Freitag, 30. Dezember 2016
Jahresend-Wochenrückblick mit Tweedjackenfail
Die letzten Wochen des Jahres vergingen im Galopp. Ich war viel unterwegs, aber immer nur zu Blitzbesuchen, das erste Mal im Schwarzwald und zum wiederholten Mal in der fränkischen Heimat des Liebsten. Letzteres war besonders nett, weil ein bißchen Zeit war, Ute - Schneckennasen - auf einen Glühwein zu treffen. Nähnerds gibt es eben im kleinsten Dorf, wer hätte das gedacht! Einen Stoffladentipp verriet mir Ute auch: Anitas Nähkästchen in Vincenzenbronn - da muss ich beim nächsten Mal unbedingt hin.
Wenn viel los ist, ist Stricken meistens die bessere Wahl als Nähen, besonders bei so einem nicht komplizierten Strickmuster. Ich habe ein zweites Vertices Unite von westknits angefangen, diesmal aus Brushed alpaca silk von drops in jeansblau, grün, schwarz, puderrosa und lila (eher magenta), nachdem ich das erste Tuch sehr häufig trage, obwohl die Wolle nicht mal besonders schön ist. Ausgebreitet sieht das Tuch mit der Flächenaufteilung ja eher merkwürdig aus, aber umgewickelt ist es wirklich ein Hit, wenn die Flächen und die Farben jedesmal neu gemischt werden. Frau Crafteln zeigte vor kurzem ein Vertices unite aus dem fluffigen Drops-Garn, das sehr groß und sehr leicht ist, wobei man pro Farbe mit zwei Knäueln auskommt, das ist das Vorbild.
An der Nähfront hatte ich mich in den letzten Wochen ziemlich verzettelt. Die Weihnachtsröcke werden daher nicht mal Silvesterröcke, denn ich muss zuerst ein Geschenk fertignähen, eine Jacke aus einer Art Shetlandtweed, reine Wolle, dunkelblau-schwarz meliert, nach dem Schnitt einer alten Lieblingsjacke des Liebsten, die ich schon zweimal aus Cord geklont hatte (hier und hier). Da ich die Jacke zuletzt im Sommer genäht hatte, bildete ich mir ein, ich könnte sie mal eben nebenher nähen.
Nunja. Zu Weihnachten verschenkte ich symbolisch eine Stoffprobe.
Jetzt habe ich gerade die Schulterpolster fertiggestellt (ich mache Polster, dünn und passgenau, meistens selber - die Anleitung hatte ich hier schon mal gebloggt). Sie bestehen aus zwei Lagen Baumwollstoff und einer Lage Wattierung, das reicht, um der Schulterpartie etwas Form zu geben.
Das Futter ist schon an den Belegen und müsste nur noch am Jackensaum verstürzt werden - wenn es denn passen würde. Die ganze Zeit wunderte ich mich, warum die Armlöcher im Futter so merkwürdig klein waren. Die Ärmel passten auch äußerst schlecht ins Armloch, eigentlich gar nicht. Kein Wunder, wenn man vergisst, die Futter-Seitenteile zuzuschneiden!
Ich hatte mir im Sommer beim letzten Nähen der Jacke einen separaten Futterschnitt für Vorder- und Rückenteil gemacht und kam mir extrem schlau vor, weil ich mir beim nächsten Mal so viel Arbeit sparen würde. Das stimmt auch, aber eben nur, wenn man dann auch alle Teile zuschneidet und zusammennäht. Aber es ist noch Futterstoff da, die Futter-Seitennähte und die Ärmel sind bereits getrennt, und heute Abend werde ich versuchen, die Seitenteile hineinzutransplantieren, ohne das Futter wieder ganz aus der Jacke zu trennen. (Möglicherweise ein Fehler, aber ich versuche es einfach mal.)
Ein paar interessante Links habe ich auch noch für euch:
Wer japanische Nähbücher wie "Pattern Magic" kennt oder die Modeschauen in Paris verfolgt, hat sicher schon mal vom Bunka Fashion College in Tokio gehört, haben doch viele japanische Designer ihre Ausbildung an dieser Modeschule gemacht. Ein Artikel bei Business of Fashion widmet sich der Modeschule, in der Zusammenarbeit, gutes Handwerk und Verständnis des menschlichen Körpers groß geschrieben werden.
Aus Japan stammt auch ein Album mit japanischen Stoffmustern, das ich beim Stöbern auf archive.org zufällig fand. Blättert bis zur Seite 51, ab da sind blau-weiß gemusterte Druckstoffe (Wachsbatik?) eingeklebt.
Wusstet ihr, dass Grace Kelly in ihrer Freizeit Collagen aus gepressten Blumen anfertigte und sogar ein Buch darüber veröffentlichte? Über diese Information stolperte ich ganz zufällig und war dann sehr über meine eigene Verwunderung erstaunt, denn ein ernsthaftes Hobby hatte ich der Fürstin von Monaco gar nicht zugetraut - ein Denkfehler, denn natürlich sind gekrönte Häupter nicht nur öffentliche Personen. Die Kunst der Collage aus gepressten Blumen soll im 16. Jahrhundert in Japan enstanden sein, als Übung für Samurai, um Geduld und Konzentration zu trainieren. "Oshibana", wie diese Kunst in Japan heißt, scheint vor allem in Asien, Australien und Neuseeland immer noch ein ganz beliebtes Hobby zu sein, wobei ungeheuer detaillierte Bilder entstehen (bei den Beispielen hier dachte ich zuerst, es würden auch kleine Nagetiere gepresst und verarbeitet, oh Schreck - aber die Tiere werden aus Pflanzenmaterial zusammengesetzt!).
Zurück zum Nähen: Wer bei Burdastyle das Editorial nicht nur überblättert, wird bemerkt haben, dass seit einigen Ausgaben nicht mehr Dagmar Bily, die Chefredakteurin, von der Seite Drei grüßt. Sie hatte bereits im Sommer den Burda-Verlag verlassen, eine Meldung, die in der Ferienzeit an mir vorbeiging, die aber kürzlich @kleiderschmiede bei twitter ausgrub. Nun werden die Änderungen sichtbar, zu denen offenbar auch gehört, dass einige Heftseiten mit Backrezepten gefüllt werden. Die Stelle der Chefredakteurin soll nicht neu besetzt werden, und es wird gemunkelt, dass die Produktion der Schnitte "ins Ausland" verlagert werden solle. Keine guten Aussichten für eine Zeitschrift, die sich zum ersten Mal seit Jahren mit ernsthafter Konkurrenz auseinandersetzen muss, 2017 könnte holprig werden, oder zumindest nicht besser als 2016.
Montag, 19. Dezember 2016
"Geschickt eingefädelt", zweite Staffel: Besser, aber noch nicht gut.
Am Dienstag ging bei Vox die zweite Staffel des Nähwettbewerbs "Geschickt eingefädelt" nach Vorbild der BBC-Sendung Great British Sewing Bee zuende, ohne dass das Finale in Nähbloggerinnenkreisen ein größeres (oder überhaupt ein) Echo hervorgerufen hätte. Mir scheint, mit der ersten Staffel gelang es dem Sender bereits, so viele Nähbegeisterte, die sich im Internet tummeln, vor den Kopf zu stoßen - die CosplayerInnen, die SchöpferInnen historischer Kleidung, die Bekleidungs-Nähbloggerinnen - dass niemand mehr erwartete, von der zweiten Staffel erfreut, unterhalten oder zumindest: nicht verärgert zu werden.
Auch ich schaute mir diese zweite Staffel vor allem aus Pflichtgefühl an, denn wenn schon eine Sendung rund ums Nähen im Fernsehen läuft, dann möchte ich wissen, was da los ist. Tatsächlich fand ich die etwas veränderte Dramaturgie der zweiten Staffel besser als die der ersten - was aber noch lange nicht heißt, dass die Sendung gut war.
Die Buzzwords der ersten Staffel, "sexy" und "Party", tauchten kaum noch auf. In der ersten Staffel wurde dieser Anspruch ja bis zur Absurdität getrieben: Jede Kreation der Kandidatinnen wurde darauf abgeklopft, ob sie denn "sexy" sei, jede Jogginghose musste "partytauglich" gemacht werden, anscheinend dachte man, die jüngeren Selbermacherinnen mit diesen Schlagworten einzufangen. In der zweiten Staffel war nur noch einmal die Eigenschaft der "Partytauglichkeit" gefragt (gibt es dafür eigentlich eine anerkannte Definition?): Ein Kapuzenpullover sollte in ein partytaugliches Kleidungsstück umgewandelt werden - durch den Stilwechsel eine reizvolle Aufgabe, die die KandidatInnen mit Bravour lösten.
Überhaupt die KandidatInnen: Wenn man ihnen denn mehr Raum gewähren würde, könnte die Sendung mit diesen durchweg sympathischen Nähnerds spritzig, lustig und unterhaltsam sein, so wie das britische Original. Aber leider gibt es nur wenige Momente - nach meinem Eindruck noch weniger als in der ersten Staffel - in denen die KandidatInnen miteinander interagieren dürfen, sich gegenseitig helfen, gemeinsam über die Aufgaben stöhnen oder Witze reißen. Stattdessen müssen sie sich ununterbrochen nervig bewitzeln lassen, von Guido Maria Kretschmer in einer Doppelrolle als Juror und Moderator.
