Samstag, 31. August 2013
Drops 69-17 und eine Verteidigung des Glatt-rechts-Strickens
Die dunkelblaue Strickjacke vom Me-made-Mittwoch in dieser Woche wollte ich ja noch einmal im Detail zeigen. Das Strickmuster 69-17 ist schon ein älteres von Drops, bei ravelry gab es bisher keine einzige Umsetzung davon (nur meine jetzt). Ich wurde auf die Anleitung in einem Me-made-Mittwoch-Beitrag aufmerksam, die Bloggerin hatte die Jacke aus weißem Baumwollgarn gestrickt, wenn ich mich richtig erinnere - falls jemand sich und seine Jacke wiedererkennt, bitte Bescheid geben, ich verlinke das dann noch. Ich verwendete statt Baumwollgarn Drops Baby alpaca silk, knapp 300g für Größe M, verstrickt mit Nadeln 3,5, das ergibt bei meiner Strickspannung ein relativ lockeres, leichtes Gestrick.
Die Jacke ist denkbar schlicht: ein Raglan von unten, glatt rechts, mit einem einfachen Zopfmuster über zwei Maschen an den Bündchen, das man ohne Hilfsnadel stricken kann.
Über die Raglanabnahmen hatte ich mich zuerst gewundert (die Anleitung ist, da eine der älteren von drops, auch etwas merkwürdig übersetzt): Anstatt in jeder Hinreihe Maschen abzunehmen, wird nur in jeder vierten Reihe abgenommen - dafür dann aber immer zwei Maschen auf einmal. Das ergibt an der Raglanschrägung kleine Knötchen im Gestrickten, die mit den zwei-Maschen-Zöpfen an den Bündchen und an den Vorderkanten korrespondieren - also alles gut durchdacht von der Designerin oder dem Designer.
Die Bündchen an der Vorderkante habe ich in eins-rechts-eins-links zuletzt separat angestrickt, die gleich mitgestrickten kraus-rechts-Bündchen, die es bei Anleitungen von Drops oft gibt, schätze ich nicht besonders.
In ihrer Schlichtheit passt die Jacke ungefähr zu allem in meinem Kleiderschrank, und ich möchte hier mal eine Lanze für glatt rechts gestrickte Teile brechen. Klar, man könnte auch viel Komplizierteres stricken - aber wer sagt, dass man das muss? Man näht ja auch nicht nur Karokleider, weil da die Musteranpassung beim Zuschneiden besonders kompliziert ist und Einfarbiges zu langweilig und einfach wäre.
Bei glatt rechts Gestricktem kommt das Garn besonders gut zur Geltung, das Gestrick ist leicht, dehnbar und anschmiegsam. Strukturmuster mit vielen Verkreuzungen ergeben oft ein sehr dickes, fast störrisches Gestrick, und Muster passen eben auch nicht immer und überall - zu einer auffällig gemusterten Strickjacke auch noch einen gemusterten Rock zu tragen, kann für meinen Geschmack schon etwas zu viel Muster sein.
Nicht zuletzt stricke ich auch gerne glatt rechts: es geht schnell und verlangt wenig Mitdenkkapazitäten und ist damit ideal für Strickprojekte zum Mitnehmen auf Reisen, für die schnelle Reihe zwischendurch, fürs paralle DVDgucken oder für die Stricktreffen bei der MittwochsMasche, wenn man sich nebenher unterhalten will. Komplizierte Strickmuster mag ich zwar auch, weil das Stricken selbst dann so spannend und unterhaltend ist, wenn sich das Muster auf den Nadeln langsam entwickelt, aber ich habe festgestellt, dass ich zum Beispiel mit Stricktüchern nicht so recht etwas anfangen kann. Und Dinge stricken, nur weil ich den Herstellungsprozess interessant finde und die ich letztlich gar nicht benutze, ist ja auch nicht sinnvoll. Überhaupt liegt bei glatt rechts gestrickten Modellen der Reiz in gut gelösten, kleinen technischen Details, wie hier zum Beispiel in den betonten Raglanabnahmen. Sowas ist zwar nicht so auffällig wie ein flächendeckendes Zopfmuster, macht mir aber auch Freude. Die Jacke wird deshalb sicher nicht mein letztes glatt rechts gestricktes Teil gewesen sein - auch wenn zur Zeit wieder etwas Gemustertes auf den Nadeln ist.
Mittwoch, 28. August 2013
Erster Me-made-Mittwoch nach der Sommerpause
Der erste Me-made-Mittwoch nach der Sommerpause macht da weiter, wo mein letzter Me-made-Mittwoch vor der Sommerpause endete: mit dem langen Leinenrock aus Burdastyle 5/2012, Schnittbesprechung hier. Wenn dadurch der Eindruck entsteht, ich hätte den Sommer von Ende Juni bis Ende August in diesem Rock verbracht: das ist richtig! Wie geplant passte der graue Rock zu fast allem, war an heißen Tagen schön luftig und an nicht zu heißen Tagen wie heute wärmt er ein bißchen mehr als ein kürzerer Rock. Klingt paradox, stimmt aber.
Die Strickjacke - denn heute braucht man leider schon eine Strickjacke - aus Drops Alpaca-silk ist gerade neu fertiggeworden, in den nächsten Tagen folgt noch ein gesonderter Post dazu. Ich bin mal gespannt, wie sich das Garn auf die Dauer trägt. Ich finde, es neigt doch etwas zum Kratzen, eine richtige Sommerstrickjacke habe ich hier also doch nicht fabriziert. Nunja, mit dem Sommer hats sich ja auch bald, jedenfalls hier in Berlin.
Was in anderen Landesteilen heute getragen wird, ist hier beim Me-made-Mittwoch versammelt.
[Rock: Nummer 106 aus Burdastyle 5/2012, Strickjacke: Drops 69-17 aus Alpaca silk, Brosche: Kanzashi von 2009.]
Die Strickjacke - denn heute braucht man leider schon eine Strickjacke - aus Drops Alpaca-silk ist gerade neu fertiggeworden, in den nächsten Tagen folgt noch ein gesonderter Post dazu. Ich bin mal gespannt, wie sich das Garn auf die Dauer trägt. Ich finde, es neigt doch etwas zum Kratzen, eine richtige Sommerstrickjacke habe ich hier also doch nicht fabriziert. Nunja, mit dem Sommer hats sich ja auch bald, jedenfalls hier in Berlin.
Was in anderen Landesteilen heute getragen wird, ist hier beim Me-made-Mittwoch versammelt.
[Rock: Nummer 106 aus Burdastyle 5/2012, Strickjacke: Drops 69-17 aus Alpaca silk, Brosche: Kanzashi von 2009.]
Montag, 26. August 2013
Woche 34
Es gefällt mir nicht, lässt sich aber nicht mehr leugnen: der Herbst ist fast da, ich rieche ihn jeden Morgen am offenen Fenster. Das Licht, die Wolken, die Kastanien im Hof, das frühe Dunkelwerden, untrügliche Zeichen. Dass mir früher die Sommer schier endlos vorkamen, hat sicher mit den Schulferien zu tun. Heute frage ich enttäuscht: was, das wars schon? Es war doch nur ein Mal richtig warm!
Aus Bekleidungsperspektive finde ich den Herbst aber die beste Jahreszeit. Im Frühjahr komme ich meist viel zu spät aus den Stiefeln heraus, jetzt aber geht es nur darum, sich von nackten Beinen langsam wieder an Strumpfhosen zu gewöhnen. Das schaffe ich. Die Bluse vom Nähkränzchen - ich glaube es war im Mai - braucht nur noch Manschetten und Knopflöcher (und das, obwohl ich zuerst einen Kragen ohne Paspel verstürzte und schon fast angenäht hatte, ehe mir der Paspel-Plan wieder einfiel. So war das ja von Anfang an gedacht gewesen, aber in mehrwöchigen Nähpausen vergisst man das schon mal. Die Kragenteile von Nummer eins ließen sich natürlich nicht noch einmal verwenden, selbstverständlich probierte ich auch das aus.).
