S
S100
▶ S100-Protein
S-100a und b
▶ Calprotectin
▶ S100-Protein
SAA
▶ Serum-Amyloid A
▶ Standardarbeitsanweisung
Definition Glykohydrolase der intestinalen Bürstensaummembran, die die Hydrolyse von Saccharose, Maltose, Isomaltose und a-Grenzdextrinen katalysiert.
Beschreibung Saccharase-Isomaltase (Molmasse ca. 235 kDa)
ist eine membranständige Glykohydrolase der intestinalen
Bürstensaummembran insbesondere des Duodenums und des
Jejunums. Das Enzym besteht aus 2 Untereinheiten mit jeweils
unterschiedlicher katalytischer Aktivität, wobei die Saccharaseuntereinheit (EC 3.2.1.48) Saccharose zu Glukose und Fruktose, die Isomaltaseuntereinheit (EC 3.2.1.10) die a(1-6)glykosidische Bindung von Isomaltose und von a-Grenzdextrinen
spaltet. Beide Untereinheiten spalten Maltose und am nicht
reduzierenden Ende die a(1-4)glykosidische Bindung in
a-Grenzdextrinen. Fehlende oder reduzierte Enzymaktivität
bei der seltenen autosomal rezessiven hereditären SaccharaseIsomaltase-Defizienz führt zu Symptomen der Malassimilation
mit Diarrhoe, Dehydratation und Gedeihstörungen.
Literatur
Sa-Autoantikörper
▶ Autoantikörper gegen Sa
Semenza G, Auricchio S (1995) Small-intestinal dissacharidases. In:
Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS et al (Hrsg) The metabolic and
molecular basis of inherited disease, Bd 3. McGraw-Hill, New York,
S 4451–4480
Saccharose-Hämolyse-Test
Saccharase-Isomaltase
▶ Zuckerwasser-Test
R. Tauber und F. H. Perschel
Synonym(e) Sucrase-Isomaltase
Sahli-Hämometer
Englischer Begriff sucrase-isomaltase
▶ Sahli-Hämometrie
# Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019
A. M. Gressner, T. Arndt (Hrsg.), Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik, Springer Reference Medizin,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-48986-4
2090
Sahli-Hämometrie
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Sahli-Hämometer
Sahli-Hämometrie
• Na-Salicylat: als Analgetikum (Kombinationspräparat mit
Paracetamol, Kodein)
• Acetylsalicylsäure: als Analgetikum, Antipyretikum, Antiphlogistikum, Thrombozytenaggregationshemmer (Monound Kombinationspräparate)
Strukturformel von Acetylsalicylsäure:
Englischer Begriff Sahli hemoglobinometer; Sahli hemometer; Sahli‘s tube
Definition Historische, heute obsolete kolorimetrische Methode der Bestimmung von Hämoglobin.
Beschreibung Vom Schweizer Arzt Hermann Sahli
(1856–1933) im Jahr 1902 eingeführte kolorimetrische Methode (▶ Kolorimetrie); gehört zu den ersten (semi-)
quantitativen Bestimmungsverfahren von ▶ Hämoglobin,
das dessen Umwandlung („Transformation“) in gelbgrünes
Salzsäurehämatin (Häminchlorid) mit visueller oder (später)
photometrischer (bei 540 nm für oxidiertes Hämoglobin)
Auswertung zur Grundlage hat. Beim visuellen Verfahren
wird das mit einer Sahli-Pipette entsprechend verdünnte und
behandelte Blut neben einem graduell eingefärbten Glaskeil
in eine Probenküvette eingefüllt und die Farbgleichheit von
Glaskeil und Probe an einer numerischen Skala in „SahliEinheiten“ abgelesen.
Literatur
Kaufmann CP (1998) Das Hämometer von Herman Sahli: Methode – Typen – Bedeutung. Medizinhistorisches Institut der Universität, Bern
Sahli H (1902) An apparatus for the clinical estimation of haemoglobin.
Verh Dtsch Kongr Inn Med 20:230–234
Salicylate
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff salicylates
Definition Zu den Salicylaten rechnen Salicylsäure sowie
Derivate der Salicylsäure, die in vivo in Salicylsäure übergehen, wie z. B. Acetylsalicylsäure (s. Abbildung):
• Salicylsäure: externe Anwendung als Keratolytikum
• Salicylamid: als Analgetikum (Kombinationspräparat mit
Paracetamol, Coffein)
Molmasse 180,16 g (Acetylsalicylsäure); 138,1 g (Salicylsäure).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Acetylsalicylsäure (ASS) ist das mit Abstand am häufigsten eingesetzte
Salicylat. Es wird bei oraler Gabe innerhalb von 1–2 Stunden
fast vollständig resorbiert. Mit einer Halbwertzeit von
15 Minuten wird ASS zu Salicylsäure im Plasma hydrolysiert.
Die Halbwertzeit für Salicylsäure beträgt 2–3 Stunden, bei
Salicylatvergiftung ist sie auf 15–30 Stunden verlängert. Die
Abbauprodukte werden überwiegend renal eliminiert.
Funktion – Pathophysiologie Bei akuter Vergiftung findet
sich Hyperpnoe, Störung der Temperaturregulation oder
Hyperthermie, respiratorische Alkalose. Der pH-Anstieg
führt zur renalen Gegenregulation mit vermehrter Ausscheidung von Kalium, Chlorid sowie Wasser und Ausbildung
einer metabolischen Acidose. Im weiteren Verlauf kommt es
zu Blutungen durch Abfall der Prothrombinkonzentration
und Schädigung von Kapillaren.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum
(S), Plasma (P), Urin.
Analytik Photometrisch durch Reaktion mit FeCl3 zum
Schnellnachweis (▶ Trinder-Reaktion); ▶ Immunoassay,
▶ Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie, ▶ GC-MS,
LC-MS/MS.
Indikation Verdacht auf Salicylatvergiftung, selten Drug
Monitoring (Prüfung auf Compliance).
Diagnostische Wertigkeit Zum eindeutigen Nachweis einer
Salicylatvergiftung ist die Salicylatbestimmung erforderlich.
Das Diagramm nach Done erlaubt eine Abschätzung der
Prognose.
Salivatestung
Die folgende Abbildung zeigt das Nomogramm zur Darstellung des Zusammenhangs zwischen Salicylatkonzentrationen im Serum und dem Schweregrad einer Intoxikation
nach Ingestion einer einzigen Salicylatdosis (nach: Done
1960):
2091
Salivatestung
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Synonym(e) Speicheltestung
Englischer Begriff saliva testing
Definition Nachweis der Anwesenheit der Blutgruppenantigene A, B und H (▶ Blutgruppenantigene, erythrozytäre)
sowie des Lewis-Antigens im Speichel.
Interpretation Therapeutischer Bereich (S, P): 20–200 mg/L;
toxisch: 300 mg/L; komatös-letal: 400 mg/L.
Literatur
Done AK (1960) Salicylate intoxication, significance of measurement of
salicylate in blood in case of acute ingestion. Pediatrics 26:800–807
König H, Hallbach J (2009) Nonopioid analgesics and antirheumatics.
In: Külpmann WR (Hrsg) Clincial toxicological analysis. WileyVCH, Weinheim, S 209–214
Salicylate, Schnellnachweis mit
Trinder-Reagenz
▶ Trinder-Reaktion
Salivaanalytik
▶ Speichelanalytik
Beschreibung Funktion: Die Salivatestung dient in der
Transfusionsmedizin zum Nachweis von ABH-Blutgruppensubstanzen und Lewis-Antigenen (▶ Lewis-(Le-)Blutgruppensystem) im Speichel. Personen, bei denen diese Substanzen im
Speichel nachweisbar sind, werden als Sekretoren bezeichnet,
während sie bei Non-Sekretoren nicht im Speichel, sondern nur
auf der Erythrozytenoberfläche vorhanden sind. Der ▶ Sekretorstatus einer Person wird bestimmt über die Aktivität der Fucosyltransferase 2 (Se-Transferase), einer Glykosyltransferase, die
vom FUT2-Gen auf Chromosom 19q13.3 kodiert und in sekretorischen Drüsen exprimiert wird. Durch die Aktivität der
Se-Transferase wird ein lösliches H-Antigen (▶ H-Substanz)
mit endständiger Fucose synthetisiert, das im Speichel und
anderen Körperflüssigkeiten nachweisbar ist. Personen, die mindestens eine funktionsfähige Kopie des FUT2-Gens aufweisen,
können die lösliche Form des H-Antigens bilden und im Speichel exprimieren. Die Zugehörigkeit zu den Blutgruppen A, B,
0 oder AB (▶ Blutgruppe) ist jedoch unabhängig vom Sekretorenstatus.
Methode: Bei der Salivatestung wird Speichel gewonnen,
in dem die Existenz der entsprechenden Antigene durch einen
Neutralisationstest mit Anti-A-, Anti-B-, Anti-H-, Anti-Le
(a)- und Anti-Le(b)-spezifischen Antiseren nachgewiesen
wird. Zur Gewinnung des Probenmaterials wird der Mund
des Probanden mit Wasser ausgespült. Anschließend lässt
man ca. 1 ml Speichel aus dem Mund in ein Probengefäß
tropfen, um es danach für 10 Minuten auf ca. 95 C zu
erhitzen, um die im Speichel vorhandenen Enzyme zu
inaktivieren. Nach Zentrifugation wird der klare Überstand
1:1 mit isotoner Natriumchloridlösung verdünnt und im Neutralisationstest eingesetzt.
Der Sekretionsnachweis beruht auf der Hemmung von
z. B. Anti-A-Seren durch die im Speichel vorhandenen korrespondierenden Antigene. So bindet beispielhaft die A-Substanz
im Speichel eines Sekretors der Blutgruppe A an Antikörper der
Spezifität Anti-A und neutralisiert bzw. inhibiert diese. Diese
Antikörper reagieren dann nicht mehr oder nur noch schwach
S
2092
mit Erythrozyten der Blutgruppe A, was in einem ▶ Agglutinationstest nachweisbar ist. Bei einem Non-Sekretor der Blutgruppe A ist keine A-Substanz im Speichel vorhanden, sodass
es nicht zur Neutralisation von Antikörpern der Spezifität
Anti-A durch Zusatz von Speichel kommt. Diese Antikörper
können dann direkt mit Erythrozyten der Blutgruppe
A reagieren. Analog ist das Vorgehen, um die anderen Antigene
durch Antiseren der Spezifität Anti-B, Anti-H, Anti-Le(a) und
Anti-Le(b) nachzuweisen.
Literatur
American Association of Blood Banks (2014) Technical manual, 18. Aufl.
Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen –
Therapie – Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Metaxas-Bühler M (1993) Blutgruppen und Transfusionsmedizin. Verlag Hans Huber, Bern/Göttingen/Toronto/Seatle
Sammelurin
▶ Spontanurin
▶ Urinsammelbehälter
Sandell-Kolthoff-Reaktion
T. Arndt
Sammelurin
mit einer Geschwindigkeit proportional zur I2-Konzentration
im Reaktionsansatz entfärbt. Die Sandell-Kolthoff-Reaktion
ist also eine indirekte Iodbestimmung nach folgendem Reaktionsschema:
As3þ þ I2 ! As5þ þ 2 I
2 Ce4þ þ 2 I ! 2 Ce3þ þ I2
Die Entfärbung der Lösung wird in bestimmten Zeitabständen nach Zugabe der Ce4+-Lösung gemessen und über
eine geeignete Kalibrationsfunktion der Iodkonzentration der
Urinprobe zugeordnet. Die Sandell-Kolthoff-Reaktion ist
noch heute Grundlage der WHO-Methode zur Iodbestimmung, u. a. weil sie nach wiederholten Modifikationen des
Probenaufschlusses und damit verbundenem Austausch der
ursprünglich eingesetzten, nicht ungefährlichen Chlorsäure
(HClO3) gegen das besser handhabbare Ammoniumpersulfat
[(NH4)2S2O8] relativ einfach und mit geringem Aufwand
(auch innerhalb von Ernährungsprogrammen der Entwicklungsländer) einsetzbar ist.
Literatur
Husniza H, Wan NWM (2006) A cost-effective modified micromethod
for measuring urine iodine. Trop Biomed 23:109–115
Pino S, Fang S-L, Braverman LE (1996) Ammonium persulfate: a safe
alternative oxidizing reagent for measuring urinary iodine. Clin
Chem 42:239–243
Sandell EB, Kolthoff IM (1937) Micro determination of iodine by a
catalytic method. Microchem Acta 1:9–25
Synonym(e) Iodbestimmung nach Sandell-Kolthoff
Englischer Begriff Sandell-Kolthoff reaction
Definition Redoxchemische, photometrische Iodbestimmung (im Urin).
Beschreibung Die Iodversorgung des Organismus lässt sich
am besten durch die Ausscheidung von ▶ Iod im Urin erfassen. Hierzu wird eine Urinprobe zunächst in saurem Milieu
bei ca. 90–100 C oxidativ aufgeschlossen. Dabei werden
einerseits Iodid (I–), Iodat (IO3–) und proteingebundenes Iod
in freies, molekulares I2 überführt und andererseits die Nachweisreaktion störende Substanzen wie z. B. Ascorbinsäure
und Urinpigmente zerstört. Anschließend werden dem Reaktionsgemisch nacheinander Lösungen von As3+- und Ce4+Ionen zugesetzt. In einem ersten Reaktionsschritt wird Iod (I2)
zu Iodid (I–) durch As3+ reduziert und I– anschließend wieder
durch Ce4+ zu I2 oxidiert. Dabei wird die gelbe Ce4+-Lösung
Sandfliegen-Fieber-Viren
W. Stöcker
Englischer Begriff sandfly fever virus
Beschreibung des Erregers Familie: Bunyaviridae; Gattung:
Phlebo-Virus; Art: Sandfliegen-Fieber-Virus; wichtige Serotypen: Sicilian (SFSV), Naples (SFNV), Toscana (TOSV), Cyprus
(CYPV). Häufig findet man Doppelt- und Dreifachinfektionen.
Minusstrang-RNA-Virus, behüllt, 80–120 nm Durchmesser.
Erkrankungen Sandfliegen-Fieber (Pappataci-Fieber).
Verbreitung: Mittelmeerraum bis Südchina.
Vektor: Stechmücken (Sandfliegen; besser: Sandmücken,
vor allem Phlebotomus papatasi).
Sandkühler-Ringprobe
Wirte: Nutztiere (vor allem Wiederkäuer), Nagetiere, Fledermäuse, Mensch.
Klinik: Die meisten Infektionen verlaufen subklinisch. Die
Krankheit beginnt mit plötzlich auftretendem hohen Fieber
und grippeähnlicher Symptomatik, bei TOSV meist und bei
SFSV häufig zusätzlich aseptische Meningitis oder Meningoenzephalitis mit lymphozytärer Pleozytose und spezifischer
intrathekaler Antikörperproduktion sowie neurologischen
Störungen und wochen- bis monatelang persistierender Cephalgie. Selten Hämorrhagie.
Therapie und Prophylaxe: Bisher kann nur symptomatisch
behandelt werden. Es gibt noch keinen Impfstoff. Prävention:
Schutz vor Mückenstichen, Bekämpfung der Vektoren.
Analytik Das Arbeiten mit dem Erreger erfordert ein Laboratorium der Sicherheitsklasse 3.
Direktnachweis: RT-PCR (▶ PCR (Polymerase-Kettenreaktion)) oder Virusanzucht in der Zellkultur.
Serologie: Bestimmung spezifischer Antikörper (IgG,
IgM) durch indirekte Immunfluoreszenz (▶ Immunfluoreszenz, indirekte), ELISA (▶ Enzyme-linked Immunosorbent
assay) oder ▶ Neutralisationstest.
Probenmaterial und -stabilität Direktnachweis und Kultur: Untersucht werden Blutbestandteile, Liquor oder Biopsiematerial. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei
þ4 bis þ8 C aufbewahrt werden. Direktnachweise sind
innerhalb von 24 Stunden durchzuführen, Kulturen innerhalb
von 6 Stunden anzulegen. Bei längerer Transportzeit ist das
Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei þ4 C bis zu 2 Wochen lang beständig, Liquor
nur eine Woche, bei 20 C über Monate und Jahre hinweg.
Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben
80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit Ein Direktnachweis des Erregers
wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt. Die Vermehrung in
Zellkultur und die sich anschließende positive spezifische
Immunreaktion ebenso wie eine positive PCR beweisen die
Anwesenheit der Viren. Im negativen Fall kann die Infektion
aber nicht ausgeschlossen werden, insbesondere da der Organismus bereits innerhalb weniger Tage spezifische Antikörper
bildet, die das Virus neutralisieren.
Serologie: Spezifische Antikörper (IgG, IgM) treten im
Serum ab dem 5. Krankheitstag auf. Das IgG erreicht seine
höchste Konzentration in der Phase der Rekonvaleszenz und
persistiert über mehrere Jahre. Ein vierfacher Anstieg des
spezifischen IgG-Titers innerhalb von 2–3 Wochen kann als
eindeutiger Nachweis einer frischen Infektion gewertet werden. Aufgrund großer genetischer Unterschiede schützt die
Immunität gegen einen bestimmten Serotyp nicht vor einer
Infektion durch einen anderen. Es ist sinnvoll, für die indi-
2093
rekte Immunfluoreszenz Biochip-Mosaike mit den verschiedenen Serotypen einzusetzen und durch einen Vergleich der
Reaktionsstärken den aktuellen Serotyp zu identifizieren.
Differenzialdiagnosen: ▶ West-Nil-Fieberviren, ▶ Rift-Valley-Fieber-Viren, ▶ Dengue-Viren, Influenza-Viren (▶ Influenza-Viren A, B und C).
Durch die Verordnung zur Anpassung der Meldepflichten
nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische Lage
(IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung), die am 01.05.2016
in Kraft getreten ist, wurde die Meldepflicht für Labore nach § 7
Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) auf den direkten oder
indirekten Nachweis von ▶ Chikungunya-Viren, ▶ DengueViren, ▶ West-Nil-Fieberviren, ▶ Zika-Viren und sonstige
Arboviren ausgedehnt, soweit der Nachweis eine akute
Infektion anzeigt. Darüber hinaus können allgemeine nicht
erreger- oder krankheitsspezifische Meldepflichten bestehen.
Literatur
Brett-Major DM, Claborn DM (2009) Sandfly fever: what have we
learned in one hundred years? Mil Med 174(4):426–431
Dionisio D, Esperti F, Vivarelli A, Valassina M (2003) Epidemiological,
clinical and laboratory aspects of sandfly fever. Curr Opin Infect Dis
16(5):383–388
Robert Koch-Institut (2011) Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Robert Koch-Institut, Berlin
Sandkühler-Ringprobe
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Bence-Jones-Proteinnachweis nach Sandkühler
Englischer Begriff Sandkühler’s test
Definition Heute obsolete orientierende Nachweisreaktion
von Bence-Jones-Proteinen (▶ Bence-Jones-Protein) im Urin.
Beschreibung Die von dem Heidelberger Internisten St.
Sandkühler um 1950 eingeführte Nachweisreaktion von
Bence-Jones-Proteinen im Urin, bei der der Harn in einem
Reagenzglas in senkrechter Haltung mittels seitlich gerichteter Bunsenbrennerflamme etwa 5 cm unterhalb des Harnspiegels erwärmt wird, ist heute nicht mehr in Gebrauch. An der
Stelle, die eine Temperatur von ca. 50–70 C erreicht, bildet
sich eine ringförmige Trübung, die in dem darüber befindlichen, höher temperierten Teil des Harns ebenso fehlt wie in
dem unteren, kühleren Harnanteil.
S
2094
Literatur
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
Sandkühler S (1951) Das heutige Bild des Plasmozytoms. Dtsch med
Wschr 76(6):168–171
Sanduhrförmige Kristalle
▶ Oxalatkristalle
Sandwich-Assay
W. Stöcker und W. Schlumberger
Synonym(e) Capture Assay
Englischer Begriff sandwich assay
Definition Der Sandwich-Assay ist ein heterogener, nichtkompetitiver Assay, bei dem das zu messende Antigen oder
der zu bestimmende Antikörper einer Probe zwischen 2 Reaktionspartnern (Antikörpern bzw. Antigenen) gebunden wird.
Beschreibung Beim Sandwich-Assay wird das zu messende
Antigen (▶ Antigen Capture Assay) oder der zu bestimmende
Antikörper (▶ Antibody Capture Assay) einer Probe zwischen 2 Antikörpern bzw. 2 Antigenen gebunden. Es kommen
alle für Immunoassays verwendeten Marker und Detektionssysteme in Betracht. Es gibt Festphasen- und FlüssigphasenSandwich-Assays.
Bei Festphasenassays wird zur Antigenbestimmung das
Antigen der Probe in einem ersten Inkubationsschritt mit
einem an die feste Phase fixierten Antikörper zur Reaktion
gebracht. Anschließend werden die ungebundenen Anteile
der Probe mit einem Waschschritt entfernt. Je höher die Antigenkonzentration der Probe ist, umso mehr Antigen bindet
sich. Im nächsten Schritt lässt man markierte Antikörper mit
den Immunkomplexen der festen Phase reagieren und nach
Beendigung der Reaktionszeit wird überschüssiger Marker
mit einem Waschschritt entfernt. Die Antigenbestimmung
kann auch als Einschritt-Sandwich-Assay durchgeführt werden: Dann werden die Probe und die markierten Antikörper
initial simultan mit den Festphasen-fixierten Antikörpern
inkubiert.
Zur Antikörperbestimmung wird der Antikörper der Probe
in einem ersten Inkubationsschritt mit einem an die feste
Phase fixierten Antigen zur Reaktion gebracht. Anschließend
Sanduhrförmige Kristalle
werden die ungebundenen Anteile der Probe mit einem
Waschschritt entfernt. Je höher die Antikörperkonzentration
der Probe, umso mehr Antikörper bindet sich. Im nächsten
Schritt reagieren markierte (gegen den nachzuweisenden Antikörper der Probe gerichtete) Antikörper oder markierte Antigene („labelled antigen assay“) mit den Immunkomplexen an
der festen Phase, und nach Beendigung der Reaktionszeit
wird der überschüssige Marker mit einem Waschschritt entfernt. Auch die Bestimmung eines Antikörpers kann als
Einschritt-Sandwich-Assay erfolgen.
Bei Flüssigphasenassays werden Immunkomplexe gebildet, die ungebundenen Antigene und Antikörper werden nach
der Immunreaktion durch Adsorption, Fällung, Immunpräzipitation oder Affinitätsbindung entfernt.
Es existiert eine Vielfalt von Varianten dieser nichtkompetitiven Immunoassays: Beim m-Capture-Assay werden speziesspezifische IgG-Antikörper, die gegen das Fc-Fragment des
IgM-Antikörpers gerichtet sind, an die feste Phase gekoppelt.
An dieses bindet sich das IgM der Probe. Antigenspezifisches
IgM wird durch Zugabe des korrespondierenden Antigens
identifiziert. Dieses ist entweder selbst markiert („markierter
Antigenassay“) oder es wird ein spezifischer, gegen das Antigen gerichteter markierter IgG-Antikörper hinzugegeben.
Ein Störfaktor der Sandwich-Assays ist der ▶ High-DoseHook-Effekt (Prozonen-Phänomen), er kann insbesondere bei
Einschrittinkubationen zu einer starken Verfälschung der
Messwerte führen.
Literatur
Wild D (2001) The Immunoassay handbook. Nature Publishing Group,
New York, S 3–5
Sanfte Ionisierungsmethoden
▶ Massenspektrometrie
Sanger, Frederick
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Lebensdaten Englischer Biochemiker, geboren am 13.
August 1918 in Rendcomb, Gloucestershire, gestorben am
19. November 2013 in Cambridge, UK.
Verdienste F. Sanger erhielt seine schulische und universitäre Ausbildung in Cambridge, UK, wo er das Studium
Sanger-Sequenzierung
der Chemie aufnahm und 1943 mit der Promotion abschloss.
Anschließend arbeitete er am Medical Research Council
(MRC). Dort entwickelte er eine Methode zur Proteinsequenzierung unter Einsatz von Dinitrophenylderivaten. Mit dieser
Methode konnte Sanger in mehrjähriger Arbeit die komplette
Aminosäuresequenz des humanen Insulins bestimmen und
1955 publizieren, was 1958 mit dem Nobelpreis für Chemie
gewürdigt wurde. In der Folge verlagerte Sanger seinen
Schwerpunkt auf die Entwicklung einer Methode zur
Sequenzierung von Nukleinsäuren, die zur Etablierung der
Didesoxymethode für Desoxyribonukleinsäuren (DNA) geführt hat (▶ Sanger-Sequenzierung). Diese epochale Leistung
wurde 1980 mit der Verleihung des zweiten Nobelpreises für
Chemie ausgezeichnet. Sangers fundamentale methodischen
Entwicklungen und biochemischen Arbeiten führten nicht
nur zu der seltenen Würdigung mit zwei Nobelpreisen, sondern auch zu vielen weiteren Ehrungen. Viele grundlegende
biomedizinische Forschungen wurden durch Sangers Entwicklungen möglich gemacht.
Literatur
Brownlee G (2014) Fred Sanger- double Nobel laureate. A biography.
Cambridge University Press. ISBN 9781107083349
Sanger-Sequenzierung
J. Arnemann
Synonym(e) DNA-Sequenzierung nach Sanger
Englischer Begriff Sanger sequencing
Definition Die DNA-Sequenzierung nach Sanger ermöglicht die Bestimmung der Nukleotidfolge in einem DNA-Molekül mittels der Didesoxy- oder Kettenabbruchmethode.
Beschreibung Dem Biochemiker Sanger (▶ Sanger, Frederick) gelang der entscheidende Durchbruch zur Sequenzierung, d. h. Bestimmung der Nukleotidfolge, eines definierten
DNA-Moleküls. Sanger entwickelte hierfür die sog. Kettenabbruchmethode, die anfangs alle 4 Basen getrennt analysierte.
Im ersten Schritt der Reaktion wurde die zu sequenzierende doppelsträngige DNA-Matrize durch Hitze zu einzelsträngigen Molekülen denaturiert und anschließend eine synthetisierte DNA-Sequenz, ein sog. Primer, hinzugefügt, der mit
Abkühlen der Reaktion an die DNA-Matrize hybridisierte.
2095
Parallel wurden 4 Reaktionsansätze pipettiert, die als G-,
A-, T- oder C-Reaktion markiert wurden. In jeden Ansatz
wurde ein Mix aus Reaktionspuffer, den 4 dNTPS
(Deoxynukleotidtriphoshate; dGTP, dATP, dTTP, dCTP), zu
einem geringen Anteil radioaktiv markierte dNTP-Moleküle
(meist 35S-dCTP) und ein weiterer Anteil der für jede Reaktion
spezifischen ddNTP-Moleküle (Dideoxynukleotidtriphoshate;
ddGTP, ddATP, ddTTP oder ddCTP) hinzugefügt. Nach
anschließender Zugabe des DNA-Gemischs und DNAPolymerase (Klenow-Enzym) wurde die eigentliche Sequenzierreaktion durch Inkubation bei 37 C gestartet.
Bei der Synthese des neuen DNA-Strangs werden radioaktive Moleküle und, in jedem Reaktionsansatz spezifisch
nach dem Zufallsprinzip die jeweiligen ddNTPs eingebaut.
Da den ddNTPs eine OH-Gruppe am 3’C-Atom fehlt, kann
nach Einbau eines ddNTP-Moleküls in den neuen DNAStrang keine weitere Verknüpfung erfolgen und es kommt
zum Kettenabbruch. Da dieser Einbau nach dem Zufallsprinzip abläuft, werden in jedem Reaktionsansatz DNAFragmente unterschiedlicher Länge synthetisiert, die alle mit
dem gleichen ddNTP enden, d. h. im G-Ansatz mit ddGTP, im
A-Ansatz mit ddATP etc.
Zur Auswertung und Lesen der Nukleotidabfolge wurden
die 4 Reaktionsansätze denaturiert und parallel in ein besonders langes Polyacrylamid-Gel (Sequenziergel) pipettiert und
elektrophoretisch aufgetrennt. Nach dem Elektrophoreselauf
wurde das Gel fixiert und anschließend mit einem Röntgenfilm in einer Autoradiographiekassette „exponiert“. Nach
dem Entwickeln des Röntgenfilms waren in den jeweils 4 parallelen Spuren dunkelgraue Banden mit unterschiedlichem
Leitermuster zu sehen. Die radioaktive Markierung hat die
Banden auf dem Film sichtbar gemacht. Jede Bande zeigt die
Größe eines DNA-Fragments an, das in der entsprechenden
Spur beispielsweise mit einem G geendet hatte. Nach den
Prinzipien der Elektrophorese sind die kürzesten DNAFragmente und damit der Beginn der Sequenz im unteren
Bereich des Films zu finden. Zum Lesen der Sequenz fängt
man daher unten an und „hangelt“ sich quer über die 4 Spuren
wie auf einer Leiter nach oben und notiert dabei die Abfolge
der Nukleotide. Diese Nukleotidfolge entspricht dabei der
komplementären Sequenz der DNA-Matrize.
Diese Methode wurde über die vergangenen Jahrzehnte
immer mehr modifiziert, vereinfacht und tauglich für eine
automatische Abarbeitung gemacht:
Durch Einsatz des Cycle-Sequencings, einer PCRMethode, bei der aber nur mit einem Primer in eine Richtung
amplifiziert wird, wie auch durch den Einsatz von ddNTPS,
die mit je 4 verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen markiert
sind, lässt sich auch aus relativ geringen DNA-Mengen eine
Sequenzanalyse durchführen. Der mit besonderen Sicherheitsmaßnahmen gekoppelte Einsatz radioaktiver Moleküle
entfällt. Die nun fluoreszenzmarkierten Sequenzierreaktionen
werden durch Kapillarelektrophorese in einem DNA-
S
2096
Sequencer aufgetrennt und die Fluoreszenzmoleküle bzw. die
entsprechenden Nukleotide beim Vorbeiwandern an einem
Laserdetektor automatisch dokumentiert und nachfolgend
mittels spezifischer Computerprogramme benutzergerecht
aufbereitet.
S- und s-Antigen
– Eine oder mehrere Frühgeburten bei morphologischem
Normalbefund vor der 34. SSW aufgrund schwerer
Präeklampsie, Eklampsie oder Plazentainsuffizienz
– Drei oder mehr Spontanaborte vor der 10. SSW bei
Ausschluss anatomischer, hormoneller und chromosomaler Ursachen
Literatur
Labormedizinische Kriterien
Brown TA (1994) DNA sequencing. Oxford University Press,
Oxford, UK
S- und s-Antigen
▶ MNS-Blutgruppensystem
Sapporo-Kriterien
A. M. Gressner und O. A. Gressner
• ACLA vom IgG und/oder IgM-Typ, mittel- oder hochtitrig
gemessen durch einen standardisierten, b2-Glykoproteinabhängigen ELISA
• Lupus-Antikoagulanzien im Plasma, Nachweis an zwei
oder mehreren Zeitpunkten, die mindestens 6 Wochen
auseinanderliegen; Nachweis entsprechend den Kriterien
der International Society on Thrombosis and Haemostasis
Entsprechend der derzeitig aktuellen Klassifikationskriterien für die Definition eines APS nach den Richtlinien des
11. Internationalen Kongresses der Antiphospholipid-Antikörper (APA) in Sydney (November 2004) gibt es 2 wesentliche Veränderungen:
Synonym(e) Sydney-Kriterien
Englischer Begriff Sapporo criteria; Sydney criteria
Definition Kombiniert klinisch-labormedizinische Kriterien
zur Klassifikation des Antiphospholipid-Syndroms.
Beschreibung Ein aus je zwei wesentlichen klinischen und
labormedizinischen Kriterien bestehender, im Jahr 1999
publizierter Katalog zur Diagnose eines AntiphospholipidSyndroms (APS), der 2006 als Konsensusempfehlung zur
Diagnostik des APS als sog. Sydney-Kriterien aktualisiert
wurde. Das Syndrom gilt als diagnostiziert, wenn mindestens
eines der klinischen und eines der labormedizinischen Kriterien erfüllt sind und zweimal im Abstand von 12 Wochen
Lupus-Antikoagulanzien im Screening und Bestätigungstest
und/oder mittel- bis hochgradig erhöhte Titer von Anticardiolipin-Antikörper (ACLA) (▶ Cardiolipin) gemessen wurden.
Klinische Kriterien
• Eine oder mehrere Episoden von arteriellen, venösen oder
Small-vessel-Thrombosen in irgendeinem Gewebe oder
Organ; Bestätigung durch bildgebende oder histopathologische Verfahren
• Erkrankungen in der Schwangerschaft
– Eine oder mehrere Totgeburten nach der 10. Schwangerschaftswoche (SSW) bei sonst morphologisch normalem Fetus
• Die Kontrolluntersuchungen nach erstmaligem ACLANachweis sollten im Mindestabstand von 12 (anstatt bisher
6) Wochen erfolgen, wobei ein mindestens zweiter Nachweis mittlerer oder hoher ACLA-Titer (>40 GPL oder
MPL oberhalb der 99. Perzentile) als laboranalytisches
Kriterium für ein APS zu werten ist.
• Der positive, mindestens zweimalige Nachweis von
b2GPI-AK vom IgG- und/oder IgM-Typ in Serum oder
Plasma mit einer Titerhöhe oberhalb der 99. Perzentile ist
unter Verwendung standardisierter ELISA als laboranalytisches Kriterium für ein APS einzustufen.
Liegen zwischen dem Nachweis der APA und dem
Auftreten eines definitionsgemäßen klinischen Ereignisses
höchstens 5 Jahre, sollte ein APS angenommen werden.
Literatur
Miyakis S et al (2006) International consensus statement on an update of
the classification criteria for definite antiphospholipid syndrome
(APS). J Thromb Haemost 4:295–306
Schuchmann S, Dörner T (2007) Antiphospholipid-Syndrom 2007.
Aktuelle Aspekte in der Labordiagnostik und deren therapeutische
Konsequenzen. Z Rheumatol 66:198–205
Wilson WA, Gharavi AE, Koike T et al (1999) International consensus
statement on preliminary classification criteria for definite antiphospholipid syndrome: report of an international workshop.
Arthritis Rheum 42:1309–1311
Sarkosin
S100A12-Protein
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Calgranulin-C; Neutrophiles S100-Protein
Englischer Begriff S100A12 protein
Definition Polypeptid der S100/Calgranulin-Familie von
proinflammatorischen Zytokinen.
Beschreibung Die Exon-Intron-Struktur des S100A12Gens ähnelt denen der meisten anderen S100-Gene (3 Exons,
2 Introns; Codierung durch Exon 2 und 3).
Als Sekretionsprodukt bindet S100A12 gemeinsam mit
S100B, und S100A8/A9 an lösliches RAGE (▶ Receptor of
advanced glycation end-products) und weitere Rezeptoren auf
inflammatorischen, epithelialen und neuronalen Zellen, wodurch
es proinflammatorisch wirkt. S100A12 wird in entzündlich veränderten Geweben, insbesondere an Stellen vaskulärer Läsionen,
vermehrt gefunden und wirkt hier expressionssteigernd auf
RAGE. Die Serumkonzentrationen korrelieren mit der Entzündungsaktivität.
2097
Beschreibung Das Sarkomer ist ein Zylinder von 1,5 mm
Durchmesser und 2 mm Länge. Es bildet das Grundgerüst der
Myofibrille, indem sich eine Vielzahl von Sarkomeren longitudinal zu einer Myofibrille zusammenlagern.
Die Hauptbestandteile des Sarkomers bilden die beiden
Proteine Aktin und Myosin. Die Begrenzung eines Sarkomers
stellt auf beiden Seiten die Z-Membran dar, die größtenteils
aus a-Aktinin besteht. An den Z-Membranen sind jeweils in
Längsrichtung der Muskulatur verlaufend Aktine fixiert. In
der Mitte des Sarkomers sind zwischen den Aktin-Ketten
Mysion-Ketten eingelagert, die die eigentliche Kraftentwicklung der Muskulatur bewirken (▶ Myosin). In der Mitte des
Sarkomers werden die Myosin-Ketten durch das M-Protein
untereinander verbunden. An Aktin werden über angelagertes
Tropomyosin die Troponine gebunden, die die Muskelkontraktion über Regulation der Calcium-Bindung steuern
(▶ Troponin). Als stabilisierendes und Signal-transduzierendes Exo-Sarkomerprotein bindet Dystrophin an Aktin. Die
Struktur und Elastizität des Sarkomers wird im Ruhezustand
über die Makromoleküle Titin und Nebulin aufrechterhalten,
die das Sarkomer auf der gesamten Länge durchspannen und
mit Molmassen von 300 bzw. 800 kDa zu den größten Proteinen des Körpers gehören.
Sarkosin
Literatur
A. C. Sewell
Wicki R et al (1996) Characterization of the human S100A12
(calgranulin C, p6, CAAF1, CGRP) gene, a new member of the
S100 gene cluster on chromosome 1q21. Cell Calcium 20:459–464
Englischer Begriff sarcosine
Definition Methylderivat von Glyzin.
Sargdeckelkristalle
▶ Tripelphosphat-Kristalle
Sarkomerproteine
Beschreibung Sarkosin (Sar) ist ein Zwischenprodukt bei
der Umwandlung von Cholin in ▶ Glyzin. Erhöhte Werte
im Serum und Urin werden bei Sarkosinämie gefunden-, (eine
seltene angeborene Stoffwechselstörung mit unspezifischen
Symptomen). Aktuell wird geprüft, ob es in der Behandlung
von Schizophrenien aufgrund der Erhöhung der Glyzinkonzentration im Gehirn mit Aktivierung der N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptoren eingesetzt werden kann.
K. J. Lackner und D. Peetz
Literatur
Englischer Begriff sarcomere proteins
Definition Proteine, die das Grundgerüst der funktionellen
Einheit (Sarkomer) der Myofibrille bilden.
Duran M (2008) Amino acids. In: Blau N, Duran M, Gibson KM (Hrsg)
Laboratory guide to the methods in biochemical genetics. Springer,
Berlin/Heidelberg/New York, S 53–90
Sewell AC, Krille M, Wilhelm I (1986) Sarcosinaemia in a retarded
amaurotic child. Eur J Pediatr 144:508–510
S
2098
Sarkosyl-Elektrophorese
R. Westermeier
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten Mehrschrittige Methode, Aufwand wie bei normalem Western Blotting.
Bei der Verwendung von Fertigprodukten ist mit höheren
Kosten zu rechnen.
Synonym(e) N-Lauroylsarcosin-Elektrophorese; SarkosylPolyacrylamidgel-Elektrophorese; Sarkosyl-PAGE
Bewertung – Methodenhierarchie (allg.) Sarcosyl-Elektrophorese ist eine Methode für biochemisch arbeitende
Labors. Siehe auch ▶ PEGylierte Proteine.
Sarkosyl-Elektrophorese
Englischer Begriff sarcosyl electrophoresis
Definition Bei der Elektrophorese im Polyacrylamidgel in
Gegenwart des anionischen Detergenz Sarkosyl wird – analog
zur SDS-PAGE – eine Trennung von Protein-Detergenzkomplexen nach Molekülgrößen durchgeführt.
Physikalisch-chemisches Prinzip Manche Formen von synthetischem ▶ Erythropoetin (EPO) sind PEGyliert und werden
deshalb nach einer SDS-PAGE und Western Blotting nicht mit
der gleichen Empfindlichkeit detektiert wie EPO-Moleküle
ohne PEG. Weil das Sarkosyl nur an den Proteinanteil und
nicht an den Polyethylenglykolanteil von PEGylierten Proteinen bindet, kann man diese mit PEG modifizierten Proteine
beim nachfolgenden Western Blotting mit Antikörpern gegen
Erythropoietin detektieren. Diese Methode ersetzt bei
bestimmten Fragestellungen die SDS-Polyacrylamidgel-Elektrophorese, denn SDS bindet sowohl an die Proteine als auch an
die PEG-Reste; deshalb kann der generell verwendete AntiEPO-Antikörper nicht mit den komplett mit SDS beladenen
Molekülen interagieren.
Einsatzgebiet Dopingkontrolle zur Unterscheidung des synthetischen Erythropoetin vom körpereigenen Hormon in
Human-Urinproben.
Literatur
Reichel C, Abzieher F, Geisendorfer T (2009) SARCOSYL-PAGE: a
new method for the detection of MIRCERA and EPO-doping in
blood. Published online in Wiley Interscience, 16 Dec 2009. www.
drugtestinganalysis.com. https://doi.org/10.1002/dta.97
Sarkosyl-PAGE
▶ Sarkosyl-Elektrophorese
Sarkosyl-PolyacrylamidgelElektrophorese
▶ Sarkosyl-Elektrophorese
SARS-Corona-Viren
W. Stöcker und C. Krüger
Untersuchungsmaterial Meist Humanurin
Instrumentalisierung Ausrüstung für PolyacrylamidgelElektrophorese bestehend aus Horizontal- oder Minivertikalkammer, Blotting-System, Stromversorger, Umlaufthermostat und Chemilumineszenz-CCD-Kamerasystem.
Spezifizität Hoch, weil es sich um ein immunanalytisches
Verfahren handelt.
Sensitivität Je nach verwendetem Chemolumineszenz-Substrat im Bereich niedriger Picogramm bis hoher Femtogramm.
Fehlermöglichkeit Fehler bei der Elektrophorese können
bei Verwendung von Fertiggelen minimiert werden. Für den
Elektrotransfer bei Western Blotting können fertige Pufferkits
eingesetzt werden.
Synonym(e) Schweres-akutes-respiratorisches-SyndromCorona-Viren
Englischer Begriff severe acute respiratory syndrome
(SARS) associated coronavirus
Beschreibung des Erregers Familie: Coronaviridae; Subfamilie: Coronavirinae; Gattung: Betacoronavirus; Plusstrang-RNA-Genom, behüllt, 80–90 nm Durchmesser.
Der Erreger wurde im Jahr 2003 neu identifiziert. Anhand
der Gensequenzen wird vermutet, dass ein bekanntes CoronaVirus entweder mutiert ist oder dass eine Virusart, die bisher
nur Tiere befallen hat, auf den Menschen „übergesprungen“ ist.
Erkrankungen SARS ist eine durch das SARS-assoziierte
Corona-Virus (SARS-CoV) ausgelöste Infektionskrankheit.
Sättigungskinetik
Die Hauptsymptome der Erkrankung sind Fieber, Pharyngitis, Bronchitis, Atemnot und Pneumonie. Die Letalitätsrate
betrug 10 %, bei über 65-jährigen Menschen bis zu 50 %. Die
Erregerübertragung erfolgte überwiegend direkt durch Tröpfcheninfektion aus kurzer Distanz oder durch Kontaktinfektion.
Auch infizierte Tiere, z. B. Kakerlaken, haben die Krankheit
übertragen. Die Inkubationszeit lag bei 2–7 Tagen.
Der einzige größere Ausbruch der Krankheit war die
SARS-Pandemie 2002/2003 mit 8098 Erkrankungen und
744 Todesfällen. Die größte Anzahl an SARS-Fällen wurde
in Asien registriert, wo das Virus endemisch ist. Es traten aber
auch Fälle in Nordamerika und Europa auf. Ärzte verabreichten damals zunächst als Virostatikum das NukleosidAnalogon Ribavirin sowie Cortison. Danach erhielten die
Betroffenen meist einen Cocktail aus verschiedenen Antibiotika, um die begleitende bakterielle Entzündung der Atemwege zu bekämpfen.
Zur Prävention wurden die Erkrankten und Kontaktpersonen isoliert, für die Öffentlichkeit Massenveranstaltungen
abgesagt, Kinos und Theater geschlossen, Besuche in Hospitälern unterbunden und überall konsequent desinfiziert.
Analytik Direktnachweis: Nachweis der SARS-CoronaViren durch RT-PCR (Reverse-Transkriptase-PCR; ▶ PCR
(Polymerase-Kettenreaktion)).
Kultur:Virusisolation und Vermehrung in Zellkultur
(z. B. Verozellkultur).
Serologie: Darstellung einer Serokonversion durch indirekte Immunfluoreszenz (IIFT, s. Abbildung; ▶ Immunfluoreszenz, indirekte) oder ▶ Enzyme-linked Immunosorbent
Assay (ELISA).
Indirekte Immunfluoreszenz: Antikörper gegen SARSCorona-Viren:
2099
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität Direktnachweis und Kultur: Nasenrachen-Absaugsekret, Rachenspülwasser, Rachenabstriche und andere menschliche Proben
(PCR). Die Proben sollten gekühlt transportiert und innerhalb
von 6 (PCR) und 24 Stunden (Kultur, IFT) analysiert werden.
Serologie: Serum oder Plasma sind für den Nachweis der
Antikörper bei +4 C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei
20 C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes
Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit Zur vollständigen Labordiagnostik einer Virusinfektion gehört der Nachweis sowohl von
Virusbestandteilen (Direktnachweis) als auch spezifischer
Antikörper im Serum. Bei einem großen Teil der SARS-Fälle
2002/2003 ließ sich in bestimmten Krankheitsphasen nur mit
einem der beiden diagnostischen Prinzipien das Vorliegen
einer Infektion beweisen. Für einen positiven SARS-Befund
sollten mindestens 2 Proben (unterschiedliches Probenmaterial oder das gleiche Material, entnommen an 2 verschiedenen
Tagen) mit RT-PCR positiv auf virale RNA getestet werden.
Alternativ gilt eine nachgewiesene Serokonversion mithilfe
von ELISA oder IIFT oder ein vierfacher Titeranstieg zwischen 2 Proben aus der akuten und der konvaleszenten Phase
als beweisend für eine Infektion.
Literatur
Berger A, Drosten C, Doerr HW et al (2004) Severe acute respiratory
syndrome (SARS) – paradigm of an emerging viral infection. J Clin
Virol 29:13–22
Ksiazek TG, Erdman D, Goldsmith CS, SARS Working Group et al
(2003) A novel coronavirus associated with severe acute respiratory
syndrome. N Engl J Med 348:1953–1966
Niedrig M, Sonnenberg K, Yan H et al (2003) Antibody response in
patients infected with the new coronavirus causing severe acute
respiratory syndrome (SARS). J Clin Virol 27:1–15
World Health Organization. Emergencies preparedness, response. Use of
laboratory methods for SARS diagnosis. http://www.who.int/csr/
sars/labmethods/en/. Zugegriffen am 07.03.2017
Sättigungskinetik
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff saturation kinetics
Beschreibung Die Kapazität von Enzymen zum Abbau von
Pharmaka ist begrenzt. Deshalb kann eine Dosissteigerung zu
einem überproportionalen Anstieg der Konzentration des
S
2100
Arzneistoffes im Plasma führen. Bei manchen Pharmaka liegt
diese Situation bereits im oberen therapeutischen Bereich vor,
z. B. bei ▶ Phenytoin.
Die pharmakokinetischen Daten unterscheiden sich im
Bereich oberhalb der Substratsättigung der entsprechenden
Enzyme deutlich von den Daten bei niedrigeren Konzentrationen.
Literatur
Knorre WA (1981) Pharmakokinetik. F. Vieweg u. Sohn, Braunschweig
Satz von Bayes
Sauerstoffpartialdruck
O. Müller-Plathe
Synonym(e) Sauerstoffspannung
Englischer Begriff partial pressure of oxygen; oxygen tension
Definition ▶ Partialdruck.
Molmasse Sauerstoff: 31,998 g.
Satz von Bayes
Funktion – Pathophysiologie ▶ Sauerstofftransport.
▶ Bayes, Satz von
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Heparinisiertes Blut, ▶ Blutgasanalyse.
Probenstabilität ▶ Blutgasanalyse.
Sauerstoffaffinität
Präanalytik ▶ Blutgasanalyse.
▶ Sauerstofftransport
Sauerstoffdifferenz, arteriovenöse
▶ Sauerstofftransport
Sauerstoffdissoziationskurve
▶ Sauerstofftransport
Sauerstoffkapazität
▶ Sauerstofftransport
Analytik Die Messung erfolgt im Rahmen der Blutgasanalyse mit einer amperometrischen Messzelle (▶ Amperometrie), bestehend aus einer Platinkathode (▶ Kathode),
Phosphatpufferlösung und einer Silber/Silberchlorid-Anode
(▶ Referenzelektrode). Diese Anordnung ist durch eine
gasdurchlässige Membran (meistens Polypropylen) vom
Blut in der Messkammer getrennt (Clark-Elektrode, s.
▶ Sauerstoffpartialdruck). Mit einer Kathodenspannung
von 650 mV werden die in die Zelle diffundierenden O2Moleküle reduziert. Die Stärke des dabei entstehenden Reduktionsstroms (Größenordnung nA) hängt ab von der
Menge der in der Zeiteinheit diffundierenden O2-Moleküle
und damit von pO2. Die Kalibration erfolgt mit einem
O2-freien und einem ca. 12 % O2-enthaltenden (dem Bereich
um 85 mmHg entsprechend) zertifizierten Gasgemisch.
Qualitätskontrolle ▶ Blutgasanalyse. Alternativ wird pO2
in einigen Geräten für das POCT (point of care testing,
(▶ Patientennahe Sofortdiagnostik) mit optischen Methoden
gemessen: entweder wie beispielsweise im OPTI (Firma Osmetech) mit einer spezifischen fluorimetrischen „Optode“
oder wie im NPT7 (Firma Radiometer) durch Nutzung der
Eigenschaften des Sauerstoffs die Abklingzeit eines zur
▶ Phosphoreszenz angeregten Farbstoffs zu verkürzen.
Sauerstoffkonzentration
Konventionelle Einheit mmHg.
▶ Sauerstofftransport
Internationale Einheit kPa.
Sauerstoffsättigung
Umrechnungsfaktor zw. konv. u.
mmHg0,1333 =kPa; kPa7,5=mmHg.
2101
int.
Einheit
Referenzbereich – Erwachsene Arteriell: 80–105 mmHg;
10,6–14,0 kPa.
Gemischt-venös: 36–44 mmHg; 4,8–5,9 kPa.
Sauerstoffsättigung
O. Müller-Plathe
Synonym(e) sO2
Referenzbereich – Kinder s. Erwachsene. Neugeborene:
arteriell (nach 30 Minuten): 31–85 mmHg; 4,1–11,3 kPa.
Englischer Begriff oxygen saturation
Indikation Beurteilung der Lungenfunktion, Kontrolle der
künstlichen Beatmung und der Sauerstofftherapie.
Definition Anteil des Oxihämoglobins am bindungsfähigen
Hämoglobin:
Interpretation Der arterielle pO2 ist kein Maß für die Sauerstoffversorgung des Organismus, sondern lediglich für die
Arterialisierung des Bluts in der Lunge, die bestimmt wird
durch die Lungenfunktion, den Sauerstoffgehalt der Einatmungsluft und den Luftdruck.
pO2-Verminderung mit pCO2-Erhöhung ist Ausdruck
alveolärer Hypoventilation. Beispiele: bronchostenotisches
Emphysem; neurologisch, muskulär oder medikamentös
bedingte Atemstörungen.
pO2-Verminderung ohne pCO2-Erhöhung kommt vor bei
Lungenerkrankungen, bei denen Störungen des BelüftungsDurchblutungs-Verhältnisses, der Diffusion oder der Perfusion im Vordergrund stehen. Beispiele: Pneumonie, Atelektase, Tumor, Fibrose, Lungenödem, Rechts-Links-Shunt,
mangelnde Sauerstoffzufuhr.
Bei der Höhenatmung liegt eine pO2-Verminderung
gemeinsam mit einer pCO2-Erniedrigung (respiratorische
Alkalose) vor.
pO2-Erhöhung ist Folge von Sauerstoffanreicherung in der
Einatmungsluft, meistens im Rahmen künstlicher Beatmung
oder Intubationsnarkose.
sO2 ¼
cO2 Hb
cO2 Hb þ cHHb
Oxihämoglobinfraktion ( f O2Hb) s. Abschn. Interpretation.
Funktion – Pathophysiologie ▶ Sauerstofftransport.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen ▶ Blutgasanalyse.
Probenstabilität ▶ Blutgasanalyse.
Präanalytik ▶ Blutgasanalyse.
Analytik Sauerstoffsättigung und Oxihämoglobinfraktion
können in Blutgasanalysatoren mit Oximetereinrichtung
gemeinsam mit den weiteren Hb-Fraktionen gemessen werden (▶ Oximetrie). Die automatische Berechnung der Sauerstoffsättigung aus pO2 und pH, bei der Verschiebungen der
O2-Dissoziationskurve unberücksichtigt bleiben, ist obsolet.
Konventionelle Einheit Prozent (%).
Diagnostische Wertigkeit Leichte Hypoxämie von 65–80
mmHg ist bei sehr alten Patienten nicht immer Ausdruck einer
manifesten Lungenerkrankung. Werte von 50–65 mmHg stellen bereits eine Gefahr dar und müssen diagnostisch abgeklärt
werden. Werte <50 mmHg sind lebensgefährlich und erfordern eine sofortige Intervention.
Literatur
Clark LC (1956) Monitor and control of blood and tissue oxygen tensions. Trans Am Soc Artif Intern Organs 2:41–48
Internationale Einheit Dimensionslos (Fraktion).
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit 0,01.
Referenzbereich – Erwachsene Arteriell: 95,0–98,5 %;
0,950–0,985.
Gemischt-venös: 70,0–80,0 %; 0,700–0,800.
Referenzbereich – Kinder s. Erwachsene. Neugeborene:
arteriell: 40–90 %; 0,40–0,90.
Indikation Beurteilung der Lungenfunktion, Kontrolle der
künstlichen Beatmung und der Sauerstofftherapie.
Sauerstoffradikal-Produktion
▶ Oxidativer Burst
Interpretation Erniedrigte sO2 im arteriellen Blut spricht
für mangelhafte Arterialisierung in der Lunge. Ursachen dafür ▶ Sauerstoffpartialdruck. sO2 ist wegen des fast horizon-
S
2102
Sauerstoffspannung
talen Verlaufs der O2-Dissoziationskurve im oberen Bereich
für die Beurteilung der Lungenfunktion deutlich weniger
sensitiv als pO2.
Definition Der Sauerstofftransport umfasst die Aufnahme
des Sauerstoffs in der Lunge, seinen Transport im Blut und
die Bedingungen seiner Abgabe ans Gewebe.
f O2Hb Im klinischen Sprachgebrauch wird oft die Fraktion
des O2Hb vom gesamten Hämoglobin ebenfalls als Sauerstoffsättigung bezeichnet. Die korrekte Bezeichnung dieser
Größe lautet aber Oxihämoglobinfraktion ( f O2Hb), engl.
„fractional Oxihemoglobin“:
Beschreibung Unterteilt in pulmonaler Gasaustausch, Transport durch Hämoglobin und Sauerstoffabgabe im Gewebe.
f O2 Hb ¼
cO2 Hb
cO2 Hb þ cHHb þ COHb þ MetHb þ SulfHb
f O2Hb ist normalerweise um etwa 0,01–0,02 (1–2 %) niedriger als sO2. Der Referenzbereich reicht deshalb bis etwa
0,940 (94 %). Unter pathologischen Bedingungen wie Kohlenmonoxideinwirkung oder Methämoglobinämie unterscheiden sich f O2Hb und sO2 gravierend. Für einen Raucher
mit f COHb=0,08 und f MetHb=0,02 errechnet sich bei sO2
von 0,96 ein f O2Hb von 0,86.
Diagnostische Wertigkeit Werte zwischen 0,85 und 0,93 im
arteriellen Blut stellen bereits eine Gefahr dar und müssen
diagnostisch abgeklärt werden. Werte <0,85 sind lebensgefährlich und erfordern eine sofortige Intervention.
Sauerstoffspannung
▶ Sauerstoffpartialdruck
Sauerstoffspezies, reaktive
▶ Reaktive Sauerstoffspecies
Pulmonaler Gasaustausch Das venöse Blut erreicht die Lungenkapillaren mit pCO2 = 46 mmHg und pO2 = 40 mmHg.
Bei einer Gesamtoberfläche der Lungenalveolen von
50–80 m2 und einem Diffusionsweg von etwa 1 mm reicht
eine Kontaktzeit von 0,3 s aus, um das Blut mit der Alveolarluft auf pCO2 = 40 mmHg und pO2 = 100 mmHg zu äquilibrieren. Durch physiologische venoarterielle Kurzschlüsse
wird der endgültige arterielle Sauerstoffpartialdruck um etwa
10 mmHg gesenkt.
Nach dem Henry-Gesetz (▶ Partialdruck) bestimmt pO2
die Menge des physikalisch gelösten Sauerstoffs cdO2 (d für
„dissolved“):
• cdO2 [mmol/L] = 0,010 pO2 [kPa] oder
• cdO2 [mL/L] = 0,031 pO2 [mmHg].
Bei normalem pO2 von 90 mmHg sind somit 2,8 ml O2 in
1 L Plasma entsprechend 1,4 % der gesamten O2-Konzentration gelöst.
Transport durch Hämoglobin
O2-Kapazität
Der O2-Transport erfolgt zu über 98 % durch reversible
Bindung an Hämoglobin. Die 4 Hb-Monomere (Molmasse
16,114 kDa) tragen je eine zur O2-Bindung fähige Hämgruppe. Das mit O2 beladene Hämoglobin heißt Oxihämoglobin
(O2Hb), das unbeladene wird als Deoxihämoglobin (HHb)
bezeichnet.
Die O2-Kapazität des Blutes – diejenige Menge O2, die
maximal an Hb gebunden werden kann – ergibt sich nach
folgender Relation:
• 1 mmol O2 pro 1 mmol Hb-Monomer oder
• 1,39 mL O2 pro 1 g funktionsfähiges Hämoglobin.
Sauerstofftransport
O. Müller-Plathe
Englischer Begriff oxygen supply
Bei einer normalen Hb-Konzentration von 9,3 mmol/L
entsprechend 150 g/L beträgt somit die O2-Kapazität
9,3 mmol/L bzw. 210 ml/L. Referenzbereiche: Frauen
160–210 mL/L, Männer 180–230 mL/L. Den Anteil des
O2Hb am gesamten bindungsfähigen Hb bezeichnet man als
▶ Sauerstoffsättigung (sO2).
Sauerstofftransport
O2-Konzentration (ctO2)
Die Gesamtkonzentration des Sauerstoffs (t für total) ist die
Summe des physikalisch gelösten und des gebundenen O2:
• ctO2 [mL/L] = 1,39 cO2Hb [g/L] + 0,031 pO2 [mmHg]
Referenzbereiche: arteriell 180–230 mL/L; 8,0–10,3 mmol/L;
gemischt-venös 130–180 mL/L; 5,8–8,0 mmol/L.
2103
g/L. Unter der Annahme eines arteriellen pO2 von 72 und
eines venösen von 34 mmHg ergibt sich auf der ODK für
pH = 7,4 (Mitte) eine O2-Abgabe von 44 ml/L. Der zugehörige Halbsättigungsdruck (p50) beträgt 27 mmHg. Nach
der Kurve für pH = 7,2 mit p50 von 30 mmHg würden
51 ml/L O2 freigesetzt, bei pH = 7,6 (p50 = 23 mmHg)
jedoch nur 34 ml/L. Das Beispiel veranschaulicht den Einfluss einer Alkalose auf die O2-Versorgung.
ctO2 ist die wichtigste Messgröße für die Beurteilung des
Sauerstoffangebots an die Organe und die Grundlage für die
Berechnung der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz (c(a-v)O2):
• c(a-v)O2 [mL/L] = ctO2(a)–ctO2(v) (Referenzbereich:
45–60 ml/L)
ctO2(v) wird in einer gemischt-venösen Blutprobe aus der
A. pulmonalis gemessen.
c(a-v)O2 ist über das Herzzeitvolumen (QT) mit dem
O2-Verbrauch (VO2) des Gesamtorganismus verbunden
• VO2 [mL/min] = c(a-v)O2 [mL/L] QT [L/min]
Mit einer normalen arteriovenösen Differenz von 55 mL/L
und einem Herzzeitvolumen von 5,5 L/min wird der normale
O2-Verbrauch von 300 mL/min ermöglicht. Sinkt die Herzleistung, muss die arteriovenöse O2-Differenz steigen;
sinkt diese, z. B. bei starker Anämie, muss QT erhöht
werden, um den Sauerstoffbedarf zu gewährleisten. Wird
dieser erhöht wie bei Hyperthermie, steigen sowohl QT als
auch c(a-v)O2.
Sauerstoffabgabe im Gewebe Nicht nur die angebotene
O2-Menge, sondern auch das Abgabeverhalten des Hb, seine
Affinität zum Sauerstoff, ist für die O2-Versorgung des Gewebes von Bedeutung. An der S-förmigen Standard-O2Dissoziationskurve (s. Abbildung, mittlere Linie) erkennt
man, dass im arteriellen Bereich auch bei sinkendem pO2
noch sehr viel O2 gebunden wird. Wenn pO2 von 100 auf
60 mmHg sinkt, liegt sO2 immer noch bei 0,91. Deshalb hat
pO2 eine deutlich höhere Sensitivität zur Beurteilung der
Lungenfunktion als sO2. Umgekehrt führen im venösen
Bereich geringe pO2-Verminderungen zu starkem Absinken
von sO2 und erhöhter O2-Abgabe. Hier ist sO2 der sensitivere
Parameter zur Beurteilung der Sauerstoffabgabe.
Die folgende Abbildung zeigt die O2-Dissoziationskurven
(ODK) für 3 pH-Werte. Linke Ordinate sO2, rechte Ordinate
ctO2 unter der Annahme einer Hb-Konzentration von 108
Zunahme der Affinität verschiebt die ODK nach links,
Abnahme nach rechts. Ersteres bedeutet verminderte, letzteres erhöhte O2-Freisetzung.
Die O2-Affinität wird beeinflusst durch
1. Temperatur: Abnahme bei Hyperthermie, Zunahme bei
Hypothermie
2. pCO2: Abnahme bei Hyperkapnie, Zunahme bei Hypokapnie
3. pH: Abnahme bei Acidämie, Zunahme bei Alkalämie,
sogenannter Bohr-Effekt (nach dem dänischen Physiologen Christian Bohr, 1855–1911)
4. 2,3-Diphosphoglyzerat (DPG)-Konzentration im Erythrozyten; Zunahme verschiebt die ODK nach rechts, Abnahme
nach links
• 2,3-DPG -Anstieg bei:
– Chronischer Alkalose im Laufe von wenigen Tagen;
dadurch Ausgleich des für die O2-Versorgung nachteiligen alkalämischen Bohr-Effekts (wichtig für die
Höhenatmung!)
– Chronischer Hypoxie durch respiratorische oder
kardiale Insuffizienz und Anämie
S
2104
– Hormonalen Einflüssen: Hyperthyreose, Schwangerschaft
• 2,3-DPG-Abfall bei:
– Chronischer respiratorischer oder metabolischer
Acidose
– Blutkonserven, Erythrozytenkonzentrate, Massentransfusionen
– Diphosphoglyzeratmutasemangel
5. Hämoglobinvarianten: Einige Hämoglobinopathien, z. B.
HbS, führen zu einer verminderten, die meisten jedoch zu
einer erhöhten O2-Affinität. Fetales Hb hat durch ein geringeres Bindungsvermögen für 2,3-DPG eine erhöhte
O2-Affinität.
6. Dyshämoglobine: Carboxyhämoglobin und Methämoglobin erhöhen die O2-Affinität des funktionsfähig gebliebenen Hb-Anteils.
Säuglingsbilirubin
• Etwa 2-fach erhöhter Bilirubinanfall aus nicht erythrozytären Quellen und aus ineffektiver Erythropoese (Destruktion erythrozytärer Vorstufen; ▶ Erythropoese, ineffektive)
• Reduzierte Aufnahme in Hepatozyten durch relative Verminderung der zytosolischen Bilirubin-bindenden Proteine Ligandin und Z Protein
• Verminderte Aktivität der ▶ UDP-Glukuronyltransferase
in der Neonatenleber und damit reduzierte biliäre Exkretion
Die folgende Abbildung zeigt den zeitlichen Verlauf der
medianen Konzentrationen von Bilirubin im Serum Reifgeborener (NG) und Frühgeborener (FG):
Quantitativ wird die O2-Affinität durch den ▶ Halbsättigungsdruck (Hämoglobin) (p50) ausgedrückt.
Literatur
Hsia CCW (1998) Respiratory function of hemoglobin. NEJM
338:239–247
Rensing H (2001) Lagerungsabhängige Beeinflussung der Sauerstofftransportkapazität von Erythrozytenkonzentraten. Anaesthesist
50(Suppl 1):9–15
Säuglingsbilirubin
Englischer Begriff neonatal bilirubin
Funktion – Pathophysiologie Häufiger als bei Reifgeborenen entwickelt sich bei Frühgeborenen eine pathologische,
therapiebedürftige Hyperbilirubinämie mit Anstiegen über
15 mg/dL (Ikterus gravis) (s. Abbildung). Es besteht die
Gefahr des Kernikterus (Bilirubinenzephalopathie) aufgrund
der Neurotoxizität des lipophilen Bilirubins. Risikofaktoren
für eine verstärkte Hyperbilirubinämie sind:
Definition Es handelt sich um ein transient auftretendes,
unkonjugiertes (somit prähepatisches) ▶ Bilirubin bei Frühgeborenen und reifen Neugeborenen, dessen Konzentration
im Serum 3–5 Tage post partum maximal ist.
•
•
•
•
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Neonatales Serumbilirubin
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Im Rahmen
des physiologischen Neugeborenenikterus (Ikterus neonatorum), der sich vom 2.–3. Lebenstag an entwickelt, kommt es
zu einer Zunahme der unkonjugierten Bilirubinfraktion im Blut
(s. Abbildung), der folgende Pathogenese zugrunde liegt:
Positive Familienanamnese
Ausgeprägter postnataler Gewichtsverlust
AB0-Konstellation
Hämatome (große Kephal-Subgalealhämatome, Nebennierenblutungen)
• Sphäro- oder Elliptozytose
• Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (insbesondere
in Verbindung mit Morbus Gilbert-Meulengracht) und
andere, mit Hämolyse assoziierte Enzymdefekte, die sich
nicht in einem positiven Coombstest widerspiegeln
• 2- bis 3-fach gesteigerte Bilirubinproduktion durch kürzere Lebensdauer und höheren Hämoglobingehalt fetaler
Erythrozyten
Bei der Mehrzahl der Kinder mit Kernikterus steht das
Auftreten der schweren Hyperbilirubinämie nicht mit einem
routinemäßig erfassbaren Risikofaktor in Zusammenhang.
Säulenagglutinations-Test
2105
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum.
Präanalytik Lichtgeschützte Probenverwahrung notwendig
wegen Photosensibilität des Analyten (▶ Probenstabilität).
rum, korpuskuläre hämolytische Anämie (Sphärozytose), kongenitale Hypothyreose, Abbau extravasaler Blutmassen
(z. B. bei Kephalhämatom) oder das Crigler-Najjar-Syndrom
(UDP-Glukuronyltransferasemangel) sein.
Analytik
• Transkutane (nicht invasive) Bilirubinometrie, bei der reflexionsphotometrisch die Gelbfärbung der Haut gemessen wird.
• Direkte quantitative spektrometrische Bestimmung des
Bilirubins im Neugeborenenserum bei 455 nm (nahe dem
Absorptionsmaximum) mit einem direkt lesenden Bilirubinometer. Die spektrale Interferenz von Hämoglobin bei
455 nm wird subtrahiert durch zusätzliche Messung der
Absorption bei 575 nm, bei der Oxyhämoglobin die gleiche Absorption wie bei 455 nm aufweist. Voraussetzung
für die Anwendung der Methode ist die Abwesenheit von
Lipochromen wie Karotin und Xanthophyllester, was während der ersten 2–3 Lebenswochen gewährleistet ist. Bei
Konzentrationen über 18 mg/dL (>300 mmol/L) sollte mit
einer chemischen Methode Bilirubin bestimmt werden.
Literatur
Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin Leitlinie Nr. 024/007 vom 21.11.2003: Hyperbilirubinämie – Diagnostik
und Therapie bei reifen gesunden Neugeborenen. AWMF on line:
www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/11/pneon-07.htm
Säulenagglutinations-Test
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Synonym(e) Gelkartentest; Geltest; Gelzentrifugationstest;
Glaskugeltest; Kartentest
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
Englischer Begriff gel column test; column agglutination test
Definition Der Säulenagglutinations-Test ist eine immunhämatologische Technik zur Blutgruppenbestimmung, zum
Antikörpersuchtest und zur Antikörperdifferenzierung.
ᅟ
Referenzbereich – Kinder
Alter
24 Stunden
48 Stunden
3–5 Tage
Frühgeburten
(mmol/L)
(mg/dL)
17–136
1–8
102–205
6–12
171–240
10–14
Termingerechte Geburten
(mmol/L)
(mg/dL)
34–102
2–6
102–171
6–10
68–136
4–8
Säuglinge >1 Monat haben Erwachsenenkonzentrationen.
Interpretation Ein pathologischer Neugeborenenikterus
liegt vor bei:
• Klinisch sichtbarer Ikterus schon am 1. Tag
• Bilirubinanstieg um mehr als 5 mg/dL pro Tag
• Hyperbilirubinämie über 13 mg/dL bei Reifgeborenen in
den ersten 5 Tagen
• Eine direkte (konjugierte) Bilirubinkonzentration über
1,5 mg/dL
• Persistierender Ikterus, der länger als 1 Woche bei Reifgeborenen oder länger als 2 Wochen bei Frühgeborenen
dauert.
Ursachen können neben einem verstärkten physiologischen Ikterus neonatorum ein Morbus haemolyticus neonato-
Beschreibung Funktion und Methode: Der Vorteil des
Säulenagglutinations-Tests, im Vergleich zum traditionellen
▶ Röhrchentest, liegt in der Möglichkeit einer verbesserten
Dokumentation der Ergebnisse, einer leichteren Mechanisierung und einer höheren Sensitivität. Darüber hinaus können
Mischfeldagglutinationen deutlich besser als mit alternativen
Techniken erkannt werden,
In diesem Verfahren werden freie Proteine, agglutinierte
und nichtagglutinierte Erythrozyten in einer Trennsäule, dessen Matrix aus Mikropartikeln (Gel oder Glas) besteht, nach
Partikelgröße getrennt. So wird in den Säulen eine Trennung
von Agglutinaten und Nichtagglutinaten erreicht. In der
Regel sind 6 Mikrosäulen zu einer Karte zusammengefasst.
Abhängig von der immunhämatologischen Frage enthalten
die Mikrosäulen LISS-Lösungen mit spezifischen Antikörpern (z. B. Anti-A, Anti-B, Anti-D, Anti-IgA, Anti-IgM,
Anti-IgG, Anti-C3d) oder eine antikörperfreie physiologische
Lösung (Neutralsäule). Führt das Reaktionsgemisch mit den
Probandenerythrozyten zu einer Agglutination, verbleibt das
Agglutinat nach Zentrifugation im oberen Teil oder innerhalb
der Mikropartikelschicht. Ohne Agglutination sedimentieren
die Erythrozyten an den Boden der Säule.
S
2106
Die Abbildung zeigt die Agglutinationsreaktion in der Säulentechnik (a = positives Ergebnis, b = negatives Ergebnis):
Säulenchromatographie
Säulenchromatographie
▶ Chromatographie
Säure, fixe
▶ Säure-Basen-Stoffwechsel
Säure, nichtflüchtige
▶ Säure-Basen-Stoffwechsel
Saure Phosphatase
▶ Phosphatase, Saure
Saure Phosphatase-Reaktion
▶ Phosphatase-Reaktion
Saure Prostataphosphatase
▶ Phosphatase, Prostataspezifische Saure
Darstellung der unterschiedlichen Reaktionsstärken als
semiquantitatives Ergebnis:
•
•
•
•
•
•
Negativ: oder 0
Diskret positiv: (+) oder 0–1
Schwach positiv: + oder 1
Deutlich positiv: ++ oder 2
Stark positiv: +++ oder 3
Maximal positiv: ++++ oder 4
Literatur
Eckstein R, Zimmermann R (2015) Immunhämatologie und klinische
Transfusionsmedizin, 7. Aufl. Urban & Fischer/Elsevier Verlag
Engelfried CP, Meulenbroek AJ (Hrsg) (2003) Immunohaematology.
Sanquin Blood Supply Foundation, Amsterdam
Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie –
Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Säureausscheidung, renale
O. Müller-Plathe
Synonym(e) Renale Säure-Basen-Regulation
Englischer Begriffz renal acid excretion
Definition Als renale Säureausscheidung fasst man die Vorgänge in den einzelnen Abschnitten des Nephrons zusammen,
die durch Reabsorption von Bikarbonat sowie durch Elimination und Pufferung nicht flüchtiger Säuren zu einem ausgeglichenen Säure-Basen-Status des Organismus beitragen.
Beschreibung Die durch enterale Aufnahme oder durch
Stoffwechselprozesse entstehenden nicht flüchtigen (fixen)
Säuren, normalerweise 60–80 mmol/Tag, müssen vollständig
Säureausscheidung, renale
durch die Nieren ausgeschieden werden (▶ Säure-BasenStoffwechsel). Die Nieren bewirken die Säure-Basen-Regulation mit mehreren Teilfunktionen:
1. Rückgewinnung des filtrierten Bikarbonats im proximalen
Tubulus
HCO3 gelangt mit 25 mmol/L ins Glomerulumfiltrat. Bei
180 L Filtrat/Tag ergibt sich eine Bikarbonatmenge von
ca. 4500 mmol, die in 24 Stunden zu reabsorbieren ist. Diese
Leistung wird zu 80 % von den proximalen Tubuluszellen
2107
erbracht, die mit 2 Isoenzymen der Carboanhydratase
(CA) ausgestattet sind. Durch den Na+/H+-Antiporter NHE-3
sezerniert die Zelle Wasserstoffionen bis zu einem pH-Gradienten von 1 im Austausch mit Na+. H+ tritt mit HCO3 zu
Kohlensäure zusammen. H2CO3 wird durch die membranständige CA IV in CO2 und Wasser gespalten. CO2 diffundiert
in die Zelle und wird dort durch die zytoplasmatische CA II
der Bikarbonatbildung zugeführt. H+ steht für die erneute
Sekretion ins Tubuluslumen zur Verfügung. Über den Cotransporter NBC-1 kehren Na+ und HCO3 in den extrazellulären
Raum (EZR) zurück (Abb. 1).
Säureausscheidung, renale,
Abb. 1 Proximale BicarbonatReabsorption, distale H+-Sekretion
und Harnpufferung. 1 = Na+/H+Antiporter, 2 = Cotransporter,
3 = H+-ATPase, 4 = Cl /HCO3 Antiporter
S
2108
Die Kapazität des gesamten Prozesses ist mit etwa
4500 mmol/Tag sehr hoch. Er wird durch extrazellulären
Volumenmangel, Kaliummangel, Glukokortikoidexzess und
Acidose einschließlich Hyperkapnie stimuliert. Durch Volumenüberschuss, Kaliumüberschuss, Hypokapnie, Parathormon und Acetazolamid wird er gehemmt.
2. Adaptive H+-Ausscheidung im distalen Nephron
Diese und die damit verbundene Rückgewinnung von
Bikarbonat finden vorwiegend in den kortikalen Anteilen
der Sammelrohre statt. Deren Zellen verfügen über eine H+transportierende ATPase, die bis zu einem pH-Gradienten =
3, also der 1000-fachen Konzentration, H+ sezernieren kann.
Das entstehende Bikarbonat wird durch den Cl /HCO3 Antiporter AE1 dem EZR zugeführt (Abb. 1). Die Kapazität
dieses der Feineinstellung und der Neubildung von HCO3
dienenden Mechanismus ist mit 70–100 mmol/Tag gering.
Der Prozess wird durch Aldosteron und Acidose einschließlich Hyperkapnie stimuliert und durch Alkalose und Hypokapnie gehemmt.
Die Epithelzellen der kortikalen Sammelrohre sind in der
Lage, bei Alkalose HCO3 ins Lumen auszuscheiden. Es
wird angenommen, dass neben dem vorherrschenden Zelltyp
mit lumenseitiger H+-ATPase und basalseitigem Cl /HCO3 Antiporter (Abb. 1) ein weiterer Zelltyp mit entgegengesetzter Anordnung existiert.
3. Bildung und Ausscheidung von Ammonium
Der größte Teil der Säureausscheidung entfällt auf die
Exkretion von Ammonium. NH4+ wird in den proximalen
Tubuluszellen hauptsächlich durch den Abbau von Glutamin
gebildet, der wie in Abb. 2 dargestellt verläuft:
Säureausscheidung, renale, Abb. 2 Glutaminabbau/ Bildung von
Ammonium in den proximalen Tubuluszellen
Säureausscheidung, renale
NH4+ wird in das proximale Tubuluslumen sezerniert, im
medullären dicken aufsteigenden Teil der Henleschen Schleife durch einen Na+/K+/(NH)/2Cl -Cotransporter (Chloridionen) teilweise wieder resorbiert, dadurch im Nierenmark zu
hoher Konzentration kumuliert und von dort an die benachbarten Sammelrohre abgegeben. Das beim Glutaminabbau
entstehende Bikarbonat wird dem EZR zugeführt.
Der Umsatz beträgt normal 20–50 mmol/Tag. Unter Acidosebedingungen können Produktion und Sekretion von
NH4+ bis etwa 300 mmol/Tag ansteigen. Das wird unter
anderem dadurch ermöglicht, dass die Leber bei Acidose
weniger NH3 im Harnstoffzyklus abbaut und dafür mehr
Glutamin synthetisiert als unter normalen Umständen.
4. Pufferung des Urins
Schon eine Säureausscheidung von 100 mmol/Tag in
Form freier Wasserstoffionen würde zu einem für Niere und
Harnwege unverträglichen pH-Wert von ca. 1 führen. Das
wird im Wesentlichen durch 2 Puffersysteme verhindert:
Ammoniakpuffer (pK = 9,4):
Phosphatpuffer (pK = 6,8):
Phosphat stellt 90 % der titrierbaren Acidität des Urins.
Bei Acidose wird vermehrt Phosphat mobilisiert und ausgeschieden.
Nettosäureausscheidung im Urin Die Nettosäureausscheidung setzt sich wie folgt zusammen:
Titrierbare Acidität (normal 10–40 mmol/Tag; maximal
bis 100 mmol/Tag) + Ammonium (normal 20–50 mmol/
Tag; maximal bis 300 mmol/Tag) – Bikarbonat (normal
0 mmol/Tag; nur im neutralen und alkalischen Urin vorhanden) = Nettosäureausscheidung (normal 40–80 mmol/Tag;
maximal bis 400 mmol/Tag).
Diagnostik Für klinische Belange wird im Allgemeinen nur
die pH-Bestimmung mit dem Teststreifen durchgeführt. Für
den ▶ Säurebelastungstest und für wissenschaftliche Zwecke
ist die Messung mit der Glaselektrode erforderlich. Referenzbereich 4,5–8,0.
Für die Bestimmung der Nettosäureausscheidung und
ihrer Komponenten wird auf die spezielle nephrologische
Literatur verwiesen. Der 24-Stunden-Sammelurin muss unter
Luftabschluss (Überschichtung mit Paraffinum liquidum) und
Konservierung mit 10 mL einer 10 %igen Lösung von Thymol in Isopropanol gesammelt werden.
Säure-Basen-Modell nach Stewart
Literatur
Karim Z, Attmane-Elakeb A, Bichara M (2002) Renal handling of NH in
relation to the control of acid-base balance by the kidney. J Nephrol
15(suppl 5):128–134
Rodriguez-Solano J (2000) New insights into the pathogenesis of renal
tubular acidosis – from functional to molecular studies. Pediatr
Nephrol 14:1121–1136
Säure-Basen-Modell nach Stewart
O. Müller-Plathe
2109
Die Differenz zwischen apparenter und effektiver SID,
normalerweise etwa 8 mmol/L, wird als „strong ion gap“
(SIG) bezeichnet:
• SIG [mmol/L] = SIDa – SIDe
Plasmaionogramm mit Rechengrößen des StewartModells (SIDa und SIDe = apparente und effektive „strong
ion difference“. SIG = SIDa – SIDe = „strong ion gap“;
Atot = Summe der Ladungen von Albumin und Phosphat):
mEq/L
140
HCO3–
Synonym(e) Stewart-Modell
Englischer Begriff Stewart‘s acid base model; Stewart‘s
approach
Definition Alternatives Säure-Basen-Konzept, das neben
Veränderungen des Kohlendioxidpartialdrucks bestimmte
Konzentrationsverhältnisse im Plasmaionogramm zur Grundlage hat und nicht auf der Henderson-Hasselbalch-Gleichung
beruht.
