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Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss

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Mit Levinas über Kunst und Bilder nachzudenken ist ein heikles, aber folgenreiches und notwendiges Unterfangen. Und das, obwohl wir wissen, dass Levinas sich nie mit einer systematischen und konzeptionell organisierten Lektüre von Bildern auseinandergesetzt hat. Doch gerade diese formale ,Zurückhaltung', ja sogar Misstrauen und Verwunderung, diese ganz Levinas'sche Zögerlichkeit angesichts eines "Vorrang[s] der Repräsentation" 1 , vermag uns ein anderes Denken über das Bild zu eröffnen. Zögerlichkeit und Misstrauen gegenüber der Repräsentation bedeuten nicht, dass er kein Verhältnis oder auch kein Interesse am Bild hat, und auch nicht, dass er gar keine Sensibilität für das Bild habe, ganz im Gegenteil. Was lässt sich also über ein Bilddenken sagen, das keinen philosophisch elaborierten Kontakt mit Bildern pflegt und kein Lektüreraster für die Art und Weise entwirft, wie man sie betrachtet, begreift und sieht? Mehr noch, drängen sich uns solche Beziehungen des Misstrauens und der Hyperwachsamkeit in Zeiten visueller Hypertrophie nicht mehr denn je auf, während wir von Bildern aller Art überflutet und bedrängt werden, gerade auch da die moderne philosophische Tradition weiterhin die repräsentative Ermöglichung bevorzugt, wie sie im subjektiven und modernen Humanismus verankert ist? Von Levinas könnten wir lernen, dass im Hinblick auf die Bildpraxis ein gewisser Verlust der Zentralität des Subjekts positiv gedacht werden könnte. Während unsere künstlerischen und soziopolitischen Szenen die Freiheit und den Horizont der Subjektivität fordern und befürworten, sollten wir versuchen, diese Begriffe mit Levinas ohne Autonomie und ohne den traditionell damit verbundenen Souveränismus zu denken, d.h. indem wir das Gesetz des Anderen erforschen und uns von ihm umgekehrt durchdringen lassen. Auch wenn auf den ersten Blick das ikonoklastische Konzept (das oft dem Artikel Die Wirklichkeit und ihr Schatten zugeschrieben wird) Levinas' Auffassung von Bildern und Kunst zu durchdringen und zu prägen scheint, werden wir parallel dazu mit Levinas andere Wege zu beschreiten versuchen, die von den Bildern selbst aufgezeigt werden. Ohne jemals die Schriften von Levinas selbst vollständig auszublenden, schlagen wir vor,

Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss Mit L ­ evinas über Kunst und Bilder nachzudenken ist ein heikles, aber ­folgenreiches und notwendiges Unterfangen. Und das, obwohl wir wissen, dass ­Levinas sich nie mit einer systematischen und konzeptionell organisierten Lektüre von Bildern auseinandergesetzt hat. Doch gerade diese formale ,Zurückhaltung‘, ja sogar Misstrauen und Verwunderung, diese ganz ­Levinas’sche Zögerlichkeit angesichts eines „Vorrang[s] der Repräsentation“ 1, vermag uns ein anderes Denken über das Bild zu eröffnen. Zögerlichkeit und Misstrauen gegenüber der Repräsentation bedeuten nicht, dass er kein Verhältnis oder auch kein Interesse am Bild hat, und auch nicht, dass er gar keine Sensibilität für das Bild habe, ganz im Gegenteil. Was lässt sich also über ein Bilddenken sagen, das keinen philosophisch elaborierten Kontakt mit Bildern pflegt und kein Lektüreraster für die Art und Weise entwirft, wie man sie betrachtet, begreift und sieht? Mehr noch, drängen sich uns solche Beziehungen des Misstrauens und der Hyperwachsamkeit in Zeiten visueller Hypertrophie nicht mehr denn je auf, während wir von Bildern aller Art überflutet und bedrängt werden, gerade auch da die moderne philosophische Tradition weiterhin die repräsentative Ermöglichung bevorzugt, wie sie im subjektiven und modernen Humanismus verankert ist? Von ­Levinas könnten wir lernen, dass im Hinblick auf die Bildpraxis ein gewisser Verlust der Zentralität des Subjekts positiv gedacht werden könnte. Während unsere künstlerischen und soziopolitischen Szenen die Freiheit und den Horizont der Subjektivität fordern und befürworten, sollten wir versuchen, diese Begriffe mit L ­ evinas ohne Autonomie und ohne den traditionell damit verbundenen Souveränismus zu denken, d.h. indem wir das Gesetz des Anderen erforschen und uns von ihm umgekehrt durchdringen lassen. Auch wenn auf den ersten Blick das ikonoklastische Konzept (das oft dem Artikel Die Wirklichkeit und ihr Schatten zugeschrieben wird) ­Levinas’ Auffassung von Bildern und Kunst zu durchdringen und zu prägen scheint, werden wir parallel dazu mit L ­ evinas andere Wege zu beschreiten versuchen, die von den Bildern selbst aufgezeigt werden. Ohne jemals die Schriften von ­Levinas selbst vollständig auszublenden, schlagen wir vor, 1 Emmanuel ­Levinas: »Das nicht-intentionale Bewußtsein«, in: ders.: Zwischen uns. Versuche über das Denken an den Anderen, München 1995, S. 155. 332 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly jene Wege aufzuzeigen, auf denen L ­ evinas ein Bilddenken hätte entfalten können, was nichts weniger als eine kontinuierliche Verschiebung des Bildes impliziert: ver-lesen [dé-lire]. 2 Ver-lesen bedeutet, anders zu lesen, durch Umwege und Verwicklungen, und es bedeutet auch, eine Beziehung zum Bild in Form von Exzess zu pflegen – Exzess der Bilder selbst und, mit ihnen, die Idee, dass sich eine gewisse Verrücktheit [délire], ein Wahnsinn vielleicht, vor dem Bild aufdrängt. Es geht darum, das Bild als Überschuss zu denken, der über die Repräsentativität des Subjekts hinausgeht; als ob das Bild uns unfreiwillig in die Pflicht nähme. Verrücktheit [dé-lire] und Ver-lesen [dé-lirer] bedeuten in diesem Sinne eine gewisse ,Erfahrung der Freiheit‘, eine Art und Weise, aus der Furche auszubrechen, die vorher festgelegt, vorbestimmt war. Derrida, ein großer Leser von ­Levinas, sagte, dass ein gewisser Wahnsinn über das Denken wachen müsse; er wies damit darauf hin, dass das Denken sich Momente gewähren müsse, in denen man die allzu sicheren oder vermeintlich stabilen, wahren Parameter des Denkens stört – stören wie verschieben, verlagern, verunordnen. Das Ver-lesen, eine ,gewisse Verrücktheit‘, deutet an, dass das Denken auch die vorgegebenen Rahmen überschreiten und so andere Richtungen oder Orientierungen aufzeigen kann, die es selbst möglicherweise aufgrund von Konventionen und überlieferten Schemata nicht zu sehen vermag. Die Verrücktheit kann natürlich eine Verlorenheit, einen Verfall oder einen pathologischen, schmerz- und krankhaften Wahnsinn bedeuten, der das Subjekt in die Verzweiflung treibt, aber es kann auch so etwas wie eine Chance, eine gegebene Möglichkeit signalisieren, sich von dem vorgezeichneten Weg abzuwenden, indem man Wege einschlägt, die auf den ersten Blick nicht akzeptabel oder erwartbar erscheinen. Mit der Verrücktheit beginnt man also etwas zu erfinden, anders zu atmen, sich dort zu engagieren, wo man sich vorher nicht wirklich zu exponieren wagte. In diesem Sinne sehen wir die Vielstimmigkeit, die der Idee der Verrücktheit innewohnt; eine Idee, die von mehreren Bedeutungen getragen wird. Auf der Gratwanderung zwischen diesen beiden Seiten des Wortes und der Idee der Verrücktheit werden wir die Zögerlichkeit oder den Überfluss betrachten, die dem Bild eigen sind, und gleichzeitig mit der Zögerlichkeit von L ­ evinas arbeiten. Welcher Kurs eröffnet sich uns Philosophinnen, Künstlern, Kuratorinnen und Kritikern, die wir dem Bild und seinen verschiedenen Ausdrucksformen unablässig Aufmerksamkeit schenken und die wir angesichts der Zerbrechlichkeit und der Angriffe von außen immer aufmerksamer sein müssen? Es ist diese Zögerlichkeit, diese radikal 2 [Während im Französischen dé-lire auf eine abweichende Lesart hinweist, bis hin zum realitätsfernen Wahnsinn, dem Delirium, hat ver-lesen im Deutschen neben der Deviation gängiger Lesarten auch die Konnotation der Selektion, nämlich das Verlesen von ausgewählten Textstellen und ihrer unkonventionellen Auslegung. Das Französische „délire“ geht auf das Lat. „delirare“ zurück und bedeutet ursprünglich „von der geraden Linie abweichen“. Die lat. Nominalform „lira“ bezeichnet auch die Ackerfurche. Vgl. auch in diesem Band den Text von Jean-Luc Nancy: »Auslegung der Kunst«, S. 229–241; Anm. d. Ü.] Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss kritische und einzigartig L ­ evinas’sche Wachsamkeit, die uns hier im Besonderen interessieren wird. Das Folgende dokumentiert eine umherstreifende und unabgeschlossene Diskussion zwischen Marie-Aude Baronian (MAB) und Raphael ­Zagury-Orly (RZO) darüber, wie sie L ­ evinas einbeziehen in ihre Auseinandersetzung mit und ihre Lektüre von Bildern und Kunstwerken. MAB: Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich die Bilder, die uns begegnen und die wir sehen, nicht mehr oder kaum noch ohne ­Levinas thematisieren und denken kann. Ich meine damit keineswegs, dass ich ­Levinas überall methodologisch oder gar automatisch in meine Lektüre von Bildern und künstlerischen Praktiken einfließen lasse; das wäre angesichts von ­Levinas’ Denken eine zweifelhafte Instrumentalisierung oder gar ein Widerspruch. Es ist vermutlich schlichter zu verstehen, denn die Radikalität seines Denkens ist dergestalt, dass sie immer schon da ist; dass jede Begegnung von Angesicht-zu-Angesicht immer schon die Frage der Alterität aufwirft, und dass vor den Bildern, ihnen gegenüber, der Durchbruch des Anderen immer schon im Begriff ist sich zu vollziehen. Es geht darum, die Tatsache hervorzuheben, dass Bilder affektierend sind, weil sie sich unablässig an uns wenden; sie setzen sich und uns aus, und doch erfüllen sie sich und uns nicht. Aus diesem Grund würde ich sagen, dass wir den Artikel Die Wirklichkeit und ihr Schatten von 1948 in seiner klarsten und schwerwiegendsten Form wörtlich nehmen und andererseits dieses ,Anti-Manifest‘ über die Kunst nicht zu sehr überbestimmen sollten. Es geht nicht darum, über eine Art expliziten Ikonoklasmus oder implizite Ikonophilie bei L ­ evinas zu entscheiden. In Wirklichkeit liegt