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Meine Nähpläne wenden sich dem Herbst zu, und die Herbst-Spezial-Nähhefte trudeln langsam ein. Letzte Woche gabs die Vorschau der Easy fashion, nun ist die Schnittübersicht der Herbst-Ottobre-Woman da (das Titelbild des letzten Hefts ganz rechts, dort kann man blättern). Wie immer eine Kollektion guter Basisschnitte, aber ich denke nicht, dass ich dieses Heft haben muss. Aber genau so einen Blumenstoff wie bei Rock 11, nur mit Anemonen statt mit Rosen, liegt seit Frühjahr 2012 in meinem Lager. Den sollte ich demnächst wohl mal zu einem geraden, schlichten Rock vernähen.
Dann stieß ich letzte Woche auf noch mehr Schnittmuster aus Finnland: Named Clothing ist das frisch gestartete Projekt der Schwestern Saara und Laura , die eine wunderbar schlicht-elegante Winterkollektion entworfen haben, die mir sehr gefällt. Die Schnittmuster gibt es als pdf-Downloads zum Selbstausdrucken und Zusammenkleben, wobei ich mit Freude lese, dass es sich maximal um 16 DinA4-Seiten handelt. Ich bin stark in Versuchung, einen Schnitt auszuprobieren.
Könnte das Dakota Shawl Collar Dress das ideale Winterkleid sein? Ich habe an mir festgestellt, dass ich Kleider als Sommerkleid mag, dann überzeugt mich das Konzept, mit nur einem Kleidungsstück vollständig angezogen zu sein. In der kalten Jahreshälfte lande ich immer bei den vielen Varianten von Röcken und Oberteilen und Jacken. Nicht, dass ich eine Kombinationskünstlerin wäre, aber ich fühle mich so flexibler und besser für unterschiedliche Gelegenheiten und Temperaturen gerüstet. Das Schalkragenkleid könnte das beste aus beiden Welten vereinigen: ein Kleid, aber trotzdem Abwandlungsmöglichkeiten wie bei Rock und Oberteil.
Zuletzt noch ein Real-Life-Stoffkauftipp:
Bei Philea in Kreuzberg läuft gerade eine Sonderaktion: die Sommerware muss weg, die neuen Winterstoffe kommen im September. Für Kurzentschlossene ist der Laden in der Schlesischen Straße 31 heute bis 19.00 Uhr geöffnet, morgen von 10-19.00 Uhr und Mittwoch von 12-19.00 Uhr. Es gibt reduzierte Stoffe ab 2€/m netto. In der nächsten Woche gelten wieder die normalen Öffnungszeiten: immer Mittwochs von 12-19.00 Uhr. Nur am 25. 9. bleibt wegen eines Messebesuchs geschlossen.
Sonntag, 25. August 2013
Stoffspielerei im August: Fadengrafik+Stoff=Stickerei
Heute nur etwas Kleines und noch nicht Fertiges. Als frifris für die Stoffspielerei im Juli das Thema Fadengrafik vorschlug, einen Link zu diesem modernen Fadenbild setzte und Ende Juli Fadengrafik-Muster auf Stoff zeigte, fielen bei mir im Kopf die Teile einer Gleichung auf die richtigen Plätze: Fadengrafik plus Stoff ergibt Stickerei. Eigentlich logisch. Da es im August mit dem Fadenthema weitergehen sollte - "Im Fadenkreuz" schlug Karen vor - versuchte ich, so ein Fadenbild mit Schrift umzusetzen.
Es sollte eine Stickerei werden, die zu einem Tischset verarbeitet werden kann - deshalb der Text. Meine Fotos aus dem Herstellungsprozess sind leider einer kaputten Speicherkarte zum Opfer gefallen, daher kann ich nur kurz beschreiben, wie ich es gemacht habe: Den Schriftzug erstellte ich im Schreibprogramm und druckte ihn aus. Mit einem Stift, der beim Bügeln verschwindet, zeichnete ich die Schrift auf den Stoff durch (Ausdruck und Stoff ans Fenster halten, die Schrift scheint durch). Die Linien der (scheinbaren) Spannfäden zeichnete ich mit dem Lineal vor. Beim Sticken ergibt sich dann das Problem, wie frifris schon letztes Mal festgestellt hatte, dass allzu lange Spannfäden den Stoff zusammenziehen können und man leicht darin hängen bleibt.
Durch die Aufteilung in kürzere Stickstiche geht einiges des Spannbild-Eindrucks verloren. Aus größerer Entfernung gefällt mir die Schrift aber ganz gut - ich habe Lust, wieder mehr zu sticken!
Wäre das vielleicht ein Thema für die nächste Stoffspierlerei am 29. 9.? Dann bin ich nämlich Gastgeberin.
Heute aber sammelt Karen die Stoffspielerei-Beiträge hier, vielen Dank!
Freitag, 23. August 2013
Dekostoffe in den Osramhöfen
Schon mehrmals bin ich von Leserinnen per Mail nach guten Einkaufsmöglichkeiten für Dekostoffe in Berlin gefragt worden. Das ist nicht so ganz der Bereich, in dem ich mich gut auskenne, aber ich ahne: Neben den bedruckten Baumwollstoffen von Ikea, die dann die halbe Nachbarschaft auch am Fenster hängen hat, und den Polyesterstores bei Karstadt muss es noch etwas anderes geben. Nur wo? Auf die Mailanfragen hatte ich vorsichtig auf das Dekostoff-Outlet in den Osramhöfen im Wedding hingewiesen – vorsichtig, weil ich den Laden bisher nie besucht hatte, und unbesehen etwas zu empfehlen ist heikel. Vor kurzem führte mich der Weg zufällig an der Oudenarder Straße vorbei, und ich konnte mir das Angebot anschauen.
Und wirklich: die Stoffe im Outlet haben wenig bis gar nichts mit den praktisch-waschbaren Schwedenstoffen und den Gardinenalpträumen aus dem Kaufhaus gemein. In dem großen Raum im Erdgeschoss der ehemaligen Glühbirnenfabrik findet man in hohen Regalen Hunderte verschiedene Stoffe auf Rollen, nach Materialien sortiert. Da gibt es zum Beispiel Pflanzendrucke auf naturfarbenen Leinen, die an die Illustrationen eines botanischen Lexikons erinnern. Oder Tupfenstoffe in verschiedenen Farben, aus Frankreich. Seidenstoffe, uni, mit Webstreifen oder bestickt. Flauschige Polsterstoffe, Gobelin, Stoffe mit transparent-flattrigen aufgenähten Kreisen, einfarbiges Leinen mit unregelmäßiger Webstruktur genauso wie Stoffe mit metallischer Beschichtung. Die Auswahl ist wirklich groß und nicht-alltäglich. Da es sich um ein Outlet handelt ist die verfügbare Menge oft begrenzt, zum Teil handelt es sich um B-Ware mit kleinen Fehlern. Die Preise liegen zwischen ca. 15€ für bedruckte Baumwolle und ca. 45€ für bestickte Seide, wobei viele Stoffe 160cm breit oder noch breiter liegen.
Der offenbar einzige Angestellte erschien nur kurz um mich zu begrüßen und ließ mich dann in Ruhe schauen. Ich finde spontan einiges, das ich mir zuhause am Fenster oder auf dem Sofa vorstellen kann, kaufe aber nichts, denn, wie gesagt, Heimdeko ist nicht mein Metier. Eine Tüte mit 7 Metern petrolblauem Wollstoff wartet seit gut 10 Monaten darauf, von mir in Vorhänge verwandelt zu werden. Daher heute keine Stoffe für mich, aber sollte überraschend Heimtextilbedarf aufkommen, würde ich hier schauen.
Stoff-Wohnkultur-Outlet
Oudenarder Straße 16
13347 Berlin
Geöffnet MO-FR 11-19.00 Uhr, SA 11-15.30 Uhr
Haltestellen Seestraße (U6) oder Nauener Platz (U9)
www.stoff-wohnkultur.de
In den Osramhöfen gibt es noch einige weitere Outlets, zum Beispiel von MAC (Hosen), Ulla Popken und Marc Cain. Bei Marc Cain schaute ich kurz rein, in der Hoffnung, es werde auch Stoff angeboten. Das war nicht der Fall, und die wenigen, Kleiderstangen herumschiebenden Kundinnen sahen trotz Kaufrausch so unglaublich schlecht gelaunt und gestresst drein, dass ich schnell wieder ging. Da sieht mans wieder: Nur Selbernähen macht glücklich! Die Sachen aus der Vorsaison kosten ungefähr die Hälfte des ehemaligen Ladenpreises, es gibt neben Kleidung auch Schuhe und Accessoires des Labels.