Kretschmer-Fans mögen mir verzeihen, aber ich habe den Eindruck, dass das relativ eingeschränkte Sprücheklopf-Repertoire Kretschmers bei Shopping Queen noch recht gut funktioniert, zumal Kretschmer dort indirekt kommentiert, während er einen Zusammenschnitt des mehrstündigen Shoppingtrips ansieht. Das Tempo der Sendung ergibt sich also vor allem aus den entsprechend zusammengestellten absurden Momenten dieser Einkaufsorgie. In einer Sendung wie Geschickt eingefädelt hingegen tragen solche Witzeleien nicht über die gesamte Strecke, Kretschmer wirkt verkrampft, wenn er mit Kandidaten direkt interagieren muss und nimmt Zuflucht zu einigen immergleichen Floskeln wie "vielen lieben Dank".
Co-Jurorin Inge Szoltysik-Sparrer trägt nicht zur Auflockerung der Sendung bei. Sie kommentiert die Nähergebnisse der Teilnehmer mit großem Ernst - und bis auf einige Ausreißer wie "die kleine Anika" diesmal ohne Respektlosigkeiten gegenüber den KandidatInnen - aber leider auch ohne jeden Esprit, jeden Witz, jede Leichtigkeit. Wir erleben bei Geschickt eingefädelt harte Fernseh-Arbeit, und wir Zuschauer dürfen das keinen Moment vergessen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Sendung ohne Illusionstheater auskäme. In der ersten Staffel machte mich die oft nicht zu übersehende Text-Bild-Schere schier wahnsinnig: Wenn der Sprechertext aus dem Off oder eingeblendete Kommentare etwas ganz anderes behaupteten, als im Bild zu sehen war. Wenn das Kluwe-Haus, das so genannt wird, weil auf der Brandmauer ein riesiger Schriftzug für "Kluwe Baustoffe" wirbt, als "Atelierhaus im Herzen Berlins" bezeichnet wurde. BerlinerInnen kennen dieses Fabrikgebäude mit einer interessanten Geschichte, weil sie auf der Stadtautobahn daran vorbeirasen - und es liegt auf einer Halbinsel in der Spree in einer Gegend am äußersten Rand Charlottenburgs, in der sich Fuchs und Biber die Hand geben. Oder wenn Tobias Milse, der Vorjahressieger, beharrlich mit der Charakterisierung "näht nur mit den edelsten Stoffen" begleitet wurde - auch wenn er in karierten Baumwollflanell schnitt.
Solche Diskrepanzen zwischen Bild und Behauptung traten in der zweiten Staffel seltener auf, auch wenn die KandidatInnen natürlich genauso in Schubladen gesteckt wurden und bestimmte Typen verkörpern mussten. Besonders unangenehm fand ich das in der dritten und vierten Folge, als ein Konflikt zwischen den Kandidaten Tatjana und Julian konstruiert wurde.
Tatjana - übrigens die für Stickereien in Couture-Qualität bekannte Tatjana Golder - war anscheinend dazu ausersehen, den Typus der kapriziösen Zicke zu illustrieren, während Julian als unangenehm ehrgeiziger, rücksichtsloser Streber dargestellt wurde. Die kurze Diskussion zwischen beiden um ein Stück Stoff, in der Realität sicher weniger als eine Minute, wurde in der Folgestaffel noch gehörig ausgewalzt, als beide zu einem Team zusammengeworfen wurden und gemeinsam eine Nähaufgabe lösen mussten. Der von der Regie ersehnte Konflikt weigerte sich jedoch, auszubrechen, Tatjana und Julian gingen freundlich miteinander um, und so musste der Off-Sprecher beständig mit dräuender Intonation und vielen rhetorischen Fragen auf diesen - sicher ganz ganz bald zu erwartenden! - Konflikt hinweisen, der sich aber bis zum Schluss nicht einstellte.
Für mich als Zuschauersicht war das quälend zu verfolgen: Ich hatte das Gefühl, einer sich schleppend fortbewegenden, allen allen Ecken und Enden quietschenden und halb auseinanderfallenden mechanischen Konstruktion zuzusehen und wünschte mir das Ende der Folge (oder am besten gleich der ganzen Staffel herbei), und das, obwohl ich beim Fernsehen strickte.
Die Konstruktion einer für den Zuschauer nachvollziehbaren Geschichte aus dem Filmmaterial vieler Stunden ist das Prinzip solcher Sendungen (und selbst bei jeder Dokumentation wird ausgewählt, was gezeigt wird und was nicht), das Geschick der Redaktion und wie viel eigenes Denken man dem Zuschauer zutraut, ist entscheidend. Bei Vox sind recht grobschlächtige Holzschnitzer am Werk, die sehr stark steuernd eingreifen.
Wie charmant diese Sendung sein könnte, sähe und hörte man einfach mehr von den KandidatInnen, fiel mir so richtig in der letzten Folge auf, als Keno, zu Anfang ausgeschieden, zum Finale ein paar Sätze am Stück sagen durfte. Oder anders formuliert: Mir wurde klar, warum möglicherweise von den KandidatInnen so relativ wenig zu sehen ist, denn es könnte bei der Gelegenheit dem Zuschauer auffallen, dass die KandidatInnen eloquenter, witziger und reflektierter auftreten, als das professionelle Moderatoren-Juroren-Duo.
Und ein lustiges Detail am Rande: Jurorin Inge Szoltysik-Sparrer vermarktet die Kleider, die sie in der Sendung trug, in einem eigenen Onlineshop. Es gibt sie maßgeschneidert für um die 600 € oder als Schnittmuster (17,50 - 21,50 €) mit separat zu bestellendem "Ablaufplan" (einer Anleitung? ebenfalls 17,50 €) - und das ganze sieht aus, wie Onlineshops vor einigen Jahren schlimmstenfalls aussahen. Vielleicht hätte man doch mal jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt.
Auch ich schaute mir diese zweite Staffel vor allem aus Pflichtgefühl an, denn wenn schon eine Sendung rund ums Nähen im Fernsehen läuft, dann möchte ich wissen, was da los ist. Tatsächlich fand ich die etwas veränderte Dramaturgie der zweiten Staffel besser als die der ersten - was aber noch lange nicht heißt, dass die Sendung gut war.
Die Buzzwords der ersten Staffel, "sexy" und "Party", tauchten kaum noch auf. In der ersten Staffel wurde dieser Anspruch ja bis zur Absurdität getrieben: Jede Kreation der Kandidatinnen wurde darauf abgeklopft, ob sie denn "sexy" sei, jede Jogginghose musste "partytauglich" gemacht werden, anscheinend dachte man, die jüngeren Selbermacherinnen mit diesen Schlagworten einzufangen. In der zweiten Staffel war nur noch einmal die Eigenschaft der "Partytauglichkeit" gefragt (gibt es dafür eigentlich eine anerkannte Definition?): Ein Kapuzenpullover sollte in ein partytaugliches Kleidungsstück umgewandelt werden - durch den Stilwechsel eine reizvolle Aufgabe, die die KandidatInnen mit Bravour lösten.
Überhaupt die KandidatInnen: Wenn man ihnen denn mehr Raum gewähren würde, könnte die Sendung mit diesen durchweg sympathischen Nähnerds spritzig, lustig und unterhaltsam sein, so wie das britische Original. Aber leider gibt es nur wenige Momente - nach meinem Eindruck noch weniger als in der ersten Staffel - in denen die KandidatInnen miteinander interagieren dürfen, sich gegenseitig helfen, gemeinsam über die Aufgaben stöhnen oder Witze reißen. Stattdessen müssen sie sich ununterbrochen nervig bewitzeln lassen, von Guido Maria Kretschmer in einer Doppelrolle als Juror und Moderator.
Kretschmer-Fans mögen mir verzeihen, aber ich habe den Eindruck, dass das relativ eingeschränkte Sprücheklopf-Repertoire Kretschmers bei Shopping Queen noch recht gut funktioniert, zumal Kretschmer dort indirekt kommentiert, während er einen Zusammenschnitt des mehrstündigen Shoppingtrips ansieht. Das Tempo der Sendung ergibt sich also vor allem aus den entsprechend zusammengestellten absurden Momenten dieser Einkaufsorgie. In einer Sendung wie Geschickt eingefädelt hingegen tragen solche Witzeleien nicht über die gesamte Strecke, Kretschmer wirkt verkrampft, wenn er mit Kandidaten direkt interagieren muss und nimmt Zuflucht zu einigen immergleichen Floskeln wie "vielen lieben Dank".
