brauche keine Tipps "gegen die Langeweile zuhause", lese und nähe weniger als im Januar und Februar, und ich habe den Eindruck, so wie mir geht es gerade den meisten Menschen.


Dass heute MeMadeMittwoch ist, wäre so fast an mir vorbeigegangen, aber immerhin ist der Liebste derzeit zuhause im Urlaub und konnte am Nachmittag auf dem Hof noch schnell ein Foto von mir machen. Im Moment sind die Temperaturen nämlich immer noch nicht danach, dass man einen Trenchcoat tragen könnte, vorgestern hatte es sogar geschneit. 


Der Schnitt des Trenchcoats Isla vom finnischen Schnittmusterlabel named clothing ist bewährt, getestet und geliebt - den ersten Mantel nach dem Schnitt nähte ich 2017, leider aus einem wenig geeigneten Stoff. Der grüne Baumwollsatin schabte sich an den Kanten ziemlich schnell ab, auf einer Seite fing ich mir dann noch eine Art Bleichefleck ein, und der Mantel sah schon im letzten Frühhjahr aus, als würde ich darin wohnen.


Da der Schnitt aufwendig und sehr detailreich ist - man muss allein ein halbes Dutzend schmale Streifen für diverse Schlaufen, Riegel und Gürtel verstürzen und absteppen, was schon einge Stunden dauert - war mir klar, dass ich den Ersatzmantel nicht mal eben nebenher nähen würde und nahm mir das Projekt für das Annäherungs-Nähwochenende im Januar vor. Mir Carola Nähkatze, die ihren fertigen Mantel schon vor zwei Wochen gezeigt hatte und Birgit fand sich bei dem Treffen sogar eine kleine Trenchcoat-Neigungsgruppe zusammen. Birgit und ich kauften unabgesprochen sogar denselben Stoff für das Projekt, einen marineblauen Bibernylon von Stoff&Stil.


Der Bibernylon ist ein sehr robuster Stoff in Köperbindung aus 50% Baumwolle und 50% Nylon und aufgrund des Materials wasserabweisend, das heißt ein Regenschauer perlt daran ab, für stundenlange Wanderungen im Dauerregen wäre das Material aber nicht geeignet. Ich nehme an, dass es Biberylon ("Biber-" wie bei Biberbettwäsche) heißt, weil die Unterseite des Stoffes matt, rau und fast ein bisschen flauschig ist (oder es handelt sich einfach nur um eine wörtliche Übersetzung aus dem Dänischen (Stoff&Stil ist ein dänisches Unternehmen) und es müsste in Wirklichkeit auf Deutsch ganz anders heißen). Der Stoff ist jedenfalls ziemlich fest, mit einem guten Fall, lässt sich mit einer relativ feinen, spitzen Nadel (höchstens 80er) gut nähen und auch gut bügeln. Beim Absteppen der schon erwähnten Riegel muss man mit Nadel und Stichlänge ein bisschen herumprobieren, denn das Material ist so dicht, dass die Nadel bei doppelten Lagen stark abgebremst wird und die Fadenverschlingung der Naht gerade auf der Unterseite nicht mehr so gut aussieht.


Das Schnittmuster war jetzt im zweiten Durchgang ganz unproblematisch, ich habe den Schnitt einfach so, wie er war, noch einmal genäht, ich wusste ja, dass er passt. Größe 40 fand ich genau richtig, weil die Ärmel und Schultern ziemlich schmal ausfallen und ich dicke Pullover unter dem Mantel tragen möchte. Ich finde aber ziemlich überraschend, dass der neue Mantel durch den stärker glänzenden Stoff ganz anders wirkt, zumindest auf den Fotos. In Wirklichkeit fällt der Glanz nicht so stark ins Auge, scheint mir.


Am Nähwochenende wurde ich natürlich nicht komplett fertig (und eine Tasche musste ich zweimal nähen, weil ich sie verkehrtherum eingesetzt hatte), aber was zuhause noch zu tun war, hielt sich in Grenzen: Gürtelschlaufen annähen, Außenmantel und Futter verstürzen, Knopflöcher einnähen, Knöpfe annähen und zuallerletzt den Schlitz im Rückenteil durch alle Lagen schräg zusteppen, so dass es von innen und von außen ordentlich aussieht. Das war die größte Herausforderung bei diesem Projekt, ich habe an zwei Abenden ungefähr 15mal getrennt und wieder neu gesteppt. Und so habe ich tatsächlich ohne die sonst übliche mehrmonatige Ablagerungszeit innerhalb von 4 Wochen einen neuen Mantel genäht, ich kann es selbst kaum glauben.

Mehr Selbstgenähtes gibt es heute beim MeMadeMittwoch, der Vernetzungsaktion für Menschen, die ihre Kleidung selbst nähen, immer am ersten Mittwoch im Monat, der nächste Termin ist der 6. Mai.

Die technischen Details in Kürze:

Schnittmuster: Isla Trenchcoat, named clothing  
Stoff: knapp 4 Meter Bibernylon marine von Stoff&Stil
hellblaues Viskosefutter
Genähte Größe: 40. Der Schnitt hat relativ schmale Ärmel
Änderungen: Im Vorderteil nur 10 Knöpfe statt 12 (unterstes Paar weggelassen)
Isla Nummer 1 hier.