Montag, 19. August 2013
Woche 33
Es ist jeden Sonntag schön, die Speicherkarte der kleinen Knipskamera zu leeren und nachzuschauen, was ich eigentlich so getrieben habe die ganze Woche. Wenn ich meine Bildersammlung nicht hätte, wüsste ich es oft selbst nicht mehr. Die letzte Woche ging ungeheuer schnell und scheinbar ereignislos vorbei, dabei habe ich
1. Das Ufer des Plötzensees von einem Ruderboot aus betrachtet.
2. Im Birkenwäldchen des Mauerparks die Ausstellung der Fotogruppe "Blauen Laterne" angeschaut.
3. Am Neuköllner Schifffahrtskanal ein Turmspringer-paste-up gefunden.
Und ein paar Linkempfehlungen habe ich auch:
Das Herbstheft der Ottobre (5/2013), das immer Schnittmuster für Damen enthält, erscheint Anfang September. Das Titelbild und ein paar Seiten aus dem Heft (werden durch Anklicken ein wenig größer) sind hier im Ottobre-Fanblog schon zu sehen. Die Mini-Vorschau begeistert mich jetzt noch nicht, aber das war ja auch noch nicht alles.
Und noch ein Herbstheft: Burda Easy richtet sich nicht so sehr an absolute Nähanfänger (auch wenn die Anleitungen schön ausführlich mit Bildern sind), sondern eher an jüngere Leserinnen. Einen ersten Blick auf die Modelle gibt es hier. Sehr interessant zum Beispiel diese Kreuzung aus Blazer und Cape - oder sind das zwei separate Teile? Mitte September wissen wir mehr.
4. Und noch eine gute Nachricht: Das Nähkontor, der tolle Kurzwarenladen in der Bötzowstraße, hat endlich einen Onlineshop: Naehkontor.de. Das ist nicht nur gut, weil jetzt das gesamte Bundesgebiet mit Kugelknöpfen versorgt werden kann, sondern auch, weil Nina und Elke monatelang Knöpfe fotografiert, Knöpfe gezählt, Knöpfe ausgemessen haben, sich Namen für Borten ausdachten, dabei noch das Ladengeschäft offen war und sie bei all dem tatsächlich nicht verrückt geworden sind. Es ist noch längst nicht alles im Onlineshop einsortiert, was im Laden vorhanden ist, es wird nach und nach immer mehr dazukommen. Schon jetzt gibt es aber zum Beispiel tolles Baumwoll-Gurtband in vielen verschiedenen Farben und sehr günstige nahtverdeckte Reißverschlüsse. Ach ja, und noch bis zum 22. August 10% Rabatt auf die Bestellung. Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Schritt und viel Erfolg damit!
Sonntag, 18. August 2013
Nochmal das Retrokleid, und was man sich unter bügelfreiem Stoff vorstellen muss
Das Retrokleid, an dem ich hier und hier genäht hatte, ist längst fertig. Der Schnitt ist toll, aber bei der Auswahl des Stoffes habe ich mir selbst ein Bein gestellt. Ich finde ja, dass bügelfreie Hemden (neben der Geschirrspülmaschine) eine der besten Erfindungen überhaupt sind. Hemd waschen, ausschütteln, ordentlich auf einen Bügel hängen, das wars - restliche Falten "glätten sich beim Tragen am Körper", wie es im Beipackzettel der Lieblings-Hemdenmarke von Herrn Nahtzugabe heißt. Wenns irgendwo Hemdenstoff zu kaufen gibt, bin ich also dabei, und so suchte ich auch für den Retrokleidschnitt einen Hemdenstoff aus. Bügelfrei kann ja auch bei einem Kleid nicht verkehrt sein.
Haha. Ha. Also bügelfrei bedeutet im Umkehrschluss auch, dass sich so ein Stoff kaum bis überhaupt nicht im Form bügeln lässt. Falls ihr es noch nicht wusstet. Kann man sich ja vielleicht auch denken, ich dachte es mir nicht.
Das Kleid wird leider immer nach "beim Nähen nicht gebügelt" aussehen. Bei dem abgesteppten Einsatz geht es, der Kragen ist auch ganz in Ordnung, weil sich wenigstens der rote Stoff bügeln lässt. Die roten Knöpfe hatte ich zufällig noch - in zwei Größen, was sich ganz gut macht. Die überschnittenen Schultern bilden kleine Ärmel, die oben gegeneinander geknöpft werden. Es sind jeweils zwei kleinere Knöpfe mit einem Fadensteg verbunden.
Aber an der Taillennaht zum Beispiel kann man nichts machen (außer vielleicht absteppen). Das Naheliegendste, nämlich einen roten Gürtel oder gar noch rote Schuhe zum Kleid zu tragen, ist mir aus Abneigung gegen Komplettlooks nicht möglich. Ich fühle mich in diesem Kleid ohnehin schon übermäßig adrett. Ich könnte darin irgendwo etwas servieren - riesige Hamburger in einem 50er-Jahre-Diner zum Beispiel. Oder in einer altmodischen Drogerie Wäschestärke verkaufen.
Die Hüftpassentaschen mit Klappe sind ein bißchen kniffelig zu nähen, vor allem an der linken Seite, wo dann auch gleich der Reißverschluss eingesetzt wird. Aber ein schönes Detail, weil die äußere Kante der Klappe genau mit der Hüftrundung vom Rock abschließt.
Hier noch ein Blick auf die scheinbar niemals gebügelte Rückenansicht und einen Saum, den man aus dem gleichen Grund nur als Katastrophe bezeichnen kann.
Ich seh' schon, ich muss das unbedingt noch einmal nähen. Es ist zwar schon praktisch, dass sich Sitzfalten in diesem Kleid nach einer halben Stunde im Stehen von selbst wieder geglättet haben, aber dass die Nähte nach jeder Behandlung mit Bügeleisen und Dampf innerhalb der gleichen Zeit wieder in ihren vormals unausgebügelten Zustand zurückplöppen, ist deprimierend. Mir fällt auch nichts ein, wie man dieses Zurückplöppen verhindern könnte - habt ihr Erfahrung mit solchen störrischen Stoffen? Und habt ihr sie bezwungen? Ich könnte noch nachträglich ein paar Nähte absteppen, zum Beispiel wenigstens die Teilungsnähte hinten im Rock. Aber sonst?
Freitag, 16. August 2013
Cyanotypie: den preußischen Himmel einfangen
Cyanotypie oder Eisenblaudruck wollte ich ja schon sehr lange mal probieren, der Liebste auch, und letztlich waren es Kristinas Blogposts zum Thema, weswegen er spontan die Chemikalien bestellte - man braucht ja manchmal so einen Anstoß, um Pläne in die Tat umzusetzen. Die Cyanotypie ist ein fotografisches Druckverfahren und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden, man kann damit zum Beispiel Papierabzüge von Fotonegativen herstellen. Eine der Pionierinnen der Cyanotypie war aber die englische Botanikerin Anna Atkins, die diese damals völlig neue Technik verwendete, um Algen, Blütenpflanzen und Farne abzubilden und zu dokumentieren. Eines ihrer Bücher, Photographs of British Algae von 1843 kann man zum Beispiel hier Seite für Seite anschauen.
Möchte man heute Cyanotypie ausprobieren, gibt es zwei Möglichkeiten. Die einfache: gebrauchsfertige Lösungen oder die nötigen Salze im Künstlerbedarf in kleinen Mengen teuer kaufen, schon fix und fertig abgewogen. Die Kompliziertere: Man bestellt bei einem Chemikalienhandel die kleinstmögliche Menge und hat dann so viel, dass man ganze Tapetenbahnen belichten könnte. Wir entschieden uns für letzteres und folgten der grundlegenden, einfachen Cyanotypie-Anleitung von Herbert Frank. Die beiden Salze - Ammoniumeisen(III)-Citrat und das so genannte "rote Blutlaugensalz" Kaliumferricyanid - wurden mit einer etwas gewagten Konstruktion aus Briefwaage mit angehängtem Teefilterbeutel abgewogen und jeweils für sich in destilliertem Wasser aufgelöst. Die Chemikalien sind reizend und das Ammoniumeisen(III)-Citrat noch dazu staubfein, das heißt man sollte beim Hantieren darauf achten, dass man nichts einatmet, nichts schluckt, nicht herumkleckert und das Zeug nicht auf die Haut kriegt. Die beiden Lösungen lassen sich fast unbegrenzt lange aufbewahren.