Beschreibung Herkömmliches Konzept des Säure-BasenHaushalts nach Siggaard-Andersen (▶ Säure-Basen-Stoffwechsel).
Nach dem Konzept von Stewart (1983), weiterentwickelt
von Figge und Fencl (1992), wird der Säure-Basen-Status
beeinflusst durch drei voneinander unabhängige Größen:
1. Kohlendioxidpartialdruck (pCO2)
2. Differenz zwischen den Summen der starken Kationen und
der starken Anionen, bezeichnet als SID („strong ion
difference“) mit dem Suffix a für „apparent“:
SIDa (mmol/L) = Na+ + K+ + 2 Ca2+ + 2 Mg2+ –
Cl – Laktat
Ca2+ und Mg2+, zusammen etwa 4 mEq/L, bleiben in
der Praxis oft unberücksichtigt.
3. Gesamtkonzentration der schwachen, d. h. nicht vollständig
dissoziierten Säuren, bezeichnet als Atot (Atot = Alb + Pi )
Berechnung der negativen Ladungen:
• Alb [mEq/L] = Albumin [g/L] (0,123 pH – 0,631)
• Pi [mEq/L] = Phosphat [mmol/L] (0,309 pH – 0,469)
Von der apparenten SIDa wird die effektive SIDe unterschieden (s. Abbildung).
• SIDe [mmol/L] = HCO3 + Alb + Pi
SIDe
Na+
120
100
80
K+
ATOT
Alb–
Ca++
Pi–
SIG
Mg++
Strong ion gap
SIDa
Lactat–
Cl–
Die Höhe von SIG ist abhängig von der Menge ungemessener Anionen, z. B. Ketosäuren oder SO42 . SIG hat
somit eine ähnliche Aussage wie die Anionenlücke
(▶ Anionenlücke im Plasma), jedoch ohne den Einfluss des
Albumins, Phosphats und Laktats. Alle Parameter außer
Albumin und Phosphat, die bei pH = 7,40 zusammen
ca. 15 mEq/L Basenäquivalent ergeben, können mit modernen Blutgas-Elektrolyt-Automaten gemessen werden.
pH und Bikarbonat werden lediglich als abhängige Größen verstanden, deren Wert durch SID, Atot und pCO2 beeinflusst wird. Sie werden nicht wie im herkömmlichen System
über die Henderson-Hasselbalch-Gleichung (▶ Säure-BasenStoffwechsel) zur Klassifizierung von Acidosen und Alkalosen herangezogen.
Abweichungen des pH-Werts werden als Acidämie bzw.
Alkalämie bezeichnet.
Nach dem Stewart-Modell ergeben sich Acidosen durch:
• Zunahme von pCO2: respiratorische Acidose
• Abnahme von SID: hyperchlorämische Acidose, Hyponatriämie (Verdünnungsacidose)
S
2110
• Zunahme von Atot: Hyperphosphatämie, besonders bei
Nierenversagen
• Zunahme von SIG: ungemessene Anionen, z. B. Ketoacidose, Vergiftungen, Urämie, Leberversagen
• Zunahme von Laktat: Laktatacidose durch Hypoxie, Vergiftungen und Medikamente
Alkalosen ergeben sich durch:
• Abnahme von pCO2: respiratorische Alkalose
• Zunahme von SID: hypochlorämische Alkalose, z. B.
durch Magensaftverlust, Diuretika, oder Kompensation
einer chronischen Hyperkapnie(!), Hypernatriämie (Konzentrationsalkalose)
• Abnahme von Atot: hypalbuminämische Alkalose
Im Stewart-Modell werden unter Acidose und Alkalose
ausschließlich pathophysiologische Vorgänge mit acidifizierender bzw. alkalisierender Wirkung verstanden, nicht
aber – wie im traditionellen System – gleichzeitig die entsprechenden klinisch-chemischen Zustände. Das ist ungewohnt,
beispielsweise wenn die kompensierte chronische respiratorische Acidose in der Stewart-Systematik als gleichzeitiges
Vorliegen einer respiratorischen Acidose und einer hypochlorämischen Alkalose beschrieben wird oder wenn bei der
Konstellation Hyperchlorämie und Hypalbuminämie, die sich
bis zur normalen Basenabweichung gegenseitig kompensieren können, im traditionellen System ein normaler SäureBasen-Status festgestellt wird, während nach dem StewartModell eine hyperchlorämische Acidose bei gleichzeitiger
hypalbuminämischer Alkalose vorliegt.
Bei komplexen Säure-Basen-Störungen kann das StewartKonzept verdeckte Abweichungen erkennen, die mit dem
traditionellen System nicht abgebildet werden.
Beispiel: Fortgeschrittenes Nierenversagen mit deutlicher
Erhöhung der Retentionsparameter, aber im herkömmlichen
System ohne Acidose (normale Basenabweichung). Die
Stewart-Analyse ergibt eine Zunahme von SIG im Sinne einer
renalen Acidose, aber zugleich Zunahme von SID durch
hypochlorämische Alkalose und Abnahme von Atot durch
hypalbuminämische Alkalose, woraus sich durchaus therapeutische Ansätze ergeben können. Das Zusammenwirken
dieser Einflüsse kann sich natürlich auch durch traditionelle
Säure-Basen-Analytik, verbunden mit Elektrolytstatus, Phosphat- und Albuminbestimmung und sorgsamer Interpretation
erschließen, wird aber im Stewart-Konzept besonders verdeutlicht.
Die Anwendung des Stewart-Konzepts mag sich als vorteilhaft erweisen bei der Aufklärung von komplexen SäureBasen-Störungen (zwei oder mehr Störungen gleichzeitig)
und bei komplizierten Problemen der Infusions- und Nierenersatztherapie. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf Albumin und
Säure-Basen-Nomogramm
Phosphat, die in der traditionellen Säure-Basen-Diagnostik
eine eher geringe Aufmerksamkeit erfahren.
Dem steht als Nachteil der für die Routinearbeit beträchtliche analytische Aufwand gegenüber. Um die vereinfachte
SIDa (Na+ + K+ – Cl – Laktat) zu berechnen, braucht man
bereits vier Messgrößen; die SIG-Berechnung erfordert gar
10 Parameter. Die Gefahr von Fehlberechnungen durch Addition analytischer oder präanalytischer Fehler liegt dabei auf
der Hand. Hinzu kommt der hohe rechnerische Aufwand.
Obwohl inzwischen einige rechnerische Vereinfachungen
publiziert worden sind (Funk 2007; Story et al. 2004) wird
daher das Stewart-Modell unter Intensivmedizinern noch
immer kontrovers diskutiert. Es stellt weniger eine Alternative zum traditionellen Siggaard-Andersen-Konzept als vielmehr eine ergänzende diagnostische Maßnahme dar.
Literatur
Figge J, Mydosh T, Fencl V (1992) Serum proteins and acid–base
equilibria: a follow-up. J Lab Clin Med 120:713–719
Funk GC (2007) Das Säure-Basen-Modell nach Stewart. Wien Klin
Wochenschr 119:390–403
Stewart PA (1983) Modern quantitative acid–base chemistry. Can
J Physiol Pharmacol 61:1444–1461
Story DA, Morimatsu H, Bellomo R (2004) Strong ions, weak acids and
base excess: a simplified Fencl-Stewart approach to clinical acid base
disorders. Br J Anaesth 92:54–60
Säure-Basen-Nomogramm
▶ Siggaard-Andersen-Nomogramm
Säure-Basen-Stoffwechsel
O. Müller-Plathe
Englischer Begriff acid-base balance
Definition Der Säure-Basen-Stoffwechsel beschreibt die
Einflüsse von Stoffwechsel-, Verteilungs- und Eliminationsvorgängen auf die Acidität des Bluts und anderer Körperflüssigkeiten, sowie die Modifikation dieser Einflüsse durch
Pufferung und Kompensation. Dabei wird der Säure-BasenTerminologie nach Brønstedt (J. N. Brønstedt, 1879–1947,
dänischer Chemiker) gefolgt, wonach eine Säure eine Substanz
ist, die Wasserstoffionen freisetzen kann (Protonendonator),
und eine Base dadurch gekennzeichnet ist, dass sie Wasserstoffionen aufnehmen kann (Protonenakzeptor).
Säure-Basen-Stoffwechsel
Beschreibung Für viele biochemische Prozesse und nervale
Funktionen beim Menschen ist die Einhaltung des normalen
pH-Werts von ca. 7,40 im Plasma (Isohydrie) von vitaler
Bedeutung. Abweichungen und Gefährdungen müssen daher
frühzeitig erkannt und behandelt werden. Das gilt für die
gesamte Intensivmedizin, für die Diabetologie, Nephrologie,
Toxikologie und für die Überwachung besonderer Therapien
wie Beatmung, Dialyse, Infusionstherapie und Medikation
mit Hormonen und Diuretika.
Umsatz, Transport und Elimination Zwei fortlaufend entstehende Metabolite wirken sich auf das Säure-BasenGleichgewicht aus:
• Kohlendioxid (CO2): Bei mäßiger körperlicher Aktivität entstehen pro Minute etwa 350 mL CO2 entsprechend einem Säureäquivalent von 17 mmol/min bzw.
24000 mmol/Tag, bei starker Belastung ein Vielfaches
dieser Menge. CO2 wird nur zu 10 % physikalisch gelöst
im Plasma transportiert, 70 % werden in den Erythrozyten nach Hydratisierung durch Carboanhydratase in
Form von HCO3 transportiert. Die dabei entstehenden
H+ werden durch das bei der Gewebspassage entstehende
und basisch wirkende Deoxyhämoglobin gepuffert. Die
restlichen 20 % lagern sich dem Hämoglobin reversibel
als Carbaminoverbindung an. Bei der Lungenpassage
setzt das als Säure wirkende Oxyhämoglobin H+ frei
und alle Vorgänge laufen in umgekehrter Richtung
ab. Das dabei erneut gebildete CO2 wird durch die Lunge
abgeatmet.
• Nicht flüchtige („fixe“) Säuren: Normale Mischkost führt
zu einem Überschuss an fixen Säuren von 40–80 mmol/
Tag, dessen H+ durch die Nieren ausgeschieden werden.
Die Säure stammt im Wesentlichen von schwefelhaltigen
Aminosäuren tierischer Proteine sowie von Dihydrogenphosphat und organischen Phosphorverbindungen. Aus
dem Intermediärstoffwechsel resultiert unter normalen
Umständen keine zusätzliche Säurebelastung, wohl aber
bei Störungen des Metabolismus, z. B. bei dekompensiertem Diabetes mellitus. Die Nieren können bei extremer
Säurebelastung die Elimination bis auf etwa 400 mmol/
Tag steigern (▶ Säureausscheidung, renale).
Puffersysteme Der Plasma-pH ist auf 7,400,04 eingestellt
(Isohydrie). Er wird durch Puffersysteme stabilisiert, die man
unter funktionellen Aspekten unterteilen kann in den Bikarbonat-Kohlensäure-Puffer und die Gruppe der Nichtbikarbonatpuffer. Erst wenn die Pufferfähigkeit überschritten wird,
tritt die Kompensation durch Lunge oder Niere in Aktion.
Bikarbonat-Kohlensäure-Puffer
Dieses System hat eine Gesamtkonzentration (HCO3 +H2CO3+
CO2) von 25,4 mmol/L, die sehr schnell variiert werden
2111
kann. H2CO3 und CO2 stehen in einem Gleichgewicht, das
mit einer Relation von etwa 700:1 stark in Richtung CO2
verschoben ist. Der Wirkungsschwerpunkt liegt im Plasma
und in der Extrazellulärflüssigkeit. Die Säurekomponente
ist in Form von CO2 über die Lungen rasch eliminierbar.
In diesem „offenen System“ mit konstant gehaltenem
pCO2 beträgt die ▶ Pufferkapazität des Bikarbonatpuffers
57 mmol/l bei pH 7,40. Von der gesamten Pufferkapazität
der Extrazellulärflüssigkeit einschließlich des Plasmas entfallen bei Belastung mit fixer Säure oder Base auf den
Bikarbonatpuffer etwa 80 %.
Seine Funktionsweise wird durch die HendersonHasselbalch-Gleichung beschrieben:
pH ¼ pK0 þ lg
pH ¼ 6,105 þ lg
cHCO3
pCO2 a
cHCO3 ðmmol=LÞ
pCO2 ðmmHgÞ 0,0307
wobei pK0 (negativer Exponent der scheinbaren Dissoziationskonstante) = 6,105 und a (molarer Löslichkeitskoeffizient für CO2 in Plasma) = 0,0307 sind.
Bei pCO2 von 40 mmHg ergibt sich im Nenner cH2CO3
von 1,2 mmol/L. Bei 24 mmol/L cHCO3 im Zähler entspricht das einem Komponentenverhältnis von 20:1, dessen
dekadischer Logarithmus 1,3 beträgt und somit zu einem
pH=7,40 führt.
In der Henderson-Hasselbalch-Gleichung repräsentiert
pCO2 ausschließlich die respiratorische Seite, während
cHCO3 überwiegend von nicht respiratorischen („metabolischen“) Vorgängen bestimmt wird.
Nichtbikarbonatpuffer (NB-Puffer)
Im Gegensatz zum Bikarbonatpuffer sind die Konzentrationen der Nichtbikarbonatpuffer kurzfristig nicht variierbar.
Der Wirkungsschwerpunkt liegt in den Erythrozyten. Von
der gesamten Pufferkapazität der Extrazellulärflüssigkeit
und der Erythrozyten entfallen bei Belastung mit fixer Säure
oder Base auf diese Puffergruppe etwa 20 %.
NB-Puffer in den Erythrozyten:
• Hämoglobin. Als wichtigster NB-Puffer stellt es über
80 % der Pufferkapazität der Erythrozyten. Seine Pufferwirkung geht vorwiegend von den Imidazolgruppen einiger Histidine aus. Sowohl Oxihämoglobin (pK=6,95) als
auch Deoxyhämoglobin (pK=8,25) wirken als Puffer. Bei
der Oxigenierung (in der Lungenkapillare) wirkt Hb als
H+-Donator, bei der Deoxygenierung (in der Gewebskapillare) als H+-Akzeptor.
• ▶ 2,3-Diphosphoglyzerat.
S
2112
Säure-Basen-Stoffwechsel
NB-Puffer im Plasma und der übrigen Extrazellulärflüssigkeit
• Plasmaproteine. Sie stellen bei einem pK um 7,3 etwa
95 % der Pufferkapazität des Plasmas. Auch hier sind
überwiegend die Imidazolgruppen des Histidins für die
Pufferwirkung verantwortlich.
• Anorganisches Phosphat. Das System H2PO4 /HPO42
mit einem pH=6,8 spielt angesichts seiner niedrigen Konzentration im Plasma nur eine geringe Rolle. Es hat eine
große Bedeutung als Puffersystem für die renale Säureausscheidung.
• respiratorische Störungen „metabolisch“ kompensiert,
durch renale Anpassung der Bikarbonatkonzentration
(▶ Säureausscheidung, renale) und
• metabolische Störungen respiratorisch kompensiert, durch
pulmonale Anpassung von pCO2.
Das Verhalten primär und kompensatorisch veränderter
Messgrößen ist in dem folgenden orientierenden Schema
zur Diagnostik von Säure-Basen-Störungen (aus: MüllerPlathe 1982) dargestellt:
Interaktion der Puffersysteme
Die Pufferung bei respiratorischen Störungen wird ausschließlich von den NB-Puffern, also vorwiegend vom Hämoglobin geleistet. Zunahme von pCO2 (Hyperkapnie) bewirkt folgende Reaktion:
H2 CO3 þ Hb
! HCO3
þ HHb
Bei dieser Reaktion nimmt die Bikarbonatkonzentration auf
Kosten des Hb-Puffers zu, ohne dass sich die Gesamtkonzentration der Pufferbasen ändert. Da sich das Bikarbonat jedoch
auf den gesamten Extrazellulärraum verteilt, nehmen die
Basenkonzentration und damit auch die auf das Blut bezogene ▶ Basenabweichung (BA) ab, wodurch eine zusätzliche
metabolische Acidose vorgetäuscht werden kann. Dem wird
begegnet durch den Bezug der BA auf den Extrazellulärraum.
Säure-Basen-Störungen Eine Acidose ist gekennzeichnet
durch Zunahme an Säure oder Mangel an Base, eine Alkalose
durch Zunahme von Base oder Mangel an Säure im Blut und
im Extrazellularraum.
Ist die Säure-Basen-Störung durch Veränderungen der
pulmonalen CO2-Ausscheidung verursacht, nennt man sie
respiratorisch, ist sie durch nicht respiratorische Einflüsse
hervorgerufen, wird sie als metabolisch bezeichnet. Somit
resultieren 4 Kategorien:
Kompensation von Säure-Basen-Störungen
Die starken Pfeile markieren die jeweiligen primären
Veränderungen. Die schräg weisenden dünnen Pfeile kennzeichnen das Verhalten der kompensierenden Messgröße und
des pH-Wertes. Die Richtung der Kreisbögen zeigt an, in
welcher Richtung sich die Messgrößen mit fortschreitender
Kompensation ändern.
Das Diagramm in Abb. 1 dient der Diagnostik von SäureBasen-Störungen. Der sich aus pCO2 auf der Abszisse und
cHCO3 auf der Ordinate ergebende Statuspunkt erlaubt die
Einordnung als Normalstatus, als normal-kompensierte Störung innerhalb der unterlegten Felder oder als kombinierte
bzw. dekompensierte Störung außerhalb derselben. Liegt der
Statuspunkt außerhalb, muss entschieden werden, ob
Unter Kompensation versteht man die Abschwächung einer
SB-Störung durch aktive Organleistungen mit dem Ziel,
Abweichungen des pH möglichst klein zu halten, also dem
Quotienten cHCO3 /cH2CO3=20:1 möglichst nahe zu bleiben. Deshalb werden
• die Störung so kurz besteht, dass noch keine vollständige
Kompensation stattfinden konnte,
• die Funktion des kompensierenden Organsystems eingeschränkt ist oder
• eine zweite Säure-Basen-Störung gleichzeitig vorliegt.
•
•
•
•
Respiratorische Acidose (▶ Acidose, respiratorische)
Respiratorische Alkalose (▶ Alkalose, respiratorische)
Metabolische Acidose (▶ Acidose, metabolische)
Metabolische Alkalose (▶ Alkalose, metabolische)
Säurebelastungstest
2113
Säure-Basen-Stoffwechsel, Abb. 1 Diagnostik-Nomogramm für Säure-Basen-Störungen unter Berücksichtigung des Kompensationsgrades
Literatur
Adrogué HE, Adrogué HJ (2001) Acid-base physiology. Respir Care
46:328–341
Müller-Plathe O (1982) Säure-Basen-Haushalt und Blutgase, 2. Aufl.
Thieme, Stuttgart
S
Säurebelastungstest
O. Müller-Plathe
Synonym(e) Ammoniumchlorid-Belastung
Säure-Basen-Störungen,
Kompensation
▶ Säure-Basen-Stoffwechsel
Englischer Begriff ammonium chloride loading test
Definition Test zur Erkennung einer distalen renal-tubulären
Acidose (RTA).
2114
Beschreibung Durchführung:
• Ausgangswert: pH im morgendlichen Urin nach nächtlicher Nahrungskarenz messen. Bei pH <5,5 ist der Test
nicht notwendig.
• Orale Gabe von 0,1 g Ammoniumchlorid pro kg KG, in
Portionen über 1 Stunde verteilt.
• pH-Messung in frischen stündlichen Urinproben über
8 Stunden.
Bewertung: Normalerweise fällt der pH nach 2–4 Stunden
in mindestens einer Probe auf Werte <5,5. Bei distaler RTA
bleiben die Werte deutlich darüber, meist >6. Ein Harnweginfekt durch NH3-bildende Bakterien mit nachfolgender
Alkalisierung des Urins macht den Test unzuverlässig und
sollte zuvor beseitigt werden.
Kontraindikationen: Erkrankungen der Leber, globale Niereninsuffizienz.
Literatur
Säureelution
Beschreibung Die ▶ Erythrozyten von Patienten mit PNH,
einer erworbenen klonalen Erkrankung der Hämatopoese,
zeigen eine erhöhte Empfindlichkeit zur Lyse durch ▶ Komplement. Diese erhöhte Lysebereitschaft kann durch den
Säure-Hämolyse-Test nachgewiesen werden. Dazu werden
Patientenerythrozyten mit acidifiertem (angesäuertem) Patienten- und Normalserum gemischt und das Ausmaß der Hämolyse fotometrisch bestimmt. Durch die Zugabe von
▶ Magnesium im Testansatz kann die Empfindlichkeit gesteigert werden. Der Test wird nur noch selten angewandt, da
durch die immunzytometrische Bestimmung des Defizits von
GPI-verankerten Schutzfaktoren (CD55 und CD59) auf den
Erythrozyten dieser Patienten eine sensitivere und einfacher
durchführbare Methode zur Verfügung steht.
Literatur
Regan F, Newlands M, Bain BJ (2001) Acquired haemolytic anaemias.
Paroxysmal nocturnal haemoglobinuria. In: Lewis SM, Bain BJ,
Bates I (Hrsg) Practical haematology, 9. Aufl. Churchill Livingstone,
London, S 219–225
Laski ME, Kurtzman NA (1989) Evaluation of acid-base disorders from
the urine. In: Seldin DW, Giebisch G (Hrsg) The regulation of acidbase-balance. Raven, New York
Säuren im Urin, organische
G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Säureelution
▶ Elution erythrozytärer Antikörper
Englischer Begriff organic acids in urine
Säurefestigkeit
Definition Die Bezeichnung „organische Säure“ ist ein Sammelbegriff, der Mono- und Dicarbonsäuren wie auch Ketound Hydroxysäuren einschließt. Außerdem werden einige
stickstoffhaltige Verbindungen wie 5-Oxoprolin und Hippursäure dazu gezählt.
▶ Ziehl-Neelsen-Färbung
Säure-Hämolyse-Test
H. Baum
Synonym(e) Ham-Test
Englischer Begriff acidified-serum lysis test; Ham-Test
Definition Von Th. Ham 1937 beschriebener Test zum
Nachweis einer komplementabhängigen Lyse der Erythrozyten im acidifierten Serum zur Diagnostik der paroxysmalen
nächtlichen Hämoglobinurie (PNH).
Beschreibung Nahezu alle Intermediärstoffwechselwege
spiegeln sich im Urin in niedermolekularen, polaren Schlüsselmetaboliten. Die Untersuchung der sauren Urinkomponenten liefert ein Profil der organischen Säuren, das qualitative
bis semiquantitative Aussagen über die aktuelle Stoffwechselsituation zum Zeitpunkt der Probennahme zulässt.
Ebenfalls miterfasst werden exogene Bestandteile aus
besonderen Ernährungsformen sowie Medikamentenmetabolite. Diese Komponenten können die Interpretation der endogenen Metabolite erschweren.
Die Untersuchung der organischen Säuren erfordert zunächst eine Extraktion der sauren Komponenten durch
▶ Flüssig-Flüssig-Extraktion mit Ethylacetat oder Diethylether. Auch Anionenaustausch- sowie ▶ Adsorptionschromatographie werden zur Aufreinigung eingesetzt.
Säure-Serum-Test
2115
Oxosäuren werden nach vorangegangener Umsetzung zu
Oximen ebenfalls extrahiert.
Die Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Kopplung
(▶ GC-MS) ist immer noch die Methode der Wahl zur weiteren Differenzierung der sauren Extrakte.
Die Feinauftrennung der organischen Säuren erfolgt als
Trimethylsilyl- (TMS-) oder Methyl-Derivate gaschromatographisch über Kapillarsäulen. Die Identifikation erfolgt über
die ▶ Retentionszeit (als Retentionsindex) und durch die
Aufnahme von Massenspektren mittels Quadrupol- oder IonTrap-Massenspektrometern (▶ Massenspektrometrie). In den
spezifischen Angaben zu den unter Kenngrößen aufgeführten
organischen Säuren ist der Retentionsindex der TMS-Derivate
nach Pentafluorobenzyloximierung auf einer DB-5-Kapillarsäule (30 m 0,25 mm) angegeben. Die Massenspektren
können Software-seitig mit Datenbankeinträgen verglichen
werden.
Einige organische Säuren sind immer im Urin nachweisbar. Dominant sind z. B. Succinat, Citrat und Hippurat. In sehr
geringer Konzentration treten auch ▶ Methylmalonsäure,
▶ 3-Hydroxyisovaleriansäure und ▶ 2-Hydroxyglutarsäure
auf. Der pathologische Zustand einer Organoacidopathie
zeigt sich dabei im Chromatogramm durch die Erhöhung
eines dieser Metabolite.
Andere Stoffwechselerkrankungen wiederum führen zum
Auftreten von Metaboliten, die normalerweise nicht im Urin
vorkommen, wie z. B. ▶ 3-Hydroxyglutarsäure bei der Glutaracidurie Typ I.
Die Tabelle gibt eine Übersicht über Stoffwechselerkrankungen und den organischen Säuren:
Organische Säure
2-Methyl-3Hydroxybuttersäure
2-Methylacetoacetat
2-Hydroxy-3Methylvaleriansäure
2-Hydroxyglutarsäure
2-Hydroxyisocapronsäure
2-Hydroxyisovaleriansäure
3-Hydroxypropionsäure
2-Oxo-3-Methylvaleriansäure
2-Oxoadipinsäure
2-Oxoisocapronsäure
2-Oxoisovaleriansäure
3-Methylcrotonylglyzin
3-Methylglutaconsäure
3-Methylglutarsäure
3-Hydroxy-3Methylglutarsäure
Krankheit
3-Ketothiolase-Mangel
3-Ketothiolase-Mangel
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
2-Hydroxyglutarazidurie,
Glutarazidurie Typ II
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
Propionazidurie
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
2-Oxoadipinazidurie
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
3-Methylcrotonyl-CoACarboxylase-, Biotinidase-,
Holocarboxylase-SynthetaseMangel
3-Methylglutaconazidurien Typ
I–IV
3-Methylglutaconazidurie Typ -VI
3-HMG-CoA-Lyase-Mangel
(Fortsetzung)
Organische Säure
3-Hydroxyglutarsäure
3-Hydroxyisovaleriansäure
4Hydroxycyclohexylessigsäure
5-Oxoprolin
Adipinsäure
Ethylmalonsäure
Fumarsäure
Glutarsäure
Glyzerinsäure
Hexanoylglyzin
Homogentisinsäure
Isovalerylglyzin
Methylcitrat
Methylmalonsäure
N-Acetylasparaginsäure
Phenylpropionylglyzin
Propionylglyzin
Sebacinsäure
Suberinsäure
Succinylaceton
Tiglylglyzin
Krankheit
Glutarazidurie Typ I
Isovalerianazidämie,
3-Methylcrotonyl-CoACarboxylase-, Biotinidase-,
Holocarboxylase-SynthetaseMangel
Hawkinsinurie
5-Oxoprolinurie (GlutathionSynthese)
Fettsäureoxidationsdefekte,
Glutarazidurie Typ II
SCAD-Mangel, Glutarazidurie Typ
II
Fumarazidurie,
Mitochondriopathien
Glutarazidurien Typ I–III
Glyzeratazidurie
MCAD-Defekt
Alkaptonurie
Isovalerianazidämie,
3-Methylcrotonyl-CoACarboxylase-, Biotinidase-,
Holocarboxylase-SynthetaseMangel
Methylmalonazidurien,
Propionazidämie
Methylmalonazidurien, VitaminB12-Mangel
Morbus Canavan
Mittelkettiger-Acyl-CoADehydrogenase-Mangel
Propionazidämie
Fettsäureoxidationsdefekte
Fettsäureoxidationsdefekte
Tyrosinämie Typ I
Propionazidämie, 3-KetothiolaseMangel
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s
guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg
Saure-Phosphatase-Reaktion
▶ Phosphatase-Reaktion
Säure-Serum-Test
▶ Ham-Test
S
2116
Sayk-Sedimentierkammer für
Liquorzellen
Sayk-Sedimentierkammer für Liquorzellen
SC-Antikörper
▶ Autoantikörper gegen Aminoacyl-t-RNS-Synthetase
▶ Liquor-Sedimentierkammer-Verfahren
Sb
▶ Antimon
SBIC
▶ Standardbicarbonat
Scatter factor
▶ Hepatocyte growth factor
Scavenger-Rezeptor
K. J. Lackner und D. Peetz
Englischer Begriff Scavenger receptor
Sc
▶ Scienna-Blutgruppensystem
Scan
B. Güssregen
Englischer Begriff scan
Beschreibung Die kontinuierliche Aufzeichnung von Massenspektren über einen definierten Massenbereich wird in der
▶ Massenspektrometrie als Scan („full scan“) bezeichnet.
Analog wird die kontinuierliche Aufzeichnung von UV-Spektren (▶ UV/VIS-Spektrometrie) in der HPLC mit UV-Detektion (▶ Photodioden-Array-Detektor) als Scan bezeichnet.
Scannen von Gelen
▶ Densitometrie
Scanner
▶ Densitometer
▶ Dokumentenscanner
Definition Gruppe von zellulären Rezeptoren, die u. a. modifizierte Lipoproteine und Lipide binden und zu den sog.
Pattern-recognition-Rezeptoren gezählt werden.
Beschreibung Scavenger-Rezeptoren haben gemeinsam,
dass sie u. a. modifizierte ▶ Lipoproteine, Lipide oder Zelldetritus binden können. In dieser Funktion werden sie zu den
immunologisch relevanten Pattern-recognition-Rezeptoren
gezählt, zu denen auch die Toll-like-Rezeptoren, Komplementrezeptoren, CD14 und andere gehören. Daneben gibt es
auch einzelne Mitglieder der Scavenger-Rezeptoren, die normale Lipoproteine binden und eine Rolle im Lipidstoffwechsel spielen. Aufgrund ihrer Funktion als Rezeptoren für gestrandete und oxidativ oder anderweitig modifizierte LDLPartikel sowie tierexperimenteller Daten wird vermutet, dass
die Scavenger-Rezeptoren in die Pathogenese der Atherosklerose involviert sind. Inzwischen wurden 10 Klassen
(A–J) von Scavenger-Rezeptoren bei Eukaryonten beschrieben, von denen die Klassen A und B eine wichtige Rolle im
Lipoproteinstoffwechsel spielen. Die Scavenger-Rezeptoren
der Klasse A sind in die Aufnahme modifizierter LDL in
▶ Makrophagen involviert. Die Klasse B, zu der CD36
gerechnet wird, ist daneben auch in die Interaktion von
HDL mit Zellen involviert. Die Rezeptoren der Klasse
C haben als einzige Klasse keinen Vertreter bei Säugern und
wurden bisher nur bei Drosophila beschrieben.
Literatur
Zani IA, Stephen SL, Mughal NA, Russell D et al (2015) Scavenger
receptor structure and function in health and disease. Cell 4:178–201
Schaumzellen
SCC
▶ Squamous cell carcinoma antigen
2117
einer Grundgesamtheit berechnet werden. Die Bezeichnung
„Schätzer“ schließt auch den Begriff des „Intervallschätzers“
mit ein, der die Bestimmung eines Vertrauensintervalls
(▶ Konfidenzintervall) für den unbekannten Wert des Parameters in der Grundgesamtheit beinhaltet.
SCCA
Literatur
▶ Squamous cell carcinoma antigen
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
S-CCK-Test
▶ Sekretin-Pankreozymin-Test
sCD14-ST
▶ Presepsin
Schätzung
▶ Schätzer
Schaumzellen
H. Baum
SCF
Englischer Begriff foam cell
▶ Stem Cell Factor
Definition Lipidspeichernder Makrophage mit schaumig
degeneriertem Zytoplasma.
Schätzer
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Synonym(e) Intervallschätzer; Intervallschätzung; Parameterschätzer; Parameterschätzung; Punktschätzer; Punktschätzung; Schätzung
Englischer Begriff estimator; estimate
Definition Ein Schätzer ist ein Näherungswert für einen unbekannten ▶ Parameter.
Beschreibung Ein Schätzer für einen Parameter wird auf der
Grundlage von Daten einer ▶ Stichprobe ermittelt und dient
als Näherung für den unbekannten Wert des Parameters in der
▶ Grundgesamtheit, aus der die Stichprobe stammt. Die Angabe eines Schätzwertes für einen unbekannten Parameter der
Verteilung (▶ Verteilung, statistische) in der Grundgesamtheit wird auch als Punktschätzer bezeichnet. Beispielsweise
können Schätzer für den unbekannten Mittelwert (▶ Mittelwert, arithmetischer), die ▶ Varianz oder auch den ▶ Median
Beschreibung Schaumzellen sind morphologisch gekennzeichnet durch ein weites Zytoplasma, das viele fetthaltige
Vakuolen, die an Schaum erinnern, enthält. Sie sind eine besondere Ausprägung eines phagozytierenden ▶ Makrophagen.
Ihre klinische Relevanz ist gering.
Die Abbildung zeigt eine Schaumzelle in bronchoalveolärer Lavageflüssigkeit (630, May-Giemsa-Grünwald-Färbung):
S
2118
Literatur
Nerl C (1993) Monozyten-Makrophagen-System = MMS. In: Begemann H, Rastetter J (Hrsg) Klinische Hämatologie, 4. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart, S 87
Scherer, Johann Joseph von
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Lebensdaten Deutscher Chemiker und Mediziner, geboren
am 13. März 1814 in Aschaffenburg, gestorben am 17. Februar 1869 in Würzburg.
Verdienste Scherer studierte in Würzburg Medizin und in
München Chemie und war Assistent bei Justus von Liebig in
Gießen. Ab 1847 ordentlicher Professor für Organische Chemie und Leiter des klinisch-chemischen Laboratoriums am
Julius-Hospital in Würzburg. Klinisch-chemische und
pathologisch-chemische Arbeiten zur Analyse des Bluts in
enger Verbindung mit der Klinik führten u. a. zur Entdeckung
von ▶ Hypoxanthin und (Meso-)Inosit. Scherer gilt mit
Johann Florian Heller (▶ Heller, Johann Florian) und Johann
Franz Simon (▶ Simon, Johann Franz) als Begründer der
Klinischen Chemie (▶ Klinische Chemie) in Deutschland.
Literatur
Grund CR (2002) Der Würzburger Chemiker Johann Joseph von Scherer
und die Begründung der Klinischen Chemie im 19. Jahrhundert.
Shaker Verlag, Aachen
Schichtdicke
▶ Lambert-Beer-Gesetz
Schießscheibenzelle
▶ Target-Zelle
Schilddrüsenhormon-Rezeptor
b-Genmutation
Scherer, Johann Joseph von
Englischer Begriff thyroid hormone resistance; Refetoff
syndrome; impaired sensitivity to thyroid hormone
Definition Mutation des Gens für den b-Schilddrüsenhormonrezeptor (THRB Gen), die die hormonbindende Domäne
des Rezeptors betrifft und daher zu einer Resistenz gegenüber
Schilddrüsenhormon führt.
Beschreibung Biochemisch charakteristisch ist die Kombination von erhöhten freien Schilddrüsenhormonen (T3,
▶ Triiodthyronin, freies und T4, ▶ Thyroxin, freies) mit nicht
supprimiertem oder auch erhöhtem TSH (▶ Thyreotropin).
Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, eine ▶ Inzidenz
von 1:50.000 bei Lebendgeburten ist beschrieben. Meist wird
sie autosomal dominant vererbt (▶ Autosomal-dominante
Vererbung), tritt gelegentlich aber auch sporadisch oder
rezessiv vererbt auf (▶ Autosomal-rezessive Vererbung).
Mutationen finden sich fast immer in ▶ Exon 7, 8, 9 oder
10 des THRB-Gens. Die Diagnosestellung bei Verdacht
erfolgt durch Sequenzierung der entsprechenden Genabschnitte. Nachdem Schilddrüsenhormonrezeptoren durch 2
Gene auf unterschiedlichen Chromosomen kodiert und in
verschiedenen Isoformen gewebsspezifisch exprimiert werden, ist die klinische Symptomatik bei SchilddrüsenhormonRezeptor-b-Genmutationen extrem heterogen. Dies gilt auch
innerhalb einer betroffenen Familie. Grundsätzlich werden
generalisierte Formen, bei denen die Rezeptoren in allen
Organen betroffen sind, von hypophysenspezifischen Formen
unterschieden, bei denen im Wesentlichen der negative Feedback auf die TSH-Sekretion gestört ist. Die meisten Patienten
entwickeln eine Struma, relativ häufig kombiniert mit unterschiedlich stark ausgeprägten Einschränkungen des Gehörs.
Insbesondere bei der partiellen, auf die Hypophyse beschränkten Resistenz zeigen sich auch Symptome einer
Hyperthyreose (z. B. Tachyarrhythmien). Klinisch kann eine
Behandlungsindikation bei hyper- oder hypothyreoter Symptomatik vorliegen. Die Dosisfindung muss jedoch rein klinisch erfolgen, da aufgrund der hypophysären Resistenz die
TSH-Werte nicht aussagekräftig sind.
Literatur
Ferrara AM, Onigata K, Ercan O, Woodhead H, Weiss RE, Refetoff
S (2012) Homozygous thyroid hormone receptor b-gene mutations in
resistance to thyroid hormone: three new cases and review of the
literature. J Clin Endocrinol Metab 97(4):1328–1336. https://doi.org/
10.1210/jc.2011-2642. Epub 2012 Feb 8
M. Bidlingmaier
Schilddrüsenperoxidase
Synonym(e) Familiäre Schilddrüsenhormon-Resistenz; Refetoff-Syndrom; Refetoff-De-Wind-De-Groot-Syndrom
▶ Thyreoperoxidase
Schistosoma spp.
Schilling, Viktor
2119
• S. japonicum: China, Philippinen, Indonesien, vereinzelt
Japan
• S. mekongi: Laos, Kambodscha, Thailand
H. Baum
Lebensdaten Deutscher Mediziner, geboren am 28. August
1883 in Torgau, gestorben am 30. Mai 1960 in Rostock.
Verdienste Internist und Hämatologe; arbeitete 1910–1913
im Hamburger Tropeninstitut und im Ersten Weltkrieg als
Hygieniker bei der Armee, ab 1919 als Internist in der Charité
in Berlin. Sein Hauptinteresse galt der Hämatologie und hier
insbesondere des Einsatzes der morphologischen Differenzierung zur Erkennung von Erkrankungen (▶ Hämogramm nach
Schilling, ▶ Zählkammer).
Schilling-Kammer
▶ Erythrozytenzählung
▶ Leukozytenzählung
▶ Zählkammer
Schilling-Test
▶ Vitamin-B12-Resorptionstest
Schistosoma spp.
W. Stöcker
Englischer Begriff schistosoma
Beschreibung des Erregers Klasse: Trematoda (Saugwürmer); Familie: Schistosomatidae; Gattung: Schistosoma
(Pärchenegel); Arten: S. haematobium, S. mansoni, S. intercalatum, S. japonicum, S. mekongi.
Erkrankungen Schistosomiasis (Bilharziose).
Verbreitung: tropische und subtropische Gebiete Afrikas,
Lateinamerikas sowie Südwest- und Südostasiens:
• S. haematobium: Afrika, Naher und Mittlerer Osten
• S. mansoni: Afrika, Arabische Halbinsel, Südamerika,
vereinzelt Karibik
• S. intercalatum: Westafrika, regional in Kamerun, Gabun
und im Kongo
Wirt: Süßwasserschnecken (Zwischenwirt), End-/Reservoirwirte sind u. a. Säugetiere und Vögel.
Übertragung/Entwicklung: Mit dem Stuhl oder Urin des
Endwirtes gelangen befruchtete Eier ins Wasser. Aus ihnen
schlüpfen Wimpernlarven (Miracidium), die aktiv in den
Zwischenwirt eindringen und sich zu Sporozysten entwickeln. Aus einer Sporozyste schlüpfen hunderte infektiöser
Zerkarien, die ins Wasser ausgeschieden werden. Sie durchdringen die Haut des Endwirtes (Penetrationsphase) und wandern in dessen Blutbahn. Im Endwirt erfolgen die Entwicklung zum geschlechtsreifen Parasiten und die Paarung.
Erkrankung: Die Inkubationszeit bis zur ZerkarienDermatitis beträgt 6–48 Stunden. Vor allem bei Infektionen
mit S. japonicum und S. mekongi kann nach 2–8 Wochen ein
akutes fiebriges Krankheitsbild auftreten (Katayama-Fieber
mit Schüttelfrost, Husten, Kopfschmerzen). Nach Jahren können Symptome einer chronischen Schistosomiasis (u. a. Blut
in Urin/Stuhl, Abdominalschmerzen) einsetzen. Die gepaarten Parasiten besiedeln die Venen vor allem der Blase
(S. haematobium), des Mesenteriums (S. mansoni, S. japonicum, S. mekongi) oder des Rektums (S. intercalatum), wobei
prinzipiell jedoch alle Organe des Körpers befallen sein können. Mit zunehmender Zahl abgelegter Eier kommt es zum
Verschluss der Kapillaren und zu chronischen, entzündlichen
Immunreaktionen gegen die Eier in den betreffenden Organen
(Blasenbilharziose, hepatolienale Bilharziose, Darmbilharziose). Als Folge können sich Granulome bis hin zu Fibrosen
ausbilden.
Analytik Direktnachweis: Nachweis der Eier im Urin,
Stuhl oder in Schleimhautbiopsaten aus Blase oder Darm;
Nachweis der DNA durch Polymerase-Kettenreaktion in Speziallaboratorien.
Serologie: Nachweis spezifischer Antikörper (IgM, IgG)
im Serum durch indirekte Immunfluoreszenz (▶ Immunfluoreszenz, indirekte), ▶ Enzyme-linked Immunosorbent
Assay.
Probenmaterial Direktnachweis: Urin, Stuhl, Schleimhautbiopsate.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei
20 C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes
Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit Die Anamnese des Patienten
kann wichtige Hinweise geben (Reisen in verdächtige Regionen, Kontakt mit Binnengewässern, Auftreten von Hauterscheinungen). Der direkte Nachweis der Parasiteneier ist frü-
S
2120
hestens nach 4–10 Wochen möglich. Vorher ist eine Eosinophilie
im Blutbild nachweisbar. Die Serologie spielt besonders bei
Reiserückkehrern aus endemischen Gebieten eine besondere
Rolle, da bei Erstinfektion mit Schistosoma ssp. die Eiproduktion oft intermittierend verläuft und eine Infektion dann
nur über die Antikörperbestimmung auch während der Präpatenzzeit (ca. 3 Monate) nachgewiesen werden kann. Bei
erfolgreicher Behandlung mit Praziquantel kann nach ca.
6–12 Wochen ein Abfall des Antikörpertiters gemessen werden. Kreuzreaktionen mit Antikörpern gegen andere Parasiten sind möglich.
Differenzialdiagnosen:
• Zerkariendermatitis: Allergien
• Akute Schistosomiasis: Typhus abdominalis, Malaria,
Brucellose, Amöbiasis, Ancylostomiasis, lymphatische
Filarose, Trichomonaden, viszerale Leishmaniose
• Chronische Schistosomiasis: je nach Lokalisation Blasen-, Darm- und Lebererkrankungen anderer Genese
Schistozyten
Toxoplasmen) im Zwischenwirt. Der Schizont besitzt mehrere Zellkerne. Nach dem Zerfall des mehrkernigen Schizonten werden einkernige Merozoiten freigesetzt, die wiederum
neue Zellen befallen oder aber sich zu Gametozyten, den
geschlechtlichen Formen differenzieren.
Die Abbildung zeigt einen intraerythrozytären Schizonten bei
Malaria quartana (1000, May-Giemsa-Grünwald-Färbung):
Literatur
Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta, 7. Nov 2012.
Parasites -Schistosomiasis. https://www.cdc.gov/parasites/schisto
somiasis/. Zugegriffen am 15.02.2017
Robert-Koch-Institut, Berlin (2011) Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut, Berlin
World Health Organization. Media Centre, Jan 2017. Schistosomiasis.
Factsheet. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs115/en/. Zugegriffen am 15.02.2017
Schistozyten
▶ Fragmentozyt
▶ Helmzellen
Literatur
Seitz HM, Maier W (1994) Parasitologie – Sporozoen. In: Brandis H,
Köhler W, Eggers HJ et al (Hrsg) Lehrbuch der Medizinischen
Mikrobiologie. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, S 654–667
Schizozyten
▶ Fragmentozyt
Schlafmohn
Schizont
▶ Mohn
H. Baum
Synonym(e) Meront
Schlesinger-Probe
Englischer Begriff schizont
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Definition Ungeschlechtliche Teilungsform der Sporozoen
mit mehreren Zellkernen.
Beschreibung Der Schizont ist die ungeschlechtliche Teilungsform von Sporozoen (z. B. der ▶ Plasmodien oder
Synonym(e) Urobilin- und Sterkobilinnachweis nach Schlesinger
Englischer Begriff Schlesinger’s test
Schmelzkurvenanalyse
Definition Heute obsoleter, qualitativer Nachweis von Urobilin und Sterkobilin in Urin oder Fäzes.
Beschreibung Bei dem vom Wiener Internisten Wilhelm
Schlesinger (1869–1947) entwickelten qualitativen Nachweis bilden Urobilin (▶ Urobilin(ogen)) und Sterkobilin (▶ Sterkobilin
(ogen)) mit 10 %iger alkoholischer Zinkacetatlösung (Schlesinger-Reagenz) ein grün fluoreszierendes Zinksalz, das besonders bei Betrachtung gegen einen dunklen Hintergrund deutlich
wird. Interferierendes ▶ Bilirubin (Grünfärbung) sollte erst ausgefällt werden. Störungen durch fluoreszierende Medikamente
(z. B. Riboflavin). Nachweisverfahren heute nicht mehr im
Gebrauch.
Literatur
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
Schließende Statistik
▶ Statistik, induktive
Schlussbericht
▶ Abschlussbericht
Schmelzkurvenanalyse
J. Arnemann
Synonym(e) Melting curve-Analyse
Englischer Begriff melting curve analysis
Definition Die Schmelzkurvenanalyse charakterisiert die
Dissoziation doppelsträngiger DNA während der Erhitzung
und ermöglicht die spezifische Detektion von Sequenzabweichungen bzw. definierten pathogenen Mutationen.
Beschreibung Bei der Erhitzung doppelsträngiger DNA
kann der Zustand der Dissoziation in 2 Einzelstränge optisch
durch die Absorbierungsintensität oder Hyperchromazität
verfolgt werden.
2121
Die Doppelhelixstruktur der DNA ist in wässriger Lösung
nur bedingt stabil. Unter extremen Bedingungen, wie
z. B. starker Erhitzung oder hohen pH-Werten (>11,5) werden die beiden Einzelstränge und hier insbesondere die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Basen in der Helix
aufgrund der Strukturänderung voneinander getrennt, sodass
der Doppelstrang in 2 Einzelstränge dissoziiert oder „aufgeschmolzen“ wird. Dieser Prozess kann unter UV-Licht bei
260 nm verfolgt werden, da die doppelsträngige DNA einen
niedrigen Absorptionskoeffizenten hat und die einzelsträngige DNA einen hohen. Diesen Prozess kann man als
Zunahme der Absorption in Abhängigkeit von der Temperatur als Schmelzkurve dokumentieren (Hyperchromizitätseffekt). Die Schmelzkurve hat einen sigmoiden Verlauf,
wobei der mathematische Wendepunkt der Kurve dem eigentlichen Schmelzpunkt, spezifisch für die eingesetzte DNA,
entspricht und den Zustand von 50 % einzelsträngiger und
50 % doppelsträngiger DNA repräsentiert. Der Schmelzpunkt
ist u. a. auch davon abhängig, wie hoch der jeweilige Anteil
an G-C- bzw. A-T-Paarungen ist. Da G-C-Bindungen über je
3 Wasserstoffbrückenbindungen, A-T-Bindungen aber nur
über 2 verfügen, lösen sich die G-C-Bindungen unter höherer
Energie, d. h. höherer Schmelztemperatur.
Dies ist auch das Prinzip der Schmelzkurvenanalyse, bei
der heterozygote oder homozygote Varianten gegenüber einer
Wildtyp-Sequenz eine leichte Verschiebung der Schmelztemperatur zeigen. Die Schmelzkurvenanalyse erfolgt immer im
Anschluss an eine Realtime-PCR, bei der das PCR-Produkt
unter langsamer Temperaturzunahme von beispielsweise
0,2 C/s in einem Temperaturbereich von typischerweise
40–80 C „aufgeschmolzen“ wird. Die Genauigkeit dieser
Analyse kann dadurch verbessert werden, dass die in der
PCR eingesetzten Hybridisierungsprobes (HybProbes) oder
LightCycler-Sonden direkt über die bekannten Mutationshotspots gelegt werden. Die LightCycler-Sonden bestehen dabei
aus 2 Oligonukleotiden, jeweils mit einem Donor- und Akzeptorfarbstoff, die auf der DNA direkt nebeneinander liegen
und als FRET-Effekt (Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer) einen Energietransfer des Donors auf den Akzeptor
bewirken. Dissoziiert eine dieser beiden Sonden aufgrund
eines Basenmismatches bei einer anderen Temperatur, wird
in einer grafischen Darstellung (-dF/dT-Werte zur Temperatur) ein unterschiedlicher, aber spezifischer Peak dargestellt,
der in Kombination mit Peaks für homozygote Wildtypsequenzen, heterozygote oder homozygote Mutationen eine
zuverlässige Diagnose liefert.
Literatur
Tsiatis AC et al (2010) Comparison of sanger sequencing, pyrosequencing, and melting curve analysis for the detection of KRAS mutations. J Molecular Diagnostics 12:425–432
S
2122
Schmidt-Probe
Schmidt-Probe
Schnepper zur Blutentnahme
A. M. Gressner und O. A. Gressner
▶ Blutentnahme
Synonym(e) Urobilinnachweis nach Schmidt
Schnitger- und Gross-Methode
Englischer Begriff Schmidt’s test
▶ Koagulometer
Definition Heute obsoleter, qualitativer Nachweis von Urobilin im Fäzes.
Beschreibung Urobilin (▶ Urobilin(ogen)) reagiert mit
Quecksilber-(II)-Chlorid unter Bildung von intensiv rotem
Quecksilberurobilin. ▶ Bilirubin ergibt eine Grünfärbung,
die nach etwa 15–30 Minuten auftritt (▶ Biliverdin-Bildung).
Als Untersuchungsmaterial dient ein etwa haselnussgroßes
Aliquot des frischen Fäzes, der im Mörser mit Quecksilber(II)-Chlorid-Lösung verrieben und mehrere Stunden zugedeckt inkubiert wird.
Schnittstelle
Literatur
Beschreibung Über eine Hardware-Schnittstelle wird z. B.
ein Analysegerät an die ▶ Labor-EDV angeschlossen, um die
Datenübertragung zu ermöglichen. Aufbau und Belegung von
Hardware-Schnittstellen sind genormt. Verbreitete PC-Hardware-Schnittstellen sind die parallele Centronics- und die
serielle RS-232-Schnittstelle, PS/2-Anschlüsse sowie die Peripheriebusanschlüsse (USB, SCSI). Software-Schnittstellen
dienen dem Datenaustausch von Anwendungen untereinander bzw. mit dem Betriebssystem. Hierzu gehört etwa die
Normierung und Anpassung bzw. Übersetzung der Datenströme von der Labor-EDV zum Analysegerät und retour oder
die Datenübertragung vom Labor-EDV-System zum ▶ KIS.
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
Schmidt-Quotient
▶ Transaminasen-GLDH-Quotient
Schnelltest
O. Colhoun
Englischer Begriff interface
Definition Berührungspunkt von EDV-Einheiten, die miteinander kommunizieren.
Querverweise ▶ Analysegeräte-Anschluss
▶ Teststreifen
Schnüffelstoffe
Schnelltest für Bilirubin im Liquor
(CSF)
▶ Liquor-Bilirubin, Teststreifen-Test
Schnelltests im Urin
▶ Urinteststreifen
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff chemicals for inhalant abuse
Definition Leichtflüchtige organische Lösungsmittel oder
Gase, die zur Erzeugung von Rauschzuständen eingeatmet
werden.
Bewertung Beim „Schnüffeln“ werden leicht zugängliche,
billige Produkte des privaten Konsums verwendet, z. B. Kleb-
Schüffner-Tüpfelung
stoffe, Klebstoffverdünner, Fahrradschlauchkleber, Farb- und
Lackverdünner, Nagellack und -entferner, Feuerzeuggas, Propangas (Campingkocher), Sprays, Benzin. Die Produkte enthalten in der Regel eine Mischung verschiedener Bestandteile
wie n-Hexan, Cyclohexan, Benzol, Chlorkohlenwasserstoffe
(z. B. Chloroform), Alkohole, Ester (z. B. Ethylacetat), Ether
(z. B. Diethylether), organische Nitrite (z. B. Isoamylnitrit).
Zum Nachweis wird u. a. die gaschromatographische Dampfraumanalyse (▶ Dampfraumanalyse, gaschromatographische) eingesetzt.
Literatur
Gibitz HJ (2009) Inhalant abuse. In: Külpmann WR (Hrsg) Clincial
toxicological analysis. Wiley-VCH, Weinheim, S 533–555
2123
che Turnover-Untersuchungen durch: Stoffwechselwege diätetisch zugeführter Fettsäuren, Bestätigung des Harnstoffzyklus,
Biosynthese von Cholesterin, Kreatin, Hippursäure sowie von
Aminosäuren und deren Transaminierung. Schönheimer wird
als Vater der Molekularen Biochemie betrachtet. Sein selbst
gewählter früher Tod hat wohl die Auszeichnung mit dem
Nobelpreis verhindert.
Literatur
Berthold HK (2003) Rudolf Schönheimer (1898–1941): Leben und
Werk, 2. Aufl. Falk Foundation, Freiburg i. Br
Guggenheim KY (1991) Rudolf Schoenheimer and the concept of the
dynamic state of body constituents. J Nutr 121:1701–1704
Schrader-Formel
Schönheimer, Rudolf
▶ Organophosphate
H. Fiedler
Lebensdaten Deutsch-amerikanischer Mediziner und Biochemiker, geboren 1898 in Berlin, gestorben 1941 in Yonkers
(USA). Nach der Promotion forschte Schönheimer (auch
Schoenheimer) am Moabit-Krankenhaus über Steroide als
Risikofaktoren der Atherosklerose. Nach Weiterbildung in
Biochemie bei Karl Thomas in Leipzig leitete er 1926 in
Freiburg das Chemische Laboratorium des Pathologischen
Instituts von Ludwig Aschoff (1876–1942). Hier hatte er
wichtige Kontakte zu Adolf Windaus (▶ Windaus, Adolf
Otto Reinhold), Georg von Hevesy (Tracertechnik, Neutronenaktivierungsanalyse), Sir Hans Adolf Krebs (Zitrat- und
Harnstoffzyklus) und Siegfried Thannhauser (Stoffwechselforschung). 1933 musste er als Jude zusammen mit seiner
jüdischen Frau (Salome Gluecksohn-Waelsch, 1907–2007,
Begründerin der Entwicklungsgenetik der Säugetiere) Freiburg verlassen und ging zu Hans T. Clark, Department of
Biological Chemistry, Columbia College New York.
Verdienste Bereits in Deutschland hatte Schönheimer
erkannt, dass der intermediäre Stoffwechsel einer schnellen
Dynamik unterliegt. Wichtiges Hilfsmittel war derzeit die
Markierung von Substanzen: Phenylsubstituierung von Fettsäuren durch F. Knoop, Isotopenmarkierung durch von
Hevesy und Einführung des Massenspektrographen durch
F.W. Aston. In Amerika konnte Schönheimer die Isolierung
von Deuterium/schwerem Wasser (1934) und von 15N
(1937) durch H.C. Urey nutzen. Zusammen mit D. Rittenberg,
Sarah Ratner und Konrad E. Bloch führte Schönheimer zahlrei-
Schraubverschluss
▶ Verschlusskappe
Schüffner-Tüpfelung
H. Baum
Englischer Begriff Schüffner’s dots; granules
Definition Leicht rötliche Punktierung der Erythrozyten bei
einer Infektion mit Plasmodien.
Beschreibung Die Schüffner-Tüpfelung (W. Schüffner,
1867–1949, Tropenarzt) ist ein nicht immer nachweisbares
Begleitphänomen bei der Infektion der ▶ Erythrozyten mit
den Malariaerregern Plasmodium vivax und P. ovale (▶ Plasmodien). Es handelt sich dabei um Ablagerungen von
Hämozoin, der nicht toxischen, hochmolekularen, parasitären
Speicherform des nicht abgebauten, toxischen Häms aus dem
Wirtzellshämoglobin in den befallenen Erythrozyten. Aber
auch bei einer Infektion mit Plasmodium falciparum und
P. malariae können der Schüffner-Tüpfelung analoge Hämozoinablagerungen gefunden werden.
S
2124
Literatur
Bench aids for the diagnosis of malaria, plates no 1–8. World Health
Organization (2000) http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/42195/
1/9241545240.pdf
Schuller-Sagar-IgG-Formel
Schwangerschaftstest im Urin
W. G. Guder
Synonym(e) Choriongonadotropintest im Urin; hCG-Test
Schuller-Sagar-IgG-Formel
▶ Immunglobulinbestimmung, intrathekal empirisch
Englischer Begriff gravidity test in urine; human chorionic
gonadotropine test in urine
Definition Verfahren zum Nachweis von humanem Choriongonadotropin (▶ Choriongonadotropin, humanes) >10 IE/L.
Schütteltest
▶ Röhrchentest
Schutzbehälter
▶ Nadelschutzkappen
Schuurs, Anton
▶ Engvall, Eva
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Humanes
Choriongonadotropin (▶ Choriongonadotropin, humanes) ist
ein Glykoproteohomon mit einer Molmasse von 36–40 kDa,
das wie die hypophysären Gonadotropine aus 2 Untereinheiten aufgebaut ist, von denen die a-Einheit der des Lutropins
(▶ Luteinisierendes Hormon) gleich ist und die b-Kette spezifisch für CG ist. Es wird in den Synzytiotrophoblasten der
Plazenta gebildet und in das mütterliche Blut abgegeben. Dort
wird es in der freien Form in den Primärharn filtriert, bei der
Rückresorption abgebaut und nicht resorbiertes Hormon im
Urin ausgeschieden, wo es ab der ersten Woche nach Konzeption nachweisbar wird.
Funktion – Pathophysiologie ▶ Choriongonadotropin, humanes.
Analytik ▶ Choriongonadotropin, humanes.
Schwangerschaftsassoziiertes
Plasmaprotein A
▶ Pregnancy-Associated-Plasma-Protein A
Konventionelle Einheit Qualitativ als „+“ oder „–“.
Referenzbereich – Frauen Negativ, ab 2. Woche nach
Empfängnis positiv. Quantitative Werte im Plasma ▶ Choriongonadotropin, humanes
Indikation ▶ Choriongonadotropin, humanes.
Schwangerschaftsdiagnostik
▶ Pränataldiagnostik
▶ Schwangerschaftstest im Urin
Interpretation ▶ Choriongonadotropin, humanes.
Diagnostische Wertigkeit ▶ Choriongonadotropin, humanes.
Literatur
Schwangerschaftshormon
▶ Relaxin
Stieber P, Schalhorn A (2009) Malignes Wachstum. In: Guder WG,
Nolte J (Hrsg) Das Laborbuch in Klinik und Praxis, 2. Aufl. Elsevier/Urban und Fischer, München
Schwartz-Formel
Schwangerschaftstest mit dem
Bitterling
▶ Bitterlingstest zum Nachweis einer Schwangerschaft
2125
Literatur
Aschheim S, Zondek B (1928) Die Schwangerschaftsdiagnose aus dem
Harn durch Nachweis des Hypophysenvorderlappenhormons. Klin
Wochenschrift 7(1404–1411):1453–1457
Schlögl HA (2006) Das alte Ägypten. Geschichte und Kultur von der
Frühzeit bis zu Kleopatra. C. H. Beck, München, S 167
Schwangerschaftstest mit der Maus
▶ Schwangerschaftstest nach Aschheim und Zondek
Schwangerschaftstest nach Aschheim
und Zondek
T. Arndt
Synonym(e) Aschheim-Zondek-Schwangerschaftstest
Englischer Begriff Aschheim-Zondek pregnancy reaction;
Aschheim-Zondek reaction
Definition Heute obsoleter biologischer Test zum Nachweis
einer Schwangerschaft unter Einsatz von Mäusen.
Beschreibung Nach den Gynäkologen Selmar Aschheim
(1878–1965) und Bernhard Zondek (1891–1966) benanntes,
früher häufig verwendetes Verfahren zur Schwangerschaftsfrüherkennung. Infantilen weiblichen Mäusen wird subkutan
Schwangerenharn injiziert. Wachstum der Ovarien und Ovulation nach 4–5 Tagen zeigten eine Schwangerschaft an. Die
Genauigkeit der Vorhersage lag bei 98 %. Im Vergleich
zum Bitterlingstest (▶ Bitterlingstest zum Nachweis einer
Schwangerschaft) war der Maustest also zuverlässiger. Die
längere Ansprechzeit und die Notwendigkeit der Tötung der
Versuchstiere waren Nachteile der Methode.
Varianten des Tests unter Verwendung anderer Tierspezies
wie Krallenfrosch (6 Stunden Ansprechzeit), männlichen
Fröschen (Auftreten von spermahaltigem Urin 2–4 Stunden
nach Harninjektion) und der Deutschen Kröte (Bufo vulgaris,
zur Ablösung von Krallenfroschimporten) mit Vermeidung
der Obduktion waren Entwicklungsstufen auf dem Weg zum
heutigen Schwangerschaftstest mit der spezifischen Bestimmung von Choriongonadotropin (HCG; ▶ Choriongonadotropin, humanes) im Schwangerenharn.
Anmerkung: Vor 3000 Jahren sollen die Ägypter am
beschleunigten Keimen/Wachstum von mit Schwangerenharn begossenem Getreide (Weizen, Gerste) mit 75 %
Treffsicherheit eine Schwangerschaftsfrühdiagnose erreicht
haben.
Schwangerschaftstest nach Glaser und
Haempel
▶ Bitterlingstest zum Nachweis einer Schwangerschaft
Schwartz-Formel
W. G. Guder
Synonym(e) Berechnung der Creatinin Clearance nach
Schwartz
Englischer Begriff calculation of creatinine clearance
according to Schwartz; Schwartz formula
Definition Formel zur Berechnung der ▶ Kreatinin-Clearance bei Kindern.
Beschreibung Da ▶ Kreatinin im Serum/Plasma während
der kindlichen Entwicklung seine Konzentration verändert
und Mädchen niedrigere Werte als Jungen aufweisen, schlugen Schwartz et al. im Jahr 1976 folgende Formel vor, um die
glomeruläre Clearance altersabhängig zu ermitteln:
Neugeborene bis 1 Jahr:
GFR ¼ 0,43
Körperl€ange ½cm
Kreatinin ½mg=dL
Kinder ab dem 1. Lebensjahr:
GFR ¼ 0,55
Körperl€ange ½cm
Kreatinin ½mg=dL
Bei auf Referenzmethode (▶ Referenzmethodenwert)
bezogener Analytik von Kreatinin ist die Formel nicht mehr
gültig, da sie 35–120 % höhere Clearance-Werte liefert (teils
durch Sekretion, teils durch Wegfall der ▶ Pseudokreatinine).
Daher wird empfohlen, bei Kindern ▶ Cystatin C als Marker
zu verwenden.
S
2126
Literatur
Delanghe JR (2008) How to establish glomerular filtration rate in children. Scand J Clin Lab Invest 68(Suppl 241):46–51
Schwartz GJ, Haycock GB, Edelmann CM, Spitzer A (1976) A simple
estimate of glomerular filtration rate in children derived from body
length and plasma creatinine. Pediatrics 58:259–263
Schwartz-Watson-Test
Schwefelsäure-Aufschluss
▶ Veraschung
Schweiß
Schwartz-Watson-Test
T. Arndt
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Sudor
Synonym(e) Porphobilinogen-Nachweis im Urin; WatsonSchwartz-Test
Englischer Begriff Watson-Schwartz-test
Definition Qualitativer Farbtest/Screeningtest zum Nachweis von Porphobilinogen im Urin bei Verdacht auf akute
Porphyrie.
Beschreibung Der von den beiden US-amerikanischen Ärzten Cecil J. Watson (1901–1983) und Samuel Schwartz
(1916–1997) entwickelte qualitative, diagnostische Test der
akuten Porphyrie weist im Urin der Erkrankten ▶ Porphobilinogen mit der Ehrlich-Aldehydreaktion nach. Neben der
Ausscheidung von Uroporphyrin, Koproporphyrin und
▶ 5-Aminolävulinsäure wird bei dieser Erkrankung in größeren
Mengen ▶ Porphobilinogen ausgeschieden. Zur Durchführung des Nachweisverfahrens werden 5 mL Urin (frischer
Urin oder Aliquot eines lichtgeschützt und kühl aufbewahrten
Sammelurins) mit einigen Tropfen ▶ Ehrlich-Probe (Dimethylaminobenzaldehyd in Salzsäure) versetzt und nach
Zusatz von 1 ml Chloroform mehrmalig umgeschüttelt. Porphobilinogen bzw. sein rotes Kondensationsprodukt bleibt im
Gegensatz zu anderen Chromogenen (z. B. Gallenfarbstoffe)
in der wässrigen Phase. Ein positives Ergebnis mit Rotfärbung der wässrigen Phase weist auf eine akute Porphyrie bzw.
Porphobilinogenausscheidung hin. Ein positiver Schnelltest
sollte durch eine differenzierten und quantitativen Porphyrinanalyse ergänzt werden (▶ Hoesch-Test, ▶ Porphyrine).
Literatur
Gitter A, Heilmeyer L (1963) Taschenbuch klinischer Funktionsprüfungen, 8. Aufl. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart
Pierach CA, Cardinal R, Bossenmaier I, Watson CJ (1977) Comparison
of the Hoesch and the Watson-Schwartz Test for urinary porphobilinogen. Clin Chem 23:1666–1668
Watson CJ, Schwartz S (1941) A simple test for urinary porphobilinogen. Proc Soc Exp Biol Med 47:393
Englischer Begriff sweat
Definition Von den Schweißdrüsen der Haut zu 99 % aus
Wasser mit geringen Anteilen an NaCl, ▶ Harnstoff, flüchtigen ▶ Fettsäuren, ▶ Cholesterin und einem pH von ca. 4,5
produziertes Sekret.
Beschreibung. Die ▶ Schweißanalytik hat im klinischchemischen Labor eine untergeordnete Bedeutung, eine
wichtige Ausnahme ist die Chloridbestimmung zur Diagnose
einer zystischen Fibrose. Im toxikologischen Labor gewinnen
Drogenuntersuchungen aus Schweiß an Bedeutung.
Literatur
Reuter P (2004) Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin/Heidelberg/
New York
Schweiß und Drogen
T. Arndt
Synonym(e) Drogenscreening in Schweiß
Englischer Begriff drug screening in sweat; drug wipe test
Definition Drogenscreening im Schweiß, zumeist als Vorortanalyse, z. B. bei Verkehrskontrollen.
Beschreibung Allgemein etablierte Matrices zum Nachweis
eines Alkohol- oder Drogenkonsums sind Blut bzw. Serum/
Plasma zum Nachweis eines akuten Missbrauchs, z. B. zum
Zeitpunkt eines Unfalls oder einer Straftat und Urin zum
retrospektiven Nachweis eines Konsums bzw. zur Abstinenzkontrolle.
Schweißgewinnung
Daneben sind sog. alternative Matrices ▶ Matrix, alternative wie Haare, ▶ Mundflüssigkeit (Speichel), ▶ Schweiß,
Nägel, ggf. auch Knochen- und Zahnmaterial von Interesse,
da sie Mengenanteile der aufgenommenen Muttersubstanz
und ihrer In-vivo-Metabolite enthalten und damit prinzipiell
ebenfalls zum Drogennachweis geeignet sind.
Der Drogennachweis im Schweiß (z. B. Achselschweiß,
Stirnschweiß) kann als immunologisches Screening mit sog.
Wischtests, zumeist Einzeltests auf eine Droge oder Drogengruppe, oder mit physiko-chemischen Methoden erfolgen.
Bei letzteren wird der Vorteil einer spezifischen und deshalb
beweissicheren Analyse mit dem Verlust einer schnellen, verfälschungssicheren, schamfreien, nicht invasiven, d. h. aus
Sicht der Präanalytik unproblematischen, Vorortanalytik
erkauft.
Derzeit verfügbare Systeme erfassen Cannabis, Amphetamine, Kokain und Opiate. Das Messprinzip entspricht dem
von ▶ Teststreifen, wobei der Wischtest auf die zu prüfende
Oberfläche (Haut) aufgelegt wird, um Schweiß aufzunehmen.
Anschließend wird der Wischtest befeuchtet, um die im
Wischer aufgenommen Stoffe zu den Antikörper-beladenen
Reaktionszonen im integrierten Teststreifen zu transportieren.
Positive Wischtestergebnisse sind durch eine physikochemischen Bestätigungsanalyse, zumeist mit Massenspektrometrie, zu überprüfen.
Einsatzgebiete können u. a. Verkehrskontrollen, arbeitsmedizinische Vororttests, suchtmedizinische Betreuung etc. sein.
Siehe auch ▶ Wischtests zum Drogennachweis ▶ Drogenscreening sowie unter den einzelnen Drogengruppen.
Literatur
De Giovanni N, Fucci N (2013) The current status of sweat testing for
drugs of abuse: a review. Curr Med Chem 20(4):545–561
Schweißanalytik
T. Arndt
Synonym(e) Chlorid im Schweiß
2127
Im Finger-Schweißtest (nach Shwachman und Gahm)
wird die Hand des Patienten 20–30 Minuten auf eine
Silbernitrat- und Kaliumbicarbonat-haltige ▶ Agar-Platte
gelegt. Bei pathologisch erhöhtem Chloridgehalt des Schweißes zeigt sich an den Druckstellen ein deutlicher gelb-grüner
Silberchlorid-Niederschlag.
Im Pilocarpin-Ion(t)ophorese-Test (nach Ritter) wird die
Schweißsekretion durch elektrische Reize mittels Metallelektroden auf der Haut und gleichzeitiges Befeuchten mit 2 %iger
Pilocarpiniumnitratlösung (Pilocarpinlösung) angeregt. Der
Schweiß wird gesammelt, gewogen, verdünnt und anschließend einer titrimetrischen (▶ Titration), flammenphotometrischen (▶ Flammenemissionsspektrometrie) oder coulometrischen (▶ Coulometrie) Analyse unterzogen.
Im Schweißtest werden Metallelektroden an der volaren
Seite des Unterarms und ein unter der Anode fixierter, mit
20 mmol/L Pilocarpinlösung getränkter, Zellstofftupfer zur
Schweißstimulation eingesetzt. Nach 10 Minuten Stromfluss
bei 2 mA werden die Elektroden entfernt, die Hautpartie
gereinigt und eine Zelluloseacetatfolie mit Polyethylenfolienabdeckung gegen Verdunstung aufgelegt. Nach 30–60 Minuten
wird über elektrische Leitfähigkeitsmessung und entsprechende Kalibrationsfunktionen die Natriumchloridkonzentration
im Schweiß ermittelt.
Der Ninhydrin-Schweißtest (nach Moberg) mit Schweißsammlung auf Schreibmaschinenpapier durch ca. 10-minütiges
Auflegen der zu untersuchenden Körperstelle, zweimaliges
Befeuchten des Papiers mit 1 %iger Ninhydrinlösung in Aceton
(mit wenigen Tropfen Eisessig) und Trocknung in Heißluft,
dient der qualitativen Beurteilung der Schweißsekretion einzelner Hautgebiete. Schweißhaltige Papierstellen färben sich lila,
anhidrotische Stellen bleiben weiß.
Neben der Chloridbestimmung gewinnt das ▶ Drogenscreening im Schweiß an Bedeutung, da es eine nicht invasive
und für Patient und Prüfpersonal weniger peinliche Probenabgabe ermöglicht. Einzelheiten unter ▶ Wischtests zum
Drogennachweis bzw ▶ Schweiß und Drogen.
S
Literatur
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
Keil E, Fiedler H (2000) Klinische Chemie systematisch. UNI-MED
Verlag, Bremen
Englischer Begriff sweat analysis
Definition Qualitative und quantitative Analysen von
Schweiß.
Schweißgewinnung
T. Arndt
Beschreibung Schweißanalytik beschränkt sich im Wesentlichen auf die qualitative oder quantitative Chloridanalyse
(zu Referenzwerten s. ▶ Chlorid).
Englischer Begriff sweat sampling
2128
Definition Aufgrund der geringen Schweißsekretion je Hautsegment und der daraus resultierenden geringen Probenvolumina schwieriger präanalytischer Teilschritt der Schweißanalytik.
Beschreibung Neben der früher üblichen Schweißsammlung mit Filterpapier oder Agargel (▶ Schweißanalytik) erfolgen Schweißsammlung und Analyse heute zumeist in einem
geschlossenen System. Moderne Armmanschetten oder spezielle, auf die Haut applizierbare Filterscheiben mit Kapillarsystem gewährleisten heute eine weitgehend fehlerfreie
Schweißsammlung und bei bestimmten Systemen eine simultane und kontinuierliche Durchfluss-Leitfähigkeitsbestimmung.
Die Schweißgewinnung bei Neugeborenen, dem wichtigsten Patientenkollektiv für Untersuchungen zur zystischen Fibrose, gestaltet(e) sich besonders schwierig. Das
Nanoduct-System erlaubt jetzt Schweißanalysen schon in
den ersten Lebenstagen. Das Gerät vereinigt die klassische
Methode der Pilocarpin-Ion(t)ophorese (▶ Schweißanalytik)
mit verbesserter Pilocarpin-Applikation und direkter Durchfluss-Leitfähigkeitsmessung aus nativem Schweiß. Fehler
durch die unter Stimulation anfänglich stets erhöhte Schweißproduktion und damit Verdünnungseffekte werden durch
Ermittlung eines Leitfähigkeitsmittelwertes über die Messzeit
eliminiert. Das System ermöglicht eine Schweißanalyse am
Krankenbett aus 3 mL Schweiß innerhalb weniger Minuten,
d. h. ohne Einschaltung eines Labors.
Schweißtests im Rahmen der Drogenanalytik werden gewöhnlich mit sog. Wischtests durchgeführt. Hierbei wird das
auf einem Träger befindliche Testfeld auf die Hautoberfläche
(z. B. Stirn, Achselhöhle) gedrückt oder darüber gewischt.
Eine Schweißgewinnung im o. g. Sinne ist also nicht nötig.
Schwellenwert
Englischer Begriff cut-off value; cut-off
Definition Der Schwellenwert der ROC ist ein Wert zur
Klassifizierung von quantitativen Messergebnissen einer
▶ Stichprobe in diagnostisch positive bzw. negative Fälle.
Beschreibung Um zu einer Klassifizierung der Messergebnisse eines diagnostischen Testverfahrens (▶ Test, diagnostischer) in positiv, für nicht normale Werte, und negativ, für
normale Werte, zu gelangen, wird der Wertebereich dichotomisiert. Dazu wird ein Schwellenwert gewählt, anhand dessen
der Messbereich in 2 nicht überlappende Bereiche (positives/
negatives Testresultat) geteilt wird.
Im Rahmen diagnostischer Testverfahren besteht eines der
Ziele der ROC-Analyse darin, einen geeigneten Schwellenwert zu ermitteln. Aufgrund der Eigenschaften der ▶ ROCKurve empfiehlt sich vor allem ein Wert nahe der linken
oberen Ecke der grafischen Darstellung. Sollten nicht klinische oder praktische Gründe für einen bestimmten Schwellenwert sprechen, etwa ein Schwellenwert mit einer geringen
falsch-positiv oder falsch-negativ Rate, so könnte man auch
alternativ den Ausdruck [Sensitivität – m (1 Spezifität)]
maximieren. Ist m = 1, so maximiert man lediglich die
Summe aus Sensitivität (▶ Sensitivität, diagnostische) und
Spezifität (▶ Spezifität, diagnostische). Dies entspricht der
Minimierung der Wahrscheinlichkeiten möglicher Fehlentscheidungen, was in der Praxis nicht notwendigerweise die
einzig zu bevorzugende Strategie darstellt. Bei der Wahl von
m können daher auch Kostenargumente für Falschentscheidungen und A-priori-Wahrscheinlichkeiten (▶ A priori odds)
Berücksichtigung finden.
Literatur
Literatur
http://www.elitechgroup.com/product/nanoduct-neonatal-sweat-analysissystem/. Zugegrieffen am 22.09.2017
Weissman N, Pileggi VJ (1974) Inorganic ions. In: Henry RJ, Cannon
DC, Winkelman JW (Hrsg) Clinical chemistry – principles and
technics. Harper & Row, Hagerstown
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Zweig MH, Campbell G (1993) Receiver-operating characteristic (ROC)
plots: a fundamental evaluation tool in clinical medicine. Clin Chem
39:561–577
Schwellenwert
Schweres-akutes-respiratorischesSyndrom-Corona-Viren
▶ Cut-off-Wert
▶ SARS-Corona-Viren
Schwellenwert der ROC
Schwerketten
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
H. Renz und B. Gierten
Synonym(e) Cut-off-Wert der ROC
Synonym(e) H-Kette
SDA
Englischer Begriff heavy chain
Definition Schwere Ketten der Immunglobuline (Ig), die die
Ig-Klasse definieren. Nachgewiesen sind 5 Formen mit teilweise mehreren Subtypen: m-Kette für IgM, g-Kette mit
4 Subtypen für IgG, a-Kette mit 2 Subtypen für IgA,
d-Kette für IgD, e-Kette für IgE.
Beschreibung Schwerketten haben eine Molmasse zwischen 51 und 71 kDa. Anhand des konstanten C-terminalen
Teils werden die Immunglobulinklassen definiert. Er enthält
3 wichtige Domänen (CH1–3). CH1 und CH2 bilden die
Hinge-Region, die die Molekülform in Lösung von T nach
Y zur Antigenbindung verändert. Das Komplementprotein
C1q bindet an der CH1-Domäne. Die CH3-Domäne vermittelt die Bindung an zelluläre Fc-Rezeptoren. Die bei zellständigen ▶ Immunglobuline nachweisbare vierte Domäne
(CH4) enthält die Transmembrankomponente.
Der variable N-terminale Teil ist analog dem der Leichtketten an der Bildung der Antigentasche beteiligt und wird in
ähnlicher Weise genetisch variiert.
Im Rahmen maligner Entartung von B-Zell-Klonen können neben nahezu intakten Immunglobulinmolekülen
(Schwer- und Leichtketten) auch isolierte Schwerketten den
4 genannten Typen (a, b, g, d) oder Leichtketten (Typ k oder l)
gebildet werden.
2129
und Sc3, und 2 niedrigfrequente Antigene, Sc2 und Sc4
(Radin-Antigen).
Die Scienna-Antigene werden auf Erythrozyten und
schwach auf anderen Zelltypen wie Leukozyten, Thymus,
Lymphknoten und Milz exprimiert. Die transfusionsmedizinische Bedeutung ist gering. Es werden Fälle von Morbus
haemolyticus neonatorum (Mhn; s. ▶ Morbus haemolyticus
fetalis/neonatorum) durch Anti-Radin(Rd)-Antikörper berichtet.
Literatur
Reid ME, Lomas-Francis C (2004) The blood group antigen facts book,
2. Aufl. Elsevier, New York
Screening-Untersuchung
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Suchtest
Englischer Begriff screening
Definition Orientierende Untersuchung.
Schwermetalle
▶ Spurenelemente
Scienna-Blutgruppensystem
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Synonym(e) Human erythroblast membrane protein (HERMAP); Sc
Englischer Begriff Scianna blood group system
Beschreibung Die Screening-Untersuchung wird durchgeführt, um rasch und mit möglichst geringem finanziellen
Aufwand zu ermitteln, ob vermutlich ein bestimmter Zustand,
z. B. Krankheit, vorliegt oder nicht. Es handelt sich meist um
qualitative Untersuchungen mit geringer analytischer Spezifität. Die ▶ Entscheidungsgrenze zwischen Befund „negativ“
und Befund „positiv“ wird so gewählt, dass bezogen auf die
Fragestellung ein optimales Verhältnis von falsch negativen
und falsch positiven Befunden erhalten wird. Je nach Befund
und Situation schließt sich ggf. an die Screening-Untersuchung eine spezifische quantitative Bestimmung oder eine
spezifische qualitative Untersuchung (▶ Bestätigungsuntersuchungen) an (▶ Drogenscreening).
