"Es kommen härtere Tage.
Die auf Wideruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.
Bald mußt du den Schuh schnüren
und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont."
Ingeborg Bachmann, 1953
Am vergangenen Samstagnachmittag kehrte die Enkelin dann noch einmal von der Geburtstagsparty ihrer Kölner Freundin zu mir zurück, und wir hatten weiterhin ein paar gemütliche gemeinsame Stunden.
Sonntag früh hieß es nämlich wieder Abschied nehmen. Das nächste Wiedersehen gibt es allerdings bald. Fürs gemeinsame Weihnachtsfest habe ich dann schon mal Hütchen im Bahnhof gekauft. Ich mag Abschiede trotzdem nicht.
Danach habe ich mich das erste Mal seit langer Zeit einsam gefühlt und bin schließlich, da Sonnenschein, zum Friedhof aufgebrochen,...
... um mich am Grab etwas zu beklagen.🤣🤣🤣
Vor allem aber habe ich Farben gegen die kommende Novembergräue, die ja dann ab Mittwoch über mich/uns in jeglicher Hinsicht hereingebrochen ist, gesammelt. Beim Eisenholzbaum ( auch
Parrotie genannt ),...
... bei einer Hamamelis.
Und dabei bin ich doch zwei Mal auf ehemalige Kolleginnen gestoßen. Mit einer habe ich auf der Bank geplauscht, während Kraniche über uns flogen ( und mein Kamera-Akku leer war. So schnell bin ich dann nicht mehr mit dem Wechseln. ).
Zurück in meinem Veedel habe ich dann noch einen Krankenbesuch gemacht. Von wegen "einsam"! Unterdessen war das Herzenskind ganz unproblematisch von der Deutschen Bahn nach Hause gebracht worden.
Da ich am Montagmorgen keine Lust aufs Laubsammeln hatte, bin ich einfach en d'r Sity gefahren.
Aber ich musste mal wieder erkennen, dass mich die historischen Relikte in meiner Stadt mehr zu fesseln vermögen als die Geschäfte. So ändern sich die Zeiten.
Irgendwie verdüsterten die Wahlaussichten in den Staaten dann doch immer mehr mein Gemüt, und ich musste mich an den silbernen Knospen der Magnolie sozusagen hochziehen. Klappte nur sehr mäßig, denn ein übler Vorfall in der Offenen Ganztagsschule meiner jüngsten Enkelin belastete nicht nur diese, sondern auch ihre Ma und mich dann dazu. Die politische Entwicklung trat da erst einmal in den Hintergrund.
Irgendwie aufgebaut hat mich dieses Video, zumindest ein bisschen: Scheitern ist nicht, alle Kräfte mobilisieren und dann los! Wie
Maria Joao Pires 1999 mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 20 in d-Moll, KV 466...
Eine wunderbare Musikerin übrigens, ein wunderbarer Mensch, die sich mit fünfzig, schon seit fast einem Jahrzehnt Großmutter, nach ihren vier erwachsenen Töchtern eines kleinen, zur Adoption freigegebenen Jungen angenommen und ihn großgezogen hat. Das sind die Werte, die mir wichtig sind, und ich hoffe, dass es immer noch viele, viele Menschen gibt, die diese Werte leben, indem sie darüberhinaus auch die Freiheiten der Demokratie entsprechend nutzen. "Die Menschheit bezahlt gerade für die Fehler, die sie gegenüber unserem Zuhause, der Erde, gemacht hat. Nun sind die Konsequenzen da...", sagt die Pianistin einmal. Und nicht nur die! Wie soll dat nur wigger jon?
Ich habe zunächst einmal mit gnadenloser Ochserei im Garten reagiert: Elf Säcke mit Laub musste ich dann am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe auf die Straße stellen, und ich empfand Freude, als die AWB sie bald abholte.
Gegen Ende des Mittwochs habe ich mich selbst ermächtigt und Schritte unternommen, die ich schon länger tun wollte, und mich Initiativen angeschlossen. Und schließlich habe ich mir leckere
Blätterteigtaschen gemacht, dazu eine große Portion "
Vogerlsalat" und mich dann mit vielen Frauen mittels
social media "verbunden"...