die ganze Komplexität des Denkens von L ­ evinas immer wieder darin, dass wir dort philosophisch zu atmen versuchen, wo alles a priori das Atmen zu unterdrücken scheint. Oder, um es anders zu formulieren, die Radikalität der Frage, die uns hier bei ­Levinas interessiert, lässt sich nicht auf eine geschlossene oder isolierte Lektüre dieses Artikels beschränken. Kann man so von Ver-lesen [dé-lire] sprechen? Bestünde in diesem Artikel bereits die Möglichkeit eines Ver-Lesens [dé-lire]? Sagen wir es so: Man muss sich bei ­Levinas ständig mit Geduld, Wachsamkeit und Anspannung wappnen. Kurz gesagt, es wäre genauso einfach, sich von diesem Artikel vollständig zu verabschieden (und so zu tun, als würde man ,ohne‘ weiter machen), wie sich hartnäckig mit gesenktem Kopf daran festzuhalten. Auch wenn das, was dort steht, ,beruhigend‘ wäre (die Anklage der Bilder ist immer vorstellbar und vertraut), sollte man dennoch die erhellenden Gedanken von L ­ evinas’ Lehre durchdringen lassen. Anders gesagt: Wenn die Kunst das Vorrecht der Illusion, der Fälschung, der Täuschung, des Schattens, des Einfrierens und folglich der Verantwortungslosigkeit genießt, können wir dann nicht dieselbe Idee dahingehend artikulieren und verfolgen, dass sie jedes Mal 333 334 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly das Schicksal der künstlerischen Praktiken bedroht und diese sich um jeden Preis bemühen, ihr zu entgehen? In diesem Sinne sollte sowohl eine allzu wohlwollende und einvernehmliche Lektüre von Die W ­ irklichkeit und ihr Schatten als auch umgekehrt eine kategorische Ablehnung vermieden werden. Dies würde bedeuten, sich nicht zu sehr mit Fragen wie Wirksamkeit, andauernder Gültigkeit oder Anwendbarkeit des Artikels zu beschäftigen. 3 Es ist offensichtlich, dass die Herausforderungen woanders liegen, denn sie sind größer und komplizierter. Sicherlich ist das Bild im Werk von ­Levinas nicht bestimmend, aber man könnte fast sagen, dass das Denken von L ­ evinas durch die Frage der Bilder Autorität erlangt. Und auch hier geht es darum, von Seite zu Seite, in den Zeilen und zwischen den Zeilen, das umfängliche Denken von L ­ evinas (wieder) zu lesen. Andererseits geht es auch nicht darum, die Quasi- (oder, schlimmer noch, Pseudo-) Alterität des Bildes zu skizzieren oder die bildliche Manifestation des Anderen zu feiern. Das liefe darauf hinaus, das Bild zu einer naiven und wohlwollenden Hofdame zu machen. Im Grunde ist das Bild zugleich der Verrat am Sinnlichen und dessen Durchbruch. Das ist weder ein Gegensatz noch ein Widerspruch, denn das Wesen des Bildes besteht darin, sich zu zeigen, ohne sich zu zeigen. Das Bild ist immer wachsam – wachsam ohne Überwachung. Das ist die Bresche, die die Ethik geschlagen hat, denn es gibt – sagen wir es ohne Umschweife – keine Bilder ohne Ethik. Bilder entgrenzen, ,externalisieren‘, präsentieren immer schon das Nie-Gegenwärtige, und sie treten über (auch wenn das Übertreten das Schlimmste ankündigen kann). Sie sind ohne Hinterwelt, ohne Hintergedanken; sie öffnen, obwohl sie an identifizierbare und iterierbare Sprachen und Formen gebunden sind. Der notwendige Verrat der Kunst, durch den die ethische Beziehung hervortritt und, mehr noch, in dem der Andere immer wieder durchbricht, zu jeder Zeit und jedes Mal, unendlich, unermüdlich. Die Spur des Anderen in den Bildern taucht auf, während diese sich verraten, indem sie sich manifestieren. Die Kunst oder die Erfahrung der Bilder ist also immer schon eine ethische Prüfung. RZO: Ob es sich nun um die Frage des Lichts, des Zeugnisses, des ­Ortes, der Erfahrung und des Traumas, der Katastrophe und ihrer Wiederkehr (Gespenster), ihrer schwierigen Darstellbarkeit oder auch um die ach so dringende Frage des politischen und ethischen Wiederaufbaus ­[reconstruction] vor dem Hintergrund der Bruchstelle [béance] und des nicht zu rechtfertigenden Leidens handelt, nie konnte ich mich ohne den 3 Colin Davis hat solche Versuche, die von einigen Filmwissenschaftlern unternommen wurden, zusammengefasst. Er stellt klar, dass zwischen dem, was ­Levinas ,erlaubt‘ und dem, was der Philosoph selbst denkt, unterschieden werden muss, was auch die Unterscheidung zwischen ­Levinas’schen Ansätzen und ­Levinas’ eigenem Ansatz beinhaltet. Trotz treffender Beobachtungen zu den Tendenzen, die in der Filmwissenschaft zu ­Levinas herrschen, ziehen wir es unsererseits vor, diese Abgrenzung zu verwischen. Colin Davis: »­Levinas and Film«, in: Michael L. Morgan (Hg.): The Oxford Handbook of ­Levinas, Oxford 2018, S. 1–15. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss zögerlichen und oft misstrauischen Blick von ­Levinas auf die Bilder vorantasten. Kurz gesagt, ich konnte mich nie darauf einlassen, ohne all das im Hinterkopf zu haben, was uns daran erinnert, dass keine Aktivität des Denkens oder des Geistes die Alterität, die Alterität der Kunst oder des Bildes, überwinden kann – ist das nicht die Geste der Kunst? Wie du bereits angedeutet hast, geben uns die Überlegungen von ­Levinas – zugegebenermaßen manchmal über das hinaus, was er selbst untermauern konnte –, ein absolut inkompatibles, heterogenes Bild zu denken. Es ist eine Art zu sagen, dass eine repräsentative Synthese und eine begriffliche Synopsis immer irgendwie an der Zerstreuung, der Vielzahl von Schichten und Dimensionen des Bildes scheitern wird. Im Anschluss an meine L ­ evinas-Lektüre möchte ich zunächst etwas zu einem Film von Claude Lanzmann sagen, der mich besonders beeindruckt hat: Der Karski-Bericht (R.: Claude Lanzmann, FR, 2010). Im Anschluss an seine Filmarbeit, bei der er ,head shots‘ filmte, und analog zu Shoah (R.: Claude Lanzmann, FR, 1973–1985) und Sobibor (R.: Claude Lanzmann, FR, 2001) stellt Lanzmann die Frage nach der sogenannten ,Unmöglichkeit der Darstellung‘. Ich ziehe es vor, zu sagen, dass er sich mit der Frage einer gewissen Verlegenheit konfrontiert, die wir angesichts der Darstellung der Katastrophe, des Traumas, bewahren und zu kultivieren ,wissen‘ sollten. Es wurde bereits oft darauf hingewiesen, aber man muss es immer wieder sagen: Lanzmanns Werk verlangt insbesondere, dass wir über die Legitimität nachdenken, die wir der Darstellung zuschreiben. Um sich dem anzunähern, was die Vorstellungskraft übersteigt, muss man ,wissen‘, dass man nicht auf das ,Darstellen‘ reduzieren darf, oder, um genauer zu sein, sollte man wissen, wie man eine Form der Suspension praktiziert, wie man mit der Darstellung ,ein klein wenig‘ warten kann, wie man das Bezeugen verzögern und verkomplizieren kann. In diesem Sinne bin ich versucht zu sagen, dass Lanzmanns Werk – und in diesem Sinne bekenne ich mich hier übrigens vielleicht mehr zu L ­ evinas als zu Lanzmann selbst – uns über die Konsequenzen der Darstellung und über die Verpflichtung, andere Performativitäten als die der einfachen Darstellung für die Zeugenschaft zu erfinden, in Frage stellt. Mit anderen Worten: Was bei ­Levinas in Frage steht, ist der Status der Darstellung, ihre Grenzen (die ,schwierige Darstellung‘ würde er vielleicht sagen), und nicht das Verbot der Darstellung, wie viele Menschen zu denken scheinen. Ich möchte auch hinzufügen, dass Der Karski-Bericht uns die Notwendigkeit vor Augen führt, über einen Menschen nachzudenken, dessen Aufgabe es ist, zweifach Zeugnis abzulegen: sowohl von der Zerschlagung seines Volkes, des polnischen Volkes, als auch von der Vernichtung eines anderen Volkes, des jüdischen Volkes. Dies ist eine wertvolle Lektion, über die wir nachdenken müssen. Denn was sich hier abspielt, ist so etwas wie die Möglichkeit, einen Zeugen zu denken, der doppelt tätig ist, der sowohl vom Schicksal seiner Geschichte als auch vom Schicksal einer anderen 335 336 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly Geschichte betroffen ist. Ich würde sogar sagen, ein doppelt verantwortlicher Zeuge; eine Geisel, die mehr Geisel als jede Geisel der Verantwortung ist. Sicherlich kann man immer sagen, dass diese beiden Geschichten sich gegenseitig entsprechen oder sogar ergänzen. Aber ich glaube, dass man damit ein wichtiges Element des Karski-Berichts verkennen würde. Man würde es versäumen, darin die Möglichkeit für den Menschen zu sehen, sich auf ein Zeugnis ohne Ökonomie, einem an-ökonomischen Zeugnis einzulassen, d.h. einem Zeugnis, das sich bemüht, immer einzigartig von sich selbst und dem anderen Zeugnis abzulegen, ohne jedoch das eine zugunsten des anderen zu reduzieren oder zu verflachen oder das andere, um dem ersten einen Vorteil zu verschaffen. Das wäre demnach die außergewöhnliche, in mehr als einem Sinne L ­ evinas’sche ethische Lektion, die uns der Filmemacher mit diesem Film zu sehen gibt. Lanzmann liest sich hier mit ­Levinas. Lanzmann filmt obsessiv das Gesicht eines Zeugen, der immer singulär bezeugt, und im Herzen der Singularitäten, die sein Zeugnis ausmachen, verlangt er von den Menschen, dass sie den Humanismus ganz anders denken. Dass er seinen Humanismus niemals auf ein einfaches und selbstgefälliges Konzept der menschlichen Identität reduziert: ein besessenes, gequältes, fiebriges Bild. Darüber hinaus muss man einen ,Beitrag‘, oder besser gesagt, eine gewisse Ergänzung durch ­Levinas im Verhältnis zu Lanzmann vornehmen. Bei ­Levinas wird niemals die Frage nach dem Wiederaufbau nach der ­Katastrophe vernachlässigt oder aufgegeben. Das kann man von Lanzmann nicht behaupten. Und dieser Wiederaufbau erfolgt mit größtem Feingefühl und größter Finesse in der Geschichte der Philosophie. Man kann nicht auf Asche bauen, das weiß ­Levinas besser als jeder andere. Und doch, und da man wieder aufbauen, zusammenleben, „neu beginnen“ 4 muss, wie ­Stéphane Habib sagt, und in gewisser Weise heilen muss, geht L ­ evinas vor dem Hintergrund einer nicht zu rechtfertigenden Bruchstelle ganz anders vor. Bei ­Levinas beginnt man nie mit dem Trost, aber man schließt auch nicht mit dem Nichtwiedergutzumachenden. Wenn es Trost gibt, und wenn er kommt, umso besser. Wenn es Wiedergutmachung gibt, müssen wir sie ganz langsam einleiten. MAB: Vergegenwärtigen wir uns für einen Moment die Fragilität der Geste des Zeugnisses anhand des filmischen Bildes. Was bei Lanzmann absolut faszinierend ist, und ich denke hier an das Denkmal Shoah, ist, dass jeder Zeuge, der auf die Leinwand gebracht wird, eine einzigartige Aufmerksamkeit hervorruft, weil wir auf jede Stelle, jede Einstellung, jede Sequenz, jedes Detail achten müssen. Ich meine damit weniger die informativen oder faktischen Details, sondern vielmehr das, was sich vor unseren Augen abspielt, für uns als Zeugen-Zuschauer. Jede Szene ist ein Ereignis, 4 Stéphane Habib: Faire avec l’impossible: pour une relance du politique, Paris 2017. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss und deshalb muss man sich in die Szene vertiefen. Nehmen wir die höchst bedeutungsvolle Szene mit Abraham Bomba, die in einem Barbershop in Tel Aviv gedreht wurde. Das ist ein Zeugnismoment oder eine Z ­ eugenszene, in der die Lehre von L ­ evinas zum Tragen kommt. So kann man damit beginnen, L ­ evinas’ Gedanken auf die Probe zu stellen. Nach diesen Ausführungen sollten wir tunlichst vermeiden, hier ein filmisches Unbewusstes in ­Levinas hineinzuprojizieren und darin zu verwurzeln oder die gefilmten Gesichter nebeneinander zu stellen und mit dem Gesicht im Sinne von ­Levinas zu verbinden. Denn es ist wichtig im Blick zu behalten, wie das Dispositiv des Kinos operiert, gerade wenn es sich um das sogenannte dokumentarische Genre handelt, das in der Realität verankert ist. Wie wir alle wissen, würde eine solche Gleichsetzung, die Tragweite und die notwendige Schwierigkeit des Begriffs Gesicht im Denken des Philosophen schmälern und verharmlosen. Wie ich bereits an anderer Stelle dargelegt habe, hat das Gesicht zwar eine ausdrucksstarke Vorrangstellung, doch können auch andere Körperteile ,zum Gesicht werden‘, worauf ich vielleicht später noch einmal zurückkommen werde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich erneut den notwendigen Verrat des Kinos als Kunst hervorheben, die materielle Objekte anordnet und zusammensetzt. Genau hier kommt L ­ evinas fortwährend ins Spiel. Denn wie kann man es vermeiden, die leidenden Gesichter auf Dinge zu reduzieren? Und wie kann Lanzmann die Einzigartigkeit und Singularität des Gesichts bewahren (oder nicht)? Man muss in ihnen mehr als nur ,talking heads‘ sehen, was ohnehin eine Bezeichnung ist, die ungenügend bleibt. Wenn ­Bomba aufhört zu sprechen, erstarrt er, zögert (weil er damit konfrontiert ist, die gesehene und erlebte Erfahrung des Unerträglichen erneut zu erzählen und zu durchleben), und wenn er nach langem Schweigen wieder das Wort ergreift, ist die traumatische Spur spürbar überwältigend und frontal. Aber wir nehmen auch an der inhärenten Dekadrierung ­[décadrage] der Zeugenaussage teil, an ihrer Begrenztheit. Lanzmann setzt ein filmisches Verfahren ein, das die Unterbrechung erzeugt, die der testimonialen und traumatischen Zeitlichkeit eigen ist. In diesem Sinne kommt diese in diesem Filmmoment ,verdichtete‘ Zeitlichkeit, die hier mit dem Reenactement verbunden ist, zur Zeitlichkeit der Gegenwart (der Dreharbeiten) und der Vergangenheit (des Genozids) hinzu. Es ist eine Zeitlichkeit, die sich nicht vereinnahmen und absorbieren lässt, sondern in dem Maße aufgesprengt wird, wie es der Gewalt des Ereignisses entspricht. Die Begegnung mit einem Anderen stört und verletzt die Kontinuität, die Chronologie der gewöhnlichen Zeit und die der Zeit der Geschichte. Wie eine diachrone Erfahrung gibt es in dieser Szene eine Phasenverschiebung, Diskordanz, einen Umweg und Überfluss [débordement]. Das Kino, wie das von Lanzmann, besitzt die oft fragile und auf Messers Schneide stehende Fähigkeit, solche Unterbrechungen sichtbar zu machen und vor allem, sie zu schaffen, sie zu produzieren, sie geschehen zu lassen. Aus diesem Grund 337 338 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly bin ich versucht, die Szene mit Bomba als etwas noch nie Dagewesenes [l’inédit] und gleichzeitig als ein Déjà-vu zu charakterisieren. Wie kann man vermeiden, das Bild durch die Zeit einzufrieren, obgleich sie selbst eingefroren, für immer vergangen ist, aber unaufhörlich wiederkehrt: jedes Mal ein noch nie Dagewesenes, jedes Mal ein Déjà-vu? Bomba entkommt jedoch weder auf der Leinwand erscheinenden filmischen Plastizität, noch dem historischen und archivalischen Wissen der dokumentarischen Erzählung. Zeugenschaft bedeutet also immer, etwas noch nie Dagewesenes neu zu erleben. Wie auch die Halbtotalen, die so starke Bedeutungsträger sind und unser Zeitalter des ikonografischen Bekenntnisses materialisieren, erinnern sie uns daran, dass jedes Mal, wenn Bomba sich äußert, es ein noch nie Dagewesenes ist, das sich löst, und nicht eine Figur, die sich enthüllt, um es in der Art von ­Levinas zu sagen. Angesichts des Bildes von Bomba ist der Zuschauer in Bedrängnis: Wie soll man Bomba vor seinen unmöglichen Erinnerungen retten, vor Lanzmanns Beharren, der ihn fortwährend filmt („Machen Sie weiter ­ Abe. Sie müssen es. Es ist notwendig“, sagt er zu ihm hinter seiner Kamera), oder ihn vor den Zuschauenden retten, die nach Beweisen suchen. Aber Bomba ist auch der Überlebende der Bilder des Kinos. Er hat die ­Reenactment-Szene, die Inszenierung, die Szene der Erzählung, die Szene der Geschichte überlebt... Wie kann man die Verletzlichkeit Bombas an die der Zuschauenden herankommen lassen? Und das, obwohl wir natürlich wissen, dass die Zuschauenden keine generische Figuren sind, die mit heilenden und tröstenden Tugenden ausgestattet sind. Bomba lässt die Zuschauenden nicht nur wegen seines Gesichts und seiner unaussprechlichen Erzählung nicht los, sondern auch, weil es eine Obsession ist, den anderen außerhalb des angestammten Themenbereichs zu filmen. Laut ­Levinas ist die Nähe und Gegenwärtigkeit des Anderen obsessiv; sie lässt sich nicht mit etwas vergleichen, über das ich verfüge, sondern sie ergreift und packt mich vom ersten Augenblick an und ohne Ausweichmöglichkeit. Oder, um es anders zu formulieren, wenn man zu viel versteht, wenn man alles erfasst, was gesagt wird, gibt es keine Obsession mehr. Sie ist nicht, das muss klargestellt werden, irgendeine Faszination, wiederholte Kontemplation oder Verführung. Sie ist das, was nie genug wiederkehrt, was sich weder erfassen noch eingrenzen [déborder] lässt und uns dennoch jedes Mal berührt und betrifft – nie Dagewesenes und Déjà-vu. Es ist das noch nie Dagewesene des Anderen, das durch seinen unablässigen, obsessiven Ruf Zeugnis ablegt. Der Zuschauer befindet sich sozusagen in einem Moment des ,Für-den-Anderen‘. Doch die Frage bleibt: Wie kann man jene allumfassende Gewalt über Bomba vermeiden? Wie kann man vermeiden, beim Zuschauen in eine kummervolle Solidarisierung zu verfallen? Es ist Bomba, der uns anschaut; das Kino muss diese Asymmetrie anerkennen. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss Bomba ist wie „[der] Fremde[…], der das Bei-mir-zu-Hause stört.“ 5 Der Zuschauer wird von Bomba aus seiner gewohnten Umgebung und Mitte gerissen, er kann sich seiner nicht bemächtigen. Mehr noch, man muss sich auch fragen, wie man aus Bomba weder eine Ikone der Geschichte noch eine Karikatur des Kinos macht? Shoah ist ein Film, der mit jedem Bild oder jeder Sichtung diese Frage aufwirft und unermüdlich stellt. Über „Bilderlosigkeit oder Allidol“ 6 hinaus besteht die Eigenart des Kinos, um das es uns hier geht, darin, in den Grenzen und Kräften seiner Sprache nach den bildlos gebliebenen Rissen der Geschichte zu suchen. Dem Kino ist ein notwendiger (Wieder-)Aufbau eigen, in der gleichzeitig die idolatrische und generische Versuchung, das fortwährende und immer wiederkehrende Risiko aufscheinen, die Massenbarbarei auf ein rein geistiges Vergnügen zu reduzieren oder die Alterität auf Variationen des Selben zu beschränken. Aus diesem Grund ist die Frage der Repräsentation des ­Holocaust bereits in sich selbst ein Widerspruch, und vielleicht ist das genau der Grund, warum das Kino als Kunst des Widerspruchs, der Doppelbödigkeit oder Arroganz der Sinnvollendung sich mit Vorsicht oder Ungeschicklichkeit an diese Aufgabe heranwagt. Wenn Lanzmann bewusst Archivbilder ablehnt, 7 so liegt in dieser gegen das Archiv gerichteten Geste die Weigerung, im Gesicht jene Informationen aufzunehmen, die es ermöglichen würden, das Unvordenkliche der Gewalt zu erfassen. 8 Aus diesem Grund versucht der Film, den Bruch mit der archivalischen Ordnung zu materialisieren, indem er die Schwelle zur testimonialen Ordnung übertritt. Auch wenn Lanzmann so oft auf der ,Fiktion als Überschreitung‘ bestand, gibt es in der Zeugenaussage immer eine Überschreitung, da sie sich immer am Limit befindet. Es handelt sich dabei allerdings um eine Grenze, die grenzenlos ist, weil sie unaufhörlich überläuft und mit sich reißt. Wie die radikale Alterität lässt sich die Katastrophe nicht an ihren erzählerischen Komponenten messen. Bombas Zeugengeste ruft uns zum 5 Emmanuel ­Levinas: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität, Freiburg, München 52014, S. 44. 6 Jean-Luc Nancy: Am Grund der Bilder, Berlin, Zürich 2006, S. 71. 7 Lanzmann lehnt visuelle Archive ab und zieht es vor, von einer ,Fiktion des Wirklichen‘ zu sprechen. Dennoch werden verschiedene Fotografien und Archivmaterialien gezeigt und/oder gelesen, aber sie werden immer über einen Protagonisten präsentiert und zielen nicht darauf ab, einen direkten Zugang zum Ereignis selbst zu ermöglichen. 8 Das Archiv sollte nicht mit Lanzmanns eigener Rolle als Film-Archivist verwechselt werden. Denn er schafft ein Werk, das nicht nur archivierbar ist (siehe das Archiv des Zeugniskinos), sondern eine kostbare Sammlung, die zum Archiv der Geschichte beiträgt. Und das, obwohl sein Vorbehalt gegenüber dem audiovisuellen Archiv mit seiner sogenannten ikonoklastischen Haltung einhergeht. Didi-Huberman erinnert uns immer wieder daran, dass wir „nie vergessen dürfen, dass jedes visuelle Archiv die Welt, die es darstellt, in keiner Weise erschöpft, sondern nach einer Ökonomie der Lücke, des Überbleibsels, des trotz allem funktioniert. Es gibt viel mehr Bilder, die zerstört wurden, als Bilder, die aufbewahrt werden konnten.