Literatur
DIN 58985 (2003) Entscheidungsgrenzen. Beuth-Verlag, Berlin
Beschreibung Die Antigene des Scienna-Blutgruppensystems sind Typ-I-Membranglykoproteine mit einer Molekularmasse von 60–68 kDa. Das Protein wird als „human erythroblast membrane protein“ (HERMAP) bezeichnet und gehört
zu der Immunoglobulin-Superfamilie. Das ERMAP-Gen
umfasst 19 kb und ist in 11 Exons organisiert. Zum SciennaBlutgruppensystem gehören 2 hochfrequente Antigene, Sc1
SDA
▶ Strand Displacement Amplifikation (SDA)
▶ Tamm-Horsfall-Protein
S
2130
SDH
▶ Sorbitdehydrogenase
SDMA
▶ Asymmetrisches Dimethylarginin
SDS-Behandlung
▶ SDS-Elektrophorese
SDS-Elektrophorese
R. Westermeier
SDH
lineare Beziehung zu ihren relativen Wanderungsstrecken.
Die Molmassen werden über eine Eichkurve bestimmt, die
mithilfe von parallel aufgetrennten Molmassestandard-Proteinen für jedes SDS-Gel erstellt wird.
Molmassen von Proteinen können mit der SDS-Elektrophorese nur dann korrekt bestimmt werden, wenn die Probe
reduziert worden ist. Allerdings zerfallen dann Proteine mit
Quartärstrukturen in ihre Untereinheiten; z. B. findet man von
IgG nur noch die leichten und schweren Ketten, nicht aber das
intakte IgG-Molekül. Es gibt Anwendungen, in denen die
Proben nichtreduziert aufgetrennt werden, um ▶ Immunglobuline als ganze Moleküle zu erhalten.
In der folgenden Abbildung sind Serumproteinspuren reduziert und nichtreduziert nebeneinander in einem ▶ SDS-Gel zu
sehen. Auftrennung von (1) Humanserum nichtreduziert, (2)
Humanserum reduziert, (3) Standard für niedrige Molmassen,
(4) Standard für niedrige Molmassen mit Kollagenhydrolysaten versetzt, (5) Standard für hohe Molmassen. Das nichtreduzierte ▶ Albumin ist nicht komplett aufgefaltet und wandert
deshalb schneller als das Albumin in reduziertem Serum und
Standard. In der nichtreduzierten Probe findet man die kompletten IgG, in der reduzierten ist es in leichte und schwere
Ketten zerfallen (Coomassie-Färbung):
Synonym(e) Sodiumdodecylsulfat-Elektrophorese
Englischer Begriff SDS electrophoresis
Definition SDS ist ein anionisches Detergenz. Bei der SDSElektrophorese werden SDS-Protein-Komplexe in einem
restriktiven Polyacrylamidgel nach Molmassen getrennt.
Physikalisch-chemisches Prinzip Natriumdodecylsulfat
(SDS) ist sehr starkes anionisches Detergenz, das fast alle
Proteine in Lösung bringen kann, auch sehr hydrophobe. Es
denaturiert die Proteine, indem es deren Wasserstoffbrückenbindungen (▶ Wasserstoffbrückenbindung) öffnet und die
Sekundär- und Tertiärstrukturen auflöst. SDS und die Proteine bilden Komplexe mit einer halskettenartigen Struktur, die
sich aus Mizellen, die mit Proteinen „dekoriert“ sind, und
kurzen, flexiblen Polypeptidsegmenten zusammensetzt. In
einem solchem Komplex sind 1,4 g SDS pro g Protein enthalten. Die elektrophoretische Mobilität (Beweglichkeit)
eines SDS-Protein-Komplexes ist ausschließlich abhängig
von der Molekülgröße; die Eigenladungen der Proteine sind
durch SDS abgedeckt. Die negative Ladung pro Masseneinheit ist konstant. Wenn zusätzlich noch die Disulfidbrücken
zwischen den Cysteinen mit einem Reduktionsmittel, wie
b-Mercaptoethanol oder Dithiothreitol, aufgelöst werden,
wird die Molekülgröße direkt proportional zur Molmasse.
Bei einer Auftrennung einer Mischung von SDS-ProteinKomplexen in einem SDS-enthaltenden Polyacrylamidgel
haben die Logarithmen der Molmassen der Polypeptide eine
Die SDS-Elektrophorese wird in basischen Puffersystemen durchgeführt, weil dann die SDS-Protein-Komplexe stabil und negativ geladen sind. Normalerweise werden Polyacrylamidgele verwendet; nur in Ausnahmen, z. B. zur
Auftrennung von ▶ Von-Willebrand-Faktor, kommen wegen
Sebacinsäure
der hohen Molmassen Agarosegele zum Einsatz. Die Trennungen können, wie bei der ▶ Polyacrylamid-Gel-Elektrophorese, in vertikalen oder horizontalen Systemen durchgeführt werden. In der SDS-Elektrophorese wandern alle
Proteine, auch basische, in Richtung Anode. Im Gegensatz
zu Nativelektrophoresen (▶ Elektrophorese) ergibt sich nur
eine Bande pro Enzym. Die Trennungen sind aufgrund der
hohen Ladungsdichte der SDS-Protein-Komplexe relativ
schnell. Die Trennschärfe ist aufgrund der starken Siebeigenschaften der Polyacrylamidgele und der Auffaltung der Proteinmoleküle sehr hoch, wodurch sich zudem ein hohes Auflösungsvermögen ergibt.
Die Proteine werden entweder mit ▶ Coomassie-Färbung
oder ▶ Silberfärbung visualisiert. Die SDS-Elektrophorese ist
die Standardtrennmethode für Blotting-Techniken.
Interessante Anwendungen mit SDS-Substratgelen sind z. B.
die zymographische Detektion von ▶ Matrix-Metalloproteinasen
in SDS-Gelen, die Gelatine oder Kollagen enthalten.
Einsatzgebiet ▶ Proteinuriediagnostik, Blotting-Techniken,
Zweidimensional-Elektrophorese ▶ Elektrophorese, zweidimensionale.
Untersuchungsmaterial Sammelurin: aufkonzentriert (Coomassie-Färbung) oder nichtkonzentriert (Silberfärbung). Blotting: z. B. allergenenthaltende Proben, Borellioseerreger. Bronchiallavage.
Instrumentierung
• Elektrophoresekammer: vertikal oder horizontal (mit Umlaufkryostat)
• Gegebenenfalls einen Umlaufkryostat
• Stromversorger
• Färbeschalen oder einen Färbeautomaten
• Unter Umständen ein Densitometer
Spezifität Hohe Spezifität bei Blotting-Nachweisen und zymographischen Methoden.
Sensitivität Die Nachweisempfindlichkeit liegt bei ca. 50 pg
bei ▶ Silberfärbung und bei 5 ng bei Coomassie-Färbung.
Fehlermöglichkeit Die meisten Fehler ergeben sich bei der
Selbstherstellung von Gelen und Puffern. Diese können durch
die Verwendung kommerzieller Fertiggele und Fertigpuffer
weitgehend ausgeschlossen werden.
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten Mit Fertiggelen und Färbeautomaten ist die Polyacrylamid-Gel-Elektrophorese einfach durchzuführen. Es gibt automatisierte
Elektrophoresesysteme. Die Geräte selbst sind relativ preis-
2131
wert, während die Verbrauchsmaterialien wie Fertiggele, Puffer und Färbereagenzien die meisten Kosten verursachen.
Literatur
Lottspeich F, Engels JW (Hrsg) (2012) Bioanalytik, 3. Aufl. Heidelberg,
Spektrum Akademischer Verlag
Westermeier R (2016) Elektrophorese leicht gemacht. VCH, Weinheim
SDS-Gel
R. Westermeier
Synonym(e) Natriumdodecylsulfat-Gel
Englischer Begriff SDS gel
Definition Ein SDS-Gel ist ein Polyacrylamidgel, das 0,1 %
SDS enthält, zur Auftrennung von SDS-Protein-Komplexen
nach den Molmassen.
Beschreibung ▶ SDS-Elektrophorese;
Gel-Elektrophorese.
▶ Polyacrylamid-
Literatur
Westermeier R (2016) Elektrophorese leicht gemacht. VCH, Weinheim
SDS-PAGE
▶ SDS-Elektrophorese
Se
▶ Selen
Sebacinsäure
G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Synonym(e) 1,10-Decandisäure
S
2132
Englischer Begriff sebacic acid
Struktur C10H18O4; Strukturformel:
Molmasse 202,25 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Die im
Verlauf der mitochondrialen b-Oxidation aus dem trifunktionellen Protein freigesetzten mittelkettigen Fettsäuren werden
durch die mittelkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase weiter verkürzt und im weiteren Verlauf zu Acetyl-CoA (geradzahlige
Fettsäuren) bzw. zu Propionyl-CoA (ungeradzahlige Fettsäuren) abgebaut, die schließlich in den Citratzyklus einfließen.
Bei Defekten der mittelkettigen Acyl-CoA-Dehydrogenase
(MCAD) und in geringerem Ausmaß der überlangkettigen
Acyl-CoA-Dehydrogenase (VLCAD) werden die mittelkettigen
Fettsäuren alternativ durch o-Oxidation zu mittelkettigen Dicarbonsäuren (Adipinsäure, Suberinsäure, Sebacinsäure) abgebaut.
Diese werden entweder in freier Form oder als Glyzinkonjugate
(Hexanoylglycin, Suberylglycin) im Urin ausgeschieden.
Funktion – Pathophysiologie Sebacinsäure hat keine
bekannte Funktion im Intermediärstoffwechsel. Untersuchungen zur individuellen Toxizität der durch o-Oxidation
entstandenen Dicarbonsäuren (Adipinsäure, Suberinsäure,
Sebacinsäure) liegen erst in Ansätzen vor. In der Summe
hemmen diese pathologischen Metabolite und/oder ihre Konjugate den mitochondrialen Energiestoffwechsel.
Secreted protein acidic and rich in cysteine
Interpretation Erhöhte Sebacinsäure-Ausscheidungen im
Urin werden bei zahlreichen genetischen und sekundären
Störungen der Fettsäureoxidation beobachtet. Entscheidend
für die Beurteilung ist zuerst die Kenntnis des aktuellen
Ernährungsstatus und -modus sowie des Abstandes von der
letzten Nahrungsaufnahme. Die Differenzierung erfordert ferner Kenntnisse über die Konzentrationen anderer Fettsäureoxidationsprodukte. Die Sebacinsäure findet sich zusammen
mit Adipinsäure und Suberinsäure als führender Metabolit
beim MCAD-Mangel. Bei Ketosen und Formulanahrung auf
der Basis von mittelkettigen Triglyzeriden (Alfaré) tritt Sebacinsäure auch bei Normalpersonen vermehrt auf.
Diagnostische Wertigkeit Stark erhöhte Urinausscheidungen von Sebacinsäure weisen auf eine gestörte Fettsäureoxidation hin. Die weitere Differenzierung erfordert Kenntnisse
über die individuelle Stoffwechselsituation des Patienten, die
Konzentrationen weiterer Metabolite und schließlich eine
enzymatische oder molekularbiologische Bestätigungsdiagnostik.
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s
guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Urin.
Secreted protein acidic and rich in
cysteine
Präanalytik
▶ Osteonectin
• Durch ▶ Flüssig-Flüssig-Extraktion im sauren Medium
mittels Ethylacetat oder Diethylether
• Mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie (▶ GCMS) als Di-Trimethylsilylester
Retentionsindex RI:1899
M+ (m/z): 346
Quant Ion (m/z): 331
Conf. Ion (m/z): 215
Sediment
▶ Harnsediment
Sediment des Harns
Internationale Einheit mmol/mol Kreatinin (Urin).
▶ Harnsediment
Referenzbereich – Kinder <2 mmol/mol Kreatinin.
Pathologischer Bereich: 0–5000 mmol/mol Kreatinin.
Indikation Hypoketotische Hypoglykämien, rezidivierende
Hepatopathien und Enzephalopathien, insbesondere ReyeSyndrom, Myopathien, Rhabdomyolyse.
Sedimentum lateritium
▶ Ziegelmehlsediment
Sekretin
2133
Segmentkernige Granulozyten
Sekretin
▶ Granulozyten, segmentkernige
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Englischer Begriff secretin
Segregationsanalyse
▶ Kopplungsanalyse
75
SeHCAT-Test
Definition Von duodenalen und jejunalen Mukosazellen bei
Kontakt mit Magensäure sezerniertes Polypeptidhormon, das
die Produktion und Sekretion von Wasser und Bicarbonat im
exokrinen Pankreas stimuliert und damit den pH im Duodenum für die optimale Wirkung digestiver pankreatogener
Enzyme alkalisiert.
Indikation Maldigestion, Malabsorption, Störungen des
enterohepatischen Kreislaufs, Gallensäureverlustsyndrom.
Beschreibung Lineares, aus 27 Aminosäuren bestehendes
Polypeptid mit ausgeprägten Sequenzhomologien zu ▶ Glukagon, ▶ Vasoaktives intestinales Polypeptid wird von den
Mukosa-S-Zellen des Duodenums und Jejunums als Präprohormon synthetisiert und bei Kontakt der S-Zellen mit Magensäure (pH <4,5) sezerniert. ▶ Somatostatin ist der einzige
physiologische Inhibitor der Sekretinfreisetzung. Nüchternplasmakonzentration 12–75 ng/L (methodenabhängig). Transiente Erhöhungen und Erniedrigungen in Abhängigkeit von
der Nahrungsaufnahme: Anstieg im Blut innerhalb von
3 Minuten nach duodenaler Acidifizierung, Rückkehr zu Basalkonzentrationen innerhalb von 60 Minuten. Halbwertszeit
ca. 4 Minuten. Degradation erfolgt vorwiegend (50 %) in der
Niere. Die über einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor ausgeübten Wirkungen sind: Stimulation der Bicarbonat- und
Wassersekretion des Pankreas, der Leber und Brunner-Drüsen, Gallenblasenkontraktion und Cholerese, Parathyreoidhormonsekretion, Hemmung der Magen- und Duodenummotilität, der Gastrinfreisetzung und Magensäuresekretion
(▶ Magensekretionsanalyse; ▶ Magensaft). Klinischer Einsatz im Rahmen des Sekretin-Gastrin-Testes (▶ SekretinGastrin-Test) bei Verdacht auf Zollinger-Ellison-Syndrom
(Gastrinom): Sekretininfusion erhöht die Serumgastrinkonzentration (▶ Gastrin) und den Magensäureausstoß nur bei
Zollinger-Ellison-Patienten (nicht bei gesunden Probanden).
Erkrankungen mit Über- oder Unterschuss von Sekretin sind
nicht bekannt.
Analyt sehr instabil (eisgekühltes Aprotinin-enthaltendes
Heparin-Plasma).
Konzentrationsbestimmung mit kompetitiven ▶ Radioimmunoassay.
Literatur
Literatur
Thaysen EH, Pedersen L (1976) Idiopathic bile acid catharsis. Gut
17:965–970
Alfaro Cruz L, Parniczky A, Mayhew A et al (2017) Utility of direct
pancreatic function testing in children. Pancreas 46(2):177–182
▶ Selenium-Homotaurocholsäure-Retentionstest
75
Se-Homotaurocholat-Test
R. Tauber und F. H. Perschel
Englischer Begriff
75
Se-homocholic acid taurine test
Definition Funktionsuntersuchung zur Diagnostik bei Malabsorption bzw. eines Gallensäureverlustsyndroms.
Durchführung Nach oraler Zufuhr der radioaktiv markierten
Gallensäure 75Se-Homotaurocholsäure wird deren Resorption
im terminalen Ileum durch Messung der Ganzkörperaktivität
bestimmt.
Funktion – Pathophysiologie Die Gallensäure (▶ Gallensäuren) Homotaurocholsäure wird physiologischerweise im
terminalen Ileum resorbiert. Bei gestörter Resorption wird die
als Testsubstanz oral zugeführte radioaktiv markierte Gallensäure 75Se-Homotaurocholsäure mit den Fäzes ausgeschieden.
Hieraus resultiert ein verminderter Anstieg der Ganzkörperaktivität.
S
2134
Sekretin-Caerulein-Test
▶ Sekretin-Pankreozymin-Test
Sekretin-Cholecystokinin-Test
▶ Sekretin-Pankreozymin-Test
Sekretin-Gastrin-Test
Sekretin-Caerulein-Test
Präanalytik ▶ Gastrin.
Protonenpumpeninhibitoren können das Testergebnis verfälschen und sollten idealerweise eine Woche pausiert werden. Das Absetzen ist jedoch nicht immer unproblematisch.
Auch Anticholinergika, Antazida und H2-Rezeptorantagonisten müssen 24 Stunden vor dem Test abgesetzt werden.
Der Test darf nicht bei akuter Pankreatitis oder im Schub
einer chronischen Pankreatitis durchgeführt werden.
Probenstabilität ▶ Gastrin.
Analytik ▶ Gastrin.
Konventionelle Einheit ▶ Gastrin.
M. Bidlingmaier
Internationale Einheit ▶ Gastrin.
Synonym(e) Gastrin-Stimulationstest, Sekretin-Provokationstest
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit ▶ Gastrin.
Englischer Begriff secretin stimulation test
Referenzbereich – Erwachsene Wegen der großen Unterschiede in den Werten, die bei Verwendung verschiedener
Gastrinassays erhalten werden, müssen assayspezifische Entscheidungsgrenzen gefordert werden. Oft wurden eine Verdoppelung der basalen Werte als beweisend für ein ZollingerEllison-Syndrom angesehen.
Definition Stimulationstest zur Diagnostik des ZollingerEllison-Syndroms, bei dem auf Sekretin (und andere Reize)
eine überschießende Freisetzung von Gastrin aus den
G-Zellen im Antrum erfolgt.
Durchführung Durchführung vormittags nüchtern. Nach
Legen einer Verweilkanüle ein- bis zweimalige Blutentnahme
zur Bestimmung der Ausgangskonzentration von Gastrin.
Danach erfolgt die intravenöse Gabe von 2 IE Sekretin pro
kg Körpermasse. Weitere Blutentnahmen nach 2, 5,
10, (15) und 30 Minuten.
Struktur ▶ Gastrin.
Indikation
• Diagnose des Zollinger-Ellison-Syndroms
• Überprüfung des Operationserfolgs und Therapiekontrolle
bei Zollinger-Ellison-Syndrom
• Differenzialdiagnose erhöhter basaler Gastrinkonzentrationen
Molmasse ▶ Gastrin.
Interpretation S. Referenzbereiche und Pathophysiologie.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination ▶ Gastrin.
Diagnostische Wertigkeit Bei dem Test ist auf Einflussfaktoren zu achten, insbesondere ist eine Medikamentenanamnese
unabdingbar. Tritt die Erkrankung in Zusammenhang mit einer
multiplen endokrinen Neoplasie auf, ist ggf. der Einfluss einer
Medikation mit Somatostatinanaloga zu beachten.
Bei bis zu 10 % der Patienten mit Zollinger-EllisonSyndrom fällt der Test falsch negativ aus.
Halbwertszeit ▶ Gastrin.
Pathophysiologie Bei gastrinsezernierenden neuroendokrinen Tumoren (Zollinger-Ellison-Syndrom) kommt es zu
einem im Verhältnis zur Azidität des Magensaftes inadäquat
hohen Sekretion von Gastrin. Diagnostisch ist oft die Unterscheidung zwischen einer physiologischen Hypergastrinämie, die durch verschiedenste Faktoren hervorgerufen werden kann, und einer pathologischen, tumorbedingten
Sekretion von Gastrin allein anhand der basalen Gastrinsekretion schwierig. In bis zu 60 % der Fälle wird daher ein
Stimulationstest durchgeführt, bei dem die Patienten mit
tumorbedingter Hypergastrinämie überschießend reagieren.
Untersuchungsmaterial ▶ Gastrin.
Literatur
Ito T, Cadiot G, Jensen RT (2012) Diagnosis of Zollinger-Ellison syndrome: increasingly difficult. World J Gastroenterol 18(39):5495–5503
Poitras P, Gingras MH, Rehfeld JF (2013) Secretin stimulation test for
gastrin release in Zollinger-Ellison syndrome: to do or not to do?
Pancreas 42(6):903–904
Rehfeld JF, Gingras MH, Bardram L, Hilsted L, Goetze JP, Poitras
P (2011) The Zollinger-Ellison syndrome and mismeasurement of
gastrin. Gastroenterology 140(5):1444–1453
Sekretin-Pankreozymin-Test
Sekretin-Pankreozymin-Test
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) S-CCK-Test; Sekretin-Caerulein-Test; SekretinCholecystokinin-Test; Sekretin-Takus-Test; SPT
Englischer Begriff secretin-pancreozymin test; secretinCCK test
Definition Invasiver Sondentest zur Diagnostik der exkretorischen (digestiven) Pankreasinsuffizienz, bei dem nach
sequenzieller intravenöser Gabe von ▶ Sekretin und Pankreozymin (Caerulein) (▶ Cholecystokinin) der Sekretionsausstoß von Bicarbonat und einiger repräsentativer Pankreasenzymaktivitäten im aspirierten Pankreas- bzw. Duodenalsaft
quantitativ bestimmt wird. Aufgrund seiner hohen Spezifität
und Sensitivität gilt der SPT als Referenzmethode.
Durchführung Nach 12-stündiger Nahrungskarenz Einführung einer doppelläufigen Lagerlöf-Sonde in Rechtsseitenlage
unter Röntgenkontrolle, Positionierung im Duodenum auf
Höhe des Sphinkter Oddi (s. Abbildung im Stichwort ▶ LundhTest). Absaugen und Verwerfen des 1. Aspirates. Es schließen
sich an: 30-minütige Basalphase mit Messung des sezernierten
Volumens, der Bicarbonat- und Enzymsekretion, 30- bis 60-minütige ▶ Sekretin-Infusionsphase (1 CU/kg KG/h), Messung
von sezerniertem Volumen, Bicarbonat- und Enzymsekretion,
30-minütige Phase zusätzlicher Caerulein-(▶ Cholecystokinin)
Infusion (75 ng/kg KG/h): Duodenalsaftaspiration in 15-minütigen Intervallen und Messung von sezerniertem Volumen,
Bicarbonat- und Enzymsekretion (▶ Trypsin, ▶ Chymotrypsin,
▶ Amylase, pankreasspezifische, ▶ Lipase, pankreatische).
Aspirat muss eisgekühlt gesammelt und gelagert werden.
Funktion – Pathophysiologie Unter Sekretininfusion erhöht
sich der Volumen- und Bicarbonatausstoß, unter zusätzlicher
CCK(Caerulein)-Infusion wird die Enzymsekretion stimuliert.
Erniedrigungen der gesamten Messwerte gelten als empfindlichste Indikatoren einer exkretorischen Pankreasinsuffizienz.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Aspirierter Duodenalsaft bzw. Pankreassekret nach Sondierung des
Ductus pancreaticus. Probensammlung in eisgekühlten Messzylindern.
Präanalytik Absetzen oraler Enzymsubstitutionspräparate
mindestens 3 Tage und 12-stündige Nahrungskarenz vor Testdurchführung. Eisgekühlte Asservierung des Duodenalsafts
bis zu 8 Stunden.
2135
Analytik Messung von sezerniertem Volumen/30 Minuten,
Bicarbonatmenge/30 Minuten, Bicarbonatkonzentration sowie
Amylase- (▶ Amylase, pankreasspezifische), Lipase- (▶ Lipase,
pankreatische), ▶ Trypsin- und ▶ Chymotrypsin-Aktivitätsmengen/30 Minuten.
Referenzbereich – Erwachsene Testdurchführung ist nicht
standardisiert, weshalb keine allgemein verbindlichen Referenzbereiche existieren.
Richtwerte:
Referenzbereiche 30 min nach Sekretin
Volumen
Bicarbonatkonzentration
Bicarbonatsekretion
Referenzbereiche 30 min nach Caerulein
Lipase
Trypsin
Chymotrypsin
Amylase
>67 mL/30 min
>70 mmol/L
12.000 U/30 min
>65.000 U/30 min
>30 U/30 min
1200–6000 U/30 min
>12.000 U/30 min
Indikation Diagnostik der exokrinen Pankreasinsuffizienz.
Interpretation Der aufwendige, invasive Funktionstest
gilt als Goldstandard (Referenztest) der exokrinen Pankreasinsuffizienz. Nachteil besteht in der fehlenden Standardisierung der Testdurchführung.
Entsprechend dem Testergebnis des S-CCK-Tests lässt sich
die Pankreasinsuffizienz in folgende Schweregrade einteilen:
• Leichte Pankreasinsuffizienz:
– Bicarbonatkonzentration normal
– Sekretion eines oder mehrerer Enzyme erniedrigt
– Stuhlfettausscheidung normal
• Mittelschwere Pankreasinsuffizienz:
– Bicarbonatkonzentration erniedrigt
– Sekretion aller Enzyme erniedrigt
– Stuhlfettausscheidung normal.
• Schwere Pankreasinsuffizienz:
– Bicarbonatkonzentration erniedrigt
– Sekretion aller Enzyme erniedrigt
– Steatorrhoe
Diagnostische Wertigkeit Sensitivität beträgt im Mittel
92 % (80–90 %), Spezifität 94 %. Damit ist der S-CCKSondentest sensitiver als indirekte Pankreasfunktionsteste
wie ▶ Pankreolauryltest, ▶ PABA-Test, ▶ Stuhlfett, Stuhlgewicht (▶ Stuhltrockengewicht) und Chymotrypsin im Stuhl.
Die fäkale Elastase-1-Ausscheidung (▶ Elastase, pankreasspezifische, PE) soll ähnliche Sensitivitäten und Spezifitäten
wie der S-CCK-Test haben.
S
2136
Literatur
Otte M (1979) Pankreasfunktionsdiagnostik. Internist 20:331–340
Stein J, Wehrmann T (Hrsg.) (2006) Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, 2. Aufl. Springer Medizin Verlag, Heidelberg
Sekretin-Provokationstest
▶ Sekretin-Gastrin-Test
Sekretin-Takus-Test
▶ Sekretin-Pankreozymin-Test
Sekretin-Provokationstest
Bindung. Durch die Aktivität der Se-Transferase wird ein
lösliches H-Antigen synthetisiert, das in Saliva und anderen
Körperflüssigkeiten nachweisbar ist (▶ Salivatestung). Personen, die mindestens eine funktionsfähige Kopie des FUT2Gens aufweisen, können die lösliche Form des H-Antigens
bilden und werden als Sekretoren (Se/Se oder Se/se) bezeichnet. Non-Sekretoren (se/se) hingegen produzieren kein lösliches H-Antigen, da sie aufgrund von Mutationen im FUT2Gen keine aktive Se-Transferase bilden können. Der Anteil
der Non-Sekretoren in der europäischen Bevölkerung beträgt
ca. 20 %. Der Sekretorstatus einer Person beeinflusst auch
dessen Lewis-Phänotyp ▶ Lewis-(Le-)Blutgruppensystem,
da die Se-Transferase neben der Le-Transferase an der Synthese der unterschiedlichen Lewis-Antigenstrukturen beteiligt ist. Die Zugehörigkeit zu den Blutgruppen A, B, 0 oder
AB ist unabhängig vom Sekretorstatus.
Literatur
Sekretoreigenschaft
▶ Sekretorstatus
Dean L (2005) Blood groups and red cell antigens. National Library of
Medicine, NCBI
Mueller-Eckhardt C, Kiefel V (Hrsg) (2004) Transfusionsmedizin:
Grundlagen – Therapie – Methodik, 3. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Sekretorstatus
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Sekretorsystem
▶ Sekretorstatus
Synonym(e) Sekretoreigenschaft; Sekretorsystem
Englischer Begriff secretor system; secretor status
Definition Klassifizierung der Enzymaktivität der Se-Transferase, die entscheidend ist für die Fähigkeit, lösliche
H-Antigene zu synthetisieren.
Beschreibung Der Sekretorstatus ist ein Begriff aus der
Transfusionsmedizin, der dadurch bestimmt wird, ob bei
einer Person H-Antigene sowohl auf der Erythrozytenmembran als auch lösliche H-Antigene in Saliva und Körperflüssigkeiten nachweisbar sind (Sekretoren) oder ob H-Antigene
(▶ H-Substanz) ausschließlich in der Erythrozytenmembran
verankert vorkommen (Non-Sekretoren). Der Sekretorstatus
einer Person wird bestimmt über die Aktivität der Fucosyltransferase 2 (Se-Transferase), die vom FUT2-Gen auf
Chromosom 19q13.3 kodiert und in sekretorischen Drüsen
exprimiert wird. Dieses Enzym katalysiert die Addition einer
Fucose auf ein terminales Galaktosemolekül einer Oligosaccharidstruktur unter Ausbildung einer a1,2-glykosidischen
Sektorfeldgeräte
▶ Massenspektrometrie
Sekundärelektronenvervielfacher
▶ Photomultiplier
Sekundärfollikel
H. Baum
Englischer Begriff secondary follicle
Sekundärprobe
Definition Ansammlung von B-Lymphozyten mit Zonen
aktiver Proliferation im Kortex von Lymphknoten und anderen lymphatischen Geweben.
2137
Sekundärnormal
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Beschreibung Im Kortex des Lymphknotens sind Ansammlungen von reifen B-Lymphozyten (▶ B-Lymphozyt) nachweisbar, die als Primärfollikel bezeichnet werden. Nach Antigenstimulation werden in den Primärfollikeln aktivierte
B-Lymphozyten nachweisbar, die morphologisch in Zentrozyten (▶ Zentrozyt) und Zentroblasten (▶ Zentroblast) differenziert werden können. Diese Zone aktiver Proliferation
wird als ▶ Keimzentrum bezeichnet, die Follikel dann als
Sekundärfollikel.
Synonym(e) Sekundärmessnormal
Englischer Begriff secondary measurement standard; secondary standard
Definition Normal, das durch Kalibrierung gegen ein Primärnormal für eine Größe gleicher Art geschaffen ist
(Brinkmann 2012). Für Anmerkungen s. Literatur.
Literatur
Sagaert X, De Wolf-Peeters C (2003) Classification of B-cells according
to their differentiation status, their micro-anatomical localisation and
their development lineage. Immunol Lett 90:179–186
Sekundärgefäß
Literatur
Brinkmann B (2012) ) Internationales Wörterbuch der Metrologie (VIM)
Deutsch-englische Fassung. ISO/IEC-Leitfaden 99:2007, 4. Aufl.
Beuth-Verlag, Berlin
Sekundärprobe
O. Colhoun
W. G. Guder
Englischer Begriff secondary specimen container
Synonym(e) Analytische Probe
Definition Bezeichnung des Probengefäßes (▶ Probenröhrchen), das im medizinischen Laboratorium mit einem Aliquot
der ▶ Primärprobe befüllt und identifiziert wurde.
Englischer Begriff analytical sample
Beschreibung Sekundärgefäße finden z. B. bei der Probenverteilung eines Primärgefäßes (▶ Primärgefäß) in einer
zentralen Laborannahme an verschiedene Laborbereiche
Anwendung.
Definition In allen Fällen, bei denen die Patientenprobe
(▶ Probe, z. B. Blut) aufgearbeitet oder geteilt wird, spricht
man von einer Sekundärprobe oder sekundären Probe, aus der
dann die Analyse mit der analytischen Portion entnommen
wird (z. B. Serum oder Plasma).
Sekundärmessnormal
▶ Sekundärnormal
Sekundärmetabolite
▶ Sekundärstoffwechsel
Beschreibung Sekundärproben (s. a. ▶ Sekundärgefäß)
werden immer dann benötigt, wenn die Analyse nicht aus
dem vom Patienten gewonnenen Material (▶ Primärprobe,
▶ Patientenprobe), sondern aus daraus hergestellten Anteilen
oder Extrakten durchgeführt wird. Beispiele für Sekundärproben dieser Art stellen Serum, Plasma, aber auch Blutausstrich, Harnsediment oder Extrakte dar. Diese werden als
analytische Proben bezeichnet, aus denen die Analyse (und
auf die sich die Konzentrationsangabe bezieht) durchgeführt
wird. Auch eine Verteilung des primären Materials auf mehrere Labors oder Adressen kann als Sekundärprobe bezeichnet werden.
S
2138
Literatur
Dybkaer R (1997) Vocabulary for use in measurement procedures and
description of reference materials in laboratory medicine. Eur J Clin
Chem Clin Biochem 35:141–173
Sekundärstoffwechsel
T. Arndt
Synonym(e) Phytamine; Sekundärmetabolite
Englischer Begriff secondary metabolites
Definition Sekundäre Metabolite sind Substanzen, die auf
anderen als den normalen Stoffwechselwegen zumeist nach
der Phase des aktiven Wachstums und unter Bedingungen des
Mangels hergestellt werden. Die biologische Bedeutung vieler
sekundärer Metabolite ist noch unklar (IUPAC-Definition).
Beschreibung Das Verständnis o. g. Definition wird bei
Kenntnis der Definition des Primärstoffwechsels (normaler
Stoffwechsel) bzw. primärer Metabolite (normaler Metabolite)
einfacher: Nach IUPAC-Definition umfasst der (normale) Stoffwechsel die Gesamtheit der physikalischen und chemischen
Prozesse, die zu Erhalt und Reproduktion des Lebens erforderlich sind. In diesen Prozessen werden Nahrungsstoffe zur Energiegewinnung und zur Bildung einfacherer Moleküle abgebaut
(Katabolismus), wobei letztere wiederum Ausgangsstoffe zur
Synthese komplexerer Moleküle (Anabolismus) sind.
Stoffe des Sekundärstoffwechsels sind also für die Zelle
selbst entbehrlich. Sie können für den Organismus als Ganzes
jedoch nützlich sein. Beispiele für Sekundärstoffe wären
u. a. Farb- und Duftstoffe oder Stoffe mit pharmakologischer
Wirkung wie z. B. ▶ Alkaloide. Tatsächlich sind die Grenzen
zwischen Primär- und Sekundärstoffen fließend. Neuere
Überlegungen bewerten deshalb die Trennung zwischen
Primär- und Sekundärstoffwechsel als eher historisch und
schlagen andere Systematiken vor.
Sekundärstoffwechsel
SELDI
▶ Ionisationsmethoden (Massenspektrometrie)
SELDI-TOF
T. Arndt
Synonym(e) Surface-Enhanced-Laser/DesorptionIonization-Time-of-Flight-Massenspektrometrie
Englischer Begriff SELDI-TOF; surface enhanced laser/
desorption ionization time of flight mass spectrometry
Beschreibung Ist eine Variante der MALDI-TOF (▶ Massenspektrometrie). Es werden sog. Chips mit funktionalisierten
Oberflächen (unpolares, sog. „reversed phase material“ oder
Ionenaustauscher) zur Proteinanreicherung und -reinigung
eingesetzt. Diese adsorbieren jeweils eine bestimmte Klasse
von Proteinen. Daneben finden auch spezifischere, biochemische, z. B. mit Antikörpern behandelte Oberflächen, welche
nur mit dem Target-Protein reagieren, Anwendung. Typischerweise werden die zu analysierenden Gemische auf die Chips
aufgetragen und verschiedenen Waschschritten unterzogen.
Nach dem Trocknen des Chips wird eine Matrix (EAM,
„energy absorbing molecule“) zugesetzt. Diese soll die Laserenergie gleichmäßig verteilen und überschüssige Laserenergie
aufnehmen, um die Analyte vor Zerstörung zu schützen. Nach
Laser-induzierter Desorption der Proteine aus dem Chip
wird deren Molekülmasse anhand ihrer Flugzeit im TOFMassenspektrometer ermittelt (s. MALDI-TOF unter ▶ Massenspektrometrie). Anwendung findet SELDI-TOF z. B. bei
der Identifikation von Markern für bestimmte Tumorarten
oder der Alzheimer-Krankheit.
Literatur
Issaq HJ, Veenstra TD, Conrads TP, Felschow D (2002) The SELDITOF MS Approach to proteomics: protein profiling and biomarker
identification. Biochem Biophys Res Commun 292:587–592
Literatur
Firn DR, Jones CG (2009) A Darwinian view of metabolism: molecular
properties determine fitness. J Exp Bot 60:719–726
Nagel B, Dellweg H, Gierasch LM (1992) Glossary for chemists of terms
used in biotechnology (IUPAC Recommendations 1992). Pure Appl
Chem 64:143–168
Selected Ion Monitoring
▶ SIM
Selen
Selegilin (Amphetaminnachweis)
▶ Methamphetamin
2139
Literatur
Vessman J et al (2001) Selectivity in analytical chemistry (IUPAC
Recommendations 2001). Pure Appl Chem 73:1381–1386
Selen
Selektivität
D. Meißner und T. Arndt
T. Arndt
Englischer Begriff selenium
Synonym(e) selektiv
Englischer Begriff selectivity
Definition Maß für die Eignung einer Analysenmethode zur
Bestimmung von bestimmten Analyten in Substanzgemischen oder Probenmatrizes ohne Interferenzen durch andere
Komponenten mit ähnlichen (physikochemischen) Eigenschaften (IUPAC-Definition).
Definition Selen (chemisches Symbol: Se) ist ein Halbmetall
mit der Ordnungszahl 34. Es gehört zu den essenziellen
Spurenelementen. In hohen Konzentrationen ist es toxisch.
Struktur Selen tritt in den Oxidationsstufen 2, +2, +4 und
+6 auf. Die biologisch wirksamen Formen sind Se(VI) und Se
(IV), wobei letztere die stabile Form ist. Im Organismus ist
Selen vorwiegend an Proteine oder Aminosäuren gebunden.
Molmasse Relative Atommasse: 78,96.
Beschreibung Häufig werden die Begriffe Selektivität und
Spezifität irrtümlich synonym verwandt. Spezifität ist jedoch
ein absoluter Begriff, der keiner Graduierung im Sinne von
z. B. „spezifisch“, „besonders spezifisch“ oder „spezifischer“
und „am spezifischsten“ unterliegt und auch nicht in Zahlenwerten ausgedrückt werden kann. Selektivität ist dagegen ein
Maß für die o. g. Eigenschaft eines Analysenverfahrens, das
als verbale Graduierung, z. B. „weniger selektiv“ oder „sehr
selektiv“ oder unter bestimmten Bedingungen auch als Zahlenwert angegeben werden kann.
Danach erfassen spezifische Reaktionen oder Analysenverfahren nur die interessierenden Analyte. Selektive Reaktionen oder Analysenverfahren bevorzugen die interessierenden Analyte, andere Komponenten mit ähnlichen Eigenschaften
können jedoch interferieren. Das Maß für die Bevorzugung
der Analyte ist die Selektivität. Spezifität ist also das höchste,
nicht zu übertreffende Maß an Selektivität. Nach dieser Definition sind nur wenige Reaktionen oder Analysenverfahren
spezifisch, während viele ein bestimmtes Maß an Selektivität
besitzen. Für Aussagen bezüglich der Leistungsfähigkeit
eines Analysensystems ist deshalb der Begriff Selektivität
exakter und anstelle von Spezifität zu verwenden.
Anmerkung: Von der analytischen Spezifität ist die diagnostische Spezifität (▶ Spezifität, diagnostische) als ein Maß
für die diagnostische Leistungsfähigkeit eines Laborparameters klar abzutrennen. Diese unterliegt gewöhnlich einer Graduierung, z. B. in % von 100 (als Bestwert).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Die Zufuhr
von Selen und infolge dessen der Versorgungsgrad, der Körperbestand und die Normalwerte sind in Abhängigkeit vom
Selengehalt des Bodens und damit vom Selengehalt des
Trinkwassers und der pflanzlichen und tierischen Kost regional sehr unterschiedlich verteilt. Der Selengehalt des Bodens
nimmt von Süden nach Norden deutlich ab. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den Regionen, in denen die Selenversorgung nicht ausreichend gesichert ist.
Die Zufuhr des Selens erfolgt hauptsächlich über die Nahrung, die intestinale Absorption liegt bei durchschnittlich
80 %. Im Plasma liegt Selen an die Plasmaproteine Albumin,
Selenoprotein P und ▶ Glutathionperoxidase gebunden oder
als Selenoaminosäure (Selenomethionin, Selenocystein), als
Selenit oder Selenat vor. Speicherorte sind Schilddrüse,
Niere, Leber, Milz, Herz. Absolut gesehen ist auch der Skelettmuskel selenreich. Der Selenhaushalt wird über die renale
Ausscheidung geregelt, 50–60 % der zugeführten Menge
werden mit dem Urin ausgeschieden.
Körperbestand: 10–15 mg. Bedarf: Männer 25 mg/Tag,
Frauen 20 mg/Tag. Empfohlene Zufuhr: 30–50 mg/Tag, zusätzlich am Ende der Schwangerschaft 18 mg/Tag und in der
Stillzeit 16 mg/Tag. Tolerierbare Aufnahme pro Tag: 6 mg/kg
KG. Selenreich sind Fleisch, Leber, Eier, Meerestiere, Nüsse.
Pflanzliche Nahrungsmittel und Hefen enthalten Selenomethionin.
S
2140
Funktion – Pathophysiologie Aus klinischer Sicht hat die
ausreichende Selenzufuhr Priorität, da dieses Element an
wichtigen biochemischen Prozessen beteiligt ist, u. a. im
Lipidstoffwechsel, in der Kardiologie, in der Intensivmedizin
oder im Tumorgeschehen. Als Ursachen für einen Selenmangel kommen die nutritive Unterversorgung (Nahrungsmittel
in selenarmen Gegenden), ungeeignete Angebotsformen, Selenantagonisten (Schwermetalle), erhöhter Bedarf, erhöhte
Verluste, intensivmedizinische Therapien (totale parenterale
Ernährung) oder angeborene Fehler in Betracht.
Selen übt seine physiologische Funktion als Bestandteil von
etwa 30 Enzymen oder anderen Selenoproteinen aus. Am besten
studiert sind die 4 Glutathionperoxidasen (Schutz vor Radikalen, Abbau von Lipidperoxiden), die 3 Deiodasen Typ I–III
(Aktivierung und Inaktivierung von Schilddrüsenhormonen),
Thioredoxinreduktasen (Regulation des zellulären Redoxstatus),
Selenophosphatsynthetase (Selenoproteinsynthese), die Selenoproteine P und W und weitere Selenoproteine, die u. a. in
Reproduktion, Spermatogenese und Tumorgenese eine Rolle
spielen und deren Funktion noch untersucht wird. Weitere Funktionen: Entgiftung von Schwermetallen (Cd, Hg u. a.) durch
Bildung und Ausscheidung schwerlöslicher Selenide und die
Stärkung der Immunabwehr durch Stimulierung von Makrophagen.
Bei schwerem Selendefizit treten Kardiomyopathien, Leberschädigungen und Myopathien der Skelettmuskulatur auf.
Als Selenmangelkrankheiten sind die Keshan-Krankheit, eine
in China endemisch auftretende Kardiomyopathie und die
Kashin-Beck-Krankheit, eine ebenfalls endemisch auftretende Osteoarthropathie mit starker Verformung der Gelenke
beschrieben.
Die Gefahr einer Selenvergiftung ist gering, jedoch sind akute
und chronische Intoxikationen bei erhöhter Selenzufuhr
bekannt. Als Belastungsquellen kommen neben dem Arbeitsplatz die falsche Dosierung oder versehentliche Zufuhr von
selenhaltigen Medikamenten sowie der Genuss von extrem selenreichen Nahrungsmitteln oder Trinkwasser (z. B. Venezuela)
in Betracht.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Blut,
Plasma, Urin.
Probenstabilität Blut: 20 C 2 Tage. Plasma, Urin: 20 C
7 Tage, 4–8 C 14 Tage, 20 C 1 Jahr.
Präanalytik Besonders gereinigte Abnahmegeräte und Aufbewahrungsgefäße verwenden. Als Antikoagulans sind LiHeparin oder EDTA geeignet. Kontamination vermeiden.
Zertifizierte Referenzmaterialien verwenden. Vermeidung
von Matrixeinflüssen durch Matrixmodifier.
Selen
Analytik Atomabsortionsspektrometrie mit Graphitrohroder Hydridtechnik, Fluorometrie, Neutronenaktivierungsanalyse (NAA).
Konventionelle Einheit mg/L, mg/d.
Internationale Einheit mmol/L, mmol/d.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit mmol/L
(d) = 0,01266 mg/L (d); mg/L (d) = 78,96 mmol/L (d).
Referenzbereich – Erwachsene Einen Referenzbereich für
Selen festzulegen, ist – anders als für andere Elemente – aus
den unter Interpretation genannten Gründen schwierig. Für
Gesunde in Deutschland findet man folgende Werte: Vollblut:
zwischen 0,8–1,7 mmol/L (63–134 mg/L); Serum/Plasma:
zwischen 0,5–1,5 mmol/L (39–118 mg/L); Urin: zwischen
0,18–0,95 mmol/24 Stunden (14–75 mg/24 Stunden); Haare/
Nägel: 0,3–1,8 mg/kg TG (4–23 mmol/kg TG) (Rükgauer und
Kruse-Jarres 2002; Meißner 1997; Brätter 1992)
Referenzbereich – Kinder Altersabhängige Referenzbereiche in Serum (nach Rükgauer und Kruse-Jarres 2002):
Alter (Jahre)
0–1
1–2
2–4
4–6
6–10
10–14
14–18
mmol/L
0,20–0,61
0,29–0,78
0,37–1,25
0,35–1,45
0,46–1,42
0,46–1,36
0,56–1,24
mg/L
16–48
23–62
29–99
28–114
36–112
36–107
44–98
Indikation Verdacht auf Unterversorgung oder Überladung,
intensivmedizinische Behandlung, Kontrolle der Selentherapie, Niereninsuffizienz, arbeitsmedizinische Überwachung.
Interpretation Kurzzeitparameter: Urin, Plasma; mittelfristiger Parameter: Blut (bester Parameter zur Statusbestimmung); Langzeitparameter: Haare, Nägel. Die Referenzwerte
sind regional stark unterschiedlich und hauptsächlich von der
Bodenbeschaffenheit in der Region, den Verzehr- und Trinkgewohnheiten (Aufnahme über Speisen und Getränke) und
darüber hinaus von der unkontrollierten Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel abhängig. Es ist sinnvoll, dass sich
jedes Labor an eigenen Referenzwerten orientiert. Zusätzliche Informationen sind durch die Selenbestimmung in Erythrozyten (Langzeitparameter) zu erhalten. Niedrige Selenwerte sind bei einer großen Zahl von Krankheiten beobachtet
worden. Bei Unterversorgung wird Substitution empfohlen.
Seliwanoff-Test
2141
BAT-Wert (Serum): 150 mg/L (BAT-Werte-Liste 2017).
Grenzkonzentration im Trinkwasser: 10 mg Se/L
(Trinkwasser-VO 2016).
Diagnostische Wertigkeit Bestimmung des Selenstatus,
Diagnose des Selenmangels, der Selenexposition oder der
Selenintoxikation.
Literatur
Brätter P und Wissenschaftlicher Beirat (1992) Mineralstoffe und Spurenelemente, Leitfaden für die ärztliche Praxis. Bertelsmann Stiftung,
Güterloh
DFG (2017) Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Mitteilung 53. MAK- und BAT-Werte-Liste
2017. Wiley-VCH, Weinheim
Köhrle J (2002) Selen. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg)
Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart/New York, S 161–172
Köhrle J (2004) Selenium in biology and medicine – further progress and
increasing interest. J Trace Elem Med Biol 18:61–63
Meißner D (1997) Referenzwerte von Selen in Blut und Serum im Raum
Dresden. Med Klin 92(Suppl III):41–42
Rükgauer M, Kruse-Jarres JD (2002) Normalwerte für Mengen- und
Spurenelemente. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg)
Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart/New York, S 704
Trinkwasser-VO (2016) Trinkwasserverordnung in der Fassung der
Bekanntmachung vom 10. März 2016. https://www.gesetze-iminternet.de/bundesrecht/trinkwv_2001/gesamt.pdf. Zugegrieffen am
04.09.2017
Selenium-HomotaurocholsäureRetentionstest
(37 kBq bzw. 10 mCi). Nach 6 Stunden wird die Ausgangsaktivität über dem Abdomen mit einer Gamma-Kamera
bestimmt. Weitere Messungen erfolgen an den nachfolgenden
Tagen (Tage 1, 2, 4 und 7). Die radioaktive Gallensäure wird
aktiv im Ileum resorbiert und durchläuft etwa drei- bis zwölfmal pro Tag den enterohepatischen Kreislauf. Die Gallensäureausscheidung wird somit mehrfach reproduziert. Eine
Quantifizierung ihrer Ausscheidung im Stuhl ist nicht notwendig.
Retentionsnormwerte in der Gallenblase sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Zeitpunkt (Tag)
1
2
3
7
Retention (%)
>80
>65
>50
>19
Der 75SeHCAT-Test stellt ein sehr sensitives Verfahren zur
Diagnostik (▶ Sensitivität, diagnostische) einer Gallensäuremalabsorption, z. B. bei Ileumresektionen von 20 cm, dar und
ist dem ▶ 13C-Glykocholat-Atemtest überlegen.
Literatur
Stein J, Wehrmann T (Hrsg) (2006) Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie. 2., vollst. überarb. und erweit. Aufl., Springer Medizin
Verlag, Berlin/Heidelberg/New York
Selenoprotein P
▶ Hepatokine
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e)
75
Seliwanoff-Probe
SeHCAT-Test
▶ Seliwanoff-Test
Definition Der zur Diagnostik der Gallensäuremalabsorption eingesetzte nuklearmedizinische Funktionstest beruht
auf der oralen Aufnahme der 75Selenium-(75Se-)markierten
konjugierten Gallensäure Homotaurocholsäure, die im terminalen Ileum aktiv resorbiert und mit der ▶ Galle sezerniert
wird, deren Menge an festgelegten Zeitpunkten mit einem
Ganzkörper-Counter oder einer Gamma-Kamera quantitativ
bestimmt wird.
Beschreibung Die synthetische, in Position 24-C mit
75
▶ Selen-markierte konjugierte Gallensäure (▶ Gallensäuren)
wird nach Ermittlung des Nüchternnullwerts oral appliziert
Seliwanoff-Test
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Fruktosenachweis nach Seliwanoff; ResorzinProbe; Seliwanoff-Probe; Seliwanow-Test
Englischer Begriff Seliwanoff’s test
S
2142
Definition Heute obsoleter, semiquantitativer Nachweis von
Fruktose im Urin.
Beschreibung Der von dem russischen Chemiker Theodor
Seliwanoff (1859–1939) beschriebene Test beruht darauf,
dass sich aus ▶ Fruktose bei Erhitzen mit konzentrierter Salzsäure Oxymethylfurfurol bildet, das mit Resorzin eine Rotfärbung ergibt. Eine sofortige Rotfärbung mit Niederschlag, der
sich nach Zusatz von Methanol löst und verstärkt wird positiv
bewertet. Wegen fehlender Spezifität heute nicht mehr zur
Diagnostik der Fruktosurie in Gebrauch.
Seliwanow-Test
Wenn ein seltenes Antigen nur in einer Familie gefunden
wird, spricht man von Familienantigen.
Literatur
American Association of Blood Banks (1999) Technical manual, 13.
Aufl. S. Karger, Basel
Reid ME, Lomas-Francis C (2004) The blood group antigen facts book,
2. Aufl. Elsevier, New York
Literatur
SEM
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
▶ Standardfehler des Mittelwertes
Seliwanow-Test
Seminalflüssigkeit
▶ Seliwanoff-Test
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Seltene Antigene, erythrozytäre
Synonym(e) Seminalplasma
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Synonym(e) Niedrigfrequente Antigene; Private Antigene
Englischer Begriff private antigens; low incidence antigens;
low frequency antigens
Definition Die Häufigkeit eines seltenen Antigens liegt unter
1 % (meist <0,01 %) und wird auch bei nicht verwandten
Individuen gefunden. Solche niedrigfrequente Antigene, die
bisher nicht bekannten Blutgruppensystemen zugeordnet
werden konnten, wurden zu der numerischen 700er-Serie
zusammengestellt.
Einige Beispiele für seltene erythrozytäre Antigene sind
die Antigene Ahonen (Ana), Swann (Swa), Batty (By), Biles
(Bi), Box (Bxa), Christiansen (Chra), HJK, HOFM, JFV,
JONES, Jensen (Jea), Katagiri (Kg), Livesay (Lia), Milne,
Oldeide (Ola), Peters (Pta), Rasmussen (RASM), Reid (Rea),
REIT, SARA, Torkildsen (Toa) oder Wulfsberg (Wu). Das
Vorliegen von Anti-private-Antikörpern ist aufgrund der
Vielzahl kompatibler Blutkonserven transfusionsmedizinisch
nicht von Bedeutung. In seltenen Fällen können diese Antikörper einen Morbus haemolyticus neonatorum (Mhn;
s. ▶ Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum) verursachen.
Englischer Begriff seminal fluid; seminal plasma
Definition Von den Samenblasen des Mannes sezernierte
Flüssigkeit spezifischer chemischer Zusammensetzung, die
der Aufnahme und Ernährung der Spermien dient und mit
diesen das Ejakulat bildet, das ein wichtiges Untersuchungsmaterial für die männliche Fertilitätsdiagnostik darstellt.
Beschreibung Die nach Abzentrifugation der Spermien/
Spermatozyten aus dem milchig-trüben Ejakulat gewonnene
zähflüssige, schwach alkalische Seminalflüssigkeit ist mit
ihrem relativ hohen Fruktosegehalt ein wichtiger Energielieferant für die Motilität der Spermien. Neben ▶ Fruktose sind
Citrat, ▶ Zink, ▶ Magnesium, Inositol (▶ Inosin), saure
Prostata-Phosphatase (▶ Phosphatase, prostataspezifische
saure), Glukosidase, ▶ Prostaglandine E1, E2, Geruchsstoffe
u. a. in ihren jeweiligen Konzentrationen typische, diagnostisch teilweise relevante Bestandteile (s. Tabelle).
Referenzwerte wichtiger Kenngrößen der Seminalflüssigkeit (nach WHO-Angaben):
Kenngröße
Volumen
pH
Spermienkonzentration
Spermiengesamtzahl
Referenzwert
2,0 mL
7,2–8,0
20 Millionen/mL
40 Millionen/Ejakulat
(Fortsetzung)
Sensitivität, diagnostische
Kenngröße
Motilität
Morphologie
Vitalität
Leukozyten
MAR-Test
Alpha-Glukosidase
Zink
Citrat
Saure Phosphatase
Fruktose
2143
Referenzwert
50 % mit Vorwärtsprogression oder 25 %
mit schneller Progression innerhalb von
60 min
30 % mit normaler Gestalt
75 % lebensfähig (Farbstoffausschluss)
<1,0 Million/mL
Zum Nachweis von IgG-Antikörpern auf
den Spermatozyten mittels IgGbeschichteter Latexpartikel; <10 % der
Zellen sind adhärent
20 mU/Ejakulat
2,4 mmol//Ejakulat
52 mmol/Ejakulat
200 U/Ejakulat
13 mmol/Ejakulat
Zur Nomenklatur, Analytik und Bewertung der Veränderungen der Spermatozytenzahl, -morphologie und -motilität
wird auf die andrologische Spezialliteratur und auf das aktuelle WHO-Laborhandbuch (2010) verwiesen. Die darin
genannten Richtlinien mussten bis 2013 verbindlich eingeführt sein. Pathologische Ergebnisse des immunologischen
MAR-Testes (mixed antiglobulin reaction) weisen auf das
Vorliegen von Antikörpern gegen Spermatozyten hin.
Literatur
(WHO) (2003) WHO laboratory manual for the examination of human
semen and sperm-cervical mucus interactions, 4. Aufl. Churchill
Livingstone, S 285–315
(WHO) (2010) WHO laboratory manual for the examination and processing of human semen, 5. Aufl. ISBN 9789241547789 (deutsche
Übersetzung liegt vor)
Englischer Begriff sense string
Definition Der codogene oder Sense-Strang entspricht demjenigen DNA-Strang in der doppelsträngigen DNA, der bei
proteinkodierenden Genen den offenen Leserahmen enthält,
als Matrizenstrang für die Transkription dient und komplementär zu der mRNA ist.
Beschreibung Die Frage, welcher der beiden antiparallelen,
d. h. gegenläufigen DNA-Einzelstränge als codogener Strang
fungiert, wird im Wesentlichen durch die Lage der Promotorbereiche bestimmt. Innerhalb eines Chromosoms ist der codogene Strang nicht durchgängig einem bestimmten DNAEinzelstrang zugeordnet, sondern variiert ohne erkennbare
Systematik zwischen den beiden Strängen und damit auch
in der Leserichtung.
Literatur
Strachan T, Read AP (2005) Molekulare Humangenetik. Elsevier
GmbH, München
Sensitivität, analytische
▶ Messempfindlichkeit
Sensitivität, diagnostische
Seminalplasma
▶ Seminalflüssigkeit
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Synonym(e) Diagnostische Sensitivität
Englischer Begriff diagnostic sensitivity
Senkspindel
▶ Urometer
Sense-Strang
J. Arnemann
Synonym(e) Codogener Strang
Definition Die diagnostische Sensitivität (Sensitivität eines
diagnostischen Tests) bezeichnet die (bedingte) Wahrscheinlichkeit für ein positives Testergebnis unter den tatsächlich
Kranken (▶ Testergebnis, richtig-positives).
Beschreibung Die diagnostische Sensitivität lässt sich verstehen als Empfindlichkeit des Testverfahrens, da sie die
Wahrscheinlichkeit für die richtige Testentscheidung unter
den Kranken angibt. Die Sensitivität ist ein Maß für die diagnostische Accuracy (▶ Accuracy, diagnostische) eines Tests
bzw. für die Validität (▶ Validität, diagnostische) eines dia-
S
2144
gnostischen Tests (▶ Test, diagnostischer), wenn als Referenz
ein ▶ Goldstandard verwendet wird. Die Sensitivität wird
geschätzt durch den Quotienten aus der Zahl der Erkrankten
mit positivem Test dividiert durch die Gesamtheit der
Erkrankten [d. h. der Quotient a /(a + c); s. Tabelle im Stichwort ▶ Vierfeldertafel]. Ist die Sensitivität des Tests hoch, so
wird der Test kaum Kranke übersehen. Ein hoch sensitiver
Test ist besonders dann hilfreich, wenn ein negatives Testresultat beobachtet wird.
Literatur
Sensitivitäts-Spezifitäts-Diagramm
Sepsiskenngrößen, Tab. 1 Laboratoriumsuntersuchungen bei Sepsis
Untersuchung
Blutkultur
Blutbild (▶ Blutbild, großes)
▶ C-reaktives Protein (CRP)
▶ Interleukin-6 (IL-6)
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
▶ Interleukin-8 (IL-8)
Sensitivitäts-Spezifitäts-Diagramm
▶ ROC-Kurve
▶ Interleukin-10 (IL-10)
▶ Procalcitonin (PCT)
Sensoren, biologische
▶ Lipopolysaccharidbindendes Protein (LBP)
▶ Biosensoren
▶ HLA-DR auf CD 14(+)
Monozyten
Ex-vivo-LPSVollblutstimulation und
TNF-a-Bestimmung
Sepsiskenngrößen
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Biomarker der Sepsis; Kenngrößen der Sepsis
Englischer Begriff sepsis (bio)marker
Definition Laborkenngrößen mit den relativ besten Kriterien
für die Diagnostik, Phasendifferenzierung, Verlaufskontrolle
und Prognosebeurteilung der Sepsis.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Laborkenngrößen siehe Tab. 1 und 2.
Aktuelle Definitionen der Sepsis und des septischen
Schocks (Singer et al. 2016): Sepsis ist eine lebensbedrohende Organdysfunktion, die als Folge einer fehlregulierten
Antwort des Körpers auf eine Infektion auftritt. Ein septischer
Schock ist definiert als eine besonders schwere Verlaufsform
der Sepsis, bei der besonders gravierende Störungen der Zir-
Hinweis
Mindestens zweimal innerhalb von
24 Stunden unter aeroben und
anaeroben Bedingungen
Leukozyten >12 oder <4 G/L und
>10 % Vorstufenleukozyten >12
oder <4 G/L und >10 % Vorstufen
Anstieg nach 6 Stunden, Maximum
bei ca. 48 Stunden, Halbwertszeit
ca. 48 Stunden, kein Hinweis auf
Sepsisgrad, aktiviert klassischen
Komplementweg
Frühmarker (3–4 Stunden),
besonders bei CRP-negativer
Neonatalsepsis (Sensitivität
60–97 %), Abfall innerhalb von
48 Stunden
Bei CRP-negativer Neonatalsepsis
(Sensitivität 83–91 %), alternativ zu
IL-6
Fakultativ, erhöht bei
Immunparalyse
Hoher und plötzlicher Anstieg bei
bakterieller Sepsis (Spezifität
80–100 %, Sensitivität 70–100 %),
guter Verlaufsparameter
(Halbwertszeit ca. 24 Stunden),
Prognoseparameter
Hoher Anstieg bei bakterieller
Infektion (in Verbindung mit IL-6
bewerten)
Nachweis der Immunparalyse (späte
Sepsisphase) bei Abnahme
Funktionsreserve der Monozyten,
Nachweis der Immunparalyse (späte
Sepsisphase)
Sepsiskenngrößen, Tab. 2 Frühdiagnostik der Sepsis mittels Interleukin-6 (IL-6) und Lipopolysaccharid-bindendem Protein (LBP)
IL-6
"–"""
LBP
"–"""
"–"""
"–"""
Interpretation
Systemische Entzündungsreaktion, ohne
bakterielle Infektion (Endotoxinämie [SIRS],
z. B. Hypoxie, Gewebeuntergang)
Systemische Entzündungsreaktion, mit
bakterieller Infektion/Endotoxinämie (Sepsis)
Schwere lokale bakterielle Infektion
(z. B. Pneumonie, Pyelonephritis)
kulation, des Stoffwechsels und der zellulären Integrität vorhanden sind, die zu einem höheren Mortalitätsrisiko als für
die Sepsis alleine führen. Die früher verwendeten Begriffe
wie Sepsis-Syndrom und Septikämie sollten nicht mehr verwendet werden.
Pathophysiologie Die Sepsis ist eine systemische, entzündliche Reaktion des Organismus auf eine Infektion, die eine
Sepsiskenngrößen
2145
Folge der Invasion von obligat oder fakultativ pathogenen
Keimen in normalerweise sterile Gewebe oder Körperflüssigkeiten darstellt. Der Nachweis einer Infektion ist obligat. Sie
ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die sich auf der
Grundlage einer teilweise unerkannten, okkulten Infektion
entwickelt und zu multiplem Organversagen mit Todesfolge
führen kann. Alternativ können spezifische Infektionen auch
zu lokalen Organdysfunktionen ohne Generalisation führen.
Der Schweregrad der Organschädigungen wird mit dem
▶ SOFA-Score („sequential organ failure assessment“) erfasst.
Der klinische Schweregrad der systemischen Entzündung
SIRS („systemic inflammatory response syndrome“) kann
auch mit folgenden Kenngrößen erfasst werden: Körpertemperatur >38 C oder <36 C, Herzfrequenz >90/Minute,
erhöhte Atemfrequenz >20/Minute, Leukozytenzahl >12 G/L
oder <4 G/L oder >10 % Unreife. Für die Diagnose eines
SIRS müssen 2 oder mehr pathologische Parameter gegeben
sein (Seymour et al. 2016).
grampositiven Keimen in 35–40 %, mit Pilzen in 3–10 %.
Wichtige Mediatoren sind Interleukine (IL) wie ▶ Interleukin-1,
▶ Interleukin-6, ▶ Interleukin-8, ▶ Tumornekrosefaktor-a,
▶ Interleukin-10, ▶ Transforming Growth Factor b, Gerinnungsmediatoren wie ▶ Antithrombin-3, aktiviertes ▶ Protein C,
▶ D-Dimer, ▶ Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 (PAI-1),
systemisches Thrombin u. a. (Tab. 1 und 2).
Pathogenese Im Zentrum einer generalisierten, überschießenden Entzündungsreaktion im Rahmen der Sepsis steht die
Aktivierung entzündungs- und immunkompetenter Zellen wie
Granulozyten, ▶ Monozyten, Lymphozyten (▶ Lymphozyt),
▶ Makrophagen und Endothelzellen, die im aktivierten
Zustand eine Vielzahl von Mediatoren freisetzen. Auslösend
sind Infektionen mit gramnegativen Keimen in 57–64 %, mit
Untersuchungsmaterial Serum, Plasma.
Stadien der Sepsis Im Sepsisverlauf kann sich eine Phase der
generellen Hyperinflammation durch Ausschüttung mehrerer
proinflammatorischer ▶ Zytokine mit einer Phase der ausgeprägten Immunparalyse durch Überschusssekretion antiinflammatorischer und immunsuppressiver Zytokine abwechseln
(Abb. 1). Die pathogenetisch relevanten Zytokine können im
Serum bestimmt und als phasenabhängige Kenngrößen eingesetzt werden. Neueste (Limulus-System-basierte) Biomarker
wie plasmatische LPS-Reaktivität oder plasmatische b-Glukan-Reaktivität diagnostizieren eine schwere Sepsis sehr
frühzeitig und kontrollieren den Therapieerfolg.
Analytik S. Einzelkenngrößen.
Referenzbereich S. Einzelkenngrößen.
Bewertung Tab. 1 und 2.
Sepsiskenngrößen,
Abb. 1 Biphasischer
Sepsisverlauf mit Angabe
beteiligter Zytokine. (Modifiziert
nach: Grimminger et al. 1997)
S
2146
Literatur
Center for Sepsis Control and Care. www.cscc.uniklinikum-jena.de
Grimminger F, Mayer K, Seeger W (1997) Gibt es eine gesicherte
Immuntherapie bei der Sepsis? Internist 38:541–552
Remick DG (2007) Biological perspectives – pathophysiology of sepsis.
Am J Pathol 170:1435–1444
Seymour CW, Liu VX, Iwashyna TJ et al (2016) Assessment of clinical
criteria for sepsis. For the third international consensus definition for
sepsis and septic shock (sepsis-3). J Am Med Assoc 315(8):762–774
Singer M, Deutschman CS, Seymour CW et al (2016) The third international consensus definitions for sepsis and septic shock (sepsis-3).
J Am Med Assoc 315(8):801–810
Septin-9-Hypermethylierung
erwarten sind, wird derzeit geprüft, ob der Septin-9-Test im
Präscreening von Risikogruppen vor der Koloskopie einen
diagnostischen Stellenwert erhalten wird.
Literatur
Grützmann R et al (2008) Sensitive detection of colorectal cancer in
peripheral blood by septin-9 DNA methylation assay. PLoS One
3:e3759
Song LL, Li YM (2016) Current noninvasive tests for colorectal cancer
screening: an overview of colorectal cancer screening tests. World
J Gastroenterol 8(11):793–800
Vos T de et al (2009) Circulating methylated SEPT9 DNA in plasma is a
biomarker for colorectal cancer. Clin Chem 55:1337–1346
Septin-9-Hypermethylierung
▶ Septin-9-Test
Septin-9-Test
Sequentieller OrganfehlfunktionScore
▶ SOFA-Score
A. M. Gressner, S. Holdenrieder und O. A. Gressner
Sequenz, intervenierende
Synonym(e) Septin-9-Hypermethylierung
▶ Intron
Englischer Begriff septin9-(gene)-test/assay
Definition Im Plasma nach DNA-Isolierung und PCR-Amplifikation geführter Nachweis auf zellfreie, zirkulierende,
methylierte Sequenzen des Septin-9-Gens, der als spezifische
und sensitive diagnostische Kenngröße für Dickdarm(adeno)
karzinom gilt.
Beschreibung Im Rahmen von Tumorerkrankungen wurden
einerseits Fusionen des Septin-9 mit dem Protoonkogen MLL,
andererseits ein vermehrter Verlust der Heterozygozität der Genregion von Septin-9 z. B. beim Ovarialkarzinom beschrieben.
Somit ist eine Funktion von Septin-9-Isoformen als Onkogen
oder Suppressorgen vorstellbar.
Einige Septin-9-Subtpyen, wie z. B. v2 beim kolorektalen
Karzinom und v4 beim Ovarialkarzinom, sind durch Hypermethylierung der Promotorregion reguliert. Assays zur
Detektion der Septin-9-Hypermethylierung des v2-Transkripts
wurden zur frühzeitigen Diagnose des kolorektalen Karzinoms
entwickelt und in mehreren Fallkontrollstudien ausgetestet.
Hierbei wurden diagnostische Sensitivitäten (▶ Sensitivität,
diagnostische) von etwa 70 % bei einer diagnostischen Spezifität (▶ Spezifität, diagnostische) von 90 % erzielt. Da aufgrund
der geringen Prävalenz kolorektaler Karzinome bei asymptomatischen Personen zahlreiche falsch positive Befunde zu
Sequenz, lytische
▶ Membran-Attack-Komplex
Sequenzier-PCR
▶ Cycle-Sequencing
Ser
▶ Serin
Serie
▶ Analysenserie
Serologische Verträglichkeitsprobe
Serielle Datenübertragung
▶ Analysegeräte-Anschluss
2147
Diagnostische Wertigkeit Niedrige Serinkonzentrationen
in Plasma und Liquor weisen auf einen 3-PhosphoglyzeratDehydrogenasemangel oder Phosphoserin-Phosphatasemangel hin.
Literatur
Serieller diagnostischer Test
▶ Test, serieller diagnostischer
Duran M (2008) Amino acids. In: Blau N, Duran M, Gibson KM (Hrsg)
Laboratory guide to the methods in biochemical genetics. Springer,
Berlin, S 53–90
Jaeken J, Detheux M, Van Maldergem L et al (1996) 3-phosphoglycerate
dehydrogenase deficiency: an inborn error of serine biosynthesis.
Arch Dis Child 74:542–545
Serin
Serologische Verträglichkeitsprobe
A. C. Sewell
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Synonym(e) Ser
Englischer Begriff serine
Synonym(e) Kälteabhängige
Major-/Minorkreuzprobe
Definition Eine nicht essenzielle, proteinogene a-Aminosäure,
die erstmals im Jahr 1865 aus Seidenleim (Sericum) isoliert
wurde.
Englischer Begriff cross-matching; major or minor crossmatch
Struktur ▶ Aminosäuren.
Molmasse 105,1 g
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Serin wird
ausgehend von 3-Phosphoglyzerat durch Reduktion mit nachfolgender ▶ Transaminierung synthetisiert. Im Körper wird
Serin zu ▶ Glyzin abgebaut und durch Transaminierung zu
▶ Pyruvat umgewandelt.
Funktion – Pathophysiologie Ser ist Bestandteil der Synthese von ▶ Purinen und ▶ Pyrimidinen und Präkursor in der
Sphingolipidsynthese. Darüber hinaus spielt Ser eine wichtige Rolle in der katalytischen Funktion verschiedener Enzyme (z. B. ▶ Chymotrypsin, ▶ Trypsin). Nervengase und
einige Insektizide wirken erst durch Kombination mit Ser
mit Hemmung der Acetylcholinesterase.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Plasma, Serum, Urin, Liquor, Trockenblut.
Analytik ▶ Aminosäuren.
Referenzbereiche ▶ Aminosäuren.
Kreuzprobe;
Kreuzprobe;
Definition Die serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) ist eine In-vitro-Prüfung der blutgruppenserologischen
Verträglichkeit von Spender- und Empfängerblut vor jeder
Transfusion von Erythrozytenpräparaten (▶ AB0-Kompatibilität-Inkompatibilität). Sie wird nach den Richtlinien der Bundesärztekammer rechtlich gefordert. Nur in Notfallsituationen
zur Abwendung einer Lebensgefahr oder eines ernsten Schadens des Empfängers kann davon abgewichen werden.
Beschreibung Funktion und Methode: In einer serologischen Verträglichkeitsprobe wird das Serum des Transfusionsempfängers mit den Erythrozyten des Blutspenders
inkubiert (Majorkreuzprobe). Eine Minorkreuzprobe (Verträglichkeit zwischen Spenderserum und Empfängererythrozyten) erfolgt aufgrund der in der Regel weitgehenden Plasmafreiheit transfundierter Erythrozytenkonzentrate nur in
seltenen Einzelfällen und ist nach den Richtlinien der Bundesärztekammer nicht erforderlich.
Ein wesentlicher Bestandteil der Kreuzprobe ist der indirekte Antihumanglobulitest (indirekter Coombs-Test) als
empfindliche Methode zum Nachweis von Antikörpern gegen
Erythrozytenantigene (▶ Alloantikörper). Alle benutzten
methodischen Verfahren müssen rechtlich hinsichtlich analytischer Spezifität und Sensitivität den Stand der Wissenschaft
und Technik aufweisen.
S
2148
Eine wesentliche Aufgabe der Kreuzprobe ist es auch,
vorausgegangene Fehlbestimmungen und Verwechslungen
zu erkennen. So erfolgt bei jeder neu entnommenen Blutprobe des Probanden eine Kontrolle der AB0-Merkmale.
Um transfusionsrelevante Antikörper infolge einer Sensibilisierung (z. B. durch Transfusionen, Schwangerschaften)
innerhalb der letzten 3 Monate auch in anamnestisch fraglichen Fällen zu erfassen, ist nach spätestens 3 Tagen erneut eine
Kreuzprobe für weitere Transfusionen mit einer frisch entnommenen Empfängerprobe durchzuführen. Das Ergebnis der serologischen Verträglichkeitsprobe ist zu dokumentieren.
Eine Sonderform stellt die kälteabhängige Kreuzprobe dar,
die indiziert eingesetzt wird. Sie ist dann erforderlich, wenn
beim Transfusionsempfänger therapeutische Maßnahmen
unter systemischer Hypothermie notwendig sind, z. B. bei
Herzoperationen, die Temperaturen von <28 C erfordern
können. Um eine Agglutination der Spendererythrozyten
oder patienteneigenen Erythrozyten aufgrund des Vorliegens
von kältereaktiven Antikörpern (▶ Kälteantikörper) oder
Autoantikörpern (▶ Autoantikörper) zu verhindern, wird
ein Temperaturschwellenwert ermittelt, der im Rahmen der
Hypothermiemaßnahme nicht unterschritten werden darf.
Dazu wird in der kältereaktiven Kreuzprobe ein direkter Agglutinationstest in physiologischer NaCl-Lösung durchgeführt. Ausgehend von 37 C wird in 2–3 C Abstufungen
die Temperatur in der Kreuzprobe schrittweise bis zu jener
Temperatur erniedrigt, bei der die ersten Anzeichen einer
Agglutination nachweisbar sind. Die Einhaltung der Temperaturbedingungen ist sowohl beim Abkühlen des Patienten als
auch bei der Transfusion der Blutprodukte geboten.
Literatur
Bundesärztekammer (2005) Richtlinien zur Gewinnung von Blut und
Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), Aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut. Gesamtnovelle, Zweite Richtlinienanpassung 2010, Deutscher Ärzteverlag,
Köln
Eckstein R, Zimmermann R (2015) Immunhämatologie und klinische
Transfusionsmedizin, 7. Aufl. Urban & Fischer/Elsevier Verlag,
München
Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie
– Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Serotonin
Englischer Begriff 5-HT; 5-hydroxytryptamine; enteramine; 3-(b-aminoethyl)-5-hydroxyindole; thrombocytin; thrombotonin
Definition Als Gewebshormon und als Neurotransmitter
wirksames biogenes Amin mit Effekten auf gastrointestinale
Motilität, Zentralnervensystem, Thrombozytenfunktion und
Gefäßtomus.
Struktur Vom L-Tryptophan abgeleitetes biogenes Amin,
Summenformel C10H12N2O.
Molmasse 176,22 Da.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Beim Menschen wird Serotonin aus L-Tryptophan unter Mitwirkung der
Enzyme Tryptophanhydroxylase und Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (auch DOPA-Decarboxylase) synthetisiert. Hauptsyntheseort sind die enterochromaffinen Zellen
des Gastrointestinaltrakts, aus denen über 90 % der zirkulierenden Serotoninkonzentration stammt. Außerdem entsteht
Serotonin in enteralen Neuronen. Stimuliert wird die Freisetzung durch erhöhten Druck im Darmlumen, aber auch durch
bestimmte Aromastoffe. Neben einer luminalen erfolgt auch
eine basolaterale Sekretion. Serotonin wirkt in der Darmschleimhaut sowohl parakrin als auch als Neurotransmitter.
In den Blutgefäßen wird es von Thrombozyten aufgenommen. Eine Passage der Blut-Hirn-Schranke ist nicht möglich,
das zentralnervös als Neurotransmitter wirksame Serotonin
wird lokal in serotonergen Neuronen gebildet.
Die Wirkung des Serotonins wird beim Menschen über
mindestens 14 verschiedene, fast ausschließlich G-Proteingekoppelte Serotonin- oder 5-HT-Rezeptoren vermittelt, die
gewebsspezifisch exprimiert sind.
Der Abbau des Serotonins erfolgt ebenfalls gewebsspezifisch: Während als Neurotransmitter fungierendes Serotonin
aus den synaptischen Spalten im Wesentlichen rückresorbiert
und wiederverwendet wird, erfolgt der Abbau des zirkulierenden Serotonins rasch durch die Monoaminooxidase A
(in geringem Umfang auch B). Das Hauptprodukt des Serotoninabbaus ist die ▶ 5-Hydroxyindolessigsäure, die renal
ausgeschieden wird.
Ein alternativer Stoffwechselweg verwendet Serotonin als
Ausgangssubstanz für die Synthese des ▶ Melatonins.
M. Bidlingmaier
Pathophysiologie Serotonin hat aufgrund der in vielen
Geweben vorhandenen Rezeptoren sowie der verschiedenen
Rezeptorsubtypen ein breites Spektrum von Wirkungen.
Pathophysiologisch ist eine Beteiligung von Serotonin u. a.
in folgenden Bereichen beschrieben:
Synonym(e) 3-(2-Aminoethyl)-1H-indol-5-ol; 5-Hydroxytryptamin; Enteramin
• Kardiovaskuläre Effekte: Die je nach Rezeptorsubtyp unterschiedlichen Effekte auf das Gefäßsystem – Kontraktion
(Lunge, Niere) bzw. Relaxation (Skelettmuskulatur) – erklä-
Serotonin
Serotonin Release Assay
ren die mehrphasige Reaktion des Blutdrucks nach Serotoninexposition.
• Direkte Effekte auf Thrombozyten: Thrombozytenaggregation, insgesamt Förderung der Blutgerinnung.
• Gastrointestinaltrakt: motorische (Stimulierung der Peristaltik) und sensorische Effekte (Signalweiterleitung an
das Zentralnervensystem, Übelkeit, Erbrechen).
• Im Zentralnervensystem wird Serotonin u. a. mit der
Regulation von Stimmung, Appetit, Sexualverhalten,
Schmerzempfindung und der Pathogenese der Migräne in
Verbindung gebracht. Peripher messbare Serotoninkonzentrationen entstammen jedoch wie beschrieben überwiegend dem Gastrointestinaltrakt und haben daher im Kontext zentralnervöser Funktionen wenig Bedeutung.
Klinisch-diagnostisch ist die Serotonin- bzw. 5-Hydroxyindolessigsäure-Bestimmung jedoch fast ausschließlich bei
der Diagnostik serotoninproduzierender Tumoren relevant.
Karzinoide sind neuroendokrine Tumoren, die meist im Gastrointestinaltrakt, seltener auch ektop, z. B. in der Lunge,
gefunden werden. Sie sezernieren – oft schubweise – hohe
Konzentrationen von Serotonin, was zur typischen Symptomatik mit Flushreaktion, krampfartigen Bauchschmerzen,
Diarrhoen, Bronchospasmen, Hypertonie und Tachykardie
führt.
Untersuchungsmaterial Vollblut, Plasma (bevorzugt thrombozytenarm), Serum, Urin.
Wegen der raschen Metabolisierung von Serotonin zu
5-Hydroxyindolessigsäure in der Niere hat die Bestimmung
von Serotonin im Urin wenig Aussagekraft, hier ist die direkte
Bestimmung von 5-Hydroxyindolessigsäure sinnvoll.
Probenstabilität Insgesamt ist die Präanalytik für die Serotoninbestimmung im Blut kritisch. Nachdem >95 % des
Serotonins in Blutproben in Vesikeln in den Thrombozyten
vorliegt, ist eine Bestimmung des freien Serotonins nach
Hämolyse sinnlos.
Präanalytik Serotonin kommt auch im Pflanzenreich vor.
Einige Lebensmittel, wie z. B. Walnüsse oder Bananen, enthalten besonders viel Serotonin. Relevanten Einfluss auf die
Serotoninkonzentration können aber auch andere Nüsse,
Tomaten, Ananas, Auberginen, Avocados, Melonen, Mirabellen, Pflaumen, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Auberginen, Kiwis und auch Alkohol, Nikotin, Kaffee, Tee und
Schokolade haben. Die empfohlene Karenz von 2–3 Tagen
ist praktisch oft schwer umzusetzen bzw. zu kontrollieren.
