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Der Mekong: ungelöste Probleme regionaler
Kooperation
Will, Gerhard
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Forschungsbericht / research report
Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit / provided in cooperation with:
Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Will, G. (2010). Der Mekong: ungelöste Probleme regionaler Kooperation. (SWP-Studie, S 7). Berlin: Stiftung
Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. https://nbn-resolving.org/
urn:nbn:de:0168-ssoar-261539
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SWP-Studie
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale
Politik und Sicherheit
Gerhard Will
Der Mekong:
Ungelöste Probleme
regionaler Kooperation
S7
März 2010
Berlin
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© Stiftung Wissenschaft und
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ISSN 1611-6372
Inhalt
5
Problemstellung und Empfehlungen
7
Einleitung
10
10
11
12
Die Mekong-Region
Geographische Determinanten
Ressourcenpotential
Ökologische Gefährdungen
14
14
Konflikt- und Kooperationspotentiale
Der Stellenwert der Mekong-Region für
die verschiedenen Anrainer
Konfliktfelder
Kooperationspotentiale
19
20
23
23
23
24
25
26
28
28
30
31
33
35
35
36
36
37
37
38
38
38
39
Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
Greater Mekong Subregion (GMS)
Entstehungsgeschichte
Strategische Zielsetzungen
Organisation und finanzieller Rahmen
Leistungsbilanz
Mekong River Commission (MRC)
Der lange Weg zur MRC-Gründung
Der MRC-Grundlagenvertrag:
Prinzipien und Organisationsstruktur
Arbeitsschwerpunkte und finanzieller Rahmen
Leistungsbilanz
Fazit und Empfehlungen
Evaluation der bisherigen Arbeit
von GMS und MRC
Harmonisierung der Geberstrategien
Vermittlung der europäischen Integrationserfahrung
Stärkung des Engagements der MRC-Mitglieder
Pilotfunktion regional begrenzter Projekte
Anhang
Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
Abkürzungen
Tabelle: Handel zwischen China und den
anderen Mekong-Anrainern
Dr. Gerhard Will ist wissenschaftlicher Mitarbeiter
der Forschungsgruppe Asien
Problemstellung und Empfehlungen
Der Mekong:
Ungelöste Probleme regionaler Kooperation
Die Überwindung der Frontlinien, die der Ost-WestKonflikt in Europa wie auf dem südostasiatischen
Festland hinterlassen hat, stellt beide Regionen –
ungeachtet ihrer vielfältigen Unterschiede – vor vergleichbare Aufgaben. Es sind jedoch nicht allein diese
historischen Parallelen, die ein starkes Engagement
europäischer und deutscher Politik in der MekongRegion nahelegen. Wichtiger noch sind eine Reihe
strategischer Überlegungen. Denn diese Region ist für
die politische Stabilität, das wirtschaftliche Wachstum
und die zwischenstaatliche Kooperation ganz Südostasiens von ebenso ausschlaggebender Bedeutung wie
für das Verhältnis des aufstrebenden China zu seinen
Nachbarn. Die wachsende Integration dieses Raumes
liegt daher im Interesse Südostasiens wie Europas.
Bei einer Reihe von Sektoren, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) als
zentrale Felder seiner Arbeit definiert hat, ergeben
sich in der Mekong-Region vielfältige Aufgabenfelder
für eine fruchtbare entwicklungspolitische Kooperation. Der Mekong als größte gemeinsame Ressource
der Region stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Denn eine nachhaltige Nutzung und Entwicklung seines Potentials – bei der die jeweiligen
Bedürfnisse der Mekong-Länder sowie deren verschiedene Nutzer- und Interessengruppen berücksichtigt
werden – ist unabdingbar an eine möglichst enge und
vertrauensvolle Kooperation gebunden. Diese Zielvorgabe wird in Brüssel und Berlin nachdrücklich
unterstützt, da man in solchen Formen regionaler
Zusammenarbeit einen Schlüssel nicht nur zur Überwindung von Unterentwicklung, sondern auch zur
Gewährleistung von Sicherheit sieht.
Gerade die Mekong-Region scheint zunächst ein
anschaulicher Beleg für die These zu sein, dass die Abhängigkeit von einer gemeinsamen Wasserressource
nicht zunehmende Konflikte, sondern vielmehr eine
intensivere Kooperation zwischen den verschiedenen
Nutznießern bewirkt. Neben zahlreichen kleineren
Organisationen und Gesprächsforen haben sich in den
neunziger Jahren mit der »Greater Mekong Subregion«
(GMS) und der »Mekong River Commission« (MRC)
zwei renommierte Regionalorganisationen etabliert,
die auch ein aktives Engagement der EU sowie einzelner europäischer Länder hervorgerufen haben.
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Problemstellung und Empfehlungen
Das eindrucksvolle Auftreten der beiden Organisationen verhindert jedoch oft eine kritische Analyse
der Wirkungstiefe und der langfristigen Perspektiven
ihrer Kooperationsstrategien. Allzu leicht übersieht
man, dass nicht nur von der chinesischen Führung,
sondern auch von den Regierungen der anderen
Mekong-Anrainerstaaten eine Politik vertreten wird,
die Entwicklung mit Wirtschaftswachstum gleichsetzt
und dem Prinzip der nationalen Souveränität hohe
Priorität einräumt. Dies setzt dem Wirken von Institutionen, die auf eine umfassende politische Kooperation
und nachhaltige Entwicklung zielen, enge Grenzen.
Die GMS, die einen gemeinsamen Wirtschaftsraum
ohne übergreifende politische Strukturen herstellen
will, findet manifesten Zuspruch in den Hauptstädten
der Region. Sie genießt außerdem die Unterstützung
der Asian Development Bank, die auch mit Beiträgen
europäischer Länder finanziert wird. Dass die GMS
zugleich Fragen des Umweltschutzes allenfalls rhetorischen Stellenwert einräumt und auf die Formulierung eines verbindlichen Prinzipienkatalogs völlig verzichtet, wird eher als Vorteil denn als Defizit gesehen.
Eher deklamatorische Zustimmung ihrer Mitglieder
findet dagegen die MRC, die sich bereits in ihrem
Gründungsdokument für eine nachhaltige und inklusive Entwicklung sowie klare Verfahrensregeln bei der
Nutzung der Mekong-Ressourcen eingesetzt hat und
entsprechende Programme ausarbeitet. China und
Myanmar sind der Organisation noch immer nicht
beigetreten. Alle übrigen Mekong-Länder gehören ihr
zwar an, leisten aber zu dem ohnehin bescheidenen
MRC-Etat so geringe Beiträge, dass dieser zu 90 Prozent
von Ländern außerhalb der Region finanziert wird.
Die beiden Organisationen sind daher entweder
nicht willens oder nicht in der Lage, jene kooperativen
Beziehungen zu etablieren, die unabdingbare Voraussetzung sind für einen fairen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Nutzern des Mekong, für die
Überwindung bestehender Entwicklungsunterschiede
und nicht zuletzt für eine friedliche Beilegung der
sich daraus ergebenden Konflikte. Vielmehr ist zu befürchten, dass die oft medienwirksam inszenierten
Aktivitäten von GMS und MRC den Blick auf sich abzeichnende Konflikte verstellen und vielleicht sogar
zu deren Eskalation beitragen.
Angesichts dieser Problemlage zeichnen sich für die
deutsche und europäische Politik folgende Aufgabenfelder und Handlungsstrategien ab:
Einer weiteren Zusammenarbeit mit der GMS und
der MRC muss eine sorgfältige Analyse der bisherigen Arbeit beider Organisationen vorausgehen, die
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Antwort auf die Frage gibt, welche Beiträge zur
regionalen Integration von ihnen in Zukunft zu
erwarten sind.
Zu einer solchen Neubewertung gehören nicht zuletzt eine Klärung des eigenen Standpunkts, eine
Harmonisierung der Geberstrategien und die Formulierung einer gemeinsamen EU-Position. Stärker
als bisher sollte man sich auf europäischer Ebene
bewusst machen, dass die GMS und die MRC zwei
völlig unterschiedliche und kaum kompatible Strategien verfolgen. Beide Organisationen mehr oder
minder positiv zu bewerten und gleichermaßen zu
unterstützen ist Ausdruck einer wenig konsistenten
Politik. Letztlich begünstigt man so die GMS, die
durch ihre Infrastrukturprojekte Prozesse in die
Wege leitet, die sich schwerlich mit den Zielen
einer nachhaltigen und inklusiven Entwicklung
vereinbaren lassen.
Die Europäer haben mit der EU zwar kein global
gültiges Modell regionaler Integration entwickelt,
und sie beanspruchen dies auch nicht. Aber gerade
in der Frage, inwieweit man bei einem solchen Prozess auf supranationale Strukturen oder die Logik
des Marktes bauen kann, verfügt Europa über
reiche historische Erfahrungen. Diese sollten vor
allem den weniger entwickelten Mekong-Anrainern
vermittelt und erläutert werden.
Angesichts ihres großen Engagements kommt einer
Reihe von europäischen Ländern – darunter auch
Deutschland – besondere Verantwortung für die
MRC zu. Bei aller Unterstützung ihrer Ziele und der
von ihr entwickelten Konzepte darf kein Zweifel
daran gelassen werden, dass eine Fortsetzung oder
gar Intensivierung dieses Engagements nur dann
möglich ist, wenn auch die Mitglieder der Organisation selbst höhere finanzielle Beiträge leisten und
eine stärkere Bereitschaft zeigen, konstruktiv an
der Umsetzung der MRC-Programme mitzuwirken.
Für eine nachhaltige Entwicklung der MekongRegion ist letztlich eine Strategie notwendig, die
das gesamte Einzugsgebiet des Flusses und die verschiedenen hier anzutreffenden Interessengruppen
berücksichtigt. Da dies die Kooperationsbereitschaft
einer großen Anzahl unterschiedlicher Akteure voraussetzt, ist es sicherlich zweckdienlich, sich zunächst auf eine Teilregion zu beschränken. Dort
könnte man konkrete Erfahrungen mit einem integrativen Ansatz sammeln, die dann auch bei der
Erarbeitung und Umsetzung eines umfassenderen
Entwicklungsplans von Nutzen wären.
Einleitung
Einleitung*
Auf den ersten Blick gibt es wenig Gemeinsamkeiten
zwischen Europa und dem südostasiatischen Festland,
deren Geschichte und Geographie so tiefgreifende
Unterschiede aufweisen. Doch sowohl in Europa als
auch in Südostasien hatte der Ost-West-Konflikt Frontstellungen geschaffen, die lange Zeit eine gemeinsame
Entwicklung der jeweiligen Gesamtregion verhinderten. Erst seit Beginn der neunziger Jahre bestehen in
beiden Fällen die politischen Voraussetzungen für den
Aufbau regionaler Kooperationsstrukturen.
Das starke Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten in Südostasien beruht jedoch weniger auf den
gemeinsamen Erfahrungen des Kalten Krieges und
seiner Überwindung als vielmehr auf dem strategischen Interesse der Europäer an einer Region, deren
ökonomisches wie ökologisches Potential bislang nur
unzureichend ausgeschöpft worden ist. Zudem hat
dieser Raum, an der Südgrenze der Volksrepublik
China gelegen und mit ihr durch den Mekong verbunden, hohe sicherheitspolitische Bedeutung. Denn
gerade an Pekings Verhältnis zu den anderen Flussanrainern wird sich erweisen, ob es zu der von China
propagierten »Gemeinsamen Entwicklung« mit seinen
südostasiatischen Nachbarn oder aber zu massiven
Konflikten kommt.
Im Einzugsgebiet des Mekong verdichten sich für
das BMZ Schwerpunkte seiner Arbeit – wie Wassermanagement, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung,
ländliche Entwicklung, Energie- und Klimapolitik,
Umweltschutz und soziale Sicherung. Vietnam zählt
zu den »Schwerpunktländern« deutscher Entwicklungspolitik. In Laos und Kambodscha gehört die Bundesrepublik zu den drei wichtigsten Geberländern.
Beträchtliche Unterstützung durch das BMZ haben
lange Zeit auch Thailand und China erfahren. Angesichts ihres inzwischen erreichten Entwicklungsstandes wurde diese Form der Kooperation zwar
zurückgefahren. Nach wie vor aber sind die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Bundesrepublik
und den beiden Ländern sehr eng. Allein Myanmar
zählt seit 1990 nicht mehr zu den Partnern deutscher
Entwicklungszusammenarbeit und erhält lediglich
humanitäre Hilfe.
Der Mekong ist die Lebensader dieser Region.
Als größter Fluss Südostasiens versorgt er mehr als
70 Millionen Menschen mit Wasser, Düngesedimenten
und Fisch. Über weite Strecken dient er als Transportweg in einem meist sehr unwegsamen Gelände, das
erst in jüngster Zeit durch Fernstraßen erschlossen
wird. Darüber hinaus bieten seine mächtigen Kaskaden ein enormes Potential für die emissionsfreie
Erzeugung von Energie.
Von seiner Quelle im Hochgebirge des Himalaja bis
zu seiner Mündung in das Südchinesische Meer durchquert der Mekong sechs unterschiedlich große Länder
mit einem höchst ungleichen Entwicklungsniveau,
die auf ebenso unterschiedliche Weise von dem Strom
profitieren bzw. von ihm abhängig sind. Innerhalb
der einzelnen Anrainerstaaten wiederum gibt es eine
harte Konkurrenz zwischen jenen Bevölkerungsgruppen, die auf den Mekong zur Bewässerung ihrer Felder
und für Fischfang bzw. -zucht angewiesen sind, und
jenen Gruppen, die den Fluss vor allem als ausbaufähigen Transportweg und als ergiebige Quelle von
Wasserkraft sehen. Sollen all diese Konflikte nicht in
einem Nullsummenspiel enden, ist eine regionale Zusammenarbeit notwendig, die Entwicklungspotentiale
aufzeigt und den unterschiedlichen Nutzergruppen
gerecht wird. Nicht nur aus entwicklungspolitischen,
sondern auch aus sicherheitspolitischen Überlegungen heraus unterstützen EU wie Bundesregierung
derartige Formen regionaler Kooperation. Beide sehen
darin ein wesentliches Instrument, um Konflikte
frühzeitig erkennen und Wege zu ihrer friedlichen
Beilegung ausarbeiten zu können. 1
In der Mekong-Region ist seit Beginn der neunziger
Jahre eine Reihe von regionalen Zusammenschlüssen
*
Der Autor dankt Julia Bader, Jasmin Lorch und Susann
Schmeier für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie
für zahlreiche wertvolle Hinweise und Anmerkungen.
1 Zum Stellenwert regionaler Kooperation in der Strategie
der Bundesregierung vgl. BMZ, »Asien: Wirtschaftswachstum
fördern – Armut bekämpfen«, <www.bmz.de/de/laender/
regionen/asien/index.html> (letzter Zugriff auf diese Webseite
und alle im Folgenden angeführten Internet-Quellen am
1.3.2010); Auswärtiges Amt (Hg.), Aufgaben der deutschen Außenpolitik. Südostasien sowie Australien, Neuseeland und Pazifische Inseln
am Beginn des 21. Jahrhunderts, Berlin 2002, S. 8f. Im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung heißt es über die
Asienpolitik: »Bestehende Ansätze zu regionaler Kooperation
werden wir nach Kräften fördern und unterstützen.«
SWP Berlin
Der Mekong
März 2010
7
Einleitung
und Gesprächsforen zustande gekommen, von denen
sich die »Greater Mekong Subregion« und die »Mekong
River Commission« als Partner internationaler Entwicklungszusammenarbeit besonders profiliert haben.
Über die Asian Development Bank (ADB) wird die GMS
indirekt von Deutschland 2 und etlichen anderen
europäischen Ländern unterstützt. Im Falle der MRC
engagieren sich die Bundesrepublik und einige ihrer
europäischen Nachbarn wie auch die Europäische
Kommission mit direkten Beiträgen.
Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Kooperationsstrategien der GMS und der MRC sowie deren
Wirkungstiefe und langfristige Perspektive kritisch
zu analysieren. Untersucht werden hierfür zunächst
das Ressourcenpotential des Mekong, die Interessen
der verschiedenen Anrainer sowie die Konfliktfelder
und Kooperationspotentiale, die sich aus diesen geographischen, ökologischen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ergeben. In einem
zweiten Schritt wird dann der Frage nachgegangen,
inwieweit die beiden Organisationen bislang in der
Lage waren, die aufgezeigten Konflikte beizulegen
und vorhandene Kooperationspotentiale auszuschöpfen. Was die europäische und deutsche Politik tun
kann, um den von ihr in der Mekong-Region verfolgten Zielen – nachhaltige Entwicklung und engere
regionale Kooperation – stärker Nachdruck zu verleihen, soll abschließend in mehreren Empfehlungen
vorgestellt werden.
2 Außerdem finanziert Deutschland ein GMS-Projekt im
Bereich Energie – den Bau einer Überlandleitung für Strom
zwischen Takeo und Kampot in Kambodscha – mit 16 Millionen Dollar.
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Der Mekong
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Einleitung
Karte
Die Mekong-Region
Map No. 4112, Rev. 2, United Nations, Department of Peacekeeping Operations, Cartographic Section, Januar 2004 (die in der Karte
wiedergegebenen Grenzen, Namen und Bezeichnungen implizieren keine offizielle Bestätigung oder Akzeptanz seitens der VN).
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Die Mekong-Region
Die Mekong-Region
Geographische Determinanten
Mit einer Länge von fast 4900 Kilometern 3 ist der
Mekong (chin. Lancang 4 ) der größte Fluss Südostasiens. Er entspringt im Tangla-Gebirge des tibetanischen Hochplateaus, fließt durch die chinesische
Provinz Yunnan sowie die Länder Myanmar, Thailand,
Laos und Kambodscha und mündet im Süden Vietnams durch das weitgefächerte Mekong-Delta in die
Südchinesische See. Sein Einzugsgebiet und das seiner
zahlreichen mächtigen Nebenflüsse wird auf 800 000
Quadratkilometer beziffert.
Die Stadt Chiang Saen im Norden Thailands gilt
als Scheidepunkt, der das Obere Mekong-Becken (mit
einer Fläche von 190 000 km²) vom Unteren MekongBecken (610 000 km²) trennt. Das Obere MekongBecken umfasst den gesamten chinesischen Teil des
Flusses sowie kleinere Grenzregionen Thailands, Laos’
und Myanmars; das Untere Mekong-Becken zieht sich
durch Thailand, Laos, Kambodscha und den Süden
Vietnams. Während an dem meist sehr gebirgigen
Oberlauf des Mekong nur wenige Millionen Menschen
leben, ist das Untere Mekong-Becken die Heimat von
mehr als 60 Millionen Menschen, die im hohen Maße
von dem Fluss und seinen Ressourcen abhängig sind.
Nach Schätzungen der MRC wird diese Zahl bis zum
Jahr 2025 auf etwa 100 Millionen steigen. 5 Besonders
stark ist die Bevölkerungskonzentration dabei in den
weiten Flussebenen Kambodschas und Vietnams.
Geht man über das unmittelbare Einzugsgebiet
des Mekong hinaus und bezieht die Gesamtfläche der
Flussanrainer (im Falle Chinas nur jene der Provinz
Yunnan und der »Selbstverwaltungsregion« Guangxi)
und deren Bevölkerung mit ein, so ergibt sich eine
3 Gelegentlich wird die Flusslänge mit 4200 Kilometern
angegeben. Diese Zahl geht auf eine Angabe des früheren
Mekong-Komitees zurück, die inzwischen revidiert wurde.
Vgl. Tim Summers, »China and the Mekong Region«, in:
China Perspectives, (2008) 3, S. 68–77 (68).