“ Marc Augé, Georges Didi-Huberman, Umberto Eco: L’expérience des images, Paris 2011, S. 105. 339 340 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly Zeugen auf, denn sein Schweigen unterbricht den Lauf der Zeit der Dinge (der chronologischen und sozialen Zeit) und öffnet das Bild. Diese Unterbrechung, anstatt das Bild in seiner Form zu fixieren, exponiert die unendliche und grenzenlose Offenheit, die zu Recht und ohne jeden Widerspruch die Grenze des Zeugnisses selbst ist. RZO: Bleiben wir noch ein wenig bei dieser Frage des ,Undarstellbaren‘. Wenn man den ­Levinas’schen Überlegungen weitgehend folgt, wäre es angebracht, das Undarstellbare nicht mehr als die Auferlegung einer moralischen Norm zu denken, die die Darstellung begrenzt und einengt oder sogar verurteilt. Das Undarstellbare markiert dann nicht die ,Überführung‘ eines moralischen Verbots oder eines religiösen Gebots – etwa des berühmten Bilderverbots in der Thora –, das der künstlerischen oder historischen Darstellung eines katastrophalen Ereignisses auferlegt wurde. Bekanntlich gab es nach Aussagen einiger – und um hier nur die wichtigsten zu nennen: Jacques Rancière, Alain Badiou und, etwas differenzierter, Georges Didi-Huberman – eine gewisse ,Überführung‘ des biblischen Bilderverbots von Gott auf die Möglichkeit, die Vernichtung der europäischen Juden darzustellen. Demnach hätten sich L ­ evinas (vielleicht, wenn auch anders, Adorno und ein gewisser Lyotard) oder auch ein Claude Lanzmann in „philosophischen, ja sogar religiösen Leichtfertigkeiten“ verfangen, d.h. in diesem Bilderverbot, dem „,Allerheiligste[n]‘, eine[m] als unnahbar, unantastbar, unvorstellbar und nichtdarstellbar fantasierten Raum,“ 9 um hier den Text von Didi-Huberman Aus dem Dunkel heraus. Brief an László Nemes über den Film Son of Saul (2015) von László Nemes zu zitieren. Die Kunst sei nach der Shoah dazu verurteilt, Zeuge einer nicht darstellbaren Katastrophe zu werden. Diese Verfechter des ,Undarstellbaren‘ hätten sich daher in ein unumstößliches theologisches Gesetz geflüchtet und darauf beschränkt, eine reine uneinheitliche und inhärent sinnlose moralische Position einzunehmen, indem sie aus dem ,Undarstellbaren‘ ein einfaches ,Nichtdarstellbares‘ machten, und hätten daher eine unnachgiebige und unerbittliche Art von antirepräsentativer Gesetzgebung erlassen. Um es gleich vorweg zu sagen: Das, was ich hier mit L ­ evinas als das ,Undarstellbare‘ bezeichne, lässt sich nicht auf eine normative moralische Kategorie reduzieren, deren Funktion darin bestünde, wen oder was die Darstellung abbilden oder sich vorstellen könnte, zu begrenzen. Ebenso wenig kann es sich vom Register der Repräsentation bis zu dem reinen und abstrakten Punkt lösen, wo diese keine oder kaum mehr eine Wirkung zu entfalten vermag. Das Undarstellbare, wie ich es bei ­Levinas lese, ist weder ein erzieherisches Gebot, das ein klares und eindeutiges begrenzendes Verbot der Darstellungsordnung konstituiert, noch eine rein 9 Georges Didi-Huberman: Aus dem Dunkel heraus. Brief an László Nemes, Wien 2017, S. 11–12. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss abstrakte Idee, die von dem, was in der Darstellung repräsentiert wird, losgelöst oder abgeschottet ist. Das Undarstellbare kann keine einfache antirepräsentative Forderung darstellen, die von vornherein alles verurteilt, was dargestellt werden könnte, und auch nicht das, was darauf abzielt, es darzustellen, aber es kann auch nicht in sich selbst, in einer rein idealen Stellung verweilen, wo es niemals zum Gegenstand von Darstellung würde. Kurz gesagt, weder ein ,moralisches Gebot‘ noch ein ,reines Außen‘ oder ein ,abstraktes Jenseits‘ jeglicher Darstellung – L ­ evinas hat mich gelehrt, in Richtung des ,Undarstellbaren‘ zu denken. Wer von ,undarstellbar‘ spricht, markiert nicht ein ,Nicht-Verhältnis‘ zur Darstellung. Vielmehr handelt es sich um ein bestimmtes Verhältnis zum Undarstellbaren in der Darstellung. Eine Bemerkung zum Werk einer Künstlerin, Bracha L. Ettinger, bei der der Bezug auf L ­ evinas, anders als 10 bei Lanzmann, recht konstant ist. Was mich am Werk dieser Künstlerin interessiert, ist eine bestimmte Art und Weise, wie sie in ihrer Malerei, ihren Zeichnungen und ihrer Fotografie das Konzept des Überlebens auf den Spuren von ­Levinas bearbeitet. Die Frage, die ihr Werk behandelt, wäre folgende: Ist das Überleben des singulären historischen Ereignisses nicht auch ein Überleben der Toten? Diese Toten sind für ­Levinas nie einfach tot, nie einfach vergangen; sie leben immer unter uns, in uns. Das historische Ereignis zu überleben bedeutet vor allem, unser Gedächtnis mit eben dem zu konfrontieren, das fortwährend von der unassimilierbaren und nicht integrierbaren Singularität des Todes heimgesucht wird, wo diese unaufhörliche Heimsuchung in uns eine hyperbolische Verantwortung gegenüber dem hervorruft, was nicht mehr lebendig, niemals einfach tot ist, ebenso wie gegenüber dem, was noch nicht lebendig, noch nicht geboren (und noch nicht tot) ist, und dies unausweichlich. Dass die Frage nach der Zukunft nicht der Frage nach der Vergangenheit gegenübergestellt wird, ist eine der großen Lektionen von L ­ evinas. Es ist eine der großen L ­ evinas’schen Gesten, dass wir uns sowohl für eine Aufforderung verantwortlich fühlen, die von früher herkommt, als auch für eine Aufforderung, die direkt von vor uns herkommt und deren Appell wir im Voraus hören können. Nun ist es vielleicht meistens so, dass die Fragen des Überlebens und des Zeugnisses aus einer bestimmten Haltung gegenüber dem Bild des Untoten heraus entschieden werden. Dies wäre, so scheint es, die Bedingung für ein Überleben, das immer versucht, mehr zu tun, als nur des historischen Ereignisses zu gedenken, und vom philosophischen Denken eine verstärkte Konfrontation [face-à-face] mit der Geschichte verlangt, bei der die Singularität dessen, was geschieht, der Möglichkeit der Vorhersage immer voraus ist und so ihre Verstehbarkeit, ihre einfache Erkennbarkeit und Vergangenheitsbewältigung durchkreuzt und übersteigt. 10 Bracha Ettinger: »Rethinking Subject through Theology, Psychoanalysis and ­Levinas«, in: Youtube Kanal: European Graduate School Video Lecture, 24.11.2013, online unter: https://www.youtube.com/watch?v=hlSxiM_69l8 (letzter Zugriff 17.04.2023). 341 342 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly MAB: Was uns das Undarstellbare zwingt zu erfassen, ist dieses unvermeidbare Stottern zwischen ,dem Zuviel und dem Zuwenig‘, ,dem Zufrüh und dem Zuspät‘, d.h. die ständigen und wiederkehrenden Verschiebungen. Es gibt etwas Unvordenkliches und Gespenstisches im Spiel der Bilder, und ganz gewiss in jenen, die überlebten oder auf das Überleben reagierten. Es besteht also eine anhaltende Spannung zwischen der Irreduzibilität des Anderen und der synoptischen Potentialität von Bildern, wie sie dem Kino eigen sind. Wenn das katastrophale Ereignis ganz offensichtlich die Strukturen allen Erscheinens, die repräsentativen Formen und Inhalte erschüttert, können die Künstlerinnen eben diese Verlegenheit lediglich ,repräsentieren‘. Die Katastrophe im Nachhinein durch künstlerische Kreationen zu bezeugen, erinnert uns, wie Derrida sagt, daran, dass „jedes verantwortliche Zeugnis zu einer poetischen Erfahrung der Sprache verpflichtet.“ 11 Die (testimonialen) Bilder konstruieren in diesem Sinne ,Blicke‘ und ästhetische Sprachen, die sich am Anderen orientieren, wobei das Bild immer schon von der Ethik angezogen wird. Aber, wie gesagt, eine radikale Ethik, ohne Konzessionen, ohne normatives Programm, ohne sedimentierte Weisungen. Wenn sich, wie L ­ evinas schreibt, in der Ethik „das kritische Wesen des Wissens [erfüllt]“, 12 dann lenkt sie auch die Kritik und die notwendigen Dezentrierungen der Bilder. Das Gesicht ist also eine unendliche Aufforderung, die die künstlerische Geste unweigerlich lenkt. RZO: Hier berühren wir den Kern der Frage nach der Verantwortung im Sinne der Möglichkeit, die Verantwortung über die moderne Tradition der Philosophie hinaus zu denken, und zwar gemäß eines notwendigen Überschusses an Verantwortung: d.h. es geht darum, eine Aufhebung, eine Zäsur dieser essentialisierenden Zeitlichkeit der Geschichte zu denken, innerhalb derer ein Ereignis nur als solches ist, wenn es seit jeher in den allgemeinen Sinn der Geschichte eingeschrieben ist, und daher nur insofern ist, als es in Begriffen einer momentanen ,Krise‘ gedacht wird, reduziert auf einen ,Augenblick‘ der Dysfunktionalität des bezeichneten Entwurfs der Geschichte. Dies ist eine schwierige, oft unbequeme philosophische Aufgabe, die eine äußerst komplizierte Beziehung zu den Phantasien von Trost und Beruhigung hat, die in der Philosophie viel tiefer verwurzelt sind, als man es allgemeinhin zugeben möchte. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, auf welcher Idee und von welchem Ort aus die Geschichte Zeugnis ablegen könnte von singulären historischen Ereignissen und Fragen, ohne sie auf ein essentialisierendes Verständnis zurückzuführen, in dem ihre Singularitäten selbst auf 11 Jacques Derrida: Poétique et politique du témoignage, Paris 2005, S. 9 [Franz. i.O., Anm. d. Ü.]. 12 Emmanuel ­Levinas: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität, Freiburg, München 52014, S. 51. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss ,Momente‘ reduziert werden, die bereits zu einer historischen Erzählung und einem historischen Plan gehören? Nachdem wir über diese Anforderung, die Singularität in der Geschichte von einer gewissen ,Gegengeschichte‘, ,Gegenessentialisierung‘ und ,Gegenteleologisierung‘ der Geschichte aus neu zu denken, gesprochen haben, sollten wir hinzufügen, dass ich niemals – und ­Levinas verfällt dem ebenfalls nie – ausgehend von einem Ereignis, das radikal von der Geschichtlichkeit der Geschichte abgeschnitten ist, d.h. einer gewissen menschlichen Geschichte, auf die Singularität oder die Anforderung schließen würde. Es ist nicht meine Absicht das Denken im Unüberwindbaren, Unfassbaren, Undenkbaren, Unkommunizierbaren, Unverzeihlichen (im ,Nicht-Darstellbare‘ [l’irreprésentable], wie wir sagten) als e­ infache Umkehrungen einer Geschichte zu fixieren, die jedes historische Ereignis heilen und rechtfertigen würde. Schließlich war es ­Levinas, der mich gelehrt hat, jedes Mal ein bestimmtes Verhältnis zum Universellen zu artikulieren. Das Universelle bedeutet hier eine Idee des Menschlichen, die jenseits jedes Partikularismus, jenseits jeder Zugehörigkeitsidentität teilbar ist. So markiert das Universelle die Möglichkeit einer gewissen Übertragbarkeit des Diskurses. Mit ­Levinas ist es ganz sicher ein Universelles, das von der Singularität her überarbeitet, neu ausgerichtet wird, von der Forderung der Singularität her, von ihrem Leiden, ihren Traumata, ihrem Anteil des Untröstlichen. Aber mit ­Levinas werden wir niemals einfach ohne das Universelle auskommen. Es ist L ­ evinas, der mehr als jeder andere versucht hat, die Idee des Universellen neu zu denken, und zwar nicht aus dem Dialogischen, der Anerkennung, dem Gemeinsamen der Gemeinschaft – und damit aus dem, was traditionell die rationale Bewertung von partikularen Diskursen bei der Etablierung einer gemeinsamen Norm erlaubt und für gewöhnlich begründet –, sondern aus einer anderen Quelle, deren erster Aufschwung nicht die Universalität der Vernunft ist, sondern die ,ethische Adressierung‘. Es ist nicht das kritische Hinterfragen, sondern die ,Antwort‘, die ,Verantwortung‘, die jeder intentionalen Absicht vorausgeht, die unser ,Zusammensein‘ ,begründen‘ und ,konstituieren‘. Diese andere Quelle öffnet uns für einen anderen Humanismus, gemäß dem Ausdruck von L ­ evinas einen Humanismus des Anderen. Dieser drückt sich jedoch niemals als eine Vernachlässigung oder Verneinung des Universellen aus, sondern engagiert sich gerade in seiner Neuformulierung aus einer anderen Quelle als der eigenen, d.h. einer anderen Quelle als der Identifizierung der Universalität des Menschen. Das Universelle zu leugnen, indem man lediglich eine Singularität ohne Bezug zum Universellen behauptet, wäre ein schwerer philosophischer, politischer und, sagen wir es hier, ästhetischer Fehler. Denn eine solche Leugnung, eine solche Verneinung des Universellen, würde zu dem führen, was wir die ,unendliche Differenzierung‘ unzusammenhängender 343 344 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly Ereignisse, die Serialisierung von Differenzen, die bloße Kenntnisnahme partikularer Ereignisse ohne jeglichen Bezug zueinander nennen könnten, was zu einer Geschichte führen würde, in der sich lediglich partikulare Vorkommnisse ausbreiten würden. Den Bezug zum Universellen zu leugnen, würde die Verneinung der radikalen philosophischen, politischen und ästhetischen Geste des Bindens und Zusammenfügens bedeuten. Das Universelle in den Wind zu schlagen und sich damit zu begnügen, nur das Partikulare zu denken, birgt in der Tat die Gefahr, dass das Denken in der weitestgehenden Gleichgültigkeit versinkt. Wir müssen sie zusammen denken, also Singularität und Universalität aneinander und miteinander verbinden – die Frage lautet nur: Von welchem Ort aus? Von welchem Gesetz aus? Von welchem Bild aus müssen wir Singularität und Universalität aneinander und miteinander verbinden, ohne das gleiche repräsentative und damit essentialisierende Schema der Geschichte zu reproduzieren, jenes ­Schema, von dem wir nun sehen, dass es jedes historische Ereignis zum Augenblick oder Moment einer ,Krise‘ macht, und damit zum Augenblick oder Moment, der immer wieder aufgerichtet, verstanden, überschritten und übertroffen wird (Hegel)? Kurzum, wir müssen dieses andere Geschichtsdenken philosophisch und politisch denken, aber vor allem ästhetisch, und hier ist ein anderes Bilddenken erforderlich. MAB: Ja, es wäre sozusagen ein Bilddenken, das unsere epistemologischen und hermeneutischen Vorrichtungen und Kategorien sowie unsere ­,Affekte‘ und Zuschauergefühle reizen würde. Daher könnte man sich in gewisser Weise mit L ­ evinas fragen, ob Bilder auch wie Liebkosungen gesehen und gefühlt werden können – Liebkosungen ohne die Codes und Erwartungen der Erotik, wie wir sie für gewöhnlich zu verstehen pflegen. Die liebkosenden Bilder, um sie so zu nennen, würden eine ,andere‘ Erotik aufzeigen, die sich unermüdlich selbst sucht und den Betrachter einlädt, mit ihnen zu suchen. Die Liebkosung ist das Rätsel, nicht als Spiel einer Hermetik, die die Fähigkeiten der Zuschauenden herausfordert, sondern die Bedeutung der Sprache und der ethischen Beziehung, wie eine ,Verschiebung‘ oder eine Auszeit, ein Intermezzo des Sichtbaren. In diesem Sinne bedeutet der Andere, indem er die Phänomenalität stört und aus den Angeln hebt. Die filmischen Künste sind erotische Asymmetrien, ohne Verschmelzung, um den elementaren Ausstrahlungen der Beziehung mit anderen ,Raum zu geben‘. Dies veranlasst uns, über Bilder jenseits des strikt visuellen Paradigmas nachzudenken. Die Liebkosung ist eine Art der Berührung; sie tastet die Sinne und den Sinn ab. Die Liebkosung ist das Für-den-Anderen des Bildes, da sie die plastischen Wege, die wir zu gehen pflegen, destabilisiert. „Die Liebkosung“, schreibt ­Levinas, „besteht darin, nichts zu fassen; sie besteht darin, das anzustreben, was sich ohne Unterlaß […] entzieht; [sie] Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss sucht, sie ist auf einer Spur.“ 13 Man könnte diesen Gedanken sogar weiterführen, indem man das Begehren anruft, das, was unendlich lange vertieft wird... An dieser Stelle möchte ich jedoch noch einmal auf das Gesicht und die filmischen Bilder zurückkommen. So wie man nicht über L ­ evinas ohne den Begriff des Gesichts sprechen kann, wird man nicht über das testimoniale Bild sprechen können ohne die Gesichter jener Zeugen, die auf die Leinwand gebracht werden. Dennoch sollte man diese analoge Vereinfachung entwirren, denn, so verlockend es auch sein mag, das Gesicht ist in erster Linie eine Zumutung und ein Ausdruck, der immer frontal und singulär ist. Wenn das Gesicht unaufhörlich und unmissverständlich in allen Instanzen des Sichtbaren ,gewebt‘ und ,geprägt‘ wird, muss natürlich daran erinnert werden, dass das Gesicht Ausdruck ist, insofern es die Phänomenalität überschreitet, selbst wenn selbiges eine Voraussetzung für die Phänomenalität ist. Das gefilmte Gesicht, das somit Sinn vermittelt, löst sich jedoch nie von seiner ethischen Nicht-Phänomenalität. Der Ausdruck des Gesichts ist ursprünglicher als die Signifikanz seiner Erfassung in Zeichen. Oder, im weiteren Sinne, das Gesicht als erste Struktur der Sozialität entgeht nicht der Welt der Bilder. 14 In Wirklichkeit zwingt uns gerade dieser Begriff des Gesichts, über diese spannungslose Spannung der Nicht-Manifestation und der NichtSubstanz des Gesichts des Bildes nachzudenken, wenn ich so sagen darf, als die Spur, die eine Unterbrechung der Ordnung der Welt ist, die nirgendwo anders ist als in dieser Störung. Das Gesicht unterbricht das Sichtbare im Sichtbaren. (Gleichzeitig, da ich mir diese Freiheit nehme, dies vorzuschlagen, denke ich mir, dass wir vielleicht gar nicht so weit entfernt sind von der Gefahr, nicht so sehr der Fehlinterpretation, sondern der Bedeutungsfixierung von Begriffen.) Das Gesicht ist Bewährung und Verrücktheit [dé-lire] des Sichtbaren. Genauso wie die Bilder jedes Mal und an jedem Ort noch nie dagewesen und durchdringend sind. Auch hier kommen wir immer wieder auf das Zeugnis zurück. Das Zeugenbild 15 verpflichtet, ohne Gebrauchsanweisung, ohne Rezept. Sie lässt die Strahlen des Anderen ,sein‘, auftauchen, ausströmen, atmen, 13 ­Levinas: Totalität und Unendlichkeit, a.a.O., S. 375f. 14 Vgl. Hagi Keenan: The Ethics of Visuality: ­Levinas and the Contemporary Gaze, London 2013. Vgl. auch in diesem Band: Hagi Kenaan: »Im Angesicht der Bilder nach ­Levinas«, in diesem Band, S. 160–181. 15 An anderer Stelle habe ich versucht, die Relevanz von ­Levinas’ Denken zu betonen, wenn man sich auf die Beziehung zwischen Bild und Zeugnis jenseits der Darstellungsund Schauordnungen beruft. Genauer gesagt geht es darum, das Gesicht als demonstrative und enthüllende Figur (die oft typisch für audiovisuelle Zeugenaussagen ist) zu entweihen und zu entkarikieren, um die unendliche Gratwanderung zu enthüllen, die das Zeugenbild einzigartig macht. In diesem Text habe ich das Zeugenbild als das Bild definiert, das von massiver Gewalt zeugt, ohne den Anspruch zu erheben, das genozidale Ereignis vollständig zu umfassen, zu belegen oder zu beherrschen. Das Zeugenbild ist 345 346 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly obwohl diese Strahlen in den katastrophalen und traumatischen Erfahrungen so sehr kompromittiert und erschüttert hätten werden können. Um auf Bomba in Shoah zurückzukommen: Er ist nicht das Gesicht in der Halbtotale, auf das man zoomt und das man aufzeichnet, das man durch Analogie domestiziert; er ist der Ausdruck einer Verletzlichkeit, einer Zerbrechlichkeit, die stets in Not ist. In diesem Von-Angesicht-zu-Angesicht ist Bomba sowohl in einer detaillierten und präzisen, weltlich verorteten und erschreckenden Situation verankert als auch ,aus dem Zusammenhang gerissen‘ (er wird sich nie auf seine Figur als Überlebender, auf die von der Betrachterin definierten Wahrnehmung und damit noch weniger auf seine Photogénie beschränken). Das Bild oder das Kunstwerk ist nicht im Verzug; es ist immer Dringlichkeit, auch wenn es uns im Nachhinein in einer Arbeit des Ver-Lesens zurücklässt. Die Kunst wählt uns aus, weist uns zurück, wie eine Verrücktheit, die im Akt des Lesens und Auswählens eine unvermeidliche Passivität erzwingt; in dieser Ansprache an das Ich, ohne dass ein anderer als ich darauf antworten könnte. Es gäbe ein Anderes des Werks, denn in ihm ist der Andere immer untergebracht, in seiner unablässigen Verlagerung. „Die Gerechtigkeit besteht darin, im Anderen meinen Meister anzuerkennen“ 16; die Vertikalität, von der hier die Rede ist, erschüttert jede erwartete Horizontalität. In diesem Zusammenhang hast Du viel mit dieser Ethik der Auserwähltheit gearbeitet, insofern sie sich von jedem Willen, jeder Freiheit oder Macht unterscheidet. RZO: Rufen wir uns zunächst in Erinnerung, dass ­Levinas’ Terminologie allzu oft und allzu leicht mit theologischem Sprachgebrauch in Verbindung gebracht wird und dass dieser Sprachgebrauch allzu häufig mit Gleichgültigkeit oder ästhetischer Unempfindlichkeit assoziiert wird. L ­ evinas wurde für diesen Rückgriff auf eine theologische Terminologie in der Philosophie oft kritisiert. 