Auch eine Vielzahl von Medikamenten beeinflussen die
Serotoninkonzentrationen. Falsch hohe Serotoninwerte werden u. a. beobachtet unter Paracetamol, Phenobarbital, Ephedrin und Amphetaminen, falsch niedrige Werte hingegen
unter Acetylsalicylsäure, Levodopa und Isoniazid. Die Liste
2149
potenziell interferierender Medikamente ist jedoch sehr viel
länger.
Analytik Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie, Immunoassay, Flüssigchromatographie-Massenspektormetrie.
Konventionelle Einheit ng/mL.
Internationale Einheit nmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit 1 ng/mL
= 5,7 nmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene Die Referenzbereiche für
Serotonin im thrombozytenarmen Plasma differieren stark je
nach Abnahmeprotokoll, Probenaufarbeitung und Messmethode. In der Literatur berichteten Mittelwerte gesunder Probanden schwankten zwischen 0,6 und 179 nmol/L, wobei im
Durchschnitt aller Methoden 31,6 nmol/L angegeben werden.
5-Hydroxyindolessigsäure im Urin: bis 9,0 mg/24 Stunden.
Indikation Verdacht auf neuroendokrine Tumoren (NET,
Karzinoid).
Interpretation Beim Karzinoid finden sich besonders bei
akuter Symptomatik deutlich erhöhte Werte der 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin. Im symptomfreien Intervall können
die Konzentrationen bei der Erkrankung jedoch normal sein.
Die Interpretation von Serotoninkonzentrationen im Blut
kann nur in Kenntnis von Abnahmeprotokoll, Probenaufarbeitung und Messmethode erfolgen.
Diagnostische Wertigkeit 5-Hydroxyindolessigsäure-Werte
über 40 mg/24 Stunden gelten als beweisend für ein Karzinoid.
Literatur
S
Brand T, Anderson GM (2011) The measurement of platelet-poor plasma
serotonin: a systematic review of prior reports and recommendations
for improved analysis. Clin Chem 57(10):1376–1386
Serotonin Release Assay
T. Stief und P. Kiefer
Synonym(e) SRA
Englischer Begriff serotonin release assay
2150
Definition SRA misst die Aktivierung von Thrombozyten
durch Antikörper, die gegen einen Komplex von Heparin
und Plättchenfaktor 4 gerichtet sind. Der SRA wird mit
Spenderthrombozyten durchgeführt und gilt als Goldstandard der Heparin-induzierten Thrombozytopenie(HIT)-2Testung. Der SRA ist wegen seiner Komplexität Speziallaboren vorbehalten.
Beschreibung Die Aktivierung der Plättchen durch Antikörper im Blut des Probanden ist der Freisetzung des ▶ Serotonin
aus den Granula der Thrombozyten proportional. Das aus den
Granula freigesetzte Serotonin wird durch einen ▶ Enzymimmunoassay (EIA-SRA) oder durch ▶ Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC-SRA) bestimmt.
Der SRA gilt als ▶ Goldstandard zur Erfassung von HIT2-induzierenden Antikörpern. Sensitivität (▶ Sensitivität,
diagnostische) und Spezifität (▶ Spezifität, diagnostische)
werden mit 90 % bzw. mit bis zu 100 % angegeben. Häufig
wird der Test auch eingesetzt, um schwache Ergebnisse des
hochsensitiven Screeningtests (PF4/ELISA) zu bestätigen.
HLA-Klasse-I-Autoantikörper oder Antikörper gegen Plättchen-spezifische Antigene können zu einer Heparin-unabhängigen Freisetzung von Serotonin führen. Bei allen HIT-2Messungen sollte auch die systemische Thrombinaktivität
im Plasma (a2M-F2a) gemessen werden, da Thrombin ein
starker Thrombozytenaktivator ist.
Normbereich 19–62 ng/mL (jeweils 2,5–97,5 Perzentile;
HIT-2-Patienten: 244–7987 ng/ml).
Literatur
Harenberg J, Huhle G, Giese C, Wang LC, Feuring M, Song XH,
Hoffmann U (2000) Determination of serotonin release from platelets
by enzyme immunoassay in the diagnosis of heparin-induced thrombocytopenia. Br J Haematol 109:182–186
Serpin A5
Serum
W. G. Guder
Synonym(e) Blutserum
Englischer Begriff serum
Definition Partikelfreier Überstand des Vollblutes nach vollständiger Gerinnung.
Beschreibung Serum stellt das traditionell am meisten verwendete Untersuchungsmaterial für Blutuntersuchungen in
der Medizin dar. Es wird aus ▶ Vollblut durch Zentrifugation
über 10 Minuten bei 2000 g gewonnen, nachdem die Gerinnung zu einer Retraktion des Blutkuchens geführt hat, der
neben den Blutzellen alle ▶ Gerinnungsfaktoren enthält, die
mit Fibrin bei der Zentrifugation ausfallen. Bei diesem Vorgang werden ▶ Thrombozyten aktiviert und verlieren den
größten Teil ihrer Inhalte in das Serum.
Unterschiede zwischen ▶ Plasma und Serum sind überwiegend durch den natürlichen Gerinnungsvorgang bedingt.
So nehmen Gesamtprotein ab und ▶ Phosphat, ▶ Kalium,
▶ Laktatdehydrogenase und andere Bestandteile der Thrombozyten (z. B. neuronenspezifische Enolase, saure Phosphatase, Dopamin, Serotonin) im Serum gegenüber Plasma zu.
Literatur
Guder WG, Narayanan S (2015) Plasma or serum? which anticoagulant
to use? In: Guder WG, Narayanan S (Hrsg) Pre-examination procedures in laboratory diagnostics. Walter de Gruyter, Berlin/Boston,
S 64–68
Guder WG, Ehret W, daFonseca-Wollheim F, Heil W, Müller-Plathe O,
Töpfer G et al (1998) Serum, plasma or whole blood? which anticoagulant to use? J Lab Med 22:297–312
Serpin A5
▶ Protein-C-Inhibitor
Serum-Amyloid A
G. Töpfer
Serpin E1
Synonym(e) SAA
▶ Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1
Englischer Begriff serum amyloid A
Serum-Amyloid A
Definition Wird bei einer ▶ Akute-Phase-Reaktion wie Entzündungen und Abstoßreaktionen schneller gebildet und
langsamer abgebaut als ▶ C-reaktives Protein (CRP), ist
strukturell bei einer Molmasse von 12 kDa an HDL gebunden
und stellt das Vorläuferprotein des Gewebe-Amyloid-AAProteins dar, das bei chronischen Entzündungen abgelagert
werden kann.
Struktur SAA enthält 104 Aminosäuren, wobei N-terminal
die ▶ Aminosäuren 45–83 mit jenen des Protein-AA extrahiert
aus den Fibrillen von Amyloid A identisch sind. Die Aminosäuren 38–58 sind in allen Spezies, in denen es vorkommt,
gleich. Ratten haben kein messbares SAA wegen Fehlens der
genetischen Kodierung von Teilen des Gens, sodass sich bei
Entzündungen Teilstücke in der Leber ansammeln. Eine andere
Form des SAA, die auch bei Tieren vorkommt, hat ein zusätzliches Oktapeptid zwischen den Aminosäuren 70 und 77, es
verhält sich nicht als Akute-Phase-Protein (▶ Akute-PhaseProteine). Im Blutserum des Menschen kommen SAA1 und
SAA2 vor mit zu 93 % identischer Aminosäuresequenz. Der
Anteil der SAA1-Isoform beträgt gleichbleibend bei Gesunden
und bei der Akute-Phase-Reaktion 75 %. Stimuli durch IL-1b
am Promotorgen sind bei der SAA-Synthese stärker und Stimuli von IL-6 gleich stark wirksam auf die Synthese von SAA
und CRP. Nach seiner Sekretion aus der Bildungszelle assoziieren alle Formen des SAA auf der hydrophoben N-terminalen
Seite mit HDL. Der Hauptträger für SAA ist HDL-3, auch
andere HDL-Fraktionen sowie LDL und VLDL binden SAA.
Während der Akute-Phase-Reaktion kann SAA in der HDLFraktion um das 1000-Fache ansteigen, wobei Apolipoprotein
A-I, Apolipoprotein A-II und Apolipoprotein C-III aus dem
Komplex verdrängt werden.
Molmasse 12 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Die Leber
ist der Hauptsyntheseort, extrahepatische Synthese erfolgt
noch in Fibroblasten und Makrophagen. ▶ Interleukin-1,
▶ Interleukin-6 und Tumornekrosefaktoren (▶ Tumornekrosefaktor-a) induzieren die Synthese, wobei Kortikosteroide diesen Effekt auf zellulärer Ebene verstärken. Bei Gesunden ist SAA nur in sehr geringen Konzentrationen im
▶ Plasma vorhanden (<10 mg/L). Der Abbau geschieht in
der Leber möglicherweise durch die Aufnahme der HDLPartikel von den Hepatozyten. Während der Akute-PhaseReaktion ist der Abbau um etwa 30 % reduziert. Das könnte
die Ursache für die Steigerung der Konzentration bei
der Akute-Phase-Reaktion um das 2000-Fache sein
(CRP-Steigerung dabei nur um das 1000-Fache bei verstärktem Abbau des CRP in der akuten Phase). Peak-Werte werden
für SAA etwa 50 Stunden nach dem akuten Ereignis erreicht.
2151
Funktion – Pathophysiologie Chronisch erhöhte Serumkonzentrationen des SAA sind eine der notwendigen Voraussetzungen zur Bildung von AA-Amyloid. Bei Tieren gibt es
Isoformen des SAA, die mehr zur Amyloidablagerung neigen, dies ist beim Menschen nicht der Fall. Die Prävalenz einer
derartigen Amyloidose beträgt bei Autopsien 0,5–0,7 %. Bei
Patienten mit rheumatischen Erkrankungen beträgt die Prävalenz der Amyloidose 4,5 %. Die bisherigen Erkenntnisse
zur Funktion und Pathophysiologie des Lipidstoffwechsels
und der Abwehrfunktion im Zusammenhang mit SAA befinden sich überwiegend noch im Stadium des Tierexperiments.
IL-18 stimuliert die SAA-Bildung von rheumatoiden Synovialzellen. SAA löst Apo E aus der HDL-Mizelle des Liquors
bei Entzündungen. Damit wird Amyloid-b-(AB-)Fragment
(1–42) nicht mehr an HDL gebunden. Die Ab-Clearance ist
gestört. SAA von Maus und Mensch binden das fettlösliche
Retinol. Wie gegen CRP wurden auch Autoantikörper gegen
SAA nachgewiesen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum
aus Vollblut.
Probenstabilität Proben möglichst frisch analysieren.
Serum bei 2–8 C 8 Tage stabil, bei 20 C 3 Monate
stabil.
Präanalytik Trübungen in den Proben stören bei ▶ Immunnephelometrie/▶ Immunturbidimetrie. Entfernung von Partikeln oder Lipidtrübungen bei 15.000 g über 10 Minuten,
dann noch trübe Proben werden nicht analysiert. Frier-TauZyklen sind zu vermeiden.
Analytik ▶ Radioimmunoassay (RIA), latexverstärkte Immunnephelometrie, ▶ Enzyme-linked Immunosorbent Assay
(ELISA), Dot-Blot. Internationaler (WHO-)Standard ist seit
1998 verfügbar. Bei der latexverstärkten Immunnephelometrie beträgt der Messbereich 3–200 mg/L (Verdünnung 1/400)
bzw. bis 1000 mg/L bei Verdünnung des Serum von 1/2000.
Konventionelle Einheit mg/dL.
Internationale Einheit mg/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit mg/
dL 10 = mg/L.
Referenzbereich – Erwachsene Latexverstärkte Immunnephelometrie: <6,4 mg/L oder nach Whicher und Chir (1996)
<8–10 mg/L (Median: 1–2 mg/L) (methodenunabhängig).
Referenzbereich – Kinder Latexverstärkte Immunnephelometrie (n = 35): Nabelschnurblut <3 mg/L (Median
S
2152
Serumcholinesterasen
0,76 mg/L), Neugeborene (3–7 Tage) >10,6 mg/L (Median
1,5 mg/L) (Lannergard et al. 2005).
gegenüber dem CRP für die Erkennung nosokomialer Infektionen von Frühgeborenen unterlegen.
Indikation
Diagnostische Wertigkeit Die Hoffnung, dass sowohl
virale als auch bakterielle Infektionen vollständig erfassbar
sind, hat sich nicht erfüllt. Da der Anstieg bei Virusinfektionen, Abstoßungskrisen und chronischen Entzündungen besser diagnostisch nutzbar erscheint als der des CRP, sollte ein
breiterer Einsatz an der Stelle oder zusätzlich zu CRP (und
u. a. von ▶ Zytokine) erfolgen. Weiterhin ist die Bestimmung
von SAA bei der Fragestellung „Amyloidose“ sinnvoll. Eine
SAA-Konzentration von >10 mg/L kann bei Ausschluss anderer Ursachen auf eine koronare Herzerkrankung hinweisen.
• Entzündungsmarker, Aktivitätsmarker bei rheumatoider
Arthritis
• Marker für Transplantatabstoßung
• Abklärung einer Amyloidose
• Indikationen ähnlich dem CRP wie Diagnostik von Herzattacken, Neugeboreneninfektionen.
Interpretation SAA zeigt auch bei Virusinfektionen in der
Regel Anstiege über den Referenzbereich, beispielsweise bei
zwei Drittel der gewöhnlichen Erkältungskrankheiten, während das bei CRP nur in etwa der Hälfte der Virusinfektionen
beobachtet wird. Allerdings fehlen diese Anstiege des SAA
bei Hepatitis-B- und -C-Infektionen. Auch Lupus erythematodes und ulzerative Kolitis zeigen keine SAA-Erhöhungen.
Bei malignen Tumoren steigt SAA an, wobei metastasierende Tumoren höhere Konzentrationen aufweisen.
Besondere Bedeutung weist SAA bei der Beurteilung des
Aktivitätsgrades der rheumatoiden Arthritis (RA) auf, wo es
den anderen Akute-Phase-Proteinen überlegen scheint, auch
im Hinblick auf die Abschätzung des Risikos, bei hohen
SAA-Serumkonzentrationen Amyloid A abzulagern. Allerdings ist die hohe Konzentration nur eine Voraussetzung für
die Amyloidablagerung. Bei Frauen mit RA sind hohe SAASpiegel mit Symptomen einer fortgeschrittenen Atherosklerose verbunden.
Etabliert hat sich SAA zur Erkennung von Abstoßungsreaktionen von transplantierter Niere, Leber, Pankreas.
Bedeutung kommt dem SAA auch für die Erkennung der
Abstoßung transplantierter Herzen zu, allerdings nur mit einer
diagnostischen Sensitivität (▶ Sensitivität, diagnostische)
von <70 %.
Zur Differenzialdiagnostik von Virusinfektionen und Rejektionskrisen wird vielfach ▶ Neopterin im Urin und/oder
Serum empfohlen. Gleichzeitig mögliche bakterielle Infektionen stellen zusätzlich weiterhin ein differenzialdiagnostisches
Problem dar, das allerdings möglicherweise über die ▶ Procalcitonin abklärbar ist (allerdings fehlen bisher dazu Publikationen).
Bei stabiler Angina pectoris und Herzinfarkt weist SAA
eine ähnliche, wenn nicht bessere Empfindlichkeit wie CRP
(im unteren Messbereich) auf. Arbeiten über die Bedeutung bei
Neugeboreneninfektionen sollten den diagnostischen Wert von
SAA für diese Fragestellung klären, zumal der Parameter SAA
nunmehr besser verfügbar und seit der Einführung eines internationalen Standards 1998 gut vergleichbar zu messen ist. Bei
nekrotisierender Enterokolitis von Frühgeborenen zeigte sich
SAA in gleicher Weise wie Procalcitonin und CRP zur Erstdiagnostik und Verlaufskontrolle geeignet, SAA war aber
Literatur
Lannergard A, Friman G, Ewald U, Lind L, Larsson A (2005) Serum
amyloid A (SAA) protein and high -sensitivity C-reactive protein
(hsCRP) in healthy newborn infants and healthy young through
elderly adults. Acta Paediatr 94:1198–1202
Whicher JT, Chir B (1996) Serum amyloid A. In: Ritchie RF, Navolotskaia O (Hrsg) Serum proteins in clinical medicine. Band 1: Laboratory section, 1. Aufl., Foundation for Blood Research, Scarborough,
S 1–5
Serumcholinesterasen
▶ Pseudocholinesterase
Serum-/Plasmatrenngel
▶ Trenngel
Serum-Pool
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Poolserum
Englischer Begriff serum pool
Definition Serum, das durch homogene Mischung von
Serum verschiedener Probanden erhalten wird.
Beschreibung Serum-Pools werden hergestellt z. B. als
Ausgangsmaterial für Kontrollseren.
Serumprotein-Elektrophorese
Serumprotein-Elektrophorese
R. Westermeier, A. M. Gressner und O. A. Gressner
Englischer Begriff serum protein electrophoresis
Definition Spezielle Anwendung der Zonenelektrophorese
in nicht restriktiven Medien, wie Celluloseacetatfolien oder
Agarosegelen, zur Trennung von Serumproteinen in die
5 Fraktionen Albumin, a1-, a2-, b- und g-Globuline.
Physikalisch-chemisches Prinzip Für die Trennung von
Serumprotein wird meist die ▶ Celluloseacetatfolien-Elektrophorese oder die etwas höher auflösende ▶ Agarosegelelektrophorese eingesetzt. In vielen Laboratorien wird bereits
mit der ▶ Kapillarelektrophorese experimentiert, weil diese
besser zu automatisieren ist.
Im Verlauf von Erkrankungen ergeben sich Konzentrationsänderungen von Serumproteinen (▶ Akute-Phase-Proteine), die bei der Serumproteinelektrophorese zu qualitativen
und quantitativen Abweichungen im ▶ Elektropherogramm
und ▶ Densitogramm vom normalen Proteinmuster führen.
Die Patientenseren werden mit Probenstempeln auf eine
puffergetränkte Celluloseacetatfolie oder ein Agarosegel
appliziert, im elektrischen Feld getrennt (▶ Elektrophorese)
und – je nach Medium – mit Ponceaurot-Färbung oder
Amidoschwarz-Färbung nachgewiesen. Die Elektropherogramme werden mit einem ▶ Densitometer ausgewertet und
z. B. mithilfe von geeigneten Programmen in einen Befund
integriert.
Einsatzgebiet Serumproteintrennungen zum Nachweis der
Akute-Phase-Reaktion (▶ Akute-Phase-Proteine), Hypoglobulinämien, monoklonalen Gammopathien (▶ Immunglobulin,
monoklonales), Bisalbuminämie (▶ Albumin).
Es handelt sich lediglich um eine Übersichtsanalyse, die
bei abnormalem Befund durch diagnostisch validere Untersuchungen, z. B. Einzelproteinbestimmungen, ergänzt werden muss.
Untersuchungsmaterial Serum
Instrumentierung
•
•
•
•
Elektrophoresekammer
Stromversorger
Färbeschalen
Densitometer
Sensitivität Die Empfindlichkeit liegt im mg-Bereich.
2153
Referenzbereiche Die Angaben gelten für die Serumproteinelektrophorese auf Celluloseacetatfolie. In Abhängigkeit
von der Färbemethode (▶ Amidoschwarz-Färbung, ▶ Ponceaurot-Färbung) der Proteinfraktionen ergeben sich im
Einzelnen etwas unterschiedliche relative Verteilungen. Da
es sich nicht um eine streng quantitative Methode handelt,
sind die Angaben der absoluten Konzentrationen (g/L) als
Richtbereiche zu verstehen (s. Tabellen).
Prozentuale Verteilung der getrennten Proteinfraktionen
im Serum (%) für Erwachsene:
Anfärbung
Amidoschwarz*
(Thomas 1981)
Ponceaurot s*
(Grabner et al.
1970)
Globuline
Albumin a1
a2
b
g
60,6–68,6 1,4–3,4 4,2–7,6 7,0–10,4 12,1–17,7
55,3–68,9 1,6–5,8 5,9–11,1 7,9–13,9 11,4–18,2
*Angaben der 5.- und 97,5.-Perzentile
Konzentrationsverteilungen der getrennten Ponceaurotgefärbten Proteinfraktionen (g/L) für Kinder und Erwachsene
(Gressner und Thomas 1995)
Säuglinge
Neugeborene 1 Jahr
32,7–45,3
35,7–51,3
1,1–2,5
1,3–2,5
Albumine
a1Globuline
a22,6–5,7
Globuline
b-Globuline 2,5–5,6
g-Globuline 3,9–11,0
Kleinkinder
<6 Jahren
33,1–52,2
0,9–2,9
Schulkinder Erwachsene
40,0–52,5 35,2–50,4
1,2–2,5
1,3–3,9
3,8–10,8
4,3–9,5
4,3–8,6
5,4–11,3
3,5–7,1
2,9–11,0
3,5–7,6
4,5–12,1
4,1–7,9
5,9–13,7
5,9–12,4
5,8–15,2
Fehlermöglichkeit Vielfältige Fehlerquellen beim Selbstgießen von Agarosegelen wie z. B. falsches Einwiegen von
Agarosepulver, Verwenden von Agarose mit falscher Elektroendosmose oder zu hohem Wasseranteil, zu kurzes Aufkochen, mechanische Belastung der Agarosemoleküle durch
Mischer, ungleichmäßige Gelschicht, falsche Pufferzusammensetzung.
Kommerzielle Systeme schließen diese Fehlerursachen
weitgehend aus.
Celluloseacetatfolien müssen durch planes Auflegen
(„Floaten“) auf die Pufferoberfläche gleichmäßig mit Puffer
getränkt werden und sind nur mit Pinzette und Gummihandschuhen zu berühren.
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten Es werden
von mehreren Firmen Fertiggele und -folien, Färbekits, und
automatisierte Elektrophoresesysteme für die klinischen Anwendungen angeboten. Daneben stehen bedienungsfreundliche Densitometer-Steuerungsprogramme und Auswertungsprogramme zur Verfügung.
S
2154
Serumprotein-Labilitätsreaktionen
Serumprotein-Elektrophorese, Abb. 1 Typische elektrophoretische Konstellationen bei erworbenen oder genetischen Dysproteinämien.
(Modifiziert nach Thomas 1981)
Interpretation Die Serumproteinelektrophorese ist eine
wenig sensitive, semiquantitative Methode, die nur starke
Veränderungen innerhalb der einzelnen elektrophoretisch
trennbaren Fraktionen zu erfassen erlaubt. In manchen Fällen
liefert ein ausgewähltes Proteinprofil ergänzende diagnostische Aussagen (Abb. 1).
Literatur
Grabner W, Bergner D, Wermuth G (1970) Mikrozonenelektrophorese
auf Membranfolien. Ärzt Lab 16:193–201
Gressner AM, Thomas L (1995) Proteinstoffwechsel. In: Greiling H,
Gressner AM (Hrsg) Lehrbuch der Klinischen Chemie und Pathobiochemie, 3. Aufl. Schattauer, Stuttgart
Thomas L (1981) Serumeiweißelektrophorese. Urban & Schwarzenberg,
München
Serumprotein-Labilitätsreaktionen
Englischer Begriff serum protein flocculation (turbidity)
tests
Definition Heute obsolete chemische Fällungsreaktionen
der Proteine im Serum durch Zugabe von Salzen oder Säuren
zum Nachweis von Verschiebungen des Globulin-Albumin(G/A-)Verhältnisses im Rahmen von akuten und chronischen
Entzündungen, Leber-, Lungen-, Nierenerkrankungen und
multiplen Myelomen.
Beschreibung Verschiebungen des G/A-Verhältnisses bei
chronischen Erkrankungen der genannten Organe und bei
multiplem Myelom (Plasmozytom) werden je nach Test durch
definierte Zugabe von Quecksilberchlorid (▶ TakataReaktion), einer Thymollösung (▶ Thymol-Trübungstest)
oder Aqua bidest (▶ Sia-Waldenström-Test, EuglobulinLysezeit) und damit einsetzender Trübungsreaktion visuell
qualitativ nachgewiesen. Eine semiquantitative (Stufen-)
Bewertung der Trübung kann vorgenommen werden.
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Literatur
Synonym(e) Labilitätsreaktionen der Serumproteine; Trübungsteste
MacLagan NF, Martin NH, Lunnon JB (1952) The mechanism and
interrelationships of the flocculation tests. J Clin Pathol 5:1–9
Sexualhormon-bindendes Globulin
2155
Server
Sexualhormon-bindendes Globulin
O. Colhoun
M. Bidlingmaier
Englischer Begriff server
Synonym(e) SHBG
Definition Computer, der in einem Netzwerk seine Dienste
anderen Computern (den sog. Clients) zur Verfügung stellt.
Englischer Begriff sex hormone-binding globulin; SHBG
Beschreibung In Netzwerken unterscheidet man File-Server
zum Speichern von Daten und Application-Server, die Anwendungsprogramme zur Verfügung stellen; ferner werden
oft Druck-Server und Fax-Server verwendet. In Weitbereichsnetzen oder einem Verbund von Netzen wie dem Internet
werden Server i. d. R. als Mail-Server zum Versenden, Empfangen und Speichern von Emails, Web-Server für die Bereitstellung von Content via Internet sowie als File-Server zum
Download von Daten eingesetzt.
Ein Computer, der als Server dient, muss i. d. R. sehr große
Datenmengen speichern, verwalten und übertragen. Daher
benötigt er eine Hardware-Ausstattung, die auf seine besonderen Aufgaben zugeschnitten ist:
• Hohe Ausfall- und Datensicherheit (redundante Hardware,
Spiegeln von Festplatten, USV)
• Schnelle Festplatten hoher Speicherkapazität, häufig als
RAID-System ausgeführt
• Großer Arbeitsspeicher
• Leistungsfähige Prozessoren
Severe Acute Respiratory Syndrome
Corona Viruses
▶ SARS-Corona-Viren
Severinghaus-Elektrode
▶ Kohlendioxidpartialdruck
Definition Im Blut zirkulierendes Glykoprotein, das
▶ Androgene und ▶ Estrogene mit hoher Spezifität und Affinität bindet und damit deren biologische Aktivität mit reguliert.
Struktur Homodimer aus 2 identischen Ketten, jeweils aus
373 Aminosäureresten. Das Molekül enthält verschiedene Ound N-verknüpfte Glykosilierungen. Das testikulär produzierte
androgenbindende Protein (ABP) besitzt bei identischer Aminosäuresequenz ein unterschiedliches Glykosilierungsmuster.
Molmasse 43.700 Da (Monomer).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Die Synthese des SHBG erfolgt in der Leber. Eine Vielzahl von
Polymorphismen sind im Gen und in der Promotorregion
beschrieben. In Zirkulation kommt es spontan zur Dimerisierung über die N-terminalen Abschnitte zweier identischer
SHBG-Moleküle. Die Dimerisierung wird durch gebundene
Sexualsteroide und zweiwertige Kationen wie Zink und Kalzium befördert.
In Zirkulation bindet SHBG Androgene und Estrogene mit
Assoziationskonstanten von 1,5–55 108 M 1. Hierbei ist
die Affinität der Bindung am höchsten für das ▶ Dihydrotestosteron, gefolgt von Testosteronen (▶ Testosteron), Androstendiol, ▶ Estradiol und ▶ Estron. Viele synthetische Sexualsteroide und Gestagene werden ebenfalls an SHBG
gebunden. DHEA hat eine schwache Affinität, DHEAS
und ▶ Androstendion werden fast nicht gebunden. Die Bindung erfolgt im Verhältnis 1:1, ein SHBG-Dimer trägt
also 2 Steroidmoleküle. Die Metabolisierung von SHBG
erfolgt in 2 Phasen: Einer raschen initialen Verteilung in
den extravaskulären Raum innerhalb weniger Stunden folgen die langsame Degradation und renale Elimination über
mehrere Tage.
Halbwertszeit Mehrere Tage.
SEWPROF
▶ Abwasser-Epidemiologie
Pathophysiologie Die hepatische Synthese und Sekretion
wird durch endokrine und nicht endokrine Faktoren reguliert,
letztere scheinen nach neueren Daten bedeutsamer. Die SHBG-
S
2156
Konzentrationen korrelieren negativ mit Körpergewicht, Körperfett sowie speziell dem hepatischen Fett. Erniedrigte SHBGKonzentrationen sind auch mit dem metabolischen Syndrom
und dem Auftreten von Typ-2-Diabetes – insbesondere bei der
Frau – assoziiert. ▶ Androgene inhibieren, ▶ Estrogene
stimulieren die Synthese und Sekretion. Ferner beeinflussen
auch andere Hormone wie Thyroxin, ▶ Insulin, IGF-I
(▶ Insulin-like growth factor I) und ▶ Prolaktin die SHBGSynthese. Bei Kindern sind die SHBG-Konzentrationen vor
der Pubertät relativ hoch, fallen mit Einsetzen des Wachstumsschubs und der pubertären Reifung ab. Beim Erwachsenen
sind die Konzentrationen – bei großer interindividueller
Variabilität – bei der Frau tendenziell höher als beim Mann.
Aufgrund des starken Estrogeneinflusses finden sich in der
Schwangerschaft sowie unter oraler Kontrazeption die höchsten
Werte. In der Menopause kommt es zum Abfall der SHBGSpiegel, bei älteren Männern wird hingegen ein Anstieg beobachtet.
Die physiologische und pathophysiologische Bedeutung
des SHBG ergibt sich aus der Regulation des freien und damit
biologisch aktiven Anteils der Sexualsteroide. Hier kommt
ihm zusammen mit vor allem Albumin eine Speicher- und
Pufferfunktion zu. SHBG interagiert auch direkt mit Proteinen auf der Membran androgen- und estrogensensitiver Zellen, wobei Mechanismus und Funktion dieser Interaktion
noch weitgehend unklar sind. Dauerhaft erhöhte SHBGKonzentrationen finden sich unter Estrogeneinfluss, supprimierte SHBG-Konzentrationen können auf exzessive Androgenexposition hindeuten.
Untersuchungsmaterial Serum.
Probenstabilität Bei Raumtemperatur 12 Stunden, bei 4 C
bis 3 Tage, bei 20 C mehrere Monate.
Sexualhormon-bindendes Globulin
Indikation
• Zur Abschätzung der freien Androgenkonzentration (freier
Androgenindex)
• Zustände, bei denen mit exzessiven freien Androgenen
gerechnet werden muss
• Therapie mit Sexualhormonen oder Antiandrogenen
(Monitoring)
• Verdacht auf Anabolikaabusus
• Störungen der Pubertätsentwicklung
• Verlaufskontrolle der Anorexia nervosa
• Thyreotoxikose
• Aufgrund epidemiologischer Daten ggf. ergänzend zur
Abschätzung des Diabetesrisikos
Interpretation Erhöhte Konzentrationen von SHBG u. a. bei:
• Estrogengabe (z. B. Ovulationshemmer, Hormonersatztherapie)
• Hoden- und Ovarialtumoren
• Schwangerschaft
• Männlicher Hypogonadismus
• Anorexia nervosa
• Medikamentengabe (z. B. Antiepileptika)
• Leberzirrhose
Erniedrigte SHBG-Konzentrationen bei:
•
•
•
•
•
•
•
Alle Zuständen, die mit einem Androgenexzess einhergehen
Polyzystische Ovarien
Hyperprolaktinämie
Hypothyreose
Ausgeprägte Adipositas
Medikamentengabe (z. B. Ketoconazol)
Glukokortikoidgabe, Cushing-Syndrom
Analytik Immunoassay.
Konventionelle Einheit mg/mL.
Internationale Einheit nmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit 1 mg/mL
= 10,53 nmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene Folgende Angaben können
als grobe Orientierung gelten:
• Frauen: 18–144 nmol/L
• Männer: 10–57 nmol/L
Referenzbereich – Kinder Präpubertär ca. 40–190 nmol/L.
Pubertätsentwicklung beachten!
Diagnostische Wertigkeit Insbesondere bei der Verwendung von potenziell störanfälligen Immunoassays zur Messung von ▶ Testosteron bietet die parallele Messung von
SHBG eine Möglichkeit zur Abschätzung der freien Androgene. Die Richtigkeit der Abschätzung ist jedoch umstritten.
Supprimierte SHBG-Konzentrationen sind ein starker
Hinweis auf einen Androgenexzess.
Literatur
Bukowski C, Grigg MA, Longcope C (2000) Sex hormone-binding
globulin concentration: differences among commercially available
methods. Clin Chem 46(9):1415–1416
Selva DM, Hogeveen KN, Innis SM, Hammond GL (2007)
Monosaccharide-induced lipogenesis regulates the human hepatic
sex hormone-binding globulin gene. J Clin Invest 117(12):3979–3987
Shielded twisted pair
Thaler MA, Seifert-Klauss V, Luppa PB (2015) The biomarker sex
hormone-binding globulin – from established applications to emerging trends in clinical medicine. Best Pract Res Clin Endocrinol
Metab 29(5):749–760
2157
Schematische Darstellung einer Shewhart-Kontrollkarte:
sFlt-1
▶ fms-like tyrosine kinase 1, lösliche
SGOT
▶ Aspartat-Aminotransaminase
S-G-Qu
▶ Szent-Györgyi-Quotient
S-Hb
▶ Sulfhämoglobin
SHBG
▶ Sexualhormon-bindendes Globulin
Sheddase
Beschreibung Die Shewhart-Kontrollkarte ist die im Rahmen der ▶ Präzisionskontrolle am häufigsten eingesetzte
Kontrollkarte. Die mittlere horizontale Linie dieser grafischen
Darstellung fasst die im Zeitverlauf beobachteten Messergebnisse durch den arithmetischen Mittelwert (▶ Mittelwert,
arithmetischer) zusammen. Im Allgemeinen werden 4 zusätzliche horizontale Linien als Warn- bzw. Kontrollgrenzen in
die Shewhart-Kontrollkarte eingezeichnet. Die Berechnung
dieser Warn- und Kontrollgrenzen basiert dabei auf der
▶ Standardabweichung der im Zeitverlauf beobachteten
Messwerte. Die untere Warngrenze liegt um die zweifache
Standardabweichung unterhalb, die obere Warngrenze um die
zweifache Standardabweichung oberhalb der Mittellinie,
während die beiden Kontrollgrenzen 3 Standardabweichungen von der Mittellinie entfernt liegen.
Literatur
Nebel C (1969) Statistische Qualitätskontrolle – das Handbuch der
Western-Electric-Company für den Praktiker. Berliner Union, Stuttgart
S
▶ Disintegrin-Metalloproteinasen
Shielded twisted pair
Shewhart-Kontrollkarte
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
O. Colhoun
Synonym(e) Twisted-Pair-Kabel
Englischer Begriff STP; shielded twisted pair
Englischer Begriff Shewhart chart; Shewhart control chart,
Definition Netzwerkkabel zur Verbindung von Computern.
Definition Die Shewhart-Kontrollkarte stellt den Zeitverlauf
(z. B. in Stunden, Tagen oder Arbeitsschichten) der für die
Präzisionskontrolle ermittelten Messwerte dar (s. Abbildung).
Beschreibung Deutsch „abgeschirmtes verdrilltes Kabelpaar“: Das Kabel besteht aus mindestens zwei verdrillten
2158
Leitungen und ähnelt dem einer Telefonleitung. Beim STPKabel ist jede Ader einzeln abgeschirmt; dies im Gegensatz
zum UTP (Unshielded-twisted-pair-Kabel).
Shine- und Lal-Index
Niazi M, Tahir M, Raziq F et al (2010) Usefulness of red cell indices in
differentiating microcytic hypochromic anemia. Gomal J Med Sci
8(2):125–129
Shine I, Lal S (1977) A strategy to detect beta-thalassaemia minor.
Lancet 1:692–694
Shine- und Lal-Index
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Short Tandem Repeat (STR)
J. Arnemann
Synonym(e) S&L-Index
Englischer Begriff Shine-Lal index; S&L index
Definition Der S&L-Index dient der ätiologischen Differenzierung einer Mikrozytose in Eisen-Mangel und b-Thalassaemia minor und wird berechnet aus den beiden
Erythrozyten-Indizes „mean corpuscular volume“ (MCV)
und „mean corpuscular hemoglobin“ (MCH).
Beschreibung Das Blutbild der heterozygoten Thalassaemia
minor ist gekennzeichnet durch eine leichte Anämie mit Hämoglobinerniedrigung meist nicht unter 100 g/L (10 g/dL) bei
erniedrigtem MCV (<80 fL, Mikrozytose) und MCH
(<28 pg) (▶ Erythrozyten-Indices). Ein MCV im Referenzbereich (80 und 96 fL) schließt eine Thalassaemia minor aus.
Die diagnostische Abgrenzung der Mikrozytose von einer
durch Eisenmangel bedingten Anämie kann durch die Berechnung des S&L-Index vorgenommen werden, der aus
dem Quadrat des MCV multipliziert mit der mittleren korpuskulären Hämoglobinmenge (MCH), dividiert durch 100,
nach folgender Formel berechnet wird: S&L-Index =
(MCV MCV) (MCH / 100). Für Eisenmangelanämie
werden eine diagnostische Sensitivität von 100 % und Spezifität von 91 %, für b-Thalassämie diagnostische Sensitivität
von 91 % und Spezifität von 100 % berichtet. Mehrere Studien widmen sich dem Vergleich der diagnostischen Kriterien
modifizierter Indizes des roten Blutbildes, wie ▶ MentzerIndex, Huber-Herklotz-Index (▶ Huber-Herklotz-Formel),
Green-King-Index, England-Fraser-Index, Ricerca-Index,
Srivastava u. a., die zu teilweise unterschiedlichen Bewertungen der Leistungsfähigkeit dieser Indizes für die Zuordnung
einer mikrozytären Anämie zu b-Thalassämie oder Fe-Mange
kommen.
Literatur
Bordbar E, Taghipour S, Zucconu BE (2015) Reliability of different
RBC indices and formulas in discriminating between ß-Thalassaemia
minor and other microcytic hypochromic cases. Mediterr J Hematol
Infect Dis 7(1):e2015022
Synonym(e) Mikrosatelliten; STR
Englischer Begriff short tandem repeat; STR
Definition Mikrosatelliten oder Short Tandem Repeats
(STR) definieren kurze, sich hintereinander wiederholende
Basenpaarabfolgen in nicht kodierenden Abschnitten der
DNA, die aufgrund einer oft variablen Anzahl zur individuellen Typisierung menschlicher DNA eingesetzt werden.
Beschreibung In den nicht kodierenden Abschnitten der
genomischen DNA finden sich Abschnitte mit kurzen, sich
wiederholenden konstanten Basenpaarabfolgen, wie z. B.
(CA)n oder (GATA)n. Aufgrund der zahlreichen Wiederholungen in der Einzelanordnung, aber auch in der Verteilung
im Genom werden diese Abschnitte als repetitive Elemente
oder auch Mikrosatelliten bezeichnet. Der Begriff Mikrosatellit ist darauf zurückzuführen, dass in der früher durchgeführten DNA-Gradientenzentrifugation diese repetitiven
Sequenzen oftmals als eigenständiger, kleiner Satellit dargestellt werden konnten.
In der aktuellen Diagnostik werden STR durch PCR mit
Primern aus den flankierenden DNA-Sequenzen amplifiziert
und die Produkte entweder gelelektrophoretisch oder meist
fluoreszenzmarkiert mittels Kapillarelektrophorese aufgetrennt und dokumentiert. In der Vaterschaftsdiagnostik, aber
auch in der Forensik werden speziell festgelegte STR als
Basis des DNA-Fingerprints eingesetzt, wobei die ermittelten
Fragmentgrößen in Datenbanken, z. B. des Bundeskriminalamtes, abgespeichert werden und weltweit aufgrund der angepassten Laborstandards auch mit den Mustern anderer Individuen abgeglichen werden können.
Literatur
Fregeau CL, Fourney RM (1993) DNA typing with fluorescently tagged
short tandem repeats: a sensitive and accurate approach to human
identification. BioTechniques 15:100–119
Sialinsäure, lipidgebundene
2159
SHOX2-Test
Sia-Ib-Antigen
A. M. Gressner und O. A. Gressner
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und
M. Schmidt
Synonym(e) SOX2-Gen-Test
Synonym(e) Gd-Antigen
Englischer Begriff SOX2(-gene)-test/assay
Englischer Begriff sialo-linear-branched antigen
Definition Ein mittels PCR in der bronchoalveolären Spülflüssigkeit bzw. im Bronchialaspirat geführter Nachweis von
methylierter SHOX2-DNA, die als spezifische diagnostische
Kenngröße für Lungenkarzinom gilt.
Definition Die antigene Determinante stellt eine NeuNAcAlpha2-3Gal-Domäne dar, wie sie in Sialyllactose, sLewis
(Le)(x) und sLe(a), Sialyllactosamin, Sialyl-Fucosyllactose
vorkommt. Diese sialysierten Kohlehydrate kommen auf
adulten und neonatalen Erythrozyten, kernhaltige Zellen
und in löslichen krebsassoziierten Mucinen vor. Sie werden
von Kälteautoantikörpern (▶ Kälteagglutinin; ▶ Kälteautoantikörper) erkannt. Durch Sialidasebehandlung werden
die Antigene zerstört. Zu den sialysierten Kohlenhydratantigenen, die durch Kälteagglutinine erkannt werden, gehören
Sia-11- (früher Vo) und Sia-b1-Antigene (früher F1).
Beschreibung In der Lungenspülflüssigkeit wird die isolierte DNA nach Bisulfitkonvertierung und Amplifikation
des methylierten SHOX2-Gens mittels PCR nachgewiesen.
Ein positives Testergebnis besitzt im Mittel eine diagnostische
Sensitivität (▶ Sensitivität, diagnostische) von bis zu 78 % und
diagnostische Spezifität (▶ Spezifität, diagnostische) von 95 %
für maligne Lungentumoren, wobei für die einzelnen Tumortypen geringe Unterschiede bestehen (am höchsten für kleinzelliges Lungenkarzinom und Plattenepithelkarzinom). Ein
positives Ergebnis (▶ Testergebnis, richtig-positives) verlangt
weitere Bestätigungsdiagnostik.
Literatur
Ferone G, Song JY, Sutherland KD (2016) Sox2 is the determining
oncogenic switch in promoting lung squamous cell carcinoma. Cancer Cell 30(4):519–532
Schmidt B, Lieberberg V, Dietrich D et al (2010) SHOX2 DNA methylation is a biomarker for the diagnosis of lung cancer based on
bronchial aspirates. BMC Cancer 10:600
Literatur
Gallart T, Roelcke D, Blay M, Pereira A, Martínez A, Massó O, Viñas O,
Cid M, Esparza J, Molina R, Barceló J (1997) Anti-Sia-lb (anti-Gd)
cold agglutinins bind the domain NeuNAc alpha2-3Gal in sialyl
Lewis(x), sialyl Lewis(a), and related carbohydrates on nucleated
cells and in soluble cancer-associated mucins. Blood 90:1576–1587
König AL, Kreft H, Hengge U, Braun RW, Roelcke D (1988) Coexisting
anti-I and anti-F1/Gd cold agglutinins in infections by Mycoplasma
pneumoniae. Vox Sang 55:176–180
Sialidase
▶ Neuraminidase
S
Shunt-Bilirubin
Sialinsäure, lipidgebundene
▶ Bilirubin
A. M. Gressner und O. A. Gressner
SI
▶ SI-Einheiten
▶ Silicium
Synonym(e) LASA; Lipid-assoziierte Sialinsäure; LSA;
N-Acetylneuraminsäure, lipidgebundene
Englischer Begriff lipid-bound sialic acid; lipid-associated
sialic acid; lipid-associated sialate; lipid-bound neuraminic
acid
2160
Definition Glykosidisch gebundener, endständiger Bestandteil von Glykolipiden (und Glykoproteinen), die u. a. als
Komponenten der Zellmembran wesentliche zelluläre Funktionen übernehmen und deren Serumkonzentration bei
malignen (und einigen benignen) Erkrankungen oftmals
signifikant erhöht ist.
Beschreibung Unter den Sialinsäuren ist die N-Acetylneuraminsäure am weitesten verbreitet. Sie ist endständiger
Bestandteil von Glykolipiden und Glykoproteinen (▶ Glykoproteine), u. a. auf der Zellmembran und reguliert
Zell-Zell-, Zell-Virus- oder Zell-Wirkstoff-Interaktionen.
Neuraminidasen führen zur hydrolytischen Abspaltung. Konzentrationserhöhungen im Serum finden sich bei Mamma(63 %), gastroenterologischen (65 %), pulmonalen (79 %)
und ovariellen (94 %) Neoplasien. Leukämien (86 %), Lymphome (87 %), Melanome (84 %), Sarkome (97 %) und
Hodgkin-Lymphom (91 %) weisen ebenfalls erhöhte LSAKonzentrationen auf, die sich jedoch auch bei benignen
Erkrankungen, z. B. akuten Entzündungsreaktionen, finden.
Spezifität (▶ Spezifität, diagnostische) und/oder Sensitivität
(▶ Sensitivität, diagnostische) als alleiniger Tumormarker
sind unzureichend, jedoch wurden Konzentrationsbestimmungen früher zum Nachweis einer therapeutischen Ansprechbarkeit empfohlen (Abfall unter Therapie). Heute
ist LSA als Tumormarker nicht mehr im Gebrauch. Die
Bestimmung erfolgt nach Extraktion der Sialo-Lipid-Fraktion
des Serums oder Plasmas mit organischem Lösungsmittel und
Fällung mit Phosphorwolframsäure photometrisch mit der
▶ Bial-Probe: Sialinsäure bildet beim Erhitzen mit Salzsäure
und Resorcinol bzw. Orcinol sowie Fe3+-Ionen einen violetten, photometrisch bei 580 nm quantifizierbaren Farbstoff.
Literatur
Dnistrian AM, Schwartz MK (1983) Lipid-bound sialic acid as a tumor
marker. Ann Clin Lab Sci 13:137–142
Sialinsäure-defizientes Apolipoprotein J
▶ Apolipoprotein J, Sialinsäure-defizientes
Sialinsäure-defizientes Transferrin
▶ Carbohydrate-deficient transferrin
Sialinsäure-defizientes Apolipoprotein J
Sialinsäuren, freie und gebundene
F. Bürger
Synonym(e) N-Acetylneuraminsäure
Englischer Begriff sialic acid; N-acetyl-neuraminic acid
Definition Die Sialinsäure (griech.: sialon für Speichel) ist
ein Oberbegriff für N- bzw. O-acylierte Neuraminsäurederivate. Die im Menschen überwiegend vorkommende N-Acetylneuraminsäure (NANA) wird häufig als Sialinsäure
bezeichnet.
Struktur 5-Acetamido-3,5-didesoxy-D-glycero-D-galactononulosonsäure, C11H19NO9. Strukturformel:
OH
HO
H H
N
O
HO
OH
O
OH
O
OH
Molmasse 309,27.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination NANA wird
aus N-Acetyl-Mannosamin und Phosphoenolpyruvat in einer
Kondensationsreaktion unter Wasserabspaltung gebildet. Nur
ein kleiner Teil liegt als freie NANA in Geweben und Körperflüssigkeiten vor, der Hauptteil gebunden an Oligosacchariden von Glykoproteinen oder Glykolipiden. Glykolipide
kommen vor allem in Membranen und Oberflächen von Nervenzellen vor. Zusätzlich ist die NANA auch Bestandteil in
den Oligosacchariden der Muttermilch. Die endständige
NANA von Glykokonjugaten wird in Lysosomen durch saure
Neuraminidasen abgespalten. Die frei gewordene NANA
kann dann entweder wiederverwendet werden oder im Zytoplasma durch N-Acetylneuraminat-Lyasen abgebaut werden.
Pathophysiologie Die endständige NANA der Oligosaccharidketten von Glykoproteinen schützt letztere vor dem Abbau
durch Proteasen und ist somit für deren Stabilität gegenüber
Proteolyse und Denaturierung verantwortlich. Sie spielt auch
eine Rolle bei Zell-Zell-Interaktionen, beim Transport positiv
geladener Stoffe aufgrund ihrer negativen Ladung und bei
Antigendeterminanten (z. B. Blutgruppendeterminanten).
Defekte im Abbau (1.), Transport (2.) oder FeedbackHemmung bei der Synthese (3.) von NANA führen zu lysosomalen Speichererkrankungen:
Sialinsäuren, freie und gebundene
1. Sialidose und Galaktosialidose. Die saure Neuraminidase
bildet zusammen mit Cathepsin A und der b-Galaktosidase
einen Enzymkomplex. Ein Defekt der sauren Neuraminidase (Sialidose) oder von Cathepsin A (Galaktosialidose)
führt zu einer abnormen Speicherung von gebundener
NANA in den Lysosomen verschiedener Organe und in
Körperflüssigkeiten.
2. Infantile Sialinsäurespeichererkrankung (ISSD) und M. Salla.
Defekt des „Anion and Sugar“-Transporters (AST), der für
den Eflux von NANA aus den Lysosomen verantwortlich ist,
führt zu einer abnormen Speicherung von freier NANA in
Lysosomen verschiedener Organe und in Körperflüssigkeiten.
3. Sialurie. Defekt bei der Hemmung der UDP-GlcNAc-2Epimerase durch CMP-Neu5Ac führt zu einer unkontrollierten Synthese von NANA im Zytosol.
Untersuchungsmaterial
• Spontanurin, Morgenurin oder 24-Stunden-Sammelurin
• Hautfibroblasten
• Zellfreies Fruchtwasser
Probenstabilität
• Urin: bei Raumtemperatur (RT) <5 Tage; bei 4 C
4 Wochen, bei 20 C ca. 6 Monate
• Fibroblasten: pelletierte Zellen bei 20 C ca. 6 Monate
• Zellfreies Fruchtwasser: bei RT: <5 Tage, bei 4 C
4 Wochen, bei 20 C ca. 6 Monate
Präanalytik
• Urin: Konservierung mit 3–6 Tropfen Dichlormethan pro
10 mL Urin, Versand bei Raumtemperatur oder ohne Konservierung Versand gefroren auf Trockeneis.
• Fibroblasten: mit Medium aufgefüllt; Versand bei RT
innerhalb von 24 Stunden. Hautbiopsie: in steriler 0,9 %
NaCl-Lösung, Versand bei RT innerhalb von 24 Stunden.
• Zellfreies Fruchtwasser: Versand bei RT innerhalb von
24 Stunden.
Analytik Photometrischer Nachweis der NANA durch
Komplexbildung mit Thiobarbitursäure. Alternative Methoden sind HPLC und NMR-Spektroskopie.
Internationale Einheit
• Urin: nmol/mmol Kreatinin
• Fibroblasten: nmol/mg Protein
• Zellfreies Fruchtwasser: nmol/ml
Referenzbereich – Erwachsene Labor- und altersabhängig.
Urin: Referenzwerte des Stoffwechsellabors Heidelberg
2016:
2161
Norm (mmol NANA/mol Kreatinin)
Gebundene NANA
Freie NANA
11,7–29,4
12,0–31,0
Alter
6–199 Jahre
Referenzbereich – Kinder Labor- und altersabhängig.
Urin: Referenzwerte des Stoffwechsellabors Heidelberg
2016:
Alter
0–30
Tage
31–365
Tage
1–<2
Jahre
2–5 Jahre
>5 Jahre
Norm (mmol NANA/mol Kreatinin)
Gebundene NANA
Freie NANA
75,2–198,3
72,5–174,7
39,0–116,8
41,0–99,8
22,4–73,8
23,4–83,5
19,8–48,6
S. Referenzbereich – Erwachsene
25,5–52,7
S. Referenzbereich
– Erwachsene
Indikation
• Verdacht auf Sialidose, Galaktosialidose, Sialinsäurespeichererkrankung, M. Salla, Sialurie, Mukolipidose II/III
• Ausschluss GM1-Gangliosidose bei unklarem Oligosaccharid-Dünnschichtmuster
Interpretation Urin:
Betrachtet werden zum einen die Ausscheidung von freier
und gebundener NANA für sich sowie und zum anderen der
Faktor von gebundener zu freier NANA. Sind die gebundene
NANA erhöht und der Faktor >2,0, ist an folgende Erkrankungen zu denken:
• Sialidose
• Galaktosialidose
• Mukolipidose Typ II/III
Sind die freie NANA erhöht und der Faktor <0,5, ist an
folgende Erkrankungen zu denken:
• Infantile Sialinspeichererkrankung (freie NANA ca. 10-fach
erhöht)
• Salla-Erkrankung (freie NANA ca. 1,5-2,5-fach erhöht)
• Sialurie (freie NANA ca. 100-fach erhöht)
Diagnostische Wertigkeit Urin – insbesondere Morgenurin
und 24-Stunden-Sammelurin – ist bei der Fragestellung einer
infantilen Sialinsäurespeichererkrankung, M. Salla und Sialurie dem Material Fibroblasten zu bevorzugen, da letzteres
auch falsch negative Werte ergeben kann. Bei auffälligem
Urinbefund und negativem Fibroblastenbefund sollte immer
die Molekulargenetik angeschlossen werden.
S
2162
Literatur
Janas T, Janas T (2011) Membrane oligo- and polysialic acids. Biochim
Biophys Acta 1808:2923–2932
Wang B, Brand-Miller J (2003) The role and potential of sialic acid in
human nutrition. Eur J Clin Nutr 57:1351–1369
Warren L (1959) The thiobarbituric acid assay of sialic acids. J Biol
Chem 234(8):1971–1975
Sialoadhesin
Definition Morphologisch sichelförmiger Erythrozyt (▶ Erythrozyten) bei der Sichelzellanämie.
In der folgenden Abbildung ist eine Sichelzelle dargestellt
(Pfeil; 1000, May-Giemsa-Grünwald-Färbung):
Sialoadhesin
▶ Siglec-1
Sia-Waldenström-Test
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Euglobulin-Test
Englischer Begriff Sia-test
Definition Heute obsoleter Suchtest auf hochmolekulare
Paraproteine im Serum, die im elektrolytarmen Wasser zur
Präzipitation gebracht werden.
Beschreibung Bei dem von R.H. Sia (1895–1970) und Jan
Waldenström (1906–1996) 1924 entwickelten Test lässt man
in einem Reagenzglas zu Aqua bidest (!) 1–2 Tropfen des zu
untersuchenden Serums hineintropfen, wobei sich bei positivem Ergebnis ein deutliches weißes, schlierenförmig und
schnell absinkendes Präzipitat unter leichter Trübung des
Wassers bildet („Sia“ = „Serum in Aqua“). Schlierenbildung
ohne Eintrübung des Wassers bedeutet negatives Ergebnis
(▶ Testergebnis, richtig-negatives). Da der Test (▶ Test, diagnostischer) weder spezifisch noch empfindlich ist, hat er
seine Bedeutung als Suchtest bei Verdacht auf Makroglobulinämie Waldenström (IgM-Plasmozytom) verloren und wird
heute nicht mehr eingesetzt.
Beschreibung Der Nachweis von Sichelzellen im ▶ Blutausstrich ist ein spezieller Hinweis auf das Vorliegen einer
Sichelzellanämie. Die Sichelzellanämie ist eine angeborene,
autosomal dominant vererbte hämolytische Anämie, wobei
die b-Kette des Hämoglobins den Strukturdefekt b6 Glu !
Val aufweist (Sichelzellhämoglobin). Unter Sauerstoffentzug
zeigt HbS eine Aggregationsneigung, wobei die Erythrozyten
dann die typische Sichelform annehmen. Der Nachweis der
Sichelzellen gelingt bei heterozygoten Merkmalsträgern häufig erst bei Auswertung eines unter Sauerstoffabschluss angefertigten Blutausstrichs, wie nachfolgende Abbildung zeigt
(1000, Phasenkontrastaufnahme):
Literatur
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
Sichelzelle
H. Baum
Englischer Begriff sickle cell
Neben dem direkten Nachweis der Sichelzellen im Blutausstrich kann das mutierte Hämoglobin S in der ▶ Hämoglobinelektrophorese oder auch mithilfe einer HPLC
(▶ Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie) nachgewiesen werden.
Siderophagen
Literatur
Huber H, Nachbaur D, Pohl P, Pastner D (1991) Diagnose und Differentialdiagnose hämolytischer Anämien – Hämoglobin S. In: Huber H,
Löffler H, Pastner D (Hrsg) Diagnostische Hämatologie. Springer,
Berlin/Heidelberg/New York, S 49–54
Sicherheitsbehälter
W. G. Guder
Synonym(e) Entsorgungsbox für Nadeln und andere scharfe
und infektiöse Gegenstände
Englischer Begriff sharps container; sharps disposal box;
safety-box
Definition Behälter, die eine sichere Entsorgung von Nadeln
und anderen scharfen Gegenständen (Lanzetten, Injektionskanülen, aber auch infektiös verunreinigten Haltern, Spritzen
und Röhrchen) erlauben.
Beschreibung Sicherheitsbehälter sind für die Entsorgung
von verletzenden und infektiösen Materialien aus dem medizinischen Bereich vorgeschrieben. Diese müssen einen leichten Einwurf erlauben, verschließbar sein und eine nicht penetrierbare Wand haben, sodass die darin gesammelten
Gegenstände sicher entsorgt werden können.
Literatur
Von Meyer A, Cadamuro J, Streichert T,Gurr E, Fiedler GM, Leichtle A,
Petersmann A, Pick K-H, Orth M, Riesch L, Sonntag O, Schmitt Y,
WiegelB, Töpfer G, Guder WG (2017) Standard – Arbeitsanleitung
zur peripher venösen Blutentnahme für die laboratoriumsmedizinische Diagnostik. J Lab Med 41:333–340
Sicherheitsnadeln
2163
Sid-Antigen
▶ Tamm-Horsfall-Protein
Sideroblast
H. Baum
Englischer Begriff sideroblast
Definition Normoblast mit in der Berlinerblau-Färbung
(▶ Eisenfärbung) nachweisbaren eisenhaltigen Granula.
Beschreibung Sideroblasten sind reife Erythroblasten
(▶ Normoblast), bei denen mit o. g. Färbung wenige (1–4)
blaue Granula darstellbar sind. Dabei handelt es sich um nicht
an ▶ Hämoglobin gebundene Eiseneinlagerungen. Der Anteil
der Sideroblasten im Knochenmark ist stark von der Eisenkonzentration im Serum abhängig. Normalerweise sind
20–40 % der Normoblasten im Knochenmark Sideroblasten.
Verminderungen sind auf einen Eisenmangel zurückzuführen, Vermehrungen sind ein Hinweis auf eine Eisenverwertungsstörung.
Literatur
Enne W (1993) Zellen der Erythropoese. In: Begemann H, Rastetter
J (Hrsg) Klinische Hämatologie, 4. Aufl. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, S 36–37
Siderocalin
▶ Neutrophilen-Gelatinase-assoziiertes Lipocalin
▶ Nadelschutzkappen
Siderophagen
Sicherheitszeichen
▶ Gefahrstoffpiktogramme
H. Baum
Synonym(e) Erythrosiderophage
Englischer Begriff siderophage
SID
▶ Säure-Basen-Modell nach Stewart
Definition Aktivierter Makrophage, der Hämosiderin aus
zerfallenen oder phagozytierten Erythrozyten enthält.
S
2164
Beschreibung Siderophagen sind aktivierte gewebeständige
▶ Makrophagen, die aus ▶ Erythrozyten stammendes ▶ Hämosiderin enthalten. Sie sind ein Hinweis auf eine schon
längere Zeit zurückliegende Blutung in ein Gewebe oder eine
Körperhöhle. Häufig sind jedoch in den Siderophagen auch
Erythrozyten oder Erythrozytenfragmente nachweisbar.
Diese Makrophagen werden dann als Erythrosiderophagen
bezeichnet. Nachgewiesen werden kann das intrazelluläre
Hämosiderin mit der ▶ Berlinerblau-Reaktion.
Die Abbildung zeigt Erythrosiderophagen in einer Pleuraflüssigkeit (1000, May-Giemsa-Grünwald-Färbung):
Siderophilin
Die Abbildung zeigt 2 Siderozyten (Pfeile) im peripheren
Blut (1000, Berlinerblau-Färbung):
Beschreibung Siderozyten sind ▶ Erythrozyten, in denen
mit der ▶ Berlinerblau-Reaktion meist 1–4 kleine Granula
(▶ Pappenheim-Körper) nachweisbar sind. Es handelt sich
dabei um nicht an ▶ Hämoglobin gebundenes ▶ Eisen
(Siderosome). Der Nachweis einer Vermehrung der Siderozyten im peripheren Blut >3 ‰ deutet auf eine Eisenverwertungsstörung hin und kann vor allem bei Alkoholikern,
schweren Infekten, nach Milzexstirpation und bei einer refraktären Anämie mit Ringsideroblasten (RARS) gefunden
werden.
Siderophilin
▶ Transferrin
Literatur
Enne W (1993) Zellen der Erythropoese. In: Begemann H, Rastetter
J (Hrsg) Klinische Hämatologie, 4. Aufl. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, S 36–37
Siderosom
▶ Pappenheim-Körper
Siedepunktserhöhung
T. Arndt
Siderozyten
Synonym(e) Ebullioskopie
H. Baum
Englischer Begriff boiling point elevation; ebulioscopy
Englischer Begriff siderocyte
Definition Erythrozyten mit in der Berlinerblau-Reaktion
nachweisbaren eisenhaltigen Granula.
Definition In Abhängigkeit von der Konzentration der gelösten Stoffe in einer Lösung wird deren Siedepunkt gegenüber jenem des reinen Lösungsmittels erhöht (z. B. um 0,51 C
je 1 mol osmotisch wirksamer Substanz in 1 kg reinem Wasser).
SI-Einheiten
2165
Beschreibung Bei vollständig dissoziierten Substanzen in
einer verdünnten Lösung hängt die Siedepunktserhöhung
allein von der ▶ Molalität des Gelösten und nicht von dessen
chemischer Natur ab. Sie ist also ein Maß für die Molalität
einer Lösung. Verfahren zur Ermittlung der Molalität einer
Lösung über die Bestimmung der Siedepunktserhöhung werden unter dem Begriff Ebullioskopie zusammengefasst. Im
Vergleich zur Kryoskopie (▶ Gefrierpunktserniedrigung)
oder ▶ Osmometrie hat die Ebullioskopie im klinischchemischen Labor keine Bedeutung.
Die Ebullioskopie kann genutzt werden, um aus bekannten
Einwaagen einer Substanz in eine definierte Menge Lösungsmittel die Molmasse (▶ Masse, molare) der Substanz zu
ermitteln.
Literatur
Näser KH, Peschel G (1986) Physikalisch-chemische Meßmethoden.
Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig
SI-Einheiten, Tab. 1 Basiseinheiten und deren Definition
Basisgröße
Länge
Basiseinheit
Meter
Symbol
m
Masse
Kilogramm
kg
Zeit
Sekunde
s
Elektrische
Stromstärke
Ampère
A
Thermodynamische
Temperatur
Kelvin
K
Lichtstärke
Candela
cd
Stoffmenge
Mol
mol
SI-Einheiten
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Internationales Einheitensystem; SI; SI-System;
Système international d’unités
Englischer Begriff SI units
Definition Das von der Generalkonferenz für Maße und
Gewichte (Conférence Générale des Poids et Mesures, CGPM)
angenommene und empfohlene kohärente Einheitensystem.
Beschreibung Aus den 7 Basiseinheiten (Tab. 1) werden
alle anderen Einheiten des SI-Systems abgeleitet.
Bei abgeleiteten, kohärenten SI-Einheiten tritt kein von
1 verschiedener Umrechnungsfaktor auf. Die folgende
Tabelle fasst abgeleitete kohärente Messgrößen und -einheiten (Auswahl) zusammen:
Messgröße
Fläche
Volumen
Stoffmengenkonzentration
Name der
Maßeinheit
Quadratmeter
Kubikmeter
Mol/Kubikmeter
Symbol der
Maßeinheit
m2
m3
mol/m3
Für bestimmte abgeleitete kohärente Einheiten werden
eigene Namen benutzt. Die folgende Tabelle fasst abgeleitete
Definition
Ein Meter: Das
1.650.763,73-Fache der
Wellenlänge der von
Atomen des Nuklids 86Kr
beim Übergang vom
Zustand 5 d5 zum Zustand
2p10 ausgesandten, sich im
Vakuum ausbreitenden
Strahlung.
Ein Kilogramm: Die Masse
des Internationalen
Kilogrammprototyps.
Eine Sekunde: Das
9.192.631.770-Fache der
Periodendauer der dem
Übergang zwischen den
beiden
Hyperfeinstrukturniveaus
des Grundzustandes von
Atomen des Nuklids 133Cs
entsprechenden Strahlung.
Ein Ampère: Die Stärke
eines zeitlich
unveränderlichen
elektrischen Stromes, der,
durch 2 im Vakuum parallel
im Abstand 1 Meter
voneinander angeordnete,
geradlinige, unendlich lange
Leiter von vernachlässigbar
kleinem, kreisförmigem
Querschnitt fließend,
zwischen diesen Leitern je
1 Meter Leiterlänge die
Kraft 2 10 7 Newton
hervorrufen würde.
Ein Kelvin: Der 273,16te
Teil der thermodynamischen
Temperatur des
Tripelpunktes des Wassers.
Ein Candela: Die
Lichtstärke, mit der
1/600.000 Quadratmeter der
Oberfläche eines Schwarzen
Strahlers bei der Temperatur
des beim Druck
101.325 Newton durch
Quadratmeter erstarrenden
Platins senkrecht zu seiner
Oberfläche leuchtet.
Ein Mol: Die Stoffmenge
eines Systems, das aus
ebenso viel Einzelteilchen
besteht, wie Atome in
12/1000 Kilogramm des
Kohlenstoffnuklids 12C
enthalten sind. Bei
Verwendung des Mols
müssen die Einzelteilchen
des Systems spezifiziert sein
und können Atome,
Moleküle, Ionen,
Elektronen sowie andere
Teilchen oder Gruppen
solcher Teilchen genau
angegebener
Zusammensetzung sein. Ein
Mol enthält stets
6,0221367 1023 Teilchen
(Avogadro-Konstante).
S
2166
SIG
kohärente SI-Messgrößen und -einheiten mit eigenem Namen
(Auswahl) zusammen:
Messgröße
Frequenz
Kraft
Druck
Energie/Arbeit
Leistung
Elektrische
Ladung
Elektrische
Kapazität
Elektrischer
Widerstand
Elektrische
Leitfähigkeit
Aktivität eines
Radionuklids
Enzymaktivität
CelsiusTemperatur
Absorbierte
Dosis
Name der
Maßeinheit
Hertz
Newton
Pascal
Joule
Watt
Coulomb
Symbol der
Maßeinheit
Hz
N
Pa
J
W
C
Ableitung der
Maßeinheit
s 1
m kg s 2
N/m2
Nm
J/s
As
Farad
F
C/V
Ohm
W
V/A
Siemens
S
A/V
Becquerel
Bq
s
Katal
Grad Celsius
kat
1)
C
mol s1
K
gende Tabelle fasst nicht SI-kohärente Messgrößen und -einheiten zusammen:
Messgröße
Zeit1)
Volumen1)
Katalytische
Aktivität2)
Masse1)
Druck2)
Druck3)
1
Länge2)
Gray
Gy
J kg
Fläche2)
1
1)
Maßeinheit
Minute
Stunde
Tag
Liter
Int.
Enzymeinheit
Tonne
Bar
Bar
Phys.
Atmosphäre
mmHg
mmWS
Techn.
Atmosphäre
Ångström
Nautische
Meile
Ar
Hektar
Barn
Symbol der
Maßeinheit
min
h
d
L
U
Angabe in
SI-Einheiten
60 s
3600 s
86400 s
10 3 m3 oder
1 dm3
16,67 nkat
t
bar
bar
atm
1000 kg
100000 Pa
100 kPa
101325 Pa
Torr
mmH2O
at
133,222 Pa
9,80665 Pa
98066,5 Pa
Å
sm, NM
10 10 m; 0,1 nm
1852 m
a
ha
b
100 m2
10000 m2
10 28 m2,
100 fm2
0,514 m s 1
10 2 m s 2
3,7 1010 Bq
(3,7 1010 s 1)
10 2 Gy (10 2 J/
kg)
2,58 10 4 C/kg
Umrechnung: ( C) in (K): ( C) + 273,15
Zur Neudefinition der Stoffmenge Mol und zu den aktuellen Entwicklungen zu den 7 Grundgrößen im SI-System siehe ▶ Mol.
Geschwindigkeit2)
Beschleunigung2)
Radionuklidaktivität2)
Knoten
Gal
Curie
kn
Gal
Ci
Zur einfacheren Darstellung von extremen Wertebereichen
sind bestimmte Vorsilben zugelassen. Die folgende Tabelle
fasst zulässige SI-Präfixe zusammen:
Absorbierte Dosis2)
Rad
rad/rd
Strahlenexposition2)
Röntgen
R
Faktor
1018
1015
1012
109
106
103
102
101
10 1
10 2
10 3
10 6
10 9
10 12
10 15
10 18
Präfix
Exa
Peta
Tera
Giga
Mega
Kilo
Hekto
Deca
Dezi
Centi
Milli
Mikro
Nano
Pico
Femto
Atto
Symbol für Präfix
E
P
T
G
M
k
h
da
d
c
m
m
n
p
f
a
1)
Zeitlich unbefristet neben den SI-Einheiten verwendbare Nicht-SIEinheiten
2)
Zeitlich befristet neben den SI-Einheiten verwendbare Nicht-SIEinheiten
3)
Nicht-SI-Einheit, die nicht verwendet soll; darf nur in Klammern in
Ergänzung zur SI-Einheit zur Erleichterung deren Einführung angegeben werden
Literatur
Bureau international des poids et mesures (2014) The International
System of Units (SI), 8 Aufl. www.bipm.org
IEC 80.000 series. „Quantities and Units“
ISO 80.000 series. „Quantities and Units“
WHO (1977) The SI for the health professions. WHO, Geneva
SIG
Bei Umrechnung von Nicht-SI-Einheiten in SI-Einheiten
ergeben sich in der Regel von 1 verschiedene Faktoren. fol-
▶ Säure-Basen-Modell nach Stewart
Siggaard-Andersen-Nomogramm
2167
Definition Nomogramm zur Berechnung von pCO2 und Basenparametern aus zwei pH-Bestimmungen im Rahmen der
„Äquilibriermethode“.
Siggaard-Andersen-Nomogramm
O. Müller-Plathe
Beschreibung Bei der von P. Astrup (▶ Astrup, Poul)
beschriebenen Äquilibriermethode werden die pH-Werte
von zwei auf pCO2-Werte um 20 und 60 mmHg äquilibrierten
Blutproben (▶ Partialdruck) in ein Koordinatensystem mit
pH auf der Abszisse und lg pCO2 auf der Ordinate eingetra-
Synonym(e) Kurvennomogramm; Säure-Basen-Nomogramm
Englischer Begriff Acid-base nomogram; curve nomogram
pCO2 mmHg
pCO2 mmHg
6,9
150
140
7,0
7,1
7,2
7,3
7,4
7,5
7,6
7,7
150
140
130
130
120
T = 37°C
120
110
110
45 F 50
100
55
40
90
100
60
65
90
70
35
75
80
30
80
80
70
70
60
Pufferbasen mmol/L
25
50
60
50
C
D
40
20
10
15
35
+5
0
20
25
+10
30
E
–15
–10
19
Plasmabicarbonat
mmol/L
40
45
35
+15
30
30
B
18
+20
Basenabweichung
mmol/L
–15
25
40
50 55
25
17
20
20
–20
16
15
15
–22
15
10
pH 6,9
7,0
7,1
7,2
7,3
7,4
7,5
7,6
7,7 pH
10
Siggaard-Andersen-Nomogramm, Abb. 1 Kurvennomogramm mit Beispielen. A, B, pH-Werte der äquilibrierten Blutproben; C, aktueller pH
mit interpoliertem pCO2; D, Standardbicarbonat; E, Basenabweichung; F, Pufferbasen
S
2168
gen, die Punkte durch eine Gerade verbunden und pCO2 aus
dem aktuellen pH der Blutprobe durch Interpolation abgelesen. Die Position der Geraden hängt von der Bicarbonatkonzentration, ihre Steilheit vom Hämoglobingehalt ab. Ihr
Schnittpunkt mit der Ordinate pCO2 40 mmHg entspricht
dem ▶ Standardbicarbonat. Der Schnittpunkt mit zwei von
Siggaard-Andersen (Ole Siggaard-Andersen, geboren am
10. Dezember 1932, Professor für Klinische Chemie an der
Universität Kopenhagen) konstruierten Kurven (Abb. 1)
gestattet die Ablesung der Basenabweichung des Blutes und
der Gesamtkonzentration der Pufferbasen im Blut.
Das Kurvennomogramm hat keine messtechnische Bedeutung mehr, da pCO2 inzwischen nicht mehr durch Interpolation, sondern mit einer spezifischen Elektrode gemessen wird
und die Basenparameter im Blutgasgerät elektronisch berechnet werden. Außerdem wird heute dem Bezug der ▶ Basenabweichung auf die Extrazellularflüssigkeit anstelle von Blut
der Vorzug gegeben. Das Kurvennomogramm (wie auch das
ebenfalls von Siggaard-Andersen publizierte Leiternomogramm C2) hat aber weiterhin einen hohen didaktischen Wert,
da es die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Größen
des Säure-Basen-Status (▶ Säure-Basen-Stoffwechsel) sehr
gut veranschaulicht.
Literatur
Siggaard-Andersen O (1963) Blood acid-base alignment nomogram:
scales for pH, pCO2, base excess of whole blood of different hemoglobin concentrations, plasma bicarbonate, and plasma total CO2.
Scand J Clin Lab Invest 15:211–217
Siggaard-Andersen O, Engel K (1960) A new acid-base nomogram. An
improved method for the calculation of the relevant blood acid-base
data. Scand J Clin Lab Invest 12:177–186
Siglec-1
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Siglec-1
für das Therapiemonitoring von Autoimmunerkrankungen
(z. B. SLE) zukommt.
Beschreibung Die Diagnose des primären Sjögren-Syndroms (pSS) basiert bei bis zu 83 % der Patienten auf einem
positiven Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA, ▶ Autoantikörper gegen Zellkerne) mit einem feingranulierten Fluoreszenzmuster, auf dem Nachweis von Anti-Ro/SSA- (bei
40–75 %, ▶ Autoantikörper gegen SS-A) bzw. Anti-La/
SSB-Antikörper (bei 23–52 %, ▶ Autoantikörper gegen
SS-B), oft in Verbindung mit positivem Nachweis von
Rheumafaktor (ca. 70 %, ▶ Rheumafaktoren) und polyklonaler Hypergammaglobulinämie. Ein positiver Nachweis von
Anti-Ro/SSA-Antikörpern ist auch bei weiteren Kollagenosen zu finden und kann der klinischen Manifestation der
Erkrankung um bis zu 20 Jahre vorausgehen.
Siglec-1 ist ein von Typ-I-Interferon induziertes und reguliertes Adhäsionsmolekül mit einem Molekulargewicht von
175–185 kDa, das Sialinsäure-Glykane bindet. Strukturell gehört es zur Immunglobulin-Superfamilie mit 3 Domänen, die
sich auf ein extra-, trans- und intrazelluläres Segment verteilen.
Die quantitative, durchflusszytometrisch gemessene (▶ Durchflusszytometrie) Expressionsstärke von Siglec-1 auf Monozyten lässt eine Differenzierung der glandulären von der
extraglandulären (signifikant häufiger positiv) Form des
Sjögren-Syndroms zu und gibt Hinweise auf Krankheitsaktivität und systemische Ausbreitung der Erkrankung
(Rose et al. 2016).
Literatur
Eakin AJ, Bustard MJ, McGeough CM et al (2016) Siglec-1 and-2 as
potential biomarkers in autoimmune disease. Proteomics Clin Appl
10(6):635–644
Rose T, Szelinski F, Lisney A et al (2016) SIGLEC1 is a biomarker of
disease activity and indicates extraglandular manifestation in primary
Sjögren‘s syndrome. RMD Open 2(2):e000292
Stefanski A-L, Tomiak C, Pleyer U et al (2017) Diagnostik und Therapie
des Sjögren-Syndroms. Dtsch Ärztebl 114(20):354–361
Synonym(e) CD169; Sialoadhesin
Englischer Begriff sialic acid-binding immunoglobulin-like
lectin; sialoadhesin
Definition Siglec-1 ist ein auf Monozyten, Makrophagen
und Immunzellen begrenztes, transmembranäres Zelloberflächenglykoprotein mit Funktionen im Immunsystem, bei der
Antigenpräsentation, Zell-Zell-Interaktion und Zelladhärenz,
dem frühzeitige diagnostische und prognostische Bedeutung
für das primäre Sjögren-Syndrom und dessen Verlauf sowie
Signalauflösung
▶ Auflösungsvermögen
Signal/Rausch-Verhältnis
▶ Grundrauschen
Silberfärbung
Signifikanzniveau
▶ Irrtumswahrscheinlichkeit a
Silber
D. Meißner und T. Arndt
Synonym(e) Argentum
Englischer Begriff silver
Definition Silber (chemisches Symbol: Ag) ist ein Edelmetall mit der Ordnungszahl 47 und der relativen Atommasse
von 107,8682. Es ist ein nicht essenzielles Spurenelement.
Beschreibung Silber hat keine bekannte physiologische
Funktion. Die tägliche Silberaufnahme aus der Umgebung
und durch die Nahrung betrug für einen erwachsenen
US-Bürger im Mittel 70 mg. Es sollen mehr als die Hälfte
inhalierten metallischen Silbers über die Lunge absorbiert
werden, weniger als 10 % einer oralen Dosis im Gastrointestinaltrakt und weniger als 1 % bei Hautkontakt. Nicht
exponierte Deutsche hatten eine mittlere Silberblutkonzentration von 0,07 mg/L (Bereich <0,02–0,4 mg/L). Intensiver
Kontakt mit Silberverbindungen führt zur (möglicherweise
irreversiblen) Ablagerung von Silbersalzen in Haut
(schiefergraue Verfärbung), Schleimhäuten und Organen
(Argyrie = Argyrose). Man geht davon aus, dass der überwiegende Anteil absorbierten Silbers über den Stuhl
(85–90 %) und nur 10 % über den Urin ausgeschieden werden. Nicht exponierte Deutsche zeigten eine Silberurinausscheidung von 0,08 mg/L oder weniger (Heitland und Koster
2006a), Italiener von 0,06–2,5 mg/L (Baselt 2014).
In der Medizin findet Silber Anwendung in Dentallegierungen und zur Desinfektion, auch als Bakteriostatikum,
z. B. in Form topischer Cremes bei Verbrennungen. Kolloidales Silber wird als Nahrungsergänzungsstoff zur Behandlung vielfältiger Krankheiten und Gebrechen angeboten.
Akute Intoxikationen mit großen Mengen oral aufgenommenen Silbers äußern sich in Bauchschmerzen, Erbrechen bis
ggf. Schock, chronische Intoxikationen können zu Argyrose
sowie Nieren- und Leberschäden führen.
Indikationen zur Bestimmung von Silber bestehen in der
Toxikologie, um den Missbrauch von Silbersalzen nachzuweisen, und in der Arbeitsmedizin. Silber wird in großen
Mengen in der Schmuckindustrie, in Legierungen, Lötmaterial und bei der Münzherstellung eingesetzt.
2169
Die o. g. Konzentrationsangaben für Deutsche stammen
aus Heitland und Koster (zitiert in Baselt 2014). Sie sollen in
Ermangelung validierter Referenzbereiche einer ersten Orientierung bei der Interpretation von Silberanalyseergebnissen
dienen.
Literatur
Baselt RC (2014) Disposition of toxic drugs and chemicals in man, 10.
Aufl. Biomedical Publications, Seal Beach, S 1848–1849
Doherty PJ, Williams DF (1994) Silver. In: Seiler G, Sigel A, Sigel
H (Hrsg) Handbook on metals in clinical and analytical chemistry.
Marcel Dekker, New York/Basel/Hong Kong, S 563–569
Heitland P, Koster HD (2006a) Biomonitoring of 37 trace elements in
blood samples from inhabitants of northern Germany by ICP-MS.
J Trace Elem Med Biol 20:253–262
Heitland P, Koster HD (2006b) Biomonitoring of 30 trace elements in
urine of children and adults by ICP-MS. Clin Chim Acta
365:310–318
Silberfärbung
R. Westermeier
Englischer Begriff silver staining
Definition Hochempfindliche Nachweismethode für Proteine oder Nukleinsäuren nach ihrer Auftrennung in einem
Elektrophoresegel oder in einem Gewebeschnitt.