4 In chinesischen Texten wird der in China befindliche Teil
des Flusses als Lancang bezeichnet, der außerhalb des Landes
gelegene Teil als Mekong (chin. Meigonghe). Vgl. Summers,
»China and the Mekong Region« [wie Fn. 3], S. 69.
5 MRC, »Basin Development Plan«, <www.mrcmekong.org/
programmes/bdp.htm>.
SWP Berlin
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territoriale Ausdehnung von etwa 2,3 Millionen Quadratkilometern und eine Bevölkerung von 245 Millionen Einwohnern. Dieses Gebiet wird gemeinhin als
»Mekong-Region« bezeichnet. Der 1992 gegründeten
GMS gehören alle Mekong-Länder sowie Yunnan und
Guangxi an (wobei die Region Guangxi – die der Organisation erst im März 2005 beigetreten ist – nicht von
dem Fluss durchzogen wird).
Zu den markantesten Eigenschaften des Mekong
zählen die starken Schwankungen seiner Wassermenge. Mit Beginn der Schneeschmelze in den Ausläufern des Himalaja und der Regenzeit am Mittelund Unterlauf des Flusses steigt der Wasserspiegel
ab April/Mai kontinuierlich an; seinen Höchststand
erreicht er im September/Oktober. Bis Dezember erfolgt dann ein rascher Rückgang der Wassermasse,
der sich in den folgenden Monaten verlangsamt. Der
niedrigste Pegelstand wird im März vor Einsetzen der
Schneeschmelze und des Monsun-Regens erreicht. Am
augenfälligsten lässt sich das An- und Abschwellen
des Mekong an dem See Tonle Sap (dt. Großer See) im
Herzen Kambodschas beobachten, der gleichsam als
natürliches Rückstaubecken des Flusses dient. In den
Sommermonaten erreicht der See eine Fläche von bis
zu 13 000 Quadratkilometern, in der anschließenden
Trockenzeit schrumpft er auf ein Viertel dieser Größe
zusammen. 6
Die enormen Veränderungen des Wasserpegels sind
für das Ökosystem des Stromes und die ufernahe Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung. Die überfluteten Flächen bieten unersetzbare Laichgründe –
eine Voraussetzung für den legendären Fischreichtum
des Mekong. Die Ackerflächen wiederum versorgt der
Fluss nicht nur mit Wasser, sondern auch mit nährstoffreichen Sedimenten. Zudem spülen die reißenden
Fluten im Frühsommer Salze und säurehaltige Stoffe
aus dem Boden, die dort während der wasserarmen
Monate eingedrungen sind. 7 Die alljährlich einset6 Milton Osborne, River at Risk. The Mekong and the Water
Politics of China and Southeast Asia, Double Bay, New South
Wales (Australia): Lowy Institute for International Policy,
2004 (Lowy Institute Paper, 2), S. 3f.
7 Chris Sneddon/Coleen Fox, »Rethinking Transboundary
Waters: A Critical Hydropolitics of the Mekong Basin«,
in: Political Geography, 25 (2006), S. 181–202 (188f).
Ressourcenpotential
zenden Überschwemmungen sind aber auch mit ungeheuren materiellen Schäden verbunden und
fordern immer wieder zahlreiche Menschenleben.
Ressourcenpotential
Der Mekong bietet eine Reihe wertvoller Ressourcen –
vom lebenswichtigen Rohstoff Wasser über den Fischreichtum bis hin zur Funktion als Transportweg und
ergiebige Quelle von Wasserkraft. Insgesamt wird
dieses Potential jedoch nur unzureichend ausgeschöpft bzw. nicht systematisch genug entwickelt.
Seit vielen Jahrhunderten wird der Fluss vor allem
landwirtschaftlich genutzt. Während in dem eher
unwegsamen Oberen Mekong-Becken Terrassenbewirtschaftung, teilweise sogar noch Brandrodungswirtschaft vorherrscht, stehen in Kambodscha und
Vietnam weite Ebenen zur Verfügung, die ohne größeren technischen Aufwand mit Wasser und Düngesedimenten des Mekong versorgt werden können.
Wasser und Sedimente sind wiederum unabdingbare Voraussetzungen für den Fischreichtum, der die
wichtigste Quelle von tierischem Einweiß für die
Bewohner der südlichen Mekong-Anrainer darstellt. 8
Nach Angaben der MRC beläuft sich der jährliche Fischfang im Unterlauf – einschließlich Fischen, Krebsen,
Muscheln etc., die in Aquakulturen gezüchtet werden
– auf 2,5 Millionen Tonnen. Das sind schätzungsweise
2 Prozent des weltweit erzielten Fischfangs. 9
Landwirtschaft wie Fischfang und Fischzucht
werden meist sehr intensiv und mit hohem Arbeitsaufwand betrieben. Von einer agroindustriellen Bewirtschaftung kann bislang keine Rede sein, zumal
andere ökonomische Bereiche sehr viel lohnendere
Investitionsmöglichkeiten bieten. Seit geraumer Zeit
wird zwar über den Bau großangelegter Bewässerungssysteme diskutiert, die etwa dem trockenen Nordosten
Thailands zugutekommen und zwangsläufig die
Wassermenge am Unterlauf reduzieren würden;
doch diese Vorhaben befinden sich nach wie vor im
Planungsstadium.
Die Nutzung der Wasserkraft des Mekong und
seiner Nebenflüsse hat dagegen schon sehr viel konkretere Formen angenommen. Nach Schätzungen der
MRC belaufen sich die gesamten Wasserkraftreserven
8 Timo Menniken, Konflikt und Kooperation am Mekong. Internationale Politik an grenzüberschreitenden Wasserläufen, Berlin
2006, S. 14.
9 MRC, »Fisheries Programme«, <www.mrcmekong.org/
programmes/fisheries.htm>.
des Mekong-Beckens auf etwa 53 000 Megawatt (Nennleistung pro Jahr). Davon werden bislang aber weniger
als 10 Prozent ausgebeutet. 10 Das wird sich in absehbarer Zeit ändern, da alle Mekong-Anrainer großes
Interesse an der Erschließung dieser Reserven zeigen.
In der chinesischen Provinz Yunnan sind insgesamt
acht Wasserkraftwerke geplant, mit denen das auf
15 000 Megawatt geschätzte Potential des chinesischen Mekong-Abschnitts weitgehend ausgeschöpft
würde; fertiggestellt sind bisher nur drei Kraftwerke
mit einer Kapazität von insgesamt 4350 Megawatt.
Ein weiteres mit einer Kapazität von 4200 Megawatt
befindet sich im Bau, die vier anderen sind noch im
Planungsstadium. 11 Laos plant vor allem im Gebiet
des Nebenflusses Nam Theun den Bau von Wasserkraftwerken. Ihre Gesamtkapazität würde mit der in
China anvisierten vergleichbar sein, allerdings von
60 wesentlich kleineren Kraftwerken erzeugt werden.
Bislang sind davon nur 15 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1500 Megawatt in Betrieb. 12
Auch in Kambodscha gibt es beträchtliche, bislang
kaum genutzte Wasserkraftreserven. 13 Nach einer
2003 vom kambodschanischen Ministerium für Industrie, Bergbau und Energie erarbeiteten Studie verfügt
das Land über ein entsprechendes Potential von etwa
10 000 Megawatt. Die Hälfte davon wird dem Mekong
zugeschrieben. Das größte Projekt, das sich derzeit
allerdings noch im Planungsstadium befindet, ist der
Bau eines Damms an den Sambor-Wasserfällen in der
Provinz Kratie. 14
Vietnams Ministerpräsident hat im Oktober 2004
eine nationale Strategie zur Entwicklung elektrischer
Energie vorgelegt, die der Wasserkraftnutzung absolute Priorität einräumt. Das zentrale Hochland Viet10 Vgl. MRC (Hg.), Strategic Plan 2006–2010. Meeting the Needs,
Keeping the Balance, Vientiane 2006, S. 59.
11 Eine kritische und detaillierte Darstellung der chinesischen Wasserkraftprojekte liefert Johann Friedrich Herling,
Staudämme in der oberen Mekong-Region. Analyse der Auswirkungen
auf die Anrainerstaaten des Mekong, Berlin 2006 (Südostasien
Working Papers der HU Berlin Nr. 30), tabellarische Übersicht
auf S. 25.
12 Eine detaillierte Auflistung der laotischen Projekte findet
sich unter »Lao PDR Planned Hydroelectric Dam Projects«,
<www.mekong.es.usyd.edu.au/case_studies/nam_theun/
hydro_in_laos/list.html>.
13 Kambodschas Außenminister Hor Nam Hong bezeichnet
sein Land bereits als »Batterie Südostasiens« – ein Attribut,
das bislang nur Laos für sich beansprucht hat; vgl. Andrew
Nette, »Cambodian Dam Plans Suffer Information Drought«,
in: Asia Times Online, 26.3.2008, <www.atimes.com/atimes/
Southeast_Asia/JC26Ae01.html>.
14 Ebd.
SWP Berlin
Der Mekong
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Die Mekong-Region
nams, in dem eine Reihe von Nebenflüssen des Mekong entspringt, fungiert hier als Schlüsselregion, die
in wenigen Jahren zur größten Wasserkraftquelle des
Landes ausgebaut werden soll. 15
Die Transportfunktion des Mekong war lange Zeit
auf den Abschnitt zwischen dem Mündungsgebiet
und dem Tonle Sap in Kambodscha beschränkt. Diese
Strecke könnte mit relativ geringem Aufwand, etwa
durch Installierung moderner Navigationshilfen,
weiter ausgebaut werden. Bereits im Norden Kambodschas und im Süden von Laos aber verhindern große
Wasserfälle – wie die von Sambor – eine durchgehende Schiffbarmachung. Am Mittel- und Oberlauf erschweren zahlreiche Sandbänke und Riffe den Transport mit größeren Lastkähnen.
Nach ersten Vorstudien von 1993 16 wurde im April
2000 zwischen China, Myanmar, Thailand und Laos
das »Abkommen über die kommerzielle Schifffahrt
auf dem Mekong« unterzeichnet. 17 Es sieht unter
anderem vor, durch Sprengungen die Fahrrinne zu
vertiefen und zu verbreitern, so dass große Lastkähne
die Strecke zwischen dem chinesischen Ort Si Mao
und dem laotischen Luang Prabang nutzen können.
Inzwischen ist dieser Teilabschnitt für Schiffe mit bis
zu 300 Bruttoregistertonnen befahrbar; nach einer
weiteren Ausbaustufe sollen sogar Schiffe mit bis zu
500 BRT zwischen Jinghong (Yunnan) und Chiang
Khong (Nord-Thailand) verkehren können. 18
Ökologische Gefährdungen
Die Wasserläufe des Mekong und seiner Nebenflüsse
bilden ein vielschichtiges und fragiles Ökosystem, das
zunehmend Gefährdungen und Zerstörungen ausgesetzt ist. Die Bedürfnisse der am und vom Fluss
lebenden Bevölkerung, die Schiffbarmachung des
Mekong sowie die Ausbeutung seiner Wasserkraft15 The Vietnamese Prime Minister’s Decision 677/2004/
QD-TTG, zitiert nach Dan Sinh Nguyen Vo, »The Political
Economy of Hydropower Dam Construction in Vietnam«,
21.8.2008, <www.stimson.org/pub.cfm?ID=663>.
16 Nguyen Than Duc, »Vietnam’s Interests in the Greater
Mekong Subregion (GMS) and the Effect of GMS Cooperation
on Some Domestic and Foreign Policies in Vietnam«, in:
Jörn Dosch u.a. (Hg.), Economic and Non-Traditional Security
Cooperation in the Greater Mekong Subregion (GMS), Singapur
2005, S. 130.
17 Osborne, River at Risk [wie Fn. 6], S. 9f.
18 Timothy Hamlin, Commercial Transportation on the Mekong
River, Washington, D.C.: The Henry L. Stimson Center,
2.5.2008.
SWP Berlin
Der Mekong
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reserven greifen tief in das bestehende Ökosystem ein
und stellen eine immense Herausforderung für das
Konzept einer nachhaltigen Entwicklung dar.
Einerseits lässt sich die verfügbare Menge an
Wasser, Düngesedimenten und Fischen nur schwer
steigern; andererseits gibt es eine dynamische Bevölkerungsentwicklung, die eine immer intensivere und
extensivere Nutzung dieser Ressourcen erforderlich
macht. Die Reproduktionsfähigkeit der vorhandenen
Ressourcen wird empfindlich vermindert, wenn Wasser in Dürregebiete oder die sich rapide entwickelnden städtischen Zentren abgeleitet wird, Abholzung
zu Bodenerosion führt und die natürlichen Fischbestände durch Überfischung dezimiert werden. Der
vermehrte Einsatz künstlichen Düngers, der Massenbetrieb von Aquakulturen und die Erschließung neuer
Anbauflächen ermöglichen zunächst zwar höhere
Erträge und wirtschaftliches Wachstum, verursachen
längerfristig aber unvermeidlich Störungen des ökologischen Gleichgewichts und Umweltschäden, die
nur mit großem Aufwand wieder behoben werden
können.
Noch wesentlich stärker beeinträchtigt werden das
Ökosystem und seine agrarische Nutzung durch die
Ausschöpfung der Wasserkraftreserven und den Ausbau der Schifffahrtswege. Derartige Eingriffe verändern das Fließverhalten des Mekong und die Wassermengen am Mittel- und Unterlauf erheblich. Von
Befürwortern der Dammbauten wird dagegen häufig
ins Feld geführt, dass Energiegewinnung durch Wasserkraft einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der
Treibhausgas-Emissionen und damit zu einer aktiven
Klimapolitik leiste – was schwerlich in Abrede zu
stellen ist. Außerdem könnten mit Hilfe künstlicher
Stauseen die Wassermassen des Mekong reguliert,
das heißt Überschwemmungen und Dürreperioden
durch Rückstau in der Regenzeit bzw. Ablassen in der
Trockenzeit vermieden oder zumindest abgemildert
werden. Entgegen diesen vor allem von chinesischer
Seite geäußerten Erwartungen sind bisher jedoch
kaum positive Regulierungseffekte zu beobachten.
Denn Dammbauer und -betreiber orientieren sich
nicht an den Bedürfnissen der Unterlauf-Anrainer,
sondern an ihren unmittelbaren Eigeninteressen.
Rückstau und Ablassen der Wassermassen zielen
daher auf maximalen Energiegewinn und optimale
Entwicklung der eigenen Landwirtschaft – es liegt
somit nahe, Wasser gerade in der Trockenzeit zu
Ökologische Gefährdungen
stauen bzw. zu entnehmen und überschüssige Mengen
in der Regenzeit abzulassen. 19
Obwohl bislang nur ein Bruchteil des vorhandenen
Wasserkraftpotentials ausgeschöpft worden ist, sind
die negativen Auswirkungen bereits deutlich erkennbar. Zum einen verringert sich die Wassermenge im
Unterlauf, wenn weiter oben Dämme errichtet werden. Bereits die Füllung des – mit einer Kapazität von
920 Millionen Kubikmetern – vergleichsweise kleinen
Manwan-Stausees in der chinesischen Provinz Yunnan
bewirkte 1993 eine dramatische Senkung der Pegelstände im Mittellauf. 20 Die ebenfalls in Yunnan entstehenden Dämme Xiaowan und Nuozhadu, deren
Fertigstellung für 2010 vorgesehen ist, werden zusammen jedoch über eine Staukapazität von ca. 37 Milliarden Kubikmetern verfügen. Für das südliche MekongBecken bedeutet dies, dass gerade am Ende der Trockenzeit (März/April), in der sich der Fluss vor allem aus
den Gletschern Tibets und den Regenfällen Yunnans
speist, sehr viel weniger Wasser zur Verfügung stehen
wird. 21 Im Mündungsdelta führt eine Verringerung
der Wassermenge darüber hinaus zu einem verstärkten Eindringen von Salzwasser und einer entsprechenden Zunahme des Säuregehalts – darunter hat bereits
heute fast ein Fünftel der dortigen Ackerflächen zu
leiden. Bei einem klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter oder bei größeren Sturmfluten wären sogar mehr als 40 Prozent betroffen. 22
19 Evelyn Goh, China in the Mekong River Basin: The Regional
Security Implications of Resource Development on the Lancang Jiang,
Singapur: Institute of Defence and Strategic Studies, Juli 2004
(Working Paper Nr. 69), S. 5, <www.rsis.edu.sg/publications/
WorkingPapers/WP69.PDF>.
20 Evelyn Goh, Developing the Mekong: Regionalism and Regional
Security in China-Southeast Asian Relations, London: The International Institute for Strategic Studies (IISS), 2007 (Adelphi
Paper 387), S. 48.
21 Nach Angaben von Tran Tien Khanh verringern sich
schon derzeit die Wassermengen von 50 000 m³/s in der
Regenzeit auf 2000 m³/s in der Trockenzeit. Ders., Death of
a River. The Mekong River and the Chinese Development Projects
Upstream, Februar 2003, <www.vnbaolut,com/deathofariver.
html>. Im März 2010 hat der Mekong im Unterlauf die tiefsten Wasserstände seit 20 Jahren erreicht; All Headline News,
»Record Low Mekong River Levels Affecting Food Production,
Fishing, Transportation«, <www.allheadlinenews.com/
articles/7018037164>.
22 Nach einer Oxfam-Studie gehört Vietnam zu den Ländern,
die am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden.
VietNamNet Bridge, »Vietnam most vulnerable to climate
change«, 25.11.2008, <http://english.vietnamnet.vn/tech/
2008/11/815252>; »Agriculture: Rising Sea Levels May Flood 2
M Ha of Agricultural Land in Vietnam«, in: Vietnam News Briefs,
31.8.2009.
Darüber hinaus halten die Dämme Sedimentstoffe
zurück, die zu einem großen Teil aus den mineralhaltigen Böden des Oberlaufs stammen und die Felder
am Unterlauf mit wertvollem Dünger versorgen. Dies
beeinträchtigt zunächst einmal Lebensdauer und
Arbeitskapazität der Wasserkraftwerke. Im Falle des
Manwan-Staudamms wurde schon nach drei Jahren
ein Sedimentstand erreicht, den man eigentlich erst
nach einer Betriebszeit von 15 Jahren erwartet hatte.
Während die Befürworter der Dammbauten deren
Lebensdauer auf 100 Jahre veranschlagen, gehen Kritiker angesichts der unerwartet hohen Sedimentzufuhr
von gerade einmal 30 Jahren aus. 23
Wenn sich die Menge der nährstoffreichen Sedimente im Unterlauf des Mekong verringert, ist aber
auch der Fischbestand betroffen. Dieser leidet ohnehin
unter den gravierenden Veränderungen der natürlichen Fließgeschwindigkeit, die durch Rückstau und
Ablassen von Wasser an den Kraftwerken, aber auch
durch den Ausbau der Fahrrinne verursacht werden.
