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Grenzen des transnationalen Wassermanagements am Mekong

2020

Gebieten: Von den zehn Ländern, die von 1999 bis 2018 am meisten von Extremwetter geschädigt wurden, liegen sieben in Asien. Sehr schwer getroffen ist derzeit die Mekong-Region, die von einer Jahrhundertdürre geplagt wird. Ernteausfälle, Nahrungsmittelknappheit und Wassermangel sind nur einige Auswirkungen. Verschärft werden sie durch den Bau von Staudämmen am Oberlauf des Mekong, was oft lokale wie zwischenstaatliche Konflikte nach sich zieht. Daher ist es notwendig, ein nachhaltiges transnationales Wassermanagement für den Mekong zu etablieren. Unter dem Gesichtspunkt einer globalen Klimapolitik sollte Deutschland sich weiterhin dafür engagieren.

NR. 40 MAI 2020 Einleitung Grenzen des transnationalen Wassermanagements am Mekong Andrea Frenzel / Felix Heiduk Asien gehört zu den vom Klimawandel besonders betroffenen Gebieten: Von den zehn Ländern, die von 1999 bis 2018 am meisten von Extremwetter geschädigt wurden, liegen sieben in Asien. Sehr schwer getroffen ist derzeit die Mekong-Region, die von einer Jahrhundertdürre geplagt wird. Ernteausfälle, Nahrungsmittelknappheit und Wassermangel sind nur einige Auswirkungen. Verschärft werden sie durch den Bau von Staudämmen am Oberlauf des Mekong, was oft lokale wie zwischenstaatliche Konflikte nach sich zieht. Daher ist es notwendig, ein nachhaltiges transnationales Wassermanagement für den Mekong zu etablieren. Unter dem Gesichtspunkt einer globalen Klimapolitik sollte Deutschland sich weiterhin dafür engagieren. Immer extremer werdende Wetterphänomene und häufige »Naturkatastrophen« in Südostasien verursachen substantielle ökologische, menschliche und wirtschaftliche Schäden. Diese müssen im Kontext sehr viel umfassenderer Veränderungen ökologischer und sozialer Systeme gesehen werden. Am Beispiel des Mekong lassen sich einige der Herausforderungen für nationale und regionale Stabilität aufzeigen, die mit klimatischen Veränderungen zusammenhängen. Der Mekong durchfließt sechs Staaten und gewährleistet durch Reisanbau und Fischerei die Ernährung von mehr als 65 Millionen Menschen an seinem Unterlauf. Stark verringerte Niederschlagsmengen zwischen Mai und Oktober 2019, vor allem am Unterlauf des Mekong, haben eine anhaltende Dürre ausgelöst, die 2020 nach Schätzungen von Experten zu erheblichen Ernteausfällen führen wird. Es wird erwartet, dass sie die Schäden von 2016 sogar noch übertreffen. Damals hatte eine lange Dürre, hervorgerufen durch ausbleibende Monsunregenfälle, Hunderttausende von Hektar betroffen und Ernteverluste in Höhe von über 380 Millionen US-Dollar verursacht. Potenziert werden die Wirkungen derartiger Extremereignisse durch zunehmende Schwankungen bei den täglichen Regenfällen während des Monsuns. Immer häufiger wechseln sich sintflutartige Regenfälle mit extremen Trockenphasen während der Regenzeit ab. Die Folge ist eine Zunahme massiver Überschwemmungen. Lange wurde all dies vorwiegend als Umweltproblem betrachtet – erst in letzter Zeit geraten aus solchen Wetterphänomenen resultierende Fragen nach Stabilität und Sicherheit verstärkt in den Blick. Mekong im Wandel – Herausforderungen für die Anrainerstaaten Die Auswirkungen der derzeitigen Jahrhundertdürre werden durch seit Jahren sinkende Wasserstände des Mekong potenziert. 