Seit fast einem Jahr könnte ich sogar öffentlich in die Arbeit kommen, ein neuer Bus wurde in der Früh eingeführt. Warum ich das nicht mache?
1. Ich müsste knapp 20 Minuten zu Fuß zur Bushaltestelle gehen. Das ginge ja noch irgendwie.
2. Ich müsste das Haus eine knappe halbe Stunde vorher verlassen. Knirsch.... geht auch.
3. Ich müsste jeden Tag 4,40€ für die Fahrkarte ausgeben. Na gut, Benzin schenkt mir auch keiner. Zählt nicht.
Aber jetzt:
4. Ich müsste meine Schulsachen tragen.
Ich unterrichte an einer klitzekleinen Volksschule. Im Abteilungsunterricht. Das bedeutet: Es sitzen Kinder verschiedener Schulstufen in meinem Klassenraum. Macht verschiedene Bücher. Viele verschiedene Bücher. Euch zu erklären warum ich die jeden Tag hin und herschleppen muss sprengt diesen Post. Glaubt mir einfach. Ich brauche sie.
Am Foto seht ihr die normale Tagesladung, verteilt auf zwei Körbe. Ich habe die beiden Körbe heute exra für euch gewogen - und mich sehr geschreckt: 11,6 kg. Na bumm! Gewicht an anderen Tagen: oben offen auf der unendlichen Lehrer Skala. Das sind ja nur meine Sachen. Ich trage aber auch Hefte und Bücher von Kindern spazieren. Landläufig hat so eine Lehrerin ja einen Halbtagsjob. Stimmt eh. Fast. Ich hab bloß ZWEI Halbtagsjobs. Einen halben Tag in der Schule, einen halben Tag zu Hause. Und die Nachmittagsarbeit will ja auch irgendwie mit. Also schleppe ich fast jeden Tag noch eine Schuler-Stofftasche mit Heften und Büchern der Kinder mit mir rum. Gut, ich könnte natürlich einen Trolley anschaffen, auf einige Dinge verzichten. Und doch:
Ich will das Zeug nicht schleppen!
Find ich super, dass mein Auto das für mich erledigt.
5. In der Früh hin geht ja recht zeitnah. Fragt jetzt nicht nach den Mittags-Bus-Zeiten. Das hier ist eine recht ländliche Gegend. Mit vielen Ortschaften und noch mehr Landschaft dazwischen. Bedeutet die Mittags-Bus-Zeiten sind echt lang. Mit dem Auto kann ich gemeinsam mit dem Kind essen. Sogar kochen. Mehr als schnelle Nudeln gehen sich nicht aus. Aber hey!
Essen mit dem Kind ist mir wichtig.
Deshalb fahre ich Auto.
6. Ich könnte diese tollen Straßenfotos nicht machen. Ich glaube nicht, dass der Busfahrer sofort anhält, wenn ich ein tolles Motiv entdecke. Und ich meine so-fort!!! Es mag euch lächerlich erscheinen, aber...
Ich will enscheiden wie schnell ich die Stecke zurücklege.
Und wo ich mal kurz für ein Foto raushüpfe.
Gut, die Arbeit ist nun geklärt.
Und am Nachmittag?
Da schlägt der Schweinehund gnadenlos zu!
Klar könnte ich die knapp zwei Kilometer zum Supermarkt gehen. Ich fahr auch manchmal mit dem Rad. Im Sommer -
siehe da ;-)
Klar könnte ich das Kind zu Fuß in die Horstunde begleiten - öffentlich gibts nicht. Selbst gehen klappt nicht. 9 Jähriger und eine Horn im Koffer - das ist ein krasses Missverhältnis. 35 Minuten hin, 30 Minuten Stunde, 35 Minuten retour. Mit dem Auto geht das irgendwie schneller. Mit dem Auto passt der Einkauf noch da dazwischen rein...
Ein großes Problem des ländlichen Bereiches ist wohl der: Es gibt kein öffentliches NETZ, es gibt einen öffentlichen STERN. Alle Linien führen zur Bezirkshauptstadt hin. Möchte man aber von Dorf zu Dorf gelangen, ist das oft ein mühsames Unterfangen, da man erstmal in die
"Stadt" muss um umzusteigen.
Jederzeit von A nach B zu kommen - das kann das öffentliche Stern-Netz auch nicht leisten. Daher gibt es hier so viele Autos, in den allermeisten Familien gleich zwei.