All diese Eingriffe führen dazu, dass die Laichgründe
vieler Fischarten zerstört werden und der Gesamtbestand an Fischen stark abnimmt. Laut einem MRCBericht vom April 2004 gingen die Fangmengen während der Regenzeit 2003/2004 im Vorjahresvergleich
um fast 50 Prozent zurück. Dabei hatte man bereits in
den Jahren 2001 und 2002 einen Rückgang um jeweils
15 Prozent verzeichnet. 24
23 Goh, China in the Mekong River Basin [wie Fn. 19], S. 6.
24 Osborne, River at Risk [wie Fn. 6], S. viii, 17f.
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13
Konflikt- und Kooperationspotentiale
Konflikt- und Kooperationspotentiale
Ausgedehnte Ökosysteme wie die Einzugsgebiete
großer Flüsse überschreiten meist das Territorium von
Nationalstaaten. Letztere bestimmen aber Organisation und Grenzen politischer Herrschaft, die völkerrechtlich mit dem Prinzip der »nationalen Souveränität« legitimiert wird. Im Falle des Mekong sind sechs
höchst unterschiedliche Staaten betroffen. Folgt man
dem klassischen realistischen Ansatz, so führt die
ungleiche Verteilung von Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten bei einer gemeinsamen Ressource zwangsläufig zu schwerwiegenden Konflikten. Daraus leitet
sich die These von den künftig drohenden »Wasserkriegen« ab, die Anfang der neunziger Jahre heftig
diskutiert wurde. 25
In der wissenschaftlichen Debatte ist man mittlerweile jedoch zunehmend auf Distanz zu dieser These
gegangen. Auch wenn unbestritten blieb, dass Auseinandersetzungen um Wasser erheblich zur Verschärfung vorhandener Konflikte beitragen können, so
wurde doch die Annahme in Frage gestellt, dass es
deshalb notwendigerweise zu kriegerischen Eskalationen kommen müsse. 26 Zudem ließ sich eine Reihe von
kooperativen Arrangements anführen, die dazu beitragen haben, Konflikte um Wasser zu entschärfen
und höhere Gewinne für alle Beteiligten zu erzielen.
Im Falle der Mekong-Region konnte auf die GMS und
die MRC sowie zahlreiche weitere Organisationen
verwiesen werden, die eine Stärkung der regionalen
Zusammenarbeit anstreben. 27
Im Folgenden wird zunächst der spezifische Stellenwert des Mekong und seines Einzugsgebiets aus der
jeweiligen Perspektive einzelner Anrainer diskutiert.
Anschließend soll näher analysiert werden, welche
Konfliktpotentiale sich daraus ergeben – und welche
25 Z.B. Joyce R. Starr, »Water Wars«, in: Foreign Policy, (1991)
82, S. 17–36. Vgl. auch die kritische Analyse der These bei
Sneddon/Fox, »Rethinking Transboundary Waters« [wie Fn. 7],
S. 182.
26 Wegweisend war hierbei die an der Oregon State University entstandene Studie von Aaron T. Wolf u.a., »International
River Basins of the World«, in: International Journal of Water Resources Development, (1999) 4, S. 387–427. Zur Diskussion dieser
Studie vgl. Menniken, Konflikt und Kooperation am Mekong [wie
Fn. 8], S. 68f.
27 Eine Auflistung der verschiedenen Regionalorganisationen
im Mekong-Gebiet findet sich im Anhang dieser Studie (S. 38).
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Der Mekong
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14
Kooperationsgewinne möglich wären, wenn sich
alle Mekong-Länder auf ein gemeinsames Nutzungskonzept verständigen würden.
Der Stellenwert der Mekong-Region für
die verschiedenen Anrainer
Zwischen den sechs Mekong-Anrainerstaaten bestehen
erhebliche Unterschiede, was den jeweiligen Anteil
am Fluss, den sich daraus ergebenden Grad an Abhängigkeit und den möglichen Zugriff auf sein Ressourcenpotential angeht. Wichtig ist dabei nicht nur, ob
ein Staat am Ober-, Mittel- oder Unterlauf liegt. Entscheidend ist auch, welche Wassermenge dem einzelnen Land zur Verfügung steht, wie viele Einwohner es
hat, wie groß die vom Fluss profitierenden Landwirtschaftsflächen sind und welchen Anteil die MekongRegion an der gesamten Fläche und Bevölkerung des
jeweiligen Landes hat. Die Aufstellungen auf S. 16/17
veranschaulichen diese Unterschiede. 28
Das Gebiet, das der Mekong in China durchquert,
umfasst nur einen geringen Bruchteil des Gesamtterritoriums und der Bevölkerung der Volksrepublik.
Für die von der chinesischen Regierung proklamierte
Strategie der »Großen Erschließung des Westens«
(Xibu Da Kaifa), mit der die Gebiete im Landesinnern
an das Entwicklungsniveau der Küstenprovinzen herangeführt werden sollen, nimmt die Mekong-Region
indes eine Schlüsselfunktion ein. Die durch den Fluss
gewonnene Wasserkraft soll nicht nur der Industrialisierung des Südwestens einen kräftigen Schub verleihen, sondern auch Boom-Regionen wie die Provinz
Guangdong mit Strom versorgen. 29
28 Übernommen von Goh, Developing the Mekong [wie Fn. 20],
S. 18, 19.
29 Das Potential der am chinesischen Teil des Mekong
geplanten Kraftwerke wird, wie erwähnt, auf 15 000 MW
veranschlagt (vgl. Fn. 11) – etwa 80 Prozent der Kapazitäten,
die Peking für das Drei-Schluchten-Projekt (18 000 MW)
anvisiert. Einige chinesische Schätzungen kommen sogar
auf ein Potential von 25 000 MW, das dem Land durch den
Mekong zur Verfügung stehen würde. Vgl. Ellen Bruzelius
Backer, »Die Mekong River Commission: Funktioniert sie
und wie beeinflusst die Geografie des Mekong-Beckens ihre
Effektivität?«, in: Südostasien aktuell, (2007) 4, S. 42.
Der Stellenwert der Mekong-Region für die verschiedenen Anrainer
China sieht in den anderen Mekong-Ländern vorrangig wachsende Absatzmärkte für chinesische Konsumgüter sowie wichtige Lieferanten von Rohstoffen
(wie Holz, Edelmetallen, Nahrungsmitteln) für die
eigene Volkswirtschaft. Die ökonomischen Beziehungen zu diesen Ländern will Peking daher kontinuierlich erweitern – durch den forcierten Ausbau von
Fernstraßen und Eisenbahnlinien, die Schiffbarmachung des Mekong für große Lastkähne 30 sowie
durch gezielte chinesische Investitionen im Bereich
Erschließung natürlicher Ressourcen. 31 Auf politischer Ebene bemüht sich die Volksrepublik um das
Image einer »verantwortlichen Großmacht« (Fuzeren
Daguo), die »zusammen mit den anderen Ländern der
Region unermüdliche Anstrengungen unternimmt,
um das gemeinsame Haus in ein Haus der Harmonie
und des Wohlstands zu verwandeln«. 32 Dies impliziert, dass der Einfluss anderer Großmächte in
Grenzen gehalten und nach Möglichkeit sogar
zurückgedrängt werden soll.
Nimmt man die nationale Gesamtfläche zum
Maßstab, so ist Myanmar nach China der zweitgrößte
Mekong-Anrainer. Doch der Fluss ist in diesem Land
an keiner Stelle ein Binnengewässer, sondern bildet
auf einer Länge von rund 200 Kilometern die Grenze
zu Laos. Die Ressourcen des Stromes sind für Myanmar
nur von marginaler Bedeutung, da nur ein geringer
Teil seines Territoriums im Einzugsbereich des Mekong liegt. Meist handelt es sich dabei um Gebiete
ethnischer Minderheiten, denen die Zentralregierung
seit den neunziger Jahren weitgehende Autonomierechte zugestanden hat. Myanmar ist zwar Mitglied
der GMS und verfügt – wie China – über Beobachterstatus in der MRC, hat aber in beiden Organisationen
kaum eigenes Profil entwickelt oder sie als regionale
Bühne für seine Außenpolitik genutzt.
Nahezu ein Drittel der gesamten Fläche Thailands
gehört zum Einzugsgebiet des Mekong. Doch historisch betrachtet stellt der Fluss Chao Praya die Lebensader dar, die für das Land stets von ausschlaggebender
Bedeutung war, während der Mekong eher eine zweit30 Osborne, River at Risk [wie Fn. 6], S. 9f.
31 Vgl. Ingrid Martonova (Hg.), Rethinking Investments in
Natural Resources: China’s Emerging Role in the Mekong Region,
Phnom Penh 2008, <www.boell-southeastasia.org/downloads/
HBF_IISD_WWF_2008_Chinese_Investments_in_Natural_
Resources.pdf>.
32 So der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao auf dem
GMS-Gipfel in Laos am 31.3.2008, »Build a Bond of Cooperation and a Common Homeland«, Speech at the Third GMS
Summit, <www.fmprc.gov.cn/eng/zxxx/t420394.htm>.
rangige Rolle spielte. Erst im Zuge der Bemühungen,
den rückständigen Nordosten Thailands – den Isan –
zu entwickeln, wurde man sich in Bangkok des Potentials bewusst, das dieser Strom bietet. Von primärem
Interesse ist zunächst schlicht das Wasser, mit dem
man einerseits die Landwirtschaft im trockenen Isan
voranzubringen, andererseits den steigenden Wasserbedarf im Großraum Bangkok zu decken versucht. 33
Als exportorientiertes Schwellenland ist Thailand bestrebt, neue Transportrouten für den Handel in der
Mekong-Region und vor allem mit China zu erschließen. Bereitwillig ging man daher auf die Initiative
Pekings ein, den Mekong als Schifffahrtsweg auszubauen sowie neue Straßen- und Eisenbahnverbindungen anzulegen. 34
Ebenso wie die anderen Mekong-Anrainer will
Thailand von den Energiereserven des Flusses profitieren. Allerdings hat bereits die Errichtung des relativ
kleinen Pak-Mun-Staudamms Anfang der neunziger
Jahre eine riesige Protestwelle der von dem Bauprojekt
Betroffenen hervorgerufen und wesentlich zur Entfaltung von Thailands NGO-Bewegung beigetragen. Seither versucht die Regierung in Bangkok das energiepolitische Ziel weniger durch neue Wasserkraftwerke
auf eigenem Territorium als durch die Beteiligung
an Bau und Betrieb solcher Kraftwerke in anderen
Mekong-Ländern, vor allem in Laos, sowie über langfristige Stromlieferverträge zu erreichen. Aus diesem
Grund befürwortet Thailand – wie auch China – nachdrücklich die Errichtung eines die Region übergreifenden Verbundnetzes für Strom.
Wie kein anderer Anrainerstaat wird Laos vom Flusssystem des Mekong und seiner Nebenströme geprägt.
Fast das gesamte Territorium des Landes liegt im Einzugsgebiet dieses Flusssystems. Über 90 Prozent der
Bevölkerung finden hier ihren Lebensunterhalt, der
häufig durch ein hohes Maß an Subsistenzwirtschaft
und schwache Integration in regionale oder internationale Märkte gekennzeichnet ist. 35 Andererseits
verfügt das Land über die wohl größten Wasserkraft-
33 Im Rahmen des »Kong-Chi-Mun-Projekts« sollen pro Jahr
6,5 Milliarden m³ Wasser aus dem Mekong abgeleitet werden.
Vgl. Evelyn Goh, »The Hydropolitics of the Mekong River
Basin: Regional Cooperation and Environmental Security«,
in: Andrew T. H. Tan/J. D. Kenneth Boutin (Hg.), Non-traditional
Security Issues in Southeast Asia, Singapur 2001, S. 468–506 (478).
34 Vgl. Kap. »Greater Mekong Subregion (GMS)«, S. 23–28.
35 Vgl. Goh, Developing the Mekong [wie Fn. 20], S. 19, und
Daryl Loo/Geert De Clercq, »Laos Targets Hydropower, Not
Democracy«, in: The Guardian, 18.11.2007, S. 7.
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15
Konflikt- und Kooperationspotentiale
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Der Mekong
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16
Abb. 1
Anteile einzelner Flussanrainer am Mekong-Becken
Quelle: ADB, Greater Mekong Subregion Socio-Economic Review, Manila 1997, S. 2;
Joakim Ojendall/Elin Torell, The Mighty Mekong Mystery: A Study on the Problems and Possibilities
of Natural Resources Utilization in the Mekong River Basin, Stockholm 1997, S. 118–131.
Tabelle 1
Geographische Aufteilung des Mekong-Beckens
Prozentualer
China
Myanmar
Laos
Thailand
Kambodscha
Vietnam
Wassermenge
16
2
35
18
18
11
Landfläche
12
2
26
23
20
8
Bevölkerung
16
1
7
34
14
28
Anteil an
Quelle: MRCS, Towards Sustainable Development: Annual Report 1995, Bangkok 1995, S. 1.
Tabelle 2
Kennziffern der Volkswirtschaften in der Mekong-Region
Kambodscha
Laos
1992
2002
1992
1. Bevölkerung (Mio.)
9,0
13,5
4,4
5,5
42,3
52,2
57,3
63,4
68,5
79,7
38,3
2. Wachstumsrate
7,0
5,5
7,0
5,9
9,7
9,7
8,1
5,2
8,7
7,0
10,9
Myanmar
2002
1992
Thailand
2002
1992
Vietnam
2002
1992
Chin. Provinz Yunnan
2002
1992
2002
43,1
6,5 (01)
des BIP (%)
3. BIP pro Kopf
1100
1649
971
1678
853
1568
430
6788
1141
2240
1218
2881
(PPP US-Dollar)
4. Staatliche Ein-
5,2
11,4 (01)
11,7 (93)
12,7
8,4
4,2 (00)
18,1
16,1
19
21,2
8,2 (95)
9,2 (01)
8,2
16,8 (01)
17,7 (93)
17,1
10,5
3,5 (00)
15,6
17,6
21,5
24,3
19,5 (95)
23,9 (01)
nahmen (% BIP)
5. Staatliche Ausgaben
(% BIP)
6. Anstieg der Ver-
96,1
3,3
9,9
10,6
21,9
57,1
4,2
0,7
30,0
101,8
29,8
40,9
3,6
1,0 (01)
61,3
98,1
20,1
24,5
63,3
67,8
23,4
35,6
2,8
219,7
523,0
346,5
735,7
136,9
217,2
6951,6
33
54
8
25
172
129
1544
5,7 (96)
3,8
1,3
0,9
50,8
103,9
9,1
8,6 (01)
8,9
4,7
13,9
1,2
1,9
10.873,0
1351,3
2628,0
596,9
1304,0
1068
385
braucherpreise (%)
7. Verhältnis des
BIP (% BIP)a
8. Anteil des intraregionalen Handels
am gesamten Außenhandel (%)
9. Zahl der Touristen
(in 1000, Beginn 1995)
10. Ausländische
Direktinvestitionen
(Mio. US-Dollar)
17
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Der Mekong
März 2010
a Definiert als Verhältnis Außenhandel/BIP zum laufenden Marktpreis.
Abweichende Jahre in Klammern. Quelle: Asian Development Bank (ADB).
1200
3
128 (01)
Der Stellenwert der Mekong-Region für die verschiedenen Anrainer
Außenhandels zum
Konflikt- und Kooperationspotentiale
reserven in der Mekong-Region; diese werden bislang
nur zu einem sehr geringen Bruchteil ausgeschöpft. 36
Die Regierung in Vientiane sieht daher den Schlüssel zu einer raschen und umfassenden Modernisierung in der konsequenten Nutzung dieses riesigen
Wasserkraftpotentials. Unter der Parole »Laos – die
Batterie Südostasiens« sucht sie seit geraumer Zeit ein
ehrgeiziges Programm zu entwickeln, das es ermöglichen soll, Strom sowohl für den Aufbau einer eigenen Industrie als auch für den Export zu produzieren.
Schon heute erzielt das Land einen beträchtlichen Teil
seiner Exporteinnahmen durch Stromlieferungen. Zugleich fließen nahezu 80 Prozent aller ausländischen
Investitionen in den Bau von Wasserkraftwerken und
die dazu notwendigen Infrastrukturmaßnahmen. 37
Die Lasten dieser »Hydro-Industrialisierung« tragen
vor allem die traditionell am Mekong lebenden Bevölkerungsgruppen. 38 Umsiedlungen in weniger fruchtbare Gebiete, Ertragsrückgänge beim Fischfang oder
der Verlust von bisher genutzten Ackerflächen treffen
dabei meist ethnische Minderheiten, die kaum Interessenvertreter in Vientiane haben und bei weitem
nicht so gut organisiert sind wie vergleichbare Gruppen in Thailand.
In ähnlich starkem Maße wie Laos prägt der Mekong auch Kambodscha. Fast 90 Prozent seines Territoriums liegen in dessen Einzugsgebiet. Im Unterschied
zu Laos stehen für Kambodscha aber die landwirtschaftlichen Ressourcen des Flusses im Vordergrund.
Das einzigartige Speichersystem des Tonle Sap 39 versorgt Millionen von Kambodschanern mit Fisch, Wasser und Düngesedimenten, ohne die die ausgedehnten
Reisfelder im Herzen des Landes nur geringe Erträge
abwerfen würden.
Diese traditionell agrarische Nutzung gerät allerdings zunehmend in Konkurrenz zur geplanten
Energiegewinnung durch Wasserkraft – sie wird von
der Regierung in Phnom Penh als entscheidende Voraussetzung betrachtet, um die hohen Strompreise
senken und eine flächendeckende Versorgung des
36 Vgl. MRC (Hg.), Strategic Plan 2006–2010 [wie Fn. 10].
37 Goh, »The Hydropolitics of the Mekong River Basin« [wie
Fn. 33], S. 474. Nicht zuletzt beteiligt sich Vietnam – auch
im Rahmen der GMS-Kooperation – am Bau laotischer Kraftwerke. Vgl. Vientiane Plan of Action 2008–2012, <www.adb.org/
GMS/POA-January.pdf>, S. 17f.
38 Zu den negativen Auswirkungen der Dammbauten auf
die Subsistenzwirtschaft vgl. den von der Organisation »International Rivers« 2008 herausgegebenen Bericht »Mekong at
Risk«, <http://us.oneworld.net/article/357697-mekong-risklaos%E2%80%99-dam-building-boom>.
39 Vgl. Osborne, River at Risk [wie Fn. 6], S. 3f.
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Der Mekong
März 2010
18
Landes mit Elektrizität sowie zusätzliche Exporterlöse
erzielen zu können. 40 Obwohl sich das für den
Mekong anvisierte Dammbauprogramm noch im
Planungsstadium befindet, hat es bereits den
entschiedenen Widerstand kambodschanischer NGOs
geweckt, die untereinander wie auch international
gut vernetzt sind. Sie lehnen den Bau von Wasserkraftwerken nicht grundsätzlich ab, kritisieren hier
aber die Intransparenz der Planungs- und Entscheidungsprozesse. Diese spielen sich meist hinter
verschlossenen Türen ab, weil die Regierung eine
öffentliche Diskussion über die soziale und ökologische Problematik von Dammbauprojekten zu
unterbinden sucht. 41
Der Anteil von Vietnam an der gesamten Fläche des
Mekong-Beckens beträgt weniger als 10 Prozent. Allerdings leben knapp 30 Prozent aller Einwohner der
Mekong-Region in diesem Land. Das Delta des Flusses
nimmt etwa 20 Prozent von Vietnams Territorium ein,
etwa 25 Prozent seiner Bevölkerung leben in diesem
Gebiet. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist dieses Gebiet indes von ungleich größerer
Bedeutung.
Traditionell stellt das fruchtbare Schwemmland des
Mekong-Deltas die wichtigste Reiskammer Vietnams
dar. 42 Weit mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Produkte werden hier geerntet; ebenso groß ist
der Anteil der Fische, die hier gefangen oder gezüchtet
werden. 43 Vietnams Reisexporte stammen zu mehr als
80 Prozent aus dem Mekong-Delta; bei den Exporten
von Fischen und Meeresfrüchten liegt der Anteil bei
über 50 Prozent. 44 Allerdings benötigt nicht nur eine
zunehmend intensiver betriebene Landwirtschaft
immer größere Mengen an Wasser. Auch das industrielle bzw. städtische Wachstum Vietnams geht mit
einem steigenden Wasserbedarf einher. Dabei nimmt
40 Vgl. Nette, »Cambodian Dam Plans Suffer Information
Drought« [wie Fn. 13].