Co-Jurorin Inge Szoltysik-Sparrer trägt nicht zur Auflockerung der Sendung bei. Sie kommentiert die Nähergebnisse der Teilnehmer mit großem Ernst - und bis auf einige Ausreißer wie "die kleine Anika" diesmal ohne Respektlosigkeiten gegenüber den KandidatInnen - aber leider auch ohne jeden Esprit, jeden Witz, jede Leichtigkeit. Wir erleben bei Geschickt eingefädelt harte Fernseh-Arbeit, und wir Zuschauer dürfen das keinen Moment vergessen.
Das ist kein "Atelierhaus im Herzen Berlins": Das Kluwe-Haus an der Nonnendammschleuse, Drehort von "Geschickt eingefädelt" |
Solche Diskrepanzen zwischen Bild und Behauptung traten in der zweiten Staffel seltener auf, auch wenn die KandidatInnen natürlich genauso in Schubladen gesteckt wurden und bestimmte Typen verkörpern mussten. Besonders unangenehm fand ich das in der dritten und vierten Folge, als ein Konflikt zwischen den Kandidaten Tatjana und Julian konstruiert wurde.
Tatjana - übrigens die für Stickereien in Couture-Qualität bekannte Tatjana Golder - war anscheinend dazu ausersehen, den Typus der kapriziösen Zicke zu illustrieren, während Julian als unangenehm ehrgeiziger, rücksichtsloser Streber dargestellt wurde. Die kurze Diskussion zwischen beiden um ein Stück Stoff, in der Realität sicher weniger als eine Minute, wurde in der Folgestaffel noch gehörig ausgewalzt, als beide zu einem Team zusammengeworfen wurden und gemeinsam eine Nähaufgabe lösen mussten. Der von der Regie ersehnte Konflikt weigerte sich jedoch, auszubrechen, Tatjana und Julian gingen freundlich miteinander um, und so musste der Off-Sprecher beständig mit dräuender Intonation und vielen rhetorischen Fragen auf diesen - sicher ganz ganz bald zu erwartenden! - Konflikt hinweisen, der sich aber bis zum Schluss nicht einstellte.
Für mich als Zuschauersicht war das quälend zu verfolgen: Ich hatte das Gefühl, einer sich schleppend fortbewegenden, allen allen Ecken und Enden quietschenden und halb auseinanderfallenden mechanischen Konstruktion zuzusehen und wünschte mir das Ende der Folge (oder am besten gleich der ganzen Staffel herbei), und das, obwohl ich beim Fernsehen strickte.
Die Konstruktion einer für den Zuschauer nachvollziehbaren Geschichte aus dem Filmmaterial vieler Stunden ist das Prinzip solcher Sendungen (und selbst bei jeder Dokumentation wird ausgewählt, was gezeigt wird und was nicht), das Geschick der Redaktion und wie viel eigenes Denken man dem Zuschauer zutraut, ist entscheidend. Bei Vox sind recht grobschlächtige Holzschnitzer am Werk, die sehr stark steuernd eingreifen.
Wie charmant diese Sendung sein könnte, sähe und hörte man einfach mehr von den KandidatInnen, fiel mir so richtig in der letzten Folge auf, als Keno, zu Anfang ausgeschieden, zum Finale ein paar Sätze am Stück sagen durfte. Oder anders formuliert: Mir wurde klar, warum möglicherweise von den KandidatInnen so relativ wenig zu sehen ist, denn es könnte bei der Gelegenheit dem Zuschauer auffallen, dass die KandidatInnen eloquenter, witziger und reflektierter auftreten, als das professionelle Moderatoren-Juroren-Duo.
Und so bleibt als vielleicht einziger wahrhaftiger Moment der Staffel ein Dialogschnipsel gegen Ende der Finalfolge: Zoë, Model für das Abendkleid, das Anika nähte, antwortete auf Kretschmers Frage, ob ihr die geplanten Stoffe gefielen, sehr schnell und beiläufig mit "gar nicht" - ein Moment, der zur Abwechslung gänzlich unkommentiert vorbeiging.
Die Mehrheit der Fernsehzuschauer fand "Geschickt eingefädelt" übrigens gar nicht so schlecht: Die Staffel endete mit einer wohl recht ordentlichen Quote.
Eine Menge Informationen zur Sendung und zu den KandidatInnen findet sich im Swafing-Blog (Achtung Spoiler: dort wird ganz oben verraten, wer gewonnen hat). Die Folgen der zweiten Staffel sind noch bis morgen Abend in der Mediathek von Vox zu sehen. Und ein lustiges Detail am Rande: Jurorin Inge Szoltysik-Sparrer vermarktet die Kleider, die sie in der Sendung trug, in einem eigenen Onlineshop. Es gibt sie maßgeschneidert für um die 600 € oder als Schnittmuster (17,50 - 21,50 €) mit separat zu bestellendem "Ablaufplan" (einer Anleitung? ebenfalls 17,50 €) - und das ganze sieht aus, wie Onlineshops vor einigen Jahren schlimmstenfalls aussahen. Vielleicht hätte man doch mal jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt.
Freitag, 9. Dezember 2016
"Stoff und Faden", das Materiallexikon ist da!
Liebe Leserinnen, sehr zufrieden und stolz kann ich euch heute mein neuestes Buch präsentieren: Stoff und Faden ist ein schnuckeliges, kleines, mit 160 Seiten aber durchaus gewichtiges Lexikon über Stoffe und Fasern, Webarten und Musterungen, mit praktischen Nähtipps, aber auch mit ein paar spannenden Geschichten über die Herkunft von Stoffarten und ihrer Namen.
Ich hatte mir schon lange überlegt, dass es ein handliches, schönes und nicht teures Buch über Stoffe geben müsste, das man zum Nachschlagen, z. B. auf dem Stoffmarkt mitnehmen kann. Das einem die manchmal kryptischen Stoffempfehlungen in der Burda erklärt - Natté, Jacquard, Wolldiagonal und solche Sachen. In dem man erfährt, was der Unterschied zwischen Polyester und Polyamid ist, woraus Cupro besteht, was es eigentlich mit Mikrofasern auf sich hat und was beim Einlaufen passiert, und in dem man nicht zuletzt nachsehen kann, wie man komplizierte Stoffe zuschneidet, näht und bügelt.
Als ich mehr über solche Themen wissen wollte, stellte ich fest, dass es zwar einige Spezialbücher über Stoffe und Fasern gibt, die mir aber alle nicht gefielen: Die meisten sind für die Ausbildung in Textilberufen gedacht, für künftige Textilingenieurinnen oder Schneiderinnen und erinnern an Schulbücher, mit drögen technischen Texten und Grafiken, die zum Teil schon seit 30 Jahren immer wieder abgedruckt werden und auch so aussehen. Man muss schon sehr wissbegierig und textilnerdig veranlagt sein, um so ein Buch durchzuarbeiten, außerdem sind die meisten sehr teuer, genauso wie die paar tollen Bildbände über Stoffe, die es gibt, die aber oft nicht sehr viel Informationen enthalten (bei einem Buch, das ich bei der Recherche las, wechselte die Sprache mittendrin von Englisch auf Spanisch - wie auch immer sowas passieren kann). Ein Stoffbuch, mit viel Inhalt, aber so geschrieben und gestaltet, dass man es gerne liest und gerne in die Hand nimmt, das müsste doch möglich sein, dachte ich mir.
Ich fing Anfang des Jahres an zu planen und zu konzipieren und nicht zuletzt auch zu rechnen, denn dieses Mal habe ich fast alles selbst gemacht, nicht nur recherchiert und den Text geschrieben, sondern mir das Format und das Papier überlegt, überlegt, wie das Buch innen und außen gestaltet sein sollte, eine Druckerei gesucht und die Herstellung finanziert. Susanne hatte mit ihren beiden Büchern zu textilen Redensarten, "Verflixt und Zugenäht" und "Am Rockzipfel" den Weg bereitet und gezeigt, dass es möglich ist, gute und schöne Bücher selber zu machen - ob ich das auch so hinkriegen würde, da war ich mir bis zuletzt ja nicht ganz sicher. Es ist eben doch etwas ganz anderes, Buchseiten probehalber auf Kopierpapier am heimischen Laserdrucker auszudrucken und digitale Proofs anzugucken - wie das dann als richtiges Buch, auf dem richtigen Papier aussehen wird, lässt sich doch nur erahnen.
Ich hatte also in der Nacht zuvor nicht sehr gut geschlafen und war heute Vormittag schrecklich nervös, als der Speditionsmitarbeiter klingelte und sich bemühte, sich seine Verwunderung nicht anmerken zu lassen, dass er eine halbe Palette Bücher an einem durchschnittlichen vierstöckigen Berliner Mietshaus anliefern sollte. Aber es hat tatsächlich geklappt, es ist alles genau so geworden, wie ich es mir gedacht hatte!
Für den schönen Umschlag hatte ich eine Grafikerin beauftragt, Claudia Benter, die ich über gemeinsame Bekannte im Kiez kennengelernt habe. Auf den Umschlaginnenseiten wollte ich unbedingt ein Muster haben, das entwickelte Claudia aus der Zeichnung eines Tüllnetzes. Eine schöne Überraschung, wenn man das Buch aufschlägt.