17 Es stimmt zwar, dass die Wortwahl des Auserwähltseins dem biblischen Universum und dem hebräischen Sprachgebrauch entnommen ist, aber es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass L ­ evinas’ Geste nicht einfach darin besteht, biblische Begriffe in den philosophischen Diskurs zu importieren. Es muss aufgezeigt werden, inwiefern und wie diese hebräischen Signifikanten nicht theologisch sind und wie sie einen gewissen hebräischen Geist berühren und beeinflussen könnten, wenn man sie in das philosophische und mehr noch in das ästhetische Denken einführen würde, so wie L ­ evinas es getan hat. Wenn wir es nach L ­ evinas’ Art wagen das Bild, das den Schlag der Gewalt enthüllt und gleichzeitig über seine Ausdrucksund Übertragungsweisen reflektiert. Vgl. Marie-Aude Baronian: »Entre les visages: ­l’image-témoin en glissement«, in: Intermédialités 36, Fall 2020, S. 1–20. 16 ­Levinas: Totalität und Unendlichkeit, a.a.O., S. 97. 17 Vgl. Dominique Janicaud: Le Tournant théologique de la phénoménologie française, Paris 1991. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss – diese außergewöhnliche Begegnung zwischen Phänomenologie, Kunstdenken und einer bestimmten hebräischen Wortwahl –, so bedeutet dies, dass diese Konfrontation der Philosophie mit dem hebräischen Wortfeld, und zwar in einem ganz besonderen Sinn, innerhalb des philosophischen Denkens Verschiebungen und Übertretungen [débordements] hervorrufen könnte, die dieses dazu zwingen, die Totalität seiner grundlegenden Annahmen zu überprüfen. Die Philosophie muss – ausgehend von dieser ­Levinas’schen Provokation des Auserwähltseins – ihre griechischen Voraussetzungen, ihre onto-phänomenologischen Voraussetzungen sowie alle damit verbundenen Wiederaneignungen des Christentums überprüfen und somit die christlichen und theologischen Voraussetzungen des philosophischen Diskurses neu hinterfragen. ­Levinas weist wiederholt darauf hin, dass seine philosophische Geste nicht auf die Formulierung einer Theologie zurückzuführen ist, sondern vielmehr versucht er, sowohl den Gott theos, Gott als causa sui, erste, letzte Grundlage, als auch den Logos als Zusammenführung im Einen, Vereinheitlichung, zu hinterfragen. ­Levinas’ Geste bezieht ihren Sinn und ihre Orientierung aus einer anderen Quelle des Sinnvollen, einer anderen Quelle ohne theos oder logos, um ihn hier zu paraphrasieren. Es stimmt zwar, dass die Philosophie sich immer am Theologischen gemessen und mit ihm auseinandergesetzt hat, aber die radikale Neuheit von ­Levinas besteht darin, zu erkennen, weshalb die Beziehung zwischen Philosophie und Religion (und ganz besonders dem Hebraismus) weit davon entfernt ist, einander radikal zu widersprechen oder eng miteinander zu verschmelzen, vielmehr die Möglichkeit eines anderen Ausgesetztseins gegenüber dem Sinn, logos, theos und damit eines anderen Ausgesetztseins gegenüber dem Kunstwerk in sich trägt, das eine völlig neuartige Subjektivität eröffnet und auch einen völlig anderen Zugang zur Alterität, zur Zeitlichkeit, zum Guten, zu Gott und zur Verantwortung bewirkt, um hier nur diese fünf Kernideen der Philosophie von ­Levinas zu erwähnen. Die Idee des Auserwähltseins scheint in der Ordnung des philosophischen Diskurses unvorstellbar, sowohl in ihrer universalistischen griechischen Herkunft als auch in ihrer paulinischen Abstammung. Folglich wird sie allzu häufig in die Schranken des Theologischen verwiesen. Doch ­Levinas ist weit davon entfernt, eine theologische Idee einfach in den philosophischen Diskurs zu übernehmen, sondern er versucht, sie nicht nur aus ihrer theologischen Bestimmung herauszulösen, sondern in ihr eine spezifische, nicht auf diese vorbestimmte Ordnung des Diskurses reduzierbare Bedeutung auszumachen, um so den philosophischen Diskurs zu erschüttern. Dadurch wird diese Idee ebenso irreduzibel auf die vorbestimmte Ordnung eines bestimmten philosophischen Diskurses. Angesichts des Auserwähltseins wird es der philosophische Diskurs selbst sein, der seinen inhärenten Essentialismus enthüllt, seinen Immanentismus, seine unentwegte Rückkehr zu sich selbst, seine Verfangenheit zwischen 347 348 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly einer Suche nach den Ursprüngen und einer hypothetischen (Kant) oder tatsächlichen (Hegel) Teleologie. Angesichts des Auserwähltseins wird sich der philosophische Diskurs als eine Ordnung des Diskurses erweisen, der unfähig ist, das zu sagen und auszudrücken, was ihm anders, heterogen, heteronom ist. Alle diese ontologischen Verdichtungen, die sich nicht aus einer Form der Essenzialität lösen können und die alle an einer Logik der intersubjektiven Wiedererkennung teilnehmen, werden somit von dem, was ­Levinas als Ethik bezeichnet, von dem, was er auch als Bündnis, Prophetismus und Transzendenz bezeichnet, überschritten und gestört. Die Idee des ­Auserwähltseins bei L ­ evinas erschüttert und untergräbt die Sichtbarkeit, die Repräsentation, die Thematisierung, den Vergleich, die Synchronie, die Reziprozität, die Versöhnung, die Ontologie (Liebe, Vergebung, Opfer), aber auch das Recht, den Vertrag, den Staat. Nicht zu vergessen die Erschütterung der Kunst, die in gewisser Weise eher an diese Art von Vorrangigkeit gewöhnt ist. Werden wir nicht immer von der Kunst und dem Bild überwältigt oder überfordert? Werden wir nicht immer von der Kunst auserwählt, bevor wir uns selbst sehen oder in uns selbst unsere Betrachterin oder unseren Zuschauer erkennen? In diesem Sinne sehen sich alle diese Orte unentwegt von einer inkommensurablen Alterität durchdrungen, ja bewohnt, bis zu dem Punkt, an dem sie sich niemals als zugehörig, besitzend oder angeeignet erweisen. Vielmehr werden sie von dem Gebot einer irreduziblen und unassimilierbaren Alterität verfolgt. Und wenn diese Alterität die der Kunst wäre, die mit dem Kunstwerk eintritt? ­Levinas bricht sicherlich mit der Vorannahme eines gesicherten, feststehenden und gewissen Universellen, ebenso wie mit dessen postulierter Endlichkeit, die von einer autonomen und freien Subjektivität vorgebracht wird. Er bricht mit der ,unzureichend hinterfragten‘ Vorannahme einer klaren und deutlichen Grundvoraussetzung, ebenso wie mit dem vorherbestimmten Ziel der Erkenntnis. Und gerade diese Infragestellung des Universellen, um das es hier geht, wird von der Idee des Auserwähltseins aus erfolgen. Denn bei der Idee des Auserwähltseins geht es weniger darum, die Anerkennung auf Grundlage der Autonomie freier Subjekte anzustreben, die in der Lage sind, für sich selbst das Gesetz ihres moralischen Handelns gegenüber anderen rationalen und autonomen Wesen zu bestimmen, als vielmehr darum, dass sie eine Singularisierung des Subjekts angesichts einer singulären Andersartigkeit mit sich bringen wird. Das Auserwähltsein wird die Subjektivität auf einzigartige Weise zur Verantwortung wachrufen, die vor dem singulären Appell einer ganz anderen und, weil ganz anderen, nicht erkennbaren und unkenntlichen Andersartigkeit steht. Von daher kann man sich fragen, ob Kunst nicht eine Sache des Auserwähltseins ist: Sie hat mit einer Bedeutung zu tun, die derjenigen Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss ­ orausgeht, die ich vorgebe, und ist eine Sache der Überraschung und Unv fassbarkeit, des Erwachens, wobei sie die subjektivistische Verpflichtung unterläuft, alles anzunehmen oder zu akzeptieren, was von außen hereinoder ankommt. Es ist, als ob man sich vor der Kunst und den Bildern selbst als Fremder im eigenen Haus offenbart, ja sogar als ob man im eigenen Haus immer empfangen wird als Untermieter, als Passagier ,auf Erden‘, als Exilant und Umherirrender außer Haus, der dem Selbst am nächsten ist. Wenn wir zu unserer Diskussion über den Holocaust und seine Darstellbarkeit zurückkehren, scheint sich hier ein schreckliches Paradox abzuzeichnen. Denn wir sprechen über die sehr heikle Intervention zeitgenössischer Künstler rund um die Shoah und ihre singulären Katastrophen. Die Künstler, die mich interessieren, beschäftigen sich intensiv mit dieser Problematik der Kunst und der „verstümmelt[en]“ 18 Erinnerung, um hier Adorno zu zitieren, sei es im Rahmen von ,Auftragsarbeiten‘ (Museen, Gedenkstätten und Mahnmalen) oder in ihrem eigenen künstlerischen ­Werdegang und ihrer eigenen künstlerischen Arbeit. Diese Künstler (ich denke insbesondere an Moshe Kupferman, Jochen Gertz, Micha Ullman oder auch und auf andere komplexe Weise an Gerhard Richter) konfrontieren und setzen sich mit der Frage nach der Kunst angesichts der Katastrophe der Shoah auseinander, oder genauer gesagt, mit Kunst angesichts einer vom Blitz getroffenen Erinnerung, auch angesichts von Gedenkstätten, deren Verantwortung darin besteht, unsere Beziehung zu dieser katastrophalen Erinnerung zu bewahren und zu schützen. Doch, sagen wir es etwas drastischer: diese Künstler stellen sich einem gefährlichen und abgründigen Paradox, das sich notwendigerweise und unausweichlich immer dann aufdrängt, wenn man sich mit der Frage der Katastrophe konfrontiert sieht. Kunst kann die Repräsentation nicht vermeiden – d.h. alles, was die Ausstellung, das Licht, die Werbung, die Präsentation, die Klarheit der Veranstaltung, die museale Institution, die ganz auf die Ausstellung ausgerichtet ist, die Präsenz des Seins oder die Präsenz der Präsenz, nennen wir es die ,Verkörperung des Ereignisses‘, ausmacht –, während selbst in diesem Wunsch, im Herzen ihrer Arbeit, zwangsläufig so etwas wie ihr Scheitern oder sogar ihr Verrat liegt oder sich verbirgt. Sobald die Katastrophe dargestellt, archiviert und formalisiert wird, beispielsweise durch museale Institutionalisierung, wird sie von Grund auf von einem historischen oder faktischen Begreifen erfasst, das sie in eine gewisse ,Vergangenheitsbewältigung‘ ihrer Ereignishaftigkeit einbindet. 