41 »Shady Hydropower Projects May Bring Waters of
Change«, in: Asian Business, 27.10.–2.11.2008, S. 7; »With
Six Proposed Dams Threatening the Sustainability of the
Lower Mekong River, Cambodian Civil Society Calls for the
MRC to Address Its Shortcomings«, öffentliche Erklärung
der Rivers Coalition in Cambodia (RCC) vom 16.11.2007,
<www.terraper.org/articles/RCC%20Statement_WEB.doc>;
Nette, »Cambodian Dam Plans Suffer Information Drought«
[wie Fn. 13].
42 Die andere Reiskammer ist das Delta des Roten Flusses
im Norden, das aber nur etwa ein Drittel so groß ist wie das
Mekong-Delta.
43 Goh, Developing the Mekong [wie Fn. 20], S. 19.
44 Backer, »Die Mekong River Commission« [wie Fn. 29], S. 43.
Konfliktfelder
der Großraum Ho-Chi-Minh-Stadt im Bereich von
Dienstleistungen, Produktion und Handel seit Beginn
der wirtschaftlichen Reformen Mitte der achtziger
Jahre eine nationale Spitzenstellung ein. Weil Niederschläge und Grundwasser den wachsenden Bedarf
dieser neuen Wirtschaftsmetropole nicht mehr decken
können, muss immer mehr Wasser dem Flusssystem
des Mekong entnommen werden. 45
Da Vietnam mindestens ebenso sehr wie Kambodscha auf die Wassermassen des Mekong angewiesen
ist, beobachtet das Land mit großer Sorge alle Dammbauprojekte, die am Ober- und Mittellauf des Flusses
geplant oder bereits in die Tat umgesetzt werden.
Mehr oder weniger offen kritisiert man vor allem
die Intransparenz der chinesischen Projekte und die
mangelnde Kooperationsbereitschaft Pekings. 46 Allerdings hat Vietnam mit der Volksrepublik auch Verträge über Stromlieferungen abgeschlossen. Zudem
sieht sich die Regierung in Hanoi dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie ihrerseits ja Wasserkraftwerke im zentralen Hochland Vietnams errichtet habe und dieses
Gebiet, in dem wichtige Nebenflüsse des Mekong entspringen, zur größten Wasserkraftquelle des Landes
ausbauen wolle. 47 Außerdem werden mit finanzieller
und technischer Unterstützung durch Vietnam auch
in Laos und Kambodscha Wasserkraftwerke geplant
und gebaut. 48
Letztlich gehen all diese Vorhaben zu Lasten der
landwirtschaftlichen Nutzung des Mekong-Deltas. Ihm
fehlen jene Wasser- und Sedimentmengen, die durch
Stauanlagen zurückgehalten werden. Vietnams Führung ist daher gefordert, zumindest auf nationaler
Ebene ein Konzept zu erarbeiten, das die Ziele der
Energiegewinnung sowie der industriellen und landwirtschaftliche Entwicklung besser aufeinander abstimmt.
45 Nach Angaben der vietnamesischen Zeitung Tuoi Tre
(dt. Jugend), 12.8.2008, wird etwa ein Drittel des Wasserbedarfs des Großraums Ho-Chi-Minh-Stadt durch den
Mekong gedeckt.
46 Nguyen, »Vietnam’s Interests in the Greater Mekong
Subregion« [wie Fn. 16], S. 119f.
47 The Vietnamese Prime Minister’s Decision 677/2004/
QD-TTG [wie Fn. 15].
48 Vgl. »Regional Summit Builds Connections«, in: Viet Nam
News, 31.3.2008, <http://vietnamnews.vnagency.com.vn/
Politics-Laws/175185/Regional-summit-builds-connections.
html>.
Konfliktfelder
Bei allen großen Flüssen ergibt sich eine Konkurrenzbzw. Konfliktsituation zwischen den Anwohnern von
Ober- und Unterlauf. Erstere haben aufgrund ihrer
geographischen Lage die Möglichkeit, sich durch Wasserableitung, Errichtung von Kraftwerken, Ausbau der
Fahrrinne oder Einleitung von Abwasser und Schadstoffen wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die dadurch verursachten Kosten müssen größtenteils von
den Anwohnern des Unterlaufs getragen werden, die
sich mit geringeren Mengen an Wasser – und dieses
in schlechterer Qualität – abzufinden haben.
Im Falle des Mekong wird der Konflikt häufig auf
eine Auseinandersetzung zwischen der Volksrepublik
China und ihren südlichen Nachbarn verkürzt – das
heißt, die Dämme und Wasserkraftwerke im chinesischen Teil des Flusses werden für all die ökologischen
Schäden verantwortlich gemacht, die sich am Unterlauf und nicht zuletzt im Mekong-Delta bereits deutlich zeigen. 49 Dabei übersieht man allzu leicht, dass
Chinas Anteil an der gesamten Wassermenge des
Mekong nur bei etwa 16 Prozent liegt und sich der
Konflikt auch zwischen den übrigen Anrainern abspielt. Ob Thailands Ableitungsprojekt zur Versorgung
seines wasserarmen Nordostens, das umfangreiche
Dammbauprogramm von Laos, die Wasserkraftwerke
im zentralen Hochland Vietnams oder die in Kambodscha an den Sambor-Wasserfällen geplanten Kraftwerke – in all diesen Fällen wird letztlich stets die
jeweilige Oberlaufposition zum eigenen Vorteil und
zum Nachteil anderer ausgenutzt.
Neben geographischen Gegebenheiten haben wirtschaftliche, politische und auch militärische Kapazitäten entscheidenden Einfluss darauf, wer sich der
Ressourcen eines transnationalen Stromes in welchem
Ausmaß bedienen kann. Einer Großmacht stehen vielfältige Mittel zur Verfügung, um durch Druck und
Anreize einen nachrangigen Staat zu veranlassen, auf
Forderungen und Wünsche einzugehen und eigene
Interessen hintanzustellen.
Im Mekong-Becken führen diese beiden Faktoren
zu einer besonders asymmetrischen Machtstruktur,
da China und Thailand nicht nur durch ihre Lage am
Oberlauf begünstigt sind, sondern auch ein ökonomisches Potential besitzen, das dem der südlichen Flussanrainer weit überlegen ist. Der Drang beider Länder
49 Fred Pearce, »The Damming of the Mekong: Major Blow
to an Epic River«, in: Yale Enviroment 360, 16.6.2009,
<http://e360.yale.edu/content/feature.msp?id=2162>.
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Der Mekong
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Konflikt- und Kooperationspotentiale
zu einer möglichst weitgehenden Ausschöpfung ihrer
jeweiligen Mekong-Anteile wird allerdings durch andere Interessen begrenzt. Denn China wie Thailand
brauchen die Nachbarländer als Rohstofflieferanten
und Absatzmärkte, um den eigenen wirtschaftlichen
Aufstieg weiter vorantreiben zu können – dieser lässt
sich in einem kooperativen regionalen Umfeld sehr
viel leichter realisieren als in einem konfrontativen.
Solange man sich auf kein regionales Regime verständigt, das Nutzungsmöglichkeiten für die gemeinsame Ressource regelt und Verfahren zur Lösung aufkommender Konflikte bereithält, zeichnen sich für die
nachrangigen Mächte im Wesentlichen zwei Handlungsoptionen ab. Sie können sich mit der Großmacht
arrangieren (bandwagoning), um dafür entsprechende
Gegenleistungen zu bekommen – sei es in Form wirtschaftlicher Hilfe oder auch politischer Unterstützung
auf regionaler wie internationaler Ebene. Oder sie versuchen, durch Zusammenschluss untereinander eine
Gegenmacht aufzubauen (balancing). An Gewicht gewinnen könnte eine solche Koalition, indem sie eine
oder mehrere andere Großmächte einbindet.
Um die Ressourcen des Mekong und der MekongRegion konkurrieren indes nicht nur die einzelnen
Nationalstaaten, sondern auch die verschiedenen
Interessengruppen innerhalb eines Landes. Die Nutzung des Flusses zur Energieerzeugung, zur Bewässerung und Fischzucht, zur Wasserversorgung der
Industrie sowie rasch wachsender Städte und nicht
zuletzt als Transportweg schließen sich gegenseitig
nicht notwendigerweise aus, aber sie bedürfen auf
nationaler wie regionaler Ebene einer planvollen
Koordination.
Welcher Interessengruppe dabei Priorität eingeräumt und welcher mindere Bedeutung beigemessen
wird, ist letztlich eine politische Entscheidung. Sie
hängt ab von der Entwicklungsstrategie, mit der die
jeweilige Regierung ihr Land zu modernisieren versucht. Setzt man Entwicklung mit dem möglichst
schnellen Anstieg wirtschaftlicher Wachstumsraten
gleich? Oder verfolgt man eine Politik, die auf nachhaltige Nutzung des vorhandenen Potentials abzielt,
die Interessen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen berücksichtigt und sich nicht nur auf traditionelle Modelle verlässt, sondern auch um innovative
Konzepte bemüht?
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Kooperationspotentiale
Obwohl gerade während des vergangenen Jahrzehnts
tiefgehende Eingriffe in das Flusssystem des Mekong
vorgenommen worden sind, bleiben viele seiner Ressourcen bislang ungenutzt. 50 Folgt man einer von der
Weltbank und der Asian Development Bank gemeinsam vorgelegten Studie, 51 so birgt der Mekong noch
immer ein sehr großes und breitgefächertes Entwicklungspotential. Dauerhaft ausgeschöpft werden kann
es aber nur dann, wenn man seine Nutzung nicht dem
freien Spiel ökonomischer und politischer Kräfte überlässt, sondern einem transparenten und durchdachten
Ressourcen-Management unterstellt. Bereits Anfang
der neunziger Jahre wurden hierzu mit dem Konzept
des »Integrated Water Resources Management« (IWRM)
grundlegende Prinzipien ausgearbeitet. 52 Sie fanden
Eingang in die von den Vereinten Nationen 1997 kodifizierte »Convention on the Law of Non-Navigational
Uses of International Watercourses«. 53
Ausgangspunkt des Konzepts ist die These, dass
alle Nutzungen und Nutzer eines Flusses voneinander
abhängig und deshalb auch in ihrer wechselseitigen
Abhängigkeit zu betrachten sind. Eine solche Sichtweise darf sich dabei nicht nur auf den eigentlichen
Flusslauf und die ufernahen Gebiete beschränken, sondern muss das gesamte Einzugsgebiet des Stromes als
interdependentes ökologisches wie soziales System
erfassen. Dass es in diesem System konkurrierende
Interessen gibt, wird nicht geleugnet – vielmehr geht
es gerade darum, diese klar zu benennen und anzuerkennen.
Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die verschiedenen Interessengruppen und lokalen Verwaltungen
an der jeweiligen Entscheidungsfindung beteiligt und
in eine integrierte Entwicklungsstrategie eingebunden
werden. Dabei gilt es »Win-win-Situationen« zu identifizieren, Benachteiligungen einzelner Gruppen möglichst zu begrenzen und gegebenenfalls Kompensationen festzulegen. Eine solche Strategie, die eher als
offener Prozess denn als fertiges Konzept zu verstehen
50 Sneddon/Fox, »Rethinking Transboundary Waters« [wie
Fn. 7], S. 188, bezeichnen den Mekong sogar als »the least
altered of Asia’s large river systems«.
51 World Bank/Asian Development Bank (Hg.), Joint Working
Paper on Future Directions for Water Resources Management in the
Mekong River Basin, Washington, D.C., Juni 2006.
52 »Integrated Water Resources Management«,
<www.archive.cap-net.org/iwrm_tutorial/mainmenu.htm>.
53 China gehört zu den wenigen Ländern, die dieses Dokument bislang nicht unterzeichnet haben.
Kooperationspotentiale
ist, stellt vielfältige Kooperationsgewinne in Aussicht
– von einer nachhaltigen Entwicklung des Mekong
selbst über höhere Erträge aus dem Fluss bis hin zu
einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in Bereichen,
die nicht unmittelbar mit dem Management des
Stromes zu tun haben. 54
Gemeinsame Verantwortung und gemeinsames
Handeln sollten zunächst darauf abzielen, die Wassermenge in einem von allen Partnern akzeptierten
Verfahren zu verteilen, eine möglichst hohe Wasserqualität zu gewährleisten und Verunreinigungen
durch industrielle Emissionen, übermäßigen Einsatz
chemischen Düngers sowie zunehmende Bodenerosion zu minimieren. Die Bereitschaft, sich aktiv
an diesen Maßnahmen zu beteiligen, dürfte in dem
Maße wachsen, in dem es gelingt, die entsprechenden
Regelungen und Verfahren für den gesamten Flusslauf
umzusetzen und Verstöße dagegen zu sanktionieren –
damit nicht regelkonformes Handeln der einen durch
regelwidriges Vorgehen der anderen zunichtegemacht
wird.
Neben der gleichberechtigten Verteilung des Wassers und der Sicherung seiner Qualität ist der jahreszeitlich bedingte Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser für das ökologische Gleichgewicht und die
landwirtschaftliche Nutzung des Mekong von ausschlaggebender Bedeutung. Dieser Wechsel ist jedoch
vielfach mit verheerenden Überschwemmungen und
Dürren verbunden, die immer wieder die Lebensgrundlage unzähliger Menschen zerstören und darüber hinaus zahlreiche Todesopfer fordern.
Um einerseits die notwendigen Schwankungen
des Wasserstands zu gewährleisten, andererseits aber
auch deren destruktive Folgen einzudämmen, bedarf
es ebenfalls eines koordinierten Handelns aller Anrainer. Wichtige Voraussetzungen hierfür sind das
Sammeln und Auswerten von Daten über das Fließverhalten des Mekong, um frühzeitig vor Hochwasser
warnen zu können. Solche Informationen allein ermöglichen aber nur ein defensives Reagieren. Dauerhafter Schutz vor Naturkatastrophen – bei Bewahrung
eines angemessenen Ebbe-Flut-Rhythmus – wird nur
in einem komplexen System von aufeinander abgestimmten Dammbauten und Wasserreservoiren möglich sein, das vorrangig auf das Ziel der Flutkontrolle
ausgerichtet ist. Da die Kosten eines solchen Systems
vorwiegend im Ober- und Mittellauf des Flusses an54 Vgl. Claudia W. Sadoff/David Grey, »Beyond the River:
The Benefits of Cooperation on International Rivers«,
in: Water Policy, 4 (2002), S. 389–403.
fallen, während die positiven Effekte vor allem den
Unterlauf betreffen, wird man die Anrainer am Oberund Mittellauf nur mit Ausgleichsleistungen dazu
bewegen können, sich an den Vorkehrungen zu beteiligen.
Derartige Eingriffe rufen immer wieder den Widerspruch von Umweltaktivisten hervor, die sich von
einem fundamentalistischen Ökologieverständnis
leiten lassen und Naturschutz als hermetische Abschottung gegenüber allen menschlich gesteuerten
Aktivitäten begreifen. Eine konsequente Umsetzung
dieses Gedankens würde indes nicht nur großen
Bevölkerungsteilen die Lebensgrundlage entziehen.
Die Vertreter einer solchen Position vergessen außerdem, dass sich selbst überlassene Naturräume zwar
zum ökologischen Gleichgewicht tendieren, zugleich
aber auch an Flora und Fauna einbüßen. Gerade das
Mekong-Delta ist ein anschauliches Beispiel dafür,
wie durch ein ausgeklügeltes System von Kanälen
und Bewässerungsmethoden ein malariaverseuchtes
Sumpfgebiet in eine fruchtbare Reiskammer verwandelt werden kann und dabei eine neue ökologische
Balance entsteht. 55
Ließe sich eine solch tiefgreifende Umgestaltung
am gesamten Mekong oder zumindest in weiten Bereichen erzielen, würde dies letztlich auch die Erträge
steigern, die nachhaltig aus dem Fluss gewonnen
werden können. Im semi-ariden Spanien etwa gelang
es durch ein verbessertes Ressourcen-Management, die
Verfügbarkeit der vorhandenen Wasserbestände von
8 auf 60 Prozent zu steigern. 56 Eine bessere Verteilung
des Wassers und effizientere Maßnahmen zur Flutkontrolle kommen im Falle des Mekong vor allem der
Landwirtschaft und dem Fischfang zugute. Sie eröffnen aber auch neue Chancen für einen – zunehmend
nachgefragten – Tourismus, der Natur und Erholung
in den Vordergrund stellt. Außerdem ist Energieerzeugung durch Wasserkraft sicherlich ein unverzichtbarer Bestandteil einer solchen Entwicklungsstrategie. Dabei bemisst sich »Wirtschaftlichkeit«
jedoch nicht an den Interessen eines einzelnen Betreibers bzw. an der maximalen Energieerzeugung
pro Kraftwerk, sondern an der ökonomischen Bilanz
der gesamten Region. Eine höhere Energieeffizienz 57
55 Zur Entwicklung des Mekong-Deltas vgl. Pierre Brocheux,
The Mekong Delta. Economy, Ecology and Revolution, Madison:
University of Wisconsin-Madison, Center for Southeast Asian
Studies, 1995.
56 Sadoff/Grey, »Beyond the River« [wie Fn. 54], S. 395.
57 Allein in Vietnam könnten nach Schätzungen 8 Milliarden Dollar pro Jahr durch eine höhere Energieeffizienz
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Konflikt- und Kooperationspotentiale
im Produktionsprozess und moderne Transmissionstechnologien, die Transportverluste reduzieren, 58 sind
bei der Optimierung dieser Bilanz mindestens ebenso
wichtig wie eine Steigerung emissionsarmer Energiegewinnung.
Solche Vorstellungen von Wirtschaftlichkeit sind
Kraftwerksbetreibern und Investoren gegenwärtig
sicherlich noch fremd. Je mehr sich indes die beim
Bau von Wasserkraftanlagen erstellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen als falsch erweisen, weil die
Versandung schneller als erwartet voranschreitet oder
der Instandhaltungsaufwand höhere Kosten verursacht als eingeplant, desto attraktiver dürften
alternative Strategien werden – zumal wenn neue
Anlagemöglichkeiten in zukunftsträchtigen Bereichen
(Energieeffizienz, Bioerzeugnisse etc.) höhere Renditen
versprechen.
Die positiven Erfahrungen kollektiven Bemühens
um eine nachhaltige Entwicklung des Mekong
schaffen darüber hinaus eine Basis gegenseitigen
Vertrauens. Damit wird auch eine politische und
ökonomische Zusammenarbeit begünstigt, die nicht
mehr unmittelbar auf den Fluss bezogen sein muss.
Während heute noch zahlreiche – oftmals recht
diffuse – Rivalitäten die Region prägen, könnten
Nahrungs- und Energiesicherheit künftig als gemeinsame Ziele begriffen werden, die nicht allein im
nationalen Maßstab zu gewährleisten sind. Am
Mekong würde damit sicherlich kein konfliktfreier
Raum entstehen, doch die Voraussetzungen für eine
friedliche Beilegung der Differenzen dürften sich
erheblich verbessern.
eingespart werden. Duc Hung, »Government Aims to Save $8b
in Energy«, in: Viet Nam News, 5.8.2008, <http://vietnamnews.
vnagency.com.vn/showarticle.php?num=03ECO050808>.
58 Die derzeitigen Energieverluste durch veraltete Transmissionstechnologien werden in Vietnam auf mehr als
9 Prozent veranschlagt. Asia Pulse, »Reducing Vietnam’s
power transmission losses a hard task: EVN [Electricity of
Vietnam]«, 26.8.2009.