Der Satz ist mit LaTeX gemacht, einem Programm, das eigentlich für den Satz naturwissenschaftlicher Bücher entwickelt wurde, das aber auch mit den vielen kleinen Absätzen des Lexikonteils sehr gut zurecht kam. Der Liebste hat seit einem Studentenjob in einem Satzstudio Anfang des Jahrtausends vertiefte Kenntnisse in TeX und konnte so den Buchsatz staunenswert mühelos (und ohne Gefluche!) umsetzen.
Für die Grafiken, die das Buch illustrieren, 18 Stück sind es insgesamt, arbeitete ich mich in ein Vektorgrafikprogramm ein (Inkscape) und suchte und bearbeitete Bilder aus alten, heute gemeinfreien Textilbüchern. Das hat mir sehr großen Spaß gemacht, war aber fast das Zeitaufwendigste an dem ganzen Buch.
Ich habe eine Extraseite für Stoff und Faden eingerichtet, auf der ihr alle Informationen nochmal kurz und knapp findet, ihr erreicht sie unter dem Namen www.texte-und-textilien.de (angelegt in der etwas größenwahnsinnigen Hoffnung, das Materiallexikon möge nicht mein letztes selbstgemachtes Buch gewesen sein - außerdem waren alle Domains mit Stoff und Faden schon weg und irgendwie muss man ja heißen.) Dort sind auch noch mehr Bilder aus dem Buch, ein paar Beispielseiten, und ihr könnt virtuell in einem Auszug blättern. Falls ihr das Buch empfehlen wollt, gebt einfach den Link zu Texte und Textilien weiter.
Wenn ihr das Buch zum Preis von 14,00 Euro bestellen wollt, schreibt mir eine Mail an [email protected] (Constanze Derham) (oder sonst wenn ihr mögt auch an die nahtzugabe-Mailadresse, die ihr vielleicht habt), bis 31. 12. 2016 verschicke ich versandkostenfrei innerhalb Deutschlands, Bezahlung per Überweisung. Für Versand nach Österreich und in die Schweiz bitte nachfragen, wir finden sicher eine Lösung.
Stoff und Faden. Materiallexikon.
Text Constanze Derham
160 Seiten, 18 Illustrationen, Format 12x17 cm
ISBN 978-3-00-054777-5
Ladenpreis 14,00 Euro
Der Titel ist im VLB gelistet, BuchhändlerInnen können das Buch über Libri beziehen.
Jetzt sind sie alle - aber bei Susanne - Textile Geschichten gibt es "Am Rockzipfel" selbstverständlich noch, zur Zeit versandkostenfrei.
Vielen Dank vor allem an alle, die Stoff und Faden nur aufgrund meiner mündlichen Beschreibung schon vorbestellt hatten - Danke für den Vertrauensvorschuss, ich tüte eure Bücher jetzt ein, so dass ihr hoffentlich schon am Montag euer Exemplar bekommt!
Mittwoch, 7. Dezember 2016
Weihnachtskleid-Sewalong: Planlos glücklich oder: Dior für Arme
Beim Weihnachtskleid-Sewalong im MeMadeMittwoch-Blog ist nun schon das dritte Treffen, und auch wenn ich es beim zweiten Treffen nicht schaffte, meinen (im übrigen nicht vorhandenen) Fortschritt zu posten, bin ich noch nicht ausgestiegen. Gestern gab ich mir einen Tag frei, schlief mal richtig aus und versuchte so, dem Ansatz einer Erkältung abzuhelfen. Nachmittags konnte ich mir dann Gedanken über das Weihnachtsoutfit machen und etwas nähen.
Ich bleibe im wesentlichen bei den Plänen aus dem ersten Treffen und nähe jetzt erstmal drauflos. Wenn ich dann kein selbstgenähtes Oberteil habe, macht das gar nichts, denn ein quergerippter, uralter schwarzer Kaufpullover würde gut zu allen Rockplänen passen. Das geplante kastige Oberteil mit den gerüschten Ärmeln würde ich auch gerne nähen, aber wahrscheinlich wird das nichts bis Weihnachten. Dunkelgrauer Sweatshirtstoff wäre als betont lässiges Material für diesen Schnitt bestimmt ganz gut, als Kontrast zu dem Ärmelchichi.
Mit dem Wickelrock aus Burdastyle 2/2016 (Nr. 115) habe ich schon mal angefangen. Der dicke Jacquard passt sehr gut zum Schnitt und lässt sich angenehm nähen und sogar gut bügeln.
Die Taschenklappen an den Hüftpassentaschen gefallen mir sehr, und in meiner Knopfsammlung findet sich bestimmt etwas Passendes. Die Unterseite der Klappen schnitt ich aus schwarzem Futterstoff zu, genauso wie die vorderen Taschenbeutel, dann werden die Lagen am Tascheneingriff nicht so dick. Jetzt muss ich erstmal einen Schnitt für das Rockfutter basteln - bei Burda ist der Rock nicht gefüttert.
Auch über das Projekt Paillettenrock habe ich weiter nachgedacht und eine neue Idee ausgebrütet. Der Paillettenstoff ist ja eine Art feiner Tüll, querelastisch, auf den kleine schwarze Pailletten in mäandernden Linien aufgestickt sind. Einen schwarzen Stoff als untere Lage zu verwenden, wäre das Naheliegendste, aber auch das Langweiligste - auf diese Erkenntnis brachte mich eine Kollegin bei meinem Nebenjob im Stoffladen: Wir hatten etwas Zeit, sinnierten über die halbtransparenten Paillettenstoffe, die es dort gibt, und sie entdeckte, dass ein Stoff mit Blattformen aus feinen goldenen Pailletten auf schwarzem Tüll einfach göttlich aussieht, wenn man pfefferminzgrüne Viskose darunter legt. Ein Tanzkleid wie aus den 1920er Jahren könnte man sich daraus vorstellen.
Gleichzeitig kam mir die Dior-Frühjahrskollektion 2013 in den Sinn - gegen Ende des Defilees gibt es lauter Kleider aus transparenten Stoffen mit blütenartigen Verzierungen aus bunten Perlen und Pailletten, ganz zart und eher fröhlich als festlich. Beim gedanklichen Durchblättern meiner Stoffsammlung fiel mir dann ein cremefarbener Viskosejersey ein, mit aquarelliert wirkenden, wie hingetupften grauen und gelben Blüten:
Die zwei Meter hatte ich schon unter "schön, aber eigentlich ein Fehlkauf" verbucht, weil mir die Farben überhaupt nicht stehen. Aber als Rock mit einer zarten Lage schwarzem Tüll darüber, sieht es schon ganz anders aus:
Schwarze und braune Pailletten zum Aufnähen sind sogar auch noch vorhanden, Glasperlen in hellen Farben (weiß, gelb) sollten sich finden lassen - wenn ich Zeit und Lust habe, könnte ich den Tüll stellenweise mit weiteren Pailletten verzieren. Bei Pinterest gibt es eine Pinnwand dazu.
Ich verspreche mir davon, dass der Paillettenrock nicht ganz so düster-ernst-festlich-elegant wird und damit etwas alltagstauglicher - es könnte aber auch passieren, dass ich statt Dior für Arme einen bunt-glitzernden Alptraum herstelle. Ich habe aber gerade große Lust, so ein verspieltes und möglicherweise albernes Stück anzugehen und lasse mich überraschen, wie es wird.
Die Weihnachtskleidnäherinnen versammeln sich hier beim Weihnachtskleid-Sewalong im MeMadeMittwoch-Blog.
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Burdastyle,
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Dienstag, 6. Dezember 2016
Neuer Schnitt: Der Stadtmantel aus Walk (Werbung)
Seit heute gibt es in Meikes Schnittmusterkiosk einen neuen Schnitt, den Stadtmantel, einen leichten, langen Mantel aus Walk. Auf den Schnitt war ich ehrlich gesagt schon scharf, als das ganze Projekt losging, die Schnitte von stokx für Hobbyschneiderinnen aufzubereiten: Der Mantel ist so herrlich leicht und bequem, hat eine schwingende Weite und sieht so selbstverständlich elegant aus, ohne aufgebrezelt zu sein. Ich hatte den fertigen Mantel bei stokx im Laden im Haus Schwarzenberg anprobiert und wollte das Teil unbedingt unter der Nähmaschine haben. Der Mantel ist wie erwartet ein Lieblingsteil geworden, im Herbst habe ich ihn täglich angezogen.
Sachen aus Walk sehen ja oft ökomäßig-rustikal aus, wenn die Säume und Kanten offen gelassen werden und der Walk an den Nähten dachziegelartig links auf rechts verarbeitet wird. Die Designerin Lindy hat sich für die Verarbeitung des Walks ein paar Kniffe ausgedacht, so dass die Säume nicht mehr so eine unfertige Optik haben, aber auch nicht übermäßig wulstig werden. Ich überlege schon, wie diese Techniken bei anderen Kleidungsstücken aus Walk eingesetzt werden könnten - den Newcastle-Cardigan würde ich beim nächsten Mal anders verarbeiten. Aber das nur am Rande.