Für die lichtempfindliche Cyanotypieflüssigkeit müssen die beiden Lösungen im Verhältnis 1:1 vermischt werden, am besten in einem Raum ohne Tageslicht bei 25-Watt-Funzelbeleuchtung. Unser fensterloses Bad erwies sich endlich einmal als praktisch, weil man für die beschichteten Papiere und Stoffe außerdem einen dunklen Trockenplatz braucht. Die Cyanotypielösung ist eine gelb-grüne Flüssigkeit, die vom Stoff prima aufgesaugt wird. Papier könnte man trockenföhnen, Stoffe eher nicht. Ich experimentierte mit zwei Materialien, einem dicken, leinenähnlichen Baumwollstoff, der sehr viel Flüssigkeit schluckte, und einem dünnen Baumwollbatist mit ca. 20% Polyanteil.
Wir beschichteten Stoffe und Papiere am Samstagabend und ließen sie über Nacht trocken, Sonntag nach dem Frühstück, es sah eher nach Regen aus (typisch! da braucht man EIN Mal Sonne!) wurde es dann richtig spannend - wenn man alles selber macht, selber abwiegt und mischt, noch dazu mit solch durch und durch professionellem Equipment wie wir, weiß man ja nicht, ob es wirklich funktioniert.
Ich hatte am Tag vorher ein paar Pflanzenteile gesammelt und über Nacht schon ein bißchen im Telefonbuch gepresst und mir ansonsten nicht allzu viele Gedanken gemacht. Die Pflanzenteile (oder was man sonst abbilden will) kommen auf den jetzt trockenen, grün-gelben Stoff, darauf am besten eine Glasscheibe, z. B. aus einem Bilderrahmen. Das ganze wird jetzt dem Licht ausgesetzt, bei voller Sonne so 10 bis 15 Minuten, im Winter wohl besser eine Stunde oder sogar länger.
Wir haben bei unseren Experimenten nicht exakt die Belichtungszeit genommen, was man aber unbedingt tun sollte, möchte man sich systematisch an gute Druckergebnisse heranarbeiten - aber dazu war die ganze Sache einfach zu aufregend! Durch das UV-Licht entsteht aus dem wasserlöslichen Ammoniumeisen(III)-Citrat irgendwie (fragt lieber die Chemikerin eures Vertrauens nach Details) eine wasserunlösliche, strahlend blaue Eisen(II)-Verbindung - aber eben nur dort, wo das Licht hinkommt.
Der Stoff verfärbt sich im Licht dunkel-braun-grün, und wenn man die Pflanzenteile abnimmt, siehts erstmal etwas enttäuschend aus: scheinbar nur ein paar undeutliche Spuren. Soll das alles gewesen sein?
Beim Ausspülen erscheinen dann mehr und mehr Details!
Und beim Trocknen wird das Bild noch deutlicher, feine Strukturen werden sichtbar.
Das ist der beste Druck und das typische Preußisch Blau der Cyanotypie: den Stoff hatte ich gut mit der Lösung getränkt (soweit sich das nachher rekonstruieren ließ) und bei bedecktem Himmel ziemlich lange belichtet.
Hier war entweder zu wenig Lösung drauf, die Lösung war nicht ganz im richtigen Verhältnis gemischt, oder ich habe nicht lange genug gewartet.
Der Batist hat die Farbe etwas anders angenommen als die Baumwolle, durch den Polyesteranteil ist der Untergrund ganz leicht meliert. Grundsätzlich ist aber dünnerer Stoff wohl besser geeignet: er schluckt nicht so viel Flüssigkeit, und wie immer beim Stoffdruck lassen sich feine Details auf dem feinen Fadenraster besser abbilden.
Weil die Pflanzen noch nicht ganz platt gepresst waren, ergeben sich zum Teil reizvolle Unschärfen, wenn die Blätter nicht ganz plan aufliegen. Es ist faszinierend, dass auch die fligransten Strukturen auf diese Weise übertragen werden können. Im Herbst möchte ich die Technik unbedingt mit skelettierten Blättern ausprobieren!
Der Versuch mit Scherenschnittrosetten und Papierpunkten aus dem Locher wirkt im Vergleich dazu grobschlächtig. Die Umrisse der Glasscheibe (es war windig, die Scheibe aber kleiner als der Stoff) haben sich hier auch mit übertragen.
Der zweite Druck mit Scherenschnittmotiven. So weit ich gelesen habe, sind die Drucke sehr lichtecht, und in klarem Wasser oder mit Wollwaschmittel waschbar, da die Farbe von Laugen (=normales Waschpulver) angegriffen wird. Wir werden bestimmt weiter experimentieren - die Foto-Ergebnisse des Liebsten gibts übrigens hier zu sehen.
Montag, 12. August 2013
Woche 32
Wieder erträgliche Temperaturen, und ich bin total im Strickfieber. Alles Eskapismus, nehme ich an, denn mit nichts kann ich mich derzeit gedanktlich so gut wegbeamen, vor allem an den verregneten Abenden, die wir jetzt ab und zu hatten. Stricken beruhigt mich, und so muss ich nicht Zigaretten holen gehen und mit gefälschtem Pass in Argentinien ein neues Leben anfangen. (Macht euch keine Sorgen um mich, es ist nur die alte Geschichte "Der Text und ich", den ich nicht mehr sehen kann, der jetzt langsam fertig wird und irgendwie auch zu schnell, weil ich mich fürchte, ihn abzugeben.)
Sprechen wir lieber von erfreulichen Erfolgserlebnissen:
1. Ich habe eine Strickjacke abgekettet.
2. Experimentiert.
3. Eine neue Maschenprobe gestrickt, aus Baby Merino von Drops. Das Muster nennt sich "Schleifenmuster" und wird eigentlich wie in der unteren Hälfte der Probe gestrickt (sofern man das bei schwarzer Wolle erkennen kann), mit normal abgestrickten Umschlägen. Bei dem glatten Garn gefällt mir das Muster mit verschränkt abgestrickten Umschlägen und kleineren Löchern aber auch ganz gut. Welches es wird? Mal sehen. Die Maschenprobe habe ich diesmal kurz durchgewaschen, weil ich irgendwo in einem Blog (war es bei Lucia?) gelesen hatte, dass dieses Merinogarn stark nachgibt. Das kommt mir auch so vor.
4. Mich mit Strickmusternachschub versorgt (darunter zu sehen übrigens Teile des blöden Textes). Die gedankliche Strickprojektliste umfasst nun etwa 15 Positionen, aber keine Angst - das alles werde ich sicher nicht stricken, nur davon träumen. Ich habe ja zum ersten Mal seit Jahren wieder Strickmusterhefte gekauft und bin ganz angetan. Die Modelle können durchaus mit dem mithalten, was man von ravelry aus dem angelsächsischen Raum kennt. Nur Anleitungen für dünneres Garn - also dünner als Nadelstärke 4 - sind immer noch selten. Und es gibt Eulen- und Katzenpullover, ohje. Aber meine älteren Strickzeitschriften sind von 2006, als ich dachte, ich könnte mal wieder was stricken und zwei Verenas kaufte. Letztlich strickte ich nichts daraus, und wenn ich mir die alte Modelle jetzt ansehe, weiß ich auch wieder, warum. Eine Vorschau auf die aktuellen Hefte findet ihr hier: Rebecca Heft 55 und hier: Verena Herbst 2013.