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Greater Mekong Subregion (GMS)
Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
In der Mekong-Region sind seit dem Ende des Kalten
Krieges und des chinesisch-sowjetischen Konflikts eine
Reihe von Organisationen entstanden, die es sich zum
Ziel gesetzt haben, durch verstärkte Kooperation
Unterentwicklung zu überwinden und langfristig die
gesamte indochinesische Halbinsel in eine wirtschaftliche Wachstumszone zu verwandeln. 59 An einigen
dieser Zusammenschlüsse sind neben Mekong-Anrainern auch Länder wie Indien und Japan beteiligt, die
nicht zu Südostasien gehören. Außerdem unterstützen
internationale Institutionen wie die ADB und einige
europäische Länder die Arbeit bestimmter Organisationen mit finanzieller, teilweise auch technischer
Hilfe. Die Region wird daher gerne als anschaulicher
Beleg für die These herangezogen, dass die Abhängigkeit von einer gemeinsamen Wasserressource nicht
zwangsläufig zu immer schärferen Konflikten führen
muss, sondern ebenso eine verstärkte Ausschöpfung
von Kooperationspotentialen bewirken kann, die letztlich allen Beteiligten zu höheren Erträgen verhilft.
Während bei manchen dieser Zusammenschlüsse
die Proklamation gemeinsamer Zielsetzungen größeren Raum einnimmt als die konkrete Projektarbeit,
haben sich mit der »Greater Mekong Subregion« (GMS)
und der »Mekong River Commission« (MRC) zwei tatkräftige Organisationen herausgebildet, die auf regionaler Ebene gut positioniert sind und ein aktives
Engagement der internationalen Gemeinschaft hervorgerufen haben. Die folgende Darstellung wird sich
daher auf eine Analyse dieser beiden Organisationen
konzentrieren.
Greater Mekong Subregion (GMS)
Entstehungsgeschichte
Mit der Unterzeichnung der internationalen Vereinbarungen über das Ende des Kambodscha-Konflikts im
Oktober 1991 wurden jene Konfliktlinien hinfällig, die
jahrzehntelang einer engeren Kooperation zwischen
der Volksrepublik China und ihren Nachbarn auf der
59 Eine Auflistung dieser Organisationen findet sich im
Anhang der Studie (S. 38).
indochinesischen Halbinsel im Wege gestanden
hatten. 60 Auf Initiative der ADB, die den organisatorischen Rahmen schuf und beträchtliche finanzielle
Hilfen in Aussicht stellte, kamen 1992 alle sechs
Mekong-Länder 61 zu einer Konferenz auf Ministerebene zusammen, um die »Greater Mekong Subregion« aus der Taufe zu heben.
Die GMS verstand sich anfangs nicht als Wirtschafts- oder Handelsgemeinschaft, sondern als eine
Gruppe von Ländern, die durch den Mekong geographisch verbunden sind und in ihrem ökonomischen
wie gesellschaftlichen Entwicklungsstand viele Gemeinsamkeiten aufweisen. 62 Zwar verfügten Thailand
und China bereits zu Beginn der neunziger Jahre über
hochmoderne Wirtschaftssektoren in industriellen
Ballungsgebieten, aber gerade die am Mekong gelegenen Landesteile zeichneten sich – ebenso wie im Fall
der anderen Flussanrainer – durch ein relativ niedriges Entwicklungsniveau und geringe wirtschaftliche
Verflechtung aus.
Trotz dieser gemeinsamen Voraussetzungen verhinderte das noch immer recht angespannte Verhältnis
zwischen China und Südostasien zunächst fast zehn
Jahre lang ein zügiges Voranschreiten des Projekts.
Erst 2002 zeichneten sich für die GMS günstigere Perspektiven ab – nachdem die chinesische Regierung in
einen umfassenden Dialog mit der ASEAN eingetreten
war und man nicht zuletzt auch eine gemeinsame
Freihandelszone vereinbart hatte. 63 So wurde der
60 Texte der Abkommen von 1991 in: Patrick Raszelenberg/
Peter Schier, The Cambodia Conflict: Search for a Settlement, 1979–
1991, Hamburg 1995, S. 570–605.
61 Offiziell gehören die chinesische Provinz Yunnan und –
seit 2005 – die Region Guangxi der GMS an. Auf Gipfeltreffen
und Ministerkonferenzen der Organisation werden sie jedoch
durch Mitglieder der chinesischen Zentralregierung vertreten. Vgl. Tim Summers, »China and the Mekong Region«, in:
China Perspectives, (2008) 3, S. 72–76.
62 Eric Teo Chu Cheow, »Three Strategic Challenges for
ASEAN and China: The Greater Mekong Subregion, the ›Go
West Policy‹, and the Role of Ethnic Chinese in Sino-ASEAN
Strategic Relations«, in: James K. Chin/Nicholas Thomas (Hg.),
China and ASEAN: Changing Political and Strategic Ties, Hongkong
2005, S. 115f.
63 Hanns Günther Hilpert/Gerhard Will, China und Südostasien.
Auf dem Weg zu regionaler Partnerschaft, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2005 (SWP-Studie 21/2005), S. 20ff.
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Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
China-ASEAN-Gipfel Anfang November 2002 in Phnom
Penh genutzt, um dort zugleich ein erstes Gipfeltreffen aller GMS-Länder abzuhalten und einen ersten
Rahmenplan für das kommende Jahrzehnt zu verabschieden. Darin waren nicht nur einzelne Arbeitsgebiete festgelegt, sondern auch konkrete Projekte
samt Finanzierungsplänen und vorgesehenen Fertigstellungsterminen.
Strategische Zielsetzungen
Oberstes Ziel der GMS, das in allen gemeinsamen
Kommuniqués ihrer Gipfeltreffen beschworen wird,
ist die Schaffung einer »integrierten, harmonischen
und blühenden Sub-Region«. 64 Um diese Vision zu
realisieren, sollen alle Barrieren überwunden werden,
die einem intensiveren Verkehr von Gütern, Informationen und Personen im Wege stehen.
Dabei geht es zunächst einmal um die Verbesserung der materiellen Infrastruktur, mithin um den
Ausbau der verschiedenen Transportwege. Von den
neun Arbeitsbereichen, die in dem derzeit gültigen
»Plan of Action for GMS-Development 2008–2012« 65
aufgeführt werden – Transport, Energie, Telekommunikation, Landwirtschaft, Umwelt, Tourismus, Ausund Weiterbildung, Handel, Investitionen –, nimmt
der Sektor Transport daher eine besonders wichtige
Stellung ein. Allein für den Bau und Ausbau von Fernstraßen und Eisenbahnlinien sieht der Aktionsplan
Projekte mit einem Volumen von mehr als 7 Milliarden US-Dollar vor, deren Finanzierung bereits vereinbart worden ist. Darüber hinaus nennt der Plan eine
nicht minder große Zahl an Projekten zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur (einschließlich des
Luft- und Schiffsverkehrs), bei denen die Finanzierung
noch nicht verbindlich geregelt ist.
Der Ausbau der materiellen Infrastruktur wird
allerdings nur dann seine volle Wirkung entfalten
können, wenn auch die administrativen Handelshemmnisse beseitigt werden. 2003 unterzeichneten
daher alle GMS-Mitglieder ein »GMS Cross-Border
Transport Agreement«, 66 das allgemeine Verfahrens64 So in der Gemeinsamen Erklärung des 3. GMS-Gipfeltreffens im Frühjahr 2008, Text: <www.adb.org/Documents/
Events/2008/3rd-GMS-Summit/default.asp>.
65 Volltext: GMS, Vientiane Plan of Action for GMS Development
2008–2012, <www.adb.org/Documents/Events/2008/3rd-GMSSummit/POA-Vientiane2008-2012.pdf>.
66 ADB, GMS Cross-Border Transport Agreement, <www.adb.org/
GMS/agreement.asp>.
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regeln zur Abwicklung des grenzüberschreitenden
Güterverkehrs festlegt und durch Zusatzvereinbarungen und -protokolle laufend ergänzt wird. Bislang ist
dies der einzige völkerrechtlich bindende Vertrag, mit
dem die Regierungen aller GMS-Staaten gemeinsame
Verpflichtungen eingegangen sind. Neben dem Bereich »Transport« zielt auch der Sektor »Handel« darauf ab, Hürden beim Warenverkehr aus dem Weg zu
räumen. Beabsichtigt ist, nicht nur Verkehrsverbindungen, sondern auch »Economic Corridors« zu
schaffen – entlang der Transportrouten sollen also
Unternehmen gegründet und wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet werden. Diese Economic Corridors, die
die Region in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung durchqueren werden, sollen gleichsam die Lebensadern
eines neuen gemeinsamen Wirtschaftsraumes bilden.
Den Austausch materieller Güter will man durch
den Handel mit Elektrizität bzw. durch den Aufbau
eines regionalen Verbundnetzes ergänzen und intensivieren – ein funktionsfähiger Strommarkt soll Anbietern wie Abnehmern alternative Handlungsoptionen
eröffnen. Eine Reihe von GMS-Projekten im Bereich
»Energie« befasst sich daher mit dem Bau bzw. der
Unterstützung des Baus von Wasserkraftwerken (vor
allem in Laos), Überlandleitungen und Schaltstationen
sowie der Ausbildung und Schulung des nötigen Fachpersonals. 67
Der verstärkte Austausch von Informationen mit
Hilfe moderner Technologie ist eine Aufgabe, die in
den Bereich »Telekommunikation« fällt. Dieser bildet
einen weiteren Schwerpunkt des Programms; sein
Spektrum reicht vom Aufbau eines »Information
Super-Highway« über die GMS-weite Verbreitung von
Erkenntnissen moderner Agrartechnologie bis hin
zu Programmen auf dem Feld von e-government und
e-learning. Eine größere Durchlässigkeit der Grenzen
wird nicht zuletzt die Ausweitung des Tourismus begünstigen. Neben der Erschließung neuer Reiserouten
und Feriengebiete sieht der Bereich »Tourismus« die
Ausbildung von Tourismusmanagern, Fremdenführern und Konservatoren historischer Stätten vor.
Es entstehen jedoch auch Sicherheitsrisiken, wenn
die grenzüberschreitende Kommunikation intensiviert wird und bisher bestehende Schranken fallen.
Der Bereich »Aus- und Weiterbildung« umfasst daher
verschiedene Projekte, die auf den gemeinsamen
Kampf gegen epidemische Krankheiten wie HIV/AIDS,
Malaria und Dengue-Fieber, aber auch Tier- und
67 Vgl. den Arbeitsbereich »Energie« in dem Vientiane Plan
of Action 2008–2012 [wie Fn. 37], S. 15–20.
Greater Mekong Subregion (GMS)
Pflanzenseuchen abzielen. Das gemeinsame Vorgehen
gegen transnationale Kriminalität – vor allem Menschenhandel und Drogenschmuggel – wird zwar als
Herausforderung einer intensiveren GMS-Kooperation
anerkannt, 68 doch der Vientiane-Aktionsplan benennt
hierzu keine spezifischen Projekte. Allerdings hatten
sich China und die ASEAN-Staaten bereits im November 2002 mit einer Gemeinsamen Erklärung zur
Zusammenarbeit im Bereich nicht-traditioneller
Sicherheitsprobleme bekannt. 69
Die Gefahren einer fortschreitenden Umweltzerstörung werden ebenfalls als länderübergreifende
Herausforderung verstanden. Entsprechende Projekte
führt der Aktionsplan im Bereich »Umwelt« auf. Darüber hinaus verabschiedeten alle GMS-Länder 2005
ein »Core Environment Program«, in dem »eine konsequente Einbeziehung von Umweltbelangen in die
gesamte Arbeit der GMS für eine nachhaltige Entwicklung« gefordert wurde. 70 Führende Repräsentanten der Mitgliedsländer, nicht zuletzt der chinesische
Ministerpräsident Wen Jiabao, stellen vor allem die
Bedrohung durch den globalen Klimawandel heraus,
der einige GMS-Staaten besonders stark treffen wird. 71
Organisation und finanzieller Rahmen
In den Gemeinsamen Erklärungen der GMS wird stets
die »Wichtigkeit eines pragmatischen, handlungs- und
ergebnisorientierten Arbeitsstils« betont. 72 Grundlage
der Zusammenarbeit sei der Aufbau gegenseitigen
Vertrauens und Respekts, der Beratungen und Verhandlungen auf gleichberechtigter Basis ermögliche. 73
68 So in der Gemeinsamen Erklärung des 3. GMS-Gipfeltreffens im Frühjahr 2008 [wie Fn. 64]. Vgl. auch Dang
Nguyen Anh, »Migration and Trafficking within the Greater
Mekong Subregion: Policy Dimensions of a Growing Issue«,
in: Dosch u.a. (Hg.), Economic and Non-Traditional Security
Cooperation in the GMS [wie Fn. 16], S. 73–82, sowie Nguyen
Xuan Yem, »Strengthening International Cooperation for
a Drag Free Mekong Subregion«, ebd., S. 83–92.
69 »Joint Declaration of ASEAN and China on Cooperation
in the Field of Non-Traditional Security Issues«, 6th ASEANChina Summit, Phnom Penh, 4 November 2002,
<www.aseansec.org/13185.htm>.
70 Vgl. GMS, Core Environment Program (CEP), <www.gmseoc.org/CEP/CEP.aspx>.
71 Vgl. Wen Jiabaos Rede auf dem 3. GMS-Gipfeltreffen am
31.3.2008 [wie Fn. 32].
72 Siehe z.B. Gemeinsame Erklärung des 3. GMS-Gipfeltreffens [wie Fn. 64].
73 So der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao auf
dem 3. GMS-Gipfel [wie Fn. 32].
Dabei verständigt man sich zwar auf gemeinsame
Maximen – das Motto des Vientiane-Gipfels 2008 etwa
lautete »Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch
Vernetzung« (Enhancing Competitiveness through
Connectivity) –, ohne jedoch solche Leitsätze in einem
konzeptionellen Rahmen näher zu definieren und
einen konkreten Fahrplan festzulegen, mit dessen
Hilfe das vorgegebene Ziel zu erreichen wäre.
Auch institutionell hat man sich auf eine eher
lockere Struktur verständigt, die ein hohes Maß an
Flexibilität garantieren soll. 74 Auf unterster Ebene
wurden für die einzelnen Schlüsselsektoren Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen jedes GMS-Land mit
Delegierten vertreten ist. Die Aufgabe der einzelnen
Arbeitsgruppen besteht darin, Kooperationsprojekte
zu entwickeln und die politische Entscheidungsfindung vorzubereiten. Auf Länderebene sollen
»Nationale Koordinations-Komitees« die Vorhaben
der verschiedenen Programmbereiche aufeinander
abstimmen. Diesen Komitees entspricht auf regionaler
Ebene ein »Senior Officials’ Meeting« (SOM), zu dem
ein- oder zweimal im Jahr hohe Beamte der GMSLänder zusammenkommen, um die Planungen der
einzelnen Schlüsselsektoren zu koordinieren und sie
in »Leuchtturm-Programmen« (Flagship Programs)
zu verknüpfen. 75
Neben diesen Koordinierungsmechanismen auf
Regierungsebene haben sich in der GMS noch einige
Zusammenschlüsse wie das »GMS Business Forum«,
das »GMS Academic and Research Network« oder
das »GMS Youth Forum« etabliert, in denen NichtRegierungs-Vertreter zusammenkommen, um ihre
Anliegen zu diskutieren und gemeinsame Interessen
auszuformulieren. Diese Vereinigungen sind aber
in keiner Weise in den Planungs- und Entscheidungsprozess der GMS eingebunden und haben bislang
auch nicht mit eigenen Stellungnahmen in öffentliche Debatten eingegriffen.
Sämtliche politischen Entscheidungen werden auf
den jährlich stattfindenden Ministerkonferenzen der
GMS getroffen. Den seit 2002 alle drei Jahre einberufenen Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten bleibt es
vorbehalten, die mittelfristig angelegten Aktionspläne
zu verabschieden und damit der Zusammenarbeit in
74 Zum organisatorischen Aufbau der GMS vgl. Economic
and Social Commission for Asia and the Pacific (ESCAP), Trade
and Investment Division (Hg.), Economic Cooperation and Regional Integration in the Greater Mekong Subregion (GMS), 2008 (Staff
Working Paper Nr. 2/2008), S. 1–65 (14–18).
75 Eine Auflistung dieser »Flagship Programs« findet sich
ebd., S. 17.
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Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
Leistungsbilanz
der Mekong-Region entsprechenden Nachdruck und
die nötige Legitimität zu verleihen. Nach dem ersten
Gipfel in Phnom Penh 2002 kam man im Juli 2005 in
Kunming, der Hauptstadt der chinesischen Grenzprovinz Yunnan zusammen. Im März 2008 schließlich
wurde in der laotischen Hauptstadt Vientiane der
derzeit gültige Aktionsplan unterzeichnet, der alle
Arbeitsvorhaben enthält, die in den Jahren 2008–2012
umgesetzt werden sollen. 76 Das nächste Gipfeltreffen
wird im März 2010 in Hanoi stattfinden.
Nach wie vor bildet die Asian Development Bank
das Rückgrat der GMS. Sie fungiert als Sekretariat und
Koordinator des GMS-Programms und stellt für viele
der darauf basierenden Aktivitäten technische Unterstützung und inhaltliche Beratung zur Verfügung.
Nicht zuletzt sehen die Mitgliedsländer der Organisation in der ADB einen »ehrlichen Makler«, der weitere
Geldgeber anwirbt, 77 unterschiedliche Teilnehmer
eines Projekts zusammenbringt und ihnen hilft, Übereinstimmung in grundlegenden Fragen zu erzielen. 78
Bis Ende 2008 hat die GMS für all ihre Projekte
10,3 Milliarden Dollar aufgewendet. 79 Obwohl aus der
Projektliste des Vientiane-Aktionsplans nicht immer
klar hervorgeht, welche Summen bei den einzelnen
Vorhaben bereits ausgegeben wurden und welche
noch umzusetzen sind, lassen sich doch einige deutliche Trends erkennen. Weit über 90 Prozent der Gelder fließen in 34 Investitionsprojekte. Ihnen stehen
146 Projekte auf dem Feld technischer Zusammenarbeit gegenüber, die zusammen weniger als 10 Prozent
der Gesamtmittel beanspruchen. Bei den Investitionen
wiederum ist eine klare Schwerpunktsetzung auszumachen. Fast 70 Prozent aller Kosten entfallen auf die
Sektoren Transport (knapp 50 Prozent) und Energie
(knapp 20 Prozent). 80 Für die Finanzierung aller GMSProjekte kommen zu etwa je einem Drittel die ADB,
die GMS-Mitglieder und weitere Geberländer auf. 81
Bei der Bewertung ihrer bisherigen Tätigkeit verweist
die GMS in Verlautbarungen gerne darauf, dass ihr
»pragmatischer, handlungs- und ergebnisorientierter
Arbeitsansatz« sehr viel greifbarere Erfolge hervorgebracht habe, als dies bei einer »durch Regeln gelenkten Kooperation« der Fall wäre. 82 Für rund 5 Milliarden Dollar wurden neue Verkehrswege – vor allem
Fernstraßen – gebaut, die bislang abgelegenen Gebieten einen Zugang zu regionalen und internationalen
Märkten eröffnet haben. Mit der Errichtung eines
transnationalen Verbundnetzes werden die materiellen Voraussetzungen für einen regionalen Strommarkt geschaffen.