Hier sieht man die geniale Verarbeitung der Kanten und Säume: Die Vorderkanten sind mit einer Blende aus festem Stoff verstürzt, so kann die Kante nicht ausleiern und die Druckknöpfe haben einen festen Untergrund. Mit den Druckknöpfen umgeht man auch die Schwierigkeiten, die Knopflöcher in Walkstoffen normalerweise bereiten. Und die Kante ist schön flach. leicht und elegant.
Wenn man den Mantel bis oben hin zuknöpft, hat er einen kleinen, ziemlich eng anliegenden Kragen, der sehr gut wärmt. Der Mantel auf den Bildern ist übrigens Größe 2, es passt bei mir problemlos noch eine Strickjacke darunter. Man kann den Mantel aber auch als Strickjacken-Ersatz im Haus tragen (ich denke da an zugige Altbau-Büros).
Hier sieht man das Rücken- und Schulterfutter, das nicht nur das Anziehen erleichtert, sondern auch die Schulternähte und den Halsausschnitt stabilisiert. Walk neigt ja zum Ausleiern, durch das feste Futter bleibt der Schulter- und Kragenbereich des Mantels schön in Form. Weil das Futter aus zwei Teilen besteht und im Rücken nur überlappt, hat man aber im Rücken immer noch Bewegungsfreiheit, denn der Walk kann sich dort mitdehnen.
Für das Ärmelfutter reichen Futterreste, dort sollte man einen glatten Stoff nehmen, damit man leicht in den Mantel hineinkommt. Den Mantel komplett füttern zu wollen, würde ich nicht empfehlen - ich wurde schon danach gefragt, ob das denn ginge, aber ich rate ab. Natürlich könnte man sich einen Futterschnitt zurechtbasteln, aber dann hätte man nicht mehr diese Bequemlichkeit und Leichtigkeit des Walks und das durchdachte Design, mal abgesehen davon, dass man sich überlegen müsste, wie man die Verbindung Futter-Walk an den vorderen Kanten löst. Eventuell wäre es möglich, den Schnitt aus Wollstoff wie einen herkömmlichen Wintermantel zu nähen und Belege und einen gedoppelten Kragen zu konstruieren - aber dann wäre der Stadtmantel-Schnitt nur die Grundlage für ein ganz anderes Kleidungsstück.
Hier nochmal ein Detailbild des Kragens: Die ganze vordere Kante bis zur Kragenecke ist mit der Blende aus festem Stoff verstürzt, die Blende liegt bei beiden Vorderteilen zum Körper hin. Der breite Saum des Kragens wird auf die Unterseite gebügelt und da mit Zickzackstich festgenäht. Wenn man genau passendes Garn nimmt und die Naht mit etwas Dampf bügelt, sinken die Stiche so in den Walk ein, dass man sie fast nicht mehr sieht.
Der qualitativ sehr tolle Walkstoff stammt vom Roten Faden, es gibt ihn in vielen schönen Farben, derzeit reduziert, ich habe das melierte Dunkelgrau "Pflasterstein" vernäht. Wer in den nächsten 14 Tagen Walk für den Stadtmantel beim Roten Faden bestellt, bekommt gratis eine Rolle Nähgarn (Coats Epic 1000m) im passenden Farbton dazu. Schreibt bei der Bestellung „bitte kostenlos passendes Nähgarn beilegen“ ins Feld für Anmerkungen. Außerdem ist beim Roten Faden bis zum 22. 12. die Bestellung versandkostenfrei. Der Schnitt für den Stadtmantel ist bei Crafteln im Schnittmustershop bis zum 22. 12. ebenfalls reduziert.
Freitag, 2. Dezember 2016
"Guter Rat am Zuschneidetisch" mit Marlene Esser jetzt bei youtube
Über Marlene Esser, die heute fast vergessen Grande Dame des deutschen Nähfernsehens, hatte ich hier im Blog schon mal geschrieben: Sie moderierte und verantwortete in den 1950er und 1960er Jahren eine Nähsendung im westdeutschen Rundfunk, den "Guten Rat am Zuschneidetisch". Vor einem halben Jahr zeigte der Sender EinsFestival sogar einige alte Folgen des "Guten Rats", allerdings an einem ungünstigen Sendeplatz am Nachmittag, und ohne die Folgen in die Mediathek aufzunehmen. Ich war schon etwas enttäuscht, weil ich es nur schaffte, mir zwei sehr unterhaltsame Folgen anzusehen, die eine Nähfreudin aufgenommen hatte.
Gestern suchte ich, anscheinend einer Eingebung folgend, mal wieder bei youtube nach Marlene Esser, und siehe da: Imzwischen wurden vier ganze Folgen und ein Zusammenschnitt eingestellt.
Besonders charmant-absurd fand ich die Folge "Bei mir zuhaus in Wachenheim", in der das Filmteam des WDR Marlene Esser in ihrem Privathaus in der Pfalz besucht. Marlene zeigt zunächst ihr Planschbecken, ihr Sofa und ihren Ort, ehe in einem zum improvisierten Fernsehstudio umgebauten Weinkeller unmodische schlichte Wollkleider umgearbeitet werden.
Wir sind in den Sechzigerjahren und trennen die Abnäher in Taillenhöhe auf, um ein modisch gerades, locker fallendes Shiftkleid zu erhalten, und eine weiße Garnitur macht das dunkle Kleid gleich viel freundlicher!
In den anderen Folgen geht es um "Hosen für die Dame", "Sommermode 1968" (in Farbe, "obwohl sicher viele von Ihnen kein Farbfernsehen haben"), und um "Kleidung für Zuhause".
Viel Spaß beim Ansehen!
Gestern suchte ich, anscheinend einer Eingebung folgend, mal wieder bei youtube nach Marlene Esser, und siehe da: Imzwischen wurden vier ganze Folgen und ein Zusammenschnitt eingestellt.
Besonders charmant-absurd fand ich die Folge "Bei mir zuhaus in Wachenheim", in der das Filmteam des WDR Marlene Esser in ihrem Privathaus in der Pfalz besucht. Marlene zeigt zunächst ihr Planschbecken, ihr Sofa und ihren Ort, ehe in einem zum improvisierten Fernsehstudio umgebauten Weinkeller unmodische schlichte Wollkleider umgearbeitet werden.
Wir sind in den Sechzigerjahren und trennen die Abnäher in Taillenhöhe auf, um ein modisch gerades, locker fallendes Shiftkleid zu erhalten, und eine weiße Garnitur macht das dunkle Kleid gleich viel freundlicher!
In den anderen Folgen geht es um "Hosen für die Dame", "Sommermode 1968" (in Farbe, "obwohl sicher viele von Ihnen kein Farbfernsehen haben"), und um "Kleidung für Zuhause".
Viel Spaß beim Ansehen!
Mittwoch, 30. November 2016
Mit Eisen-Cardigan zum Weihnachtsmarkt (und zum MeMadeMittwoch)
Es ist doch schön, wenn ein Plan funktioniert und wenn ein fertiges Strickteil gleich den zugedachten Platz als Lieblingsstück ausfüllen kann. Der Eisen-Cardigan, den ich beim Herbstjacken-Knitalong von Frauenoberbekleidung und Luise anfing, ist seit etwa zwei Wochen fertig - den Termin für das zweite Finale schaffte ich trotzdem nicht, da lag die Jacke noch feucht auf der Wäscheleine, und an Fotos abends in der Wohnung ist ja zur Zeit nicht zu denken. Nach dem letzten Zwischenstand hatte ich die Jacke wirklich noch einmal von unten her aufgeribbelt, neu gestrickt und um etwa 4 cm verkürzt.
Das Strickmuster (kostenlos bei knitty) gefällt mir sehr gut, die Jacke ist nahtlos und federleicht. Ich habe Drops Alpaca in lodengrün mit 3,5 er Nadeln verstrickt und für Größe M knapp 400 Gramm gebraucht. Besonders schön ist der große Kragen, das gezopfte Rippenmuster sieht auf beiden Seiten gleich aus.
Die Jacke hat keinen Verschluss, die Vorderteile fallen locker nach unten und bilden längere Zipfel, im Rücken geht die Jacke nur etwas über die Taille. Dass man sie nicht schließen kann, stört mich bisher nicht - bei richtigen Minusgraden ist das vielleicht nicht so praktisch.
Der Laserblumenrock passt wunderbar dazu, ich hätte nicht gedacht, dass das schrille Muster auch mit anderen Farben als Schwarz geht.
Die Fotos entstanden am Sonntag in Wilmersdorf auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt der dänischen Gemeinde in Berlin. Das war mal wieder ein interessanter Ausflug in eine der Berliner Parallelwelten: Wenn man mit der U-Bahn vom Fehrbelliner Platz kommt, einer häßlichen Verkehrsschneise, die an drei Seiten von klotziger Naziarchitektur (hinter mir zu sehen) und einem Bürogebäude aus den 1970ern eingefasst wird, ist man überrascht, in der zweiten Reihe dahinter ein kleines Villenviertel vorzufinden.