Beschreibung Bei der Silberfärbung wird Silbernitrat
oder – alternativ – Silberdiamin in metallisches Silber überführt. Dabei bildet das Silber mit Proteinen, Nukleinsäuren,
Polysacchariden und Lipopolysacchariden unlösliche Komplexe. Die Entwicklung wird mit Formaldehyd ausgelöst. Die
gesamte Prozedur ist dem photographischen Entwicklungsprozess sehr ähnlich. Die Elektrophoresemuster zeigen dann
dunkelbraune Banden oder Flecken auf transparentem bis
hellgelbem Hintergrund. Silberfärbung funktioniert besonders gut in Polyacrylamidgelen; es gibt aber Varianten für
Agarosegele. Auch für Polyacrylamidgele gibt es eine hohe
Anzahl von unterschiedlichen Varianten, die optimiert sind
für unterschiedliche Anwendungen für Proteine und Nukleinsäuren.
Die Technik benötigt viele Schritte, die Zeiten sind exakt
einzuhalten. Alle Varianten beinhalten im Prinzip all diese
Schritte:
• Fixierung
• Sensibilisierung
• Mehrere Waschschritte
S
2170
•
•
•
•
Silberbad
Entwicklung
Stoppbad
Mehrere Waschschritte
Für diese Methode sind Färbeautomaten sehr praktisch.
Mit Silberfärbung erreicht man sehr hohe Nachweisempfindlichkeit, leider sind die Färbekurven nicht linear, der
dynamische Bereich ist sehr eng, wodurch sich die Methode
nicht gut zu Quantifizierungen eignet.
Literatur
Kerenyi L, Gallyas F (1972) A highly sensitive method for demonstrating proteins in electrophoretic, immunoelectrophoretic and immunodiffusion preparations. Clin Chim Acta 38:465–467
Westermeier R (2016) Elektrophorese leicht gemacht. VCH, Weinheim
Silberimprägnierung nach Gomori
▶ Gomori-Färbung
Silber/Silberchlorid-Elektrode
▶ Referenzelektrode
Silicium
D. Meißner und T. Arndt
Englischer Begriff silicon
Definition Silicium (chemisches Symbol: Si) ist das zweithäufigste Element der Erdkruste. Es ist ein Element der
IV. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente mit der
Atomnummer 14 und gehört zu den essenziellen ▶ Ultraspurenelementen.
Struktur Silicium liegt in der Oxidationsstufe +4 als Silikat
oder Monokieselsäure vor. Es kann an organische Verbindungen, speziell an ▶ Glykosaminoglykane, gebunden sein. Es
bildet stabile Ringstrukturen, wobei die Si-O- und Si-CBindungen stabil, die Si-Si- und die Si-H-Bindungen weniger
stabil sind.
Silberimprägnierung nach Gomori
Molmasse Relative Atommasse: 28,0855.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Man nimmt
an, dass der Mensch aus Nahrungsmitteln, Getränken und
Atemluft 9–14 mg Silicium pro Tag resorbiert, den größten
Teil des aufgenommenen Siliciums jedoch unverändert über
den Stuhl wieder ausscheidet. Über das Blut wird das Silicium
in die Gewebe verteilt, wobei es sich besonders im Bindegewebe, in Blutgefäßen, Trachea, Sehnen, Haut und Knochen,
u. U. auch in Lunge und Lymphknoten anreichert. Die Ausscheidung erfolgt über den Urin und die Muttermilch.
Bedarf: 3–4 mg/Tag. Empfohlene Zufuhr: >10 mg/Tag.
Siliciumreich sind Muskelfleisch, Leber, Lunge, Hirn, Hafer,
Hirse.
Funktion – Pathophysiologie Silicium kommt in allen
Lebewesen vor. Siliciummangel ist beim Menschen nicht
bekannt, jedoch nimmt der Siliciumgehalt in Körperflüssigkeiten und Organen mit dem Alter ab. Wichtige Funktionen
sind die Förderung des Wachstums (nur im Tierversuch nachgewiesen), die Verbesserung der Struktur von Epithelien und
Bindegewebe (Einbau von Silicium in Mukopolysaccharide
von Haut, Haaren, Nägeln), die Förderung der Knochenbildung und -reifung (Wirkung an den Epiphysenenden des
Knochens, Quervernetzung der Proteine und Mukopolysaccharide) und die Förderung von Elastizität und Stabilität der
Arterienwände. Möglicherweise wird der Stoffwechsel der
Lipoproteine durch organische Siliciumverbindungen günstig
beeinflusst. In der ersten Hälfte des 20. Jh. wurden anorganische und einfache organische Siliciumverbindungen in der
Tuberkulose-, Arteriosklerose- und Tumortherapie verwendet. An die damaligen Ergebnisse wurden große Hoffnungen
geknüpft, die sich bis heute nicht erfüllt haben.
Die Toxizität von Silicium ist gering. Gefährlich ist das
Einatmen von Siliciumverbindungen, besonders Asbest, oder
von SiO2-haltigem Staub (Silikose bei exponierten Arbeitern).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum,
Urin.
Probenstabilität 20 C 7 Tage, 4–8 C 14 Tage,
1 Jahr.
20 C
Präanalytik Spurenelementfreie Abnahmegeräte und Gefäße verwenden. Jeglicher Kontakt mit Glas ist zu vermeiden,
auch bei der Reagenzien- und Wasserherstellung.
Analytik ▶ Atomabsorptionsspektrometrie (Zeeman-Technik),
▶ Inductively Coupled Plasma, Neutronenaktivierungsanalyse.
Konventionelle Einheit mg/L (d).
Simple Western
Internationale Einheit mmol/L (d).
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit mmol/L
(d) = 0,0356 mg/L (d); mg/L (d) = 28,0855 mmol/L (d).
Referenzbereich – Erwachsene Standardisierte Referenzwerte sind nicht bekannt. Serum: 500 mg/L (17,8 mmol/L);
Urin: 9000 mg/Tag (320 mmol/Tag) (Anke 2002).
Referenzbereich – Kinder s. Erwachsene.
Indikation Verdacht auf unzureichende Zufuhr oder verminderte Versorgung.
Interpretation Der Gehalt in Körperflüssigkeiten ist von der
Art der zugeführten Siliciumverbindungen und der Nahrungszusammensetzung abhängig.
Diagnostische Wertigkeit Die Siliciumbestimmung spielt
in der Diagnostik nur gelegentlich eine Rolle, wobei die
Bedeutung einer ausreichenden Siliciumversorgung sicherlich unterschätzt wird.
Literatur
Anke M (2002) Silicium. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann
K (Hrsg) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York, S 237–238
sIL-2R
▶ Interleukin-2-Rezeptor, löslicher
SIM
2171
tatsächliche Messzeit und damit die Zahl der registrierten
Ionen bei vorselektierten m/z-Werten erheblich erhöht wird.
Simon, Johann Franz
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Lebensdaten Deutscher Pharmazeut, geboren am 25.
August 1807 in Frankfurt/Oder, gestorben am 23. Oktober 1843 in Wien.
Verdienste Simon hatte ein zusätzliches Studium der Chemie absolviert und sich zunächst mit der toxikologischen
Analytik befasste. Im Jahr 1840 erhielt er in der Klinik von
Johann Lucas Schönlein (1793–1864) an der Charité in Berlin
die Stelle eines „chemischen Assistenten“ in einem für
chemisch-diagnostische Untersuchungen eigens eingerichteten Laboratorium. Simon gab als erster 1842 ein umfassendes
zweibändiges Handbuch der angewandten medizinischen
Chemie (1840–1842) mit einer umfassenden Darstellung der
Klinischen Chemie (▶ Klinische Chemie) heraus sowie eine
Zeitschrift („Beiträge zur physiologischen und pathologischen Chemie und Mikroskopie“) dieses neuen Fachgebietes.
Seine Arbeiten beruhen auf einer Vielzahl eigener Beobachtungen und Analysen, die erstmalig eine systematische Darstellung der diagnostisch bedeutsamen pathologischen Veränderungen wiedergeben. Simon erarbeitete erfolgreich die
Beziehungen zwischen chemischen und morphologischen
Veränderungen des menschlichen Blutes und definierten
Erkrankungen und stellte damit die medizinische Interpretation klinisch-chemischer Befunde auf eine wissenschaftliche
Basis. Er organisierte einen „Verein für physiologische und
pathologische Chemie“ in Berlin, der als erste wissenschaftliche Vereinigung der Klinischen Chemie angesehen werden
kann. Zusammen mit Scherer (▶ Scherer, Johann Joseph von)
und Heller (▶ Heller, Johann Florian) gehört er zu den Begründern der Klinischen Chemie.
B. Güssregen
Literatur
Synonym(e) Selected Ion Monitoring
Englischer Begriff selected ion monitoring
Beschreibung SIM (selected ion monitoring) ist eine Technik in der ▶ Massenspektrometrie, durch welche die Empfindlichkeit bei einer ▶ GC-MS- oder ▶ LC-MS-Methode
enorm gesteigert werden kann. Beim SIM werden nur
bestimmte Ionen der Masse m/z aufgezeichnet. Die Steigerung der Empfindlichkeit kommt dadurch zustande, dass die
Büttner J (1977) Geschichte der Klinischen Chemie. Med Welt
28:1238–1243
Büttner J (1985) Die Entwicklung der Klinischen Chemie im Spannungsfeld zwischen Medizin und Chemie. J Clin Chem Clin Biochem 23:797–804
Simple Western
▶ Simple Western Blotting
S
2172
Simple Western Blotting
R. Westermeier
Simple Western Blotting
Literatur
Nguyen U, Squaglia N, Boge A, Fung PA (2011) The Simple Western™:
a gel-free, blot-free, hands-free Western blotting reinvention. Nat
Methods 8:v–vi
Synonym(e) Simple Western
Englischer Begriff Simple Western blotting
Sindbis-Viren (SINV)
Definition Patentierte Methode der Immundetektion von
Antigenen nach elektrophoretischer Trennung und Immobilisierung der Proteinfraktionen in Kapillaren.
W. Stöcker
Physikalisch-chemisches Prinzip Beim Simple Western
Blotting erfolgt die Trennung des Proteingemisches mittels
einer Kapillarelektrophorese, bei der die innere Kapillarwand
mit einer Substanz beschichtet ist, die bei Lichtaktivierung
die getrennten Proteinfraktionen bindet. Anschließend folgt
eine Immundetektion mit Primär- und Sekundärantikörpern
durch Inkubieren und Waschen der Kapillare. Die Sekundärantikörper sind mit Meerrettichperoxidase konjugiert; die
Detektion erfolgt über Chemilumineszenz. Alle Schritte sind
automatisiert. Die Trennung kann nach 2 verschiedenen Prinzipien durchgeführt werden: entweder durch eine isoelektrische Fokussierung zur Trennung nach den isoelektrischen
Punkten oder eine SDS-Elektrophorese zur Trennung nach
Molekülgrößen.
Englischer Begriff Sindbis virus
Einsatzgebiet Proteinbestimmungen.
Untersuchungsmaterial Biologische Flüssigkeiten, Gewebeextrakte, Zelllysate.
Instrumentalisierung Vollautomatisierte Apparatur der Firma ProteinSimple.
Spezifizität Hoch, da die Methode auf Immunreaktion beruht.
Sensitivität Im Bereich niedriger Picogramm bis hoher Femtogramm.
Fehlermöglichkeit Diese Technik funktioniert vollautomatisch, der Aufwand für die Probenvorbereitung ist minimal.
Dadurch wenig Fehler möglich.
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten Gerät und
Kapillarkits gibt es nur bei der Firma ProteinSimple, der
Inhaberin der Patente.
Bewertung – Methodenhierarchie (allg.) Geeignet für
klinisch-chemische Labore mit hohem Probendurchsatz.
Beschreibung des Erregers Familie: Togaviridae; Gattung:
Alphavirus; Art: Sindbis-Virus; Subtypen: Ockelbo-Virus,
Babanki-Virus; Plusstrang-RNA-Genom, behüllt.
Erkrankungen Verbreitung: Südafrika, Ägypten, Indien,
Philippinen, Südostasien, Zentralasien, Russland, Australien,
Nordeuropa.
Übertragung: Stechmücken (ornithophile Culex ssp., vor
allem C. pipiens und C. torrentium, Aedes ssp. u. a.); verschiedene Vogelarten, darunter Zugvögel, dienen als Reservoir.
Klinik: Sindbis-Fieber, febrile Erkrankung mit Kopfschmerzen, Arthritis/Arthralgie, Exanthem, die etwa eine
Woche andauert. Nur bei einem kleinen Teil der Patienten
persistieren Gelenkbeschwerden.
Analytik Kultur: Virusanzucht.
Serologie: Nachweis spezifischer Antikörper (IgA, IgG,
IgM) im Serum durch indirekte Immunfluoreszenz (▶ Immunfluoreszenz, indirekte), ▶ Enzyme-linked Immunosorbent Assay, ▶ Neutralisationstest, Hämagglutinations-Hemmtest.
Probenmaterial Direktnachweis: Blut oder Blutbestandteile. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei +4
bis +8 C aufbewahrt werden.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei
20 C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes
Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit Ursache für Fieber mit Hautausschlag und Gelenkschmerzen können auch in Deutschland
Sindbis-Viren sein. Der direkte Virusnachweis aus dem Blut
ist während der ersten Krankheitstage möglich. Ab dem
8.–10. Tag nach Einsetzen der Symptome können spezifische
Sirolimus
Antikörper (IgM, IgG) nachgewiesen werden. Kreuzreaktionen mit Antikörpern gegen verwandte Viren sind möglich.
Differenzialdiagnose: virale Infektionen mit Gelenkbeteiligung (z. B. Dengue- und Chikungunya-Fieber), die in den
Infektionsgebieten parallel auftreten, ggf. rheumatoide Arthritis, reaktive Arthritis.
Durch die Verordnung zur Anpassung der Meldepflichten
nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische
Lage (IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung), die am
01.05.2016 in Kraft getreten ist, wurde die Meldepflicht für
Labore nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG)
auf den direkten oder indirekten Nachweis von ChikungunyaViren, Dengue-Viren, West-Nil-Fieberviren, Zika-Viren und
sonstige Arboviren ausgedehnt, soweit der Nachweis eine
akute Infektion anzeigt. Darüber hinaus können allgemeine
nicht erreger- oder krankheitsspezifische Meldepflichten
bestehen.
Literatur
Robert Koch-Institut, Berlin (2011) Steckbriefe seltener und importierter
Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut, Berlin
Single-Quadrupol
B. Güssregen
2173
Englischer Begriff siRNA
Definition Die siRNA-Moleküle („small interfering RNA“)
sind kleine doppelsträngige RNA-Moleküle von 20–25
Basenpaaren zur Hemmung der RNA-Expression.
Beschreibung siRNA-Moleküle inhibieren posttranskriptional die RNA-Expression durch Bindung an die mRNA in
einem RNA-induzierten Silencing-Komplex (RISC) mit
nachfolgender Degradation der mRNA.
Werden bei einem Gen zeitgleich mRNA (sense) und
aRNA (antisense) transkribiert, können beide Transkripte zu
einer doppelsträngigen RNA (dsRNA) paaren. Diese dsRNA
wird dann durch die dsRNA-spezifische Endonuklease
DICER-2 in kleine Abschnitte von 20–25 Basenparen gespalten, wobei die siRNA-Moleküle jeweils einem phosphorylierten 5‘-Überhang besitzen. Die doppelsträngigen siRNAMoleküle binden an das Effektorprotein Ago-2 und werden
entwunden, sodass das Effektormolekül sich an die komplementäre mRNA anlagern kann und zusammen mit einer spezifischen RNA-Endonuklease den RISC bilden kann, der die
gebundenen mRNA-Moleküle durch eine Endonukleasespaltung vollständig abbaut und somit eine Translation verhindert. Dieser Prozess wird auch als posttranskriptionelles
Gene-Silencing beschrieben.
Der Ursprung der siRNAs ist noch nicht abschließend
geklärt, scheint aber vielfältig zu sein, wie z. B. exogen durch
Viren im Zytoplasma oder auch endogen im Zellkern durch
Zentromerfragmente, Transposons oder Pseudogene.
Englischer Begriff single quadrupole
Literatur
Beschreibung Bei einem Single-Quadrupol handelt es sich
um ein Massenspektrometer mit einem Quadrupol (im Gegensatz zum Triple-Quadrupol, bei dem 3 Quadrupole nacheinander
stehen; ▶ Massenspektrometrie).
Carthew RW, Sontheimer EJ (2009) Origins and mechanisms of miRNAs
and siRNAs. Cell 136:642–655
Wittrup A, Lieberman J (2015) Knocking down disease: a progress
report on siRNA therapeutics. Nat Rev Genet 16:543–552
S
Singulett-Zustand
▶ Lumineszenz
Sirolimus
H.-D. Haubeck
siRNA
Englischer Begriff sirolimus; rapamycin
J. Arnemann
Definition Sirolimus und sein Derivat ▶ Everolimus sind
zyklische Makrolide mit potenter immunsuppressiver Wirkung, deren Mechanismus sich von dem der CalcineurinInhibitoren Ciclosporin und Tacrolimus unterscheidet.
Synonym(e) Small interfering RNA
2174
Strukturformel:
Molmasse 914,2 g.
Halbwertszeit 57–63 Stunden.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Sirolimus ist
ein zyklisches Makrolid, das aus Actinomyzeten (Streptomyces
hygroscopicus) isoliert wurde. Sirolimus besitzt eine starke
immunsuppressive Wirkung, deren Mechanismus sich von
dem der Calcineurin-Inhibitoren ▶ Ciclosporin und ▶ Tacrolimus unterscheidet. Sirolimus hemmt die Aktivierung von
T-Lymphozyten durch Antigene (▶ Antigen) und ▶ Zytokine
und ihre Proliferation über eine Blockade von mTOR („mammalian target of rapamycin“). Hierfür bindet Sirolimus zunächst an das zytosolische Immunophilin FKBP12. Dieser
Komplex, der Calcineurin nicht inhibiert, wird dann an mTOR
gebunden, das als Schlüsselkinase den Übergang von der G1in die S-Phase des Zellzyklus reguliert.
Immunsuppressive Wirkung Die immunsuppressive Wirkung von Sirolimus ist nach den vorliegenden Studien bezüglich der Rate akuter Abstoßungen, aber auch bezüglich des
Patienten- bzw. Transplantatüberlebens, vergleichbar mit den
Calcineurin-Inhibitoren. Als wichtigster Vorteil von Sirolimus, im Vergleich zu den Calcineurin-Inhibitoren, wird die
fehlende Nephrotoxizität angesehen. Diese Nephrotoxizität
bildet eine wichtige Ursache der chronischen Transplantatabstoßung und ist für die Langzeitergebnisse der Transplantation von entscheidender Bedeutung. Ein weiterer
Vorteil von Sirolimus liegt in seiner ausgeprägten antiproliferativen Wirkung, durch die auch eine Hemmung der Tumorentstehung bzw. des Tumorwachstums (vor allem Lymphome
und Hauttumoren) bei transplantierten Patienten zu erwarten
ist. Daneben wird auch über die Hemmung der Proliferation
von Endothelzellen und glatten Muskelzellen eine Verminderung atheroskerotischer Gefäßveränderungen erwartet. Bei
den Nebenwirkungen von Sirolimus stehen die myelosup-
SIRS
pressive Wirkung mit einer Leukopenie und Thrombopenie
und die Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel (Hypercholesterinämie und Hypertriglyzeridämie) im Vordergrund. Darüber hinaus führt die antiproliferative Wirkung häufig zu
Wundheilungsstörungen.
Pharmakokinetik Sirolimus wird bei oraler Gabe schnell
resorbiert, besitzt jedoch eine geringe Bioverfügbarkeit. Sirolimus hat mit ca. 60 Stunden eine sehr lange Halbwertszeit
und zeigt große intra- und interindividuelle Schwankungen in
der Pharmakokinetik. 95 % des Sirolimus liegen intrazellulär
vor. Die Metabolisierung erfolgt in der Leber über das
Cytochrom-P450-3A-(CYP3A-)System. Außerdem ist Sirolimus ein Substrat des P-Glykoproteins, durch das Moleküle
aus den Zellen heraustransportiert werden. Dementsprechend, aber auch wegen des relativ kleinen therapeutischen
Bereichs, ist ein Drug-Monitoring notwendig.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen EDTABlut; Probenstabilität bei 4 C 7 Tage, lichtempfindlich.
Präanalytik Inhibitoren und Induktoren des CYP3A-Systems beeinflussen die Sirolimus-Konzentration. Dementsprechend führen z. B. Ketoconazol und Ciclosporin zu deutlich
erhöhten Sirolimus-Konzentrationen. Die Resorption von Sirolimus wird durch fettreiche Mahlzeiten beeinflusst, d. h. die
Resorption wird verzögert und die Peak-Konzentration reduziert. Die resorbierte Sirolimus-Gesamtmenge (AUC, area
under the curve) wird dagegen erhöht. Dementsprechend sollte
die Sirolimus-Talkonzentration immer unter gleichen Bedingungen, entweder nüchtern oder postprandial, bestimmt werden.
Analytik ▶ LC-MS, LC-MS/MS, ▶ Immunoassay.
Interpretation Therapeutischer Bereich: Die Konsensusempfehlung des (vorläufigen) therapeutischen Bereichs von
Sirolimus bei Patienten nach Nierentransplantation liegt für
die Kombination mit Steroiden und Mycophenolat-Mofetil
(MMF) bei 5–10 ng/mL und ohne MMF bei 8–12 ng/mL.
Literatur
Armstrong VW, Streit F (2003) Drug monitoring of sirolimus and everolimus. J Lab Med 27:222–227
Flechner SM, Goldfarb D, Modlin D et al (2002) Kidney transplantation
without calcineurin inhibitor drugs: a prospective, randomized trial
of sirolimus versus cyclosporine. Transplantation 74:1070–1076
SIRS
▶ Sepsiskenngrößen
Skeggs, Leonard Tucker Jr.
2175
SI-System
b-Sitosterol
▶ Einheitensystem
▶ SI-Einheiten
▶ Sitosterin
Sitosterin
Skala, metrische
K. J. Lackner und D. Peetz
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) 22:23-Dihydrostigmasterol; b-Sitosterol
Synonym(e) Kardinalskala
Englischer Begriff sitosterol
Englischer Begriff metric scale
Beschreibung Sitosterin ist ein pflanzliches Sterol, das vom
Menschen intestinal kaum resorbiert wird. Es unterscheidet
sich vom ▶ Cholesterin durch eine Ethylgruppe am Kohlenstoff 24 der Seitenkette.
Strukturformel:
Definition Oberbegriff für Differenzskala (▶ Intervallskala)
und Ratio-Skala (▶ Verhältnis-Skala).
Literatur
DIN 55350, Teil 12 (1989) Begriffe der Qualitätssicherung und Statistik.
Merkmalsbezogene Begriffe. Beuth-Verlag, Berlin
Skala, topologische
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff topological scale
Für die selektive Resorption und Ausscheidung ist die normale Funktion der „ATP-binding cassette (ABC)“-Transporter
G8 und/oder G5 erforderlich. Defekte eines dieser Gene führen
zur Sitosterolämie, einer Erkrankung mit erhöhtem Serum- und
Gewebegehalt von Sitosterin, Xanthomen und frühzeitiger
Atherosklerose. Die Konzentrationsbestimmung von Sitosterin
erfolgt meist mittels ▶ GC-MS oder LC-MS/MS. Da Sitosterin
einerseits die Entstehung von Atherosklerose fördern kann,
andererseits wie auch andere Pflanzensterole und -stanole die
Resorption von Cholesterin und die Serumkonzentration von
LDL-Cholesterin vermindert, ist die Bedeutung von Sitosterin
in der Nahrung und insbesondere als Nahrungsergänzungsmittel momentan Gegenstand der Diskussion.
Literatur
Gylling H, Plat J, Turley S et al (2014) European Atherosclerosis Society
Consensus Panel on Phytosterols. Plant sterols and plant stanols in
the management of dyslipidaemia and prevention of cardiovascular
disease. Atherosclerosis 232:346–360
Definition Oberbegriff für ▶ Nominalskala und ▶ Ordinalskala.
Literatur
DIN 55350, Teil 12 (1989) Begriffe der Qualitätssicherung und Statistik.
Merkmalsbezogene Begriffe. Beuth-Verlag, Berlin
Skeggs, Leonard Tucker Jr.
O. A. Gressner und A. M. Gressner
Lebensdaten Amerikanischer Mediziner, geboren am 09. Juni
1918 in Fremont, Ohio/USA, gestorben am 04. Dezember 2002
in Cleveland, Ohio/USA. Studium an der Youngstown State
S
2176
University, OH. Master’s Degree (1941) und Doktorand
(1948) in Biochemie an der Western Reserve University, Cleveland (WRU). Direktor des Hypertensionslabors am Cleveland
Veterans Affairs Hospital. 1992 Gründung der Leonard und Jean
Skeggs Stiftungsprofessur für Biochemie. Im Jahr 1997 Aufnahme in die Cleveland Medical Hall of Fame.
Verdienste Skeggs und sein Kollege Jack Leonards entwickelten im Jahr 1948 den als „künstliche Niere“ bezeichneten
ersten Plattenhämodialysator. Ebenfalls wurde durch Skeggs
der Grundstein für die Entwicklung der ACE-Hemmer im
Jahr 1956 mit der bahnbrechenden Aufklärung der Funktion
des „angiotensin-converting enzyme“ (ACE; ▶ Angiotensinkonvertierendes Enzym) gelegt, wofür er 1968 mit dem Vernon Stouffer Award ausgezeichnet wurde.
Skeggs ist jedoch v. a. für die erste Konzeption von einem
teilautomatisierten ▶ Analysegerät für die Laboratoriumsdiagnostik Ende der 1940er-Jahre bekannt, durch dessen Schlauchsystem ein kontinuierlicher „Strom von Reagenzien“
geschickt wurde, die fotometrisch analysiert und über einen
Rechner ausgewertet werden konnten. Dieses Verfahren
wurde jedoch erst 1954 durch die New Yorker Firma Technicon Corp. weiter kommerzialisiert. Der hieraus hervorgegangene Prototyp des „Autoanalyzer Technicon“ konnte 12 Parameter des Blutserums bestimmen und war bis 1970 in
zahlreichen Laboratorien in Gebrauch.
Skleroproteine
SLC4A1
▶ Diego-(DI-)Blutgruppensystem
SLC14A1 (solute carrier family 14,
member 1)
▶ Kidd-Blutgruppensystem
Slides
▶ Analyse mit trägergebundenen Reagenzien
S&L-Index
▶ Shine- und Lal-Index
SMA
Literatur
Lewis L (1981) Leonard Tucker Skeggs-a multifaceted diamond. Clin
Chem 27(10) 1465–1468
Skeggs LT (1957) An automatic method for colorimetric analysis. Amer
J Cin Pathol 28:311–322
▶ Autoantikörper gegen glatte Muskulatur
Small interfering RNA
▶ siRNA
Skleroproteine
▶ Proteine, fibrilläre
Sm-Antikörper
▶ Autoantikörper gegen Sm
SLA-Antikörper
Smart select
▶ Autoantikörper gegen SLA
▶ Data-dependent acquisition
SLA-Autoantikörper
Smooth muscle antibodies
▶ Autoantikörper gegen SLA
▶ Autoantikörper gegen glatte Muskulatur
Society of Hair Testing
sMRP
2177
Literatur
dbSNP.: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/snp/. Zugegrieffen am 05.06.2018
▶ Mesothelin-related peptide
Sn
S/N-Ratio
▶ Grundrauschen
▶ Zinn
Snellius-Brechungsgesetz
▶ Refraktion
S/N-Verhältnis
▶ Grundrauschen
SNP
sO2
J. Arnemann
▶ Sauerstoffsättigung
Synonym(e) Einzelnukleotid-Polymorphismus
Englischer Begriff single nucleotide polymorphism; SNP
Société Internationale de Transfusion
Sanguine (SITS)
Definition Mit dem Begriff Einzelnukleotid-Polymorphismus (SNP) wird die Variation eines einzelnen Basenpaares
in einem definierten DNA-Abschnitt bezeichnet.
▶ International Society of Blood Transfusion
Beschreibung Die SNP-Varianten sind in der SNPDatenbank (dbSNP) unter definierten Referenznummern
und mit zusätzlichen Informationen zu Häufigkeit, Allelverteilung und genomischen Kenngrößen gelistet. Die Nukleotid-Substitutionen sind Keimbahnvarianten und damit erblich
und unterscheiden sich von somatischen Punktmutationen. In
geschätzt zwei Drittel aller Fälle findet sich ein C>TAustausch, der oftmals auf die Desaminierung eines methylierten Cytosins (5-Methylcytosin) zu Thymin zurückzuführen ist.
Die SNPs finden sich in kodierenden, wie auch nicht
kodierenden intronischen Bereichen. Die Mehrzahl der SNPs
sind funktionslos („silent mutation“), dennoch können in
bestimmten Fällen funktionelle Aminosäureaustausche damit
einhergehen, bei SNPs in Promotor- oder regulatorischen
Bereichen eine Modifikation der Transkriptionsaktivität oder
bei SNPs in Intronbereichen in seltenen Fällen eine neue
kryptische Spleißstelle. Eine funktionelle Auswirkung muss
im Einzelfall und mithilfe der Datenbank überprüft werden.
Einsatzgebiete sind u. a. Tests auf krankheitsassoziierte
Varianten, wie z. B. die adulte Laktoseintoleranz
Society of Hair Testing
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Gesellschaft für Haaranalytik; SoHT
Definition Internationale Gesellschaft zur Förderung der
Technologie und Analytik von Haarproben sowie deren wissenschaftliche und klinische Bewertungen.
Beschreibung Die 1995 gegründete internationale Gesellschaft widmet sich der Förderung der Forschung und Entwicklung zur Analytik von Haaren für diagnostische, forensische und arbeitsmedizinische Zwecke. Damit verbunden
sind entsprechende Analysen zum Nachweis von Dopingpharmaka und zur Drogenkonsumption. Zu diesem Zweck
werden von der SoHT regelmäßig aktuelle ConsensusStatements publiziert und internationale Kongresse zur Präanalytik, Technologie, Materialgewinnung und Interpretation
der Ergebnisse organisiert.
S
2178
SOD
Literatur
Cooper GAA, Kronstrand R, Kintz P (2012) Society of hair testing
guidelines for drug testing in hair. Forensic Sci Int 218(1–3):20–24
Europ Workplace Drug Testing Society, edit. (2010) Drug and alcohol
testing in hair, collection and analysis. Version 1.0
http://www.soht.org/
SOD
▶ Superoxiddismutase
Beschreibung Der SOFA-Score erfasst die wichtigsten
Organfunktionen mit jeweils einem Parameter und teilt den
Schweregrad der Organdysfunktion entsprechend der Abweichung dieses Parameters von der Norm ein. Grundlage der
täglichen Erhebung (24-Stunden-Zeiträume) sind die jeweils
schlechtesten Werte für jedes Organsystem, wobei im Einzelnen die Organsysteme Niere, Leber, Lunge, zentrales Nervensystem, Herz, Kreislauf- und Gerinnungssystem in die
Bewertung einbezogen werden (Tab. 1). Für jedes einzelne
Organsystem werden zwischen 0 (normale Funktion) und 4
(deutlich eingeschränkte Funktion bzw. Einsatz eines Organersatzverfahrens) Punkte vergeben. Alle Organsysteme fließen zu gleichen Teilen in die Gesamtbewertung ein.
Bestimmt werden die Kenngrößen (Kenngröße, klinischchemische):
Sodiumdodecylsulfat-Elektrophorese
•
•
•
•
•
•
▶ SDS-Elektrophorese
SOFA-Score
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Sequentieller Organfehlfunktion-Score
Englischer Begriff sequential organ failure assessment
score
Definition Von der European Society for Intensive Care
Medicine festgelegter klinisch-labordiagnostischer Konsens
für die objektive Beurteilung des Schweregrads eines Multiorganversagens.
▶ Kreatinin oder Ausfuhrmenge
▶ Bilirubin (gesamt)
Blutdruck
▶ Katecholamine (semiquantitativ)
▶ Thrombozyten-Zahl
Glasgow Coma Scale Score (Grad der Bewusstseinsstörung)
Zur Einschätzung der respiratorischen Leistung wird der
Oxygenierungsindex nach Horovitz zur Quantifizierung der
pulmonalen Gasaustauschstörung (Horovitz et al. 1974) verwendet. Die Berechnung dieses Oxygenierungsindexes erfolgt
durch Bildung des Quotienten aus arteriellem ▶ Sauerstoffpartialdruck (pO2) und inspiratorischem Sauerstoffanteil (FiO2).
Interpretation Studien konnten zeigen, dass eine Zunahme
der Score-Werte für jedes einzelne Organsystem eine erhöhte
Mortalität prognostiziert. Sowohl die an einem einzelnen Tag
erreichte absolute Punktzahl als auch die Differenz zum Aufnahmewert erwies sich als prognostisch bedeutend.
SOFA-Score, Tab. 1 Bewertung des Schweregrads der Organdysfunktion mittels SOFA-Score
Organ
Respiration
Parameter
pO2/FiO2 (mmHg)
Niere
Leber
Herz,
Kreislauf
Kreatinin (mg/dL) oder Urinmenge
(mL/Tag)
Bilirubin (gesamt; mg/dL)
Blutdruck (mmHg)
Katecholamine (mg/kg KG/min)
Gerinnung
ZNS
Thrombozyten (1000/mm3)
Glasgow Coma Scale Score
Punkte
1
<400
2
<300
1,2–1,9
2,0–3,4
1,2–1,9
MAD
<70 mmHg
2,0–5,9
Dopamin
5
Dobutamin
<150
14–13
<100
12–10
3
Maschinelle Beatmung
<200
3,5–4,9
<500
6,0–11,9
Dopamin >5
Adrenalin 0,1
Noradrenalin 0,1
<50
9–6
4
<100
>5,0
<200
>12,0
Dopamin >5
Adrenalin 0,1
Noradrenalin
0,1
<20
<6
FiO2, inspiratorischer Sauerstoffanteil; MAD, mittlerer arterieller Druck; pO2, arterieller Sauerstoffpartialdruck; Glasgow Coma Scale Score,
international verbreitetes Punktesystem zur Abschätzung einer Bewusstseinsstörung anhand von Augenöffnung, verbaler und motorischer Reaktion.
Software
Literatur
Horovitz JH et al (1974) Pulmonary response to major injury. Arch Surg
108:349–355
Vincent JL et al (1996) The SOFA (Sepsis-related Organ Failure Assessment) score to describe organ dysfunction/failure. Intensive Care
Med 22:707–710
Sofortdiagnostik, immunologische
W. Stöcker und C. Krüger
Synonym(e) Immunschnelltests
Englischer Begriff rapid immunotests
Definition Patientennahe qualitative oder quantitative immunologische Einzelmessungen von Antigenen oder Antikörpern ohne aufwendige Probenvorbereitung, unter Verwendung gebrauchsfertiger Reagenzien.
Einsatzgebiete Patientennahe, von ungeschultem Personal
oder vom Patienten selbst ausführbare immunologische Analytik, die innerhalb weniger Minuten zu leicht interpretierbaren Ergebnissen führt. Der Nachweis des humanen Choriogonadotropins (HCG; ▶ Choriongonadotropin, humanes) im
Urin (Schwangerschaftstest) war einer der ersten verfügbaren
kommerziellen Schnelltests. Mittlerweile gibt es in der
Human- und Veterinärmedizin eine Vielzahl immunologischer Schnelltestsysteme. Zum direkten Nachweis von Viren
(z. B. ▶ HIV-1 und -2, ▶ Influenza-Viren A, B und C und
▶ Hanta-Viren), Bakterien (Legionellen, Helicobacter, Streptokokken), Pilzen (Candida albicans) oder Parasiten (Plasmodium falciparum) oder zur Untersuchung von Antikörpern bei
Autoimmun- und Infektionserkrankungen und Allergien (rheumatoide Arthritis, Zöliakie, Borreliose, allergische Diathese). In
der Landwirtschaft weist man mit immunologischen Schnelltests Pestizide nach, bei Verkehrskontrollen Drogen, wie
▶ Amphetamine und Tetrahydrocannabiol (▶ Cannabinoide),
in der Lebensmittelindustrie ▶ Histamin im Fisch.
Analytik Die Testsysteme für die immunologische Sofortdiagnostik basieren größtenteils auf den gleichen Prinzipien
wie konventionelle Assays (▶ Enzyme-linked Immunosorbent Assay, ▶ Immunfluoreszenz, indirekte, ▶ Western blot
etc.). Ein Beispiel ist das sogenannte Lateral-flow-Prinzip:
Die zu untersuchende Probe wird durch Kapillarkräfte über
eine Nitrocellulosemembran gezogen, um dort mit gebundenen Antikörpern (oder Antigenen) zu reagieren. Als Nachweisreagenzien dienen in der Regel mit Gold oder farbigen
Latexpartikeln markierte Antigene (oder Antikörper), die in
2179
einem zweiten Inkubationsschritt eine visuell identifizierbare
Reaktionsbande erzeugen.
Bei anderen Tests wird durch die immunologische Reaktion eine Enzymaktivität beeinflusst, was, über Biosensoren
vermittelt, elektrochemische Signale hervorruft. Es gibt auch
„homogene Immunschnelltests“, bei denen Probe, Konjugat
und Substrat in einem Schritt gemeinsam inkubiert werden.
Probenmaterial Serum, Plasma, Vollblut, Kapillarblut,
Speichel, Stuhl, Urin, Liquor.
Diagnostische Wertigkeit Für einige Analyte sind sehr
empfindliche immunologische Schnelltests mit Sensitivitäten
(▶ Sensitivität, diagnostische) über 98 % verfügbar, z. B.
Schwangerschaftstest, HIV-Nachweis. Oft leidet aber die entsprechende Spezifität aufgrund der sehr kurzen Reaktionszeiten, sodass positive Reaktionen nach Möglichkeit in etablierten
kompetenten Laboratorien mit konventionellen Testsystemen
bestätigt werden sollten. Unentbehrlich sind immunologische
Schnelltests unter anderem bei Verdacht auf lebensbedrohliche Erkrankungen, die rasches Handeln erfordern, wie Myokardinfarkt oder Septikämie.
Literatur
Luppa PB, Schlebusch H (Hrsg) (2008) POCT – Patientennahe Labordiagnostik. Springer, Heidelberg/Berlin/New York, S 382
Stürenburg E, Junker R (2009) Point-of-care testing in microbiology: the
advantages and disadvantages of immunochromatographic test
strips. Dtsch Ärztebl Int 106:48–54
Sofortdiagnostik, patientennahe
▶ Patientennahe Sofortdiagnostik
S
Software
O. Colhoun
Synonym(e) Anwendung; Anwendungsprogramm
Englischer Begriff software
Definition Die „immateriellen“ Komponenten eines Computersystems, im Unterschied zur „greifbaren“ Hardware.
Beschreibung Nach DIN 44300 die „Gesamtheit oder Teil
der Programme für Rechensysteme, wobei die Programme
2180
zusammen mit den Eigenschaften der Rechensysteme den
Betrieb der Rechensysteme, die Nutzung der Rechensysteme
zur Lösung gestellter Aufgaben oder zusätzliche Betriebsund Anwendungsarten der Rechensysteme ermöglicht“.
SoHT
Definition Ohne Anwendung eines Referenzmessverfahrens
(▶ Referenzmessverfahren) ermittelter Zielwert.
Anmerkung: Der Sollwert kann gegenüber dem wahren
Wert (▶ wahrer Wert einer Größe) eine nicht vernachlässigbare systematische ▶ Messabweichung enthalten.
SoHT
Literatur
▶ Society of Hair Testing
Solid-phase Micro-Extraction
Bundesärztekammer (2014) Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen. Dtsch
Ärztebl 111:A1583–A1618
Qualitätsmanagement in der Laboratoriumsmedizin (2000) Teil 1:
Grundbegriffe. DIN 58936-1, 3.1.9.2. Beuth-Verlag GmbH, Berlin
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Festphasen-Mikroextraktion; SPME
Sollwertermittlung
Englischer Begriff solid phase micro-extraction
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Definition Verfahren der Probenvorbereitung für gaschromatographische Analysen (▶ Gaschromatographie).
Beschreibung Bei der SPME handelt es sich um ein Extraktionsverfahren, bei dem eine dünne Faser, die mit speziellen
Adsorbenzien belegt ist, Analytmoleküle aus einer Matrix
aufnimmt. Anschließend wird die Faser über eine Kanüle in
das Einlasssystem eines Gaschromatographen verbracht und
die Analyse durchgeführt. Es gibt verschiedene Verfahrensweisen für die SPME. Die Faser kann direkt in eine zu
analysierende Flüssigkeit eingetaucht werden. Beim Vorliegen flüchtiger Analyten kann die Extraktion auch aus dem
Dampfraum (Headspace) über einer zu analysierenden Flüssigkeit oder einer festen Probe (z. B. eingedampfter Extrakt)
geschehen. Bei letzterer wird ein gasdichtes Gefäß mit der
Probe erhitzt. Über die Kanüle einer Spritze wird die SPMEFaser in den Dampfraum des Probengefäßes eingebracht,
sodass flüchtige Verbindungen aufgenommen werden können. S. a. ▶ Festphasenextraktion, ▶ Mikrosäulen.
Literatur
Pawliszyn J (1997) Solid phase microextraction. Wiley-VCH, New York
Englischer Begriff procedure for the determination of
method dependent assigned values
Definition Verfahren zur Bestimmung von Sollwerten
(▶ Sollwert) in ▶ Kontrollmaterial.
Beschreibung Für die Beurteilung der Richtigkeit im Rahmen der internen ▶ Qualitätssicherung werden Kontrollmaterialien (▶ Kontrollmaterial) benötigt, die vorgeben, welcher ▶ Messwert mit einem bestimmten Analyseverfahren
gefunden werden sollte. Dieser Sollwert ist nur für das genau
angegebene Analysenverfahren gültig, muss aber soweit als
technisch möglich metrologisch rückführbar sein. Das Verfahren wird eingesetzt, wenn ein ▶ Referenzmethodenwert
nicht zur Verfügung stehen.
Literatur
Bundesärztekammer (2014) Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen. Dtsch
Ärztebl 111:A1583–A1618
Sollwert
Somatische Mutation
C. Vidal und W.-R. Külpmann
J. Arnemann
Englischer Begriff method dependent assigned value
Synonym(e) Spontane Gewebemutation
Somatostatin
2181
Englischer Begriff somatic mutation
Somatomedin C
Definition Im Gegensatz zu Keimbahnmutationen entstehen
somatische Mutationen spontan und betreffen nur bestimmte
Zellreihen, können also, mit Ausnahme von De-novo-Keimzellmutationen, nicht weiter vererbt werden.
Beschreibung Somatische Mutationen sind mehrheitlich
Fehler bei der DNA-Replikation mitotisch aktiver Zellen
und werden als Transläsionssynthese (TLS) beschrieben.
Unter TLS versteht man einen Prozess, der in einem gewissen
Rahmen einen DNA-Schaden toleriert und eine DNAReplikation über DNA-Läsionen, wie z. B. Thymindimere
oder AP-Abschnitte, hinweg erlaubt. Unter AP-Abschnitte
versteht man in diesem Zusammenhang ein abasisches Molekül, das aufgrund von chemischen Noxen weder eine Purinnoch eine Pyrimidinbase („apurinic/apyrimidic site“) besitzt.
Ein wesentlicher Faktor sind dabei oxidative DNA-Schäden.
Aber auch Fehler bei der DNA-Reparatur oder Mutationen
aufgrund von mutagenen Agenzien können das Entstehen
von somatischen Mutationen fördern.
Ein pathogener Effekt kann bevorzugt auftreten, wenn es
sich um sehr teilungsaktive Zellen handelt und die Mutation
zelluläre Funktionen, Regelkreise, Signalwege oder die DNAReparaturmechanismen grundlegend stört. Dies kann die
zelluläre Differenzierung beeinträchtigen und zu einer Proliferation wenig differenzierter Zellen als möglichen Beginn
einer Tumorerkrankung führen.
Bei erblichen Tumorerkrankungen, wie z. B. erblicher
Brust- und Eierstockkrebs Typ BRCA1/2, bei denen bereits
konstitutiv eine ererbte Mutation vorliegen, kann das Auftreten einer zweiten somatischen Mutation so die Krebsentstehung triggern, zumal es zu einem Komplettausfall der Funktion eines Tumorsuppressors kommt.
Literatur
Martincorena I, Campbell PJ (2015) Somatic mutation in cancer and
normal cells. Science 349:1483–1489
Somatokrinin
▶ Wachstumshormon-Releasinghormon
Somatoliberin
▶ Wachstumshormon-Releasinghormon
▶ Insulin-like growth factor I
Somatorelin
▶ Wachstumshormon-Releasinghormon
Somatostatin
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) SRIF
Englischer Begriff somatostatin; somatotropin release inhibiting hormone (factors); SRIF
Definition Ein in mehreren Organen und Geweben (Magen,
Duodenum, Pankreas, Darmtrakt, Hypothalamus, ZNS) synthetisiertes, lineares Peptidhormon mit breiter inhibitorischer
Wirkung auf Hormon-, Magen- und exokrine Pankreassekretion.
Beschreibung Das in den D-Zellen des Magenantrums, in
Duodenum, Langerhans-Inseln des Pankreas, Intestinaltrakt,
Hypothalamus und ZNS als Präprosomatostatin synthetisierte, nachfolgend proteolytisch prozessierte Somatostatin
kommt in 2 Formen mit 14 Aminosäuren (SS-14, SRIF14)
und 28 Aminosäuren (SS-28, SRIF28) vor, deren relative
Verteilung gewebeabhängig verschieden ist (s. Abbildung):
SS-14 vorwiegend im ZNS und alleinig im Pankreas, SS-28
im Magen-Darm-Trakt.
Die Abbildung zeigt die Struktur und die Prozessierung
von Somatostatin:
S
2182
Sekretionsstimuli sind Nahrungsaufnahme und Magensäure im Duodenallumen. Physiologische Effekte (antisekretorisch, antiproliferativ, antiangiogen) werden über 5 Subtypen
G-Protein-gekoppelter Rezeptoren vermittelt und betreffen:
Hemmt die Sekretion von ▶ Somatostatin, ▶ Wachstumshormon, ▶ Thyreotropin, ▶ Insulin, ▶ Glukagon, ▶ Gastrin,
▶ Cholecystokinin, ▶ Sekretin, ▶ Polypeptid, pankreatisches, ▶ Vasoaktives intestinales Polypeptid, ▶ Gastrointestinales Peptid, ▶ Motilin, ▶ Calcitonin, Triiodthyronin
(▶ Triiodthyronin, freies), Thyroxin (▶ Thyroxin, freies),
▶ Aldosteron und anderen Hormonen. Damit Inhibitor der
Magensäure-, Pankreassaft- und Gallesekretion. Zusätzlich
neuromodulatorische Aktivität.
Halbwertszeit in der Zirkulation 1–3 Minute.
Nüchternkonzentration im EDTA-Plasma methodenabhängig verschieden, Richtwert für Normalpersonen <25 ng/L.
Analyt instabil (eisgekühltes Plasma mit Aprotininzusatz).
Konzentrationsbestimmung mit kompetitivem ▶ Radioimmunoassay oder ▶ Enzymimmunoassay nach Säulenextraktion.
Konzentrationserhöhungen: Somatostatin-produzierender
Tumor (Somatostatinom), Phäochromozytom, alkoholische
Lebererkrankungen, Colitis ulcerosa.
Somatotropes Hormon
Sonata
▶ Zaleplon
SOP
▶ Standardarbeitsanweisung
Sorbens
▶ Stationäre Phase
Sorbitdehydrogenase
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Literatur
Herrera-Martinez AD, Gahete MD, Pedraza-Arevalo S et al (2018)
Clinical and functional implication of the components of somatostatin system in gastroenteropancreatic neuroendocrine tumors.
Endocrine 59(2):426–437
Weckbecker G, Lewis I, Albert R, Schmidt HA, Hoyer D, Bruns C
(2003) Opportunities in somatostatin research: biological, chemical
and therapeutic aspects. Nat Rev Drug Discov 2:999–1017
Somatotropes Hormon
▶ Wachstumshormon
Somatotropin
▶ Wachstumshormon
Synonym(e) EC 1.1.1.14; Iditol-Dehydrogenase; SDH
Englischer Begriff sorbitol dehydrogenase; L-iditol dehydrogenase
Definition SDH ist ein für den Fruktosestoffwechsel der
Leber wichtiges, rein zytoplasmatisch lokalisiertes und mit
hoher spezifischer Aktivität nur in der Leber (Hepatozyten)
vorkommendes Enzym, dessen Aktivitätsbestimmung im
Serum früher zur Diagnose nekrotisierender Leberparenchymschäden eingesetzt wurde.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination SDH katalysiert die reversible Umwandlung von D-Fruktose zu
D-Sorbit in Anwesenheit von NADH + H+. Die Organgehalte
an SDH-Aktivität in Leber, Niere und Prostata verhalten sich
wie 200:50:1, die mit Abstand höchste spezifische Aktivität
besitzt die Leber. Muskel und Erythrozyten enthalten nur sehr
geringe oder keine SDH-Aktivitäten.
Funktion – Pathophysiologie SDH im Serum ist ausschließlich hepatischen Ursprungs (hohe Organspezifität).
Extrazellulär verliert SDH rasch an Aktivität.
Somatropin
▶ Wachstumshormon
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum,
Heparin-Plasma.
Southern-Blot-Analyse
2183
Probenstabilität SDH ist sehr instabil. Bei Raumtemperatur
25 % Aktivitätsabnahme pro Tag, bei 4–8 C und bei –20 C
ebenfalls Aktivitätsverluste.
Analytik Die Aktivitätsbestimmung erfolgt im einfachen
optischen Test gemäß folgender Reaktion:
D-Fruktose + NADH + H+
pH 7,5
pH 9,5
D-Sorbit + NAD+
Die Oxidationsrate von NADH + H+ gemessen an der
Absorptionsabnahme bei 334, 340 oder 366 nm pro Zeiteinheit entspricht der SDH-Aktivität.
Referenzbereich – Erwachsene 37 C Messtemperatur:
0–2,6 U/L (44 nkat/L).
Im gesunden Serum ist (nahezu) keine SDH-Aktivität
nachweisbar.
Indikation Diagnose und Verlaufskontrolle von Leberparenchymzellschädigungen.
Interpretation Aktivitätsanstiege sind spezifisch für Parenchymzellnekrosen im Rahmen akuter infektiöser Hepatitiden,
toxischen Leberzellschädigungen, hypoxischer Leberschäden
(z. B. akute Rechtsherzinsuffizienz nach Herzinfarkt), primärer und sekundärer Lebertumoren und Traumatisierungen.
Die Verwendung des Enzyms ist heute obsolet, da Aktivitätsanstieg relativ flüchtig und inkonstant sind.
Verdienste Nach dem Studium der Chemie an der University of Manchester (1958) und Promotion an der University of
Glasgow (1962) arbeitet Southern als Molekularbiologe am
Medical Research Council (MRC) der University of Edinburgh, wo er sich methodisch mit der DNA-Sequenzanalyse
beschäftigte. Dort entwickelte er auch die nach ihm benannte
Methode des „Southern Blots“ zum Nachweis spezifischer
DNA-Sequenzen, die er 1975 im Journal of Molecular Biology publizierte (▶ Southern-Blot-Analyse). Weitere Projekte
in seiner Zeit als Direktor des Institutes of Biochemistry an
der University of Oxford waren auf die Kartierung des humanen Genoms und auf die Entwicklung von DNA-Chips
gerichtet.
Literatur
Harding A (2005) Sir Edwin Southern: scientist as problem solver.
Lancet 366:1919
Southern EM (1975) Detection of specific sequences among DNA
fragments separated by gel electrophoresis. J Mol Biol 98(3):
503–517
Southernblot
▶ Southern-Blot-Analyse
Literatur
El-Kabbani O, Darmanin C, Chung RP (2004) Sorbitdehydrogenase:
structure, function and ligand design. Curr Med Chem 11(4):465–476
Greiling H, Gressner AM (Hrsg) (1995) Lehrbuch der Klinischen Chemie und Pathobiochemie, 3., neubearb. Aufl., Schattauer Verlag,
Stuttgart, New York
Southern-Blot-Analyse
J. Arnemann
S
Synonym(e) Southernblot
Sotalol
▶ b-Rezeptorenblocker
Englischer Begriff Southern blot analysis
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Definition Zweck der Southern-Blot-Analyse ist die Darstellung von spezifischen DNA-Fragmenten durch Hybridisierung mit definierten DNA-Sonden nach erfolgtem Transfer
der restriktionsenzymatisch gespaltenen und im Agarosegel
elektrophoretisch aufgetrennten DNA-Moleküle auf eine Trägerfolie.
Lebensdaten Englischer Chemiker und Molekularbiologe,
geboren am 7. Juni 1938 in Burnley, Lancashire, UK.
Beschreibung Die in einer Agarosematrix gelelektrophoretisch aufgetrennten DNA-Fragmente werden in Spiegelung des
photographisch dokumentierten Auftrennungsergebnisses in
Southern, Edwin Mellor
2184
einem 1:1-Verhältnis auf eine Trägermembran übertragen und
für weitergehende Anwendungen fixiert.
Die Übertragung erfolgt dabei im klassischen SouthernBlotting, einer Methode nach dem Biochemiker Southern
(▶ Southern, Edwin Mellor). Hierbei werden die gefärbten und
photographierten Agarosegele mit den längenmäßig aufgetrennten und als „Wolke“ nicht identifizierbaren DNA-Fragmenten
durch Inkubationen in
• depurinierender Lösung (0,25 M HCl-Lösung) zur Fragmentierung,
• alkalischer Denaturierungslösung (0,5 N NaOH-1,5 M
NaCl-Lösung) zur Überführung vom DNA-Doppel- zum
DNA-Einzelstrang und
• Neutralisierungspuffer (z. B. 1 M Tris-HCl pH 5 – 3 M
NaCl) zur Neutralisierung.
Das Gel wird anschließend auf den Southern-Blot-Apparat,
einer Glasscheibe zwischen 2 Pufferbehältern (20 SSC-Lösung) gelegt mit Verbindung über dickes Filterpapier. Das
Agarosegel wird mittels Frischhaltefolie an den Seiten perfekt
abgedeckt. Anschließend wird die eigentliche Trägermembran (Nylon- oder Nitrozellulosemembran) passgenau auf das
Gel platziert und mit einem Stapel Filterpapiere und einem
kleinen Gewicht (250–500 g) bedeckt. Die Kapillarkräfte
lassen den Puffer durch das Agarosegel und die Trägermembran nach oben in den Filterpapierstapel steigen, wobei die
einzelsträngigen DNA-Fragmente mitgeführt werden und in
korrespondierender Position an die Trägermembran binden
und nach abgeschlossenen Transfer fixiert werden (z. B. durch
UV-Licht).
Die Trägermembranen werden anschließend in Hybridisierungsexperimenten eingesetzt, wo definierte einzelsträngige DNA-Sonden (z. B. Plasmide), radioaktiv mittels P32
markierte Nukleotide oder nicht radioaktiv mittels DIG oder
Biotin markierte Nukleotide, mit der Trägerfolie inkubiert
werden. Die Sonden hybridisieren dabei mit den komplementären DNA-Fragmenten (z. B. Patienten-DNA) auf der Trägerfolie und bilden ein stabiles Hybridmolekül, das entsprechend der Markierung durch Autoradiographie (P32) oder
Chemielumineszenz (DIG, Biotin) nachgewiesen wird. Die
Größen der dargestellten DNA-Fragmente werden anhand
von mitgeführten DNA-Markern bestimmt.
Die Southern-Blot-Analyse ermöglicht eine Kartierung
und Zuordnung von DNA-Fragmenten im Rahmen einer
RFLP-Analyse (Restriktionsfragmentlängenanalyse) und die
Detektion pathologischer bzw. abweichender DNA-Fragmente im Krankheitsfall.
Die Methode hat in den vergangenen Jahren zugunsten der
PCR-Techniken (▶ PCR (Polymerase-Kettenreaktion)) an
Bedeutung verloren und wird diagnostisch nur noch selten,
wie z. B. zur Methylierungsanalyse bei fraX-Patienten
(FMR1) eingesetzt.
SOX1-Autoantikörper 2
Literatur
Roche Molecular Biochemicals (2000) DIG application manual for filter
hybridization. Roche Diagnostics GmbH, Mannheim
Sambrook J, Fritsch EF, Maniatis T (1989) Molecular cloning – a laboratory manual. Cold Spring Harbor Laboratory Press, New York
Southern EM (1975) Detection of specific sequences among DNA fragments separated by gel electrophoresis. J Mol Biol 98:503–517
SOX1-Autoantikörper 2
▶ Autoantikörper gegen Gliazell-Nuclei
SOX2-Gen-Test
▶ SHOX2-Test
SP
▶ Phosphatase, Prostataspezifische Saure
▶ Phosphatase, Saure
▶ Phosphatase-Reaktion
SP-2
▶ Sexualhormon-bindendes Globulin
Spannweite
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Synonym(e) Range
Englischer Begriff range
Definition Die Spannweite ist definiert als die Differenz
zwischen dem kleinsten (▶ Minimum) und dem größten
(▶ Maximum) ▶ Messergebnis.
Beschreibung Die Spannweite ist ein ausreißerempfindliches Maß für die ▶ Variabilität der Messergebnisse. Während
Speichel und Drogen
eine Addition bzw. Subtraktion einer Konstanten zu bzw. von
allen Messwerte den Wert der Spannweite nicht beeinflusst,
wirken sich eine Multiplikation bzw. Division aller Messwerte mit bzw. durch einen konstanten Faktor derart auf die
Spannweite aus, dass sich dieser gemäß derselben mathematischen Operation ändert. Die letztgenannte Eigenschaft der
Spannweite findet insbesondere bei einer Änderung der
Skala, in der die Werte gemessen wurden, Verwendung.
2185
Speciociliatin
▶ Kratom
Speciogynin
▶ Kratom
Literatur
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Speed
T. Arndt
Sp100-Antikörper
▶ PBC-assoziierte antinukleäre Autoantikörper
Definition Straßenname/Deckname für Amphetamine (▶ Straßennamen von Drogen: Amphetamine).
SPARC
Speichel als Probe
▶ Osteonectin
▶ Speichelgewinnung
SPE
▶ Mikrosäulen
SpearmanRangkorrelationskoeffizient
▶ Korrelationskoeffizient nach Spearman
Speichel und Drogen
T. Arndt
Synonym(e) Drogenscreening in Speichel; Mundflüssigkeit
und Drogen
Englischer Begriff saliva and drugs; oral fluid and drugs;
drug screening in oral fluid/saliva
Definition Nachweis von Drogen in Speichel bzw. Mundflüssigkeit.
Spearman’scher
Rangkorrelationskoeffizient
▶ Korrelationskoeffizient nach Spearman
Specimen
▶ Spezimen
Beschreibung Drogen und deren Metabolite gelangen
durch passive Diffusion aus dem Blut, Filtration, aktive
Sekretion und orale Kontamination in die ▶ Mundflüssigkeit
(s. Anmerkung unten) und können dort einen kurzzeitig zurückliegenden Drogenkonsums anzeigen.
Mit der Verfügbarkeit geeigneter Speichelsammelsysteme
steigt das Interesse an Speichel bzw. Mundflüssigkeit als
alternative Matrix zu Blut und Urin. Sie bietet z. B. Vorteile
bei der Probennahme. Diese ist nicht invasiv (wie die Blutentnahme), nicht die Intimsphäre berührend (wie die Urinab-
S
2186
gabe unter Sichtkontrolle) und im Beisein einer Aufsichtsperson weitgehend manipulationssicher. Weitere Vorteile sind im
Vergleich zu Urin die Nachweisbarkeit der Muttersubstanzen
und eine einheitlichere Matrix und im Vergleich zu Blut die
zumeist höheren Analytkonzentrationen.
Die Probensammlung kann über Adsorbentien wie
Watte oder Zellstoff erfolgen (▶ Speichelgewinnung) oder
über ein flüssigkeitsbasiertes Sammelsystem. Bei letzterem
werden z. B. 4 mL einer mit Lebensmittelfarbstoff markierten, schwach sauren Pufferlösung 2 Minuten im Mund
belassen und dann in einen Becher ausgespuckt. Das
Gemisch wird anschließend in Probenröhrchen überführt
und analysiert.
Bei diesem Verfahren dienen der saure pH einer forcierten
Speichelsekretion und der Farbstoff der kolorimetrischen
Bestimmung des Anteils an Mundflüssigkeit im Gemisch.
Zusätzlich werden Kortisol und Amylaseaktivität als wichtige
Speichelcharakteristika bestimmt, um Manipulationen durch
ggf. in den Backentaschen abgelegte Flüssigkeiten zu erkennen. Drogenscreenings in Mundflüssigkeit ergaben z. B. im
Vergleich zu Urinscreenings höhere Nachweisraten für
Amphetamin- und Heroinkonsum.
Derzeit noch nicht abschließend geklärte Fragen betreffen
alle Phasen der Erstellung eines analytischen Befundes:
Präanalytik Einfluss physiologischer und pathologischer
Zustände (z. B. hoher Sympathikotonus oder generelle
Mundtrockenheit), Stabilität der Analyte im Speichel.
Analytik Probenvorbereitung, Extraktionsverfahren, analytische Sensitivität im niedrigen pg/mL-Bereich (niedriger als
im Urin), Qualitätskontroll- und Ringversuchsmaterial adäquater Matrix.
Postanalytik/Interpretation Standardisierung der Matrix
(ähnlich zum Kreatininbezug für Urinanalysen), Wirkstoffkonzentrations-Wirkungs-Beziehungen, Speichel-Blut-Konzentrationsverhältnisse, Entscheidungsgrenzen (cut-offs).
Anmerkung Im Bereich der Klinischen Chemie wird zumeist
der Begriff Speichel (engl. „saliva“) benutzt, im Bereich der
forensischen Toxikologie und Arbeitsmedizin, insbesondere
im Drogenscreening, der Begriff Mundflüssigkeit, da er die
tatsächlich im Mundraum gewonnene Probenmatrix, die kein
reiner Speichel ist, besser beschreibt.
Speichelanalytik
Speichelanalytik
T. Arndt
Synonym(e) Salivaanalytik
Englischer Begriff oral fluid analysis; saliva analysis
Definition Nachweis oder Quantifizierung von biochemischen Kenngrößen in Speichel bzw. Mundflüssigkeit.
Beschreibung Mit der Verfügbarkeit geeigneter Speichelsammelsysteme (▶ Speichelgewinnung) steigt das Interesse
an Speichel bzw. Mundflüssigkeit als eine nicht invasiv zugängige Matrix für labormedizinische Untersuchungen. Speichelanalysen wurden u. a. bei Mund- und Rachenraum-,
Autoimmun- und Infektionserkrankungen vorgeschlagen.
Eine Übersicht findet sich bei Prasad et al. 2016.
Eine breitere Anwendung von Speichelanalysen im Routinelabor ist noch nicht zu erkennen. Die meisten Erfahrungen
liegen derzeit im Bereich der Drogenanalytik vor (▶ Speichel
und Drogen).
Literatur
Prasad S, Tyagi AK, Aggarwal BB (2016) Detection of inflammatory
biomarkers in saliva and urine: potential in diagnosis, prevention,
and tretament for chronic diseases. Exp Biol Med 241:783–799
SpeicheldrüsengangepithelAntikörper
▶ Autoantikörper gegen Speicheldrüsenausführungsgänge
Speichelgewinnung
W. G. Guder
Literatur
Boettcher M (2014) Drogen- und Medikamententestung im Speichel.
Trillium Diagnostik 2:82–83
Wille SM, Baumgartner MR, Fazio VD, Samyn N, Kraemer T (2014)
Trends in drug testing in oral fluid and hair as alternative matrices.
Bioanalysis 6:2193–2209
Synonym(e) Probengewinnung von Speichel; Speichel als
Probe
Englischer Begriff saliva collection; collection of saliva as
sample (specimen)
Spektralphotometrie
Definition Alle Arten der Gewinnung von Speichel als
Untersuchungsmaterial für diagnostische Zwecke.
Beschreibung Speichel als Untersuchungsmaterial hat die
Vorteile der nichtinvasiven Gewinnung und zuweilen der spezifischeren Information über „freie“ Konzentrationen z. B. von
Medikamenten und Drogen im Körper, verglichen mit Plasma.
Die Gewinnung der Probe wird mit einer der kommerziell
erhältlichen Speichelsammelvorrichtungen empfohlen, die auf
folgenden Prinzipien beruhen:
• Watterollen, die in den Mund eingelegt werden
(z. B. Sarstedt Salivette, Clin Rep Recipe)
• Polymerschaumstoff (Accu Sorb oder Oral Screen von
Avitar Technologies)
• Kunstseide oder Baumwolltupfer am Stiel (Orapette,
Fa. Trinity Biotech; Saliva Alcohol Test; Fa. STC-Technologies; Saliva Sampler, Fa. Stat Sure Diagnostic Systems, USA; Saliva Collection System (SCS) zum Sammeln von oraler Flüssigkeit („oral fluid“), Fa. Greiner-Bio
One; Abusa-Stick; Fa. Chem Elec)
• Polster am Lollipop-Stiel (Ora Sure = Epi-Screen,
Fa. Epitope, USA)
Die Speichelgewinnung erfolgt normalerweise aus
gemischtem Speichel der Parotis und Submandibulardrüsen.
Durch Einlegen von Absorbern unter die Ausführungsgänge
der jeweiligen Speicheldrüsen können aber auch gezielt Speichelproben der seitlich getrennten und nach Drüsen getrennten Arten gewonnen werden. Die Absorber werden durch
Zentrifugation in einem speziellen Probengefäß vom klaren
Speichel befreit, der dann als Untersuchungsmaterial dient.
2187
Speichermedium
▶ Datenträger
Spektralphotometer
T. Arndt
Synonym(e) Spektrophotometer
Englischer Begriff spectrophotometer
Definition Umgangssprachliche Bezeichnung für ein Spektrometer zur bildlichen Darstellung eines Spektrums
(▶ Spektrum).
Beschreibung Nach den Empfehlungen der IUPAC soll der
Begriff nicht mehr für spektrochemische Methoden und Verfahren verwendet werden, da ▶ Photometrie/▶ Photometer
die rein visuelle Auswertung einer Strahlung beschreiben
und nicht die Aufzeichnung von Intensitäten von Spektralbanden mithilfe eines oder mehrerer Detektoren, wie es in der
analytischen Chemie heute üblich ist.
Literatur
Inczedy J, Lengyel T, Ure AM (1998) Compendium of analytical nomenclature (definitive rules 1997), 3. Aufl. Blackwell Science, Oxford.
Literatur
Guder WG (2015) When are other other body fluids to be analyzed? In:
Guder WG, Narayanan S (Hrsg) Pre-examination procedures in
laboratory diagnostics. Walter de Gruyter, Berlin/Boston, S 81–89
Haeckel R, Colic D (1988) Verfahren zur Speichelgewinnung. In: Haeckel R (Hrsg) Speicheldiagnostik. GIT-Verlag, Darmstadt, S 1–8
Spektralphotometrie
T. Arndt
Synonym(e) Spektrophotometrie
Speicheltest
▶ Kaugummitest
Speicheltestung
▶ Salivatestung
Englischer Begriff spectrophotometry
Definition Umgangssprachliche Bezeichnung für eine Analyse
zur bildlichen Darstellung eines Spektrums (▶ Spektrum).
Beschreibung Heute unüblich, weil die aktuellen Methoden
und Verfahren nicht auf einer visuellen Beobachtung und
Auswertung beruhen, sondern gewöhnlich Intensitäten von
Spektralbanden aufzeichnen und danach per definitionem zur
▶ Spektrometrie/Spektroskopie gehören.
S
2188
Spektrenbibliothek
▶ Bibliotheksuche
Spektrenvergleich
▶ Bibliotheksuche
Spektrochemische Analyse
▶ Spektrometrie/Spektroskopie
Spektrograph
T. Arndt
Englischer Begriff spectrograph
Definition Kombination von ▶ Spektroskop oder Spektrometer (▶ Spektrometrie/Spektroskopie) mit einer Kamera,
die ein Bild eines Strahlungsspektrums (▶ Spektrum) auf
ein Fotogel oder eine zweidimensionale Anordnung elektronischer Bildsensoren aufnimmt (IUPAC-Definition).
Literatur
Inczedy J, Lengyel T, Ure AM (1998) Compendium of Analytical
Nomenclature (definitive rules 1997), 3. Aufl. Blackwell Science,
Oxford.
Spektrenbibliothek
und Verfahren, bei denen Phänomene der Lichtabsorption
und Lichtemission aufgenommen und ausgewertet werden.
Beide Begriffe werden zumeist synonym verwandt. Tatsächlich werden rein spektroskopische Methoden in der Analytik immer seltener angewandt. Der Begriff Spektrometrie
setzt sich deshalb immer stärker durch. Nach der gültigen
IUPAC-Definition ist der Begriff Spektrometrie zu verwenden, insbesondere dann, wenn die Lichtabsorptions- und
Lichtemissionsphänomene durch einen Detektor aufgezeichnet (und nicht nur visuell beobachtet) werden. Danach sind
praktisch alle im klinisch-chemischen Labor eingesetzten, auf
Lichtabsorption bzw. Lichtemission beruhenden Analysenverfahren spektrometrische Verfahren.
Physikalisch-chemisches Prinzip Grundlage der Spektrometrie ist das ▶ Lambert-Beer-Gesetz. Zur Bestimmung der
Konzentration (c) eines Analyten aus der Extinktion (E) wird
das Gesetz in der Form c = El,T/el,T d angewandt, wobei
die Schichtdicke (d) und der Extinktionskoeffizient (el,T) in
Abhängigkeit von der Wellenlänge (l) und der Temperatur
(T) durch die Messbedingungen festgelegt sind.
Einsatzgebiet Das Einsatzgebiet der Spektrometrie umfasst
praktisch alle Bereiche des klinisch-chemischen Labors, also
z. B. enzymatische, immunologische, elektrophoretische und
chromatographische Analysen. Einige Methoden nutzen charakteristische physikochemische (spektrochemische) Eigenschaften
des Analyten direkt zur Analyse (z. B. ▶ Atomabsorptionsspektrometrie und ▶ Atomemissionsspektrometrie, Flammenatomabsorptionsspektrometrie (▶ Flammenatomabsorptionsspektrometrie/-spektroskopie), ▶ Flammenemissionsspektrometrie,
▶ UV/VIS-Spektrometrie mit ▶ Photodioden-Array-Detektor).
Andere werten die infolge von spezifischen Reaktionen eintretenden Veränderungen in den spektrochemischen Eigenschaften
des Analysensystems aus. Diese Veränderungen können unmittelbares Ergebnis der Umsetzungsreaktion sein (z. B. im optischen Test nach Warburg [▶ Enzymaktivität], in der ▶ Immunnephelometrie und ▶ Immunturbidimetrie) oder aus mit der
Umsetzung des Analyten gekoppelten Reaktionen resultieren
(z. B. im gekoppelten optischen Test nach Warburg).
Spektrometrie/Spektroskopie
T. Arndt
Synonym(e) Spektrochemische Analyse
Englischer Begriff spectrometry/spectroscopy; spectrochemical analysis
Definition Die Begriffe Spektrometrie und ▶ Spektroskopie
sind Oberbegriffe für alle Messmethoden (▶ Messmethode)
Untersuchungsmaterial Prinzipiell sind alle Untersuchungsmaterialien unabhängig vom Aggregatzustand (fest,
flüssig, gasförmig) für spektrometrische Analysen geeignet.
Im klinisch-chemischen Labor handelt es sich mehrheitlich
um Analysen in ursprünglich flüssigen Proben (Blut, Plasma,
Serum, Urin) oder durch Flüssigextraktion gewonnene
Extrakte aus festen Proben (z. B. Fäzes).
Instrumentierung Ein spektrometrisches Analysensystem
zur Lichtabsorptionsmessung besteht in seiner allgemeinen
Form aus einer Strahlungsquelle, z. B. einer ▶ Deuterium-
Spektroskop
lampe oder ▶ Xenonlampe zur Erzeugung von Licht im ultravioletten oder einer ▶ Wolfram(faden)lampe („Glühbirne“)
für den visuellen Wellenlängenbereich. Der Strahlengang
wird durch ein Dispersionssystem wie z. B. ein Prisma oder
ein Gitter (▶ Monochromator) geführt, um aus dem originär
polychromatischen Licht monochromatisches Licht, d. h.
Licht einer bestimmten Wellenlänge (exakter eines sehr engen
Wellenlängenbereiches), zu isolieren. Dieses wird durch die
Messzelle (▶ Küvette) geleitet und in Abhängigkeit von der
Farbe und Farbdichte der in der Messzelle vorliegenden
Probe unterschiedlich stark absorbiert. Hierdurch erfolgt eine
Abschwächung des Lichtes. Aus der Differenz der Intensitäten des in die Messzelle eintretenden und aus ihr austretenden
Lichtes kann, unter Zugrundelegung vom ▶ Lambert-BeerGesetz und geeigneter Kalibrationsfunktionen, auf die Konzentration des Analyten in der Messzelle bzw. der Probe
geschlossen werden.
Als Strahlungsempfänger werden photoelektrische Empfänger wie ▶ Photoelement, ▶ Photozelle, ▶ Photomultiplier
(Sekundärelektronenvervielfacher, SEV) und ▶ Photodiode,
aber auch thermoelektrische Empfänger wie Thermoelemente
und Widerstandsthermometer eingesetzt. Einzelheiten unten
den jeweiligen Stichwörtern.
In der ▶ Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) kann auf
das Dispersionssystem zur Herstellung monochromatischen
Lichts verzichtet werden, da dieses (elementspezifisch) direkt
in einer sog. ▶ Hohlkathodenlampe generiert wird. Zu den
Besonderheiten der ▶ Atomemissionsspektrometrie (AES)
s. dort.
Spezifität Analytische Spezifität und Sensitivität spektrometrischer Methoden sind, in Abhängigkeit von der jeweiligen
Fragestellung (Untersuchungsgut, Analyt, störende Begleitsubstanzen mit ähnlichen physiko-chemischen Eigenschaften)
ausreichend bis hervorragend.
2189
sches Profil) und ca. 5 Euro für Spezialanalyte. Der Personalaufwand ist gering, sodass sich trotz hoher Gerätekosten (bis
zu 1 Million Euro) bei hohen Analysenzahlen kurze Amortisationszeiten realisieren lassen.
Bewertung – Methodenhierarchie (allg.) Spektrometrische Analysenverfahren sind bei richtiger Durchführung
und hinreichender Validation (durch den Hersteller und/oder
Anwender) richtig und präzise. Variationskoeffizienten in der
Analysenserie (Intra-assay CV) und zwischen den Analysenserien (Inter-assay CV) von <10 % sind problemlos erreichbar.
Literatur
Kortüm G (1962) Kolorimetrie, Photometrie und Spektrometrie. Eine
Anleitung zur Ausführung von Absorptions-, Emissions-, Fluoreszenz-, Streuungs-, Trübungs- und Reflexionsmessungen. SpringerVerlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg
Näser KH, Peschel G (1986) Physikalisch-chemische Meßmethoden.
Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig
Spektrophotometer
▶ Spektralphotometer
Spektrophotometrie
▶ Spektralphotometrie
Fehlermöglichkeit Unter der Voraussetzung einer ausreichenden analytischen Validierung sind spektrometrische
Analysenverfahren hinreichend richtig und präzise. Zu möglichen Fehlerquellen s. unter den speziellen Analysenverfahren.
Spektroskop
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten Die Spektrometrie ist die mit großem Abstand am häufigsten eingesetzte
Analysenmethode des klinisch-chemischen Labors. Dementsprechend steht eine breite Auswahl an Spektrometern vom
transportablen Handgerät bis zum vollmechanisierten Analysensystem zur Verfügung. Letztere sind geeignet, Analysenserien von mehreren Hundert Proben und diese bei fast
gleichzeitiger Bestimmung von teilweise mehr als 50 verschiedenen Analyten aus einer Probe zu bewältigen. Die Reagenzienkosten betragen derzeit zwischen wenigen Cent für
die klinisch-chemischen Basisparameter (klinisch-chemi-
Englischer Begriff spectroscope
T. Arndt
Definition Gerät zur visuellen Beobachtung und Auswertung von Spektren im Bereich des sichtbaren Lichts
(IUPAC-Definition).
Beschreibung Die Kombination eines Spektroskops mit
einem oder mehreren Detektoren zur Aufzeichnung der Intensität von Spektralbanden ist ein Spektrometer. Im klinischchemischen Labor werden vor allem Spektrometer eingesetzt
(▶ Spektrometrie/Spektroskopie).
S
2190
Spektroskopie
Literatur
Englischer Begriff spectrum
Inczedy J, Lengyel T, Ure AM (1998) Compendium of analytical nomenclature (definitive rules 1997), 3. Aufl. Blackwell Science, Oxford.
Definition In der Optik Darstellung von Strahlungen in Abhängigkeit von der Wellenlänge, Wellenzahl oder Schwingungsfrequenz.
Spektroskopie
T. Arndt
Beschreibung Das bekannteste Spektrum ist sicher das
Spektrum des Sonnenlichts. Die Wellenlängenbereiche ultravioletten, sichtbaren und infraroten Lichts sowie des Spektrum des sichtbaren Lichts zeigt die folgende Abbildung:
Englischer Begriff spectroscopy
Definition Analyse physikalischer Systeme unter Zuhilfenahme elektromagnetischer Strahlung, die mit dem System
in Wechselwirkung steht oder von ihm generiert wird
(IUPAC-Definition).
Beschreibung Dabei wird mithilfe eines Spektroskops
(▶ Spektroskop) die Strahlung visuell beobachtet und visuell
ausgewertet. In diesem Sinne könnte ein Mikroskop auch als
Spektroskop und das Mikroskopieren als Spektroskopie
bezeichnet werden.
Kombiniert man ein Spektroskop mit einem oder mehreren
Detektoren zur Messung der Intensität spektraler Banden,
spricht man von einem Spektrometer und Spektrometrie.
Die Begriffe Spektroskopie und Spektrometrie werden
häufig synonym verwandt (besonders in der englischsprachigen Literatur und deshalb zunehmend auch in Deutschland).
Tatsächlich werden rein spektroskopische Methoden in der
Analytik immer seltener angewandt. Der Begriff Spektrometrie
sollte sich deshalb als Oberbegriff für alle auf der Messung
elektromagnetischer Strahlung beruhenden Analysenmethoden
stärker durchsetzen. Die für das klinisch-chemische Labor
wichtigen Begriffe und Methoden werden deshalb unter dem
Stichwort ▶ Spektrometrie/Spektroskopie näher vorgestellt.
Im klinisch-chemischen Labor nutzt man die Aufzeichnung von Spektren in der ▶ Spektrometrie/Spektroskopie
zur qualitativen und quantitativen Analyse auf der Grundlage
charakteristischer Absorptionsspektren (z. B. ▶ InfrarotSpektrometrie, ▶ UV/VIS-Spektrometrie), Emissionspektren
(z. B. ▶ Atomemissionsspektrometrie, Flammenatomemissionsspektrometrie) oder der Absorption von Licht bestimmter Wellenlängen (z. B. optischer Test nach Warburg,
▶ Atomabsorptionsspektrometrie, ▶ Flammenatomabsorptionsspektrometrie/-spektroskopie) die substanzgruppenoder substanzspezifisch sind.
Spektrum-Bias
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Literatur
Englischer Begriff spectrum bias
Inczedy J, Lengyel T, Ure AM (1998) Compendium of analytical
momenclature (definitive rules 1997), 3. Aufl. Blackwell Science,
Oxford
Definition Spektrum-Bias tritt auf, wenn die Studienpopulation ein anderes klinisches Spektrum (etwa nur schwerere Fälle)
aufweist als die Population, in welcher der Test (▶ Test, diagnostischer) angewandt werden soll.
Spektrum
T. Arndt
Synonym(e) Lichtspektrum
Beschreibung Im Rahmen jeder klinischen Studie bezeichnet man den Sachverhalt, dass die Studienergebnisse systematisch, also durch bestimmte Ursachen, beeinflusst werden
können, als Bias. Spezifisch für diagnostische Studien (▶ Studien, diagnostische) ist der Spektrum-Bias, besonders dann,
wenn die Validität des diagnostischen Tests evaluiert werden
soll.
Spezialbefund
Darüber hinaus können jedoch auch andere Biasquellen
die Ergebnisse eines diagnostischen Tests verzerren (Sackett
1979).