5. Die Besteigung der Eiger-Nordwand mit der Heidi-Jodelgruppe geplant. Susa hat da schon wieder ein Strickmuster entdeckt (aus der Rebecca) und einen schlimmen Rückfall der Heidi-Strick-Jodelitis erlitten (wir erinnern uns). Natürlich wurden wie letztes Jahr wieder zahlreiche Bloggerinnen in Mitleidenschaft gezogen (gehörte ich einer bestimmten theoretischen Richtung der Literatur- und Kulturwissenschaft an, schriebe ich jetzt Mit-leiden-schaft, damit ihr auch ja alle merkt, welche Einzelbestandteile in diesem Wort stecken, und dass es um Leiden und um Leidenschaft und um das Gemeinsame, das Mitfühlen, Verzeihung, das Mit-Fühlen geht und das alles ungeheuer tief und bedeutsam ist), also, es wurden andere Bloggerinnen in Mitleidenschaft gezogen und auch ich, die ich ja nur den Fehler machte, die Kommentare zu lesen, konnte mich dem nicht entgegenstellen, als ich einem Link von Ilsebyl folgte: So ein Strickcape brauche ich jetzt wohl auch! Eine Lawine kann man nicht aufhalten.
Am 1. September gehts los, die weitere Route der Jodelgruppe in Sachen alpenländischer Strickware entnehmen Sie bitte dem Post unserer Expeditionsleiterin Frau Sachenmacherin. Es sind noch Plätze in unserer Seilschaft frei! Mein Motto wird sein: Miss Marple goes Eiger-Nordwand.
5. Die alles beherrschende Strickleidenschaft ist auch Schuld daran, dass ich wollige Links zu empfehlen habe: Bei drops wird es ab etwa Mitte Oktober zwei neue Garne geben: ein flauschiges Alpaca-Seide-Garn, das sehr dünn ist, aber mit Nadelstärke 5 verarbeitet werden soll, und eine Mischung aus Baumwolle und Merino, die ziemlich sportlich aussieht. Besonders auf das Flauschgarn bin ich gespannt, mehr noch auf die Anleitungen dazu - ich finde, dann kann man erst richtig abschätzen, wozu so ein Garn geeignet wäre.
Samstag, 10. August 2013
Loben und Lästern: Burdastyle 08/2013
Ich finde es ist Zeit für eine neue Rubrik hier im Blog! Ich kaufe mir ja Monat für Monat das neue Schnittmusterheft von Burda, finde fast jeden Monat den einen oder anderen Schnitt, den ich un-be-dingt nachnähen will, lästere im Familienkreis über andere Modelle, die ich albern, lächerlich oder missraten finde, lege das Heft dann auf den wachsenden Heftstapel hier und habe bald darauf alles vergessen. Das hat zwei Nachteile: die unbedingt nachzunähenden Schnitte werden nicht genäht, und lästern ist ja in größerer Runde und unter Nähexpertinnen noch viel schöner. Außerdem lese ich gerne die Rubrik revue de presse von Nowak - hier die Besprechung vom Burdastyle-Augustheft- und erinnert sich noch jemand an die grandiosen Burda-Lästereien der Selfish Seamstress, back in the days - zum Beispiel hier, hier und hier? Neben etwas augenzwinkerndem Läster-Spaß erhoffe ich mir mehr Struktur für meine Nähpläne. Oft habe ich ja sogar schon passende Stoffe da, und planen und schwärmen und Ideen ausbrüten ist ja sowieso das Allerschönste am Nähen.
Los gehts mit dem Burdastyle-Augustheft, wie üblich schon das erste Herbstheft mitten im Sommer, aber als echter Nähnerd kann ich mich eiskalt (haha) mit der Planung der Herbstnähereien befassen, auch bei 30 Grad im Schatten.
Der Rock 130 von Seite 31, ein Wollrock ganz nach meinem Beuteschema: schmal mit Taschen und Anklängen an eine Herrenhose durch die Paspeltaschen im Rückenteil und einem - scheinbar - klassischen Reißverschlussschlitz. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Wickelrock: Ein teilbarer Reißverschluss verbindet vorne die obere und die untere Lage. Wie das ganze genau funktioniert, habe ich beim Lesen der Nähanleitung noch nicht verstanden, aber das erhöht nur den Reiz. Der dicke schwarze Wollstoff mit eingewebten weißen Streifen aus meinem Lager (vom Sonderverkauf bei Thatchers) passt jedenfalls perfekt dazu.
Den Streifenpullover vom Foto finde ich von der Idee her gar nicht so schlecht - aber nicht in dieser übergroßen Passform, die mich sofort wieder ins Jahr 1986 beamt.
Der Mantel 125 von Seite 32, ein schmaler Mantel mit Prinzessnähten und einem einseitigen Kragen. Seitdem ich den sehr tollen, aber wegen mieser Stoffqualität leider unrettbaren Übergangsmantel beerdigt habe, ist der Posten wieder frei, und dieser Kandidat erfüllt alle Anforderungen: knielang, schmal, und ein Schnitt, der sich besser bei mittelkalten Temperaturen als im tiefsten Winter trägt. Und einen wunderbaren dunkel-smaragdgrünen Mantelvelours in ausreichender Menge gibt das Lager auch her. Futter dann am besten himbeerrot.
Auf der Suche nach dem dritten potentiellen Lieblingsschnitt im Heft blätterte ich hin- und her und konnte mich nicht recht entscheiden. Ein Cape wollte ich mir ja schon immer mal nähen, aber Modell 122 frisst über 4 Meter Wollstoff, es handelt sich mithin wohl um eine Jurte, nicht um ein Kleidungsstück. Dann gibt es mit Modell 106/107 ein wunderschönes Jäckchen mit Kelchkragen, aber hier tappe ich in die Blazerfalle: Ich mag solche Jacken, aber ehrlicherweise habe ich derzeit wenig Gelegenheit, sie anzuziehen.
Daher empfehle ich euch als drittes einfach einen Blick auf die Schnitte in großen Größen (Nummer 135 bis 142, hier fast ganz unten). Da gibt es dieses Mal nämlich sehr schöne, etwas retromäßig gestylte Kleiderschnitte, eine aufwendige Wolljacke und eine Hose. Ich finde, die sehen ganz brauchbar aus.
Das Kostüm von Seite 35 aus Jacke 101 und Rock 132, und ich weiß schon jetzt, dass ich mich mit dieser Wahl unbeliebt mache, denn Marion erinnerte das Modell an Raumschiff Orion, und zwar auf die gute Art. Vielleicht verstehe ich es nur einfach nicht: eine ohnehin schon kastige Jacke wird noch kastiger gemacht, indem zwei Lagen Wollflausch in verschiedenen Farben aufeinander gesteppt werden. Dazu noch eine Prise schwarzes Lackleder an den Blenden und für den Vorderteilbeleg, und die Jacke steht auch ohne Inhalt von alleine. Ähnlich beim Rock, auch hier bestehen die blassrosa Felder aus einer zweiten, aufgesteppten Lage Wollflausch. Äh ja, das hält bestimmt schön warm und ist wegen der unüblichen Verarbeitung auch sicherlich sehr interessant zu nähen - aber ich vermisse bei diesem Modell buchstäblich die Leichtigkeit, und das liegt nciht nur am Material, auch an der kilometerlangen knappkantigen Abstepperei, die hier involviert ist.
Auch bei Kleid 133 von Seite 58 fragte ich mich, was das in einem Modeheft zu suchen hat: Roter Pannesamt? Eine Schnürung mit eingeschlagenen Metallösen am Ausschnitt? Dazu Empiretaille und Dreiviertelärmel in einer ganz blöden Länge, die wie herausgewachsen wirkt? Ernsthaft? Ich dachte, müssten nur diejenigen bedauernswerten Besucherinnen von Mittelalterfesten anziehen, die nicht selbst nähen können und irgendwo was aus dem Katalog bestellen müssen.
Und zuletzt die Bluse 114, Seite 19, Motto: Uniformbluse trifft Spitze und viel hilft viel. Hier wurden für einen kastigen Blusenschnitt Stickereibatist in zwei Farben, einfacher Batist, Baumwollspitze, ein Perlenband zum Aufnähen und drei große goldene Knöpfe verbraten. Für ausreichend lange Ärmel war aber trotzdem nicht genug Material da.Wahrscheinlich verstehe ich den Reiz dieser ganzen nostalgisch aufgemachten Jahrhundertwende-trifft-Achtziger-Modestrecke nicht so richtig, denn auch die Kleider und Blusen mit Halskrause (104 und 105), das weiße Spitzenkleid wie aus Tod in Venedig (117) und nicht zuletzt die oben weite, unten enge knöchellange Lederhose (112) waren Anwärter für einen der Top-of-the-Flops-Plätze.