Der dänische Weihnachtsmarkt ist ganz klein, im Gemeindesaal und um die kleine dänische Kirche herum, ein Treffpunkt für die in Berlin lebenden Dänen. Im Gemeindesaal steht eine Kühltheke mit Smørrebrød, im Hof ein paar Marktstände mit rot-weiß-gestreiften Markisen, es gibt Glühwein mit Mandeln und Rosinen, kugelige Aebleskiver, Lakritze, Adventskalenderkerzen, Weihnachtsschmuck und dänisches Porzellan (und exzellente Schweinebratenbrötchen: ein leicht getoastetes fluffiges Brötchen, ähnlich wie ein Hamburgerbrötchen, mit etwas Mayonaise, belegt mit warmem Schweinebraten, einem Klacks Rotkohl und den süßsaueren eingelegten Gurken, die man von Hotdogs kennt. Eine köstliche Kombination!!).
Hier noch kurzgefasst die technischen Daten der Bekleidung:
Jacke:
Eisen Cardigan nach Anleitung von knitty.com in Größe M
Hier noch kurzgefasst die technischen Daten der Bekleidung:
Jacke:
Eisen Cardigan nach Anleitung von knitty.com in Größe M
etwa 400g drops Alpaca, verstrickt mit Nadelstärke 3,5
Rock:
121 aus Burdastyle 3/2013, feine Viskose mit Digitaldruck
mehr dazu hier.
Mehr selbstgemachte Kleidung findet man heute hier beim MeMadeMittwoch.
Rock:
121 aus Burdastyle 3/2013, feine Viskose mit Digitaldruck
mehr dazu hier.
Mehr selbstgemachte Kleidung findet man heute hier beim MeMadeMittwoch.
Sonntag, 27. November 2016
Stoffspielerei mit Stoffresten im November - und eine Anleitung für eine Minibörse
Willkommen zur Stoffspielerei heute, der monatlichen Aktion für textile Experimente. Ich hatte das Thema "Stoffreste" vorgeschlagen: Alle haben sie, die meisten Nähenden heben sie auf, nur wenige verwenden sie tatsächlich. Man denkt sich ja bei jedem Stoffrest, "ach, da nähe ich später noch was Schönes draus, was Kleines zum Verschenken, Kosmetiktaschen, Patchwork oder so" - und sehr bald stapeln sich die Restekisten oder in meinem Fall: die prall gestopften Plastiktüten.
Ich habe mich daher für diesen Beitrag zwei Aspekten der Resteproblematik gewidmet:
1. Patchwork oder so
2. kleinen Dingen zum Verschenken, konkreter: einem Mini-Portemonnaie nach dem Prinzip der Portemonnaies aus Tetrapaks, dafür gibt es auch eine Anleitung.
Da aber gerade der Anleitungsteil ziemlich lang ist, hier gleich die Beiträge der Mitspielerinnen in diesem Monat:
Von Ines von den Nähzimmerplaudereien habe ich vorab einen Link geschickt bekommen, sie hat mehrere kleine Dinge genäht und ich bin selbst gespannt, was sich hinter dem Link zu Ines' Beitrag verbirgt.
Von Griselda (Machwerk) gibt es eine Anleitung für ein Handgelenksnadelkissen, auch toll zum Verschenken für nähende Freundinnen (wobei es gefährlich zu sein scheint, sich an diese Nadelkissen zu gewöhnen).
Siebensachen zum Selbermachen zeigt einen Schal aus Walkresten und experimentiert mit Perlen aus Stoff - eine tolle Idee für kleinste Reste besonderer Stoffe.
In der Galerie der Handarbeiten gibt es Hausschuhe - und die Patchworkhäuschen aus lauter Resten von Bettwäsche und anderen Stoffen, ein Langzeitprojekt, sind sehenswert. Stöbert auf der Seite mal ein bißchen herum, Annelies macht spannende Sachen!
Ute (Textile Werke) zeigt einen Quilt aus Hemden, T-Shorts und Boxershorts - und ihre Beschreibung des eichhörnchenmäßigen Sammelns von Stoffen und Resten kommt mir sehr bekannt vor.
Suschna vom Blog Textile Geschichten setzte sich mit Improviationspatchwork à la Sherri Lynn Wood auseinander - das allein wäre auch mal ein gutes Thema für eine Stoffspielerei.
Auch Floh hat improvisiert gepatcht und zeigt, wie ein Crazy-Patchwork-Streifen für einen Teekannenwärmer gemacht wird.
Petra (Petozi) verarbeitet einfach alle Reste aus einer Farbrichtung zu einem kreuz- und quer zusammengesetzten Patchwork, bis der neue Stoff groß genug für eine Kissenhülle ist.
Inselsommer nähte plastische Sterne aus Resten, gut als Geschenkanhänger oder Weihnachtsdeko.
Ute (123-Nadelei) zeigt einen schwarz-weißen Kissenbezug aus Resten und hat auch früher schon viel Restepatchwork genäht.
Mond (bimbambuki) nähte einen Muff aus Stoffresten - möglicherweise ein altmodisches Accessoire, aber im Smartphone-Zeitalter sehr praktisch!
(Die Stoffspielereien pausieren im Dezember, die nächste Spielerei ist am 29. Januar, Gastgeberin ist Ines (Nähzimmerplaudereien) mit dem Thema "Ecken und Kanten". Am 26. Februar sind die Stoffspielereien bei Karen zu Gast.)
Patchwork aus Resten
Stoffreste zu Patchwork verarbeiten, das klingt so einfach, aber wer jemals versucht hat, die Stücke aus der Restetüte durch mehr oder weniger zufälliges Zusammennähen zu einem neuen Stück Stoff zu verarbeiten, weiß, das scheinbar spontanes Restepatchwork alles andere als einfach ist, wenn das Ergebnis ansehnlich aussehen soll. Nach einem Geheimrezept der Farb- und Musterzusammenstellung hatte ich hier im Blog früher schon öfter gesucht: 2011 faszinierten mich die Stoffzusammenstellungen Suzuko Kosekis (hier und hier), wobei ich nie übers Nachahmen hinausgelangte, 2013 nähte ich eine gesteuert-zufällige Decke aus Wollstoffresten, die mir immer noch sehr gut gefällt. Das Geheimnis hierbei: Eine Vorauswahl der verwendeten Farben und ein einfaches Prinzip, das die Anordnung der Stoffstücke bis zu einem bestimmten Grad steuert.So ein Prinzip habe ich mir auch für dieses Projekt gegeben, das nach und nach mit Resten aus der Restetüte genäht wird: Die Grundquadrate sind 10x10 cm groß und immer aus hellblauem Stoff (alte Oberhemden), dieser Stoff ist bei jedem Quadrat in der Diagonale sichtbar. Von der Mitte ausgehend werden abwechselnd rote und blaue oder weiße Reststreifen überlappend aufgenäht, bis das Quadrat gefüllt ist.
Bei der Meisterin des gelungenen improvisierten Quiltens, Sherri Lynn Wood, gibt es viele Beispiele für Restequilts. Sie vergleicht diese Art des Quiltens mit der Improviation im Jazz: Melodieschnipsel werden variiert und wiederholt, wodurch das gesamte Stück, trotz aller Freiheiten, eine gewisse Struktur und Einheitlichkeit behält.
Dieser Versuch der Resteverwertung lebt schon sehr lange selbst in der Restetüte, es sind die Anfänge eines auf Papier genähten Patchworks, das Muster heißt New York Beauty. Grundsätzlich ist Paperpiecing, auf Papier genähte Muster, sehr gut für Stoffreste geeignet, man braucht immer nur kleine Stücke.
Das Nähen erfordert allerdings einen Grad von Frickelei, den ich bei so einem Nebenher-Projekt nicht lange durchhalte, wie man sieht. Mit den Kreissegmenten mit sechs sehr dünnen, langen Spitzen habe ich mich einfach übernommen, es dauert ewig, bis bei mir so ein Teilchen (12 cm Kantenlänge!) fertig ist. Wie New York Beauty-Quilts aussehen (mir würde ja schon ein Kissenbezug reichen) sieht man auf der Quiltseite von Ula Lenz, dort gibt es auch Vorlagen für viele verschiedene New York Beauty-Blöcke.
Ein Mini-Portemonnaie nach dem Milchtütenprinzip
Ein Hintergedanke bei meiner Themenwahl für diese Stoffspielerei war ja auch, dass man Ideen und Anleitungen für kleine Dinge sammelt, die sich jetzt noch ohne großen Materialaufwand nähen und verschenken lassen. Ich habe mich dabei vom Konstruktionsprinzip der kleinen Börsen aus Tetrapaks inspirieren lassen, die man auf vielen Upcycling-Seiten im Netz findet. Wie die zwei inneren Abteilungen entstehen, die sich auffächern, ist einfach, aber nicht offensichtlich (jedenfalls für Menschen, die nicht so viel selbermachen), sowas ist immer gut zum Verschenken. Die fertigen Börsen sind 9x7 cm groß, die üblichen Karten passen hinein.
Material:
2 Stoffreste für Außenstoff und Futter, jeweils 20x20 cm. Für das Futter am besten Baumwollstoff, außen kann man auch andere Stoffe nehmen (Wollstoffe, Cord, Jeans, Seide, Brokat), solange sie nicht zu dick sind.