Eine Studie der Economic and Social Commission
for Asia and the Pacific (ESCAP), einer regionalen
Unterorganisation der Vereinten Nationen, führt noch
weitere wirtschaftliche Erfolge der GMS auf. 83 Betrug
das durchschnittliche BIP pro Kopf in den GMS-Ländern (China ausgenommen) 1992 noch 664 Dollar, so
stieg dieser Wert bis zum Jahr 2006 auf 1042 Dollar. 84
Damit lagen die GMS-Länder etwas über der durchschnittlichen Zuwachsrate aller ASEAN-Staaten. Der
Handel zwischen den GMS-Ländern hat sich ebenfalls
relativ schnell entwickelt. Lag sein Anteil am Gesamthandel dieser Länder 2002 noch bei 2 Prozent, so stieg
er bis 2006 auf 5 Prozent 85 – eine Zuwachsrate, die
geringfügig über jener der ASEAN-Länder lag, die
nicht der GMS angehören. Darüber hinaus konnte in
allen GMS-Ländern die Armutsrate 86 im Schnitt um
fast 20 Prozent gesenkt und der Human Development
Index um 40 Prozent gesteigert werden. 87
Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch
wachsende Disparitäten, die in eklatantem Widerspruch zum Ziel einer »integrierten, harmonischen
und blühenden Sub-Region« stehen. Seit Gründung
76 GMS, Vientiane Plan of Action for GMS Development 2008–2012
[wie Fn. 65].
77 Neben Japan, Südkorea und Australien gehören die EUKommission sowie einzelne EU-Mitglieder zu den wichtigsten
Geldgebern.
78 Vgl. ADB, »ADB’s Role in Regional Cooperation«,
<www.adb.org/GMS/Program/adbs-role.asp>.
79 Diese Angabe findet sich in: »Evaluation of ADB’s Assistance to the Energy Sector in the GMS«, in: Background
Documents for the 15th GMS Ministerial Conference (17.–19.6.2009).
80 Angaben in: ADB, Mid-Term Review of the 10-Year GMS
Strategic Framework (2002–2012), S. 34, <www.adb.org/
documents/reports/mid-term-review-gms/default.asp>.
81 Leicht abweichende Angaben hierzu in: Country Report on
China’s Participation in the Greater Mekong Subregion Cooperation,
28.3.2008, <www.fmprc.gov.cn/eng/zxxx/t419062.htm>, sowie
in: Independent Evaluation Department ADB, Learning Curves.
GMS: Maturing and Moving Forward, Manila, Februar 2009.
82 Independent Evaluation Department ADB, Learning Curves
[wie Fn. 81], und ADB, Mid-Term Review of the 10-Year GMS
Strategic Framework (2002–2012) [wie Fn. 80], S. vii.
83 ESCAP (Hg.), Economic Cooperation and Regional Integration
[wie Fn. 74].
84 Ebd., S. 25.
85 Ebd., S. 34.
86 Sie erfasst alle Personen, die weniger als einen Dollar
am Tag zur Verfügung haben.
87 ADB, Mid-Term Review of the 10-Year GMS Strategic Framework
(2002–2012) [wie Fn. 80], S. vii, und ESCAP (Hg.), Economic Cooperation and Regional Integration [wie Fn. 74], S. 29.
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Greater Mekong Subregion (GMS)
Abb. 2
Handel der Volksrepublik China mit den anderen Mekong-Anrainern
(in Mrd. US-Dollar, ohne Thailand)
20
20
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0
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Exporte
2001
Importe
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Handelsbilanz
Quelle: IWF, Direction of Trade Statistics, September 2009
der GMS existieren zwischen Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam auf der einen sowie China und
Thailand auf der anderen Seite Unterschiede im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau. Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass sie sich in absehbarer Zeit verringern
könnten. Vielmehr hat sich beim BIP pro Kopf der Abstand zwischen Thailand – dem ökonomisch fortgeschrittensten GMS-Staat – und den am wenigsten entwickelten Mitgliedsländern von 1600 Dollar im Jahr
1992 auf 2400 Dollar 2006 erhöht. 88 Auch innerhalb
der einzelnen Länder konnte zwar die Zahl der armen
Haushalte deutlich gesenkt werden, aber gleichzeitig
hat sich überall – mit Ausnahme Thailands – die
Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. 89
Auch von der Zunahme des Intra-GMS-Handels
haben die einzelnen Mitgliedsländer in höchst unterschiedlichem Maße profitiert. Mit Anteilen von etwa
41 bzw. 35 Prozent dominieren China und Thailand
den GMS-Handel, während Kambodscha und Laos
nur einen Anteil von jeweils 2 Prozent aufweisen. 90
Obwohl der Umfang des Handels zwischen 2001 und
2006 um ca. 150 Prozent gestiegen ist, haben sich bei
dieser Aufteilung nur marginale Veränderungen ergeben. Allerdings konnten Thailand und China ihre
positive Handelsbilanz gegenüber den anderen GMSLändern beträchtlich ausbauen.
Ohne dass diese Ungleichgewichte benannt oder
gar problematisiert würden, mehren sich doch auch
innerhalb der GMS bzw. bei der ADB als ihrem Hauptsponsor die Stimmen, die eine Reihe von Kurskorrekturen anmahnen. So nahm man etwa den Vorwurf, die
GMS sei hauptsächlich ein Infrastrukturprogramm,
konstruktiv auf. 91 In einer 2007 vorgelegten Bestandsaufnahme des Vientiane-Aktionsplans heißt es, dass
in der ersten Phase der GMS-Arbeit die Errichtung
materieller Strukturen (also der Bau von Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien etc.) notwendigerweise Priorität
gehabt habe. Zukünftig aber komme es darauf an, die
88 ESCAP (Hg.), Economic Cooperation and Regional Integration
[wie Fn. 74], S. 25.
89 Ebd., S. 30f.
90 Ebd., S. 25f.
91 Alfred Oehlers, »A Critique of ADB Policies towards the
Greater Mekong Subregion«, in: Journal of Contemporary Asia,
36 (2006) 4, S. 464–478.
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Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
bisher geschaffene »Hardware« durch adäquate
»Software«-Komponenten zu ergänzen; außerdem
wolle man zunehmend Pflichten und Verantwortung
von der ADB und internationalen Gebern auf die GMSLänder selbst verlagern. 92 Unter »Software« ist dabei
eine Harmonisierung administrativer Verfahren, eine
engere Vernetzung der verschiedenen Arbeitssektoren
sowie eine stärkere Berücksichtigung sozialer und
ökologischer Belange bei der Arbeit der GMS zu verstehen. Ziel ist unter anderem, lokale Verwaltungen
und Interessengruppen wesentlich stärker an den
Projektplanungen und -umsetzungen zu beteiligen.
Gerade das Thema Umweltschutz nimmt in den
Verlautbarungen der GMS und bei ihren Gipfeltreffen
breiten Raum ein. Dafür steht etwa das bereits erwähnte »Core Environment Program«, das 2005 verabschiedet wurde. Als wichtigstes Umweltschutzvorhaben wird im Aktionsplan 2008–2012 die Errichtung
eines »Biodiversity Conservation Corridor« genannt,
der als länderübergreifendes Naturschutzgebiet zur
Erhaltung der Artenvielfalt konzipiert ist. Eine »konsequente Einbeziehung von Umweltbelangen« – wie in
dem Programm von 2005 gefordert – ist jedoch auch
in der im April 2009 vorgelegten Zwischenbilanz des
Aktionsplans 2008–2012 nicht festzustellen. 93
Letztlich würden die vorgeschlagenen Reformen
ja auch eine Abkehr von dem handlungs- und projektbezogenen Ansatz der GMS voraussetzen, der ungeachtet aller für notwendig erachteten Korrekturen
nicht in Frage gestellt wird. Der Aktionsplan 2008–
2012 enthält daher auch kein Programm oder Projekt
eines wie auch immer gearteten »Integrated Water
Resources Management« für den Mekong als gemeinsamer Ressource aller GMS-Länder. In dem Plan ist
lediglich die Errichtung eines Kontrollzentrums vorgesehen, das frühzeitig extreme Hoch- und Niedrigwasserstände des Flusses ankündigen und defensive
Schutzmaßnahmen ausarbeiten soll. 94 An diesem
Projekt beteiligen sich allerdings nur die UnterlaufAnrainer Laos, Kambodscha und Vietnam.
92 ADB, Mid-Term Review of the 10-Year GMS Strategic Framework
(2002–2012) [wie Fn. 80], S. 38.
93 Status Report on the »Vientiane Plan of Action for GMS
Development, 2008–2012« vom 30.4.2009, S. 55.
94 Nach dem Status Report on the »Vientiane Plan of Action
for GMS Development, 2008–2012« vom 30.4.2009, S. 55,
wurde im April 2008 einer dieses Projekt vorbereitenden
technischen Unterstützung zugestimmt.
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Mekong River Commission (MRC)
Drei Jahre nach Gründung der »Greater Mekong Subregion« haben die unteren Flussanrainer Thailand,
Laos, Kambodscha und Vietnam am 5. April 1995 das
»Agreement on the Cooperation for the Sustainable
Development of the Mekong River Basin« abgeschlossen und damit die »Mekong River Commission« ins
Leben gerufen. 95 Die MRC hat indes eine sehr viel längere Vorgeschichte, die bereits etliche Charakteristika
und Konflikte aufweist, die bis zum heutigen Tag die
Arbeit der Organisation prägen und beeinträchtigen.
Der lange Weg zur MRC-Gründung
Bereits 1954 – nach Unterzeichnung der Genfer Vereinbarungen über die Beendigung der militärischen
Auseinandersetzungen in Indochina – waren auf
internationaler wie regionaler Ebene intensive
Diskussionen über eine gemeinschaftliche Nutzung
der Ressourcen des Mekong in Gang gekommen.
Dieser Debatte lagen entwicklungstechnische wie
politische Motive zugrunde. Zum einen wurden –
in Ost wie West – bis in die siebziger Jahre hinein
gigantische Staudämme, die ebenso zur Stromerzeugung wie zur Bewässerung genutzt werden sollten,
als wesentliche Motoren einer nachholenden Entwicklung betrachtet. Unter diesem Aspekt war der
Mekong neben dem Amazonas der einzige große
Strom, dessen reiches Wasserkraftpotential bislang
nahezu ungenutzt geblieben war.
Andererseits verstand man eine solche Zusammenarbeit der westlich orientierten Länder Indochinas
auch als Chance, durch Schaffung von Frieden, Wohlstand und politischer Stabilität ein weiteres Vordringen des Kommunismus in Südostasien zu verhindern. 96 Im September 1957 wurde unter Federführung
der »United Nations Economic and Social Commission
for Asia and the Far East« 97 (ECAFE) das »Committee
for Coordination of Investigations of the Lower
Mekong Basin« – bekannt unter der Bezeichnung
95 Text des Abkommens: MRC, »Agreement on the Cooperation for the Sustainable Development of the Mekong River
Basin«, <www.mrcmekong.org/agreement_95/agreement_
95.htm>.
96 Vgl. Jörn Dosch, The Changing Dynamics of Southeast Asian
Politics, London 2007, S. 117ff.
97 1974 wurde diese UN-Unterorganisation in »Economic
and Social Commission for Asia and the Pacific« (ESCAP)
umbenannt.
Mekong River Commission (MRC)
»Mekong Committee« (MC) – gebildet. Die vier
Gründungsmitglieder Thailand, Laos, Kambodscha
und die damalige Republik (Süd-) Vietnam vereinbarten gemeinsame »Statuten«, die allerdings keine
völkerrechtlich bindenden Regelungen zur Ratifikation enthielten und von den Repräsentanten der vier
Staaten auch nicht formell unterzeichnet wurden. 98
Die Mittel für die Arbeit des Komitees stellten
größtenteils die USA, Japan und Frankreich zur
Verfügung.
Nach einer Reihe von Vorstudien über das Potential
des Mekong und dessen Nutzungsmöglichkeiten verabschiedete man 1970 einen »Indicative Basin Plan«,
der 17 Großprojekte am Hauptstrom und 87 kleinere
Projekte an den Nebenflüssen vorsah, die der Bewässerung und Stromerzeugung dienen sollten. 99 Allerdings waren die aufgelisteten Vorhaben nicht als Teil
eines integrierten und abgestimmten Plans zu
verstehen, sondern eher als Projektvorschläge für
potentielle Geber. Verwirklicht wurden indes nur
einige wenige kleinere Projekte auf nationaler Ebene –
die meisten davon in Thailand, das von den eskalierenden militärischen Auseinandersetzungen in seinen
Nachbarländern weitgehend verschont blieb. 100 Der
1971 in Laos fertiggestellte Nam-Ngum-Damm sollte
das einzige Wasserkraftwerk bleiben, das außerhalb
Thailands unter der Ägide des »Mekong Committee« errichtet wurde.
Obwohl die Ausweitung des Vietnamkrieges auf
die Nachbarländer Laos und Kambodscha jede weitere
Projektarbeit illusorisch machte, einigten sich die vier
Mitglieder des MC im Januar 1975 auf eine »Joint
Declaration of Principles for Utilization of the Waters
of the Lower Mekong Basin«. 101 Darin wurde das Wasser des Hauptstroms und seiner »großen Nebenflüsse«
als »Ressource gemeinsamen Interesses« anerkannt,
die keiner der Anrainer ohne Zustimmung der anderen in Anspruch nehmen könne. 102 Einige Monate
später allerdings existierten drei der vier Regierungen,
98 Vgl. Dirk Beusch, Das »Mekong-Projekt« der Vereinten Nationen.
Möglichkeiten und Problematik internationaler Entwicklungszusammenarbeit in Südostasien, Münster 1995, S. 20.
99 Ebd., S. 28.
100 Im Verlauf der sechziger Jahre weitete sich der Vietnamkrieg immer stärker auf die Nachbarländer Laos und Kambodscha aus, da der sogenannte Ho-Chi-Minh-Pfad, über den
die kommunistischen Verbände im Süden Vietnams versorgt
wurden, teilweise durch das Territorium der beiden Staaten
führte.
101 Text der Erklärung in Beusch, Das »Mekong-Projekt« der
Vereinten Nationen [wie Fn. 98], S. 99ff.
102 Artikel 10, 17 und 21.
die diese Erklärung unterzeichnet hatten, nicht mehr.
Der Verdacht liegt nahe, dass man sich nur deshalb
auf einen so weitgehenden Verzicht nationaler Souveränität hatte einigen können, weil für die Beteiligten
bereits bei der Unterschriftsleistung abzusehen war,
dass sie wohl nicht mehr in die Lage kommen würden,
die Deklaration in die Tat umsetzen zu müssen.
Durch die Machtübernahme der Roten Khmer in
Kambodscha (April 1975), die Eingliederung Südvietnams in den Staatsverband des Nordens (1975/76) 103
und die Etablierung einer sozialistischen Regierung in
Vientiane (Dezember 1975) ergaben sich im Unteren
Mekong-Becken völlig neue Machtverhältnisse. Zwar
verabschiedeten Thailand, Laos und Vietnam Anfang
1978 eine weitere Gemeinsame Erklärung, in der die
Gründung eines »Interim-Komitees« bekanntgegeben
wurde; doch angesichts des fortdauernden Krieges
in Kambodscha blieb dieses Gremium praktisch funktionslos.
Erst die Unterzeichnung des internationalen Kambodscha-Abkommens im Oktober 1991 schuf neue
Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Landes in das Mekong-Komitee. Phnom Penh bemühte
sich nun intensiv um diesen Schritt, stieß damit aber
auf den hartnäckigen Widerstand Thailands. Denn
Bangkok musste davon ausgehen, dass mit der Wiederaufnahme Kambodschas auch die in der Gemeinsamen Erklärung von Januar 1975 niedergelegten Prinzipien wieder in Kraft treten würden.
Während der achtziger Jahre hatte die thailändische Regierung den Plan vorangetrieben, große Gebiete im Nordosten des Landes mit Wasser aus dem
Mekong zu versorgen. Dieses Projekt drohte durch
das Veto der anderen Mekong-Komitee-Staaten zu
Fall gebracht werden, sollte die Deklaration von 1975
wieder Gültigkeit erlangen. Darüber hinaus fürchtete
Thailand, eine erneute Mitgliedschaft Kambodschas
würde den Unterlauf-Ländern und nicht zuletzt
seinem Rivalen Vietnam einen beträchtlichen Machtzuwachs einbringen. 104 Um das eigene Gewicht zu
erhöhen, bemühte sich Bangkok nachdrücklich,
zusammen mit China und Myanmar eine Koalition
der Oberlauf-Länder zustande zu bringen. Diese
Strategie war letztlich zwar nicht erfolgreich, doch
immerhin gelang es im November 1992, die GMS zu
103 Die formelle Eingliederung erfolgte erst im Juli 1976.
Aber schon im November 1975 waren auf einer »Wiedervereinigungs-Konferenz« die entscheidenden Weichenstellungen dafür vorgenommen worden.
104 Vgl. Goh, »The Hydropolitics of the Mekong River Basin«
[wie Fn. 33], S. 478.
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Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
konstituieren und damit ein Forum zu schaffen, in
dem Thailands Position durch andere Länder am Oberlauf gestärkt wurde.
Nur durch das beharrliche Engagement eines unabhängigen Vermittlers, in diesem Fall der UNDP,
war es möglich, die vier Mitglieder des alten MekongKomitees zu einer erneuten Kooperation zu bewegen.
Dafür musste zunächst eine neue Geschäftsgrundlage
geschaffen werden. Nach einem mehr als zwei Jahre
andauernden Verhandlungsprozess einigte man sich
schließlich auf einen Grundlagenvertrag, der am
5. April 1995 in der thailändischen Stadt Chiang Rai
unterzeichnet wurde.
Der MRC-Grundlagenvertrag:
Prinzipien und Organisationsstruktur
Bereits die offizielle Bezeichnung des Abkommens –
»Agreement on the Cooperation for the Sustainable
Development of the Mekong River Basin« – weist auf
einige wichtige Zielsetzungen der neuen Organisation
hin. Primär geht es um eine »nachhaltige Entwicklung«, die den Schutz der Umwelt und des ökologischen Gleichgewichts gewährleistet; in Artikel 3 wird
diese Maxime kodifiziert. Die Entwicklung, Bewahrung und gerechte Verteilung der Mekong-Ressourcen
stehen im Mittelpunkt des Abkommens; der Mekong
dient also nicht nur zur Bezeichnung der Region, die
er durchfließt. Daraus ergibt sich ein umfassender Ansatz, der das gesamte Flussbecken und die dort miteinander verwobenen Herausforderungen mit einbezieht.
Diese hehren Zielsetzungen werden im weiteren
Text des Abkommens jedoch oftmals nur unzureichend präzisiert und nicht in klare Regelungen und
Verpflichtungen gefasst. So wird der MRC in Artikel 11
der Status einer internationalen Organisation sowie
das Recht zuerkannt, Verträge und Abkommen mit
Geberländern oder anderen internationalen Partnern
abzuschließen. Damit ist jedoch kein Transfer nationaler Souveränität auf eine supranationale Institution
verbunden, denn in Artikel 4 wird klar konstatiert,
dass die Mitgliedsländer nur auf Basis »souveräner
Gleichheit« und »territorialer Integrität« zusammenarbeiten werden. 105
105 Für den »Strategischen Plan 2006–2010« der Organisation hat man sich auf die Formulierung verständigt: »Die
MRC ist ein zwischenstaatliches Gremium, das den Interessen
der Mitgliedstaaten zu dienen hat«, MRC (Hg.), Strategic Plan
2006–2010 [wie Fn. 10], S. 5.
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Im Fall von Meinungsverschiedenheiten oder Konflikten zwischen den Vertragsparteien soll die MRC
zunächst »alle Anstrengungen unternehmen«, um
eine Beilegung der Differenzen zu erreichen (Artikel 34). Gelingt ihr das nicht in »angemessener Zeit«
(»timely«), sind die Regierungen der Vertragsparteien
aufgerufen, sich mit dem Konflikt zu befassen und auf
diplomatischem Wege eine Lösung herbeizuführen.
Falls sie hierbei die Vermittlung der MRC für hilfreich
erachten, so kann diese eingeschaltet werden; Voraussetzung dafür ist allerdings das Einverständnis aller
betroffenen Regierungen.