Ob ich mir diese Sachen in ein bis drei Jahren "schöngesehen" habe und sie dann doch ganz gut finde? Lassen wir uns überraschen, denn kein Geschmacksurteil hat ewig Bestand!
Los gehts mit dem Burdastyle-Augustheft, wie üblich schon das erste Herbstheft mitten im Sommer, aber als echter Nähnerd kann ich mich eiskalt (haha) mit der Planung der Herbstnähereien befassen, auch bei 30 Grad im Schatten.
Die Lieblingsschnitte
Der Rock 130 von Seite 31, ein Wollrock ganz nach meinem Beuteschema: schmal mit Taschen und Anklängen an eine Herrenhose durch die Paspeltaschen im Rückenteil und einem - scheinbar - klassischen Reißverschlussschlitz. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Wickelrock: Ein teilbarer Reißverschluss verbindet vorne die obere und die untere Lage. Wie das ganze genau funktioniert, habe ich beim Lesen der Nähanleitung noch nicht verstanden, aber das erhöht nur den Reiz. Der dicke schwarze Wollstoff mit eingewebten weißen Streifen aus meinem Lager (vom Sonderverkauf bei Thatchers) passt jedenfalls perfekt dazu.
Den Streifenpullover vom Foto finde ich von der Idee her gar nicht so schlecht - aber nicht in dieser übergroßen Passform, die mich sofort wieder ins Jahr 1986 beamt.
Der Mantel 125 von Seite 32, ein schmaler Mantel mit Prinzessnähten und einem einseitigen Kragen. Seitdem ich den sehr tollen, aber wegen mieser Stoffqualität leider unrettbaren Übergangsmantel beerdigt habe, ist der Posten wieder frei, und dieser Kandidat erfüllt alle Anforderungen: knielang, schmal, und ein Schnitt, der sich besser bei mittelkalten Temperaturen als im tiefsten Winter trägt. Und einen wunderbaren dunkel-smaragdgrünen Mantelvelours in ausreichender Menge gibt das Lager auch her. Futter dann am besten himbeerrot.
Auf der Suche nach dem dritten potentiellen Lieblingsschnitt im Heft blätterte ich hin- und her und konnte mich nicht recht entscheiden. Ein Cape wollte ich mir ja schon immer mal nähen, aber Modell 122 frisst über 4 Meter Wollstoff, es handelt sich mithin wohl um eine Jurte, nicht um ein Kleidungsstück. Dann gibt es mit Modell 106/107 ein wunderschönes Jäckchen mit Kelchkragen, aber hier tappe ich in die Blazerfalle: Ich mag solche Jacken, aber ehrlicherweise habe ich derzeit wenig Gelegenheit, sie anzuziehen.
Daher empfehle ich euch als drittes einfach einen Blick auf die Schnitte in großen Größen (Nummer 135 bis 142, hier fast ganz unten). Da gibt es dieses Mal nämlich sehr schöne, etwas retromäßig gestylte Kleiderschnitte, eine aufwendige Wolljacke und eine Hose. Ich finde, die sehen ganz brauchbar aus.
Die Flops
Das Kostüm von Seite 35 aus Jacke 101 und Rock 132, und ich weiß schon jetzt, dass ich mich mit dieser Wahl unbeliebt mache, denn Marion erinnerte das Modell an Raumschiff Orion, und zwar auf die gute Art. Vielleicht verstehe ich es nur einfach nicht: eine ohnehin schon kastige Jacke wird noch kastiger gemacht, indem zwei Lagen Wollflausch in verschiedenen Farben aufeinander gesteppt werden. Dazu noch eine Prise schwarzes Lackleder an den Blenden und für den Vorderteilbeleg, und die Jacke steht auch ohne Inhalt von alleine. Ähnlich beim Rock, auch hier bestehen die blassrosa Felder aus einer zweiten, aufgesteppten Lage Wollflausch. Äh ja, das hält bestimmt schön warm und ist wegen der unüblichen Verarbeitung auch sicherlich sehr interessant zu nähen - aber ich vermisse bei diesem Modell buchstäblich die Leichtigkeit, und das liegt nciht nur am Material, auch an der kilometerlangen knappkantigen Abstepperei, die hier involviert ist.
Auch bei Kleid 133 von Seite 58 fragte ich mich, was das in einem Modeheft zu suchen hat: Roter Pannesamt? Eine Schnürung mit eingeschlagenen Metallösen am Ausschnitt? Dazu Empiretaille und Dreiviertelärmel in einer ganz blöden Länge, die wie herausgewachsen wirkt? Ernsthaft? Ich dachte, müssten nur diejenigen bedauernswerten Besucherinnen von Mittelalterfesten anziehen, die nicht selbst nähen können und irgendwo was aus dem Katalog bestellen müssen.
Und zuletzt die Bluse 114, Seite 19, Motto: Uniformbluse trifft Spitze und viel hilft viel. Hier wurden für einen kastigen Blusenschnitt Stickereibatist in zwei Farben, einfacher Batist, Baumwollspitze, ein Perlenband zum Aufnähen und drei große goldene Knöpfe verbraten. Für ausreichend lange Ärmel war aber trotzdem nicht genug Material da.Wahrscheinlich verstehe ich den Reiz dieser ganzen nostalgisch aufgemachten Jahrhundertwende-trifft-Achtziger-Modestrecke nicht so richtig, denn auch die Kleider und Blusen mit Halskrause (104 und 105), das weiße Spitzenkleid wie aus Tod in Venedig (117) und nicht zuletzt die oben weite, unten enge knöchellange Lederhose (112) waren Anwärter für einen der Top-of-the-Flops-Plätze.
Ob ich mir diese Sachen in ein bis drei Jahren "schöngesehen" habe und sie dann doch ganz gut finde? Lassen wir uns überraschen, denn kein Geschmacksurteil hat ewig Bestand!
Montag, 5. August 2013
Live vom Nähtisch II: was weiter geschah
Nur ganz schnell der Stand des Retrokleides nach dem Wochenende: ich muss noch die Belege an den Ärmeln absteppen (präzise um-die-Ecke-Stepperei involviert, dazu brauch' ich ne ruhige Minute oder zwei), Knopflöcher einnähen, Knöpfe annähen und das Kleid säumen.
Samstag Abend warf mich ein Denkfehler in der Anleitung zurück, der mich nötigte, die Schulternähte zum Teil wieder aufzutrennen, um den Kragen anzunähen - das war aber gar nicht so schlimm, weil ich mich durch das Aufdecken dieses Fehlers als Probenäherin von solcher Wichtigkeit durchdrungen fand, dass sich das bißchen Trennarbeit fast wie im Fluge erledigte. Beim späteren Kneipenbesuch kam ich dann auch auf eine nähtechnisch sehr elegante Lösung, wie sich Kragen und Einsatz ohne Handnähte zusammenfügen lassen. Alles in allem also ein sehr erfolgreicher Abend.
An Sonntag widmete ich mich dem Reißverschluss und den Belegen an den Ärmeln, letztere eine in meinen Augen eine verhältnismäßig fummelige Angelegenheit mit lauter Ecken. Bisher bin ich von dem Schnitt aber ganz angetan. Ich könnte ihn mir auch in einer Winterversion aus Wolle vorstellen, dann natürlich gefüttert. Das wäre vermutlich sogar einfacher als die fummeligen Belege. Bald mehr, wenn das Kleid fertig ist!
Samstag, 3. August 2013
Live vom Nähtisch: ein ganz besonderes Retrokleid
In Berlin solls heute irre heiß werden, den Wochenendgroßeinkauf haben der Liebste und ich schon erledigt und uns mit kühlen Getränken in der Wohnung verbarrikadiert. Der Liebste überlegt noch, ob er gleich zum Fotografieren in die Hitze hinausgeht - na meinetwegen, solange ich nicht mit muss.