Rest Vlieseline H250 oder andere festere Bügeleinlage, etwa 20x20 cm
passendes Nähgarn
1 Druckknopf
Für das Schnittschema: 1 Blatt Papier, Geodreieck, Bleistift
Zuerst den Schnitt zeichnen und ausschneiden, er passt auf einen A4-Bogen: Die drei großen Rechtecke sind jeweils 9x6 cm groß, kleinen rechts und links 4,5x6 cm. Das Schnittmuster ist ohne Nahtzugabe.
Die Umrisse des Schnitts mit Bleistift auf die nicht-klebende Seite der Bügeleinlage übertragen und mit 1 cm Nahtzugabe rundherumzuschneiden.
Die Einlage auf die linke Seite des Stoffs bügeln, der später außen liegen soll und ausschneiden. Den Futterstoff ebenfalls nach dem Schnitt 1 cm Nahtzugabe zuschneiden.
Das verstärkte Teil und das Teil für das Futter aufeinanderlegen, die rechten Seiten liegen innen. Mit Stecknadeln feststecken und entlang der oberen Kante - um die Ecke um die Klappe herum - und entlang der unteren Kante steppen, auf dem Foto habe ich die Nähte nachgemalt. Ich finde die folgenden Schritte einfacher, wenn man die Nahtzugaben am Anfang und am Ende nicht mitnäht. Die Nähte am Anfang und Ende jeweils gut verriegeln.
Nahtzugaben etwas zurückschneiden, an den inneren Ecken bei der Klappe bis kurz vor die Naht einschneiden, bei der äußeren Ecke der Klappe die Nahtzugabe schräg wegschneiden.
Das Teil bildet jetzt quasi einen Schlauch - den linken Teil des Schlauchs nach innen stülpen, so dass rechts an der offenen Kante Futterstoff auf Futterstoff und Oberstoff auf Oberstoff liegt, jeweils mit den rechten Stoffseiten aufeinander.
Die beiden Lagen in der angezeichneten Nahtlinie aufeinanderstecken - das ist übrigens der gleiche Nähschritt wie beim Nähen eines Loopschals.
Auf der Außenstoff-Seite des Schlauchs eine Wendeöffnung lassen. Beim Nähen also auf der Außenstoffseite, kurz vor der Naht beginnen, die Futterstoffseite nähen, über die Naht und auf der Außenstoffseite die Naht verriegeln. Wenn man das Nähfüßchen auf der Innenseite des Schlauchs laufen lässt, kommt man überall hin.
Das Taschenteil wenden, die Ecken z. B. mit einem Essstäbchen herausholen und das Teil gut bügeln.
Die Tasche kann man jetzt schon erkennen: Man erhält einen verstürzten Schlauch, der oben und unten offen ist. Die Wendeöffnung kann offen bleiben, man sieht sie später nicht mehr. Wenn euch die Lücke stört, könnt ihr die Naht aber mit ein paar Handstichen schließen.
Die Kanten oben und unten knapp absteppen.
Die Tasche plattbügeln, beim unteren, schlauchförmigen Teil die Mitte markieren und mit einem auswaschbaren Stft oder Kreide eine waagerechte Linie einzeichnen - 6 cm von der unteren Kante entfernt.
Entlang dieser Linie durch alle Lagen nähen, dabei 1-2 cm im Teil anfangen, ein Stück rückwärts nähen, dann vorwärts bis zum Ende und dort wieder ein Stück rückwärts nähen.
Die Tasche entlang der eben genähten Naht falten - die zwei Fächer entstehen. Die beiden inneren Lagen aufeinanderstecken und ein paar Zentimeter aufeinandernähen.
Am Unauffälligsten ist das, wenn man noch einmal auf der Absteppnaht entlangnäht. Die Klappe und die vordere Wand der Tasche muss man gut aus dem Weg halten - das ist unter der Maschine ein bißchen fummelig.
Geschafft! Jetzt nur noch einen Druckknopf anbringen, am besten erst das obere Teil des Druckknopfs mittig auf der Klappe befestigen und dann anzeichnen, wo das untere Teil hin muss.
Viel spaß mit der Anleitung, fragt bitte, falls noch etwas unklar ist.
Donnerstag, 17. November 2016
Weihnachtskleid-Sewalong I: So viele inspirirerende Stoffe!
Dem Weihnachtskleid-Sewalong im MeMadeMittwoch-Blog fiebern viele Selbermacherinnen jedes Jahr entgegen: Gemeinsam in der Vorweihnachtszeit an einem Kleid oder einem anderen Projekt zu nähen und so in der hektischen Zeit auch ein bißchen was für sich selbst zu tun, können wir alle gut gebrauchen. Ich habe eine sehr schlechte Weihnachtskleid-Fertigstellungs-Bilanz, aber nun werde ich es mal wieder versuchen. Nach dem sehr arbeitsreichen Jahr (das noch nicht ganz zuende ist) habe ich gerade sehr das Bedürfnis, die Zugbrücke hochzuziehen und für einige Zeit Kopf- und Kreativarbeit sein zu lassen.
Das ist fast das einzige überlieferte Foto eines Weihnachtskleides mit mir, das Kleid von 2011. Floh, Wiebke und ich machten die Bilder für das Finale gemeinsam vor einem riesigen Weihnachtsbaum bei Dussmann und gingen danach noch Kaffeetrinken, was sehr lustig und schön war, weil wir uns gerade erst ganz frisch in dem Jahr (oder im Jahr davor?) kennengelernt hatten. Ob wir es schaffen, das dieses Jahr zu wiederholen, ob Floh vielleicht doch noch mitnäht?
Aber heute geht es ja erst einmal um Planungen, um mögliche Stoffe und Schnitte. In den letzten Jahren sammelten sich sogar einige festliche Stoffe in meinem Lager an und ich gehe einfach so vor, dass ich nach passenden Schnitten zu meinen Stoffen suche.
Da ist einmal 1,50 m schwarz-dunkelvioletter, fester Jacquard. Ein enger Rock daraus wäre schön, zum Beispiel der enge Wickelrock 115 aus Burda 2/2016. Der Schnitt tauchte im Frühjahr mehrmals beim MeMadeMittwoch auf, daher bin ich optimistisch dass er gut funktioniert.
Dann ergatterte ich vor einiger Zeit sehr günstig einen hochwertigen Rest Pannesamt: Der Stoff besteht aus Viskose und Seide mit ein wenig Nylon und wirkt wie geschmolzenes Silber. Leider ist das Stück nur 0,90 mal 1,10 m groß (1,10 ist die Stoffbreite), so dass die Möglichkeiten sehr, sehr beschränkt sind. Ein ärmelloses schmales Oberteil würde zwar auf dem Stoff passen, aber das gehört zu den Sachen, die ich fast gar nicht tragen würde. Am liebsten würde ich den Stoff zu einem Rock verarbeiten, vielleicht kombiniert mit grauem Wollstoff. Mir war so, als hätte es mal einen Burda-Heftschnitt für einen schmalen Rock mit einem viereckigen Einsatz auf Vorder- und Rückseite gegeben, aber das muss ich noch recherchieren. (Vielleicht habt ihr eine Idee?)
Dann besitze ich seit gut zwei Jahren etwa 2,20 m leicht elastischen schwarzen Paillettentüll. Meine Entschuldigung damals: Der Stoff war auf dem Markt so billig, dass es Quatsch gewesen wäre, ihn nicht zu kaufen. Jetzt wünschte ich, ich hätte etwas mehr davon, denn der Stoff wäre - mit schwarzem Jersey unterlegt - genau richtig für einen sehr bequemen, aber glitzernden Maxirock, zum Beispiel Rock 106 aus Burda 9/2014. Aber ich bin optimistisch, dass ich mit Zuschnitttetris einen langen Rock aus dem Stoff herausbekomme, vielleicht mit einem anderen Schnitt und auf jeden Fall ohne Schleppe.
Zuletzt verliebte ich mich beim Nähwochenende in einen Schnitt, in 111 aus Burdastyle 2/2014, ein kurzes Oberteil mit eckigem Ausschnitt und Rüschenabschluss an den Ärmeln. Yvonet (die dieses Jahr auch diesen Sewalong moderiert) hatte den Schnitt mit einigen kleinen Änderungen aus kräftigem Strickstoff genäht: Den hinteren Ausschnitt höher gesetzt, die Ärmel verlängert - und dieser kleine, verspielte Pullover sah einfach entzückend aus. Ich durfte ihn anprobieren und sah darin nicht ganz so entzückend aus wie Yvonne, aber doch hinreichend gut, um diesen Schnitt auch nähen zu wollen, ich habe nur keinen Stoff dafür. Das kurze, kastige Oberteil würde von den Proportionen her wahrscheinlich ganz gut zu einem oben schmalen langen Rock passen. Zu dem Paillettentüll hätte ich nur gerne einen deutlichen Kontrast in der Struktur.