Die Nutzung der Mekong-Ressourcen, die laut der
Gemeinsamen Erklärung von 1975 an die Zustimmung sämtlicher Komitee-Mitglieder gebunden war,
bedarf jetzt nach Artikel 5 nur noch der Unterrichtung bzw. eines vorhergehenden Konsultationsprozesses »mit dem Ziel, eine Übereinkunft durch
das Joint Committee zu erreichen«. Während zuvor
die Verpflichtung bestand, detaillierte Untersuchungen über die Auswirkungen eines Projekts auf die
Interessen der unteren Anrainer vorzulegen, sollen
jetzt bei allen Bauvorhaben nur noch die Speicherfunktion des Tonle Sap sowie »Mindestwasserstände«
gewährleistet werden (Artikel 6). Wie der letztere
Begriff und die weiteren Bestimmungen genau zu
definieren sind, blieb – gemäß Artikel 26 – einer
künftigen Ausarbeitung durch die MRC überlassen.
Außerdem legte man in Artikel 36 fest, dass dieses
Abkommen nicht auf bereits begonnene oder gar
fertiggestellte Projekte angewandt werden könne
und dass alle Erklärungen und Abkommen des alten
MC aufgehoben seien.
Im Unterschied zur GMS, die über keine kodifizierte Organisationsstruktur verfügt, ist das »Institutional
Framework« bei der MRC genau geregelt; mehr als die
Hälfte der Artikel des MRC-Abkommens befassen sich
damit (Artikel 11–33). Der hierarchische Aufbau sieht
als oberstes Gremium einen »Council« vor, in den jede
Vertragspartei einen Vertreter im Ministerrang entsendet. Der Council tagt in der Regel einmal pro Jahr,
fasst seine Beschlüsse einstimmig und überträgt die
Umsetzung der von ihm gefällten Grundsatzentscheidungen einem »Joint Committee«. Dieses setzt sich aus
Spitzenbeamten der Mitgliedsländer zusammen und
hält pro Jahr zwei reguläre Sitzungen ab. Zuständig
für die konkrete Ausführung der Beschlüsse ist das –
derzeit in Vientiane ansässige – »Sekretariat« mit etwa
120 Mitarbeitern. Es wird von einem Chief Executive
Officer (CEO) geleitet, der vom Council ernannt wird
(dabei muss er nicht notwendigerweise die Staats-
Mekong River Commission (MRC)
bürgerschaft eines Mitgliedslandes besitzen). 106 Auf
Landesebene gibt es jeweils ein »National Mekong
Committee«, das als Verbindungsglied zwischen dem
MRC-Sekretariat und den nationalen Ministerien und
Verwaltungsstellen dient.
Arbeitsschwerpunkte und finanzieller Rahmen
Der Vorläufer des MRC, das Mekong Committee, orientierte sich in den fünfziger und sechziger Jahren an
dem damals vorherrschenden Entwicklungsdogma,
das die Energiegewinnung durch Wasserkraft als eine
zentrale Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt
ansah. Deshalb befasste man sich seinerzeit vor allem
damit, geeignete Staustufen ausfindig zu machen und
an den entsprechenden Stellen – soweit dies nicht
durch den Krieg verhindert wurde – Kraftwerke zu
errichten. Die MRC dagegen propagiert bereits im Titel
ihres Gründungsdokuments das Konzept einer »nachhaltigen Entwicklung«, die sich nicht allein an aktuellen Gewinnraten, sondern auch an langfristigen
Wachstumsperspektiven orientiert.
Das Abkommen selbst wird diesen hohen Ansprüchen jedoch nur bedingt gerecht. So weisen Kritiker
wie Chris Sneddon und Coleen Fox darauf hin, dass
sich das Papier vor allem mit dem Hauptstrom und
der gerechten Verteilung seiner Wassermassen beschäftige (letztere soll durch festgelegte Verfahren
von »Unterrichtungen« und »vorausgehenden Konsultationen« gewährleistet werden). 107 Damit definiere
man den Mekong allein als Wasserlauf, während die
vielfältigen ökologischen und sozialen Verknüpfungen zwischen dem Fluss und seinem größeren Einzugsgebiet vernachlässigt würden. Der Fischreichtum
des Mekong etwa, Lebensgrundlage für Millionen Menschen und damit auch Ursache schwerer Verteilungskonflikte, wird in dem Abkommen gar nicht erwähnt.
In den nunmehr 15 Jahren ihres Bestehens hat die
MRC allerdings einen wesentlich umfassenderen Programmansatz entwickelt. Als Orientierung dient das
Konzept des »Integrated Water Resources Management«
bzw. des »Integrated River Basin Management«. 108 Mit
106 Die bisherigen CEOs kamen alle nicht aus den Mitgliedsländern der MRC.
107 Sneddon/Fox, »Rethinking Transboundary Waters«
[wie Fn. 7], S. 188ff.
108 Vgl. World Bank (Hg.), Integrated River Basin Management.
From Concepts to Good Practice, Washington, D.C., 2006 (Case
Study 2, Nr. 41166), <www.worldbank.org/wbi/water>, und
MRC (Hg.), Strategic Plan 2006–2010 [wie Fn. 10], S. 20–29.
seiner Hilfe soll ein ausgewogener und nachhaltiger
Entwicklungsprozess in Gang gesetzt werden, der
durch eine effektive Nutzung der Wasserressourcen
Armut verringert und zugleich die Umwelt schützt.
Den Interessen der vom Mekong-System lebenden
Bevölkerung und ihrer aktiven Beteiligung an den
jeweiligen Entwicklungsvorhaben kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Herzstück dieser Strategie ist die Ausarbeitung
eines Entwicklungsplans für das Mekong-Becken, in
dem die sieben Arbeitsbereiche Flutkontrolle, DürreBekämpfung, Land- und Forstwirtschaft/Bewässerung,
Schifffahrt, Wasserkraft, Fischerei und Tourismus verknüpft werden mit den vier Aufgabenfeldern Umwelt,
Informations- und Wissensmanagement, Aus- und
Weiterbildung sowie Wassernutzung. Letztere haben
dabei Querschnittsfunktion und sollen in jedem der
sieben Arbeitsbereiche zum Tragen kommen (siehe
Graphik S. 32).
Um diesem ehrgeizigen Ziel näherzukommen, hat
die MRC zunächst einen immensen Satz an Daten
über die Vielzahl ökologischer, wirtschaftlicher und
sozialer Faktoren erhoben, die bestimmend für die
Mekong-Region sind. Diese Datenbank wird laufend
ergänzt, und man hat auch China dazu bewegen
können, der MRC entsprechende Meldungen über
den Wasserstand am Oberlauf des Flusses zu übermitteln. 109 Mit Hilfe des Datenmaterials wurde eine
Reihe von Studien und Modellberechnungen erstellt,
die sich mit erwarteten Entwicklungsszenarien und
den Auswirkungen verschiedener Nutzungsformen
des Mekong befassen.
Schulung und Ausbildung stellen eine weitere
Querschnittsaufgabe dar. Effektivere Formen der
Wassernutzung und verbesserte, ökologisch verträglichere Methoden des Fischfangs, der Fischzucht
und der Landwirtschaft werden in leicht verständlichen Publikationen erläutert und Multiplikatoren
in Trainingsprogrammen vermittelt. Dazu gehört
auch, Kooperationsstrategien aufzuzeigen, die den
technischen Neuerungen einen höheren Wirkungsgrad verleihen. Um diese Zusammenarbeit auf lokaler,
regionaler und transnationaler Ebene voranzutreiben
109 Bis 2007 hatte China nur Wasserstandsmeldungen
während der Flutperiode geliefert. Seither erfolgen die
Wasserstandsmeldungen im 24-Stunden-Takt und Regenfallmeldungen im 12-Stunden-Takt. Im Gegenzug bekommt
China Wasserstandsmeldungen der MRC vom Mittel- und
Unterlauf. Geoffrey Gunn / Brian McCartan, »Chinese Dams
and the Great Mekong Floods of 2008«, in: The Asia Pacific
E-journal: Japan Focus Newsletter, (1.9.2008) 35.
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Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
Abb. 3
Arbeitsbereiche und
Aufgabenfelder der MRC
Regionales Programm zur Unterstützung des
»Managements Internationaler Wasserressourcen«
Regionale Zusammenarbeit für die nachhaltige
Entwicklung der Wasserressourcen im Mekong-Becken
Integrierte Ausund Weiterbildung
Wassernutzung
und zu verstetigen, sucht man auch standardisierte
Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung und Konsultation zu entwickeln. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass notwendige Kompromisse nicht
schon an Kommunikationsproblemen scheitern. Darüber hinaus betreibt die MRC Einrichtungen wie das
Regionale Flutkontrollzentrum in Phnom Penh, das
auf Basis kontinuierlicher Beobachtungen frühzeitige
Hochwasserwarnungen ausgeben und Unterstützung
bei entsprechenden Notfallmaßnahmen leisten kann.
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Tourismus
Fischerei
Wasserkraft
Schifffahrt
Dürre-Management
Informations- und
Wissensmanagement
Flutkontrolle und -eindämmung
Umwelt
Landwirtschaft, Bewässerung und Forstwirtschaft
Entwicklungsplanung im Mekong-Becken
Vor allem unter dem Programmschwerpunkt Schifffahrt wurden auch schon einige Infrastrukturmaßnahmen (Errichtung von Uferbefestigungen, Signalanlagen, Behelfsbrücken etc.) durchgeführt; allerdings
hatten diese Projekte sehr viel bescheideneren Umfang als jene der GMS.
Die Finanzierung der MRC wird in Artikel 14 des
Gründungsabkommens sehr offen gehalten. Das Joint
Committee hat die Aufgabe, einen Haushaltsentwurf
vorzulegen, der vom Council gebilligt werden muss.
Mekong River Commission (MRC)
Die notwendigen Mittel dafür sollen von den Mitgliedstaaten, den Geberländern und »anderen Quellen«
aufgebracht werden. Zieht man die von der MRC für
die Jahre 2003–2008 vorgelegten Zahlen heran, so fällt
zweierlei auf: zum einen das bescheidene finanzielle
Gesamtvolumen, zum anderen das unausgewogene
Verhältnis zwischen den Beiträgen der Gebergemeinschaft und jenen der MRC-Mitglieder. 110 Insgesamt
wandte die MRC während der sechs Jahre knapp
90,3 Millionen Dollar für ihre Arbeit auf – durchschnittlich also gerade einmal 15 Millionen Dollar
pro Jahr. Die GMS hingegen gab im selben Zeitraum
jährlich etwa eine Milliarde Dollar aus. Und zu den
90,3 Millionen Dollar steuerten die MRC-Mitglieder
weniger als 6,8 Millionen Dollar bei – knapp 7,5 Prozent. Die übrigen 92,5 Prozent bzw. 83,5 Millionen
Dollar stammten aus Mitteln der Gebergemeinschaft.
Von den 10 Milliarden Dollar, die die GMS während
der vergangenen Dekade ausgegeben hat, kam immerhin ein Drittel von den Mitgliedsländern.
Leistungsbilanz
Die Stärke der MRC liegt zweifellos auf konzeptioneller Ebene bzw. in ihrem Bemühen, den Wechselwirkungen zwischen ökonomischen, sozialen und
ökologischen Faktoren Rechnung zu tragen und diese
in Entwicklungsstrategien zu integrieren. Sie hat
nicht nur einen immensen Satz an Daten gesammelt,
sondern auch klare Regeln für die Erhebung und Evaluierung von Informationen entwickelt, die deren Vergleichbarkeit ermöglichen. Gestützt auf den Datensatz
wurde ein Bericht über den derzeitigen Zustand des
Mekong-Beckens verfasst, der Quantität und Qualität
der natürlichen und sozialen Ressourcen erfasst und
laufend aktualisiert werden soll. 111 Auf dieser Basis
will man besonders dringliche und erfolgversprechende
Projekte identifizieren und Konzepte dazu entwickeln.
In einem mitunter mühsamen Prozess konnten die
Mitgliedsländer dazu bewegt werden, sich auf Modellberechnungen zu einigen, die es ermöglichen, die
hydrologischen wie sozio-ökonomischen Auswirkungen neuer Strategien zu simulieren und auszuwerten.
110 Angaben für die Jahre vor 2003 waren dem Autor nicht
zugänglich. Daten für die Jahre nach 2003 finden sich
unter MRC, »Financial Reporting«, <www.mrcmekong.org/
financial_reporting/>.
111 Diese Information bezieht sich auf World Bank (Hg.),
Integrated River Basin Management [wie Fn. 108], S. 5; leider
war dem Autor keine Kopie dieses Berichts zugänglich.
Leider ist es der MRC bis heute nicht gelungen,
einige grundlegende Schwächen zu überwinden, an
denen schon ihre Vorgängerorganisationen krankten.
Die Volksrepublik China – der einflussreichste
Mekong-Anrainer, dessen Machtpotential durch die
Lage am Oberlauf noch verstärkt wird – ist nicht
Mitglied der MRC, ebenso wenig wie Myanmar, das
indes eine ungleich geringere Bedeutung für die
Mekong-Region hat. Beide Länder verfügen zwar über
Beobachterstatus in der Organisation, nehmen an
wichtigen Treffen teil und haben daher genaue Kenntnis über interne Debatten und Kräfteverhältnisse. Sie
sind allerdings in keiner Weise an getroffene Vereinbarungen und Empfehlungen gebunden.
Doch auch die vier Mitgliedsländer erkennen die
MRC nur bedingt als eine Organisation an, die ihre
Interessen vertritt, sie bündelt und ihnen größeren
Nachdruck verleiht. Das geringe finanzielle Engagement dieser Staaten ist nicht zuletzt Ausdruck eines
distanzierten Verhältnisses zur inhaltlichen Arbeit der
MRC. Man verweist zwar gern auf deren Aktivitäten,
wenn es darum geht, ökologisches Engagement und
Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung der
Region unter Beweis zu stellen. Doch zugleich wendet
man sich mit zähem Widerstand gegen alle Bemühungen, den nationalen Zugriff auf die Ressourcen des Mekong einzuschränken bzw. supranationalen Vorgaben
zu unterwerfen. So ist es noch immer nicht gelungen,
eine einvernehmliche Regelung zur Aufteilung des
Wassers zwischen den Mitgliedsländern zu erreichen. 112
In der Außen- und Sicherheitspolitik verfolgen die
MRC-Staaten eine Strategie des Power Balancing. Sie
sind einerseits bestrebt, die wachsende Wirtschaftskraft Chinas wie auch dessen Hilfsangebote zu nutzen.
Andererseits aber will man den zunehmenden chinesischen Einfluss durch intensive Beziehungen zu Japan,
Indien, den USA, Australien und nicht zuletzt der EU
sowie einigen ihrer Mitgliedsaaten in Grenzen halten
und durch verschiedene regionale Wirtschaftskooperationen 113 ausgleichen. Den Aufbau regionaler
Regime, denen nationale Souveränitätsrechte übertragen werden müssten, betrachtet man dagegen
eher als Einschränkung des eigenen außenpolitischen
Handlungsspielraums. 114 Der MRC wird deshalb
häufig vorgeworfen, sie sehe ihre Aufgabe vor allem
112 Vgl. World Bank (Hg.), Integrated River Basin Management
[wie Fn. 108], S. 5.
113 Vgl. Anhang (S. 38).
114 World Bank/Asian Development Bank (Hg.), Joint Working
Paper on Future Directions for Water Resources Management in the
Mekong River Basin, Washington, D.C., Juni 2006, S. 5.
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Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
darin, Regeln zu setzen – anstatt Hilfe zur Bewältigung konkreter Probleme zu leisten und bei Konflikten zwischen einzelnen Mitgliedern zu vermitteln. 115
Unter »nationaler Souveränität« verstehen die
Regierungen der MRC aber auch die uneingeschränkte
Ausübung von Regierungsgewalt gegenüber der eigenen Bevölkerung. In den jeweiligen Hauptstädten wird
es daher meist abgelehnt, die staatliche Herrschaft
und die dazu notwendigen Ressourcen mit dezentralen, untergeordneten Verwaltungsebenen oder gar
lokalen Interessen- und Selbsthilfegruppen, NGOs etc.
zu teilen 116 – obwohl solche Akteure bei einer Reihe
von MRC-Projekten wichtige Komponenten bilden und
die Organisation sich in jüngster Zeit verstärkt darum
bemüht, Dialoge und Konsultationen mit den NGOs
zu initiieren. 117 Zwar hat sich in Thailand eine sehr
durchsetzungsfähige NGO-Bewegung entwickelt, aber
dass sie aktiv und kreativ an MRC-Projekten partizipiert, ist alles andere als selbstverständlich. In der
ASEAN etwa hat sich ein »ASEAN Peoples’ Forum«
(APF) etabliert, bei dem parallel zu den Gipfeltreffen
der Organisation die verschiedensten NGOs der Mitgliedstaaten zusammenkommen, um den Bewegungen an der Basis zumindest Gehör zu verschaffen. 118
Ein vergleichbares Forum der Mekong-Länder gibt es
hingegen nicht, 119 obwohl in offiziellen Erklärungen
gern die Rede von einem »Mekong Spirit« ist, dem die
Region eine immer stärkere gemeinsame Identität
verdanke. 120
115 Dieser Vorwurf wurde schon früh von thailändischer
Seite erhoben. Vgl. Beusch, Das »Mekong-Projekt« der Vereinten
Nationen [wie Fn. 98], S. 41. Vgl. auch World Bank/ADB (Hg.),
Joint Working Paper on Future Directions for Water Resources
Management [wie Fn. 114], S. 6.
116 Vgl. Backer, »Die Mekong River Commission« [wie Fn. 29],
S. 40.
117 Unter anderem hat die MRC allen zivilgesellschaftlichen
Gruppierungen die Möglichkeit eingeräumt, auf ihrer Website Vorschläge und Eingaben zu veröffentlichen.
118 Eine kritische Würdigung der Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen in der ASEAN findet sich bei: Alan
Collins, »A People-Oriented ASEAN: A Door Ajar or Closed
for Civil Society Organizations?«, in: Contemporary Southeast
Asia, 30 (2008) 2, S. 313–331.
119 Eine Reihe von NGOs fordert nachdrücklich die Gründung
eines »Mekong People’s Council«. Vgl. Philip Hirsch, »Water
Governance Reform and Catchment Management in the
Mekong Region«, in: The Journal of Environment & Development,
2006, <http://jed.sagepub.com/cgi/content/abstract/ 15/2/184>.
120 Vgl. Oliver Hensengerth, Money and Security: China’s
Strategic Interests in the Mekong River Basin, London, Juni 2009
(Chatham House Briefing Paper), S. 3.
SWP Berlin
Der Mekong
März 2010
34
Evaluation der bisherigen Arbeit von GMS und MRC
Fazit und Empfehlungen
Auf der ganzen Welt
gibt es nichts Weicheres und Schwächeres
als das Wasser …
Dass Schwaches das Starke besiegt
und Weiches das Harte besiegt,
weiß jedermann auf Erden,
aber niemand vermag danach zu handeln.
Laozi, Dao De Jing, Kap. 78
Wie andere große, grenzüberschreitende Flusssysteme
birgt auch der Mekong einerseits erhebliche Konfliktpotentiale, andererseits vielfältige Möglichkeiten
der Kooperation. Sicherheitspolitische Stabilität und
hohe Kooperationsgewinne setzen aber eine intensive
regionale Zusammenarbeit voraus – und damit auch
regionale Institutionen, die bestimmte GovernanceAufgaben übernehmen. Solche Institutionen können
nur dann entstehen und effektiv arbeiten, wenn die
beteiligten Staaten bereit sind, ihnen nationale Souveränitätsrechte abzutreten. Zudem müssen sich die
Flussanrainer auf gemeinsame Normen und Verfahren
verständigen, die ein nachhaltiges, ausgewogenes Wirtschaftswachstum in der gesamten Region ermöglichen.