2019 und 2020 fielen die Wasserstände vor allem im Flussdelta auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 100 Jahren. Weniger Wasserzufluss in das Delta hat, zusammen mit einem Anstieg des Meeresspiegels, zu einer zunehmenden Versalzung von Ackerbauflächen geführt. Folglich schrumpft die für die Agrarproduktion verfügbare Fläche. Die sinkenden Wasserstände sind indes nicht allein Resultat klimatischer Veränderungen: Zum einen haben Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Entwicklung in der Mekong-Region den Wasserverbrauch an den Nebenarmen des Mekong rasant ansteigen lassen. Zum anderen ist der sinkende Wasserstand auf eine Vielzahl an Dämmen am Oberlauf zurückzuführen. China, Laos und Kambodscha haben in den letzten 20 Jahren Wasserkraftwerke am Mekong und seinen Nebenflüssen gebaut, als Reaktion auf den steigenden Energiebedarf der Region. Sie sollen »saubere« Energie bereitstellen. Jedoch hat die damit verbundene Errichtung von Dämmen am chinesischen Oberlauf des Flusses dessen Wasserstand gesenkt und dadurch sein sensibles Ökosystem verändert. Während Kambodscha im März 2020 ein zehnjähriges Moratorium für den Bau von Staudämmen im Mekong verkündet hat, befinden sich weitere Dammprojekte in China und Laos entweder bereits im Bau oder sind geplant. In Laos sollen in naher Zukunft weit über 100 neue Wasserkraftwerke am Mekong und seinen Nebenarmen entstehen. Das Land möchte sich so zur »Hydropower-Batterie« der Region entwickeln und über den Verkauf »sauberer« Energie an Nachbarstaaten wie Thailand, deren Energiemix bislang zu großen Teilen aus fossilen Energieträgern besteht, die eigene Entwicklung finanzieren. Kreditiert werden die Dammprojekte zumeist von chinesischen, malaysischen und thailändischen InvestoSWP-Aktuell 40 Mai 2020 2 ren. Für Laos sind derartige Projekte willkommene ausländische Investitionen, die Devisen bringen und Arbeitsplätze schaffen. Die niedrigen Wasserstände sind in erster Linie für die am Unterlauf des Flusses gelegenen Staaten Vietnam und Kambodscha problematisch. Für die Fruchtbarkeit landwirtschaftlich genutzter Flächen, insbesondere Reisanbau-Flächen, wichtige Sedimente bleiben vermehrt an Staumauern hängen. Die Folge sind verminderte Erträge der Reisproduktion im MekongDelta, der »Reisschüssel« der gesamten Region. Die 17,3 Millionen Bewohner des Deltas in Südvietnam produzieren mehr als die Hälfte des gesamten Reises Vietnams; fast 90 Prozent der Reisexporte des Landes stammen aus dem Delta. Zudem werden für die Fischerei relevante Fischsorten, die zum Laichen den Mekong hinaufwandern, durch Dämme daran gehindert, was zu einem Absinken der Fischbestände geführt hat. Der innenpolitische Druck steigt. Gleichzeitig kann man schon heute davon ausgehen, dass die mit dem Dammbau verbundenen kurzfristigen energie- und wirtschaftspolitischen Anreize umfassende negative Folgen in anderen Politikfeldern zeitigen werden. Denn in der Region sind nach Schätzungen über 65 Millionen Menschen in Bezug auf Ernährungssicherheit und Lebensunterhalt direkt vom Mekong abhängig. Zum Beispiel trägt die Süßwasserfischerei im Mekong und seinen Armen in Kambodscha circa 10 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Laut Schätzungen verdienen mehr als 2 Millionen der 16 Millionen Kambodschaner zumindest einen Teil ihres Lebensunterhaltes durch Fisch. Die Süßwasserfischerei ist nicht allein ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor, sondern zentral für die Ernährungssicherheit des Landes – der Fisch ist für die Mehrheit der Bevölkerung eine wesentliche Proteinquelle. Auch große Teile der Landwirtschaft Kambodschas sind auf den Mekong angewiesen: Erstens sorgt er für die Bewässerung vieler Anbauflächen, zweitens für deren Nährstoffgehalt mittels Ablagerung von Sedimenten. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Teile Laos’, Vietnams und Myanmars. Mit Ausnahme Chinas regen sich in den betroffenen Teilen der Mekong-Region zunehmend Proteste gegen geplante wie im Bau befindliche Dammprojekte. Sie richten sich lokal vor allem gegen die Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen, die in der Nähe geplanter Dammbauten leben, aber auch gegen die negativen Auswirkungen auf Fischerei und Landwirtschaft. Dabei kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, mehrfach gab es Tote auf Seiten der Demonstranten. In Laos fanden Sabotageaktionen statt, etwa Bombenattentate auf Dammprojekte. Die Umweltproteste bekommen zunehmend einen transnationalen