Auf meinem Nähtisch liegt ein ganz besonderer Schnitt, auf den ich schon ganz heiß (haha!) bin, seitdem ich die Modellzeichnung das erste Mal gesehen hatte: ein Sommerkleid aus den 1930er Jahren mit kleinen, angeschnittenen Ärmelchen mit Knöpfen, einem raffinierten Reverskragen, der aus einem viereckigen Einsatz hervorgeht, Hüftpassentaschen und einem Rock, der im Rückenteil stärker ausgestellt ist als vorne. Genauer gesagt - das hier:
Das nähe ich jetzt und versuche parallel dazu life zu bloggen, wie das Meike immer beim Tatort macht. Mal sehen, ob ich letzlich mehr nähe oder mehr schreibe. Näht heute noch jemand anderes, oder seid ihr alle am See?
Also, der Schnitt: den hat eine meiner Mitbewohnerinnen in der Büroetage, die Modedesignerin ist, nach der Zeichnung oben professionell erstellt. Aus der gleichen Serie modernisierter Retroschnittmuster stammt auch das Streifen-Trägerkleid, das Nina vor ein paar Wochen genäht hatte. Das Schnittmuster für Ninas Kleid gibts inzwischen im Nähkontor zu kaufen, das Kleid das ich jetzt nähe, wirds dann dort auch bald geben, sobald der Schnitt optimiert ist. Meine Nachbarin Regine hatte nach der allerersten Schnittversion ein Nesselmodell angefertigt, noch ein bißchen am Design geschraubt, und mir die zweite Version zum Ausprobieren überlassen.
Die Stoffwahl fand ich nicht einfach: der Vorrat gab natürlich nichts Passendes her (bitte nicht lachen jetzt!) und natürlich findet man (also ich) auf dem Markt nichts rechtes, wenn man dringend mal etwas braucht. Ich kaufte einen geht-so-Stoff, eine Art hellblauen Oberhemdenstoff mit einer ganz schönen Webstruktur. Ich befürchte aber, dass ich in einem hellblauen Kleid wie Rotkreuzschwester Hildegard, 1932 aussehen könnte - also kurz gesagt: Kittelalarm droht - und möchte deshalb für den Oberkragen, die Belege an den Ärmeln und möglicherweise die Taschenklappen einen roten Stoff verwenden. Einen helleren oder einen dunkleren:
Ich sinniere noch ein bißchen über hell oder dunkel, während ich den Schnitt ausschneide und die blauen Teile zuschneide.
Puh, Zuschneiden auf dem Fußboden ist etwas mehr Bewegung, als ich mir im Moment wünschen würde. Aber welch ein Luxus, einen für die eigenen Maße optimierten Schnitt zu verwenden! Als ich das Nesselmodell anprobierte, ergaben sich nämlich zwei Änderungen gegenüber der Standard-38: ich brauche an der Brust zwei Zentimeter mehr und ein um 1,5 Zentimeter verlängertes Oberteil. Das wurde in meinen Schnitt gleich eingearbeitet, mit dem Schnittmusterprogramm ist das kein Problem. (Und ich fühle mich bestätigt: das sind genau die Zentimeter, die ich immer bei Burdaschnitten zugebe.) Einfach zuschneiden und nähen, wann hat man das schon mal.
Wie ich sehe bin ich auch nicht ganz alleine: Catherine näht auch, wenigstens ein bißchen, Julia winkt, und ja, Nina, ich nehme den hellroten Stoff. Aber zuerst mach' ich mir ein Schinkenbrot.
Der Liebste hat sich mit unbekanntem Ziel und seiner Fototasche nach draußen begeben - und ich frage mich, jetzt wo alles zugeschnitten ist, warum ich nicht den hellroten Stoff für das Kleid genommen habe. Der ist so schön, ein mattes, überhaupt nicht grelles Rot. Naja. Der Reststoff reicht vielleicht noch für ein Kleid. Manchmal bin ich schon komisch. Und fein, Siebenhundertsachen und Sabine nähen auch mit im virtuellen Nähkränzchen.
Also ehrlich, bei 32° in der Wohnung wie bei Sabine könnte ich nicht nähen! Ich überlege schon jetzt, ob einfach Herumsitzen nicht ne prima Alternative wäre. In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass
- mein Bügeleisen dringend eine Reinigung vertragen könnte
- ich beim Zuschneiden eines Rockteils übersehen habe, dass die Schnittkante des Stoffes nicht ganz gerade war, nun fehlt an der Stelle ein kleines bißchen an der Saumzugabe
- der selbstgemachte Eistee aus Hagebutte-Hibiskus-Brombeerblättertee, Zitronenschale und -saft und braunem Zucker genau die gleiche Farbe hat wie der rote Stoff
Das Bild vom zusammengenähten hinteren Rockteil ist für Yvonet: Ich glaube nämlich, dass der Rockteil und speziell die Rückenpartie ganz ähnlich ist wie bei dem gestreiften Sommerkleid von Dolce & Gabbana, über dessen Konstruktion wir gerätselt hatten. Das Rockvorderteil ist im Prinzip ein leicht ausgestellter Rock, ganz normal im Bruch zugeschnitten, der hintere Teil besteht aus aus 5 mehr oder weniger keilförmigen Einzelteilen und ist stärker ausgestellt als das Vorderteil. Hätte ich einen Streifenstoff genommen, wäre der Streifenverlauf vermutlich ganz ähnlich wie beim D&G-Kleid. Ich werde das aber anhand der Schnittteile nochmal genauer überprüfen!
Zuzsa näht auch! Ich habe übrigens von der Nähmaschine allerbeste Sicht auf durchtrainierte, nur halb bekleidete Männer - im angrenzenden Hof wird ein Gerüst an der Hausfassade aufgebaut. Ich schwanke zwischen Mitleid (die müssen echt arbeiten! am Samstag! bei den Temperaturen!) und Verwunderung: warum haben die alle so forschtbare Tätowierungen?
Stecken, nähen, bügeln, einschneiden, stecken, nähen, bügeln, absteppen - beim viereckigen Einsatz im Vorderteil bin ich etwas ins Schwitzen gekommen. Der Liebste ist draußen verschollen. Falls ihr in Berlin und Umgebung einen Mann im schwarzen Polohemd und mit Fototasche herumirren seht, bitte gebt ihm Wasser!
Bisher fügen sich die Schnittteile prima zusammen. Da jede Naht eine Nummer hat, sieht man auch sofort, was an welches Teil gehört. Die Anleitung ist knapp, aber ausreichend, über die gängigsten Verarbeitungstechniken sollte man allerdings Bescheid wissen.
An den unteren Ecken des Krageneinsatzes habe ich zuerst eine Stütznaht genäht, knapp auf der Natzugabe - die blaue Linie ist die Nahtlinie. Beim Einsetzen wird erst die untere, waagerechte Naht genäht, dann bis zu den Ecken eingeschnitten, umgeklappt, und als nächstes die senkrechten Nähte geschlossen. Beim Absteppen rundherum war mittendrin der Unterfaden alle - alles andere hätte mich auch gewundert!
Der Mann ist wieder zurück, dehydriert, aber unverletzt. Gerade bemerkt, dass es an der vorderen Rockbahn auch so eine Ecke mit Einschneiden und allem Pipapo gibt - und da treffen auch noch die dicke Taschenklappe und zwei Taschenbeutelteile aufeinander. Herrje. Genäht und eingeschnitten ist es - wird den Rest das Bügeln richten? Oder erstmal ein Eis?
Der Mann wirkt apathisch, ich mache mal schnell was zu essen. Die vordere Kniffelstelle an den Taschen war gar nicht so schwierig. Und: die Bügeleinlage, die ich vor kurzem bei Yavas in Charlottenburg gekauft hatte, ist eine Wucht. Ich habe Jahre, wirklich Ja-hre meine Lebens mit Bügeln verschwendet. Bis jetzt. Denn jetzt kenne ich ja das gute Zeug.
Ich weiß noch nicht, ob ich heute Abend weiternähe - eine Nachbarin will eventuell in ihren Geburtstag reinfeiern. Ach ja - und schaut doch mal in den vorigen Beitrag, falls ihr alte Jeans zur Weiterverwertung gebrauchen könnt.
Auf meinem Nähtisch liegt ein ganz besonderer Schnitt, auf den ich schon ganz heiß (haha!) bin, seitdem ich die Modellzeichnung das erste Mal gesehen hatte: ein Sommerkleid aus den 1930er Jahren mit kleinen, angeschnittenen Ärmelchen mit Knöpfen, einem raffinierten Reverskragen, der aus einem viereckigen Einsatz hervorgeht, Hüftpassentaschen und einem Rock, der im Rückenteil stärker ausgestellt ist als vorne. Genauer gesagt - das hier:
Das nähe ich jetzt und versuche parallel dazu life zu bloggen, wie das Meike immer beim Tatort macht. Mal sehen, ob ich letzlich mehr nähe oder mehr schreibe. Näht heute noch jemand anderes, oder seid ihr alle am See?