2191
Sperrung von Ergebnissen
O. Colhoun
Literatur
Kramer MS (1988) Clinical epidemiology and biostatistics. Springer,
Berlin/Heidelberg/New York
Sackett DL (1979) Bias in analytic research. J Chron Dis 32:51–63
SPE-Mikrosäulen
▶ Mikrosäulen
Spermatozoen-Antikörper
▶ Antikörper gegen Spermatozoen
Spermatozyten
▶ Seminalflüssigkeit
Spermien
▶ Seminalflüssigkeit
Sperrflag
O. Colhoun
Englischer Begriff blocking flag
Definition Sperrflags des Analysegeräts bewirken die Blockierung eines gemessenen Werts in der technischen Validation.
Beschreibung Sie werden mit oder anstelle des Messwerts
vom Analysegerät an die ▶ Labor-EDV übertragen. Für die
Freigabe des Werts ist ein expliziter und sinnvollerweise
protokollierter Benutzereingriff notwendig.
Englischer Begriff blocking of results
Definition Manuelle oder automatisierte Kennzeichnung
von Messwerten vor oder während der Validation im
▶ Labor-EDV-System, um deren Ausgabe auf den Laborbefund zu unterdrücken.
Beschreibung Anhand fester Kriterien (z. B. Über-/Unterschreitung vom Messbereich, ▶ High-Dose-Hook-Effekt,
Hämolyse in der Probenmatrix etc.; s. ▶ Hämolyse, in vivo
und in vitro) kann eine Sperrung des Ergebnisses bereits
durch das Analysengerät erfolgen, das anstelle oder zusätzlich zum Messwert ein ▶ Sperrflag ausgibt oder überträgt.
Unplausible, kontrollbedürftige Werte können durch manuelle Sperrung in der technischen oder medizinischen Validation in der Labor-EDV für die Befundausgabe unterdrückt
werden.
Spezialbefund
O. Colhoun
Englischer Begriff special interpretation
Definition Der Spezialbefund ist eine Domäne der labormedizinischen Befundinterpretation; eine aktive, konstellations- und
patientenbezogene medizinische Informationsaufbereitung mit
Einbezug von klinischen Angaben und Fragestellungen,
relevanten, laborintern verfügbaren Informationen und in der
individuellen Konstellation enthaltenen Informationen.
Beschreibung Dient zur Unterstützung und Optimierung
des diagnostischen Entscheidungsvorganges für den an das
Labor einsendenden Kliniker. Besonders gilt dies für an sich
seltene Befundkonstellationen, die vom einzelnen Stationsarzt kaum, vom befundenden Laborarzt jedoch relativ häufig
beobachtet werden.
Literatur
Trendelenburg C, Colhoun O, Wormek A et al (1998) Knowledge-based
test result interpretation in laboratory medicine. Clin Chim Acta
278(2):229–242
S
2192
Speziationsanalyse
Speziationsanalyse
Spezies-Analytik
D. Meißner und T. Arndt
▶ Speziationsanalyse
Synonym(e) Spezies-Analytik
Spezifisches Gewicht (des Urins)
Englischer Begriff speciation analysis
▶ Dichte, spezifische und relative
▶ Gewicht, spezifisches des Urins
Definition Speziationsanalyse bedeutet die eindeutige Identifizierung und Quantifizierung der Spezies (= Bindungsformen) in einer Probe mit analytischen Methoden.
Beschreibung Die Speziationsanalyse wird u. a. in der
▶ Spurenelementanalytik angewendet. Mit der Bestimmung
der Elemente nach Zerstörung der Matrix erhält man deren
Gesamtkonzentration in der Probe, jedoch keine Aussage
über die biochemische Wirkung dieser Elemente, die mit
den verschiedenen Bindungsformen zusammen hängt. Spezies sind in diesem Fall z. B. Metall-Organo-Komplexe,
Metall-Organyl-Verbindungen oder unterschiedliche Wertigkeitsstufen der Metalle. Die analytischen Methoden dürfen
die Spezies während der Probengewinnung, Lagerung und
Analyse nicht verändern. In der Regel besteht die Speziationsanalyse aus der speziesspezifischen Trennung und der
elementselektiven Detektion. Zur Trennung werden Ultrafiltration sowie chromatographische und elektrophoretische
Verfahren und zur Detektion die verschiedenen Methoden
der ▶ Atomabsorptionsspektrometrie, des ▶ inductively coupled plasma und der Voltammetrie (▶ Voltammetrie, zyklische und inverse) angewendet. Zunehmende Bedeutung
haben auch hier die Massenspektrometrie und molekularbiologische Methoden.
Die Speziationsanalytik gewinnt mit zunehmender Kenntnis der zum Teil stark differierenden physiologischen, pathobiochemischen und toxikologischen Wirkungen von anorganischen und organischen Verbindungen desselben Metalls
(z. B. ▶ Arsen, ▶ Quecksilber), von unterschiedlichen Metalloxidationsstufen in seinen Verbindungen (z. B. Arsen,
▶ Chrom) und/oder von verschiedenen Aufnahmewegen an
diagnostischer und gutachterlicher Bedeutung.
Spezifität, analytische
G. Schumann
Englischer Begriff analytical specificity
Definition Fähigkeit eines Untersuchungsverfahrens, nur
den gesuchten Analyten zu erfassen.
Beschreibung Ein Untersuchungsverfahren, das nur eine
Messgröße erfasst, wird als sehr („absolut“) spezifisch
bezeichnet. Je mehr analytische ▶ Einflussgrößen das
▶ Messergebnis verfälschen, desto unspezifischer ist ein Verfahren. Die analytische Spezifität (Unspezifität) ist von der
diagnostischen Spezifität zu unterscheiden (s. a. ▶ Selektivität).
Literatur
Qualitätsmanagement in der Laboratoriumsmedizin (2001) Teil 2:
Begriffe zur Qualität und Anwendung von Untersuchungsverfahren.
Beuth-Verlag, Berlin. DIN 58936-2, 3.1.2.4
Spezifität, diagnostische
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Literatur
Synonym(e) Diagnostische Spezifität
Michalke B, Schramel P (1999) Spezies-Analytik – Theorie und Praxis.
In: Meißner D (Hrsg) Spurenelemente. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, S 3–18
Rükgauer M (Hrsg) (2003) Signalwirkung von Mineralstoffen und Spurenelementen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
Englischer Begriff specificity
Definition Die Spezifität eines diagnostischen Tests bezeichnet die (bedingte) Wahrscheinlichkeit für ein negatives Test-
Sphärozyt
2193
ergebnis (▶ Testergebnis, richtig-negatives) unter den tatsächlich Gesunden.
Beschreibung Die diagnostische Spezifität reflektiert die
Treffsicherheit eines Tests (▶ Test, diagnostischer) insofern,
als sie die Wahrscheinlichkeit für die richtige Testentscheidung unter den Gesunden quantifiziert. Dementsprechend ist
die Spezifität ein Maß für die diagnostische Accuracy
(▶ Accuracy, diagnostische) eines Tests. Die Spezifität wird
geschätzt durch den Quotienten aus der Zahl der Gesunden
mit negativem Test dividiert durch die Gesamtzahl der Gesunden [Quotient d / (d + b), s. Tabelle im Stichwort ▶ Vierfeldertafel]. Ein spezifischer Test wird Gesunde kaum als
erkrankt fehlklassifizieren. Er ist besonders dann hilfreich,
wenn ein positives Testresultat beobachtet wird.
wird vor der Untersuchung die ▶ Probe hergestellt, die denjenigen Teil des Spezimens darstellt, der für die Charakterisierung oder Untersuchung verwendet wird.
Literatur
Dybkaer R (1997) Vocabulary for use in measurement procedures and
description of reference materials in laboratory medicine. Eur J Clin
Chem Clin Biochem 35:141–173
Richterich R, Colombo JP (1978) Klinische chemie: theorie, praxis,
interpretation, 4. Aufl. S. Karger, Basel
Sphärozyt
H. Baum
Literatur
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Synonym(e) Kugelzelle
Englischer Begriff spherocyte
Definition Kleiner, kompakter, runder, stark angefärbter
Erythrozyt (▶ Erythrozyten) ohne zentrale Aufhellung.
Die Abbildung zeigt Sphärozyten (Pfeile), zum Größenvergleich ist auch ein „Standardlymphozyt“ abgebildet
(1000, May-Giemsa-Grünwald-Färbung):
Spezimen
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Materialprobe
Gewebe)
(z.B.
Blut,
Urin,
Liquor,
Englischer Begriff specimen
Definition Direktes, ohne weitere Vorbehandlung vom Patienten stammendes Untersuchungsmaterial.
Beschreibung Der im angelsächsischen Schrifttum häufiger,
in Deutschland jedoch seltener verwendete Begriff des
Spezimen steht für flüssiges, festes oder gasförmiges natives,
d. h. direkt vom Patienten stammendes Material, das dem
Labor zum Zwecke der Untersuchung zugeleitet wird. Der
Begriff ist international nicht einheitlich und verbindlich definiert und entspricht am ehesten der Definition der ▶ Primärprobe. Gebräuchliche Spezimenarten sind ▶ Vollblut, ▶ Urin,
▶ Liquor cerebrospinalis, ▶ Magensaft, ▶ Speichelgewinnung, Synovialflüssigkeit (▶ Synovia-Analyse), ▶ Schweiß,
Fruchtwasser, Pankreassekret, ▶ Transsudat, ▶ Exsudat,
▶ Körperflüssigkeiten, extravasale, Pleuraflüssigkeit, Zystenflüssigkeit, ▶ Seminalflüssigkeit, Konkremente (Gallen- und
Nierensteine, ▶ Steinanalyse) und Fäzes. Aus dem Spezimen
S
Beschreibung Der Sphärozyt ist die charakteristische Erythrozytenform bei der hereditären Sphärozytose (Kugelzellanämie). Der Sphärozyt ist klein (5 mm), kompakt und
rund. Er zeigt eine starke Anfärbbarkeit ohne zentrale Aufhellungszone. Angesichts seiner Kugelform ist das Verhältnis
Oberfläche zu Volumen verändert, was mit einem erhöhten
Hämoglobingehalt des Einzelerythrozyten (MCH) einher-
2194
geht. Dies führt zu einer Erhöhung des MCHC
(▶ Erythrozyten-Indices). Pathophysiologisch liegt ein Membrandefekt zugrunde, wobei verschiedene Mutationen im
Ankyrin, in den Spectrin-a- und -b-Ketten, dem Band-3Protein, dem Protein 4.2 für die veränderten Membraneigenschaften verantwortlich sind. Allerdings kann es auch bei
anderen hämolytischen Anämien zur Bildung von Kugelzellen kommen.
Literatur
Koeppen KM, Heller S (1991) Differentialblutbild (panoptische Färbung). In: Boll I, Heller S (Hrsg) Praktische Blutzelldiagnostik.
Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 171
Sphingomyelin
Beschreibung Man kann 6 Typen von Sphingomyelinasen
(SPM) unterscheiden: saure SPM (lysosomal), sekretorische
SPM, neutrale SPM (Mg-abhängig und -unabhängig), alkalische SPM (intestinal), bakterielle SPM. Die SPM-Aktivität ist
der ▶ Phospholipase C-Aktivität ähnlich. Da sowohl Ceramid als auch Phosphorylcholin Signale übertragen können, ist
die SPM in die zelluläre Signaltransduktion involviert. Außerdem sind SPM für die Membranstruktur der Zelle relevant.
Literatur
Bienias K, Fiedorowicz A, Sadowska A, Prokopiuk S, Car H (2016)
Regulation of sphingomyelin metabolism. Pharmacol Rep
68:570–581
Spice
Sphingomyelin
T. Arndt
K. J. Lackner und D. Peetz
Englischer Begriff spice
Englischer Begriff sphingomyelin
Definition Phospholipid aus Ceramid und Phosphorylcholin.
Beschreibung Sphingomyelin kommt in Zellmembranen
von Wirbeltieren vor. Die größten Mengen finden sich in
den Myelinscheiden des Nervensystems, aus denen es auch
ursprünglich isoliert wurde. Der Gehalt an Sphingomyelin ist
lokal unterschiedlich und beeinflusst die Membraneigenschaften signifikant. Spezialisierte Membrandomänen, sog.
Rafts, weisen einen hohen Anteil von Sphingomyelin und
Cholesterin auf.
Literatur
Chakraborty M, Jiang XC (2013) Sphingomyelin and its role in cellular
signaling. Adv Exp Med Biol 991:1–14
Sphingomyelinase
K. J. Lackner und D. Peetz
Englischer Begriff sphingomyelinase
Definition Enzyme, welche die Hydrolyse von Sphingomyelin zu Ceramid und Phosphorylcholin katalysieren.
Definition Früherer Handelsname für eine das synthetische
Cannabinoid JWH-018 enthaltende Kräutermischung, heute
eher ein nicht näher definierter Sammelbegriff für in der
Drogenszene gehandelte Kräutermischungen mit Zusatz von
synthetischen psychoaktiven Substanzen, im Falle von „Spice“-Mischungen zumeist aber nicht zwingend synthetischen
Cannabinoiden.
Beschreibung Die vielfältigen und in ihrer Benennung und
Zusammensetzung ständig wechselnden Produkte entziehen
sich jeder klaren Kategorisierung, weil immer wieder
Mischungen auftauchen, die sowohl der einen als auch der
anderen oder keiner der bekannten Kategorien zugeordnet
werden können.
Mit der Kräutermischung „Spice“ wurde im Herbst 2008
das Phänomen der in der Drogenszene schon beliebten sog.
Legal Highs erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Schnell wurde klar, dass das Wirkprinzip dieser zum Räuchern (nicht Rauchen!) angebotenen Produkte nicht vorgeblich legale psychoaktive Pflanzen(teile) sind, sondern gewöhnlichen Kräutermischungen zudotierte synthetische
Stoffe mit psychoaktiver Wirkung. Seitdem wurden immer
wieder sog. ▶ Neue Psychoaktive Substanzen (NPS) auf den
Markt gebracht und in einer Art „Hase-und-Igel-Wettlauf“
zeitversetzt dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt.
Der dafür erforderliche gutachterlich-juristische Prozess
erwies sich für die Dynamik der Drogenszene als viel zu
langsam. Mit dem am 26. November 2016 in Kraft getretenen
Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) wurde deshalb ein
Splicing
neues Verfahren implementiert, weg von der Unterstellung
von Einzelsubstanzen unter das BtMG, hin zum Verbot ganzer Substanzgruppen, d. h. aller denkbaren Derivate und
Abkömmlinge einer chemischen Leitstruktur. Die Auswirkungen auf den Drogenmarkt sind derzeit noch nicht zu
beurteilen.
Siehe auch ▶ Neue Psychoaktive Substanzen (NPS).
2195
Spleißmutation
▶ Splice-Mutation
Splice-Mutation
Literatur
European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (2010) Thematic papers. Understanding the „Spice“ phenomenon. Toxichem
Krimtech 77:29–45. www.emcdda.europa.eu
Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
(2016) Europäischer Drogenbericht 2016: Trends und Entwicklungen. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg. http://www.emcdda.europa.eu. Zugegriffen am 30.12.2016
NpSG (2016) Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe – Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG). Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 55, 2615–2622
Spiken
▶ Standardaddition
Spike-Versuch
▶ Standardaddition
SPINK1
▶ Trypsinogen-Aktivierungspeptid
Spiritus
▶ Ethanol
Splanchnolith
J. Arnemann
Synonym(e) Spleißmutation
Englischer Begriff splice mutation
Definition Eine Spleißmutation ist eine DNA-Sequenzmutation, die ein regelrechtes Spleißen der prä-mRNA verhindert.
Beschreibung Eine Spleißmutation liegt vor, wenn Spleißdonor- oder Spleißakzeptorstellen durch Mutationen, wie
z. B. Basenaustausch, Insertion oder Deletion von Nukleotiden, so verändert sind, dass keine reguläre mRNA aus der
prä-mRNA herausgespleißt wird.
Eine Mutation an den hochgradig konservierten Spleißstellen verhindert ein ordnungsgemäßes Binden der Spleißosomen und damit ein Herausschneiden der durch Mutation
beeinträchtigten Intronsequenzen. So kann z. B. die reife
mRNA nichtgespleißte Intronsequenzen enthalten, die bei
einer Translation zu einem vorzeitigen Kettenabbruch der
Proteinsynthese, zur Synthese eines fehlerhaften oder Nonsense-Proteins oder den allgemeinen Ausfall des Proteins
führen. Spleißmutationen sind daher pathogene Mutationen
für die Entwicklung oftmals schwerwiegender humangenetischer Erkrankungen.
Literatur
Ward AJ, Cooper TA (2010) The pathobiology of splicing. J Pathol
220:152–163
Splicing
▶ Darmkonkremente
J. Arnemann
Spleißen
Synonym(e) Spleißen
▶ Splicing
Englischer Begriff splicing
S
2196
Definition Spleißen, mehrheitlich als Splicing gebraucht,
bezeichnet den Prozess, aus einem RNA-Primärtranskript
die funktionslosen Intronabschnitte herauszuschneiden und
die relevanten Exonabschnitte miteinander zu verbinden.
Beschreibung Die mit Abstand meisten proteincodierenden
humanen Gensequenzen sind in kodierende Exon- und nicht
kodierende Intronabschnitte unterteilt, denen eine Promotorregion zur Regulation der Transkription vorgeschaltet ist. Bei
der Transkription wird das gesamte Gen, die sog. Transkriptionseinheit, durch die RNA-Polymerase II in eine prä-mRNA transkribiert, die einen RNA-Strang intermittierend mit
peptidcodierenden Exonabschnitten und nicht kodierenden,
funktionslosen Intronabschnitten enthält. Der Spleißprozess,
also das Herausschneiden der funktionslosen Abschnitte
durch eine Endonuklease, ist durch Signalsequenzen in der
RNA, den Spleißstellen, reguliert. Das Spleißen wird im
Wesentlichen durch definierte Intronsequenzen reguliert.
Das Intron folgt dabei auf RNA-Ebene der GU-AG-Regel,
wobei das Intron im 5‘-Bereich überwiegend durch die
Basenfolge GU (an der Spleißdonorstelle), der 3‘-Bereich
des Introns durch die Basenfolge AG (an der Spleißakzeptorstelle) charakterisiert ist. Die Spleißdonor- und Spleißakzeptorstellen sind jeweils durch eine teils variable Sequenzabfolge definiert, die auch die flankierenden Exonsequenzen mit
einschließt. So folgt die exonische Donorsequenz der Abfolge
(C/A)AG und flankiert unmittelbar die intronischen Abfolge
GU(A/G)AGU, was die Consensus-Spleißdonorstelle insgesamt als Sequenzabfolge (C/A)AGGU(A/G)AGU definiert.
Die intronische Akzeptorsequenz besteht aus einem Pyrimidinstretch von (C/U)11 gefolgt von einer beliebigen Base,
einem weiteren (C/U), sowie der Akzeptorsequenz AG, während die exonische Akzeptorsequenz nur durch ein Purinmolekül (A/G) bestimmt ist, insgesamt die Consensus-Spleißakzeptorstelle durch die Sequenzfolge (C/U)(C/U)(C/U)(C/U)
(C/U)(C/U)(C/U)(C/U)(C/U)(C/U)(C/U)N(C/U)AG\(A/G)
definiert ist. Eine weitere, für das Spleißen relevante intronische Sequenzabfolge ist die „branch site“, die durch die
Consensus-Sequenzabfolge (U/C/)N(C/U)(U/C)(A/G)A(C/U)
definiert ist.
Der eigentliche Spleißprozess setzt sich aus folgenden
Schritten zusammen:
SPME
Funktionell wird das beschriebene Herausspleißen der Intronsequenz unter Ausbildung eines Spleißosoms erreicht,
einem Komplex aus Proteinen und RNA. Verschiedene
snRNAs („small nuclear RNA“), wie z. B. U1- oder
U2-snRNA, bilden zusammen mit Proteinen die snRNPKomplexe aus, die wiederum spezifische Wechselwirkungen
mit der prä-mRNA eingehen und an der Spleißdonor- und
Spleißakzeptorstelle das eigentliche Herausschneiden der
RNA-Fragmente durchführen.
Literatur
Strachan T, Read AP (2005) Molekulare Humangenetik. Elsevier
GmbH, München
SPME
▶ Solid-phase Micro-Extraction
Spontane Gewebemutation
▶ Somatische Mutation
Spontaner Mittelstrahlurin
▶ Spontanurin
Spontanurin
W. G. Guder
Synonym(e) Frei fließender Urin; Spontaner Mittelstrahlurin
Englischer Begriff spot urine; midstream urine
1. Spaltung am 5‘-Ende der Donorstelle, wobei
2. das G-Nukleotid der intronischen Donorsequenz eine
kovalente Verknüpfung mit dem obligaten A der „branch
site“ eingeht und die Sequenzabfolge so eine Lasso- oder
Lariatstruktur ausbildet.
3. Spaltung am 3‘-Ende der Akzeptorstelle mit nachfolgender Freisetzung des Intronlariats und gleichzeitiger kovalenter Verknüpfung der beiden Exons.
Definition Als Spontanurin wird jeder Urin bezeichnet, der
ohne Katheter durch „spontanes“ Wasserlassen gewonnen
werden kann.
Beschreibung Von den diagnostisch empfohlenen Spontanurinen werden folgende Urinproben definiert (in Klammer Beispiele für Ihre Verwendung):
S100-Protein
• Mittelstrahlurin: mittlere Portion eines spontan gelassenen
Urins (Teststreifen, mikrobiologische Untersuchung, Drogen)
• Erster Morgenurin (als Mittelstrahlurin): erste spontane
Urinprobe nach mindestens 8- bis 12-stündiger Ruhe und
Harnkontinenz (Harnsediment, Teststreifen)
• Zweiter Morgenurin: Spontanurin als Mittelstrahlurin
nach dem ersten Morgenurin während des Vormittags = Spontanurin am Vormittag (Urinproteine und
Ausscheidungsprodukte, wenn auf Konzentration, z. B.
Kreatinin, bezogen)
• Sammelurin: Spontanurin als gesamte Portion über eine
definierte Zeit gesammelt (quantitative Analyse von Ausscheidungsprodukten sowie Clearancemessungen).
2197
Molmasse 21 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination S100B ist in
hohen Konzentrationen in astroglialen Zellen des Zentralnervensystems (ZNS) lokalisiert; in geringerem Ausmaß wird es
von Schwann-Zellen des peripheren Nervensystems (PNS),
Chondrozyten, Adipozyten und Langerhans-Zellen produziert. S100A wird insbesondere auf malignen Melanomzellen
exprimiert, wobei der Gehalt von S100A mit der Invasionstiefe und Tumordicke korreliert. Daneben ist S100A ebenfalls
im ZNS vorhanden, trägt zum Gesamtanteil jedoch nur 5 %
bei. S100A1 ist in Keratinozyten, Melanozyten, in glatter
Muskulatur, Kardiomyozyten und in der Niere zu finden.
Halbwertszeit 2–3 Stunden.
Literatur
Kouri T, Fogazzi G, Gant V, Hallander H, Hofmann W, Guder WG
(2000) European urinalysis guidelines. Scand J Clin Lab Invest
60(Suppl 231):1–96
Spontanurin am Vormittag
▶ Morgenurin
SPP
▶ Phosphatase, Prostataspezifische Saure
S100-Protein
S. Holdenrieder und P. Stieber
Funktion – Pathophysiologie Bisher sind insgesamt 21 Isoformen der S100-Familie bekannt (▶ S100A12-Protein). Sie
sind in ihrer Funktion als intrazelluläre Calciumrezeptormoleküle an der Regulation der Zellfunktion auf verschiedenen
Ebenen beteiligt: So stehen sie einerseits mit zellulären
Differenzierungs- und Proliferationsvorgängen in Beziehung.
Darüber hinaus kann S100 in Interaktion mit dem Tumorsuppressorprotein p53 treten und dessen Phosphorylierung durch
Proteinkinase C blockieren. Dadurch verliert p53 die Fähigkeit zur Oligomerisierung und kann seine Funktion bei der
Regulierung des Zellzyklus, der DNA-Reparatur und der
Apoptoseinduktion nicht mehr ausüben. S. a. ▶ Autoantikörper gegen p53.
Neurodestruktion oder Neurodegeneration führen zu einer
S100-Freisetzung aus astrozytären Gliazellen und zunächst
zu einer Erhöhung der S100-Konzentration im Liquor, bei
Schädigung der Blut-Hirn-Schranke später auch im Serum.
Somit eignen sich S100-Bestimmungen im Serum insbesondere bei akuten Läsionen zur Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum,
Liquor.
Synonym(e) S100
Englischer Begriff S100 protein
Definition S100 ist ein 21 kDa schweres, thermolabiles,
saures Protein und gehört einer multigenen Familie calciumbindender Proteine an.
Struktur S100 besteht als Dimer aus 2 isomeren Untereinheiten (a: 10,4 kDa; b: 10,5 kDa) und kann in den Isoformen
S100B (bb), S100A (ab) und S100A1 (aa) auftreten.
Analytik ▶ Enzymimmunoassay (EIA), ▶ Radioimmunoassay (RIA), ▶ Immunradiometrischer Assay (IRMA), ▶ Lumineszenz-Immunoassay (LIA), ▶ ElektrochemilumineszenzImmunoassay (ECLIA).
Die meisten der kommerziell erhältlichen S100-Assays
verwenden gegen die b-Untereinheit des S100 gerichtete
mono- oder polyklonale Antikörper und detektieren somit
die Isoformen S100A und S100B. Darüber hinaus existieren
Assays, die eine detailliertere Differenzierung der S100Subtypen erlauben.
S
2198
Konventionelle Einheit ng/mL (mg/L).
Referenzbereich – Erwachsene Serum: Median 0,04 mg/L;
95 %-Perzentile 0,1 mg/L (methodenabhängig).
Interpretation Die meisten S100-Methoden sind für die
Anwendung im Serum ausgetestet. Aufgrund der calciumbindenden Eigenschaft können bei Messung von S100 im
EDTA-, Citrat- und Heparinplasma falsch positive oder negative Werte gemessen werden.
S100 weist eine hohe Tumorspezifität für das maligne
Melanom auf. Bei sämtlichen anderen malignen Tumoren
wurden vereinzelt allenfalls gering gradige Erhöhungen von
S100 im Serum beobachtet. Ebenso verursachen viele differenzialdiagnostisch relevante benigne Erkrankungen keine
oder nur gering erhöhte S100-Konzentrationen.
An klinischen Einflussgrößen sind jedoch bakterielle
Infekte zu berücksichtigen, die S100-Werte von bis zu
2,0 mg/L hervorrufen können. Beeinträchtigungen der Leberund/oder Nierenfunktion können zu leichten S100-Erhöhungen führen.
Diagnostische Wertigkeit
• Malignes Melanom: Differenzialdiagnose, Prognose, Therapiemonitoring
• Neurodestruktion und Neurodegeneration
Sprotte-Nadel
Definition Von Sprotte und Whitacre entwickelte Nadel zur
„atraumatischen“ Gewinnung von Liquor cerebrospinalis.
Beschreibung Um eine schonende Einführung der Kanüle
in den Liquorraum zu ermöglichen, entwickelten Sprotte
(1987) und Hart und Whitacre (1951) eine Kanüle, die schonender („atraumatisch“) in den punktierten Liquorraum
(▶ Liquor-Gewinnung) eindringt. Sie zeichnet sich dadurch
aus, das eine 22 G-Kanüle mit einem Aussendurchmesser von
0,7 mm einen seitlichen Eingang statt dem Eingang an der
Spitze aufweist. Insbesondere wurden so Verletzungen von
Gefäßen und die Blutkontamination des gewonnenen Liquors
vermindert.
Literatur
Braune HJ, Huffmann G (1992) A prospective double blind clinical trial,
comparing the sharp Quincke needle (22 G) with an „atraumatic“
needle (22 G) in the induction of post-lumbar puncture headache.
Acta Neurol Scand 86:50–54
Hart JR (1951) Pencil point needle in prevention of postspinal headache.
J Amer Med Ass 147:657–658
Sprotte G, Schedel R, Pajunk H (1987) Eine atraumatische Universalkanüle für einseitige Regionalanaestesien. Anaesthesie 10:104–108
SPT
▶ Sekretin-Pankreozymin-Test
Literatur
Holdenrieder S, Spelsberg F, Hatz R et al (2013) Pattern of S100-release
in benign and malignant diseases beside malignant melanoma. J Lab
Med 37:21–28
Jäckel A, Deichmann M, Waldmann V et al (1999) S-100b-Protein im
Serum als Tumormarker beim malignen Melanom. Hautarzt
50:250–256
Stieber P (2008) S100. In: Thomas L (Hrsg) Labor und Diagnose, 7. Aufl.
TH-Books, Frankfurt am Main, S 1355–1358
Sprotte-Nadel
W. G. Guder
Synonym(e) Atraumatische Kanüle; Kanüle nach Sprotte
und Whitacre; Lumbalpunktionsnadel
Englischer Begriff atraumatic needle; canula according to
Sprotte and Whitacre
Spurenelementanalytik
D. Meißner und T. Arndt
Englischer Begriff analysis of trace elements
Definition Bestimmung von Spurenelementen in verschiedenen Untersuchungsmaterialien, einschließlich Präanalytik.
Beschreibung Wegen der Allgegenwart der ▶ Spurenelemente und der z. T. äußerst geringen Konzentrationen sind
bei der Bestimmung einige Besonderheiten zu beachten: das
Untersuchungsmaterial muss für die Fragestellung repräsentativ sein, die Präanalytik bedarf höchster Aufmerksamkeit,
an analytische Sensitivität und Spezifität sowie Nachweisgrenze der Messverfahren sind hohe Anforderungen zu stellen, die ▶ Interaktion ist zu beachten.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Es
kommen Blut und seine Bestandteile – einschließlich
Blutzellen – Urin, Faeces, Liquor, Schweiß, Speichel, Haare,
Spurenelemente
Nägel, Gewebeproben und andere Körperflüssigkeiten oder
-bestandteile in Betracht. Die Auswahl der Probe hängt von
der klinischen Fragestellung ab. Bei festen Proben ist zu
beachten, dass die Verteilung der Spurenelemente in der
Matrix häufig nicht gleichmäßig ist. Besondere Kritikfähigkeit verlangt die Analyse von Haarproben.
2199
Spurenelemente
D. Meißner und T. Arndt
Synonym(e) Mikroelemente
Präanalytik Hauptproblem ist die Kontaminationsgefahr,
die von der Vorbereitung des Patienten (Desinfektionsmittel)
über Gewinnung (Entnahmegeräte und -gefäße), Transport
und Lagerung der Proben bis zur Analyse (Reagenzien, Bezugslösungen, Wasser, Gefäße, Pipetten o. Ä.) und den Einflüssen aus der Umwelt (Luft, Staub) reicht. Zur Blutentnahme sind Kanülen, die keine Spurenelemente abgeben,
und spurenelementfreie Gefäße zu verwenden. Gegebenenfalls sind die ersten 1–2 mL Blut nicht für die Spurenelementbestimmung zu verwenden. Die Ergebnisse sind weiterhin
von den Entnahmebedingungen (Körperlage, Stauung, Entnahmestelle, Hämolyse) und von individuellen Einflussgrößen abhängig. Darüber hinaus haben die Haltbarkeit verdünnter Lösungen oder die Adsorption von Spurenelementen an
den Gefäßwänden sowie Matrixeinflüsse eine große Bedeutung.
Messverfahren Im klinischen Labor ist die ▶ Atomabsorptionsspektrometrie (FAAS, ET-AAS oder Hydrid-AAS) die
Methode der Wahl, gelegentlich werden Photometrie, Voltammetrie (▶ Voltammetrie, zyklische und inverse), ▶ potenziometrische Strippinganalyse oder die ICP-Technik angewendet.
Spezielle Fragen können mittels Neutronenaktivierungsanalyse, Röntgenfluoreszenzspektrometrie, molekularbiologischer Methoden oder weiterer Spezialtechniken bearbeitet
werden, z. B. „total reflection X-ray fluorescence (TXRF)
spectroscopy“, die sich durch äußerst geringen Aufwand bei
der Probenverarbeitung auszeichnet. Im klinisch-chemischen
Routinelabor gewinnen Kopplungen aus Atomemissionstechniken (hier ICP – „inductively coppled plasma“) mit einem
massenspektrometrischen Detektor (MS) als ICP-MS bezeichnet immer mehr an Bedeutung.
Bei der Beurteilung der Ergebnisse müssen die genannten
Einflussgrößen berücksichtigt werden. Besondere Beachtung
verdient die ▶ Interaktion, da ihr Einfluss zu erheblichen
Fehlinterpretationen führen kann.
Literatur
Kruse-Jarres JD (1994) Möglichkeiten und Grenzen der Spurenelementbestimmung in biologischem Material. In: Anke M, Meißner
D (Hrsg) Defizite und Überschüsse an Mengen- und Spurenelementen in der Ernährung. Verlag Harald Schubert, Leipzig, S 1–15
Seiler HG, Sigel A, Sigel H (Hrsg) (1994) Handbook on metals in
clinical and analytical chemistry. Marcel Dekker, New York/Basel/
Hong Kong, Ch. 3–15
Englischer Begriff trace elements
Definition Elemente, die in sehr geringen Mengen im Organismus vorhanden sind, wobei unterschiedliche Kriterien
zugrunde gelegt werden, z. B. <0,01 % der Körpermasse
oder Konzentration im ppm-Bereich (mg/g bzw. mg/mL) und
darunter.
Beschreibung Spurenelemente werden in essenzielle und
nicht essenzielle Spurenelemente unterteilt. Eine Untergruppe
sind die ▶ Ultraspurenelemente, bei denen ein klinisch signifikanter Mangel bisher nicht nachgewiesen werden konnte.
Essenzielle Spurenelemente sind lebensnotwendig, ihre
Anwesenheit ist die Voraussetzung für den normalen Ablauf
vieler biochemischer Vorgänge. Sie unterliegen einer homöostatischen Regulierung und sind nur in einem sehr begrenzten
und für jedes Element typischen Konzentrationsbereich
physiologisch wirksam. Sowohl Mangel als auch Überschuss
können zu Störungen führen, die sich z. T. als charakteristische Krankheiten äußern.
Nicht essenzielle Spurenelemente haben keine physiologische Funktion, können aber – wenn in übermäßiger Menge
aufgenommen – zu Intoxikationen führen. Für den Menschen
sind Co, Cu, Fe, I, Mn, Mo, Ni, Se und Zn sowie Cr, F, Si und
V (Ultraspurenelemente) essenziell. Zu den nicht essenziellen
Elementen, die in der klinischen Praxis Bedeutung haben,
zählen jene Elemente, die als Belastungen über die Umwelt,
über Arbeitsprozesse oder als Therapeutika in den menschlichen Körper gelangen und – abhängig von der zugeführten
Menge – toxische Wirkungen entfalten können: Ag, Al, As,
Au, Bi, Cd, Ge, Hg, Li, Pb, Pd, Pt, Rb, Sb, Sn, Sr, Tl und U.
Der Körperbestand ist das Ergebnis des Zusammenspiels
von Zufuhr (Nahrung, Trinkwasser, Luft), Resorption (meist
an Aminosäuren gebunden über Duodenum, oberes
Jejunum), Transport (proteingebunden vorwiegend über die
Blutbahn), Speicherung (proteingebunden in typischen
Geweben/Organen) und Ausscheidung (Urin, Faeces und/
oder Schweiß).
Ihre biochemische Funktion üben Spurenelemente in erster
Linie als Bestandteil biochemisch aktiver Substanzen
(Spezies) aus: Metalloenzyme, durch Metallionen aktivierbare Enzyme, Hormone (Zn, I), Vitamine (Co). Weitere Funktionen: Stabilisierung von Membranen oder anderen Strukturen
(Zn), Wundheilung (Zn), Elektronentransport (Cu, Fe),
Schutz vor Radikalen (Se, Mn, Zn, Cu), als Stimulator für
S
2200
SQL-Abfrage
immunologische (Zn, Se, Fe) und Inhibitor für neoplastische
Prozesse (Pt, Se). Im Falle der Zufuhr als Substitution bei
Spurenelementmangel oder wegen einer spezifischen therapeutischen Wirkung spielen zahlreiche Spurenelemente auch
als Arzneimittel eine Rolle. Für das Verständnis der biochemischen und toxikologischen Prozesse ist die Identifizierung
der Spezies, d. h. der exakten Erscheinungsform des Spurenelementes bzgl. Oxidationszahl und Verbindung im Organismus
von großer Bedeutung. So wird die Toxizität eines Spurenelementes nicht selten vom Oxidationsstatus (z. B. Cd(III)
vs. Cd(VI)) und/oder der Substanzklasse (z. B. organische
vs. anorganische Quecksilberverbindungen) geprägt. Die Differenzierung und Quantifizierung der sog. Spurenelementspezies erfolgt in einer ▶ Speziationsanalyse.
Erhöhte Zufuhr von Spurenelementen hat eine schädigende Wirkung. Oberhalb einer für jedes Element typischen zugeführten Menge bzw. typischen Konzentration in einzelnen
Körperbestandteilen kommt es sowohl bei essenziellen als
auch bei nicht essenziellen Spurenelementen zu akuten oder
chronischen Vergiftungen. Darüber hinaus entfalten zahlreiche
Spurenelemente eine mutagene, kanzerogene und/oder teratogene Wirkung.
Indikationen zur Bestimmung von Spurenelementen sind:
• Spurenelementmangel (s. Tab.): genetisch bedingte Fehler
(Absorption, Transport, Speicherung, Exkretion), unzureichende Zufuhr, unzureichende biochemische Verfügbarkeit, erhöhter Bedarf oder übermäßige Verluste
• Störungen des Spurenelementgleichgewichts: Transportstörungen, schwere akute Situationen wie Verbrennungen,
Polytrauma, Myokardinfarkt, Schock, Stress, schwere
Infektionen
• Intensive Therapieverfahren: Hämodialyse, totale parenterale Ernährung, schwere Operationen
• Übermäßige Zufuhr und Vergiftungen
• Kontrolle der Therapie mit Spurenelementen oder spurenelementhaltigen Medikamenten.
Die folgende Tabelle zeigt die Bestimmung ausgewählter
Spurenelemente bei Spurenelementmangelerscheinungen:
Indikation
Spurenelementmangelkrankheiten
Primärer oder
sekundärer
Spurenelementmangel
Element
Zn
Zn
Cu
Fe
Se
I
Zn
Krankheit/klinische Symptome
Acrodermatitis enteropathica
Hypogonadismus
Menke-Syndrom
Eisenmangelanämie
Keshan-Krankheit
Schilddrüsenerkrankungen
Appetitlosigkeit,
Wachstumshemmung,
verminderte Wundheilung
(Fortsetzung)
Indikation
Element Krankheit/klinische Symptome
Cu
Pigmentstörungen, Anämie bei
Kindern, Schädigung der
Arterienwände
Se
Muskeldystrophie, verringerter
Schutz gegen Radikale
Cr
Verringerte Glukosetoleranz
Die Ermittlung von Referenzbereichen für Spurenelemente
erweist sich häufig als äußerst schwierig, weil vielfältige
Faktoren, wie z. B. Luftqualität, Trinkwasser, Bodenqualität,
Nahrungsmittel, Ernährungszubereitung und Ernährungsgewohnheiten, die Spurenelementversorgung und damit den
individuellen Spurenelementhaushalt gesunder Personen beeinflussen. Zusammenstellungen von Mittelwerten und Bereichen,
inklusive 5 %-, 60 %- und 95 %-Perzentilen, für 37 Spurenelemente im Blut Erwachsener aus den Großräumen Aachen,
Erkelen und Bremen bzw. 30 Spurenelementen im Urin von
Kindern und Erwachsenen aus dem Großraum Bremen finden
sich bei Heitland und Köster (2006a, b).
Literatur
Geldmacher-von Mallinckrodt M, Meißner D (1994) General aspects of
the role of metals in clinical chemistry. In: Seiler HG, Sigel A, Sigel
H (Hrsg) Handbook on metals in clinical and analytical chemistry.
Marcel Dekker, New York/Basel/Hong Kong, S 13–29
Heitland P, Köster HD (2006a) Biomonitoring of 37 trace elements in
blood samples from inhabitants of northern Germany by ICP-MS.
J Trace Elem Med Biol 20:253–262
Heitland P, Köster HD (2006b) Biomonitoring of 30 trace elements in
urine of children and adults by ICP-MS. Clin Chim Acta
365:310–318
Rükgauer M (Hrsg) (2003) Signalwirkung von Mineralstoffen und Spurenelementen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
SQL-Abfrage
O. Colhoun
Englischer Begriff SQL query
Definition Structured Query Language, „strukturierte Abfragesprache“, enthält eine Reihe von Befehlen, mit denen komplette Datenbanken erstellt, ganz oder teilweise verändert
oder gelöscht werden können.
Beschreibung Für die Datenmanipulation stehen ebenfalls
einige Befehle zur Verfügung, mit denen Elemente in eine
Squamous cell carcinoma antigen
2201
Datenbank eingefügt, bereits vorhandene aktualisiert und
überflüssige gelöscht werden können. Außerdem sind mit
dieser Befehlsgruppe Selektionen nach bestimmten Kriterien
möglich. SQL wird häufig als Abfragesprache für Datenbanken im Internet eingesetzt.
Mundhöhlenepithelien und in schlecht differenzierten Plattenepithelkarzinomen nachweisbar. Subzellulär wird TA-4 im
Zytosol gefunden und deshalb als Strukturprotein und Differenzierungsindex des Plattenepithelkarzinoms angesehen.
Die Ausscheidung von SCC erfolgt vorwiegend renal.
Niereninsuffizienzen können die Elimination der Zytokeratine verzögern und zu erhöhten SCC-Konzentrationen führen.
SQL-Server
Halbwertszeit 1 Tag.
O. Colhoun
Funktion – Pathophysiologie Die wesentliche klinische
Bedeutung der SCC-Bestimmung liegt im Therapiemonitoring und der Rezidiverkennung von Plattenepithelkarzinomen
der Zervix, der Lunge, des Ösophagus, des Kopf-NackenKarzinoms sowie des Analkanals.
Bei benignen Erkrankungen dieser Organe sowie bei dermatologischen Erkrankungen können die Werte ebenfalls erhöht sein. Gegenüber CYFRA 21-1 weist SCC eine noch
höhere Spezifität für Plattenepithelkarzinome auf.
Englischer Begriff SQL server
Definition Als ▶ Server dienende Datenbank.
Beschreibung Es handelt sich um eine relationale Datenbank, die als Abfragesprache SQL verwendet.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Serum,
Plasma, Liquor, Aszites-, Pleuraflüssigkeit.
Squamous cell carcinoma antigen
S. Holdenrieder und P. Stieber
Analytik ▶ Radioimmunoassay (RIA), ▶ Immunradiometrischer Assay (IRMA), ▶ Enzymimmunoassay (EIA), ▶ Elektrochemilumineszenz-Immunoassay (ECLIA).
Synonym(e) SCC; SCCA
Konventionelle Einheit ng/mL (mg/L).
Englischer Begriff squamous cell carcinoma antigen
Referenzbereich – Erwachsene Serum: Median 0,7 mg/L;
95 %-Perzentile 1,5 mg/L (methodenabhängig).
Definition Das „squamous cell carcinoma antigen“ ist ein
42 kDa schweres Protein und wurde durch polyklonale Antikörper aus Lebermetastasen eines Zervixkarzinoms isoliert.
Struktur Das „squamous cell carcinoma antigen“ ist ein
hochreines Protein mit einem Kohlenhydratanteil von nur
0,6 % und stellt eine von 14 Fraktionen des TA-4-Antigens
dar. Es besteht eine enge Homologie der Aminosäurensequenz mit jener der Serinproteasen-Inhibitor-Familie, z. B.
dem Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (▶ Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1).
Molmasse 42 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination TA-4
kommt in großzelligen Zervixkarzinomen, in normalen, dysplastischen und malignen Plattenepithelgeweben des aerodigestiven Trakts mit einer hohen Expression in der Oberfläche
von normalem Plattenepithel und in gut differenzierten Plattenepithelkarzinomen vor. Es ist nicht in dysplastischen
Indikation Therapiekontrolle und Nachsorge von Plattenepithelkarzinomen der Zervix, der Lunge, des Ösophagus, des
Kopf-Nacken-Karzinoms sowie des Analkanals.
Interpretation Die meisten SCC-Assays sind für die Anwendung im Serum und Plasma ausgetestet und können auch
für die Bestimmung von SCC-Fragmenten in anderen Körperflüssigkeiten eingesetzt werden.
SCC ist weder tumor- noch organspezifisch. Es wird in
hohen Wertlagen (>10 mg/L) jedoch vornehmlich von Plattenepithelkarzinomen der Zervix, der Lunge, des Ösophagus,
des Kopf-Nacken-Karzinoms sowie des Analkanals, seltener
von anderen gynäkologischen und gastrointestinalen Karzinomen freigesetzt.
Wichtige ▶ Einflussgrößen für die SCC-Konzentrationen
sind Niereninsuffizienzen (in Korrelation zur Höhe des Kreatininwertes) und Hauterkrankungen wie Psoriasis, Ekzeme
und Pemphigus, die z. T. deutliche Erhöhungen hervorrufen
können. Wegen des Vorkommens von SCC im Schweiß,
S
2202
Speichel und anderen Körperflüssigkeiten ist außerdem eine
Kontamination bei der Pipettierung unbedingt zu vermeiden.
Diagnostische Wertigkeit Plattenepithelkarzinome der Zervix, der Lunge, des Ösophagus, des Kopf-Nacken-Karzinoms
und des Analkanals: Therapiemonitoring, Rezidiverkennung.
Literatur
Lamerz R (2008) SCC. In: Thomas L (Hrsg) Labor und diagnose, 7. Aufl.
TH-Books, Frankfurt am Main, S 1351–1355
Stieber P, Heinemann V (2008) Sinnvoller Einsatz von Tumormarkern.
J Lab Med 32:339–360
SRA
▶ Serotonin Release Assay
16S-rDNA-Sequenzierung
SRA
ausgewertet. Die Sequenzen der variablen Bereiche sind für die
diversen Bakterienspezies in Datenbanken, wie z. B. der
16S-rDNA Reference Library oder der Greengenes-Datenbank,
gelistet und stehen zum Abgleich mit den erhobenen Sequenzdaten und zur Identifizierung der jeweiligen Bakterienspezies zur
Verfügung.
Alternativ zur Sequenzierung von Isolaten kann mittels NGS
auch ein Gemisch von Bakterienkeimen in nativem Material,
wie z. B. Stuhlproben oder Abstrichen, analysiert werden. Der
Amplifikationsschritt ist hierbei identisch zur Einzelprobe, die
unterschiedlichen Amplifikate können jedoch durch die massive Parallelsequenzierung der NGS-Methode individuell hinsichtlich der DNA-Sequenz ausgewertet und mittels Bioinformatik die zugehörigen Bakterienkeime identifiziert
werden. Dieser Prozess wird auch als Mikrobiom-Analyse
bezeichnet und die diagnostische Bedeutung der MikrobiomAnalysen aus diversen Abstrichproben oder Stuhlproben ist
zunehmend.
Literatur
Woo PCY et al (2008) Then and now: use of 16S rDNA gene sequencing
for bacterial identification and discovery of novel bacteria in clinical
microbiology laboratories. Clin Microbiol Infect 14:908–934
J. Arnemann
SRIF
Englischer Begriff 16S rDNA sequencing
▶ Somatostatin
Definition Die 16S-rDNA-Sequenzierung dient der Identifizierung von Bakterienisolaten durch Amplifikation und
Sequenzierung der speziesspezifischen variablen V2-V4und V6-V9-Regionen der 16S-rDNA.
SRM (selected reaction monitoring)
Beschreibung In Verbindung mit ▶ Next-GenerationSequencing (NGS) lässt sich das Spektrum der Keime aus
nativem Material, wie z. B. Wundabstrichen, Vaginalabstrichen oder Stuhlproben, als sog. ▶ Mikrobiom-Analyse identifizieren.
Das bakterielle Operon für rDNA ist organisiert in Spacer,
16S-rDNA-Gen, Spacer, 23S-rDNA-Gen, Spacer und 5S-rDNAGen. Während die transkribierten Gene für 16S-rDNA,
23S-rDNA und 5S-rDNA in ihrer Sequenzabfolge sehr stark
konserviert sind, können die nicht transkribierten SpacerAbschnitte eine gewisse Variabilität in der DNA-Sequenz zeigen,
die man für eine individuelle Typisierung von Bakterienkeimen
einsetzen kann. Ausgehend von definierten Primer-Paaren im
konservierten Abschnitt des Operons werden jeweils die variablen V2-V4- und V6-V9-Regionen der 16S-rDNA-Bereiche
eines Bakterienisolates überbrückend amplifiziert und anschließend nach Sanger (▶ Sanger-Sequenzierung) sequenziert und
▶ Massenspektrometrie
SS-A-Antikörper
▶ Autoantikörper gegen SS-A
SS-B-Antikörper
▶ Autoantikörper gegen SS-B
ssDNA-Antikörper
▶ Autoantikörper gegen Einzelstrang-DNA
Stabilisatoren
St. Louis Enzephalitis-Viren (SLEV)
2203
Differenzialdiagnose: West-Nil-Fieber, andere bakterielle
oder virale ZNS-Infektionen mit Meningitis oder Enzephalitis.
W. Stöcker
Englischer Begriff St. Louis encephalitis virus
Beschreibung des Erregers Familie: Flaviviridae; Gattung:
Flavivirus; Art: St. Louis Enzephalitis-Virus. PlusstrangRNA-Genom, ca. 40 nm Durchmesser.
Erkrankungen Vorkommen: Nordamerika, Karibik, Mittelund Südamerika.
Vektoren: Stechmücken (verschiedene Culex-Spezies).
Wirte: Vögel (Virusreservoir), Menschen (Endwirt).
Klinik: Über 99 % der Patienten zeigen keine oder nur
leichte Symptome. Kommt es zu einer Meningoenzephalitis
(häufiger bei älteren Patienten) oder Enzephalitis, treten zunächst Fieber, Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Verwirrung,
Schläfrigkeit auf. Im späteren Verlauf kann es zu Tremor,
Spontannystagmus, Myoklonien, Rigor, Paralysen, Ataxie bis
hin zum Koma kommen. Weitere Komplikationen: Bronchopneumonie, gastrointestinale Blutungen. Die Letalitätsrate
liegt bei jungen Patienten unter 5 %, steigt aber altersabhängig
auf bis zu 15 %. Neuropsychiatrische Spätfolgen, wie Müdigkeit, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen sind möglich.
Literatur
Center for Disease Control and Prevention (2010) Saint Louis encephalitis,
Atlanta, 29 Jan. https://www.cdc.gov/sle/index.html. Zugegriffen am
02.08.2017
Robert-Koch-Institut, Berlin (2011) Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut, Berlin
STA
▶ Analyse, systematische toxikologische
Stabilisatoren
W. G. Guder
Englischer Begriff stabilizers
Analytik Direktnachweis: Nachweis viraler RNA durch
RT-PCR (Polymerase-Kettenreaktion), Virusanzucht.
Serologie: Nachweis spezifischer Antikörper (IgM, IgG)
im Serum durch z. B. indirekte Immunfluoreszenz,
▶ Enzyme-linked Immunosorbent Assay.
Probenmaterial Direktnachweis: Blutplasma, Liquor oder
Gewebe. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei
+4 bis +8 C aufbewahrt werden.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei
20 C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes
Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit In den USA zählen die SLEV zu
den häufigsten Auslösern viraler Enzephalitis-Epidemien.
Direktnachweise des Virus kurz nach der Infektion sind zwar
möglich, aber schwierig. Der Nachweis spezifischer IgM-Antikörper ist etwa ab dem 3.–5. Krankheitstag möglich, zu
beachten sind Kreuzreaktionen mit Antikörpern gegen andere
Flaviviren (FSME-, Gelbfieber-, Dengue-, West-Nil-, Zika-,
Powassan-Viren, u. a.). Ein vierfacher Anstieg des spezifischen Antikörpertiters in einer zweiten Serumprobe gilt als
eindeutiger Nachweis der Infektion.
Definition Zusätze in Probengefäßen, die der Stabilisierung
der zu messenden Analyte in der Probe dienen (▶ Proteinaseinhibitoren als Stabilisatoren, ▶ Probenstabilität).
Beschreibung Wenn ein Analyt in der untersuchten
▶ Matrix nicht stabil ist, sodass während der üblichen
Transport- und Aufbewahrungszeit eine medizinisch relevante Veränderung der Konzentration zu erwarten ist, werden
der ▶ Probe bei der Gewinnung Stabilisatoren zugesetzt, die
eine ausreichende Stabilität der Analyte bis zur Analyse gewährleisten. Als Stabilisatoren dienen Basischemikalien
(Ansäuern bis zum Enteiweißen mit scharfen Säuren), Inhibitoren des proteolytischen Abbaus (z. B. Aprotinin), Substanzen zur Bindung von Metallen (z. B. Citrat bei Gerinnungstests, EDTA zur Stabilisation von Blutzellen und zur
Hemmung von Proteinasen bei labilen Peptidhormonen)
sowie spezifische Hemmstoffe zur Vermeidung des Bakterienwachstums (Thymol/Borsäure, Formiat) oder Serin/Natriumborat zur Hemmung der ▶ g-Glutamyltransferase bei der
Stabilisierung von Ammoniak.
Stabilisatoren müssen nicht nur auf die erwünschte Wirksamkeit und das Fehlen von Störungen analytischer Prozesse
geprüft werden, sondern auch auf ihre Ungefährlichkeit beim
Umgang durch medizinisches Personal und Patienten sowie
S
2204
bei der Entsorgung gemeinsam mit dem Untersuchungsmaterial (z. B. Sammelurin) in die normale Toilette oder den Verbrennungsmüll. So wurde Cäsium-Azid als Stabilisator für
Urinproben erprobt und für sehr wirksam befunden. Wegen
der Toxizität der Substanz und der unvorhersagbaren Folgen
beim Ausgießen der Urine in die Abwässer kann dieser Stabilisator jedoch nicht empfohlen werden. Die jeweils zu
jedem Analyten passenden Stabilisatoren finden sich in der
jeweils neuesten Fassung von „Die Qualität diagnostischer
Proben“
Literatur
Die Qualität diagnostischer Proben (2012) 7. Aufl. BD Diagnostics/
Preanalytical Systems, Heidelberg ab 2018 als App
Hagemann P, Scholer A (2011) Aktuelle Urindiagnostik. Labolife, Rotkreuz
Stabilisatoren, biologische
▶ Proteinaseinhibitoren als Stabilisatoren
Stabilität der Messgröße in der
Probenmatrix
▶ Probenstabilität
Stabilität der Probe
▶ Probenstabilität
▶ Stabilisatoren
Stabilitätskonstante
▶ Assoziationskonstante
Stabkernige
▶ Granulozyten, stabkernige
Stabilisatoren, biologische
Stahlblau
▶ Berlinerblau-Reaktion
Stammdaten
O. Colhoun
Synonym(e) EDV-Konfiguration
Definition Hinterlegung der individuellen Arbeitsabläufe
eines medizinischen Labors im gelieferten Standard-LaborEDV-System.
Beschreibung Die Arbeit im eigenen medizinischen Laboratorium richtet sich nach bestimmten Funktionsabläufen. Die
angebotenen Messgrößen wurden individuell benannt und
erhalten eigene Parameterbezeichnungen in der ▶ LaborEDV. Alle zu bearbeiteten Untersuchungsdaten und Arbeitsschritte, Materialien, Einsender und zugelassene Benutzer
sind abzubilden. Diese Festlegung erfolgt in den Stammdaten
und ermöglicht so eine optimale Anpassung des Standardsystems an die eigene Arbeitsumgebung und -weise. Damit
werden die Stammdaten zum Gerüst des Systems. Sie müssen
absolut korrekt und sorgfältig definiert und gepflegt werden,
denn fehlerhafte Stammdaten führen unweigerlich zu fehlerhaften Befunden, Abrechnungen, statistischen Auswertungen
etc. Änderungen an den Stammdaten werden protokolliert und
sind nachvollziehbar in Bezug auf Zeitpunkt und Benutzer.
Die Hinterlegung der Stammdaten erfolgt nach Themenkreisen bzw. Bearbeitungsbereichen jeweils in Stammdateien:
Abrechnungsarten Definition der Rechnungsarten, mit denen
Aufträge abgerechnet werden können und aller zugehörigen
Abrechnungsmodalitäten und Ausnahmen. Beispiel: Definition
der Abrechnungsart Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit
Hinterlegung des Punktwerts, eines zugehörigen Regelwerks,
evtl. fixer oder preisabhängiger Rabatte, Sonderpreise für
bestimmte Analyten.
Analysen Definition aller im Labor durchgeführten Untersuchungen. Hierzu gehören ergebnistragende Analysen (Natrium, grampositive Kokken etc.), laborinterne Analysen
(Berechnungszwischenergebnisse), Pseudoanalysen (Schwangerschaftswoche, Abnahmemenge etc.), Antibiotika, Befundüberschriften und -zwischenüberschriften. Diese Stammdatei
enthält den Analysencode, verschieden ausführliche Analysenbezeichnungen für unterschiedliche Befundarten, laborinterne
Erläuterungen, die Dimension, Ergebnisart, Zuordnung der
Standard, interner
2205
Position bei Auftragserfassung, -bearbeitung und Befunddarstellung, Zuordnung zu Befundart und Zwischenüberschrift,
Sortierkriterien, den Arbeitsplatz, statistische Zuordnungen,
die Leistungsziffer, Festlegung sämtlicher Bearbeitungsoptionen (Erfassung in Auftragserfassung oder nur per Anforderungskarte, Darstellung in Befundauskunft oder/und Befund,
Abrechenbarkeit etc.), Festlegung der Qualitätskontrollvorgaben, Kriterien zur Darstellung des Parameters in der medizinischen Validation, Standardmaterial und Referenzbereiche
(Standard, alters-, geschlechts- und/oder zustandsabhängig,
„Marcumar“.
Materialien Kurz- und Langbezeichnung, Lokalisationsbeschreibung erforderlich (z. B. Punktat), Zuordnung zu Laborbereich, Eingruppierung in Statistik.
Textbausteine Definition aller Arten von Texten wie Textergebnisse, Keimnamen, Befundkommentare, Zusatzkommentare.
Standard, interner
Arbeitsplatz Definiert den Inhalt einer Arbeitsliste: Zuordnung zu Analysengerät, Layout der Arbeitsliste, Kontrollmaterialien.
Häuser Definiert die Organisationseinheiten, die an das
Laboratorium einsenden, z. B. Krankenhäuser, Standorte,
Praxen.
Einsender Definiert die Einsender an das Laboratorium, also
alle Stellen, die Proben liefern, Befundempfänger und Rechnungsempfänger und ordnet diesen jeweils ein Befundlayout
zu. Alle relevanten Daten des Einsenders (Anrede, Adresse,
Ansprechpartner, Telefonnummer) werden hier hinterlegt.
Gebührenordnung Hinterlegung der Abrechnungsziffern der
jeweiligen Gebührenordnung mit Voll-, Sach- und Substanzkosten. Angabe der Texte für die Ausgabe auf der Rechnung.
Geräte In der Analysengerätestammdatei werden die im
Labor angeschlossenen Analysengeräte erfasst, die vom
EDV-System angesprochen bzw. deren Daten an das System
gesandt werden. Die Stammdatei enthält Informationen über
die am Gerät durchgeführten Analysen, zugehörige Kontrollmaterialien und technische Daten zum Online-Anschluss.
Kommunikationsstrukturen Datenübertragungen an externe
Anwender können nach unterschiedlichen Protokollen durchgeführt werden. Details der Übertragung (z. B. unterschiedliche „Dialekte“ eines Standardprotokolls) werden hier definiert.
Kontrollmaterialien Alle im Labor verwendeten Kontrollmaterialien sind mit ihren Daten hier zu erfassen (Bezeichnung,
Hersteller, Analysen, Sollwerte, ID-Nummer, Chargennummer,
Lot-Nummer, Gültigkeit, Art der Kontrolle, Vorperiode, Präzisionskontrollgrenzwerte).
Standard, innerer
▶ Standard, interner
T. Arndt
Synonym(e) IS; Standard, innerer
Englischer Begriff internal standard
Definition Bezeichnung für jene Komponente, die der
▶ Probe für die qualitative Identifizierung und/oder die
Bestimmung der Analyte zugesetzt wird.
Beschreibung Die häufigsten Einsatzgebiete von internen
Standards (IS) im klinisch-chemischen Labor sind die
▶ Chromatographie, ▶ Elektrophorese und ▶ Massenspektrometrie. Hier werden durch Zugabe definierter Mengen
eines internen Standards sowie Berechnung und Auswertung
von Signalhöhen- oder Signalflächen-Quotienten Analyt/IS
die durch die Probenvorbereitung, Dosierung und Trennung
eintretenden Analytverluste kompensiert.
Die als interner Standard genutzte Verbindung sollte, auch
unter pathologischen Bedingungen, nicht in der nativen Analysenprobe vorhanden sein. Weitere Voraussetzungen für die
Eignung einer Verbindung als interner Standard sind: weitgehende strukturelle und physiko-chemische Ähnlichkeit mit
dem oder den Analyten, ähnliches Verhalten im Analysensystem, Verfügbarkeit als Reinstsubstanz zur Einwaage. Eine
definierte Menge an internem Standard wird unmittelbar vor
Probenvorbereitung zur Analyse einem definierten Aliquot
der Analysenprobe zugesetzt. Unter der Annahme vergleichbarer Verluste von Analyt und IS während der Probenvorbereitung heben sich diese durch Quotientenbildung von
Analyt- und IS-Signalen auf und werden damit für die quantitative Analyse bedeutungslos.
Zur Kalibrierung werden Proben mit verschiedenen Konzentrationen der Analyte und konstanter Konzentration des
internen Standards analysiert. Aus der Gegenüberstellung der
Analytkonzentrationen (x-Achse) und der Signalhöhen- oder
Signalflächen-Quotienten Analyt/IS (y-Achse) erhält man
eine Kalibrierfunktion, mit deren Hilfe die Analytkonzentra-
S
2206
tion in den Patientenproben grafisch oder rechnerisch ermittelt werden kann. Man spricht auch von innerer oder interner
„Eichung“ oder Kalibrierung (im Gegensatz zur äußeren
„Eichung“ oder Kalibrierung anhand von Standardlösungen
der Analyte).
Klassische Beispiele für den Einsatz eines internen Standards sind die Verwendung von Dihydroxybenzylamin bei
der chromatographisch/elektrochemischen Bestimmung der
▶ Katecholamine sowie von isotopenmarkierten Referenzsubstanzen in der ▶ Massenspektrometrie (z. B. mehrfach
deuterierte Formen des Analyten).
Literatur
Unger KK (Hrsg) (1989) Handbuch der HPLC. Teil 1 – Leitfaden für
Anfänger und Praktiker. GIT Verlag, Darmstadt
Standard temperature and
pressure, dry
O. Müller-Plathe
Synonym(e) STPD
Standard temperature and pressure, dry
Definition Die Standardabweichung ist definiert als die Wurzel aus der ▶ Varianz:
sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
n
1 X
ðxi xÞ2
sx ¼
n 1 i¼1
Dabei bezeichnet x den arithmetischen Mittelwert (▶ Mittelwert, arithmetischer) der n beobachteten Messwerte xi.
Beschreibung Die Standardabweichung ist das am häufigsten
verwendete Maß für die Stärke der ▶ Variabilität zwischen den
Messergebnissen (▶ Messergebnis). Die Standardabweichung
hat die gleiche Maßeinheit wie die ursprünglichen Messergebnisse und ist ausreißeranfällig. Während eine Addition bzw.
Subtraktion einer Konstanten zu bzw. von allen Messwerten
den Wert der Standardabweichung nicht beeinflusst, wirken sich
eine Multiplikation bzw. Division aller Messwerte mit bzw.
durch einen konstanten Faktor derart auf die Standardabweichung aus, dass sich diese gemäß derselben mathematischen
Operation ändert. Die letztgenannte Eigenschaft der Standardabweichung findet insbesondere bei einer Änderung der Skala,
in der die Werte gemessen wurden, Verwendung.
Der zweifache Standardabweichungsbereich um den arithmetischen Mittelwert überdeckt mindestens 75 % der Messergebnisse, während der dreifache Standardabweichungsbereich
um den arithmetischen Mittelwert etwa 90 % der Messwerte
enthält.
Englischer Begriff STPD
Definition Internationale Konvention für die Angabe von
Gasvolumina.
Beschreibung Nach den Gesetzen von Boyle-Mariotte und
Gay-Lussac hängt das Volumen einer Gasmenge vom Druck
und der Temperatur ab. Um die Angaben über Gasvolumina
vergleichbar zu machen, werden gemessene Gasvolumina
mittels Tabellen auf folgende Standardbedingungen umgerechnet:
t = 0 C (273,16 K) und P = 760 mmHg (101,3 kPa) des
trockenen Gases.
O2-Aufnahme und CO2-Ausscheidung des Körpers werden in STPD angegeben.
Standardabweichung
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Englischer Begriff standard deviation
Literatur
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Standardabweichung, gepoolte
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Englischer Begriff pooled standard deviation
Definition Die gepoolte Standardabweichung ist definiert
als die Wurzel aus der gepoolten Varianz (▶ Varianz,
gepoolte).
Beschreibung Die gepoolte Standardabweichung misst die
gemeinsame ▶ Variabilität innerhalb von 2 oder mehr Stichproben (▶ Stichprobe), deren Messergebnisse miteinander
kombiniert werden sollen. Im allgemeinen Fall von k Stichproben mit Stichprobenumfängen n1, (. . .), nk ergibt sich die
Standardarbeitsanweisung
gepoolte ▶ Standardabweichung als eine Art „fallzahlgewichtete Mittelung“ der Standardabweichungen s1, (. . .), sk
der k einzelnen Stichproben:
vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
u
k
k
u 1 X
X
ni
ðni 1Þ s2i ; N ¼
sp ¼ t
N k i¼1
i¼1
Literatur
2207
Ein häufiger Anwendungsbereich im klinisch-chemischen
Labor ist die ▶ Atomabsorptionsspektrometrie.
Durch Spiken können in der ▶ Chromatographie zunächst
unbekannte Signale identifiziert werden, indem man die
Probe vor und nach Zugabe der vermuteten Substanz analysiert. Ist das Signal im Chromatogramm nach dem Spiken
größer als vorher, kann mit hoher Sicherheit darauf geschlossen werden, dass das Signal (zumindest maßgeblich) von der
Verdachtssubstanz herrührt.
Glantz SA (1992) Primer of biostatistics, 3. Aufl. McGraw-Hill, New
York
Standardarbeitsanweisung
Standardabweichung, residuale
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
U. Zimmermann und A. Steinhorst
Synonym(e) Arbeitsanweisung; SAA; SOP
Englischer Begriff standard deviation of the residuals; residual standard deviation
Englischer Begriff operating procedure; standard operating
procedure; SOP
Definition Die residuale Standardabweichung beschreibt die
▶ Variabilität der geschätzten ▶ Residuen.
Definition Dokumentierte Verfahrensweise über die Durchführung bestimmter Tätigkeiten (z. B. Untersuchungsverfahren).
Literatur
Definition Häufig genutzte Form der Standardisierung einer
Analysenmethode, wenn die Methode des internen Standards
(▶ Standard, interner) nicht anwendbar ist.
Beschreibung Eine spezielle Form der Arbeitsanweisung ist
die Standardarbeitsanweisung (SAA oder SOP). SAAs sollen
bestimmte, immer wiederkehrende Aktivitäten, Arbeitsverfahren bzw. Laboruntersuchungen beschreiben. Sie sind
Beschreibungen von standardisierten Arbeitsverfahren, die
es ermöglichen sollen, dass das jeweils beschriebene Untersuchungsverfahren jederzeit und von verschiedenen Personen
definiert durchgeführt wird und dass später die jeweilige
Vorgehensweise jederzeit rekonstruiert werden kann.
Für die SAAs gelten bestimmte formale Anforderungen.
Diese müssen schriftlich genehmigt, geeignet und am
Arbeitsplatz verfügbar sein. Eine gelenkte Verteilung muss
sichergestellt sein.
Die formalen Anforderungen an die Dokumentation eines
(medizinischen) Untersuchungsverfahrens – bzw. einer SAA
für ein Untersuchungsverfahren – sind in der ISO 15189 niedergelegt. Danach soll die Verfahrensdokumentation außer den
Identifikationsangaben für die Dokumentenlenkung – falls für
das Untersuchungsverfahren zutreffend – folgendes enthalten:
Beschreibung Die Standardisierung/Quantifizierung erfolgt
durch die Zugabe einer definierten Analytmenge zu einem
Aliquot des Untersuchungsmaterials, Analyse der nativen
und der aufgestockten (gespikten) Probe sowie Auswertung
der Analyt-Signalhöhenverhältnisse aus nativer und aufgestockter Probe unter Hinzuziehung geeigneter Kalibrierfunktionen.
• Zweck der Untersuchung
• Grundlage und Methode des für die Untersuchungen angewendeten Verfahrens
• Leistungsmerkmale
• Art der Probe (z. B. Plasma, Serum, Urin)
• Vorbereitung des Patienten
• Art des Behälters und der Zusatzstoffe
Hartung J, Elpelt B, Klösener KH (1995) Statistik, Lehr- und Handbuch
der angewandten Statistik. Oldenbourg Verlag, München
Standardaddition
T. Arndt
Synonym(e) Spiken; Spike-Versuch
Englischer Begriff spiking
S
2208
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Erforderliche Ausrüstung und Reagenzien
Umwelt- und Sicherheitsmaßnahmen
Kalibrierverfahren (metrologische Rückführbarkeit)
Schritte im Arbeitsablauf
Verfahren der Qualitätssicherung
Störungen (z. B. Lipämie, Hämolyse, Bilirubinämie, Drogen) und Kreuzreaktionen
Kurzbeschreibung des Verfahrens zur Ergebnisberechnung einschließlich der Messunsicherheit der gemessenen
Größenwerte, falls zutreffend
Biologische Referenzbereiche oder klinische Entscheidungswerte
Berichtspflichtiges Intervall für die Untersuchungsergebnisse
Anweisungen zur Bestimmung quantitativer Ergebnisse,
wenn ein Ergebnis nicht innerhalb des Messbereichs liegt
Falls zutreffend, alarmierende oder kritische Werte
Befundinterpretation durch das Laboratorium
Mögliche Ursachen von Abweichungen
Verweise
Literatur
Hocheimer N (2002) Das kleine QM-Lexikon. Wiley-VCH, Weinheim
DIN EN ISO 15189:2014 „Medizinische Laboratorien – Anforderungen
an die Qualität und Kompetenz“
Standardbicarbonat
wichts ab, ist aber inzwischen durch die ▶ Basenabweichung
überholt, die diese Komponente in korrekterer Weise wiedergibt.
Literatur
Jörgensen K, Astrup P (1957) Standard bicarbonate, its significance, and
a new method for its determination. Scand J Clin Lab Invest
9:122–132
Standardfehler des Achsenabschnitts
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Englischer Begriff standard error of the intercept
Definition Der Standardfehler des Achsenabschnitts ist ein
Maß für die ▶ Variabilität des Schätzers (▶ Schätzer) für den
▶ Achsenabschnitt.
Beschreibung Der Standardfehler des Achsenabschnittes
wird benötigt, um die Präzision der Schätzung des Achsenabschnittes beurteilen zu können, etwa anhand eines statistischen Tests (▶ Test, statistischer) oder eines Konfidenzintervalls (▶ Konfidenzintervall).
Standardbicarbonat
Literatur
O. Müller-Plathe
Hartung J, Elpelt B, Klösener KH (1995) Statistik, Lehr- und Handbuch
der angewandten Statistik. Oldenbourg Verlag, München
Englischer Begriff standard bicarbonate
Definition Standardbicarbonat (StBK) ist die Plasmabicarbonatkonzentration nach Äquilibrierung des Vollbluts mit
einem Gasgemisch von pCO2=40 mmHg (5,33 kPa) und
pO2>100 mmHg (13,33 kPa) bei 37 C und stellt somit ein
Maß für die nicht respiratorische Seite des Säure-BasenGleichgewichts (▶ Säure-Basen-Stoffwechsel) dar.
Standardfehler des Mittelwertes
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Synonym(e) SEM
Beschreibung Eine pH-Messung nach vorangehender Äquilibrierung (▶ Partialdruck) erlaubt bei konstantem pCO2 die
Berechnung von StBK aufgrund der Henderson-HasselbalchBeziehung (▶ Säure-Basen-Stoffwechsel) nach der Formel:
lg cHCO3–(stand) = pH 6,015.
Die meisten Analysatoren berechnen StBK im Rahmen der
Blutgasanalyse ohne zusätzlichen Aufwand. StBK löste die
▶ Alkalireserve als Ausdruck der nicht respiratorischen
(„metabolischen“) Komponente des Säure-Basen-Gleichge-
Englischer Begriff standard error of the mean; SEM
Definition Der Standardfehler des Mittelwertes ist definiert
als Quotient von ▶ Standardabweichung (sx) und der Wurzel
aus der Anzahl der n beobachteten Messergebnisse:
sx
SEM ¼ pffiffi
n
Standardunsicherheit
Beschreibung Der Standardfehler des Mittelwerts (SEM)
beurteilt die Stärke der Variabilität des arithmetischen Mittelwertes (▶ Mittelwert, arithmetischer) der Messreihe. Der
SEM ist kein Maß zur Beschreibung der ▶ Variabilität der
Einzelbeobachtungen (▶ Beobachtung). Während eine Addition bzw. Subtraktion aller Messwerte den Wert des Standardfehlers nicht beeinflusst, wirken sich eine Multiplikation bzw.
Division aller Messwerte mit bzw. durch einen konstanten
Faktor derart auf den Standardfehler aus, dass sich diese gemäß derselben mathematischen Operation ändert. Die letztgenannte Eigenschaft des Standardfehlers findet insbesondere
bei einer Änderung der Skala, in der die Werte (▶ Messwert)
gemessen wurden, Verwendung.
Der SEM nimmt bei gleicher Variabilität der Messwerte
mit zunehmendem Stichprobenumfang (▶ Stichprobe) ab.
2209
Standardmessunsicherheit
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Standardunsicherheit
Englischer Begriff Standard measurement uncertainty;
standard uncertainty of measurement; standard uncertainty
Definition Messunsicherheit, ausgedrückt als seine ▶ Standardabweichung (Brinkmann 2012).
Literatur
Literatur
Glantz SA (1992) Primer of biostatistics, 3. Aufl. McGraw-Hill, New
York
Standardfehler des
Regressionskoeffizienten
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Englischer Begriff standard error of the regression coefficient
Definition Der Standardfehler des Regressionskoeffizienten
ist ein Maß für die ▶ Variabilität des Schätzers (▶ Schätzer)
für den Regressionskoeffizienten (▶ Regressionskoeffizient).
Beschreibung Der Standardfehler des Regressionskoeffizienten wird benötigt, um die Präzision der Schätzung des
Regressionskoeffizienten beurteilen zu können, etwa anhand
eines statistischen Tests (▶ Test, statistischer) oder eines Konfidenzintervalls (s. ▶ Konfidenzintervall).
Brinkmann B (2012) Internationales Wörterbuch der Metrologie (VIM)
Deutsch-englische Fassung. ISO/IEC-Leitfaden 99:2007, 4. Aufl.
Beuth-Verlag, Berlin
Standardmessunsicherheit,
kombinierte
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Standardunsicherheit, kombinierte
Englischer Begriff combined standard measurement uncertainty; combined standard uncertainty
Definition ▶ Standardmessunsicherheit, die man erhält,
indem man die einzelnen Standardmessunsicherheiten verwendet, die den Eingangsgrößen des Modells der Messung
beigeordnet werden (Brinkmann 2012). Für Anmerkungen
s. Literatur.
Literatur
Literatur
Hartung J, Elpelt B, Klösener KH (1995) Statistik, Lehr- und Handbuch
der angewandten Statistik. Oldenbourg Verlag, München
Brinkmann B (2012) Internationales Wörterbuch der Metrologie (VIM)
Deutsch-englische Fassung. ISO/IEC-Leitfaden 99:2007, 4. Aufl.
Beuth-Verlag, Berlin
Standardisiertes Probenarchiv
Standardunsicherheit
▶ Biobanken
▶ Standardmessunsicherheit
S
2210
Standardunsicherheit, kombinierte
Standardunsicherheit, kombinierte
Stärkegelelektrophorese
▶ Standardmessunsicherheit, kombinierte
R. Westermeier
Englischer Begriff starch gel electrophoresis
Standzeit
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Definition Längere Zeitintervalle (z. B. Zentrifugieren,
Inkubieren) während einer ▶ Analyse, die für andere, nicht
mit der betreffenden Analyse zusammenhängende Tätigkeiten genutzt werden können.
Literatur
Haeckel R, Fischer G, Fischer M et al (1984) Vorschläge zur Definition
von Zeitbegriffen. Dt Ges Klin Chem Mitteilungen 14:187–192
Stannum
Definition In der Stärkegelelektrophorese verwendet man
teilweise hydrolysierte Kartoffelstärke als stabilisierendes
Medium zur Auftrennung von Proteinen im elektrischen Feld.
Wegen der unterschiedlichen Ladungen und/oder Molekülgrößen ergeben sich unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeiten; es bilden sich Zonen der Einzelsubstanzen aus.
Beschreibung Das Trennprinzip ist das gleiche wie bei
▶ Agarosegelelektrophorese und ▶ Polyacrylamid-Gel-Elektrophorese. Meist werden Serumproteine auf ca. 1 cm dicke
Gele aufgetragen, die nach der ▶ Elektrophorese für verschiedene Enzymnachweise in mehrere Schichten aufgeschnitten
werden. Die einzelnen Schichten werden dann mit unterschiedlichen Zymogramm-Techniken (▶ Zymogramm-Technik) angefärbt, sodass man verschiedene Muster aus einer Trennung
erhält.
Die Stärkegelelektrophorese ist fast vollständig von
Agarosegel- und Polyacrylamid-Gel-Elektrophoresen verdrängt worden, weil die beiden letzteren Techniken einfacher
durchzuführen sind und ihre Reproduzierbarkeit besser ist.
▶ Zinn
Literatur
Stansfeld-Webb-Methode
A. M Gressner und O. A Gressner
Englischer Begriff Stansfeld count
Definition Zellzahlbestimmung im ▶ Urin.
Beschreibung Früher zur quantitativen Bestimmung der
renalen Ausscheidung von ▶ Leukozyten und ▶ Erythrozyten eingesetzte Methode der Zellzahlbestimmung im unzentrifugierten, frischen, gut durchmischten Urin unter Benutzung einer ▶ Zählkammer nach Neubauer oder Bürker.
Pathologisch: >5 Erythrozyten/mL, >5 Leukozyten/mL
Literatur
Rothkopf M (1965) Erfahrungen mit der quantitativen Urinuntersuchung
nach Stansfeld-Webb. Z Urol 58:121–124
Smithies O (1955) Zone electrophoresis in starch gels: group variations
in the serum proteins of normal human adults. Biochem
J 61:629–641
STAT
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Synonym(e) Eilanalyse
Englischer Begriff short turn around time (STAT)
Beschreibung Analysen, die besonders schnell durchgeführt werden müssen. Moderne Analysegeräte besitzen in
der Regel eine STAT-Funktion. Sie erlaubt, während des
Betriebs umgehend eine STAT-Probe vor allen anderen
bereits im Gerät befindlichen Proben (▶ Probe) zu messen
(▶ STAT-Labor).
Statistik
Stat-Analytik
2211
oder in einer Säule (Säulenchromatographie) fixiert. Sie
kann aus einem Feststoff (Sorbens), einer Flüssigkeit
(Trennflüssigkeit) oder einem Gel bestehen.
▶ Notfall-Analytik
State-Marker
T. Arndt
Definition Sammelbegriff für zustands- und zeitabhängige
Kenngrößen eines bestimmten physiologischen oder pathologischen Prozesses.
Beschreibung Der Begriff findet innerhalb der Klinischen
Chemie vor allem im Rahmen der Alkoholmissbrauchsdiagnostik Anwendung. Er umfasst, in Abgrenzung zum sog.
▶ Trait-Marker, all jene klinisch-chemischen Kenngrößen
(▶ Kenngröße, klinisch-chemische), die einen akuten, kürzlich zurückliegenden oder chronischen Alkoholkonsum
anzeigen, z. B. ▶ Ethanol in Blut, ▶ g-Glutamyltransferase,
▶ Carbohydrate-deficient transferrin in Serum und ▶ Ethylglukuronid in Urin und Haaren. S. auch ▶ Alkoholmissbrauchskenngrößen. State-Marker sind für alle physiologischen und pathobiochemischen Zustände definierbar. Für
den Diabetes mellitus sind z. B. die Glukosekonzentration
in NaF-Serum oder das ▶ Hämoglobin A1C im EDTA-Blut
State-Marker.