Ich sehe alles durchaus kritisch. Aber wirklich beschissen ( ich gebrauche das Wort diesmal mit voller Absicht ) müssen sich die Menschen im Krieg in der Ukraine fühlen, so oder so. Oder die Amerikanerinnen, denen die Rechte über ihre Körper & ihre Lebensentscheidungen wahrscheinlich abhanden kommen werden. Social-Media-Machos verkünden schon in ihren Postings: "
We control your bodies!" Und dann all die
underdogs, denen noch weniger zum Leben bleiben wird, dafür aber
Opioide im Überfluss, um nur mal ein kleines Beispiel zu nennen. Wie sagte schon anno dunnemals
Abraham Lincoln, der 16. Präsident der Vereinigten Staaten?
"Wahlen gehören den Menschen. Es ist ihre Entscheidung. Und wenn sie entscheiden, dem Feuer den Rücken zuzukehren und sich den Hintern zu verbrennen, dann müssen sie nachher eben auf ihren Blasen sitzen."
Was soll da auch kommen, wenn ein Typ wie Elon M*sk sich in die Regierung einkauft? Weiter Geld zusammenraffen auf Kosten der Gesellschaft! Bereits jetzt ist in den letzten Tagen das Vermögen der hundert Reichsten um 64 Milliarden gestiegen. Und Google vermeldet am Freitag, dass in den Staaten auffällig im Netz sondiert wird, was die geplanten Zölle für finanzielle Auswirkungen eigentlich haben werden.
Wie man allerdings unter üblen Bedingungen durchkommen kann, kann frau/man am Beispiel der von mir in dieser Woche vorgestellten
great woman Maria von Maltzan
ablesen. Leben wir also unser kleines Leben weiter, wir bekommen kein zweites...
Da kommen einem auch Gedanken wie diese zupass:
"Le seul moyen d'affronter un monde sans liberté est de devenir si absolument libre qu'on fasse de sa propre existence un acte de révolte", so der französische Nobelpreisträger von 1957, Albert Camus, in seinem "Le mythe de Sisyphe". Oder: "Der einzige Weg, mit einer unfreien Welt umzugehen, besteht darin, so absolut frei zu werden, dass allein deine Existenz ein Akt der Rebellion ist."
Das Kopfkarussell drehte sich Tag für Tag natürlich weiter und nahm auch andere Richtungen auf:
Das Ergebnis der amerikanischen Wahl kann frau/man auch als Höhepunkt in der Dekadenz der jahrhundertealten weißen männlichen Machtstellung über alle anderen Personengruppen betrachten. Es ist der Hass auf diese Anderen, der wohl gesiegt hat. Irgendwie hat da im Laufe der letzten Jahre eine Selbstvergiftung der Herzen der Menschen stattgefunden, Ressentiments haben sich verfestigt und ein verbissenes Bewusstsein, das nur durch Herabwürdigung & Entwertung "therapiert" werden kann. Eine derart negativistische Grundhaltung zielt eben nicht auf Verbesserung eines gesellschaftlichen Miteinanders ab, sondern findet ihre Befriedigung im "
Hochgefühl der grundsätzlichen Opposition". So hat es
Max Scheler seinerzeit vor der Nazizeit beschrieben. Und das kann frau/man auch wieder heutzutage & hierzulande an etlichen Erscheinungsformen unserer politischen Wirklichkeit festmachen.
Und noch was: Im Wahlergebnis sehe ich auch ein Versagen der Demokratischen Partei der USA, die nun schon über längere Zeit ihre frühere Wählerschaft & deren Bedürfnisse aus den Augen verloren hat. Moralische Selbstdarstellung ist nicht der beste Weg, um Menschen auf seine Seite zu ziehen. Es vermittelt viel eher den Eindruck von Überlegenheit und Hochmut
. D
er amerikanische Journalist, Kulturkritiker und Satiriker Henry L. Mencken hat schon 1916 über seine Landsleute gesagt, dass seien "Leute, deren ganzes Denken von Gefühlen beherrscht wird, unter denen das prägendste der Überdruss an für sie unverständlichem Zeug ist."
Das gilt ins Bewusstsein aufzunehmen, auch bei uns...
Zur Situation im eigenen Land mag ich mich dann nicht mehr auslassen. Konsequenzen hab ich gezogen. Jetzt konzentriere ich mich auf die Menschen um mich herum & die mir verbunden sind. Die Politik bzw. gesellschaftliches Miteinander beginnt vor der Haustür.