Charakter. Lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen haben sich vernetzt und versuchen, verstärkt auch über Landesgrenzen hinweg, für umweltpolitische Fragen zu sensibilisieren sowie zu mobilisieren. Klimakrise und transnationale Mechanismen am Mekong Die genannten grenzüberschreitenden Herausforderungen verlangen Kooperation zwischen den Mekong-Staaten. Die Dammbauprojekte in Laos und China beeinträchtigen Landwirtschaft und Fischerei der stromabwärts gelegenen Staaten, was wiederholt zu Konflikten mit Kambodscha und insbesondere Vietnam geführt hat. Vor allem China wird dafür kritisiert, das Wassermanagement am Oberlauf des Mekong allein auf der Basis der eigenen nationalen Interessen zu betreiben. Kritiker bemängeln die Verknappung der Durchflussmenge des Mekong durch die am Oberlauf errichteten chinesischen Dämme und Stauseen bzw. Wasserreservoirs. Dies bewirke niedrige Wasserstände am Unterlauf mit den bekannten Folgen für Landwirtschaft und Fischerei, außerdem würden sich dadurch die negativen Effekte der Dürre weiter verschlimmern. Beobachter kritisieren zudem die Finanzierung gigantischer Dammprojekte in Laos mittels chinesischer Kredite und die dadurch wachsende Abhängigkeit des Landes von China. Transnationales Wassermanagement muss daher wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven ebenso berücksichtigen wie die sozialen und ökologischen Folgen dieser Entwicklung und dabei die teils einander zuwiderlaufenden Interessen der verschiedenen regionalen Akteure zufriedenstellen. Dazu wurden seit den 1990er Jahren in der Mekong-Region verschiedene kooperative Mechanismen eingeführt. Eine der ersten Initiativen ist die Mekong River Commission (MRC). Sie wurde 1995 ins Leben gerufen und ist die einzige, die sich allein dem Wassermanagement des Flusses widmet. Anders als der jüngere, von China 2016 lancierte Lancang–Mekong Cooperation Mechanism (LMC) betrachtet die MRC den Mekong nicht ausschließlich als wirtschaftliche und energiepolitische Ressource für die Entwicklung der Region, auch wenn die Koordinierung der »optimalen und ausgewogenen Entwicklung« des Flusses ihr Kernmandat ist. Mit der »Climate Change and Adaptation Initiative« (CCAI) hat sie 2007 eine eigene Klimaschutz-Initiative auf den Weg gebracht. Tatsächlich ist der Aktionsspielraum der größtenteils geberfinanzierten MRC relativ eingeschränkt und ihre Arbeit in mehrfacher Hinsicht eine Gratwanderung: Das Mandat der MRC beinhaltet zwar die Formulierung eines gemeinsamen Entwicklungsplans für das Mekong-Becken, betont aber zugleich das Recht jedes Mitgliedstaats, eigene Projekte zu verfolgen – solange sie den Nachbarn nicht schaden. Zwar besitzt sie in hohem Maß technische Kompetenz, Datenreichtum und Expertise, aber keine koordinierende Autorität über ihre Mitglieder. Sie findet international Unterstützung, ist jedoch im nationalen Diskurs ihrer Mitglieds- und Partnerländer weniger präsent als der wirtschaftlich ausgerichtete LMC. Doch selbst wenn die MRC als zwischenstaatliche Organisation zurzeit kaum mit Biss agieren kann, ist ihr Potential als existierender Kooperationsmechanismus nicht zu unterschätzen. Allerdings haben die Geber (darunter Deutschland und die EU) 2016 den Etat der MRC radikal gekürzt, weil sie ihren Mangel an Effektivität kritisierten. SWP-Aktuell 40 Mai 2020 3 © Stiftung Wissenschaft und Politik, 2020 Alle Rechte vorbehalten Das Aktuell gibt die Auffassung des Autors und der Autorin wieder. In der Online-Version dieser Publikation sind Verweise auf SWP-Schriften und wichtige Quellen anklickbar. SWP-Aktuells werden intern einem Begutachtungsverfahren, einem Faktencheck und einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWPWebsite unter https://www. swp-berlin.org/ueber-uns/ qualitaetssicherung/ SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3–4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org [email protected] ISSN 