Literatur
Arndt T (2011) Biomarker des Alkoholkonsums – eine Übersicht. Toxichem Krimtech 78:419–430
Beschreibung Die Trennflüssigkeit ist auf einen Festkörper
(Träger) aufgezogen, der auch am Trennprozess beteiligt
sein kann.
Die am häufigsten eingesetzten festen Packungsmaterialien sind kugelförmige, poröse anorganische Oxide (z. B.
Kieselgel, Al2O3) oder organische Polymere (z. B. vernetzte
Agarose, Copolymere von Styrol-Divinylbenzol, Methylmethacrylate) oder eine Kombination aus beiden (Verbundpackungsmaterialien). Die Partikeldurchmesser betragen
zumeist 3–10 mm für analytische und 10–100 mm für präparative Anwendungen.
Durch Modifikation der Porengröße und Oberfläche der
Packungsmaterialien lässt sich eine enorme Vielzahl von stationären Phasen mit speziellen Trenneigenschaften herstellen.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Hydrophobizität der stationären Phase. Eine polare stationäre Phase hat
funktionelle Gruppen auf der Sorbensoberfläche. Diese Materialien werden als Normalphasen bezeichnet und die mit
ihnen durchgeführte Chromatographie als NormalphasenChromatographie. Durch chemische Modifikation der polaren Gruppen, z. B. durch Bindung von Alkylgruppen mit
8 oder 18 C-Atomen, erhält man unpolare Oberflächen. Man
bezeichnet diese stationären Phasen als Umkehrphasen (RP:
„reversed phase“) und die mit ihnen durchgeführte Chromatographie als Umkehrphasen-Chromatographie („reversedphase chromatography“).
Literatur
Ettre LS (1993) Nomenclature for chromatography. Pure Appl Chem
65:819–872
Unger KK (Hrsg) (1989) Handbuch der HPLC. Teil 1 Leitfaden für
Anfänger und Praktiker. GIT Verlag, Darmstadt
S
Stationäre Phase
T. Arndt
Statistik
Synonym(e) Festphase; Packungsmaterial; Sorbens; Trennflüssigkeit
O. Colhoun
Englischer Begriff stationary phase
Englischer Begriff statistics
Definition Neben der mobilen Phase eine der beiden Phasen,
aus denen das chromatographische oder elektrophoretische
System besteht (▶ Chromatographie, ▶ Elektrophorese).
Die stationäre Phase ist auf einer planaren Fläche
(▶ Dünnschichtchromatographie, ▶ Flachbett-Elektrophorese)
Definition Als Funktion des Labor-EDV-Systems: Zählen
und Zusammenfassen von Ereignissen.
Beschreibung Die Statistikfunktionen der ▶ Labor-EDV
sind neben der Mengenauswertung vor allem für die Grup-
2212
pierung nach bestimmten Regeln notwendig. Die Systeme
unterscheiden zwischen medizinischen Statistiken (Auswertung der Analytik nach Ergebnissen, Ergebniskonstellationen) und Leistungsstatistiken (Anzahl der durchgeführten
Leistungen mit preislicher Bewertung).
Statistik, deskriptive
Statistik, deskriptive
Englischer Begriff inductive statistics; statistical inference
Definition Verfahren der schließenden Statistik
Beschreibung Ziel der induktiven Statistik ist die Verallgemeinerung von Sachverhalten, die in einer ▶ Stichprobe
beobachtet wurden, auf die zugehörige ▶ Grundgesamtheit.
Verfahren der induktiven Statistik sind insbesondere statistische Tests (▶ Test, statistischer) oder Konfidenzintervalle
(▶ Konfidenzintervall).
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Synonym(e) Beschreibende Statistik
Literatur
Englischer Begriff descriptive statistics
Weiß C (1999) Basiswissen Medizinische Statistik. Springer, Berlin/
Heidelberg/New York
Definition Unter dem Begriff „deskriptive Statistik“ werden
die Verfahren der beschreibenden Statistik zusammengefasst.
Beschreibung Das Ziel der deskriptiven Statistik besteht
darin, die im Rahmen medizinischer Erhebungen gesammelten
Daten so aufzubereiten, dass sie überschaubar und interpretierbar werden. In der univariaten deskriptiven Statistik werden die
erhobenen Werte einzelner Merkmale (▶ Merkmal) durch die
Auszählung und grafische Darstellung absoluter bzw. relativer
Häufigkeiten der einzelnen Merkmalsausprägungen sowie die
Berechnung von Lagemaßen (z. B. ▶ Mittelwert, arithmetischer,
▶ Median, ▶ Minimum, ▶ Maximum) und Streuungsmaßen
(z. B. ▶ Varianz, ▶ Spannweite, ▶ Standardabweichung) zusammengefasst. Die Verfahren der bivariaten bzw. multivariaten
deskriptiven Statistik hingegen werden zu Beschreibung und
Quantifizierung der Art von Zusammenhängen zwischen
jeweils 2 bzw. mehreren Merkmalen verwendet. Beispiele hierfür sind die ▶ Punktwolke, die lineare Regression (▶ Regression, lineare) sowie diverse Korrelationskoeffizienten
(z. B. ▶ Korrelationskoeffizient nach Pearson, ▶ Korrelationskoeffizient nach Spearman).
Statistik, medizinische
O. Colhoun
Englischer Begriff medical statistics
Definition ▶ Labor-EDV-gestützte statistische Auswertung
der Laboraufträge nach medizinischen Kriterien.
Beschreibung Hierzu zählen vor allem die Auswertung der
Analytik nach Ergebnissen (z. B. „Alle Hämoglobin-Anforderungen der Chirurgischen Klinik des vergangenen Jahres,
deren Ergebnis kleiner als 9 mg/dL betrug“) sowie die statistische Aufbereitung des generellen Einsendeverhaltens
(z. B. Anzahl der Patienten, Anzahl der Patienten pro Klinik,
Anzahl der Patienten pro Station, Anforderungsverhalten pro
Einsender, Anforderungsverhalten pro Einsendergruppe in
definiertem Zeitintervall, Anforderungsverhalten gesamt).
Literatur
Weiß C (1999) Basiswissen Medizinische Statistik. Springer, Berlin/
Heidelberg/New York
Statistische Korrelation
▶ Korrelation, statistische
Statistik, induktive
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Statistische Qualitätskontrolle
Synonym(e) Inferenzstatistik; Schließende Statistik
▶ Qualitätskontrolle, statistische
STAT-Labor
Statistische Verteilung
▶ Verteilung, statistische
2213
chemischer Analysenergebnisse und Befunde von vitaler
Bedeutung in einer möglichst kurzen Zeitspanne zwischen
Eingang des Auftrages bzw. Untersuchungsmaterials und
Verfügbarkeit des Ergebnisses (▶ STAT).
Beschreibung Die klinisch-chemische Notfalldiagnostik
muss folgende Minimalkriterien erfüllen:
Statistischer Ausreißer
▶ Ausreißer, statistischer
Statistischer Effekt
▶ Effekt, statistischer
Statistischer Signifikanztest
▶ Test, statistischer
Statistischer Test
▶ Test, statistischer
Statistisches Modell
▶ Modell, statistisches
STAT-Labor
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Notfalllabor
Englischer Begriff emergency laboratory; short turnaround
time laboratory; instant lab; STAT laboratory
Definition Kontinuierlich betriebene, separate Laborfunktionseinheit oder in den Routineablauf integrierte Funktion
mit der Zielsetzung der permanenten Verfügbarkeit klinisch-
• Ständige Einsatzbereitschaft (Präsenzpflicht)
• Schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse (short turnaround
time)
• Maximale Zuverlässigkeit analytischer Methoden und der
mit ihnen gewonnenen Ergebnisse belegt durch Qualitätssicherungsmaßnahmen (▶ Qualitätssicherung)
• Rasche ▶ Befundübermittlung an die Stationen bzw. Einsender
Diesen Erfordernissen können prinzipiell 3 Organisationsformen des Notfalllabors in Verbindung mit dem zentralen
Routinelabor entsprechen:
• In das Zentrallabor integrierte, aber autark arbeitende,
separate Funktionseinheit
• Funktionell integriert in das Routinelabor, nicht autark,
aber unter besonderer personeller Verantwortung stehend
• Dem Zentrallabor angeschlossen, aber autark und dezentralisiert arbeitend (z. B. im Operations- oder Notfallbereich).
Hochmechanisierte Geräte bieten heutzutage fast immer
eine separate STAT-Funktion an, die eine zeitlich bevorzugte,
d. h. sofortige Einschleusung und Analysendurchführung von
Notfallproben in den Serienbetrieb der Routinegeräte ermöglicht und somit eine Integration in das Routinelabor erlaubt.
Das Notfalluntersuchungsspektrum muss als Mindestprogramm die absoluten Vitalparameter wie ▶ Blutbild, kleines,
▶ Thromboplastinzeit, partielle aktivierte, ▶ Thromboplastinzeit, ▶ Glukose, ▶ Harnstoff, ▶ Kreatinin, ▶ Kalium,
▶ Natrium, Protein, ▶ Calcium und ▶ Troponin sowie Blutgase enthalten. Modifikationen und Erweiterungen durch spezifische Klinik- und Organisationsstrukturen sowie durch
punktuelle Ergänzung mit der patientennahen Sofortdiagnostik
(▶ Patientennahe Sofortdiagnostik; Point-of-care-Diagnostik,
POCT) sind ortsspezifischen Gegebenheiten vorbehalten
(z. B. toxikologische Nachweisreaktionen, endokrinologische
Kenngrößen).
Literatur
Gressner AM (1981) Klinisch-chemische Notfalluntersuchungen –
Medizinische und organisatorische Aspekte. Krankenhausarzt 54:
793–800
S
2214
Stat-Übersicht
Stat-Übersicht
Steatokrit
▶ Notfall-Monitoring
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Staubinde
Synonym(e) Steatokrit-Test
W. G. Guder
Synonym(e) Stauschlauch
Englischer Begriff tourniquet
Definition Spezielles Gerät zur Stauung des venösen Bluts
am Oberarm bei der ▶ Blutentnahme. Als solche verwendet
werden Gummischläuche (nicht empfohlen), eigene Geräte
mit Stauband aus dehnbarem Mischgewebe oder Blutdruckmessgeräte.
Literatur
Guder WG, Hagemann P, Wisser H, Zawta B (2007) Fokus Patientenprobe. Kompendium Präanalytik. BD Diagnostics, Heidelberg/
Schwechat/Basel
Von Meyer A, Cadanuro J, Streichert T, Gurr E, Fiedler MG, Leichtle A,
Petersmann A, Töpfer G, Guder WG (2017) Standard-Arbeitsanleitung zurperipher venösen Blutentnahme für die labormedizinische
Diagnostik. J Lab Med 41:333–340
Englischer Begriff steatocrit test
Definition Semiquantitative Kenngröße der Stuhlfettausscheidung unter Verwendung einer Hämatokritzentrifuge zur
Diagnostik und Verlaufskontrolle von Malassimilationssyndromen.
Funktion – Pathophysiologie Ausgeprägte exkretorische
Pankreasinsuffizienz und/oder Malabsorption führen zu einer
Steatorrhoe (>7 g Fettsäurenausscheidung/Tag), die durch
quantitative Bestimmung des Stuhlfettes (▶ Stuhlfett) objektiviert wird.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Repräsentatives Aliquot eines 24-Stunden-Sammelstuhls.
Probenstabilität Konservierung des Materials kurzfristig
bei 4 C oder längerfristig –20 C.
Präanalytik Der Proband sollte 2 Tage vor und während der
Stuhlsammelperiode eine ausgeglichene Nahrungsaufnahme
mit mindestens 90 und höchstens 200 g Fett/Tag haben.
Stauung als Einflussgröße
Analytik Eine Stuhlprobe von 0,5 g wird mit 2,5 ml H2O
und 0,06 g feinem Sand standardisiert verdünnt, homogenisiert und 70 ml davon werden in ein Hämatokritröhrchen
aspiriert, um anschließend in einer ▶ Hämatokrit-Zentrifuge
bei 13.000 Upm 15 Minuten zentrifugiert zu werden. Es
ergeben sich 3 Lagen: untere Partikel-, mittlere Zwischenund obere Fettzone. Die Höhe der Fettzone wird in Prozent
der Gesamthöhe angegeben. Eine Fettfärbung mit Sudan-III
(▶ Sudan-Schwarz) ermöglicht genauere Ablesung.
▶ Einflussgrößen
Referenzbereich - Erwachsene <2,1 %.
Stauschlauch
▶ Staubinde
Indikation
Steady state
▶ Fließgleichgewicht
Stearinsäure
▶ Fettsäuren
• Adjuvante Diagnostik eines Maldigestions- oder Malabsorptionssyndroms
• Verlaufskontrolle der exkretorischen Pankreasinsuffizienz
(besonders in der Pädiatrie)
Interpretation Das semiquantitative Verfahren sollte durch
eine quantitative Bestimmung des Stuhlfettes ergänzt und
durch andere Kenngrößen wie pankreasspezifische Elastase
(▶ Elastase, pankreasspezifische) heutzutage ersetzt werden.
Steinanalyse
Diagnostische Wertigkeit. Orientierende, semiquantitative
Kenngröße von Maldigestion und/oder Malabsorption.
Literatur
Colombo C, Maiavacca R, Ronchi M et al (1987) The steatocrit: a simple
method for monitoring fat malabsorption in patients with cystic
fibrosis. J Pediatr Gastroenterol Nutr 6:926–930
2215
können Stechapfelformen auch bei bestimmten Fettstoffwechselstörungen, einer Leberzirrhose, bei hämolytischen
Anämien oder nach einer Splenektomie im peripheren Blut
vermehrt nachgewiesen werden.
Literatur
Koeppen KM, Heller S (1991) Differentialblutbild (panoptische Färbung). In: Boll I, Heller S (Hrsg) Praktische Blutzelldiagnostik.
Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 172
Steatokrit-Test
▶ Steatokrit
Stechinstrumente für
Kapillarblutentnahme
▶ Lanzette
Stechapfelzelle
H. Baum
Steel factor
▶ Stem Cell Factor
Synonym(e) Akanthozyt; Echinozyt
Englischer Begriff acanthocyte
Definition Erythrozyt mit unregelmäßiger Form.
Beschreibung Die Stechapfelzelle ist ein Erythrozyt
(▶ Erythrozyten) mit einem unregelmäßigen Rand mit Ausziehungen. Unterschieden werden dabei runde Erythrozyten mit
einem stacheligen Zytoplasmarand (Echinozyten) und solche
mit einer ungleichmäßigen Form (▶ Akanthozyten im Urin).
Die Abbildung zeigt Stechapfelzellen – 1 Akanthozyten,
2 Echinozyten (1000, May-Giemsa-Grünwald-Färbung):
Steilheit einer Elektrode
▶ Ionenselektive Elektrode
Steinanalyse
W. G. Guder
Synonym(e) Harnsteinanalyse; Harnsteine; Konkrementanalyse
Englischer Begriff analysis of urinary stones
Definition Analyse der Zusammensetzung von Konkrementen des Urogenitaltraktes.
Physikalisch-chemisches Prinzip Chemische Analyse,
Röntgendiffraktion, Infrarotspektroskopie (▶ Infrarot-Spektrometrie).
Meist handelt es sich um ein Artefakt durch eine schlechte
Ausstrichtechnik oder ungeeignete Färbelösungen. Jedoch
Einsatzgebiet Analyse von spontan abgegangenen oder
durch Extraktion und Operation gewonnenen Konkrementen
der Niere und ableitenden Harnwege. Auch Gallensteine und
Speichelsteine sowie andere im Körper gebildete Konkremente können auf diese Weise analysiert werden, ihre Analyse ist jedoch selten medizinisch indiziert.
S
2216
Untersuchungsmaterial Gries aus dem Harnsediment oder
sichtbare Konkremente aus dem Urin oder aus operativ oder
zystoskopisch gewonnenem Material, eventuell nach Steinzertrümmerung (Lithotripsie) in vivo.
Instrumentierung Röntgendiffraktometer oder Infrarotspektroskop mit Spektrenatlas für Harnsteinanalyse.
Messbereich Die Analyse der Struktur und halbquantitative
Zusammensetzung von folgenden Steinen und Kristallformen
sollten gewährleistet sein:
•
•
•
•
•
•
•
Kalzium-▶ Oxalatsteine (▶ Weddellit, ▶ Whewellit)
Phosphatsteine (▶ Struvit, Carbonatapatit, Brushit)
Harnsäuresteine (Uratsteine)
Cystinsteine
Xanthin
2,8-Dihydroxyadenin
Artefakte und natürliche Mineralien, die als Harnsteine
deklariert werden
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten Wegen der
höheren Spezifität hat sich die in der Anschaffung gegenüber
der chemischen Analytik teurere Methode der Infrarotspektrometrie durchgesetzt, da sie gegenüber der ebenso guten
Röntgendiffraktion in der Anschaffung günstiger ist.
Bewertung – Methodenhierarchie (allg.) Von den angewandten Verfahren haben sich die Infrarotspektroskopie und
die Röntgendiffrationsanalyse als die überlegenen Methoden
erwiesen. Dies wurde durch jahrelange Ringversuchsergebnisse und vergleichende Anwendung dokumentiert. Beide
Methoden erlauben neben der Substanzanalyse eine Erkennung der Komponenten zusammengesetzter Steine aus mehreren Kristallformen und so oft eine Aussage über die Genese
der Steine.
Literatur
Asper A (1982) Harnsteinanalytik. Habilitationsschrift Medizinische
Fakultät Zürich
Hesse A, Claßen A, Röhle G (1989) Labordiagnostik bei Urolithiasis.
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
Hesse A, Tiselius H-G, Jahnen A (2002) Urinary stones, diagnosis,
treatment and prevention of recurrence. A. Karger, Basel
Steinmetaphylaxe
Steinmetaphylaxe
Englischer Begriff prevention of recurrence of urinary stones; follow up measures in stone formers
Definition Untersuchungsprogramm zur Vermeidung der
Neubildung von Harnsteinen bei Patienten, die Steinträger
waren oder sind.
Beschreibung Die Wiederholungsrate bei Steinträgern,
d. h. die erneute Bildung eines Harnsteins, beträgt
60–100 %. Dies machte es notwendig, ein Programm zur
Vermeidung erneuter Harnsteinbildung zu entwickeln. Es
wurde im Zentrum für Urologie der Universität Bonn entwickelt und als Leitlinie publiziert. Neben Anweisungen für
diätetische und Verhaltensmaßnahmen enthält das Programm
eine regelmäßige Untersuchung von Urin auf steinbildende
oder -fördernde und Steinbildung verhindernde Bestandteile.
Neben dem Harnteststreifen, Urin-pH-Wert und Urinsediment enthält dieses Programm die quantitative Analyse von
Calcium, Harnsäure, Phosphat und Kreatinin im Plasma/
Serum sowie die Messgrößen (in Klammern die Grenzwerte
für den Einsatz therapeutischer Maßnahmen)
•
•
•
•
•
•
▶ Calcium (>5 mmol/24 h),
▶ Phosphat (>35 mmol/24 h),
▶ Magnesium (<3 mmol/24 h),
Oxalat (▶ Oxalat(e) im Urin) (>0,5 mmol/24 h),
Citrat (▶ Citrat im Urin) (<2,5 mmol/24 h) und
▶ Harnsäure (>4 mmol/24 h)
im 24-Stunden-Sammelurin, der entsprechend der verschiedenen pH-Empfindlichkeit zu stabilisieren ist. Dabei
werden therapeutische Zielbereiche angestrebt, die eine
Steinbildung vermeiden helfen.
Literatur
Hesse A, Jahnen A, Klocke K et al (1994) Nachsorge bei HarnsteinPatienten. Gustav Fischer Verlag, Jena/Stuttgart
Weber A, Claßen A, Hesse A (1989) Harnanalyse: Probensammlung und
Konservierung. In: Hesse A, Claßen A, Röhle G (Hrsg) Labordiagnostik bei Urolithiasis. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,
Stuttgart, S 103–110
Stem Cell Factor
H. Baum
W. G. Guder
Synonym(e) Vermeidung von Harnsteinbildung
Synonym(e) KIT-Ligand; Mast cell growth factor; SCF;
Steel factor
Sterkobilin(ogen)
2217
Englischer Begriff stem cell factor
Sterkobilin(ogen)
Definition Hämatologischer Wachstumsfaktor der primär
auf unreife Vorläuferzellen wirkt.
Beschreibung Der humane SCF ist ein Protein, das durch
alternatives Splicing in 2 Isoformen, einer löslichen Isoform
bestehend aus 164 Aminosäuren und einer 157 Aminosäuren
großen transmembranen Isoform, nachweisbar ist. Durch
Bindung an den c-KIT Rezeptor, eine Typ-III-Tyrosinkinase,
die auf hämatopoetischen Vorläuferzellen, aber auch Mastzellen sowie anderen Geweben exprimiert wird, werden intrazellulär verschiedene Signaltransduktionswege aktiviert. In
der Hämatopoese ist der SCF wichtig als Wachstums- und
Überlebensfaktor der Stamm- und Progenitorzellen. Zudem
reguliert er die Mastzelldifferenzierung, die Ausreifung der
Prä-B-Zelle, des frühen Thymozyten und der NK-Zellen.
Literatur
Smith MA, Pallister CJ, Smith JG (2001) Stem cell factor: biology and
relevance to clinical practice. Acta Haematol 105:143–150
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Englischer Begriff stercobilin; stercobilinogen
Definition Sterkobilinogen gehört als lineares, farbloses Tetrapyrrol zur Gruppe der Urobilinogene, die im Intestinum durch
mikrobielle enzymatische Reduktion des Bilirubins entstehen.
Beschreibung Das von der Leber mit der ▶ Galle in das
Darmlumen ausgeschiedene konjugierte ▶ Bilirubin wird
im Darm mikrobiell zu den Urobilinogenen (▶ Urobilin
(ogen)) reduziert, unter denen Sterkobilinogen ein Vertreter
ist. Im Kolon erfolgt dessen Oxidation zum Sterkobilin, das
für die orange-braune Farbe des Stuhls (mit)verantwortlich
ist (tägliche Ausscheidungsmenge ca. 100–200 mg,
Abb. 1).
S
k
Sterkobilin(ogen), Abb. 1 Oxidoreduktiver Abbau des Bilirubins im Darm
k
2218
Literatur
Greiling H, Gressner AM (Hrsg) (1995) Lehrbuch der Klinischen Chemie und Pathobiochemie, 3. Aufl., Schattauer, Stuttgart/New York
Sternberg-Zelle
Steroidhormone
W. Hubl
Synonym(e) Glukokortikoide; Mineralokortikoide; Steroide
Sternberg-Zelle
▶ Reed-Sternberg-Zelle
Steroid-5-alpha-ReduktaseGenmutation
Englischer Begriff steroid hormones
Definition Die Steroidhormone werden in der Nebennierenrinde, in den Hoden, im Ovar sowie der fetoplazentaren
Einheit gebildet. Die Steroidgenese vollzieht sich in diesen
Organen nach dem gleichen Prinzip. Unterschiedliche quantitative Enzymausstattungen bewirken Unterschiede in den
produzierten Steroidprofilen und Endprodukten, die für das
einzelne endokrine Organ charakteristisch sind (s. Abb. 1).
▶ 5-a-Reduktase-Genmutation
Struktur Steroide enthalten als Grundstruktur einen Cyclopentano-Perhydrophenanthren-Kern, der aus 3 Hexanringen
und einem Pentanring besteht:
Steroid-11-b-HydroxylaseGenmutation
▶ CYP450 11B1-Mutation
Steroid-11b-Hydroxylase-Defizienz
▶ CYP450 11B1-Mutation
• C-21-Steroide sind gekennzeichnet durch 2 Methylgruppen sowie eine Seitenkette mit 2 Kohlenstoffatomen am
Steranskelett: Kortikosteroide, Progesteron etc.
• C-19-Steroide entstehen durch Abspaltung der Seitenkette
der C-21-Steroide mit den 2 Kohlenstoffatomen: Androgene
• C-18-Steroide werden durch Aromatisierung des A-Rings
der Androgene mit Abspaltung der Methylgruppe gebildet: Estrogene
Molmasse S. Einzelkenngrößen: ▶ Kortisol, ▶ Aldosteron,
▶ Testosteron, ▶ Dehydroepiandrosteronsulfat, ▶ 17-Hydroxyprogesteron etc.
Steroid-11b-Hydroxylase-Mutation
▶ CYP450 11B1-Mutation
Steroid-21-Hydroxylase-Genmutation
▶ CYP450 21A2-Mutation
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Die Biosynthese der Steroidhormone erfolgt mit folgenden hochspezifischen Enzymen (Abb. 1):
• CYP450SCC (SCC: side chain cleavage): Cholesterinseitenketten-abspaltendes Enzym
• CYP450C17a: C17-Hydroxylase
• CYP450C21: C21-Hydroxylase
• CYP450C11: C11b-Hydroxylase
• CYP450AS: Aldosteronsynthase
• 3b-HSD: 3b-Hydroxysteroiddehydrogenase
• 17b-HSD: 17b-Hydroxysteoiddehydrogenase
Steroide
▶ Steroidhormone
Transport: Die Steroidhormone werden im Blut mit unterschiedlicher Kapazität bzw. Affinität an Transportproteine,
Steroidhormone
2219
Mineralkortikoide
Glukokortikoide
Androgene
Estrogene
Cholesterol
CYP11A1
(P450-SCC, Desmolase)
Pregnenolon
CYP17
(P450-C17α;
17-α-Hydroxylase)
Dehydroepiandrosteron
17-Hydroxypregnenolon
CYP17
(17,20-Lyase)
3β-HSD
3β-HSD
3β-HSD
CYP19
(p450-aro,
Aromatase)
Androstendion
17-Hydroxyprogesteron
Progesteron
CYP17
CYP21A2
(P450-C21, 21-Hydroxylase)
CYP21A2
3β-HSD
CYP21A2
Testosteron
11-Desoxykortisol
11-Desoxykortikosteron
Estron
Estradiol
CYP19
CYP11B1
(450-C11, 11β-Hydroxylase)
CYP11B1
Kortisol
Kortikosteron
CYP11B2 (P450-AS, Aldosteronsynthase Typ I, 18-Hydroxylase)
18-Hydroxykortikosteron
CYP11B2 (Aldosteronsynthase Typ II, 18-OH-Dehydrogenase)
Aldosteron
Steroidhormone, Abb. 1 Biosynthese der Steroidhormone
wie z. B. an ▶ Transkortin (kortisolbindendes Globulin,
CBG), ▶ Albumin etc., gebunden und zu den Zielzellen
transportiert.
Abbau: Die Steroidinaktivierung erfolgt in der Leber mit
einer Reduktion des A-Rings und einer Konjugation mit
Glukuronsäure in Position 3. Die gebildeten wasserlöslichen
Produkte werden über die Niere ausgeschieden.
Halbwertszeit S. Einzelkenngrößen: ▶ Kortisol, ▶ Aldosteron, ▶ Testosteron, ▶ Dehydroepiandrosteronsulfat, ▶ 17Hydroxyprogesteron etc.
Pathophysiologie
Steroide Hormone
Glukokortikoide
C-21Steroide
Mineralokortikoide
Pathophysiologie
Verweis
Cushing-Syndrom,
Kortisol
Morbus Addison
Hyperaldosteronismus, Aldosteron
Hypoaldosteronismus
(Fortsetzung)
Steroide Hormone
Androgene
C-19Steroide
Estrogene
C-18Steroide
Pathophysiologie
Hyperandrogenämie,
Hypogonadismus,
adrenogenitales
Syndrom
Ovarialinsuffizienz,
polyfollikuläres Ovar,
Ovarialkarzinome
Verweis
Testosteron,
DHEAS,
Androstendion
Estradiol
Untersuchungsmaterial Serum, Plasma, Urin.
Analytik ▶ Radioimmunoassay, ▶ Enzymimmunoassay, Lumineszenz-Immunoassay, ▶ Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie.
Referenzbereich S. Einzelkenngrößen: ▶ Kortisol, ▶ Aldosteron, ▶ Testosteron, ▶ Dehydroepiandrosteronsulfat, ▶ 17Hydroxyprogesteron etc.
S
2220
Bewertung Steroidhormone besitzen aufgrund ihrer vielfältigen relevanten Wirkungen eine herausragende diagnostische Relevanz, die bei den Einzelkenngrößen ausführlich
beschrieben ist: Kortisol, Aldosteron, Testosteron, Dehydroepiandrosteronsulfat, 17-Hydroxyprogesteron etc.
Stewart-Modell
Stichprobe
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Synonym(e) Zufallsstichprobe
Literatur
Englischer Begriff sample; random sample
Gaudl A, Kratzsch J, Ju Bae Y et al (2016) Liquid chromatography
quadrupole linear ion trap mass spectrometry for quantitative steroid
hormone analysis in plasma, urine, saliva and hair. J Chromatogr
A 1464(S):64–71
Lehnert H (Hrsg) (2014) Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. Thieme-Verlag, Stuttgart
Stewart-Modell
▶ Säure-Basen-Modell nach Stewart
sTfR
▶ Transferrinrezeptor, löslicher
Definition Zufällig gezogene Teilmenge der Grundgesamtheit.
Beschreibung Die Elemente der Stichprobe werden zufällig
aus der ▶ Grundgesamtheit gezogen, d. h. jedes Element der
Grundgesamtheit sollte dieselbe Chance haben, in die Stichprobe eingeschlossen zu werden. Bei ausreichender Stichprobengröße kann dann davon ausgegangen werden, dass die
gezogene Stichprobe die Grundgesamtheit widerspiegelt; somit
kann die gezogene Stichprobe als repräsentativ für die zugehörige Grundgesamtheit bezeichnet werden. Die Elemente der
Stichprobe werden als Beobachtungseinheiten (▶ Beobachtungseinheit) bezeichnet. An ihnen werden die Ausprägungen mehrerer Merkmale (▶ Merkmal) beobachtet oder
gemessen. Die so erhobenen Daten werden mit den Methoden
der deskriptiven Statistik (▶ Statistik, deskriptive) adäquat
beschrieben, zusammengefasst und grafisch veranschaulicht.
Anschließend können die gefundenen Ergebnisse unter Verwendung der Methodik der induktiven Statistik (▶ Statistik,
induktive) auf die zugehörige Grundgesamtheit übertragen
werden.
STH
▶ Wachstumshormon
Literatur
Hilgers R-D, Bauer P, Scheiber V (2002) Einführung in die Medizinische
Statistik. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
STH-Stimulationstest
Stichprobenkontrolle
▶ Exercise-Test
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Englischer Begriff sampling inspection
STH-Stimulationstest (unter
körperlicher Belastung)
▶ Exercise-Test
▶ Wachstumshormon-Stimulationstest (GHRH- und/oder
Arginin-induziert)
Definition Statistische Kontrolle von Produktionsprozessen
auf der Basis geeigneter Stichproben (▶ Stichprobe).
Beschreibung Die Stichprobenkontrolle kommt immer
dann zum Einsatz, wenn eine ▶ Totalkontrolle aus Kosten-
Stickstoffmonoxid
gründen oder aufgrund fehlender materieller Ressourcen
nicht realisiert werden kann.
Literatur
Büttner H (1967) Statistische Qualitätskontrolle in der Klinischen Chemie. Zeitschrift für Klinische Chemie und Klinische Biochemie
5:41–48
Stickoxid
▶ Stickstoffmonoxid
Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl
▶ Kjeldahl-Methode
Stickstoffbilanz
▶ Kjeldahl-Methode
Stickstoffmonoxid
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Stickoxid; NO
Englischer Begriff nitric oxide
Definition Extrem kurzlebiges (<5 s), gasförmiges und frei
diffusibles Signalmolekül, das von einer der 3 Isoformen der
NO-Synthasen in Endothelzellen, Neuronen, Makrophagen
und anderen Zelltypen gebildet wird und starke vasodilatatorische (blutdrucksenkende), antimikrobielle und zentralnervöse Funktionen ausübt.
Beschreibung NO wird in vaskulären und sinusoidalen
Endothelzellen der Leber, neuronalen Zellen, Makrophagen,
Muskelzellen und anderen Zelltypen durch die mischfunktionellen Oxidasen vom Typ der NO-Synthasen in Anwesenheit von molekularem Sauerstoff und unter Verbrauch von
NADPH aus ▶ Arginin gebildet, wobei neben dem Radikal
2221
NO die Aminosäure Citrullin entsteht. Es gibt 3, von differenten Genen kodierte Isoformen der NO-Synthasen (NOS):
• 2 konstitutive Isoformen: Dazu gehören NOS der Endothelzellen (eNOS) und Neuronalzellen (nNOS). Die Aktivitäten dieser Isoformen hängen von dem Kofaktor Calmodulin ab und reagieren auf ▶ Calcium. Trotz ihrer
Bezeichnung als „konstitutiv“, werden diese NOS-Isoformen in ihrer Aktivität durch Hypoxie, Scherstress und
▶ Zytokine moduliert.
• Induzierbare Isoform (iNOS): Diese Isoform wird transkriptionell reguliert durch Zytokine und/oder Lipopolysaccharide (▶ Endotoxin-Reaktivität) unter Vermittlung
des Transkriptionsfaktors NFkB, der die iNOSGentranskription stimuliert. Durch NO selbst wird die
Transkription negativ reguliert (negativer Feedback). Die
iNOS befindet sich vorwiegend in Makrophagen, KupfferZellen, Hepatozyten, Lebersternzellen (Ito-Zellen) und
anderen Zelltypen.
Das frei diffusible NO-Radikal vermittelt seine Wirkungen
über den intrazellulären Rezeptor Guanylatcyclase, die NO
bindet, aktiviert, die intrazelluläre cGMP-Konzentration erhöht und somit cGMP-gesteuerte Kinasen aktiviert, die zellspezifische Effekte auslösen:
• Relaxation der glatten Muskelzellen der Gefäßwände und
der Lebersternzellen (ITO-Zellen) der Lebersinusoide durch
das von Endothelzellen gebildete, parakrin wirkende
NO. Folgen sind Abnahme des systemischen Blutdruckes,
Regulation des regionalen Blutflusses und Reduktion des
Portalvenendruckes (daher frühere Bezeichnung von NO als
EDRF = „endothelial-derived relaxing factor“). In dieser
Funktion ist NO Antagonist des vasokonstriktiv wirkenden
Endothelins. Das therapeutisch bei Angina pectoris
eingesetzte Nitroglyzerin wirkt als NO-Donor und somit
dilatierend auf die Koronargefäße des Herzens
• Primäre Infektabwehr durch Makrophagen aufgrund zytotoxischer, antimikrobieller Wirkungen des NO und verwandter Produkte (z. B. Peroxinitrite)
• Neuromodulatorische Wirkung durch Beteiligung an der
exzitatorischen Neurotransmission.
Die quantitative Bestimmung von NO kann elektrochemisch mittels Clark-Elektrode, (▶ Sauerstoffpartialdruck),
durch Gasphasen-Chemolumineszenzdetektion oder indirekt
durch Messung der Metabolite NO2 und NO3 im Blut mit dem
▶ Griess-Test erfolgen. Gegenwärtig ist eine klinisch-diagnostische Indikation zur Bestimmung von NO und seinen
Derivaten nicht gegeben, u. a. weil die Effekte lokal wirksam sind.
S
2222
Literatur
Moncada S, Higgs A (1993) The L-arginine-nitric oxide pathway.
N Engl J Med 329:2002–2012
Sessa WC (1994) The nitric oxide synthase family of proteins. J Vasc Res
31:131–143
Stöchiometrischer Punkt
Stoffwechselscreening, selektives
G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Englischer Begriff selective metabolic screening
Stöchiometrischer Punkt
Definition In Speziallabors durchgeführtes Untersuchungsprogramm zur Diagnostik angeborener Stoffwechselkrankheiten.
▶ Äquivalenzpunkt
Stoffmenge
▶ Masse, molare
▶ Mol
Stoffmengenkonzentration
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff amount of substance concentration
Definition Stoffmenge eines Bestandteils geteilt durch Volumen des Systems, das den Bestandteil enthält.
Beschreibung Das Programm des selektiven Stoffwechselscreenings setzt sich zusammen aus einer Reihe qualitativer,
sogenannter Spot-Tests (▶ Metabolische Vorteste), der Bestimmung der organischen Säuren im Urin (▶ Säuren im Urin,
organische) und der ▶ Aminosäuren im Plasma. Eine Erweiterung erfährt das selektive Screening durch Einbeziehung des
Acylcarnitinprofils aus Trockenblutkarten (▶ Acylcarnitinprofil
mit ESI-MS/MS aus Trockenblut).
Das selektive Stoffwechselscreening wird von Speziallaboratorien durchgeführt und liefert Informationen zur Diagnostik angeborener Stoffwechselkrankheiten, wobei es den
wichtigsten Krankheiten Rechnung trägt. Obwohl es manche
monogene Stoffwechselerkrankungen nicht erfasst, trägt es
dazu bei, den Aufwand, der mit weitergehenden sehr spezifischen enzymatischen und molekularbiologischen Analysemethoden verbunden ist, so gering wie möglich zu halten.
Als Ausgangsmaterial wird in der Regel eine Spontanurinprobe, eine Plasmaprobe (nüchtern oder zumindest 4 Stunden
postprandial) sowie eine Trockenblutkarte benötigt. Ein
24-Stunden-Sammelurin ist routinemäßig nicht notwendig.
Beschreibung Der Bestandteil ist spezifiziert durch seine
relevante Struktur, z. B. Atom, Molekül, Ion. Die SI-kohärente Maßeinheit lautet mol/m3, in der Klinischen Chemie
(▶ Klinische Chemie) wird jedoch gewöhnlich die nicht kohärente Einheit mol/L (= mol/dm3) verwendet.
Literatur
Literatur
Stokes-Regel
Dybkaer R (1997) Vocabulary for use in measurement procedures and
description of reference materials in laboratory medicine. Eur J Clin
Chem Clin Biochem 35:141–173
▶ Lumineszenz
Zschocke J, Hoffmann GF (2012) Vademecum Metabolicum – Diagnose
und Therapie erblicher Stoffwechselkrankheiten, 4. Aufl. MilupaSchattauer Verlag, Stuttgart
Stomatozyt
Stoffwechselerkrankungen,
angeborene
H. Baum
▶ Inborn errors of metabolism
Englischer Begriff stomatocyte
Störgrößen
Definition Erythrozyten mit maulförmiger, zentraler Aufhellungszone.
Die Abbildung zeigt eine Stomatozytose mit typischer
fischmaulartiger Aufhellungszone der Erythrozyten, daneben
ein großer granulierter Lymphozyt (1000, May-GiemsaGrünwald-Färbung)
2223
Störgrößen
W. G. Guder
Synonym(e) Störfaktor
Englischer Begriff interference factor; interferent
Definition Störgrößen sind Stoffe oder Mechanismen, die
das Ergebnis der Analyse eines definierten Analyten durch
analytische Interferenz verändern. Sie sind Bestandteil der
Matrix in der analytischen ▶ Probe und sind in ihrer Struktur
verschieden vom Analyten (▶ Analyt).
Beschreibung Herkunft von Störgrößen: Sie können nach
ihrer Herkunft und/oder nach der Natur der Störung eingeteilt
werden:
Beschreibung Stomatozyten sind ▶ Erythrozyten mit einer
maulförmigen zentralen Aufhellungszone im Ausstrichpräparat. Sie sind häufig bei Alkoholikern oder Patienten mit Stoffwechselstörungen, aber auch als Artefakte nachweisbar. Sehr
selten sind sie ein Hinweis auf eine hereditäre Stomatozytose.
Literatur
Koeppen KM, Heller S (1991) Differentialblutbild (panoptische Färbung). In: Boll I, Heller S (Hrsg) Praktische Blutzelldiagnostik.
Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 172–173
Stopfen
▶ Verschlusskappe
Stopp-Mutation
▶ Nonsense-Mutation
Störfaktor
▶ Störgrößen
• Ex vivo endogen: Die Störgröße stellt einen normalen oder
pathologischen Bestandteil der Matrix dar, der mit der angewendeten Methode positiv oder negativ interferiert. Beispiele: endogene Antikörper, die die Messung des Antigens
stören; ▶ Hämolysin, die optisch oder durch chemische
Interferenz die Quantifizierung von z. B. ▶ Bilirubin stört;
Lipämie, die durch Trübung oder Verminderung des Wasserraumes zu falschen Ergebnissen verschiedener Analyten
führt; ikterische Proben, die durch ihre Farbe oder durch
Vorhandensein pathologisch hoher Metabolite (z. B. ▶ Gallensäuren) mit der Analytik interferieren.
• Ex vivo exogen: Die Störgröße kommt von außen (z. B. als
Nahrungsbestandteil oder als Therapeutikum) in den Patienten und so mit der Probe in die Analytik. Beispiele:
Arzneimittelinterferenzen, Verfärbungen des Urins durch
Nahrungsbestandteile.
• In vitro exogen: Die störende Substanz wird nach Gewinnung der Probe dem Untersuchungsmaterial zugesetzt und
stört durch optische, chemische oder immunologische
Interferenz. Beispiele: Kontamination durch Staub oder
andere Fremdstoffe bei Öffnung des Probenröhrchens;
Störung durch Antikoagulanzien oder damit in die Probe
eingebrachte endogene Stoffe (z. B. Fibrinogen bei Verwendung von Heparin) oder exogene Begleitstoffe (z. B.
Zusätze von Stopfen und sog. Trenngelen).
Maßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Störungen:
Jedes unerwartete oder mit anderen Symptomen oder Befunden des Patienten nicht in Einklang befindliche Ergebnis
sollte auf Störgrößen geprüft werden:
• Vergleich mit dem Ergebnis, das mit einer zweiten
Methode mit anderem Mechanismus gewonnen wurde.
• Bei Feststellung eines Unterschieds zweier Ergebnisse aus
der gleichen Probe mit zwei Methoden Versuch der Auf-
S
2224
klärung des Mechanismus’ und der Störsubstanz in der
Probe.
• Information über die zum Zeitpunkt der Probengewinnung
in der Probe befindlichen Medikamente, die Art des Antikoagulans und des Probengefäßes und der Transportbedingungen. Überprüfung möglicher Interferenzen durch Vergleich mit vorhandenen Datenbanken.
Störung der genomischen Prägung
STR
▶ Short Tandem Repeat (STR)
Strahlenschutzverordnung
Bei häufigem Auftreten des gleichen Störfaktors ist ein
Wechsel zu einer spezifischeren Methode zu empfehlen.
Literatur
Guder WG, Hagemann P, Wisser H, Zawta B (2007) Fokus Patientenprobe. Kompendium Präanalytik. BD, Heidelberg. Schwechat, Basel
Guder WG, Fiedler GM, da Fonseca-Wollheim F, Schmitt Y, Töpfer G,
Wisser H, Zawta B (2015) Quality of Diagnostic Samples. 4th Ed.
BD Diagnostics, Preanalytical Systems, Oxford
ISO EN DIN 15189 (2012) Medical laboratories – particular requirements for quality and competence. Geneva, Bruxelles, Berlin
Raffick A, Bowen R, Adcock-Funk DM (2015) Interferences from blood
sampling device materials on clinical assays: I Blood collection
devices and their constituents and additives. II Special devices and
procedures; recommendations. In: Guder WG, Narayanan S (Hrsg)
Pre-examination procedures in laboratory diagnostics. Walter de
Gruyter, Berlin/Boston, S 170–216
Young DS (2000) Effects of drugs on clinical laboratory tests, 5. Aufl.
AACC Press, Washington, DC
T. Arndt
Synonym(e) Verordnung über den Schutz vor Schäden
durch ionisierende Strahlen
Definition Zweck dieser Verordnung ist es, zum Schutz des
Menschen und der Umwelt vor der schädlichen Wirkung
ionisierender Strahlung Grundsätze und Anforderungen für
Vorsorge- und Schutzmaßnahmen zu regeln, die bei der Nutzung und Einwirkung radioaktiver Stoffe und ionisierender
Strahlung zivilisatorischen und natürlichen Ursprungs
Anwendung finden. Die jeweils aktuelle Fassung ist über
die Webseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz unter http://www.gesetze-im-internet.de/ verfügbar.
Strahlungsfluss
Störung der genomischen Prägung
▶ Lambert-Beer-Gesetz
▶ Imprinting-Defekt
Strand Displacement Amplifikation
(SDA)
Stoßaktivierung
J. Arnemann
▶ Massenspektrometrie
Synonym(e) MDA; Multiple Displacement Amplifikation;
SDA
STP
▶ Shielded twisted pair
STPD
▶ Standard temperature and pressure, dry
Englischer Begriff strand displacement amplification; SDA;
multiple displacement amplification; MDA
Definition Strand Displacement Amplifikation (SDA), alternativ auch Multiple Displacement Amplifikation (MDA)
genannt, ist eine Methode, geringe, aber durchaus hochmolekulare DNA-Mengen isothermal zu amplifizieren.
Beschreibung Durch Einsatz der Phi-29-DNA-Polymerase
lässt sich durch eine isothermale Amplifikation aus gerings-
Straßennamen von Drogen
ten, durchaus hochmolekularen (bis zu 100 kb langen) DNAMengen eine Anreicherung um den Faktor 1000–10.000
erreichen. Die minimale DNA-Mengen werden in der Literatur mit 100 fg bis 1 pg angegeben, d. h. eine Verdünnung
1:1000 der herkömmlichen DNA-Menge für eine klassische
PCR-Reaktion.
Im Gegensatz zur klassischen PCR-Amplifikation mit
einer Fehlerquote von 1:2000 bp liegt die Fehlerquoten der
Phi-29-DNA-Polymerase bei 1:3.000.000 bp und erlaubt
daher eine hohe diagnostische Sicherheit bei den amplifizierten DNA-Fragmenten.
Die Phi-29-DNA-Polymerase ist ein sehr stabiles Enzym und
kann pro Bindung an die Ziel-DNA bis zu 70.000 Basenpaare
mit einer Rate von 25–50 Nukleotiden/s am Stück synthetisieren
und die Ziel-DNA damit ersetzen (Displacement).
Die hohe Amplifikationsrate ist dadurch bedingt, dass bei
laufender Reaktion sekundäre Primer-Annealing-Ereignisse
an den primären Produkten ansetzen und die Syntheserate
dadurch vervielfältigen. Die Primer können je nach Applikation variieren. So können Random- oder Hexamer-Primer
eingesetzt werden, um potenziell das gesamte Genom einer
Zelle zu amplifizieren, aber auch gen- oder sequenzspezifische Primer können eingesetzt werden, um gezielte Regionen, wie z. B. Translokationen oder klonale Rezeptorrearrangements in der Leukämie oder Lymphomdiagnostik, zu
analysieren.
In der praktischen Durchführung wird die zu amplifizierende DNA durch Hitzedenaturierung einzelsträngig gemacht
und unter Zugabe von Nukleotiden, Primern und Phi-29DNA-Polymerase zum Reaktionsgemisch über Nacht bei
30 C (isothermal) inkubiert. Eine bis zu 10.000-fache Vermehrung der DNA erlaubt eine sichere diagnostische Analyse.
2225
Definition In der Drogenszene gebräuchliche Bezeichnungen für einzelne Drogen, Drogengemische und bestimmte
Darreichungs- und Konsumformen dieser Substanzen.
Beschreibung Einzelne oder ähnliche Begriffe können sich
durchaus auf verschiedene Drogen(wirkstoffe) beziehen oder
aufgrund geografischer und demografischer Unterschiede
eine verschiedene Bedeutung besitzen. Tab. 1 zeigt eine Auswahl für die in Deutschland wichtigsten Drogen. Spätestens
Straßennamen von Drogen, Tab. 1 Auswahl (die häufigsten Namen
sind fett gedruckt)
Wirkstoff( gruppe)
Amphetamine (sog.
Designerdrogen*)
Barbiturate
Benzodiazepine
Cannabinoide
Literatur
g-Hydroxybuttersäure
Luthra R, Medeiros LJ (2004) Isothermal multiple displacement
amplification – A highly reliable approach for generating unlimited
high molecular weight genomic DNA from clinical specimens. J Mol
Diagn 6:236–242
Kokain
LSD
Straßennamen von Drogen
T. Arndt
Methadon
Opiate
Synonym(e) Deckname von Drogen; Street names; Szenenamen von Drogen
Phencyclidin
Englischer Begriff street names of drugs; street terms of
drugs
Straßennamen
Allgemein: Bennies, Dop, Goof Balls, Pep
Pills, Speed
Amphetamin: A, Bennies, Crystal, Speed,
Frisco Speed (mit Heroin)
Methamphetamin: Meth, Crank, Speed
MDA*: Love Pill, Love Drug, Speed for
Lovers
MDMA*: Ecstasy, Adam, XTC, Ecsta,
Love Pill
MDEA*: Eva, Eve
DOM*: STP (Serenity, Tranquility, Peace)
DOB*: 100X, Golden Eagle
Babies, Balls, Barbs, Black Beauties,
Downers, Down Pills
Allgemein: Benzos, Nerve Pills
Bromazepam: Lexos, Wiener Mischung
Flunitrazepam: Rohyps (Rohypnol als
wichtigster Handelsname)
Triazolam: Blue Bomb, Horror Pills
Haschisch (s. Hanf): Acapulco Gold,
Bhang, Charas, Ganja, Hasch, Hemp,
Joint, Sticks, Kiff, Pot, Shit, Tea, Tüte,
Weed
Haschischöl: Red Oil, Honey Oil
Marihuana (s. Hanf): Gras, Grass, Kanten,
Lady Mary Jane, Thai Stick (mit Opium
getränkt)
Liquid X, Liquid E, Liquid XTC, Liquid
Ecstasy u. v. m.
Allgemein: C, Candy, Charley, Koks,
Powder, Schnee, Snief, Snow u. v. m.
Crack (s. Kokastrauch): Kokain-Stein,
Volkskokain, Fast-Food-Kokain
Ace, Acid, Crackers, Frisco Speed Balls
(mit Kokain und Heroin), Purple Haze,
Yellow Submarine u. v. m.
Dollies, Po
Codein: Saft
Dihydrocodein: Remmis
Heroin: Brown Sugar, China White,
Cocktail (mit Kokain), „H“, Hero, Hit,
Junk, Powder, Stoff, Sugar, Weißes, White
Stuff
Morphin: Base
Angel Dust, DOA („dead on arrival“),
Elephant Tranquilizer, Magic Dust,
Monkey Tranquilizer, Peace Pills
S
2226
mit dem Vertrieb von vorgeblich drogenfreien, rein natürlichen Kräutermischungen mit oft sehr phantasiereichen
Namen und mit der fortlaufenden Einführung neuer Designerdrogen wurde die Thematik des Straßennamens von Drogen,
auch für den Experten, unüberschaubar. Die nachfolgende
Tabelle kann deshalb nur eine sehr unvollständige Auflistung
für die eher „klassischen“ Drogen und Drogengruppen geben.
Siehe auch ▶ Neue Psychoaktive Substanzen.
Literatur
Daunderer M (1995) Drogenhandbuch für Klinik und Praxis: Diagnostik, Therapie, Nachweis, Prophylaxe, Recht, Drogenprofile. ecomed, Landsberg
Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
(2016) Europäischer Drogenbericht 2016: Trends und Entwicklungen. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg unter. http://www.emcdda.europa.eu Zugegriffen am 30.12.2016
Schütz H (1999) Screening von Drogen und Arzneimitteln mit Immunoassays. Wissenschaftliche Verlagsabteilung Abbott GmbH, Wiesbaden
Street names
▶ Straßennamen von Drogen
Streifentest
▶ Teststreifen
Streptavidin-Biotin-Technologie
▶ Biotin-Streptavidin-Technik
Stress, endoplasmatischer Retikulum
▶ Proteinstruktur
Stress, nitrosativer
H. Fiedler
Synonym(e) Nitrativer Stress
Street names
Englischer Begriff nitrosative stress; nitroxidative stress
Definition Nitrosativer Stress ist die Imbalanz zwischen Bildung und Beseitigung von reaktiven Stickstoffspezies
(▶ Reaktive Stickstoffspecies) (RNS). Er wird von reaktiven
Sauerstoffspezies (▶ Reaktive Sauerstoffspecies; ROS)
unterstützt bzw. ermöglicht. Übermäßige Belastung (pathologischer Stress) durch RNS schädigt Zellen, (Metallo-)
Proteine, Lipide, DNA, Mitochondrien und Stoffwechselprodukte und ist an zahlreichen Krankheiten beteiligt.
Beschreibung Das ▶ Stickstoffmonoxid-Radikal (.NO) und
▶ Citrullin werden durch eine der 3 Isoformen der
NO-Synthasen aus Arginin und Sauerstoff gebildet. Als
Immunantwort auf Bakterien und Parasiten werden in Makrophagen und neutrophilen Granulozyten durch die induzierbare NOS größere Mengen NO (und ROS) gebildet, die
gemeinsam die Erreger abtöten und/oder zur Apoptose oder
Nekrose der betroffenen Zellen führen können. Durch ROS
(vorwiegend durch das Superoxidradikal) wird NO in stark
oxidierende und aggressive Folgeprodukte umgewandelt.
Besonders die Bildung von Peroxynitrit (ONOO–) wird
durch Infektionen, Entzündungen (aktiviert durch Zytokine,
INF-g und TNF-a) und akute kardiovaskuläre Krankheiten
verstärkt (bis zum Millionenfachen). Nitrosativer Stress
wird auch durch starke körperliche Belastung, Nitratbelastete Lebensmittel, Smog, Autoabgase, Pestizide,
Potenzmittel, Statine, Textilhilfsmittel und Kosmetika ausgelöst.
Die nitrosative und nitrative Modifizierung (S-Nitrosylierung und Nitration, ▶ Modifikation, posttranslationale) von
Proteinen, Enzymen und Lipiden verändert Struktur und
Funktion der Makromoleküle, deren Signalübermittlung und
die zelluläre Organisation. Durch Hemmung der ▶ Atmungskette kommt es zu Energiedefiziten, auch an neuronalen und
kardialen Zellen, zu endothelialer Dysfunktion sowie Störungen des Zitratzyklus und des Lipidmetabolismus. Nitrosativer
Stress ist offenbar an verschiedenen Krankheiten beteiligt:
Alzheimer- und Parkinson-Krankheit, Colitis ulcerosa, rheumatoide Arthritis, Typ-2-Diabetes, Atherosklerose, Asthma
und septischer Schock. Gleichzeitiger oxidativer Stress und
endotheliale Dysfunktion zerstören Kofaktoren (Tetrahydrobiopterin) und entkoppeln die endotheliale NOSynthase, sodass weniger NO, aber vermehrt ROS produziert
werden.
Labordiagnostisch ist der nitrosative Stress nur begrenzt
zu erfassen, da die Kenngrößen auch durch andere Prozesse
entstehen oder zerstört werden können. Im Urin wird die
Messung von Nitrophenylessigsäure und Citrullin (4- bis
10-fach erhöht, normal <100 mmol/L) empfohlen. Im Plasma
wird 3-Nitrotyrosin mit ELISA oder HPLC gemessen. Die
Stress, oxidativer
unspezifische Griess-Methode (▶ Nitrit im Urin) für Nitrat/
Nitrit ist nicht für die Quantifizierung von NO verwendbar.
Literatur
Neri M, Riezzo I, Pomara C, Schiavone S, Turillazzi E (2016) Oxidativenitrosative stress and myocardial dysfunctions in sepsis: evidence
from the literature and postmortem observations. Mediat Inflamm
2016:3423450 (PMC 4870346)
White PJ, Charbonneau A, Cooney GJ, Marette A (2010) Nitrosative
modifications of protein and lipid molecules by reactive nitrogen
species. Am J Physiol Endcrinol Metab 299:E868–E878
Stress, oxidativer
H. Fiedler
Englischer Begriff oxidative stress; oxidant stress; oxidative stress status
Definition Der 1985 eingeführte Begriff Oxidativer Stress
bezeichnet zusammenfassend ein Ungleichgewicht zwischen
Prooxidantien (ROS) (▶ Reaktive Sauerstoffspecies) und
▶ Antioxidantien bzw. die akute oder chronische Erhöhung
des Steady-state-Spiegels der reaktiven Sauerstoffspezies.
Die Akkumulation von ROS (oft unterstützt von reaktiven
Stickstoff- [RNS-] und Schwefelspezies[RSS]) überfordert
das „redox signaling“ für die normale Reparatur- und Entgiftungsfunktion der Zellen und Organe und führt zu Alterungsprozessen und Schäden an zellulären und extrazellulären
Makromolekülen und Stoffwechselwegen bis hin zu ▶ Apoptose, Nekrose oder Autophagie. Für die weitere Forschung
und deren Translation in die klinische Medizin muss das
Konzept des nitroxidativen Stresses und der Antioxidantien
sowie der Redoxprozesse und -funktionen in den verschiedenen Kompartimenten durch standardisierte Analysen erweitert und validiert werden. Viele bisherigen Ergebnisse beziehen sich auf Tier- und Zellexperimente.
Beschreibung Oxidativer Stress wird ausgelöst durch endogene und exogene Störungen der Energie- und Metabolismushomöostase. Trotz zahlreicher Korrelationen von oxidativem
Stress und pathologischen Zuständen ist in vielen Fällen nicht
gesichert, ob es sich um kausale Zusammenhänge oder nur
um Korrelationen, Mitbeteiligungen („cofounder“) oder
sekundäre Veränderungen handelt. Außerdem sind Bildung,
Wirkung und Entfernung (Degradation oder Scavenging
durch Antioxidantien) der ROS auf bestimmte Komparti-
2227
mente beschränkt, sodass der extrazelluläre Raum und die
Urinausscheidung oft keine Interpretation erlauben. Wichtig
ist auch die Höhe und der zeitliche Verlauf des oxidativen
Stresses, da unter physiologischen Verhältnissen reaktive
Sauerstoffspezies auch wichtige Signal- und Botenstofffunktionen besitzen (Inflammation, Angiogenese, Proliferation).
Sowohl sehr niedrige als auch hohe Konzentrationen von
ROS sind schädlich, die Wirkungskurve ist nicht linear, sondern hat einen U-förmigen Verlauf, was als Hormesis/Mitohormesis bezeichnet wird (Ristow und Schmeisser 2011) und
eine Form der Präkonditionierung darstellen kann.
Die Entstehung von oxidativem Stress hat viele Ursachen:
• Mitochondriale Dysfunktion und/oder Entkopplung der
oxidativen Phosphorylierung
• Infektionen und deren Abwehrmechanismen, wie ▶ oxidativer Burst durch ▶ Myeloperoxidase und Laktoperoxidase
• Inflammation, induziert durch ▶ Tumornekrosefaktor-a
(TNF-a), MIP-2 (Chemokinligand) und ▶ Transforming
Growth Factor b (TGF-b)
• Umweltgifte und Noxen (Stickstoffoxide, Dieselabgase,
Ozon, Lösungsmittel, Pestizide, Konservierungsstoffe,
toxische Schwermetalle, Alkohol und Rauchen) sowie
Medikamente
• UV- und ionisierende Strahlung, besonders bei Karzinomtherapie
• Starke körperliche Belastung und exzessiver Sport
• Akute Erkrankungen, wie Ischämie und Reperfusion,
Hyperoxie, Herzinfarkt, Schlaganfall, Polytraumata und
Sepsis
• Chronische Erkrankungen, wie Hämochromatose, WilsonsKrankheit, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus mit
Glykoxidation, Atherosklerose, Urämie, neurodegenerative
Krankheiten und Karzinome; in vielen Fällen ist die
Abklärung zwischen Ursache und Wirkung bisher nicht
eindeutig (s. Tabelle)
Oxidativer Stress kann auch durch Defekte der antioxidativen Schutzsysteme entstehen: angeborene oder erworbene
Enzyminsuffizienz (Superoxiddismutase, verschiedene Peroxidasen, Glutathion- und Thioredoxin-Redoxidasen und
Katalase), Mangel an endogenen (Harnsäure, Glutathion,
Ubichinon, Askorbinsäure, Vitamin A und E) und exogenen
▶ Antioxidantien oder Stoffen zur Bildung von antioxidativen Schutzsystemen (Metallchelatoren: ▶ Ferritin, ▶ Metallothionein, ▶ Coeruloplasmin).
Oxidativer Stress und die resultierenden Zellschäden sind
bei chronischen Erkrankungen vorhanden.
In der folgenden Abbildung ist die medizinische Bedeutung des oxidativen Stresses zusammengestellt:
S
2228
Krankheit/Effekt
Ischämie, Reperfusion, Sepsis
Metabolisches Syndrom,
Diabetes mellitus und
Folgekrankheiten
Atherosklerose,
Kardiomyopathie
Chronisch obstruktive und
akute Lungenkrankheiten,
Asbestose
Neurodegenerative
Erkrankungen
Karzinome
Alterungsprozesse
Infektabwehr
Hämolytische Anämie
(G6PDH-Defekt)
Stress, oxidativer
Ursache/Rückwirkung
Höhe des oxidativen Stresses
korreliert mit der Schädigung,
Monitoring des Verlaufes möglich.
Sepsis mit gesteigertem
oxidativem Burst.
Hyperglykämie und Glyk- und
Lipoxidation steigern ROS und
reaktive Carbonylverbindungen,
bewirken endotheliale
Dysfunktion und führen zu Mikround Makroangiopathie
Oxidativer und nitrosativer Stress
führen zu Lipidoxidation,
Glykoxidation und
Karbamylierung sowie
chronischer Inflammation und
endothelialer Dysfunktion
(Reduktion von NO und
Adhäsionsmolekülen)
Exogene Noxen, Rauchen und
Inhalation von reinem Sauerstoff
erhöhen RNS/ROS,
Carbonylstress und Lipidperoxide
Lipid(per)oxide, Zytotoxizität,
Modifizierung von
Neurotransmittern und
amyloidogenen Proteinen
(a-Synuclein,
▶ b-Amyloidpeptide)
Änderungen des ▶ KynureninAbbauweges
Fördernde oder hemmende
Wirkungen in Abhängigkeit von
Höhe und Lokalisation des
oxidativen Stresses (s. Text)
Bisher keine Verallgemeinerung
möglich. Gesichert sind
stressbedingte Prozesse bei
Katarakt und Makuladegeneration
Ablagerungen von Lipofuszin,
wie bei neuronaler CeroidLipofuszinose
▶ Oxidativer Burst in
Neutrophilen und Phagozyten
durch Myelo- und
Laktoperoxidase
(Superoxidanion, H2O2, 1O2,
Hypochlorit, Peroxynitrit)
Wenn Erythrozyten hohen
Konzentrationen von ROS
ausgesetzt sind, reicht bei
Glukose-6-phosphatDehydrogenase-Insuffizienz das
NADPH + H+ nicht für
Regenerierung von Glutathion
In jüngerer Zeit wird intensiv der Einfluss von oxidativem
Stress auf neurodegenerative Erkrankungen untersucht, denn
die Schädigung von Proteinen, DNA und Signalwegen sowie
die Ablagerungen von Plaques bei Demenzerkrankungen
(Alzheimer- und Parkinson-Krankheit sowie bei amyotropher
Lateralsklerose) sind mit oxidativem Stress assoziiert oder
werden davon ausgelöst. Diabetische Neuropathien und
Nephropathien haben Zeichen von oxidativem und Carbonylstress, wobei sowohl die Glykoxidation als auch die Bindung
der ▶ „advanced glycation end products“ (e-Carboxymethyllysin, ▶ Pentosidin) an den ▶ AGE- Rezeptor reaktive
Sauerstoff- und Stickstoffspezies induzieren. Das frei permeable H2O2 aktiviert über NFkB verschiedene Zytokine,
Endothelin-1, ▶ vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor
und TGF-b (Baynes und Thorpe 1999). Die Wirkung von
oxidativem Stress auf Entstehung, Progression oder Hemmung von Karzinomen ist noch weitgehend ungeklärt und
von Art, Genetik, Lokalisation und Entwicklungszustand des
Karzinoms abhängig. Einerseits werden Transkriptionsfaktoren (NFkB, AP-1 und „hypoxy-induced factor-1“) für Entzündungen, Proliferation, Angiogenese und Metastasierung
induziert und DNA geschädigt (Oxidation, Strangbrüche,
„cross-links“), andererseits aber auch die Expression von
Tumorsuppressorgenen (p53, Retinoblastomprotein und
PTEN [„phosphatase and tensin homolog“]) gesteigert. Auch
Radio- und Chemotherapie werden wahrscheinlich durch den
ausgelösten oxidativen Stress unterstützt und Resistenzen
beseitigt, während normale Zellen weniger sensitiv gegenüber erhöhten ROS sind.
Oxidativer Stress ist auch bei akuten Erkrankungen deutlich vorhanden und ist als prognostischer Indikator bei Sepsis,
multiplem Trauma, Schlaganfall und akuten Herzinfarkt,
Ischämie und Reperfusion verwendbar. Im Notfall und auf
Intensivstation bleibt nicht so viel Zeit, die einzelnen reaktiven Sauerstoffspezies spezifisch zu erfassen. Die Messung
des totalen Redoxpotenzials (zukünftig möglichst als POCT)
und der Redoxkapazität ist deshalb für Erfassung und Monitoring des oxidativen Stresses und der Prüfung der eingesetzten Pharmaka notwendig. Eine andere Möglichkeit ist die
automatisierte Messung der „advanced oxidation protein products“ (AOPP, Dityrosin, Carbonylproteine und Pentosidin)
bei 340 nm mit Chloramin T als Standard (Selmeci et al.
2005). Bewährt haben sich Messungen der Ratio der reduzierten und oxidierten Formen von Harnsäure/Allantoin,
Askorbinsäure, Glutathion und Ubichinon (Kandár 2016).
Weitere Messungen zum oxidativen Stress s. u. ▶ Reaktive
Sauerstoffspecies.
Literatur
Bar-Or D, Bar-Or R, Rael LT, Brody EN (2015) Oxidative stress in
severe acute illness. Redox Biol 4:340–345
Baynes JW, Thorpe SR (1999) Role of oxidative stress in diabetic
complications. A new perspective on an old paradigma. Diabetes
48:1–9
Fiedler H (2018) Oxidativer und antioxidativer Stress. MTA Dialog
19:272–278
Strontium
Gupta SC, Hevia D, Patchva P et al (2012) Upsides and downsides of
reactive species for cancer: the roles of reactive species in tumorigenesis, prevention, and therapy. Antioxid Redox Signal 16:1295–1322
Kandár R (2016) The ratio of oxidatve and reductive forms of selected
antioxidants as a possible marker of oxidative stress in humans.
Biomed Chromatogr 30:13–28
Made AK, Plummer LE, Carosini C, Pinkerton KE (2014) Nanoparticles,
lung injury, and the role of oxidative stress. Annu Rev Physiol
76:447–465
Ristow M, Schmeisser S (2011) Extending life span by oxidative stress.
Free Radic Biol Med 51:327–336
Selmeci L, Seres L, Antal M et al (2005) Advanced oxidation protein
products (AOPP) for monitoring oxidative stress in critically ill
patients: a simple, fast and inexpensive automated technique. Clin
Chem Lab Med 43:294–297
Semchyshyn HM, Lushchak V (2012) Chapter 2. Interplay between
oxidative and carbonyl stresses: molecular mechanisms, biological
effects and therapeutic strategies of protection. In: Semchyshyn HM,
Lushchak V (Hrsg) Oxidative stress – molecular mechanisms and
biological effects. InTech Europe, Rijeka
Sies H (2015) Oxidative stress: a concept in redox biology and medicine.
Redox Biol 4:180–183
Streulichtmessung
▶ Immunnephelometrie
Streuung
▶ Variabilität
Streuung, biologische
▶ Differenz, kritische
▶ Longitudinalbeurteilung
▶ Medizinisches Erfordernis
Strong Ion Difference
▶ Säure-Basen-Modell nach Stewart
Strong Ion Gap
▶ Säure-Basen-Modell nach Stewart
2229
Strontium
D. Meißner und T. Arndt
Englischer Begriff strontium
Definition Strontium (chemisches Symbol: Sr) ist ein Element der II. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente
mit der Ordnungszahl 38 und einer relativen Atommasse von
87,62. Obwohl biochemische Funktionen des Strontiums
bekannt sind, zählt es bisher nicht zu den essenziellen ▶ Ultraspurenelementen.
Beschreibung Strontium ist in der Umwelt allgegenwärtig
und relativ häufig, weshalb die ausreichende Versorgung des
Menschen gegeben ist. Die Strontiumbasiskonzentration von
100 gesunden Personen betrug 6–41 mg/L (Median 16 mg/L)
im Blut und 18–75 mg/L (Median 29 mg/L) im Plasma. Der
Körperbestand (wenige Hundert Milligramm) findet sich zu
99 % im Knochen. Die Eliminationshalbwertszeit im Urin
nach einmaliger oraler Gabe von Strontiumchlorid-Hexahydrat betrug im Mittel 40 Stunden. Die basale Strontiumausscheidung im Urin Gesunder lag studienabhängig bei 20–413,
41–506, 11–675 mg/L (Mittel 90, 144, 166 mg/L). In einer
weiteren, 30 Tage erfassenden, Studie wurden circa 18–21 %
einer oralen Dosis über den Urin, 58–68 % über den Stuhl
ausgeschieden (Baselt 2014).
In seinen biochemischen Eigenschaften ist Strontium dem
▶ Calcium sehr ähnlich. Das betrifft insbesondere den Einbau
in die Strukturen des Knochens. Aus diesem Grunde wird
Strontium pharmakologisch genutzt und in Form des Strontiumranelats in der Therapie der Osteoporose angewendet, da
es einerseits die Synthese von kollagenen und nicht kollagenen Proteinen steigert und somit die Knochenbildung fördert
und andererseits dem Knochenabbau entgegen wirkt. In Studien konnte gezeigt werden, dass sich bei Osteoporose das
Risiko von Wirbelsäulen- und Hüftgelenksfrakturen verringerte.
Das stabile Isotop (88Sr) gilt als relativ ungiftig. Dagegen
wird das radioaktive Isotop 90Sr, das bei Kernreaktionen und
Atomwaffenversuchen entsteht, als gefährlich eingestuft,
weil es sich in Knochen einlagert und mit einer Halbwertszeit
von 28,8 Jahren eine langandauernde Strahlenbelastung
bewirkt.
Deutlich erhöhte post-mortem Strontiumkonzentrationen
(z. B. 30–50-fach über der Basalkonzentration nicht ertrunkener Toter) im peripheren oder im (Herzkammer-)Blut können einen Ertrinkungstod, besonders in Salzwasser, anzeigen.
Da Salzwasser 10–50-fach höhere Strontiumkonzentrationen
als Trinkwasser oder Süßwasser aufweist, wird durch Ertrin-
S
2230
ken in Salzwasser eine große Strontiummenge aufgenommen
und im Körper verteilt, mindestens solange der Blutkreislauf
funktioniert.
Struvit
Strychnin
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Literatur
Baselt RC (2014) Disposition of toxic drugs and chemicals in man, 10.
Aufl. Biomedical Publications, Seal Beach, S 1873–1874
Kisters K, Quang-Nguyen M, Zimny G et al (2006) Strontiumrenalat und
Osteoporose. In: Anke M, Kisters K, Müller R, Schäfer U,
Schenkel H, Seifert M (Hrsg) Macro and trace elements. SchubertVerlag, Leipzig, S 10–12
Englischer Begriff strychnine
Definition Hauptalkaloid der Samen der Brechnuss (Strychnos nux vomica), Krampfgift.
Strukturformel:
Struvit
W. G. Guder
Synonym(e) Magnesium-Ammonium-Phosphat-Hexahydrat; Nierenbeckenstein; Infektstein; Phosphatstein
Englischer Begriff phosphate stone; struvite stone
Definition Konkrement der ableitenden Harnwege aus
Magnesium-Ammonium-Phosphat-Hexahydrat
(MgNH4PO4 6 H2O).
Beschreibung In reiner Form seltene, in gemischter Form
häufige Form des Harnsteins, der bei alkalischem pH-Wert
typischerweise auf der Basis einer Nierenbeckeninfektion
sich entwickelt und am häufigsten als sog. Infektstein oder
Nierenausgussstein in Kombination mit Carbonatapatit entsteht. Er wird durch Röntgendiffraktion oder Infrarotspektroskopie analytisch aufgeklärt und durch antibiotische Therapie
der Infektion und pH-Steuerung sowie Steigerung der Harnmenge vermieden. Im ▶ Harnsediment auftretende Struvitkristalle, die in Sargdeckelform auftreten, weisen zwar auf
alkalischen Urin hin, sind aber ohne diagnostischen Wert
für die Diagnose einer Steinbildung (▶ TripelphosphatKristalle).
Literatur
Hesse A, Jahnen A, Klocke K, Nolde A, Scharell O (1994) Nachsorge
bei Harnstein- Patienten. Gustav Fischer Verlag, Jena/Stuttgart
Struvit-Carbonatapatit
▶ Apatit-Kristalle
▶ Struvit
Molmasse 334,42 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Nach oraler
Aufnahme wird Strychnin rasch resorbiert und in der Leber
abgebaut. Im Urin finden sich neben wenig Muttersubstanz
überwiegend die Metabolite.
Halbwertszeit 10–16 Stunden (Plasma).
Funktion – Pathophysiologie Bei schwerer Vergiftung
kommt es zu schweren Krämpfen und Risus sardonicus
(krampfhaftes Grinsen durch Lähmung der Gesichtsmuskulatur) mit Hyperthermie. Der Tod tritt ein durch Erstickung
oder Herz-Kreislauf-Versagen. Für Kinder können bereits
10 mg, für Erwachsene 30 mg tödlich sein.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Urin,
Serum (S), Plasma (P), Haare.
Analytik ▶ GC-MS, LC-MS/MS, ▶ Dünnschichtchromatographie.
Indikation Verdacht auf Intoxikation.
Interpretation Strychnin ist in Deutschland humanmedizinisch nur noch in homöopathischen Präparaten enthalten. Es
findet sich in Tierarzneimitteln und wurde als Rodentizid
eingesetzt. In Einzelfällen sollen Drogen mit Strychnin verschnitten gewesen sein.
Therapeutischer Bereich (S, P): unbekannt; toxisch:
>0,075–1,0 mg/L; komatös-letal: >0,5 mg/L.
Stuhl als Spezimen
2231
Literatur
Allgemeine
Studientypen
Geldmacher-von Mallinckrodt M, Käferstein H (2009) Strychnine. In:
Külpmann WR (Hrsg) Clincial toxicological analysis. Wiley-VCH,
Weinheim, S 642–646
Stuart-Prower-Faktor
▶ Gerinnungsfaktor X
Nutzung der
Ergebnisse in der
Praxis
Fragestellung
Übertragung der
Ergebnisse in die
Praxis
ICT-Studien
Mögliche
Studientypen
Integration der
Ergebnisse aus den
vorangehenden
Studientypen
Experten-KonsensusKonferenz
Entwicklung von
Leitlinien
Überprüfung der
Lösung des
diagnostischen
Problems
Evaluation der
Implementierung in die
Praxis
Studien, diagnostische
R.-D. Hilgers, N. Heussen und S. Stanzel
Literatur
Englischer Begriff diagnostic studies
Knottnerus JA, van Weel C, JWM M (2002) Evidence base of clinical
diagnosis – evaluation of diagnosis procedures. BMJ 23:477–480
Definition Diagnostische Studien sind Spezialformen klinischer bzw. epidemiologischer Studien mit der Zielsetzung der
Bewertung unterschiedlicher Aspekte eines diagnostischen
Prozesses.
Stufendiagnostik
Beschreibung Je nach Zielsetzung sind die in der folgenden
Tabelle aufgelisteten Studientypen zu verwenden.
Mögliche
Studientypen
Querschnittstudie
Fall-Kontroll-Studie
Stichprobensammlung
basierend auf
Testresultaten
Befragungen in
indizierten
Populationen
Wertigkeit eines
Randomisierte
diagnostischen Tests
kontrollierte klinische
für die Prognose oder Studie
das
Kohortenstudie
Behandlungsregime
Fall-Kontroll-Studie
Vor-NachVergleichsstudie
Zusammenfassende Zusammenfassung der Systematischer
Review
Ergebnisse aus
Bewertung
mehreren Studien
Meta-Analyse
Bestimmung der
Klinische
kosteneffektivsten
Entscheidungsanalyse
diagnostischen
Kosten-EffektivitätsStrategie
Analyse
(Fortsetzung)
Allgemeine
Studientypen
Klinische Studien
Fragestellung
Diagnostische
Accuracy
O. Colhoun
Synonym(e) Reflextestung
Englischer Begriff reflex testing
Definition Eine in der Labor-EDV hinterlegte, sinnvoll
gestufte Abarbeitungslogik für ausgewählte medizinische
Fragestellungen.
S
Beschreibung Die im Konsens zwischen Labormedizin und
Klinik erarbeiteten Regeln für die Stufendiagnostik bestimmter medizinischer Fragestellungen wird in einem Regelwerk
im ▶ Labor-EDV-System hinterlegt (Beispiel: Schilddrüsenscreening mittels TSH, bei pathologischem Ausfall
Bestimmung von fT4, bei dessen unauffälligem Ergebnis
Bestimmung von fT3).
Stuhl als Spezimen
▶ Stuhlprobe
2232
Stuhlfett
Stuhlfett
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Präanalytik Konservierung des Materials kurzfristig bei
4 C oder längerfristig bei 20 C während der Sammelperiode.
Korrekte Sammlung notwendig, Kontamination mit Urin
vermeiden, Absetzen interferierender Medikamente, tägliche
Fettzufuhr >90 bis <200 g.
Synonym(e) Fett im Stuhl; Fettmalabsorption
Englischer Begriff fecal fat; stool fat
Analytik
Definition Die Stuhlfettausscheidung/Tag ist die definitive
Kenngröße (▶ Kenngröße, klinisch-chemische) zum Nachweis einer Steatorrhoe (Fettstuhl) bei Malassimilation, erlaubt
jedoch keine Differenzierung in Maldigestion und -absorption.
• Titrimetrische Methode nach van de Kamer et al. (1949):
Diese am häufigsten eingesetzte Methode bestimmt den
gesamten Fettgehalt (Triglyzeride und freie Fettsäuren) eines
Aliquots von ca. 5 g des homogenisierten Stuhls. Nach
Verseifen mit konzentrierter Kalilauge in Ethanol, saurer
Hydrolyse zur Freisetzung von Fettsäuren und Extraktion
mit Petroleumether werden die Fettsäuren mit 0,1 mol/L
NaOH in Anwesenheit von Thymolblau als Indikator oder
mit einem pH-Titriergerät (pH-Stat) titriert. Variationskoeffizient 4,6 %. Ein Nachteil besteht in dem Verlust flüchtiger
Fettsäuren und in der Variabilität des Titrationsfaktors, der
von der Art der zur Kalibration verwendeten freien Fettsäure
abhängt. Allgemein wird auf eine mittlere Molmasse der
freien Fettsäure von 284 g/mol bezogen.
• Mikroskopische Bestimmung: Heute obsolete, allenfalls
semiquantitative mikroskopische Bestimmung von Zahl
und Größe der Fetttropfen in einem mit Sudan III, Methylenblau oder Nilblau gefärbten Ausstrich des Stuhlmaterials.
• Gravimetrische Methode: Nach Extraktion und Verdampfung des Lösungsmittels erfolgt direkte Wägung der extrahierten Fette.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Fäkale
Lipide sind überwiegend freie, sowohl gesättigte als auch
ungesättigte ▶ Fettsäuren, nur eine kleine Fraktion sind Neutralfette (▶ Triglyzeride), die durch Lipasen hydrolytisch
gespalten werden.
Funktion – Pathophysiologie Die normale fäkale Fettausscheidung ist konstant und relativ unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Quelle des Stuhlfettes bei Gesunden sind
intestinale Mukosazellen, die bakteriell freigesetzt werden.
Da bei exokriner Pankreasinsuffizienz als erstes die Fettverdauung beeinträchtigt ist, kommt der Zunahme des Stuhlfettgehaltes für die Diagnostik der pankreatogenen Maldigestion
größere Bedeutung zu. Eine selektive Erfassung der ▶ Triglyzeride und freien ▶ Fettsäuren hat keine diagnostische Relevanz, da Triglyzeride mikrobiell im Kolon in wechselndem
Ausmaß hydrolysiert werden.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Stuhlsammelmenge in 24-Stunden-Sammelperioden an 3–4 aufeinander folgenden Tagen. Der Proband hat 2 Tage vorher und
während der Sammelperiode eine tägliche Fettzufuhr von
mindestens 90 g bis maximal 200 g einzuhalten.