Das Fazit der Weihnachtskleidplanung lautet also bis jetzt: Konkrekte Pläne für zwei Röcke, unkonkrete für einen weiteren Rock, und wie immer kein Oberteil, die Oberteilschwäche lässt grüßen. Aber es sind ja noch ein paar Wochen Zeit.
Ale Mitnäherinnen beim Sewalong versammeln sich hier und der Zeitplan findet sich hier.
Das ist fast das einzige überlieferte Foto eines Weihnachtskleides mit mir, das Kleid von 2011. Floh, Wiebke und ich machten die Bilder für das Finale gemeinsam vor einem riesigen Weihnachtsbaum bei Dussmann und gingen danach noch Kaffeetrinken, was sehr lustig und schön war, weil wir uns gerade erst ganz frisch in dem Jahr (oder im Jahr davor?) kennengelernt hatten. Ob wir es schaffen, das dieses Jahr zu wiederholen, ob Floh vielleicht doch noch mitnäht?
Aber heute geht es ja erst einmal um Planungen, um mögliche Stoffe und Schnitte. In den letzten Jahren sammelten sich sogar einige festliche Stoffe in meinem Lager an und ich gehe einfach so vor, dass ich nach passenden Schnitten zu meinen Stoffen suche.
Da ist einmal 1,50 m schwarz-dunkelvioletter, fester Jacquard. Ein enger Rock daraus wäre schön, zum Beispiel der enge Wickelrock 115 aus Burda 2/2016. Der Schnitt tauchte im Frühjahr mehrmals beim MeMadeMittwoch auf, daher bin ich optimistisch dass er gut funktioniert.
Dann ergatterte ich vor einiger Zeit sehr günstig einen hochwertigen Rest Pannesamt: Der Stoff besteht aus Viskose und Seide mit ein wenig Nylon und wirkt wie geschmolzenes Silber. Leider ist das Stück nur 0,90 mal 1,10 m groß (1,10 ist die Stoffbreite), so dass die Möglichkeiten sehr, sehr beschränkt sind. Ein ärmelloses schmales Oberteil würde zwar auf dem Stoff passen, aber das gehört zu den Sachen, die ich fast gar nicht tragen würde. Am liebsten würde ich den Stoff zu einem Rock verarbeiten, vielleicht kombiniert mit grauem Wollstoff. Mir war so, als hätte es mal einen Burda-Heftschnitt für einen schmalen Rock mit einem viereckigen Einsatz auf Vorder- und Rückseite gegeben, aber das muss ich noch recherchieren. (Vielleicht habt ihr eine Idee?)
Dann besitze ich seit gut zwei Jahren etwa 2,20 m leicht elastischen schwarzen Paillettentüll. Meine Entschuldigung damals: Der Stoff war auf dem Markt so billig, dass es Quatsch gewesen wäre, ihn nicht zu kaufen. Jetzt wünschte ich, ich hätte etwas mehr davon, denn der Stoff wäre - mit schwarzem Jersey unterlegt - genau richtig für einen sehr bequemen, aber glitzernden Maxirock, zum Beispiel Rock 106 aus Burda 9/2014. Aber ich bin optimistisch, dass ich mit Zuschnitttetris einen langen Rock aus dem Stoff herausbekomme, vielleicht mit einem anderen Schnitt und auf jeden Fall ohne Schleppe.
Zuletzt verliebte ich mich beim Nähwochenende in einen Schnitt, in 111 aus Burdastyle 2/2014, ein kurzes Oberteil mit eckigem Ausschnitt und Rüschenabschluss an den Ärmeln. Yvonet (die dieses Jahr auch diesen Sewalong moderiert) hatte den Schnitt mit einigen kleinen Änderungen aus kräftigem Strickstoff genäht: Den hinteren Ausschnitt höher gesetzt, die Ärmel verlängert - und dieser kleine, verspielte Pullover sah einfach entzückend aus. Ich durfte ihn anprobieren und sah darin nicht ganz so entzückend aus wie Yvonne, aber doch hinreichend gut, um diesen Schnitt auch nähen zu wollen, ich habe nur keinen Stoff dafür. Das kurze, kastige Oberteil würde von den Proportionen her wahrscheinlich ganz gut zu einem oben schmalen langen Rock passen. Zu dem Paillettentüll hätte ich nur gerne einen deutlichen Kontrast in der Struktur.
Das Fazit der Weihnachtskleidplanung lautet also bis jetzt: Konkrekte Pläne für zwei Röcke, unkonkrete für einen weiteren Rock, und wie immer kein Oberteil, die Oberteilschwäche lässt grüßen. Aber es sind ja noch ein paar Wochen Zeit.
Ale Mitnäherinnen beim Sewalong versammeln sich hier und der Zeitplan findet sich hier.
Mittwoch, 16. November 2016
MeMadeMittwoch mit Morris (und komischem Gesichtsausdruck)
Bevor ich mit dem "richtigen" Blazer aus Webstoff mit Einlage, Futter und anderen Kompliziertheiten anfing, wollte ich mir beim Nähtreffen ein sicheres, schnelles Erfolgserlebnis verschaffen und schnitt daher den Morris Blazer, einen Schnitt von Grainline Studio zu. Der Schnitt ist speziell für feste Strickstoffe, Sweat und Romanit konzipiert und wird nicht gefüttert. Glücklicherweise war Karin in der Nähe, die den Morris schon mehrfach genäht hatte, und die mich daran erinnerte, dass die Jacke Dreiviertelärmel hat. Dreiviertelärmel finde ich bei Jacken meistens unpraktisch, daher verlängerte ich die Ärmel gleich beim Zuschnitt.
Das Nähen war dann doch nicht so unkompliziert wie gedacht, weil meine Maschine zunächst den Stoff verweigerte. Nach zwanzigmal neu Einfädeln, Entstauben und Fluchen kam ich darauf, dass ein altes Röllchen Billiggarn, das sich in in den Vorrat geschmuggelt hatte, die Probleme verursachte.
Als dieses Problem erkannt und beseitigt war, ging der Schnitt flott voran: Durch die Teilungsnaht im Rücken ässt sich die Passform gut anpassen, die Schultern musste ich etwas verschmälern. Ärmel einsetzen, Vorderteil mit dem Beleg vertsürzen - alles kein Problem. Anders als die Steppnaht, mit der der Kragen, das Revers und die unteren Spitzen knapp an der Kante entlang abgesteppt werden sollen.
Kennt ihr das, wenn man zu nähen beginnt und schon nach ein paar Zentimetern weiß, dass die Naht keine gute Idee war? Hier war das auch so, ich dachte noch im Moment des Absteppens: "Mist, hättest du das nicht getan", steppte aber trotzdem einmal rundherum. Bei so einem dicken, dehnbaren Stoff ist es fast unmöglich, den Abstand zur Kante immer exakt zu treffen, und durch die Steppnaht entstand ein beulig-blasiger Sitz des Belegs und des Kragens, kurz gesagt: Das sah alles andere als gekonnt aus.
Den Abend des ersten Tages des Nähwochenendes verbrachte ich mit dem Trennen der Steppnaht - schwarzes Garn auf schwarzem Stoff mit Struktur im Licht von Oma-Wohnzimmerlampen, so viel zum Thema "sicheres, schnelles Erfolgserlebnis".
Hier auf dem Bild kann man die Stoffstruktur genauer erkennen. Ohne Absteppung fällt der Kragen so, wie er soll, ich habe die Kanten des Vorderteilbelegs dann eingeschlagen und mit der Hand angesäumt.
Wenn man sich meine Umwege spart und einen schon angepassten Schnitt verwendet, ist Morris tatsächlich ein schnelles kleines Nähprojekt, das sich an einem Nachmittag umsetzen lässt. Ob sich dieser Blazer mit dem Tragegefühl einer Strickjacke gut in meine Kleidungsgewohnheiten einfügen lässt, muss sich noch zeigen. Es ist merkwürdig: Ich liebe ja Stricksachen (also selbstgestrickte Jacken oder gekaufte Feinstrickpullover), aber selbstgenähte Teile aus Strickstoffen sind bei mir noch nie in die Liga der Lieblingssachen aufgestiegen, egal um welchen Schnitt es sich handelte. Ich werde ein paar Kombinationsmöglichkeiten ausprobieren und berichten.
Alle Mittwochs-Outfits heute wieder neu im MeMadeMittwoch-Blog, der Sammlung für selbstgemachte Kleidung - heute mit Gastbloggerin Himmel* und Zwirn in einem von Lena Hoschek inspirierten Kleid.
Zusammenfassung Schnitt und Stoff:
Schnitt Oberteil:
Morris Blazer, Grainline Studio, Größe 10, an der Rückennaht angepasst, Schultern 1,5 cm verschmälert, Ärmel 4 cm verlängert. Kragenkante nicht abgesteppt, sondern Beleg und Kragen mit Handstichen unsichtbar befestigt.
Material: Fester romanitähnlicher Strickstoff mit Struktur, etwa 1,70 m, Kragen und Belege mit dünner schwarzer Vlieseinlage verstärkt.
Rock: 105 aus Burdastyle 8/2014, der Stoffwechselrock, Details hier.
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