18 [Theodor W. Adorno: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. Gesammelte Schriften. Band 6, hrsg. v. Rolf Tiedermann, Frankfurt a.M. 41990, S. 292. Vgl. auch Theodor W. Adorno.: Erziehung nach Auschwitz, in: ders.: Erziehung zur Mündigkeit, ­Frankfurt a.M. 1971, S. 95; Anm. d. Ü.] 349 350 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly Natürlich wollen wir hier nicht behaupten, dass die Ereignishaftigkeit der Shoah in der Archivierung negiert oder abgetan wird, sondern nur aufzeigen, inwiefern und warum das Archiv auch ein Risiko – oder vielleicht sogar eine Gefahr – birgt: das Risiko besteht darin, das Ereignis zu überschreiten, indem es beispielweise durch eine philosophische Sprache angeeignet wird, obwohl sie doch gerade versucht, es zu erhalten und vor dem Vergessen zu bewahren. Vielleicht ist es gerade deshalb Aufgabe der Kunst, ein solches Paradox zu durchkreuzen oder zumindest zu verhindern, dass das Archiv in ein solches Paradox abrutscht. Vielleicht obliegt der Kunst die schwere Verantwortung – denn die Kunst hätte hier eine nicht ausschließlich oder nur moralische, sondern auch und vielleicht hyperkritische Verantwortung –, das Ereignis vor seiner Verarbeitung zum Archiv zu bewahren, vor seiner Verinnerlichung als klassifiziertes und klassifizierbares, verzeichnetes und katalogisiertes Dokument. Die Kunst hat die Verantwortung, das Unheilbare zu schultern und neu durchzuspielen. MAB: Die Frage des Archivs ist in der Tat von entscheidender Bedeutung. Sie ist im Übrigen eng mit der Frage der Zeugenschaft verbunden. Und wieder kehren wir zur Zeugenschaft zurück! Sei es die Arbeit des armenisch-kanadischen Künstlers Atom Egoyan oder, in einem anderen Bereich, des kambodschanischen Künstlers Rithy Panh, sie beklagen den Mangel an Archivbildern, indem sie über das Bild selbst nachdenken und die dem Archiv eigene Dualität betonen. Unbestritten ist Derridas Beitrag in Dem Archiv verschrieben von 1995 ein echter Wendepunkt. 19 In Wirklichkeit steht das ,Leben‘ des Archivs auf dem Spiel – das Leben, das geschaffen wird, und das Leben, das migriert und ,sich bewegt‘ –, das den Tod und seinen kommenden Tod in sich birgt. Egoyans Arbeit scheint mir daher besonders einschlägig zu sein, da seine gesamte Praxis (Spielfilme, Kurzfilme, Videoinstallationen), wenn auch manchmal nur implizit, die Frage aufwirft, wie man aus der Herrschaft der Zeichen ausbrechen und vermeiden kann, Beweisbilder zu produzieren oder zu begünstigen. 20 Angesichts der Darstellungen und Bilder im spezifischen Kontext des Völkermords an den Armeniern erscheint mir diese ,doppelte Konfrontation‘ unausweichlich; das heißt, es geht sowohl um die fehlenden Bilder in Bezug auf das genozidale Ereignis als auch um den inhärenten Mangel des Bildes, das katastrophale Ereignis darzustellen. Kurz gesagt, es ist die Katastrophe, die dem Bild fehlt. 19 [Jacques Derrida: Dem Archiv verschrieben, Berlin 1997. Die französische Originalfassung Mal d’archives ist 1995 erschienen; Anm. d. Ü.] 20 Vgl. zur Frage nach dem Archiv im Œuvre von Atom Egoyan meinen Text: ­Marie-Aude Baronian: »Archive, Memory, and Loss«, in: Ann Rigney, Chiara de ­Cesari (Hg.): Transnational Memory: Circulation, Articulation, Scales, Berlin, New York 2014, S. 79–97. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss Angesichts der Bilder, vor ihnen, tauchen unweigerlich Abweichungen, Fehler und Unzulänglichkeiten auf. Die Darstellungen der Katastrophe konfrontieren uns mit der den Bildern eigenen Zerbrechlichkeit, ihrem „trotz allem“ 21, um eine Wendung von Didi-Huberman zu gebrauchen. Es ist eben diese Zerbrechlichkeit, Frontalität und Schwere der Bilder, die ohne Herablassung vorherrscht. Die Verantwortung des Filmemachers und der Filmemacherin ist nicht das Privileg seiner oder ihrer Position, sondern sie ist dem Akt des Filmens eines leidenden, geschichtsbedürftigen Anderen wesentlich. Diese Verantwortung ist jedoch weder engelhaft noch tröstlich. Das Kino muss also gewarnt sein: Wie kann man einen anderen Menschen filmen und ihn dabei davor schützen, in ein Objekt verwandelt zu werden, das verfügbar, greifbar und vollständig begreifbar ist? Wie kann man vermeiden, um ­Levinas zu zitieren, „entstellte[…] Worte[…], ,gefrorene[…] Worte[…]‘, in denen Sprache bereits in Dokumente oder Spuren verwandelt ist“ 22, zu produzieren? Dann verstummt das Archiv manchmal und bricht ab, um dem Ereignis des Anderen, dem Unvordenklichen Platz zu machen. RZO: Die Kunst würde somit diese Geste des Wachhaltens der Erinnerung an das Ereignis auf andere Weise als nach der institutionellen Logik des Archivs annehmen. Die Geste bestünde damit aus einem immer lebendigen Gedächtnis an das Ereignis, das unweigerlich über den Versuch seiner Archivierung hinausgeht und daher immer die Möglichkeit übersteigt, es in irgendeiner Institution zu repräsentieren. In diesem Sinne möchte ich hier versuchen, unsere Überlegungen durch die Möglichkeit ergänzen, die Kunst mit ­Levinas nicht als eine Geste zu betrachten, die der Arbeit der Institutionen fremd ist (das wäre im Grunde unverantwortlich – denn es liegt uns fern, die notwendige Arbeit unserer Institutionen in Frage zu stellen, insbesondere wenn es darum geht, ein Verständnis unserer Geschichte zu vermitteln), sondern als eine notwendige Heterogenität, in der die Unmöglichkeit des Archivs zum Ausdruck gebracht wird. Genau diese Heterogenität müsste man aber als solche denken und dabei vermeiden, dass sie zu schnell in eine Schublade gesteckt wird. Die Heterogenität würde die „unvorschreibbare“ ­[imprescriptible] Beziehung, die wir mit dem Ereignis unterhalten, nicht als Objekt oder Subjekt der Geschichte, sondern als Singularität zu denken geben. Singularität, dieses Wort ist bekanntermaßen nicht immer willkommen und wurde vielfach von Historikern kritisiert. Ungeachtet dieser berechtigten Kritik ist es für uns aber auch notwendig zu sagen, weshalb er für uns weiterhin von entscheidender Bedeutung ist. Es geht eben darum, 21 [Georges Didi-Huberman: Bilder trotz allem, München 2007; Anm. d. Ü.] 22 Emmanuel ­Lévinas: »Michel Leiris – Die Transzendenz der Worte«, in: ders.: ­Eigennamen. Meditationen über Sprache und Literatur, hrsg. v. Felix Philipp Ingold, ­München 1988, S. 91. 351 352 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly zu markieren, inwiefern und warum das singuläre Ereignis niemals vollständig auf unsere Beziehung zu ihm reduziert werden kann. Es ü ­ bersteigt immer unsere Beziehung zu ihm, und zwar selbst dann, wenn wir uns bemühen, es zu verstehen, uns ihm zu nähern und es zu i­nterpretieren. Aber es läuft über, und dieses Überlaufen gilt es zu bewahren. Das hat uns L ­ evinas gelehrt. Die Kunst widmet sich diesem Überfluss, wenn „[n] iemand […] für den Zeugen [zeugt]“. 23 MAB: So kommt es, dass das Bild immer und immer wieder überbordet. In diesem Sinne laden uns Künstlerinnen und Filmemacher dazu ein, den Anderen anders zu betrachten und zu sehen, ohne uns mit einer eindeutigen Wahrnehmungsanweisung und Hermeneutik zu erdrücken. An dieser Stelle möchte ich das Werk der Brüder Dardenne ins Spiel bringen, das mir hier besonders passend erscheint. 24 In der Tat ist die filmische Arbeit von Jean-Pierre und Luc Dardenne wahrscheinlich das eindrücklichste Beispiel für eine filmische Ethik der Bilder. Zunächst einmal muss man wissen, dass Luc Dardenne als ausgebildeter Philosoph an den Seminaren von L ­ evinas teilgenommen hat. Seitdem ist Luc Dardenne ein begeisterter Leser von ­Levinas, auf den er sich in seinen Schriften explizit bezieht. In seinen Büchern Au dos de nos images (2005 und 2015) oder Sur l’affaire humaine (2012) sind Zitate von L ­ evinas zahlreich und nicht 25 folgenlos. Ich muss dir gestehen, dass ich den ersten Band von Au dos de nos images als einen der schönsten und pointiertesten Texte über das Kino und die Bilder im Allgemeinen halte. Au dos de nos images ist wie ein Logbuch geschrieben und darin notiert Dardenne seine Eindrücke über die Genealogie und die Arbeit an seinen eigenen Filmen, aber auch über seine Vorstellung vom Kino und über seine philosophische und literarische Lektüre. Kurzum, er legt ein genuines und einzigartiges Denken des Bildes vor. Auffallend ist, dass man selbst dann, wenn er L ­ evinas nicht im Text zitiert, seinen Einfluss deutlich spürt und zwischen den Zeilen herauslesen kann. Mit anderen Worten: Luc Dardenne reflektiert mit ­Levinas über das Kino und seine eigene Praxis. Man muss nur die allerersten Seiten des Buches lesen, um seine Besessenheit und seinen Wunsch zu verstehen, „Bilder mit der Bürste und nicht mit dem Pinsel zu machen“, und seine Auffassung vom „Kunstwerk, das in einer Bewegung entsteht, die eine Adressierung an den anderen ist.“ 26 Mit einem anhaltenden Misstrauen gegenüber ästhetisierenden Gestaltungen und Formen bevorzugt Dardenne die Verletzlichkeit 23 [Paul Celan: »Aschenglorie«, in: ders.: Atemwende. Historisch-kritische Ausgabe. 7. Band, 1. Teil Text, hrsg. v. Rolf Bücher, Frankfurt a.M. 1990, S. 72 ; Anm. d. Ü.] 24 Vgl. Marie-Aude Baronian: »La caméra à la nuque. Esthétique et Politique dans le cinéma des frères Dardenne«, in: Jacqueline Aubenas (Hg.): Jean-Pierre et Luc Dardenne, Brüssel 2008, S. 151–167. 25 [Luc Dardenne: Au dos de nos images, Paris 2005; Luc Dardenne: Sur l’affaire ­humaine, Paris 2012; Anm. d. Ü.] 26 Dardenne: Au dos de nos images, a.a.O., S. 9, 11. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss der Bilder. Er schreibt: „Gegen den Ästhetizismus, der uns auflauert, die Plastik, all dieser künstlerische Kram, der die Strahlen am Durchkommen hindert.“ 27 Mehr noch: Das Kino der Brüder Dardenne ist ein Kino, das von der Realität im Sinne des unverarbeiteten Materials der sozialen Textur heimgesucht wird. Diese wird jedoch mittels des Schocks durch den Anderen gefilmt und nicht ausgehend von demonstrativen und vollständig identifizierbaren, psychosozialen und humanisierenden Signifikanten und Instrumenten, die als ,bequeme‘ Taktiken fungieren würden. Im Zentrum der Praxis der Dardennes steht das Bild als Adressat, das nur in einer ethischen Beziehung auftaucht. Aus diesem Grund ist die filmische Figur so zentral in ihrer Arbeit. Die Figur als ,menschliche Angelegenheit‘ ist der eigentliche Motor der Erzählung; alles geht von ihr aus und alles zwingt uns zu ihr. Viel mehr als das ,Selbe‘ des Kinos ist die Figur das radikal Andere. Sie ist diejenige, die die Kamera in ihrer Nähe und Distanz zu erfassen versucht. Es handelt sich um ein Kino, das sich durch die filmische Materie in die menschliche Materie hineingräbt. Es ist ein Kino, das versucht, das Gefühlsschema durch einen Widerstand gegen die Identifikation umzukehren. Wir eignen uns die Figuren nicht an, vielmehr kommen sie zu uns. Kurzum, es gibt eine kontinuierliche Alterität in ihren Bildern; sie wählen uns aus. Das Kino der Dardenne scheint mir daher die Idee, dass das Gesicht „das Sinnliche zerreißt“ 28 und „das plastische Bild [überflutet]“ 29, in trefflicher Weise darzustellen. In diesem Zusammenhang habe ich auch den Begriff „Nackenkamera“ 30 vorgeschlagen. Ich möchte damit den Begriff ,Schulterkamera‘ etwas abwandeln, da es nicht darum geht, sich auf einen Teil des Körpers der filmenden Person zu konzentrieren (und damit auf die Art und Weise, wie der Filmemacher oder die Filmemacherin seine oder ihre Kamera positioniert und ästhetisch gestaltet), sondern auf die Figur, die gefilmt wird – der Nacken der Figur. Der Nacken weist dann auf das hin, was sich in der Praxis bestimmter Filmemacher abspielt: Zerbrechlichkeit und Konfrontation, Schwäche und Autorität, Verletzlichkeit und Dringlichkeit, Sinnlichkeit und Gewalt. Dies vorausgeschickt, muss man natürlich präzisieren, dass der Nacken (oder der Rücken) ebenso die Alterität bedeuten kann, auch wenn gleichzeitig der Begriff ,Gesicht‘ das kristallisiert, was bei L ­ evinas zentral ist: das Von-Angesicht-zu-Angesicht, die Konfrontation etc. So krempelt der Nacken, ähnlich wie das Gesicht, die Phänomenalität um. Die Alterität ist nichts ohne das Sichtbare, aber sie 27 Ebd., S. 63. 28 ­Levinas: Totalität und Unendlichkeit, a.a.O., S. 284. 29 Ebd., S. 63. 30 [Vgl. Marie-Aude Baronian: »Der Nacken und der Schock. Eine ­Levinas’sche Lesart«, in diesem Band, S. 359–370; Anm. d. Ü.] 353 354 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly reduziert sich nie darauf; daher stellt sie unsere Beziehung zum Sichtbaren ständig in Frage. Und auch wenn es stimmt, dass das Filmen des Nackens oder des Rückens ein konstantes filmisches Interesse der Dardennes ist (ein Interesse, das somit philosophisch eingebunden ist), so scheint es mir aber, dass sich dergleichen ebenso in vielen anderen filmischen Praktiken manifestiert, die sich deutlich von jener der Dardennes unterscheiden können. Im Grunde geht es nicht so sehr um eine Frage des ,Stils‘ (ein Begriff, den man angesichts des hier gesagten höchstwahrscheinlich neu interpretieren müsste), sondern um eine ethische Geste. Ihr Kino ist sozusagen besessen von der Besessenheit vom Anderen. Der Ausdruck ,Nackenkamera‘ scheint mir übrigens ebenso bedeutsam (wenn auch in einem ganz anderen filmischen Register), um auf Son of Saul zurückzukommen, der als Film gerade deswegen schockiert, weil er das Gefühl und das Empfinden der Zuschauenden strapaziert. RZO: Man könnte auch sagen, dass diese Begegnung zwischen Kino und Philosophie eine gewisse Asymmetrie voraussetzt, vor allem wenn wir von der Idee ausgehen, dass die Philosophie in ihren radikalsten Gesten nichtintentional ist oder besonders auf das Nicht-Intentionale hört. Können wir angesichts der Filme, die uns interessieren, angesichts dessen, was uns im Kino widerfährt, noch von der Philosophie sagen, dass sie nur dazu dient, den Sinn zu erklären oder zu geben, um ihn lediglich zu veranschaulichen oder zu explizieren, was die Intention des Films wäre? Vielleicht sollten wir uns hier die Philosophie vorstellen als eine, der das Kino vorausgeht und die von ihm inspiriert wird, eine Philosophie, die vom Filmbild vorweggenommen wird? Was würde eine solche Inspiration, eine solche Vorwegnahme bedeuten? Was für einen Reim würde sich die Philosophie in dem Moment auf sich selbst machen, in dem sie vom Filmbild bewohnt wäre? Im Angesicht des Kinos müssten wir also die Philosophie neu überdenken, als ob sie eine Verbindung hätte, nicht zu dem, was für sie einfach verständlich wäre, sondern vielmehr zu dem, was nicht in ihr enthalten wäre – ein gewisses Nicht-Begreifbares also. Die Philosophie stünde angesichts des Kinos, angesichts des filmischen Bildes vor dem, was für sie immer irreduzibel wäre. Zunächst einmal, weil das Filmbild eine gewisse Art der Beunruhigung, Störung, Infragestellung und Verschiebung des philosophischen Logos anzeigt, da es sich nicht als einfaches Bild verstehen lässt und nicht in einer einfachen Einheit zusammengefasst werden kann, die von einem selbstsicheren Bewusstsein vollständig erfasst werden kann. Das Filmbild ist nie an sich isolierbar. Es zeigt sich selbst in seiner eigenen Bewegung, im Ablauf und im Fließen seiner Beweglichkeit und etabliert so eine Zeitlichkeit, in der unaufhörlich und gleichzeitig die Vergangenheit und die Zukunft Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss in einer grundlegenden Ununterscheidbarkeit und Unterschiedslosigkeit der Gegenwart miteinander verwoben sind. Im Herzen dieser Zeitlichkeit der Bewegung sehen wir, wie die Philosophie ihre Sprache verliert; wie sie nicht mehr in der Lage ist, dasjenige zu beschreiben und zu erfassen, was sich darin abspielt, wie das Bild vergeht, wie es sich immer wieder verändert und verwandelt. Um dieses Verhältnis zwischen Film und Philosophie zu denken, müssen wir also dort ansetzen, wo das Filmbild in die Philosophie als unaufhörliche Störung der philosophischen ,Sinngebung‘ [mise en sens] eingreifen würde. In diesem Sinne wäre es so, als ob das Filmbild den Sinn, die ,Sinngebung‘ der Erzählung, überfluten und dasjenige überschreiten würde, was die Philosophie traditionell einzudämmen versucht. Das Filmbild wäre also eine ständige Störung, die sich nicht auf die einfache Enthüllung bzw. bloße Manifestation dessen, was ist, reduzieren lässt. Was kann die Philosophie also angesichts des Filmbildes tun, von dem sie fortwährend gestört, destabilisiert und aufgefordert wird, ein anderes Vokabular zu finden, als ihr eigenes und ihrem Wesen entsprechendes? Wie kann man das Filmbild philosophisch denken? Wie man sieht, ist L ­ evinas in dieser Analyse überall anzutreffen. Ich denke natürlich an Luc Dardenne, den du gerade ausführlich erwähnt hast, oder an Alain Fleischer, um uns in diesen Fragen und in dieser Beziehung zwischen der philosophischen Logik – die traditionell an ein Ideal des Verstehens, der Sinngebung dessen, was sich zeigt und darstellt, gebunden ist – und dem filmischen Bild zu orientieren, insofern es in jenem Kino, das ich liebe, auf das Undarstellbare hinweist, insofern es sich dem widersetzt, was gezeigt werden könnte. Von Alain Fleischer, dem Schriftsteller, Filmemacher, bildenden Künstler und Leiter der Institution Le Fresnoy, habe ich das Kino als Kunst einer mittleren Unendlichkeit kennengelernt, d.h. als das, was sich zwischen der unendlich großen und der unendlich kleinen Unendlichkeit befindet. Nun ist das, was die mittlere Unendlichkeit wäre, zwischen den teleskopischen und den mikroskopischen Größen, der Ort des Alltags, der Ort unserer gewöhnlichsten Umgebung. Fleischers Frage könnte lauten: Was geschieht an diesem Ort der mittleren Unendlichkeit und inwiefern hält der Alltag das Unendliche bereit? Inwiefern ist das Alltägliche der Ort, an dem das Unendliche hervorsticht, durchbricht und eintrifft? Inwiefern durchdringt das Unendliche das Gewöhnliche, das Alltäglichste? Und inwiefern ist das Kino Zeuge dieses Einbruchs des Unendlichen in das Alltägliche? Und von Luc Dardenne habe ich etwas Wesentliches gelernt über die Begegnung zwischen dem Zuschauer, der ,unter Hypnose‘ (magnetisiert, verzaubert, im Bann) steht, und einem anderen, einer Figur, die sich der Handlung und der Fantasie widersetzt (aufsässig, rebellisch). Es geht um die Begegnung mit einem (analogen, verwandten, ähnlichen) Mitmenschen, 355 356 Marie-Aude Baronian, Raphael Zagury-Orly mit dem man sich identifiziert, der aber gleichzeitig ebenso irreduzibel auf sich selbst wie unbekannt (anders, fremd) ist. MAB: Lass uns damit schließen, indem wir die ursprüngliche Idee dieses Gesprächs wieder aufgreifen. Mit ­Levinas entsteht und erwacht die ­Möglichkeit, das überquellende Bild zu sehen und zu (ver)lesen [(dé)lire]. Ich möchte noch einmal Luc Dardenne zitieren: „Wir werden versuchen, das Leben nicht in unseren Plänen erstarren, sondern es passieren und überfließen zu lassen.“ 31 Aus dem Französischen übersetzt von Johannes Bennke. 31 Dardenne: Au dos de nos images, a.a.O., S. 171. Zwischen Kunst und Bild: Ein unablässiger Überfluss QUELLENVERZEICHNIS Adorno, Theodor W.: »Erziehung nach Auschwitz«, in: ders.: Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt a.M. 1971, S. 88–104. — Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. Gesammelte Schriften. Band 6, hrsg. v. Rolf Tiedermann, Frankfurt a.M. 41990. Augé, Marc, Georges Didi-Huberman, Umberto Eco: L’expérience des images, Paris 2011, S. 105. Baronian, Marie-Aude: »La caméra à la nuque. 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