Referenzbereich – Erwachsene <7 g Fettsäuren/Tag
(Mittelwert von 3 Tagesstühlen), 15–25 % des Stuhltrockengewichtes, >95 % Fettabsorptionskoeffizient.
Berechnung des Fettabsorptionskoeffizienten (%) nach
folgender Formel:
Stuhlfett, Tab 1. Diagnostische Bewertung der Steatorrhoe
Syndrom
Maldigestion
Exkretorische Pankreasinsuffizienz
Cholanopathien (Gallensäurestoffwechselstörungen)
Malabsorption
Erkrankung
Chronische Pankreatitis
Teilresektion
Tumoren
Schwere Leberzellinsuffizienz
Gallgengangsobstruktion (Stein- oder Tumorverschluss)
Verminderung konjugierter Gallensäuren infolge mikrobieller
Dekonjugation
Unterbrechung der enterohepatischen Gallensäurezirkulation
(z. B. Ileumresektion)
Sprue, Morbus Crohn, Morbus Whipple, Amyloidose, intestinale
Tuberkulose u. a.
Stuhlfeuchtgewicht
2233
Fettaufnahme [g] × fäkale Fettausscheidung [g]
Fettaufnahme [g]
× 100
Indikation
• Bestätigungsdiagnose einer Steatorrhoe
• Diagnose und Verlaufskontrolle der Malabsorption
• Diagnose und Verlaufskontrolle der exkretorischen Pankreasinsuffizienz, z. B. bei Enzymsubstitution
Interpretation Fettausscheidung >7 g/Tag (Steatorrhoe) tritt
wegen großer Funktionsreserve des Pankreas erst bei weitreichendem (>75 %) Parenchymuntergang auf, die Lipasesekretion muss mindestens auf ein Zehntel der Norm abgefallen sein.
Deshalb ist die Stuhlfettmenge keine zur Frühdiagnose der
Pankreasinsuffizienz geeignete Kenngröße.
Diagnostische Wertigkeit In Verbindung mit dem Stuhlgewicht (▶ Stuhltrockengewicht) liegt der positive und negative
Vorhersagewert des Stuhlfettgehaltes für die Pankreasinsuffizienz um 75 %, Sensitivitäten (▶ Sensitivität, diagnostische) und Spezifitäten (▶ Spezifität, diagnostische) um 80 %.
Die Spezifität für die Diagnose der exokrinen Pankreasinsuffizienz ist eingeschränkt, da verschiedene Malabsorptionssyndrome, z. B. Dünndarmerkrankungen mit Mukosaatrophie
und gesteigerte Dekonjugation von Gallensäuren sowie andere
Cholanopathien (Gallensäurestoffwechselstörungen) zur Steatorrhoe führen (Tab. 1) (s. a. ▶ Steatokrit).
Diagnostische Bewertung der Steatorrhoe:
Die Bestimmung des Stuhlfettes ist heute durch die weniger aufwendige Messung der pankreasspezifischen Elastase
(▶ Elastase, pankreasspezifische) im Stuhl (ca. 100 mg Stuhlprobe) weitgehend ersetzt.
Zur Differenzierung dienen:
• Parameter der Malabsorption: ▶ Xylose-Test, ▶ Laktosetoleranz-Test, ▶ Vitamin-B12-Resorptionstest, Vitamin-A-Test
und der Pankreasinsuffizienz: z. B. ▶ Pankreolauryltest,
Elastase (▶ Elastase, pankreasspezifische) und ▶ Chymotrypsin im Stuhl
• Substitution mit lipasereichen Enzympräparaten, die nur
bei exokriner Pankreasinsuffizienz (und nicht bei Malabsorption) eine Verringerung der Fettausscheidung herbeiführen
Kamer JH van de, ten Bokkel Huinink H, Meyer HA (1949) Rapid
method for the determination of fat in feces. J Biol Chem 177(1)
347–355.
Stein J, Wehrmann T (Hrsg) (2006) Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, 2. Aufl. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
Stuhlfeuchtgewicht
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Stuhlmasse
Englischer Begriff fecal weight; stool weight
Definition Mittelwert des an 3 aufeinander folgenden Tagen
gemessenen Stuhlfeuchtgewichtes.
Funktion – Pathophysiologie Malassimilationssyndrome,
die entweder auf einer intestinalen Malabsorption oder auf
einer hepatobiliären oder pankreatogenen Maldigestion beruhen, führen zu einer verminderten Ausnutzung der Nahrung
mit Ausscheidung unverdauter Zellkerne und Muskelfasern
(Kreatorrhoe), erhöhter Fettausscheidung (Steatorrhoe) und
erhöhter Stärkeausscheidung (Amylorrhoe), was sich bei ausgeprägteren Krankheitsstadien in einer Erhöhung des täglichen Stuhlfeuchtgewichtes zeigt.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen An
3 konsekutiven Tagen separat gesammelte 24-StundenStuhlmengen.
Präanalytik Materialkonservierung kurzfristig bei 4 C oder
längerfristig bei –20 C.
Vollständige Sammlung notwendig, Kontamination mit
Urin vermeiden, ausgeglichene Ernährung.
Analytik Gravimetrisch, es werden die Stuhlgewichte von
3 aufeinander folgenden 24-Stunden-Sammelperioden gemessen und das mittlere Stuhlfeuchtgewicht/Tag berechnet.
Referenzbereich – Erwachsene 100–200 g Feuchtgewicht/
Tag (abhängig von Nahrungszusammensetzung).
Referenzbereich – Kinder Kleinkinder: <10 g/kg KG/Tag.
Literatur
Lembcke B, Braden B, Stein J (1994) Diagnostik der Steatorrhoe.
Z Gastroenterol 32:256–261
Indikation Diagnostik und Verlaufskontrolle von Malassimilationssyndromen, insbesondere der pankreatogenen Maldigestion.
S
2234
Interpretation Stuhlmengen >400 g sind eindeutig pathologisch. Ein normales Stuhlgewicht schließt eine beginnende
Pankreasinsuffizienz nicht aus, da erst bei einem Verlust von
>75 % der exkretorischen Pankreasfunktion ein pathologisches Ergebnis zu erwarten ist. Das Stuhlgewicht ist
somit kein empfindlicher Parameter zur Frühdiagnostik der
Pankreasinsuffizienz. Spezifität ist eingeschränkt, da das
Stuhlgewicht auch bei nicht pankreatogener Malabsorption
(Dünndarmerkrankungen) und hepatobiliären Erkrankungen
aufgrund eines Mangels an ▶ Gallensäuren erhöht sein kann.
Ergänzende Untersuchungen betreffen die Bestimmung von
▶ Stuhlfett, ▶ Elastase, pankreasspezifische, ▶ Chymotrypsin im Stuhl sowie Pankreasfunktionsteste.
Diagnostische Wertigkeit Stuhlfett- und Stuhlgewichtsbestimmung weisen prädiktive Werte um 75 % für exokrine
Pankreasinsuffizienz auf. Sensitivitäten (▶ Sensitivität, diagnostische) und Spezifitäten (▶ Spezifität, diagnostische) liegen bei 88 bzw. 79 %. Bei 10–15 % der Patienten sind
pathologische Stuhlfettausscheidung und erhöhtes Stuhlgewicht nicht kongruent.
Stuhlmasse
(Erregernachweis bei Darminfektionen, Wurmeieridentifikation), metabolischer (Elastase im Stuhl zum Nachweis einer
Pankreasinsuffizienz; ▶ Elastase, pankreasspezifische), genetischer (z. B. bei genetischer Untersuchung auf Polyposis
intestinalis) und zur Früherkennung von Krebserkrankungen
des Darmtrakts (Blut im Stuhl; ▶ Hämoccult-Test; ▶ Okkultblut, fäkales).
Literatur
Neumeister B, Besenthal I, Liebich H (2003) Klinikleitfaden Labordiagnostik, 3. Aufl. Urban und Fischer, München
Stuhltrockengewicht
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Fäzestrockengewicht
Literatur
Feurle GE, Morgenstern W, Pfaff H (1983) Diagnosis of exocrine pancreatic insufficiency from stool fat and weight. Klin Wochenschr
61:199–202
Stuhlmasse
▶ Stuhlfeuchtgewicht
▶ Stuhltrockengewicht
Stuhlprobe
W. G. Guder
Synonym(e) Faeces
Englischer Begriff feces sample; part of stool
Definition Teil oder vollständige Menge des anal oder aus
künstlichem Ausgang des Kolons ausgeschiedenen Exkrets
mit dem Ziel der diagnostischen Untersuchung.
Beschreibung Stuhlproben dienen der diagnostischen Untersuchung in der Neugeborenenperiode bis ins hohe Alter.
Genetische, mikroskopische, mikrobiologische oder metabolische Untersuchungen dienen dem Nachweis infektiöser
Englischer Begriff feces dry weight
Definition Das Gewicht des getrockneten Stuhls ist bei Malassimilationssyndromen (Malabsorption, -digestion) teilweise gegensätzlich verändert und kann somit zur Differenzialdiagnostik beider Formen herangezogen werden.
Beschreibung Im Normalzustand beträgt das Stuhltrockengewicht 25 % des Feuchtgewichtes, das Verhältnis Trockengewicht zu Feuchtgewicht somit 1:4. Zur Bestimmung des
Trockengewichtes werden nach Wägung der Gesamtstuhlmenge 50 g Feuchtstuhlmenge mit 20 g Quarzsand vermischt
und in Heißluft unter mehrmaligem Zusatz von absolutem
Alkohol für etwa 3 Stunden getrocknet. Die getrocknete und
gewogene Stuhlprobe wird (unter Abzug des Quarzsandgewichts) auf das Gesamtstuhlgewicht umgerechnet und im
Verhältnis zum Feuchtgewicht angegeben. Die medizinische
Bewertung einer Zunahme des Trockengewichts weist auf ein
(pankreatogenes) Malassimilationssyndrom hin, eine Abnahme des Trockengewichts als Folge eines hohen prozentualen
Wassergehalts des Stuhles deutet auf hepatogene Formen
oder Sprue hin. Spezifische Funktionsteste zur Diagnostik
einer Fettmalabsorption (▶ Stuhlfett) sollten herangezogen
werden.
Literatur
Gitter A, Heilmeyer L (Hrsg) (1963) Taschenbuch klinischer Funktionsprüfungen, 8. Aufl. Gustav Fisher Verlag, Stuttgart
Suberinsäure
2235
Präanalytik
S-Typ-Cholinesterasen
▶ Pseudocholinesterase
• Durch ▶ Flüssig-Flüssig-Extraktion im sauren Medium
mittels Ethylacetat oder Diethylether
• Mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie (▶ GCMS) als Di-Trimethylsilylester
Retentionsindex RI: 1702
M+ (m/z): 318
Quant Ion (m/z): 303
Conf. Ion (m/z): 169
Suberinsäure
G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Internationale Einheit mmol/mol Kreatinin (Urin).
Synonym(e) 1,8-Oktandisäure; Korksäure
Referenzbereich
(altersabhängig):
Englischer Begriff suberic acid
Definition Die mittelkettige Dicarbonsäure (C8H14O4) entsteht als pathologischer Metabolit bei einer Reihe von Fettsäureoxidationsstörungen.
•
•
•
•
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Die im
Verlauf der mitochondrialen b-Oxidation aus dem trifunktionellen Protein freigesetzten mittelkettigen ▶ Fettsäuren werden
durch die mittelkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase weiter verkürzt und im weiteren Verlauf zu Acetyl-CoA (geradzahlige
Fettsäuren) bzw. zu Propionyl-CoA (ungeradzahlige Fettsäuren) abgebaut, die schließlich in den Citratzyklus einfließen.
Bei Defekten der mittelkettigen Acyl-CoA-Dehydrogenase
(MCAD) und in geringerem Ausmaß der überlangkettigen
Acyl-CoA-Dehydrogenase (VLCAD) werden die mittelkettigen
Fettsäuren alternativ durch o-Oxidation zu mittelkettigen Dicarbonsäuren (▶ Adipinsäure, Suberinsäure, ▶ Sebacinsäure)
abgebaut. Diese werden entweder in freier Form oder als Glyzinkonjugate (Hexanoylglycin, Suberylglycin) im Urin ausgeschieden.
Funktion – Pathophysiologie Suberinsäure hat keine
bekannte Funktion im Intermediärstoffwechsel. Untersuchungen zur individuellen Toxizität der durch o-Oxidation
entstandenen Dicarbonsäuren (Adipinsäure, Suberinsäure,
Sebacinsäure) liegen erst in Ansätzen vor. In der Summe
hemmen diese pathologischen Metabolite und/oder ihre Konjugate den mitochondrialen Energiestoffwechsel.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Urin.
Kinder Normalbereich
–
Urin
0–4 Monate: 1–15 mmol/mol Kreatinin
Bis 2 Jahre: 2–15 mmol/mol Kreatinin
Bis 10 Jahre: 1–10 mmol/mol Kreatinin
>10 Jahre: 1–6 mmol/mol Kreatinin
Pathologischer Bereich:
Struktur Strukturformel:
Molmasse 174,19 g.
–
•
•
•
•
6–4000 mmol/mol Kreatinin (MCAD)
0–500 mmol/mol Kreatinin (VLCAD)
0–500 mmol/mol Kreatinin (Glutaracidurie Typ II)
10–620 mmol/mol Kreatinin (MCT angereicherte Ernährung)
Indikation Hypoketotische Hypoglykämien, rezidivierende
Hepatopathien und Enzephalopathien, insbesondere ReyeSyndrom, Myopathien, Rhabdomyolyse.
Interpretation Erhöhte Suberinsäureausscheidungen im Urin
werden bei zahlreichen genetischen und sekundären Störungen
der Fettsäureoxidation beobachtet. Entscheidend für die Beurteilung ist zuerst die Kenntnis des aktuellen Ernährungsstatus
und -modus sowie des Abstandes von der letzten Nahrungsaufnahme. Die Differenzierung erfordert ferner Kenntnisse über die
Konzentrationen anderer Fettsäureoxidationsprodukte. Die Suberinsäure findet sich zusammen mit Adipinsäure und Sebacinsäure als führender Metabolit beim MCAD-Mangel. Bei Ketosen und Formulanahrung auf der Basis von mittelkettigen
Triglyzeriden (Alfaré-Spezialnahrung) tritt Suberinsäure auch
bei Normalpersonen vermehrt auf.
Diagnostische Wertigkeit Stark erhöhte Urinausscheidungen von Suberinsäure weisen auf eine gestörte Fettsäureoxidation hin. Die weitere Differenzierung erfordert Kenntnisse
über die individuelle Stoffwechselsituation des Patienten, die
Konzentrationen weiterer Metabolite und schließlich eine
enzymatische oder molekularbiologische Bestätigungsdiagnostik.
S
2236
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s
guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg
Sublimation
T. Arndt
Synonym(e) Dehydratisierung; Gefriertrocknung; Vakuumsublimation
Sublimation
Subokzipitalliquor (SOP-Liquor)
▶ Liquor cerebrospinalis
Substantia granulofilamentosa
H. Baum
Englischer Begriff substantia granulofilamentosa
Definition Konglomerat aus Ribonukleoproteinen und einem Vitalfarbstoff in Retikulozyten.
Englischer Begriff sublimation; lyophilisation; freeze-drying
Definition Übergang einer Substanz aus dem festen in den
gasförmigen Zustand und seine anschließende Ausscheidung
in fester Form, ohne jeweils den flüssigen Aggregatzustand zu
durchlaufen.
Beschreibung Die Sublimation einer Substanz ist möglich,
wenn bei einem bestimmten Druck für eine bestimmte Temperatur die sog. Sublimationsdruckkurve im Phasendiagramm der Substanz getroffen wird. Oft sind hierzu Kühlung
und/oder Vakuum erforderlich. Die Sublimation wird häufig
zur Reinigung und Trocknung (auch Aufkonzentrierung) von
temperatur- und sauerstoffempfindlichen Substanzen genutzt.
Eine typische Anwendung in der Klinischen Chemie
(▶ Klinische Chemie) ist die Gefriertrocknung (▶ Lyophilisation) von wässrigen Lösungen (Serum, Plasma, Urin) zur
Herstellung von Materialien für die interne, vor allem aber die
externe Qualitätskontrolle (käufliches Qualitätskontrollmaterial und Ringversuchsproben). Hierbei wird die wässrige
Lösung bis zum Einfrieren abgekühlt und das Wassereis im
Vakuum sublimiert. Die nichtflüchtigen Bestandteile bleiben
in einem trockenen Pulver zurück, das bei Bedarf mit einer
definierten Menge Wasser erneut gelöst werden kann
(Rekonstitution).
Literatur
Falbe J, Regitz M (Hrsg) (1990) Römpp Chemie Lexikon. Georg Thieme
Verlag, Stuttgart/New York
Submolekül
▶ Untereinheit
Beschreibung Die Substantia granulofilamentosa ist ein
morphologisch nachweisbares Produkt der Reaktion von Ribonukleoproteinen des jungen Erythrozyten (▶ Retikulozyt)
und einem Supravitalfarbstoff, wie z. B. Brillantkresylblau
oder Nilblausulfat. Ihr Nachweis dient der Erkennung und
Zählung der Retikulozyten.
Literatur
Enne W (1993) Zellen der Erythropoese. In: Begemann H, Rastetter
J (Hrsg) Klinische Hämatologie, 4. Aufl. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, S 35–36
Substanz P
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Englischer Begriff substance P (p = pain)
Definition Kurzkettiges, innerhalb von Nervenzellen und
spezifischen endokrinen Zellen des Gastrointestinaltrakts im
Körper weit verbreitetes Polypeptid mit Funktionen als sensorischer Neurotransmitter (von Schmerzreizen) und potenter
Vasodilatator.
Beschreibung Das aus 11 Aminosäuren bestehende, als
Präproprotein synthetisierte und proteolytisch prozessierte
Peptid ist weit verbreitet im Gastrointestinaltrakt sowie im
peripheren und zentralen Nervensystem, wo es als sensorischer Neurotransmitter, insbesondere bei Nozirezeptoren
wirkt. Überträgt Schmerzreize (analgetischer Faktor), stimuliert glatte Muskelkontraktion im Gastrointestinaltrakt,
Subtelomer-Region
Speichelsekretion, ▶ Histamin-Freisetzung, Vasodilatation
und Superoxidproduktion in ▶ Makrophagen. Aufgrund ihrer
Aminosäuresequenz H-Arg-Pro-Lys-Pro-Gln-Gln-Phe-Phe-GlyLeu-Met-NH2, die im Carboxy-terminalen Bereich mit der
anderer amidierter Neuropeptide identisch ist (Phe-X-GlyLeu-Met-NH2), gehört Substanz P gemeinsam mit Neuromedin
und Substanz K zur Familie der Tachykinine. Nüchternplasmakonzentration stark methodenabhängig, Richtwert <240 ng/L,
Analyt instabil (eisgekühltes, Aprotinin-versetztes EDTAPlasma, was sofort tiefgefroren werden muss). Bestimmung
mit ▶ Enzymimmunoassay (EIA) oder ▶ ChemolumineszenzAssay (CLIA).
Erhöhungen der Plasmakonzentration bei Karzinoidtumor,
medullärem Schilddrüsenkarzinom und weiteren hormonaktiven gastrointestinalen Tumoren.
Selektive Katheterisierung zur Bestimmung von Substanz P dient der Lokalisationsdiagnostik des Karzinoidtumors.
2237
lich durch ein Kettenglied voneinander unterscheiden und
durch eine allgemeine Formel beschrieben werden können,
z.B. die aliphatischen Alkohole mit CnH2n+2O (Methanol
CH4O, Ethanol C2H6O, Propanol C3H8O etc.).
Literatur
Falbe J, Regitz M (1990) Römpp Chemie Lexikon, Bd 3 H-L, 9. Aufl.
Georg Thieme, Stuttgart/New York, S 1845–1846
Substanzmenge
▶ Mol
Substrat
Literatur
▶ Nährmedium
Severini C, Petrella C, Calissano P (2016) Substance P and Alzheimer‘s
disease: emerging novel roles. Curr Alzheimer Res 13(9):964–972
Subtelomer-Region
Substanz S
J. Arnemann
▶ 11-Desoxykortisol
Synonym(e) Telomer-flankierender Bereich
Englischer Begriff subtelomeric region
Substanzen, homologe
T. Arndt
Definition Die beiden Subtelomer-Regionen im p- und
q-Arm eines Chromosoms stellen die chromosomenspezifischen DNA-Abschnitte dar, die am weitesten vom Zentromer
entfernt liegen.
Synonym(e) Homolog
Englischer Begriff homologous substances; homolog
Definition Bezeichnung für strukturell und in ihren Eigenschaften sehr ähnliche Substanzen.
Beschreibung Hierbei ist der Begriff „ähnlich“ nicht streng
definiert. Bei Betrachtung verschiedener Charakteristika
können dieselben Substanzen durchaus größere oder kleinere
Unterschiede aufweisen und als mehr oder weniger ähnlich
beurteilt werden.
Im hier verwendeten Sinn ist der Begriff von jenem der
homologen Reihe zu differenzieren, der Gruppen von chemisch nahe verwandten Substanzen bezeichnet, die sich ledig-
Beschreibung Die Subtelomer-Region ist aufgrund der
chromosomenspezifischen Muster wichtig für die Erkennung
und meiotische Paarung homologer Chromosomen. Diese
Regionen setzen sich vordergründig aus segmentalen Duplikationen und subtelomerischen Repeat-(Srpt-)Sequenzen,
insbesondere variablen Kombinationen von degenerativen
TTAGGG-Repeats zusammen. TTAGGG-Repeats von bis
zu 20 kb Länge bilden die eigentlichen Telomere, das Ende
der Chromosomen, die das Chromosom vor Degradation
schützen und in degenerativer Form in die SubtelomerRegion übergehen.
In der Subtelomer-Region sind auch transkribierte Gene
lokalisiert, wie z. B. Zinkfinger- oder olfaktorische Rezeptorgene, aber auch weitere ORFs („open reading frames“). Dele-
S
2238
tionen in dieser Region bedingen genetisch bedingte Erkrankungen, wie fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
oder auch Formen mentaler Retardierung.
Literatur
Ravnan JB et al (2006) Subtelomere FISH analysis of 11,688 cases: an
evaluation of the frequency and pattern of subtelomere rearrangements in individuals with developmental disabilities. J Med Genet
43:478–489
Succinylaceton
pyruvat-Dioxigenase wie auch der ▶ 5-Aminolävulinsäuredehydratase. Das Krankheitsbild ist durch schwere, ohne
Behandlung tödlich verlaufende Leber- und Nierenfunktionsstörungen gekennzeichnet. Durch die Beeinträchtigung
der Hämsynthese kommt es zu einem Anstieg von
d-Aminolävulinsäure (▶ Porphyrine) mit konsekutiver Porphyrie und neurologischen Krisen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen Urin,
in Ausnahmefällen Liquor, Plasma oder Trockenblut.
Präanalytik
Succinylaceton
G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Synonym(e) 4,6-Dioxo-Heptansäure
Englischer Begriff succinylacetone
Definition Dioxocarbonsäure tritt als pathologischer Metabolit im Stoffwechsel der aromatischen Aminosäure ▶ Tyrosin auf.
Struktur C7H10O4; Strukturformel:
• ▶ Flüssig-Flüssig-Extraktion im sauren Medium mittels
Ethylacetat oder Diethylether nach vorangegangener Oximierung mit Pentafluorbenzylhydroxylamin (PFBHA)
• Gaschromatographie-Massenspektrometrie (▶ GC-MS)
als Di-Pentafluorbenzyloxim-Trimethylsilylester
– Retentionsindex RI: 2431, 2457, 2472, 2485
– M+ (m/z): 620
– Quant Ion (m/z): 181
– Conf. Ion (m/z): 620
• Enzymatisch: Der semiquantitative Bloodspot-Test basiert
auf der Inhibition der d-Aminolävulinat-Dehydratase
durch Succinylaceton
– Prinzip: Endpunktbestimmung der d-AminolevulinsäureDehydrataseaktivität
– Reaktion:
δ-Aminolevulinsäure
Molmasse 158,16 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Das Transaminierungsprodukt von ▶ Tyrosin, 4-Hydroxyphenylbrenztraubensäure, wird durch die 4-Hydroxyphenylpyruvat Dioxigenase zu Homogentisinsäure oxidativ decarboxyliert.
Im weiteren Verlauf des Abbauwegs wird durch die
Homogentisat-Dioxigenase Maleylacetessigsäure und weiter
Fumarylacetessigsäure gebildet. Diese wird durch die Fumarylacetoacetase zu ▶ Fumarsäure und Acetessigsäure (▶ Acetoacetat) gespalten. Ein Defekt der Fumarylacetoacetase
resultiert in einer Akkumulation von Fumarylacetessigsäure
und Maleylacetessigsäure, die in einer Sekundärreaktion Succinylacetessigsäure bilden. Letzteres wird zu Succinylaceton
decarboxyliert.
Succinylaceton verteilt sich in allen Körperflüssigkeiten
und wird renal effizient ausgeschieden.
Funktion – Pathophysiologie Succinylaceton entsteht im
Abbau von Tyrosin und hat keine bekannte physiologische
Funktion. Es ist ein potenter Inhibitor der 4-Hydroxyphenyl-
δ-AminolevulinsäureDehydratase
Porphobilinogen
– Detektion (es wird spektrometrisch die Absorption bei
550 nm gemessen):
Porphobilinogen
Ehrlich-Reagenz
violetter Farbstoff
– Nachweisgrenze: 0,3 mmol/L
• Tandem-Massenspektrometrie: im Neugeborenenscreening
aus Trockenblut als butyliertes Succinylacetonhydrazon
Internationale Einheit mmol/mol Kreatinin (Urin).
mmol/L (Plasma, Liquor).
Referenzbereich – Kinder <0,1 mmol/mol Kreatinin.
Pathologischer Bereich: 0,5–1000 mmol/mol Kreatinin.
Indikation Akute oder chronische Hepatopathie bis Leberversagen im Säuglings- oder Kleinkindesalter, chronische
Gedeihstörungen.
Interpretation Erhöhte Konzentrationen von Succinylaceton sind beweisend für eine Tyrosinämie Typ I, auch wenn
Tyrosin selbst und andere charakteristische Metabolite wie
Sucrase-Isomaltase
erhöhtes ▶ Methionin, 4-Hydroxyphenylbrenztraubensäure
und ihre Derivate 4-Hydroxyphenylmilchsäure und 4-Hydroxyphenylessigsäure oder d-Aminolävulinsäure normwertig
wären. Diese Metabolite sollten mit untersucht und eine Bestätigungsdiagnostik in Fibroblasten oder Mutationsanalytik
initiiert werden.
2239
Suchfunktion
O. Colhoun
Synonym(e) Suche
Diagnostische Wertigkeit Der Nachweis von Succinylaceton ist beweisend für eine Tyrosinämie Typ I, eine Stoffwechselstörung, deren Ursache ein Defekt der Fumarylacetoacetase
ist. Daneben werden vermehrt auch 4-Hydroxyphenylbrenztraubensäure, 4-Hydroxyphenylmilchsäure und 4-Hydroxyphenylessigsäure ausgeschieden.
Einige Patienten scheiden nur sehr geringe Mengen Succinylaceton aus. In diesem Fall muss Succinylaceton mittels der spezifischen Stabilen-Isotopen-Verdünnungsanalyse
(▶ Isotopenverdünnung) exakt quantifiziert und die Diagnose
durch die Bestimmung der Fumarylacetoacetaseaktivität in
Leukozyten oder Fibroblasten bestätigt werden.
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s
guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg
Sander J, Janzen N, Peter M, Sander S, Steuerwald U, Holtkamp U,
Schwahn B, Mayatepek E, Trefz FK, Das AM (2006) Newborn
screening for hepatorenal tyrosinemia: tandem mass spectrometric
quantification of succinylacetone. Clin Chem 52:482–487
Schulze A, Frommhold D, Hoffmann GF, Mayatepek E (2001) Spectrophotometric microassay for d-aminolevulinate dehydratase in driedblood spots as confirmation for hereditary tyrosinemia type I. Clin
Chem 8:1424–1429
Englischer Begriff search function
Definition Funktionalität des Labor-EDV-Systems für die
Suche von Befunden oder Patienten.
Beschreibung Die Suchmaske für die Befundauskunft im
▶ Labor-EDV-System benötigt folgende Funktionen: Es
kann – auch in eingegrenzten Zeitintervallen – nach Patienten, Auftragsnummern, Auftragsdatum, Patientengeburtsdatum, Messgröße, Laborbereich und/oder Einsender gesucht
werden. Darauf erscheint eine Auswahlliste der infrage kommenden Patienten, chronologisch nach deren Aufenthalt sortiert, aktuellste zuerst.
Hier soll die Befundanzeige noch weiter eingrenzbar sein:
• Für jede definierte Befundart (Klinische Chemie, Hämatologie, Speziallabor/Serologie, Bakteriologie, Blutbank,
Konservenstatus, Blutzucker etc.).
• Zeitliche Eingrenzung der Befunddarstellung: Als Vorgabe sollen alle Bereiche angewählt und keine zeitliche
Eingrenzung vorgenommen sein.
• Eingrenzung auf einen Analyten: Hierauf sollen die
Befunde direkt kumuliert einsehbar sein, aktuellste Aufträge zuerst. Dieser Kumulativbefund soll vor- und zurückblätterbar und direkt ausdruckbar sein.
Succinyl-CoA:glycin
C-succinyltransferase
Suchtest
▶ 5-Aminolävulinsäuresynthase
▶ Screening-Untersuchung
Suchanalyse, allgemeine
Suchzellen
▶ Analyse, systematische toxikologische
▶ Antikörpersuchtest
Suche
Sucrase-Isomaltase
▶ Suchfunktion
▶ Saccharase-Isomaltase
S
2240
Sucrose-Hämolyse-Test
▶ Zuckerwasser-Test
Sudan-Schwarz
H. Baum
Englischer Begriff sudan black
Definition Lipophiler Farbstoff, der irreversibel an granuläre
Komponenten in neutrophilen und eosinophilen Granulozyten bindet.
Sucrose-Hämolyse-Test
Beschreibung Sulfhämoglobin ensteht aus ▶ Hämoglobin
durch irreversible Bindung eines Schwefelatoms in den Porphyrinring (▶ Porphyrine) des Häms. Dadurch kann das Sulfhämoglobin keinen Sauerstoff mehr transportieren. Die
gleichzeitige Verbesserung der Sauerstoffabgabe an das
Gewebe durch eine Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve mildert allerdings die klinische Symptomatik.
Die Bildung von Sulfhämoglobin kann erfolgen bei
gleichzeitigem Vorhandensein eines oxidativen Zustandes
und einer Schwefelquelle. Dabei kommen vor allem Arzneimittel als Schwefelquelle in Frage (z. B. Sulfonamide, Phenacetin, Dapsone). Sulfhämoglobin ist sehr stabil und wird erst
mit dem Erythrozytenuntergang freigesetzt und abgebaut.
Die Bestimmung von Sulfhämoglobin erfolgt in der Regel
simultan mit den anderen Hämoglobinen in der ▶ Oximetrie.
Referenzbereich: <1 % des Gesamthämoglobins.
Literatur
Beschreibung Sudan-Schwarz ist ein lipophiler Farbstoff,
der spezifisch die Granula in den myeloischen Vorläuferzellen
sowie den reifen neutrophilen und eosinophilen Granulozyten
anfärbt. Sudan-Schwarz kann alternativ zur ▶ Myeloperoxidase-Färbung in der Diagnostik der akuten myeloischen Leukämien verwendet werden. Dabei zeigen beide zytochemische Methoden die gleichen Ergebnisse.
Lu HC, Shih RD, Marcus S et al (1998) Pseudomethemoglobinemia.
A case report and review of sulfhemoglobinemia. Arch Pediatr Adolesc Med 152:803–805
Tietz NW (Hrsg) (2006) Clinical guide to laboratory tests. W. B. Saunders, Philadelphia
Sulfitoxidase(-Defizienz)
Literatur
Swirsky D, Bain BJ (2001) Erythrocyte and leucocyte cytochemistry – leukaemia classification. In: Lewis SM, Bain BJ, Bates
I (Hrsg) Dacie and Lewis Practical Haematology, 9. Aufl. Churchill
Livingstone, London, S 279–280
▶ Sulfit-Test
Sulfit-Schnelltest
▶ Sulfit-Test
Sudor
▶ Schweiß
Sulfit-Test
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Sulfhämoglobin
H. Baum
Synonym(e) Sulfit-Schnelltest; Test auf Molybdän-CofaktorDefizienz
Englischer Begriff test of molybdenum cofactor deficiency
Synonym(e) S-Hb; Verdoglobin
Englischer Begriff sulfhemoglobin
Definition Schwefelhaltiges, grünliches Hämoglobinderivat.
Definition Zum Nachweis erhöhter Sulfitkonzentrationen
im Urin bei Neugeborenen und Kleinkindern eingesetzter
Streifen- bzw. Stäbchentest, der bei positivem Ergebnis auf
genetische Molybdän-Cofaktor-Defizienzen hinweist.
Sulkowitch-Test
Beschreibung Der semiquantitative Stäbchentest ist indiziert bei Verdacht auf Vorliegen der 1978 erstmalig beschriebenen, autosomal-rezessiven, von 3 Genen kodierten Molybdän-Cofaktor-Defizienzen (MoCoDe) (▶ Molybdän) bei
Neonaten und im frühen Kindeslater. Klinische Hinweise
auf die (unbehandelt) bereits frühkindlich zum Tode führende
Erkrankung sind u. a. ausgeprägte Entwicklungsverzögerungen, schwere Krampfanfälle, zerebrale Atrophien mit Mikrozephalie, grobe Gesichtszüge und ektope Augenlinsen.
Als Screening-Verfahren (▶ Screening-Untersuchung) für
MoCoDe dient der mit kommerziellen Teststreifen oder -stäbchen, kolorimetrisch oder titrimetrisch (iodometrisch) durchgeführte Sulfit-Test im Urin zum Nachweis deutlich erhöhter
Sulfitkonzentrationen (SO32 ): Frisch-gelassener Urin wird
innerhalb von 10 Minuten dreimal getestet. Bei positivem
Ergebnis muss eine Abgrenzung von einer isolierten Sulfitoxidasedefizienz durch zusätzliche Bestimmung der Harnsäurekonzentration im Plasma/Serum vorgenommen werden,
deren Konzentration nur bei MoCoDe deutlich erniedrigt ist.
Molybdän-Cofaktor-abhängige Enzyme sind u. a. Sulfitoxidase, Xanthindehydrogenase, Aldehydoxidase, deren Aktivitätsverluste u. a. zur Akkumulation von Sulfit, ▶ Taurin,
S-Sulfocystein und Thiosulfat führen. Diese Metabolite sind
kausal für die o. g. schweren neurologischen Symptomen.
Die definitive molekulargenetische Diagnostik wird mit
EDTA-Blut, DNA oder Zellkulturen des Patienten durchgeführt, die aufgrund der Vielzahl beteiligter Gene und Heterogenität der pathogenen Mutationen mit daraus resultierenden
zahlreichen Sequenzierungen sehr aufwendig und demzufolge Speziallaboratorien vorbehalten ist. Bei positiver
Elternanamnese ist auch eine pränatale Diagnostik möglich.
Literatur
Atwal PS, Scaglia F (2016) Molybdenum cofactor deficiency. Mol Genet
Metab 117(1):1–4
Nagappa M, Bindu PS, Taly AB et al (2015) Child neurology: molybdenum cofactor deficiency. Neurology 85(23):e175–e178
2241
Beschreibung Der Sulfosalizylsäure-Test wurde als qualitatives Nachweisverfahren von Protein im Urin neben anderen
Säurefällungsmethoden und Kochproben eingeführt und
hatte gegenüber diesen den Vorteil, dass man keine Erhitzung
benötigte, das Ergebnis sofort ablesbar war und auch ▶ BenceJones-Protein damit erfasst werden kann. Dem Urin wird
dabei tropfenweise 10- bis 20 %ige Sulfosalizylsäure zugesetzt. Bei erhöhten Proteinmengen (positiv ab 150 mg/L
Albumin; empfindlicher als der später eingeführte ▶ Teststreifen mit dem Prinzip der pH-Verschiebung eines Indikators) wurde eine quantitative Methode angeschlossen. Henry
entwickelte eine semiquantitative Methode auf dieser Basis,
die aber durch die ▶ Biuretmethode als quantitativem Verfahren verdrängt wurde. Heute hat dieses Verfahren keine Bedeutung mehr, da sensitivere und spezifischere Methoden für
▶ Albumin im Urin entwickelt worden sind.
Literatur
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart
Henry RJ, Sobel C, Segalove M (1956) Turbidometric determination of
proteins with sulfosalicylic and trichloroacetic acids. Proc Soc Exp
Biol Med 92:748
Sulkowitch-Probe
▶ Sulkowitch-Test
Sulkowitch-Test
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Synonym(e) Calciumreaktion nach Sulkowitch; SulkowitchProbe
Englischer Begriff Sulkowitch’s test
Sulfosalizylsäure-Test
W. G. Guder
Synonym(e) Eiweißprobe im Urin
Englischer Begriff sulfosalicylic acid method
Definition Heute obsoleter Test zum Nachweis von Protein
(Albumin) im Urin.
Definition Heute obsolete, semiquantitative Bestimmung
von Calcium im Urin (▶ Calciumausscheidung).
Beschreibung Die mit einigen Tropfen Essigsäure angesäuerte, klare (ggf. zu filtrierende) Urinprobe zeigt ca. 3 Minuten nach Mischung im Verhältnis 1:1 mit SulkowitchReagenz (Essigsäure-gepufferte Oxalatlösung) im Normalfall
eine langsam zunehmende, feine, weißliche Trübung. Bei
erhöhter Calciumkonzentration tritt schnell eine milchige bis
flockige Trübung auf. Die Stärke der Präzipitation kann semi-
S
2242
Sultiam
quantitativ ausgewertet werden. Die obsolete Methode
(Barney und Sulkowitch 1937) ist heute durch die quantitative Bestimmung von ▶ Calcium im (Sammel-)Urin ersetzt.
Literatur
Interpretation Therapeutischer Bereich (S, P): 2–8 mg/L;
toxisch: ab 12 mg/L (Hiemke et al. 2012); komatös-letal: ab
20–25 mg/L (Schulz et al. 2012).
Literatur
Barney JD, Sulkowitch HW (1937) Progress in management of urinary
calculi. J Urol 37:746–762
Hallmann L (1980) Klinische Chemie und Mikroskopie, 11. Aufl. Georg
Thieme Verlag, Stuttgart/New York
Sultiam
Hiemke C et al (2012) AGNP-Konsensus-Leitlinien für therapeutisches
Drug-Monitoring in der Psychiatrie: Update 2011. Psychopharmakotherapie 19:91–122
Rote Liste (2008) Ospolot ®. In: FachInfo-Service. Rote Liste Service
GmbH, Berlin
Schulz M, Iwersen-Bergmann S, Andresen H, Schmoldt A (2012) Therapeutic and toxic blood concentrations of nearly 1000 drugs and
other xenobiotics. Crit Care 16:R136
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff sultiame; sulthiame
SUMO (small ubiquitin-like modifier)
Definition Antiepileptikum; Antikonvulsivum.
Strukturformel:
▶ Ubiquitin
O
S
O
N
O
S O
NH2
Superoxiddismutase
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Molmasse 290,36 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination Nach oraler
Gabe wird Sultiam rasch und vollständig resorbiert. Die Proteinbindung beträgt etwa 30 %. Die Ausscheidung erfolgt zu
80–90 % renal, zu 10–20 % biliär.
Halbwertszeit 3–30 Stunden.
Pathophysiologie Sultiam wird eingesetzt zur Behandlung
der Rolando-Epilepsie, wenn die Behandlung mit anderen
Antiepileptika erfolglos war. Als häufige Nebenwirkungen
der Sultiamgabe sind Magenbeschwerden beschrieben. Sultiam besitzt eine geringe Toxizität, sodass Überdosierungen
von 4–5 g Sultiam überlebt wurden. Ein Todesfall wurde
beobachtet nach Einnahme von 20 g Sultiam in suizidaler
Absicht.
Untersuchungsmaterial–Entnahmebedingungen Serum(S),
Plasma (P), Urin.
Analytik ▶ Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie,
▶ GC-MS, LC-MS/MS.
Indikation Therapeutisches Drug Monitoring, Verdacht auf
Intoxikation.
Synonym(e) SOD
Englischer Begriff superoxide dismutase
Definition SOD ist ein in Mitochondrien und Cytosol zahlreicher Zellen (Erythrozyten, Granulozyten, Hepatozyten,
Motoneuronen u. a.) vorkommendes Enzym, das in einer
Disproportionierungsreaktion mit den Kofaktoren ▶ Kupfer,
▶ Zink und ▶ Mangan der Elimination von hochreaktiven
Superoxidradikalen dient.
Beschreibung Die SOD ist ein zentrales Enzym der Detoxifikation reaktiver Sauerstoffmetabolite. Es katalysiert folgende Disproportionierungsreaktion ▶ Dismutation, bei der
die Reduktion des Superoxidanions und die Oxidation des
Wasserstoffs gleichzeitig ablaufen:
2 O2•– + 2 H+
O2 + H2O2
Entstehendes Wasserstoffperoxid wird durch Katalase in
Sauerstoff und Wasser umgesetzt. Beide Enzyme sind von
zentraler Bedeutung für die Begrenzung des oxidativen Stress
(▶ Stress, oxidativer).
Etwa 20 Mutanten der SOD mit unterschiedlichen katalytischen Aktivitäten und Kofaktorabhängigkeiten (Typ 1:
Surfaktantfaktor
Cu-Zn-SOD1 und Typ 2: Mn-Fe-SOD2) sind gegenwärtig
bekannt.
Da die SOD (und Katalase) in der Elimination toxischer
Sauerstoffprodukte eine zentrale Funktion haben, kann deren
Aktivitätsbestimmung im EDTA- oder Heparin-Vollblut mit
einem photometrischen Messverfahren indiziert sein. Stressbedingte und altersabhängige Aktivitätserniedrigungen sowie
SOD-Aktivitätsabnahmen bei einigen neurologischen, obstruktiv pulmonalen, destruktiven Gelenk- und dermatologischen Erkrankungen (Belastung durch UV-Strahlen) sind
bekannt. Weiterhin ist die SOD bei der Überwindung von
Schwermetallintoxikationen, z. B. durch Quecksilber, von
Bedeutung.
Die SOD-Aktivitätsbestimmung im Blut wird vorzugsweise in der Naturheilkunde eingesetzt.
Literatur
Mondola P, Damiano S, Sasso A et al (2016) The cu, Zn superoxide
dismutase: not only a dismutase enzyme. Front Physiol 29(7):594–599
Suppressor-/zytotoxische T-Zellen
▶ Liquor-CD8-T-(Suppressor)-Lymphozyten
Surface-enhanced Laser Desorption/
Ionization
▶ Ionisationsmethoden (Massenspektrometrie)
Surface-Enhanced-Laser/DesorptionIonization-Time-of-FlightMassenspektrometrie
▶ SELDI-TOF
Surfaktantfaktor
H. Fiedler
Synonym(e) Antiatelektasefaktor; Surfaktantproteine (SP)
Englischer Begriff pulmonary surfactant factor
2243
Definition Surfaktant ist ein Oberflächen-aktiver Lipoproteinkomplex, der in den Pneumozyten II aus Phospholipiden
und Proteinen im Verhältnis 10:1 gebildet, zunächst in Lamellarkörperchen gespeichert und dann in den Alveolarraum
sezerniert wird. Dort wird das sezernierte Surfaktant in das
tubuläre Myelin und schließlich in eine Surfaktantschicht
umgewandelt.
Beschreibung Surfaktant besteht zu ca. 90 % aus Lipiden,
davon zur Hälfte aus Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) und zu ca. 40 % aus weiteren Phospholipiden und
Sphingomyelin. Die Proteine (total ca. 10 %) setzen sich
zusammen aus Plasmaproteinen (ca. 50 %), den hydrophoben
Surfaktantproteinen B (SP B, 9 kDa) und C (SP C) sowie den
hydrophilen Surfaktantproteinen A (SP A) und D (SP D), die
zur Collectinfamilie gehören und auch immunologische und
regulatorische Funktionen besitzen. Surfaktant senkt die
Oberflächenspannung und den Eröffnungsdruck kleiner
Alveolen, erhöht die Lungencompliance und verhindert den
Alveolenkollaps am Ende der Ausatmung sowie die Bildung
hyaliner Membranen. Da sich die Oberfläche der Alveolen bei
Ein- und Ausatmung vergrößert bzw. verkleinert, ändert sich
auch die Belegung der Oberfläche mit Surfaktant und verhindert dadurch Atelektasen oder Gewebsschädigung.
Die Surfaktantbildung beginnt ab der 28. Schwangerschaftswoche (SSW) und ist erst in der 34./35. SSW für die
Beatmung des Neugeborenen ausreichend. Durch fetale
Atembewegungen gelangt Surfaktant ins Fruchtwasser und
kann durch deren Punktion für Messungen gewonnen werden. Ohne oder bei zu wenig Surfaktant fallen bei Frühgeburten die Alveolen zusammen, es kommt zum „newborn respiratory distress syndrome“ (Prävalenz ca. 50 % bei
Frühgeburten in der 28.–33. SSW). Schädigung oder erhöhten Verbrauch von Surfaktant findet man bei Diabetes der
Mutter, bei Infektionen und Sepsis (auch bei Erwachsenen)
und Langzeitanwendung hoher Sauerstoffkonzentrationen
(Lorrain-Smith-Effekt bei Tauchern und hyperbarer Sauerstofftherapie). Beim adulten Atemnotsyndrom (ARDS) wird
außerdem Surfaktant durch Proteine im Alveolarraum inaktiviert bzw. in Fibrin und hyaline Membranen eingeschlossen.
Mutationen können zu einer intrazellulären SP-B-Defizienz
führen, wodurch die Reifung von SP C verhindert wird und
aberrante SP-Formen in den Alveolen abgelagert werden.
Die Lungenreife der Feten kann durch Messung von
Surfaktant im zentrifugierten (2 Minuten bei 400 g) Fruchtwasser (▶ Amnionflüssigkeit) geprüft werden:
• Schaumtest (obsolet).
• Lecithin-Sphingomyelin-Verhältnis (▶ Lecithin-Sphingomyelin-Ratio im Fruchtwasser im Fruchtwasser) nach Dünnschichtchromatographie und Densitometrie.
• FLM-II-Test: Der FLM-II-Test (FLM = „fetal lung maturity“) prüft die Bindung eines synthetischen Fluoreszenz-
S
2244
farbstoffs an Albumin und Surfaktant mittels der Fluoreszenzpolarisation (Albumin hohe, Surfaktant niedrige Bindung). Berechnet wird die Surfaktant-Albumin-Ratio.
Ausreichende Lungenreife ist wahrscheinlich bei
>50 mg Surfaktant/g Albumin.
• Amniostat-FLM prüft das Vorkommen von Phosphatidylglyzerin.
• Zählung der Lamellarkörperchen.
Bei drohender Frühgeburt kann die Surfaktantproduktion
durch Glukokortikoidgabe angeregt bzw. extrahiertes oder
künstlich hergestelltes Surfaktant zugeführt werden. Künstliches Surfaktant ist in der WHO Model List of Essential
Medicines (2015) enthalten.
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz haben einen
erhöhten pulmonalen mikrovaskulären Druck, der die alveolokapilläre Schranke schädigt und den Übertritt von SP B ins Blut
ermöglicht. Die erhöhten Plasmakonzentrationen geben Hinweise auf den Schweregrad und korrelieren weitgehend mit
den ▶ Pro-NT-Brain natriuretic peptide Konzentrationen und
den NYHA-Stadien der Herzinsuffizienz. SP A und D werden
wegen ihrer Bedeutung für die Bakterienabwehr und die Entwicklung von interstitiellen und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) intensiv untersucht. Bei der pulmonalen
alveolären Proteinose kommt es zur Akkumulation von Surfaktant in den Alveolen mit Dyspnoe, Husten und Gewichtsverlust.
Als Ursache konnten Autoantikörper gegen „granulocyte
macrophage colony-stimulating factor“ nachgewiesen werden.
Literatur
Akiki Z, Fakih D, Jounblat R et al (2016) Surfactant D, a clinical
biomarker for chronic obstructive pulmonary disease with excellent
discriminant values. Exp Ther Med 11:723–730
DePasquale CG, Anolda LF, Doyle IR et al (2004) Plasma surfactant
protein B. A novel biomarker in chronic heart failure. Circulation
110:1091–1096
Sorensen GL, Husby S, Holmskov U (2007) Surfactant protein A and
surfactant protein D variation in pulmonary disease. Immunbiology
212:381–416
Waner RR (2005) Surfactanttherapie. Grundlage, Diagnostik, Therapie.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Surfaktantproteine (SP)
Suszeptibilitätsgen
J. Arnemann
Synonym(e) Gen mit erhöhter Krankheitswahrscheinlichkeit
Englischer Begriff susceptibility gene
Definition Unter Suszeptibilitätsgen versteht man ein Gen,
das per se bei Geburt keine Krankheit, aber durch eine Kombination von genetischen und Umwelteinflüssen eine erhöhte
Erkrankungswahrscheinlichkeit für eine multifaktorielle
Erkrankung bedingt.
Beschreibung Versuche, häufigen Erkrankungen, wie z. B.
Krebs, Asthma, Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen, monogene Erbgänge zuzuordnen, sind in der Vergangenheit erfolglos geblieben, weshalb heutzutage das Konzept der
multifaktoriellen Erkrankungen favorisiert wird. Grundlage
soll danach eine Kombination aus genetischen Risikofaktoren
sowie Umwelt- und Lifestyleeinflüssen sein. Zu den genetischen Risikofaktoren werden u. a. ungewöhnliche DNAVarianten oder Kopplungsungleichgewichte in Schlüsselgenen für den Erkrankungsprozess gezählt, die in statistischen
Erhebungen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine multifaktorielle Erkrankung zeigen. Zur Identifizierung dieser Suszeptibilitätsgene werden im Hochdurchsatz sehr große Kollektive gescreent.
Literatur
McCarthy et al (2003) New methods for finding disease-susceptibility
genes: impact and potential. Genome Biol 4:119
Sutherland, Earl Wilbur
W. Hubl
Surfaktantproteine (SP)
▶ Surfaktantfaktor
Suspensionsarray
▶ Mikropartikel-Array
Lebensdaten Amerikanischer Mediziner, geboren am 29.
November 1915 in Burlingame (Kansas, USA), gestorben
am 9. März 1974 in Miami (Florida). Er studierte in Topeka,
der Hauptstadt seines Heimatstaates, von 1933 bis 1937
Medizin, promovierte im Jahr 1942 an der Washington University in Saint Louis und wurde 1953 als Professor für
Pharmakologie an die Western Reserve University in Cleveland (Ohio) berufen. Von 1963 bis 1973 lehrte Sutherland als
sVEGFR-1
Professor für Physiologie an der Vanderbilt University in
Nashville (Tennessee) und ging dann an die Universität in
Miami.
Verdienste Sutherland entdeckte im Jahr 1957 das zyklische
Adenosinmonophosphat. Er erlangte wissenschaftliche Anerkennung mit seinen Arbeiten über hormongesteuerte Zellaktivitäten. Er entwickelte das Second-Messenger-System,
wobei die Wirkung der Hormone von der Zellmembran an
den „second messenger“, das zyklische Adenosinmonophosphat, übertragen wird. Sutherland erhielt im Jahr 1971 den
Nobelpreis für Physiologie und Medizin für seine Entdeckungen über die Wirkungsmechanismen von Hormonen. Earl
Sutherland erhielt zahlreiche weitere Ehrungen einschließlich
des Albert-Lasker-Preises (1970) und der National Medal of
Science (1973).
2245
die Molekülmassen von Proteinen bestimmen konnte. Svedberg erhielt für seine Arbeiten über disperse Systeme im Jahr
1926 den Nobelpreis für Chemie. Nach ihm ist die Maßeinheit des Sedimentationskoeffizienten (▶ Svedberg-Einheit)
bezeichnet.
Literatur
www.leopoldina.org/mitglieder/mitgliederverzeichnis/member/5258/.
Zugegriffen am 27.12.2016
Svedberg-Einheit
T. Arndt
Literatur
Englischer Begriff Svedberg unit
Herder WW (2014) Heroes in endocrinology: nobel prizes. Endocr
Connect 3:R99
Lindsten J (1992) Nobel lectures, physiology or medicine 1971–1980.
World Scientific Publishing Co., Singapore
Raju TN (1999) The Nobel chronicles. 1971: Earl Wilbur Sutherland,
Jr. (1915–74). Lancet 354(9182):961
Definition Einheit für den Sedimentationskoeffizienten,
d. h. den Quotienten aus der Sedimentationsgeschwindigkeit
eines Teilchens und dem Zentrifugalfeld (Winkelgeschwindigkeit2 Radius).
Ein Svedberg (S) entspricht 10 13 Sekunden.
Sutter-Antigen
▶ Kell-Blutgruppensystem
Svedberg, Theodor
T. Arndt
Lebensdaten Schwedischer Chemiker, geboren am 30.
August 1884 in Valbo, gestorben am 26. Februar 1971 in
Kopparberg.
Verdienste Ab 1904 Studium an der Universität Uppsala, ab
1907 dort Dozent für Chemie, 1912 im Fach Physikalische
Chemie zum Professor ernannt und ein Jahr später Mitglied
der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften,
1949–1967 Direktor des Gustav-Werner-Instituts für Nuklearchemie.
Svedberg führte vor allem Forschungen über ▶ Kolloide
(Lösungen von fein verteilten Makromolekülen, z. B. von
Proteinen in Wasser) durch. Dazu konstruierte er Ultrazentrifugen (▶ Ultrazentrifuge), mit denen er dann unter anderem
Beschreibung Der Sedimentationskoeffizient eines Teilchens hängt ab: (a) von der Masse (schwerere Teilchen
sedimentieren schneller als leichtere), (b) von der Dichte
(dichtere Teilchen sedimentieren schneller als weniger dichte
wegen der geringeren Auftriebskraft), (c) von der Form
(kompakte Teilchen sedimentieren schneller als großräumige
wegen des geringeren Reibungskoeffizienten) und (d) von der
Dichte der Lösung. Unter Konstanthaltung der Zentrifugenparameter und Lösungsmitteleigenschaften werden die substanzspezifischen Unterschiede in den Sedimentationskoeffizienten zur Trennung von Substanzgemischen z. B. nach ihrer
Masse (z. B. Plasmaproteine) oder Dichte (z. B. LipoproteinSubklassen) in einer ▶ Ultrazentrifuge (Beschleunigungen bis
zu mehreren Hundertausend der einfachen Erdbeschleunigung)
genutzt.
Literatur
Stryer L (1990) Biochemie. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
sVEGFR-1
▶ fms-like tyrosine kinase 1, lösliche
S
2246
Swain-Langley-Antigen
Swain-Langley-Antigen
Struktur Das saure N-glykosylierte 38 kDa schwere Synaptophysinprotein bindet Calciumionen und eignet sich für die
histopathologische Diagnostik von Tumorerkrankungen.
▶ Knops-Blutgruppensystem
Molmasse 38 kDa.
SWATH Acquisition
▶ Data-independent acquisition
Switch
O. Colhoun
Englischer Begriff switch
Definition Typ eines Hubs, der verschiedene Stationen eines
Netzwerks direkt miteinander verbindet.
Beschreibung Ein Switching Hub ist ein spezieller ▶ Hub,
der Datenpakete von einem Computer genau an den Zielcomputer weiterleitet.
Indikation Histopathologische Diagnose von kleinzelligen
Bronchialkarzinomen und anderen neuroendokrinen Karzinomen (z. B. APUDome, medulläre Schilddrüsenkarzinome).
Interpretation Synaptophysin kommt in synaptischen Vesikeln neuroendokriner Zellen vor. Es eignet sich als immunhistologischer Marker für die Charakterisierung neuroendokrinen Gewebes und wird neben neuronenspezifischer
Enolase (▶ Neuronenspezifische Enolase im Blut) und
▶ Pro-Gastrin Releasing Peptide in der Diagnostik von verschiedenen neuroendokrinen Tumoren und dem kleinzelligen
Bronchialkarzinom eingesetzt. Die Bestimmung von Synaptophysin im Serum oder Plasma wird zur Tumordiagnostik
nicht durchgeführt.
Literatur
Fallert-Müller A (2000) Lexikon der Biochemie. Spektrum-Verlag, Heidelberg
Syndecane
Sydney-Kriterien
▶ Sapporo-Kriterien
H.-D. Haubeck
Synonym(e) Amphiglycan; Fibroglycan; Ryudocan
Englischer Begriff syndecans
Synacthen-Test
▶ ACTH-Test
Synaptophysin
S. Holdenrieder und P. Stieber
Englischer Begriff Synaptophysin
Definition Synaptophysin ist ein in synaptischen Vesikeln
neuroendokriner Zellen vorkommendes Membranprotein.
Definition Syndecane bilden eine Familie von zellmembranassoziierten Heparansulfat-Proteoglykanen, die durch eine
Transmembrandomäne in der Zellmembran verankert sind.
Beschreibung Heparansulfat-Proteoglykane, d. h. neben
den Glypicanen vor allem die Syndecane, werden auf der
Zelloberfläche der meisten Körperzellen in hoher Dichte
exprimiert (z. B. auf Endothelzellen bis zu 100.000 Moleküle/Zelle). Über spezifische Domänen der HeparansulfatKetten binden sie zahlreiche Liganden und wirken für viele
dieser Liganden als Korezeptor, z. B. bei der Bindung von
FGF-2 an den hochaffinen FGF-Rezeptor-1. Neben Zytokinen und Wachstumsfaktoren (u. a. EGF, FGFs, IGF-II, PDGF,
TGF-b, IL-2, IL-3, IL-4, GM-CSF, Interferon-g, TNF-a) binden Heparansulfat-Proteoglykane auch Wachstumsfaktorbindungsproteine (z. B. IGF-BP-3), Chemokine, antiangiogene
Synovia-Analyse
Faktoren (Angiostatin, Endostatin), Proteine der Extrazellulärmatrix (z. B. ▶ Kollagene, ▶ Laminine, ▶ Thrombospondine,
▶ Vitronectin, ▶ Fibronectin, ▶ Tenascin), Lipoprotein-Lipase, Proteinasen (Neutrophilen-Elastase, Cathepsin-G) und
Gerinnungsfaktoren (z. B. Gewebsplasminogen-Aktivator,
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, Thrombin, Antithrombin-III).
Dementsprechend besitzen die Syndecane (und ▶ Glypicane)
vielfältige Funktionen, z. B. trägt die Bindung von Antithrombin-III über Heparansulfat-Proteoglykane an die Oberfläche von Endothelzellen entscheidend zur gerinnungshemmenden Eigenschaft der normalen Endothelzelloberfläche bei.
Aus den spezifischen Interaktionen mit den genannten Liganden ergeben sich viele weitere Funktionen der Zelloberflächen-Heparansulfat-Proteoglykane, u. a. in der Morphogenese
während der Embryonalentwicklung, der Angiogenese, der
Gerinnung und der Wundheilung.
Die Mitglieder der Syndecan-Familie sind strukturell verwandt und aus einem gemeinsamen Vorläufermolekül durch
Genduplikation entstanden. Die Grundstruktur der Syndecane besteht jeweils aus einem Core-Protein und den kovalent
gebundenen Heparansulfatketten. Die Größe der Core-Proteine beträgt 69/82 kDa für Syndecan-1, 48 kDa für
Syndecan-2, 125 kDa für Syndecan-3 und 35 kDa für
Syndecan-4. Die verschiedenen Syndecane zeigen eine unterschiedliche Expression während der einzelnen Entwicklungsstadien, aber auch in verschiedenen Zelltypen des Organismus (z. B. Syndecan-3 bevorzugt im Nervensystem) sowie
innerhalb einer Zelle, z. B. wird Syndecan-1 überwiegend auf
der basolateralen Oberfläche von Epithelzellen exprimiert
und Syndecan-4 in Zelladhäsionsdomänen („focal adhesions“). Charakteristisch ist für alle Syndecane die Existenz
einer Proteinaseschnittstelle in der Ektodomäne nahe der
Zelloberfläche, über die lösliche Formen der Syndecane
gebildet werden können („shedding“). Im Gegensatz zu den
membrangebundenen Formen, die als Korezeptoren für viele
Zytokine und Wachstumsfaktoren wirken, sind diese löslichen Formen häufig inhibitorisch.
Für die Messung der Serumkonzentration der löslichen
Syndecane steht aktuell nur für Syndecan-1 ein kommerzieller Immunoassay zur Verfügung.
Literatur
Bernfield M, Götte M, Park PW et al (1999) Functions of cell surface
heparan sulfate proteoglycans. Annu Rev Biochem 68:720–777
Kramer KL, Yost HJ (2003) Heparan sulfate core proteins in cell signaling. Annu Rev Genet 37:461–484
2247
Syndromdiagnostik
J. Arnemann
Synonym(e) Dysmorphologie
Englischer Begriff dysmorphology
Definition Syndromdiagnostik ist eine in der medizinischen
Genetik angesiedelte Disziplin, die sich mit der Eingruppierung, Ätiologie und den Mustern angeborener Fehlbildungen
beschäftigt.
Beschreibung Im Vordergrund der Syndromdiagnostik stehen sorgfältige klinische Beschreibungen und die wissenschaftliche Aufarbeitung der meist seltenen angeborenen
Fehlbildungen und der Versuch, deren Ätiologie und Pathogenese als Syndrom zu beschreiben. Leitfrage dabei ist, ob es
sich in einem gegebenen Fall aufgrund der einzigartigen
klinischen Auffälligkeiten um ein bereits bekanntes oder
unbekanntes Syndrom handelt. Hieraus lassen sich Hinweise
zur Vererbung und/oder zum Wiederholungsrisiko ableiten,
die eine weitergehende Behandlung des Patienten und die
genetische Beratung der Familie verbessern.
Im Einzelfall muss immer geklärt werden, ob die festgestellten Dysmorphien einen heterogenen oder pleiotropen
Effekt haben, wobei die heterogenen Effekte ähnlich sind,
aber auf unterschiedliche Ursachen oder Gene zurückzuführen sind, während die pleiotropen Effekte unterschiedlich sein
können, aber auf eine gemeinsame Ursache oder Gen
zurückzuführen sind.
Die sorgfältige Ermittlung der genetischen Ursachen
ermöglicht eine sichere Diagnose und eine kompetente genetische Beratung hinsichtlich Vererbungsmuster und Wiederholungsrisiko.
S
Literatur
Reardon W, Donnai D (2007) Dysmorphology demystified. Arch Dis
Child Fetal Neonatal Ed 92:F225–F229
Synovia-Analyse
H.-D. Haubeck
Syndrax
Synonym(e) Analyse der Synovialflüssigkeit
▶ Synthacain
Englischer Begriff analysis of synovial fluid (SF)
2248
Synovia-Analyse
Definition Ziel der Analyse der Synovialflüssigkeit ist die
Differenzialdiagnose entzündlicher und degenerativer Gelenkerkrankungen.
Beschreibung Die Analyse der Synovialflüssigkeit (SF) ist
für die Diagnose und Differenzialdiagnose der verschiedenen
Gelenkerkrankungen sinnvoll (Tab. 1). Bei den Kristallinduzierten Gelenkerkrankungen wie Gicht und Pseudogicht,
aber auch bei der septischen Arthritis erlaubt sie die direkte
Diagnose. Bei chronisch-entzündlichen und degenerativen
Gelenkerkrankungen gibt die Analyse der SF zusätzliche
differenzialdiagnostische Hinweise.
Die Analyse der SF umfasst eine Reihe von Basisuntersuchungen und darüber hinaus ein Spektrum von klinischchemischen, serologischen und immunologischen Zusatzuntersuchungen. Für die meisten Untersuchungen ist, aufgrund
der hohen Viskosität, eine Vorbehandlung der SF mit Hyaluronidase notwendig.
Zu den Basisparametern gehören:
• Die Beurteilung des Aussehens und der Menge der
SF. Normale Synovialflüssigkeit ist klar und hellgelb bis
strohgelb. Bei entzündlichen Erkrankungen wird die Farbe
der SF grünlich-grau und, in Abhängigkeit von der Zellzahl, trübe. Das Volumen der SF im normalen Kniegelenk
beträgt ca. 3,5 mL.
• Die Bestimmung der Gesamtzellzahl und ihre Differenzierung (Granulozyten, Monozyten, Lymphozyten). In der
normalen SF und bei degenerativen Gelenkerkrankungen
ist die Zellzahl niedrig (<200/mL), und es werden überwiegend kleine Lymphozyten gefunden. Bei entzündlichen Gelenkerkrankungen werden deutlich höhere Zellzahlen und ein hoher Anteil an Granulozyten gefunden:
z. B. rheumatoide Arthritis 5000–50.000/mL, Gichtarthritis >5000/mL. Die Osteoarthritis („aktivierte Arthrose“)
zeigt in der Regel leicht erhöhte Zellzahlen (1000–5000/mL).
Synovia-Analyse, Tab. 1 Diagnose und Differenzialdiagnosen entzündlicher und degenerativer Gelenkerkrankungen
Anteil an
Granulozyten
(%)
Kristalle
<10
–
Gesamtprotein Harnsäure
(mg/dL) Bakteriennachweis
(g/L)
<20
<7
–
<2000
<10
–
20–30
<7
–
<2000
<10
–/CaPhosphat
20–30
<7
–
<20
5000–50.000 >75
40–60
<7
–
<30
>5000
ca. 50
–/CaPhosphat
–
30–40
<7
–
<30
<30
>5000
1000–5000
>75
>50
Urat
30–50
Ca30–40
Pyrophosphat
–/Ca30–40
Phosphat
>7
<7
–
–
<7
–
Viskosität Zellzahl
(n/L)
Farbe
Trübung (mPas)
Strohgelb Klar
30–80
<200
Normale
Synovialflüssigkeit
nichtentzündliche Gelenkerkrankungen
Trauma
Strohgelb, Klar/
>30
evt. blutig leicht
getrübt
Arthrose
Strohgelb Klar
>30
Entzündliche Gelenkerkrankungen
Rheumatoide
Gelbgrün Trüb
Arthritis
Gelblich Trüb
Rheumatisches
Fieber
Arthritis urica
Gelblich Trüb
Chondrokalzinose Gelblich Trüb
Kollagenose
Strohgelb Leicht <30
(Lupus
getrübt
erythematodes,
Sklerodermie etc.)
<30
M. Bechterew
Gelb
Klar/
leicht
getrübt
Psoriasis-Arthritis Gelbgrün Trüb
<30
Leicht <30
Aktivierte Arthrose Gelb
(Osteoarthritis)
getrübt
Reaktive bzw.
Gelblich Leicht <30
postinfektiöse
getrübt
Arthritis (Yersinia,
Chlamydia, etc.)
Septische Arthritis Graugelb/ Trüb
<20
evtl. blutig
*Evtl. LE (Lupus erythematodes)-Zell-Phänomen
5000–10.000 <50*
1000–5000
ca. 50
–
30–40
<7
–
>5000
1000–5000
60–80*
<50
30–50
30–40
<7
<7
–
–
1000–5000
<50
–
–/CaPhosphat
–
20–40
<7
–
>20.000
>90
40–60
<7
+
–/CaPhosphat
Synthacain
• Die quantitative Bestimmung der Viskosität (Viskosimeter), die bei entzündlichen Prozessen in der Regel
deutlich erniedrigt ist.
• Bakteriologische Untersuchungen (Gram-Präparat, Kulturen) zum Ausschluss oder Nachweis einer septischen
Arthritis.
• Die polarisationsmikroskopische Untersuchung zum Nachweis von Mononatriumurat-Kristallen (Gicht) und Calciumpyrophosphatdihydrat-Kristallen (Pseudogicht bzw. Chondrocalcinose).
Neben diesen Basisuntersuchungen können noch eine Reihe
von ergänzenden Untersuchungen durchgeführt werden:
• Bestimmung des Gesamtproteingehalts der SF. In der normalen SF liegt die Konzentration des Proteins <20 g/L.
Bei entzündlichen Gelenkerkrankungen kommt es infolge
der gestörten Blut-Synovia-Schranke zu einem deutlichen
Anstieg der Gesamtproteinkonzentration.
• Als Maß für die Entzündungsaktivität können darüber hinaus
noch Laktat, Glukose und die LDH bestimmt werden.
• Rheumafaktoren, weitere Autoantikörper und Zytokine.
Die Bestimmung des Rheumafaktors in der SF ist nur
sinnvoll bei Verdacht auf eine seronegative rheumatoide
Arthritis. Die Bestimmung weiterer Autoantikörper und
Zytokine in der SF ist für die Diagnose und Differenzialdiagnose der Gelenkerkrankungen von begrenztem Wert.
Literatur
Schumacher HR Jr (1993) Synovial fluid analysis and Synovial biopsy.
In: Kelley WN, Harris ED Jr, Ruddy S et al (Hrsg) Textbook of
rheumatology, 4. Aufl. WB Saunders, Philadelphia, S 541–S 561
Swan A, Amer H, Dieppe P (2002) The value of synovial fluid assays in
the diagnosis of joint disease: a literature survey. Ann Rheum Dis
61:493–498
2249
Englischer Begriff synthacaine; legal cocaine
Definition Szenename für eine nicht näher definierte Mischung vorgeblich legaler psychoaktiver Substanzen, die,
durch Schniefen konsumiert, kokainähnliche stimulierende
Wirkungen entfaltet.
Beschreibung In Synthacainprodukten wurden Methiopropamin und 2-Aminoindan bzw. Methiopropamin und Benzocain gefunden. Im Blut eines intoxikierten Synthacainkonsumenten mit Konfusion, paranoidem Verhalten, Halluzinationen
und Sprachstörungen wurden 13 Stunden nach Aufnahme in der
Notaufnahme 14 ng/mL Methiopropamin gemessen. Ein anderer Synthacainpatient mit Erregtheit, Xerostomie, Brustschmerzen, schwerer Dyspnoe und Tachykardie hatte 11 ng/mL
MAM-2201 und Benzocain im Blut.
Offenbar enthalten Synthacaine, wie viele ▶ Neue Psychoaktive Substanzen (NPS), hersteller- und chargenabhängig qualitativ und quantitativ variierende Wirkstoffe. Dies
erschwert die Dosierung für den Konsumenten, führt zu
einem „bunten“ Intoxikationsbild und erfordert letztlich eine
allgemeine Suchanalyse zur Wirkstoffidentifizierung.
Anmerkungen Das Lokalanästhetikum Benzocain betäubt
die durch die nasale Applikation gereizten Schleimhäute.
Methiopropamin, ein Thiophenanalog zum Methamphetamin
(s. Abbildung), ist ein selektiver Noradrenalin-DopaminReuptake-Hemmer, bewirkt also eine höhere Neurotransmitterkonzentration im synaptischen Spalt und damit eine stärkere Erregung der postsynaptischen Zelle. Methiopropamin
(syn. MPA, Methedrene, Syndrax) ist dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Anlage I als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel unterstellt. MAM-2201 ist ein sog. synthetisches
Cannabinoid (▶ Cannabinoide). Es war zum Zeitpunkt des
Redaktionsschlusses noch nicht dem BtMG unterstellt.
Strukturen von Methamphetamin und Methiopropamin
(Thiophen, syn. Thiofuran, in Rot):
S
H
N
CH3
Synovialflüssigkeits-Viskosität
CH3
Methamphetamin
▶ Viskosität der Synovialflüssigkeit
H
S
N
CH3
CH3
Synthacain
T. Arndt
Synonym(e) „Legales Kokain“
Methiopropamin
Literatur
Cumba LR, Kolliopoulos AV, Smith JP et al (2015) Forensic electrochemistry: indirect electrochemical sensing of the components of the
new psychoactive substance „Synthacaine“. Analyst 140:5536–5545
2250
Daveluy A, Castaing N, Cherifi H et al (2016) Acute methiopropamine
intoxication after „Synthacaine“ consumption. J Anal Toxicol
40:758–760
Lonati D, Buscaglia E, Papa P et al (2014) MAM-2201 (analytically
confirmed) intoxication after „Synthacaine“ consumption. Ann
Emerg Med 64:629–632
Synthetisches Kokain
Systemkonfiguration
O. Colhoun
Englischer Begriff system configuration
Synthetisches Kokain
▶ Ketamin
a-Synuclein
▶ Protein-Fehlfaltungs-Erkrankungen (tau, alpha-Synuclein,
Polyglutamin, Huntingtin, Transthyretin)
Definition Anpassung eines installierten (Standard-)LaborEDV-Systems (▶ Labor-EDV) an das medizinische Labor
und seine Arbeitsweise.
Beschreibung Neben der reinen Hardwarekonfiguration
(Installation auf der Hardwareplattform des Laboratoriums,
Einbindung in bestehende Netzwerke, Einrichtung der Serverfunktionalität für die Clients (▶ Client) im Labor, Einrichtung der Onlines, Einsender, Schnittstellen, Hardware im Labor
etc.) ist vor allem die Anpassung an die Arbeitsabläufe und
Analytik des Laboratoriums mittels Anlage der ▶ Stammdaten
von Bedeutung.
System
C. Vidal und W.-R. Külpmann
Englischer Begriff system
Systemstatus
O. Colhoun
Definition Abgegrenztes Teil oder Phänomen des wahrnehmbaren oder vorstellbaren Universums, materiell oder
immateriell, das als bestehend aus zusammengehörigen Elementen oder Beziehungen aufgefasst werden kann.
Englischer Begriff system status
Beschreibung Beispiele für Systeme: eine Uhr, ein Messgerät, eine Urinportion.
Beschreibung Hierbei kann eine Vielzahl von Parametern
eingesehen werden, die Auskunft über den Betriebszustand
(Hardwareauslastung, Anzahl und Übersicht aktiver User,
Anzahl und Übersicht angeschlossener Online-Geräte, Speicherbelegung, Systemnutzungsgrad – auch nach Usern aufgeschlüsselt –, aufgelaufene und aktuelle Fehlermeldungen,
Stand der Datensicherung, Status der Online-Befundübermittlung, Status des Fax-Servers) des ▶ Labor-EDV-Systems
geben.
Literatur
Dybkaer R (1997) Vocabulary for use in measurement procedures and
description of reference materials in laboratory medicine. Eur J Clin
Chem Clin Biochem 35:141–173
Systematische Abweichung
Definition Abfragefunktion zum aktuellen Betriebszustand
des Labor-EDV-Systems.
Szasz-Quotient
▶ Messabweichung, systematische
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Système international d’unités
Synonym(e) CK/AST-Quotient; CK/GOT-Verhältnis
▶ SI-Einheiten
Englischer Begriff Szasz-ratio; CK/AST-ratio
Szintillator
Definition Verhältnis der Enzymaktivitäten im Serum von
▶ Kreatinkinase (CK) und ▶ Aspartat-Aminotransaminase
(GOT, AST) unterstützt bei einer Entscheidungsgrenze
(Trennwert) von 9 (10) die Differenzialdiagnose von Herzmuskel- gegenüber Skelettmuskelschädigungen.
Beschreibung Der von G. Szasz und E.W. Busch vor
ca. 40 Jahren entwickelte Quotient aus den Aktivitäten von
Gesamt-CK und AST (GOT) trennt bei einem Diskriminationswert von 9 bzw. 10 myokardiale Schädigungen (Infarkte,
Entzündungen), Mittelwert 4,6 (▶ Mittelwert, arithmetischer); Bereich 2,2–9,67, von Skelettmuskelschädigungen,
Mittelwert 19,9; Bereich 9,09–49,1. Für den Quotienten wird
eine diagnostische Treffsicherheit von über 90 % (▶ Sensitivität, diagnostische) angegeben, wenn die CK über 160 U/L
beträgt und GOT-(AST-)Erhöhungen durch Lebererkrankungen auszuschließen sind. Von anderen Autoren wird ein Diskriminationswert von 10 angegeben. Der Quotient hat nach
Einführung von Troponin T (▶ Troponin T, kardiales) und
Troponin I (▶ Troponin I, kardiales) sowie Isoenzym CK-MB
seine Bedeutung weitgehend verloren.
Literatur
Schmidt E, Schmidt FW, Chemnitz G, Kubale R, Lobers J (1980) The
Szasz-ratio (CK/GOT) as example for the diagnostic significance of
enzyme ratios in serum. Klin Wochenschr 58:709–718
2251
nungsprozesse, Bioenergetik, Ascorbinsäure und ▶ Vitamin C sowie ▶ Fumarsäure und Flavine. Szent-Györgyi
von Nagyrapolt erhielt im Jahr 1937 den Nobelpreis für
Medizin. Er stellte die Identität von Vitamin C und Ascorbinsäure fest und erkannte ihre antioxidative und Skorbutverhindernde Wirkung.
Szent-Györgyi-Formel
▶ Szent-Györgyi-Quotient
Szent-Györgyi-Quotient
O. Müller-Plathe
Synonym(e) Szent-Györgyi-Formel; S-G-Qu
Englischer Begriff Szent-Györgyi-Ratio
Beschreibung Der nach dem ungarischen Arzt und Biochemiker Albert Szent-Györgyi von Nagyrapolt (▶ Szent-Györgyi von Nagyrapolt, Albert) benannte Elektrolytquotient
dient der Zustandsbeschreibung der neuromuskulären
Erregbarkeit:
Szenenamen von Drogen
▶ Straßennamen von Drogen
Szent-Györgyi von Nagyrapolt, Albert
Eine Erhöhung des Quotienten durch Alkalose, Hyperkaliämie oder Hypokalzämie, Hypomagnesiämie zeigt eine
Steigerung der neuromuskulären Erregbarkeit mit Neigung
zur Tetanie an. Eine Abnahme weist entsprechend auf eine
Untererregbarkeit mit Lähmungsneigungen hin.
S
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Literatur
Lebensdaten Ungarischer Mediziner, geboren am 16. September 1893 in Budapest, gestorben am 22. Oktober 1986 in
Woods Hole, Massachusetts.
Verdienste Studium der Humanmedizin ab 1911 in Budapest mit anschließender wissenschaftlicher Tätigkeit in Pharmakologie, Physiologie und Biochemie an verschiedenen
europäischen (Prag, Berlin, Hamburg, Leiden, Groningen,
Szeged, Budapest u. a.) und amerikanischen Universitäten
(Cambridge, Rochester). Seine wissenschaftlichen Verdienste
liegen besonders in der Erforschung biologischer Verbren-
Szent-Györgyi A (1963) Lost in the twentieth century. Ann Rev Biochem 32:1–14
Szintillator
W. Stöcker und W. Schlumberger
Englischer Begriff scintillator
2252
Definition Ein Szintillator ist ein Stoff mit der Eigenschaft,
nach Anregung durch ionisierende Strahlen Lichtquanten
auszusenden. Er ist wesentlicher Bestandteil des Szintillationszählers, mit dem beim ▶ Radioimmunoassay die Häufigkeit radioaktiver Zerfallsereignisse gemessen wird.
Beschreibung Bei Radioimmunoassays werden zur Markierung radioaktive ▶ Isotope eingesetzt, bei deren Zerfall ionisierende Strahlung freigesetzt wird. Ein bestimmter Anteil der
innerhalb einer Messzeit in der Probe entstehenden Strahlen
erzeugt im Szintillator Lichtblitze. Diese werden im Szintillationszähler durch einen ▶ Photomultiplier verstärkt, und
jeder Impuls wird elektronisch gezählt.
Die im medizinischen Laboratorium gebräuchlichen Betaund Gammazähler unterscheiden sich voneinander aufgrund
der unterschiedlichen Reichweite der b- und der g-Strahlung
Szintillator
(Radioisotope). Zur Erfassung der b-Strahlen mit ihrer Reichweite von nur wenigen Millimetern muss die radionuklidhaltige Probe in unmittelbaren Kontakt mit dem Szintillator
gebracht werden: Sie wird mit einer Szintillationsflüssigkeit
vermischt, die z. B. Naphthalin oder Oxazolderivate enthält.
Die Messung der (weiterreichenden) g-Strahlen ist einfacher
und billiger: Der Szintillator ist fest ins Messgerät eingebaut
und befindet sich außerhalb des Messröhrchens, aber in nächster Nähe. Er besteht z. B. aus Natriumiodid-Einkristallen, die
geringe Spuren von Thallium aufweisen.
Literatur
Sokolowski G, Wood G (1981) Radioimmunoassay in Theorie und
Praxis. Schnetztor-Verlag, Konstanz, S 27–29