11.30 Uhr, draußen 30°, heiter; drinnen 24°, optimistisch
Also, der Schnitt: den hat eine meiner Mitbewohnerinnen in der Büroetage, die Modedesignerin ist, nach der Zeichnung oben professionell erstellt. Aus der gleichen Serie modernisierter Retroschnittmuster stammt auch das Streifen-Trägerkleid, das Nina vor ein paar Wochen genäht hatte. Das Schnittmuster für Ninas Kleid gibts inzwischen im Nähkontor zu kaufen, das Kleid das ich jetzt nähe, wirds dann dort auch bald geben, sobald der Schnitt optimiert ist. Meine Nachbarin Regine hatte nach der allerersten Schnittversion ein Nesselmodell angefertigt, noch ein bißchen am Design geschraubt, und mir die zweite Version zum Ausprobieren überlassen.
Die Stoffwahl fand ich nicht einfach: der Vorrat gab natürlich nichts Passendes her (bitte nicht lachen jetzt!) und natürlich findet man (also ich) auf dem Markt nichts rechtes, wenn man dringend mal etwas braucht. Ich kaufte einen geht-so-Stoff, eine Art hellblauen Oberhemdenstoff mit einer ganz schönen Webstruktur. Ich befürchte aber, dass ich in einem hellblauen Kleid wie Rotkreuzschwester Hildegard, 1932 aussehen könnte - also kurz gesagt: Kittelalarm droht - und möchte deshalb für den Oberkragen, die Belege an den Ärmeln und möglicherweise die Taschenklappen einen roten Stoff verwenden. Einen helleren oder einen dunkleren:
Ich sinniere noch ein bißchen über hell oder dunkel, während ich den Schnitt ausschneide und die blauen Teile zuschneide.
12.30 Uhr, draußen sonnig, 32°; drinnen durstig, 25°
Puh, Zuschneiden auf dem Fußboden ist etwas mehr Bewegung, als ich mir im Moment wünschen würde. Aber welch ein Luxus, einen für die eigenen Maße optimierten Schnitt zu verwenden! Als ich das Nesselmodell anprobierte, ergaben sich nämlich zwei Änderungen gegenüber der Standard-38: ich brauche an der Brust zwei Zentimeter mehr und ein um 1,5 Zentimeter verlängertes Oberteil. Das wurde in meinen Schnitt gleich eingearbeitet, mit dem Schnittmusterprogramm ist das kein Problem. (Und ich fühle mich bestätigt: das sind genau die Zentimeter, die ich immer bei Burdaschnitten zugebe.) Einfach zuschneiden und nähen, wann hat man das schon mal.
Wie ich sehe bin ich auch nicht ganz alleine: Catherine näht auch, wenigstens ein bißchen, Julia winkt, und ja, Nina, ich nehme den hellroten Stoff. Aber zuerst mach' ich mir ein Schinkenbrot.
13.45 Uhr
Der Liebste hat sich mit unbekanntem Ziel und seiner Fototasche nach draußen begeben - und ich frage mich, jetzt wo alles zugeschnitten ist, warum ich nicht den hellroten Stoff für das Kleid genommen habe. Der ist so schön, ein mattes, überhaupt nicht grelles Rot. Naja. Der Reststoff reicht vielleicht noch für ein Kleid. Manchmal bin ich schon komisch. Und fein, Siebenhundertsachen und Sabine nähen auch mit im virtuellen Nähkränzchen.
15.00 Uhr, draußen 32°, bewölkt; drinnen 26°, puh
Also ehrlich, bei 32° in der Wohnung wie bei Sabine könnte ich nicht nähen! Ich überlege schon jetzt, ob einfach Herumsitzen nicht ne prima Alternative wäre. In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass
- mein Bügeleisen dringend eine Reinigung vertragen könnte
- ich beim Zuschneiden eines Rockteils übersehen habe, dass die Schnittkante des Stoffes nicht ganz gerade war, nun fehlt an der Stelle ein kleines bißchen an der Saumzugabe
- der selbstgemachte Eistee aus Hagebutte-Hibiskus-Brombeerblättertee, Zitronenschale und -saft und braunem Zucker genau die gleiche Farbe hat wie der rote Stoff
Das Bild vom zusammengenähten hinteren Rockteil ist für Yvonet: Ich glaube nämlich, dass der Rockteil und speziell die Rückenpartie ganz ähnlich ist wie bei dem gestreiften Sommerkleid von Dolce & Gabbana, über dessen Konstruktion wir gerätselt hatten. Das Rockvorderteil ist im Prinzip ein leicht ausgestellter Rock, ganz normal im Bruch zugeschnitten, der hintere Teil besteht aus aus 5 mehr oder weniger keilförmigen Einzelteilen und ist stärker ausgestellt als das Vorderteil. Hätte ich einen Streifenstoff genommen, wäre der Streifenverlauf vermutlich ganz ähnlich wie beim D&G-Kleid. Ich werde das aber anhand der Schnittteile nochmal genauer überprüfen!
15.30 Uhr
Zuzsa näht auch! Ich habe übrigens von der Nähmaschine allerbeste Sicht auf durchtrainierte, nur halb bekleidete Männer - im angrenzenden Hof wird ein Gerüst an der Hausfassade aufgebaut. Ich schwanke zwischen Mitleid (die müssen echt arbeiten! am Samstag! bei den Temperaturen!) und Verwunderung: warum haben die alle so forschtbare Tätowierungen?
17.00 Uhr, draußen 32°, leicht bewölkt; drinnen 26°, gefühlt tropisch
Stecken, nähen, bügeln, einschneiden, stecken, nähen, bügeln, absteppen - beim viereckigen Einsatz im Vorderteil bin ich etwas ins Schwitzen gekommen. Der Liebste ist draußen verschollen. Falls ihr in Berlin und Umgebung einen Mann im schwarzen Polohemd und mit Fototasche herumirren seht, bitte gebt ihm Wasser!
Bisher fügen sich die Schnittteile prima zusammen. Da jede Naht eine Nummer hat, sieht man auch sofort, was an welches Teil gehört. Die Anleitung ist knapp, aber ausreichend, über die gängigsten Verarbeitungstechniken sollte man allerdings Bescheid wissen.
An den unteren Ecken des Krageneinsatzes habe ich zuerst eine Stütznaht genäht, knapp auf der Natzugabe - die blaue Linie ist die Nahtlinie. Beim Einsetzen wird erst die untere, waagerechte Naht genäht, dann bis zu den Ecken eingeschnitten, umgeklappt, und als nächstes die senkrechten Nähte geschlossen. Beim Absteppen rundherum war mittendrin der Unterfaden alle - alles andere hätte mich auch gewundert!
18.00 Uhr
Der Mann ist wieder zurück, dehydriert, aber unverletzt. Gerade bemerkt, dass es an der vorderen Rockbahn auch so eine Ecke mit Einschneiden und allem Pipapo gibt - und da treffen auch noch die dicke Taschenklappe und zwei Taschenbeutelteile aufeinander. Herrje. Genäht und eingeschnitten ist es - wird den Rest das Bügeln richten? Oder erstmal ein Eis?
19.45 Uhr
Der Mann wirkt apathisch, ich mache mal schnell was zu essen. Die vordere Kniffelstelle an den Taschen war gar nicht so schwierig. Und: die Bügeleinlage, die ich vor kurzem bei Yavas in Charlottenburg gekauft hatte, ist eine Wucht. Ich habe Jahre, wirklich Ja-hre meine Lebens mit Bügeln verschwendet. Bis jetzt. Denn jetzt kenne ich ja das gute Zeug.
Ich weiß noch nicht, ob ich heute Abend weiternähe - eine Nachbarin will eventuell in ihren Geburtstag reinfeiern. Ach ja - und schaut doch mal in den vorigen Beitrag, falls ihr alte Jeans zur Weiterverwertung gebrauchen könnt.
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