Trotz des propagierten Ziels einer »integrierten,
harmonischen und blühenden Sub-Region« ist bei den
Regierungen der Mekong-Länder bisher nur wenig
Bereitschaft zu erkennen, zugunsten einer regionalen
Sicherheitsarchitektur auf nationale Souveränitätsrechte zu verzichten. Ebenso wenig sind sie gewillt,
sich Vorgaben zu unterwerfen, die den ungehinderten Zugriff auf die natürlichen Ressourcen ihrer Länder einschränken würden, sieht man doch in einer
raschen Steigerung der wirtschaftlichen Wachstumsraten die entscheidende Voraussetzung für politische
Stabilität und Legitimation.
Die GMS findet bei den Entscheidungsträgern in
der Mekong-Region großen Zuspruch, weil sie ökonomisches Wachstum verspricht und keine Abstriche
bei den nationalen Souveränitätsrechten einfordert.
Dass sie vorhandene Ungleichgewichte und Abhängigkeiten verstärkt und keine befriedigende Antwort auf
die ökologischen Herausforderungen des Flusses und
seines Einzugsgebietes hat, wird dabei in Kauf genommen oder zumindest als zweitrangig erachtet.
Die MRC wiederum thematisiert recht klar die Konflikte um die Ressourcen des Mekong. Sie ist bemüht,
die verschiedenen Interessengruppen in Planung und
Ausgestaltung neuer Entwicklungsprojekte einzubinden, um so einen für alle Anrainer tragbaren Ver-
teilungsmodus zu erarbeiten. Dafür aber findet sie
keine wirkliche Unterstützung bei ihren Mitgliedern,
während China und Myanmar schlicht den Beitritt
verweigern. Finanziell zu mehr als 90 Prozent von
internationalen Gebern abhängig, ist die MRC für die
Mitgliedstaaten zu einer Alibi-Organisation geworden,
auf deren Tätigkeit man verweisen kann, sobald der
Vorwurf laut wird, man kümmere sich zu wenig
um elementare Herausforderungen der künftigen
Entwicklung.
Die beiden Organisationen sind also entweder
nicht willens oder nicht in der Lage, jene kooperativen
Beziehungen herzustellen, die unerlässlich sind, um
der gesamten Region eine realistische wirtschaftliche
Perspektive zu verschaffen, einen fairen Interessenausgleich zwischen den Flussanrainern zu gewährleisten und Konflikte mit friedlichen Mitteln beizulegen.
Die europäische und deutsche Politik sieht in den
Organisationen jedoch ein wichtiges Instrument, um
zentrale Ziele der Entwicklungspolitik umzusetzen
und die regionale Zusammenarbeit zu fördern. Beide
erhalten daher auch Unterstützung – die GMS über
die Asian Development Bank, die MRC auf direktem
Wege von der EU bzw. einzelnen Mitgliedstaaten,
darunter nicht zuletzt der Bundesrepublik. Dieses
Engagement könnte von der europäischen und deutschen Politik zielführender gestaltet werden. Im
Folgenden wird dargestellt, welche Aufgabenfelder
und Handlungsstrategien sich dafür abzeichnen.
Evaluation der bisherigen Arbeit
von GMS und MRC
Bevor die Europäer ihre Kooperation mit der GMS und
der MRC fortsetzen, sollten sie die bisherige Arbeit
beider Organisationen sorgfältig analysieren. Die vorliegende Studie kann dazu Problemfelder aufzeigen
und einige Hinweise geben, doch sie kann die eigentliche Evaluation nicht ersetzen. Diese müsste detail-
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Der Mekong
März 2010
35
Fazit und Empfehlungen
liert auf Besonderheiten und quantitative Dimensionen der einzelnen Projekte eingehen, deren mittelund langfristige Effekte untersuchen und die jeweiligen Wechselwirkungen berücksichtigen.
In einem zweiten Schritt wäre zu klären, welche
Impulse und Beiträge zu Integration und nachhaltiger
Entwicklung der Mekong-Region von den beiden
Organisationen zu erwarten sind. Dabei müsste man
ermitteln, worauf das mangelhafte Engagement der
Mitgliedsländer in der MRC zurückzuführen ist und
warum die GMS zugleich eine ungebrochene Anziehungskraft auf die Regierungen der Mekong-Anrainer
ausübt. In diesem Zusammenhang sollte zur Kenntnis genommen werden, dass sich auch in der GMS –
ebenso wie bei ihrem Hauptsponsor, der ADB – die
Stimmen mehren, die einen rein marktliberalen
Ansatz kritisieren und daher für programmatische
Änderungen plädieren. 121 Die hier angeregte Evaluation hätte deshalb mit zu prüfen, inwiefern sich solche Positionen in konkreten Projekten niederschlagen
und welche Mittel dafür bereitgestellt werden – das
heißt, ob ihre Vertreter überhaupt in der Lage sind,
Kurskorrekturen in der GMS durchzusetzen oder ob
sie eine eher marginale Rolle spielen.
Harmonisierung der Geberstrategien
Zu einer solchen Neubewertung gehört nicht zuletzt,
die eigene Position zu klären und eine stringente
Politik gegenüber GMS und MRC zu formulieren. Die
Logik der GMS beruht bislang auf einem rein marktwirtschaftlichen Ansatz, von dem man sich Wohlstand
und eine harmonische Integration der gesamten
Region verspricht. Die MRC dagegen folgt der Vorstellung, dass regionale Kooperation durch ein gemeinsam vereinbartes Konzept vorangetrieben werden
kann, welches ökonomische, ökologische und soziale
Interessen gleichermaßen berücksichtigt. Beide Konzeptionen sind schwerlich miteinander zu vereinbaren. Die GMS verfügt jedoch über einen erheblichen
Handlungsvorteil, da ihre Projekte keinem größeren
Koordinierungs- und Abstimmungsprozess unterliegen und sie so die normative Kraft des Faktischen
auf ihrer Seite hat. Wenn durch ein bestimmtes Gebiet
eine Fernstraße – ein »ökonomischer Korridor« – gebaut wird, dürfte diese zunächst die Handelsströme,
121 Vgl. Independent Evaluation Department ADB, Learning
Curves [wie Fn. 81]; World Bank/ADB (Hg.), Joint Working Paper
on Future Directions for Water Resources Management [wie Fn. 114].
SWP Berlin
Der Mekong
März 2010
36
bald aber die gesamte Wirtschaft der Gegend maßgeblich bestimmen. Entwicklungskonzepte und -projekte
der MRC haben es dann sehr schwer, Anreize für eine
Vorgehensweise zu setzen, die auch ökologischen und
sozialen Erfordernissen Rechnung trägt.
Die Widersprüche zwischen den Ansätzen von GMS
und MRC werden jedoch weder auf deutscher noch
auf EU-Ebene problematisiert. Man billigt den Organisationen gleichermaßen positive Funktionen zu, und
beide erhalten finanzielle Unterstützung von EU-Kommission und einzelnen europäischen Ländern. Dass
die offenkundigen Unvereinbarkeiten ignoriert werden, ist Ausdruck einer wenig konsistenten Politik, die
nicht dazu beiträgt, Kooperationspotentiale auszuschöpfen, sondern letztlich die bestehenden Machtkonstellationen stärkt.
Die Erfahrungen deutscher Entwicklungszusammenarbeit lehren, dass es schon kein leichtes Unterfangen ist, auf nationaler Ebene eine kohärente und
umfassende Entwicklungsstrategie auszuarbeiten.
Noch ungleich schwieriger gestaltet es sich, auf EUEbene eine solche Koordinierung zu erreichen. So klaffen etwa die deutsche und die französische Position
bei der Beurteilung des entwicklungspolitischen
Effekts großer Staudämme weit auseinander. 122 Ein
gemeinsamer Standpunkt auf EU-Ebene ist aber unabdingbar, wenn man der Politik der europäischen Länder größeres Gewicht verleihen und die EU mit einer
Verhandlungsmacht ausstatten will, wie dies im ASEMProzess 123 oder beim EU-ASEAN-Dialog der Fall ist.
Vermittlung der europäischen
Integrationserfahrung
Der komparative Vorteil, den Europa gegenüber anderen Gebern im Kontext regionaler Zusammenarbeit
besitzt, ist seine eigene und keineswegs abgeschlossene Geschichte regionaler Integration. Die EU hat damit sicherlich kein weltweit gültiges Modell geschaffen, aber eine sorgfältige Analyse dieses Prozesses wird
auch von einigen südostasiatischen Politikwissenschaftlern durchaus als lohnenswert angesehen. 124
122 Hensengerth, Money and Security [wie Fn. 120], S. 9.
123 ASEM (Asia-Europe Meeting) ist ein 1996 initiiertes Dialogforum, das alle zwei Jahre abgehalten wird. Teilnehmer
sind die EU-Staaten, 16 asiatische Länder, die EU-Kommission
und das ASEAN-Sekretariat. Parallel dazu findet alle zwei
Jahre ein Dialog zwischen EU-Mitgliedern und ASEAN statt.
124 Der indonesische Politikwissenschaftler Jusuf Wanandi
hat in diesem Zusammenhang auf die leidvollen Erfahrungen
Stärkung des Engagements der MRC-Mitglieder
Die europäischen Länder wie die EU als Ganzes
sollten daher den politischen Dialog gerade mit den
weniger entwickelten Mekong-Anrainern nutzen,
um ihnen die historischen Erfahrungen Europas im
20. Jahrhundert zu vermitteln. Bieten diese doch ein
eindringliches Beispiel dafür, dass intensive Wirtschaftsbeziehungen nicht zwangsläufig politische
Zusammenarbeit zur Folge haben, wie dies der Ansatz
der GMS nahelegt. Denn das hohe Maß an außenwirtschaftlicher Verflechtung, das die europäischen
Länder bereits vor dem Ersten Weltkrieg erreicht
hatten, 125 führte bekanntermaßen nicht zu engerer
politischer Kooperation, sondern zu wachsenden
Konflikten und letztlich zu den beiden Weltkriegen –
deren Ausbruch natürlich auch durch eine Reihe
weiterer Faktoren verursacht wurde.
Erst nach diesen leidvollen Erfahrungen setzte sich
die Einsicht durch, dass man die europäische Integration nicht der Logik des Marktes überlassen dürfe,
sondern dafür ein umfassender politischer Prozess
und ein Bündel an Umstrukturierungshilfen nötig sei.
Dieser Leitgedanke weist einige Parallelen zum Ansatz
der MRC auf, auch wenn sich deren Arbeit in einem
ungleich bescheideneren Rahmen bewegt.
Stärkung des Engagements der
MRC-Mitglieder
Die MRC erfreut sich im Bereich finanzieller und technischer Zusammenarbeit des starken Engagements
mehrerer europäischer Länder. Diesen kommt damit
auch eine besondere Verantwortung für die Organisation zu. Betrachtet man die Zielsetzungen der MRC,
ihre Lernprozesse und Projekte, so stellt sie zweifellos
ein beeindruckendes Beispiel für effektive Entwicklungszusammenarbeit dar. Beharrlich sucht sie nach
Mitteln und Wegen, um schwierige Verteilungskonflikte beizulegen und das Ressourcenpotential
des Mekong optimal und dabei nachhaltig zu nutzen.
Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwiesen.
Diese seien ein Beleg für die Notwendigkeit eines aktiven
politischen Engagements, um eine aufstrebende Wirtschaftsmacht (damals Deutschland) zu integrieren. Jusuf Wanandi,
Strategic Trends in East Asia. Paper presented at the »ChinaASEAN Think Tank Dialogue«, Nanning, 19.–21.10.2008.
125 Im Falle Deutschlands etwa belief sich der Anteil des
Außenhandels am BIP 1914 auf 34 Prozent. Dieser Wert
wurde erst wieder in den sechziger Jahren erreicht. Vgl.
Sebastian Conrad, Globalisierung und Nation im Deutschen
Kaiserreich, München 2006, S. 45f.
Doch es reicht nicht aus, dass die Mitgliedstaaten die
Arbeit der MRC lediglich hinnehmen. Wirklich erfolgreich kann die Organisation nur dann sein, wenn die
von ihr erarbeiteten Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens und inklusiver Entwicklung auf die Regierungsarbeit der einzelnen Mitglieder übertragen und
aktiv umgesetzt werden.
Bei allem Zuspruch für die Zielsetzungen der MRC
darf die europäische und deutsche Politik keinen
Zweifel daran lassen, dass sie die technische wie finanzielle Hilfe nur dann fortsetzen oder gar ausbauen
kann, wenn die MRC-Mitglieder ihre Zuwendungen
ebenfalls erhöhen und eine stärkere Bereitschaft zu
konstruktiver Mitarbeit an den Tag legen. Solange dies
nicht der Fall ist, läuft das Engagement der Geber ins
Leere – und trägt letztlich sogar dazu bei, eine Fassade
aufrechtzuerhalten, die den Blick für die tatsächlich
betriebene Politik und deren Folgewirkungen verstellt.
Pilotfunktion regional begrenzter Projekte
Die Konzepte des »Integrated Water Resources Management« und des »Integrated River Basin Management«
haben einen umfassenden Anspruch und können nur
dann Wirkung entfalten, wenn sie im gesamten Einzugsgebiet des Mekong umgesetzt werden. Dies erfordert die Bereitschaft vieler unterschiedlicher Interessengruppen, sich zu einem gemeinsamen Handeln
verpflichten zu lassen. Die Logik eines solchen Ansatzes ist schwerlich in Zweifel zu ziehen; seiner Realisierung stehen jedoch ungeheure Hürden entgegen.
Dennoch sollte man an diesem strategischen Ziel
festhalten. Dabei erscheint es allerdings sinnvoll, sich
in der Projektarbeit auf eine oder mehrere Teilregionen zu konzentrieren, um dort einen solchen integrativen Ansatz an konkreten Einzelfällen zu erproben.
Man hat es dann mit einer überschaubaren Zahl an
Akteuren zu tun, kann Win-win-Situationen leichter
identifizieren und dadurch auch zu Lösungsansätzen
gelangen, die auf gesamtregionaler Ebene von Nutzen
sind. Das Sesan-Srepok-Sekong-Projekt etwa, 126 das im
Länderdreieck Laos-Kambodscha-Vietnam einen integrierten Ansatz im Einzugsgebiet dreier wichtiger
Nebenflüsse des Mekong verfolgt, wäre ein mögliches
Fallbeispiel, das mit Nachdruck unterstützt, aber auch
eingehend auf seine Tragfähigkeit in anderen regionalen Zusammenhängen analysiert werden sollte.
126 Näheres zu diesem Projekt auf dessen Website:
<http://reta.3sbasin.org>.
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37
Anhang
Anhang
Regionalorganisationen im Mekong-Gebiet
Abkürzungen
(nach Gründungsjahren geordnet)
1992
Greater Mekong Subregion (GMS): beteiligt sind alle MekongAnrainer
1993
Golden Quadrangle oder Quadrangle Economic Cooperation:
von Thailand gegründetes Forum, dem Laos, Myanmar,
Thailand und die chinesische Provinz Yunnan angehören
1993
Forum for Comprehensive Development of Indochina:
von Japan initiiertes Forum, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine
»ausgewogene Entwicklung« der Länder Indochinas zu fördern
1995
Thailand’s Neighbouring Countries Economic Development
Cooperation Fund: von Thailand geschaffener Fonds, der
Anleihen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten in der
Mekong-Region bereitstellt
1995
Mekong River Commission (MRC): Mitglieder sind Thailand,
Laos, Kambodscha und Vietnam
1996
ASEAN Mekong Basin Development Cooperation (AMBDC):
Mitglieder sind die ASEAN-Staaten sowie die Volksrepublik China
2000
Mekong-Ganga Cooperation Initiative: beteiligt sind Myanmar,
Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam und Indien
2000
Development Triangle: bestehend aus Laos, Kambodscha
und Vietnam
2001
Lancang-Upper Mekong River Commercial Navigation Agreement: Abkommen, mit dem sich China, Myanmar, Thailand
und Laos zum Ausbau der kommerziellen Schiffbarmachung
des Mekong verpflichtet haben
2003
Ayeyawady-Chao Phraya-Mekong Economic Cooperation
Strategy (ACMECS): beteiligt sind Myanmar, Thailand, Laos,
Kambodscha und Vietnam
2003
Emerald Triangle (Smaragddreieck): Kooperation zwischen
Kambodscha, Laos und Thailand mit dem Ziel einer gemeinsamen Entwicklung des Tourismus im Dreiländereck
2004
CLMV (Cambodia, Laos, Myanmar, Vietnam): Initiative, in der
sich die vier Länder zu Freundschaft, Zusammenarbeit und
regelmäßigen Gipfeltreffen verpflichtet haben
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38
ACMECS Ayeyawady-Chao Phraya-Mekong Economic
Cooperation Strategy
ADB
Asian Development Bank
AMBDC ASEAN Mekong Basin Development Cooperation
APF
Asian Peoples’ Forum
ASEAN
Association of Southeast Asian Nations
ASEM
Asia-Europe Meeting
BIP
Bruttoinlandsprodukt
CEO
Chief Executive Officer
ECAFE
United Nations Economic and Social Commission for
Asia and the Far East
ESCAP
Economic and Social Commission for Asia and
the Pacific
GMS
Greater Mekong Subregion
IRBM
Integrated River Basin Management
IWF
Internationaler Währungsfonds
IWRM
Integrated Water Resources Management
KKP
Kaufkraftparität
MC
Mekong Committee
MRC
Mekong River Commission
MRCS
Mekong River Commission Secretariat
MW
Megawatt
NGO
Non-Governmental Organisation
RCC
Rivers Coalition in Cambodia
SOM
Senior Officials’ Meeting
UNDP
United Nations Development Programme
Anhang
Tabelle
Handel zwischen der Volksrepublik China und den anderen Mekong-Anrainern (in Mio. US-Dollar)
Länder
1995
2000
2005
2008
Kambodscha
Exporte
51,61
56,78
164,08
112,88
536,11
423,51
1185,88
1304,47
Importe
5,72
5,20
59,49
23,78
27,31
14,24
48,07
43,70
45,89
51,57
104,59
89,10
508,80
409,27
1137,81
1260,77
Exporte
47,77
21,50
34,42
37,86
105,34
115,87
289,37
318,31
Importe
6,45
8,80
6,42
5,84
25,54
23,22
154,43
140,39
41,32
12,70
28,00
32,02
79,79
92,65
134,94
177,92
Exporte
617,85
679,63
496,44
546,03
934,91
1028,40
2002,52
2202,77
Importe
149,55
135,96
124,82
113,44
274,44
249,49
663,46
603,14
Handelsbilanz
468,30
543,68
371,62
432,56
660,48
778,91
1339,06
1599,63
Exporte
1752,28
2095,50
2243,41
3376,92
7818,55 11.153,30
16.019,80
19.934,50
Importe
1610,76
1642,19
4380,19
2806,15
13.993,70
9105,15
23.244,80
15.975,50
141,52
453,31
-2136,78
570,77
-6175,15
2048,15
-7225,00
3959,00
Exporte
721,75
329,69
1537,29
1401,14
5639,33
5899,70
16.192,90
17.592,90
Importe
332,01
361,87
929,10
1536,39
2549,35
3228,10
4435,18
4174,25
Handelsbilanz
389,74
-32,19
608,19
-135,25
3089,98
2671,60
11.757,72
13.418,65
Handelsbilanz
Laos
Handelsbilanz
Myanmar
Thailand
Handelsbilanz
Vietnam
Quelle: IWF, Direction of Trade Statistics, September 2009
Die zuerst genannte Zahl gibt jeweils die von China gemachten Angaben wieder;
die folgende, kursiv gesetzte Zahl stammt von dem jeweils betroffenen Land.
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