1611-6364 doi: 10.18449/2020A40 Der LMC ist noch nicht letztgültig einzuordnen, doch dürfte für ihn als »Belt and Road«-Projekt unter chinesischer Führung nachhaltiges Wassermanagement kaum Priorität haben. Stattdessen dient er den ökonomischen und geostrategischen Interessen Chinas. Peking hat hierbei – einem bekannten Muster folgend – mit dem LMC eine vordergründig multilaterale Institution auf Basis bilateraler Vereinbarungen eingerichtet, in der es tonangebend ist. Der Mechanismus hilft China nicht nur, seine Beziehungen zu den Nachbarn flussabwärts zu verbessern, er fungiert auch als Mittel gegen den geostrategischen Einfluss Japans und der USA, die als Geber in der MRC präsent sind. Bislang zeigt sich der LMC wenig bereit, mit der MRC zu kooperieren. Chinas aus anderen Kontexten bekannte Rhetorik von territorialer Souveränität überrascht hier daher nicht: So betonte der chinesische Außenminister schon bei Gründung des LMC, die beteiligten Länder sollten der Einmischung externer Kräfte in ihre inneren Angelegenheiten entgegentreten. Spielräume für nachhaltiges Flussmanagement nutzen Die massiven Veränderungen im Ökosystem des Mekong haben die Anfälligkeit der Subregion für die Folgen des Klimawandels sowie sozioökonomische Probleme verschärft, etwa in puncto Ernährungssicherheit. Die vorhandenen regionalen Kooperationsmechanismen ermöglichen es bisher allenfalls, lokale Konflikte kurzfristig zu managen. Die MRC-Mitglieder lehnen jede Einschränkung ihrer nationalen Souveränität zugunsten eines supranationalen Flussmanagements ab. Und China hat sich bis dato der Vollmitgliedschaft in der MRC und der Ratifizierung der Gewässerkonvention der Vereinten Nationen entzogen. Peking hat vielmehr mit dem LMC eine eigene Initiative lanciert und regionale Kooperation selektiv und primär bilateral ausgebaut. Im Umgang mit den kleineren Nachbarn am Mekong tritt es nach außen oft als wohlwollender Verhandlungspartner auf; zum Beispiel wurde 2019 ein langjähriges chinesisch-thailändisches Projekt zum Ausbau der Schifffahrtsrinne nach Bedenken Thailands (auch wegen lokaler Proteste) einvernehmlich aufgegeben. Dies ändert jedoch wenig daran, dass China seinen Zugriff auf die Wasserressourcen des oberen Mekong vorrangig zum eigenen Wohl nutzt – ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse seiner südostasiatischen Nachbarn. Insgesamt geht die Erschließung des Mekong trotz transnationalen Wassermanagements vor allem zulasten des Ökosystems und der ortsansässigen Bewohner. Denn selbst wenn die zwischenstaatlichen Spannungen weiterhin nicht eskalieren, werden die mannigfaltigen Herausforderungen, denen sich die Mekong-Region gegenübersieht, an die vulnerablen Gemeinschaften vor Ort »durchgereicht«. Dort regt sich allerdings zunehmend Widerstand gegen die Nebenwirkungen großer Erschließungsprojekte. Es gibt Anfänge eines regionalen Klimaaktivismus; internationale WatchdogOrganisationen sind in der Region präsent. Ein Weg für Deutschland und die EU, am Mekong auch in Zukunft globale Klimapolitik mitzugestalten, bleibt die gezielte Unterstützung der MRC. Trotz berechtigter Kritik an Korruption und Ineffizienz liegt deren Stärke in der Sammlung und Systematisierung wissenschaftlicher Daten zum Mekong, auf deren Grundlage evidenzbasierte Ansätze eines grenzüberschreitenden Managements des Flussgebiets entstehen können. So ist die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) HauptGeldgeber eines zweijährigen Pilotprojekts für gemeinsames Umweltmonitoring der laotischen Don-Sahong- and Xayaburi-Staudämme, dessen Beginn im Februar 2020 angekündigt wurde. Derartige Projekte sollten weitergeführt werden mit dem Anspruch, damit ein nachhaltiges und kooperatives Flussmanagement zu unterstützen. Andrea Frenzel (M. A.) ist Forschungsassistentin in der Forschungsgruppe Asien. Dr. Felix Heiduk ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Asien. SWP-Aktuell 40 Mai 2020 4