Zug um Zug in die Mechanik
Werner Maurer
Flurlingen, den 15. Juni 2021
Ignaz Semmelweis erfolgloser Einsatz für elementare Hygieneregeln und Alfred Wegeners
links liegen gelassene Theorie der Kontinentalverschiebung sind Geschichten, die wir heute
ungläubig zur Kenntnis nehmen. Wieso wurden Handlungsweisen und Ideen, die jedes Kind
kennt oder anhand eines Globus sofort begreift, von führenden Wissenschaftlern aufs
äusserste bekämpft? Die etwas weniger populäre Entdeckung von Marshall und Warren,
dass Magengeschwüre durch ein Bakterium namens Helicobacter pylori und nicht durch
Übersäuerung oder Stress verursacht wird, wurde zu lange nicht ernst genommen und erst
2005 mit dem Nobelpreis geehrt. Der vorliegende Aufsatz beschreibt etwas ähnliches, eine
bildhafte und leicht verständliche, aber auch kontroverse Darstellung der Mechanik, die
von einer eingeschworenen Gruppe von Bewahrern mit Hass und Häme überschüttet worden ist.
Ohne den Bezug zum Ganzen zu verlieren kann das erste Kapitel, das die heute geltenden
Gesetze der Mechanik in Worte fasst, wie auch das letzte, das den formelmässigen Bezug
zur Relativitätstheorie herstellt, übersprungen werden. Sollten bei den restlichen sieben
Kapiteln Zweifel über die Zulässigkeit von Begriffen oder gewissen Aussagen aufkommen,
kann sich der Leser auch später noch diesen beiden Themenkreisen zuwenden. Der Zweck
dieser theoretischen Klammer besteht denn auch darin, die hier dargelegten Ideen direkt
aus der epochalen Arbeit von Albert Einstein abzuleiten und mit dieser höheren Weihe vor
ungerechtfertigten, ja geradezu fanatischen Angriffen seitens einiger Teilchenphysiker zu
schützen.
Kapitel zwei beschäftigt sich mit einem etwas komplexeren Beispiel aus der Mechanik, der
Darstellung im Flüssigkeitsbild sowie der Übertragung in ein systemdynamisches Modell.
Diese Darstellungsweisen stehen keinesfalls im Widerspruch zur Punktmechanik, sondern
fördern deren Strukturverständnis, was sich speziell auf den Kraftbegriff positiv auswirkt.
In Kapitel drei werden der Transport von Impuls und Energie in Drähten, Seilen und Riemen
besprochen. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Gravitation als nicht messbare Scheinkraft, die Newton nur mit grossem Unbehagen als Fernwechselwirkung eingeführt hatte.
Impuls- und Drehimpulsströme in Brücken, Thema von Kapitel fünf, klingt verwirrend und
riecht nach Esoterik, obwohl die Vorstellung eines Kraftflusses seit Jahrzehnten durch die
Lehrbücher der Statik geistert. Vögel, Flugzeuge, Triebwerke und Windräder, die Gegenstände der beiden nächsten Kapitel, zeigen exemplarische den Vorteil des Bilanzierens
von Impuls und Energie.
Dieser Aufsatz, der auf Illustrationen verzichtet und dafür auf viele Videos verweist, ist als
Aufforderung an jüngere Kolleginnen und Kollegen gedacht, mutig neue Wege zu beschreiten. Jeder Physikunterricht, der nach dem Motto «was Grossvater noch wusste» konzipiert
ist, hat sein Verfalldatum schon längst überschritten. Ohne radikale Erneuerung wird die
Physik schrittweise aus den Lehrplänen der meisten Studiengänge verschwinden.
Nach Veröffentlichung dieses Aufsatzes werden bei Bedarf weitere Videos produziert, die
das eine oder andere Thema gezielt aufgreifen.
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Am 28. April 2006 prallte im schweizerischen Thun ein von Interlaken kommender ICE der
Deutschen Bahn mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 km/h gegen zwei stehende Lokomotiven der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS). Acht Reisende mussten zur Behandlung
ins Krankenhaus gebracht werden [1]. Gut fünfzig Jahre früher, am 11. August 1952, stiess
in Interlaken Ost eine von einer Lok geschobene Wagengruppe von 21 Güterwagen mit 25
km/h gegen den hintersten Wagen eines stehenden Personenzuges. Die hölzernen Aufbauten der vier zweiachsigen Personenwagen wurden durch den Rammstoss fast vollständig
zerlegt. Vier Reisende verloren ihr Leben und weitere wurden schwer verletzt [2]. Dank
technischem Fortschritt überleben heute bedeutend mehr Menschen ein schweres Zugsunglück als noch vor sechzig Jahren. Haben die Schulen diese Entwicklung auch mitgemacht? Kann ein Absolvent eines Gymnasiums dank seiner Kenntnisse in Physik einem
Laien erklären, wieso heute trotz vielfach höherem Verkehrsaufkommen weniger Menschen auf Schienen und Strassen ihr Leben lassen als in der Jugendzeit ihrer Grossväter und
Grossmütter?
Die Mechanik des Physikunterrichts basiert bis heute auf den Ideen des 17. und 18. Jahrhunderts, also auf der Vorstellung von sich einsam durch den Raum bewegenden Massenpunkten, die von geisterhaften Kräften auf vorbestimmte Bahnen gelenkt werden. Dieses
Uhrwerksmodell des Universums, dessen zukünftiger Zustand von einem allwissenden
Geist vorausgesagt werden kann, ist von drei Seiten her in Bedrängnis geraten. Erstens
kann auch ein klassisches, von deterministischen Gesetzen beherrschtes System einen
chaotischen Verlauf nehmen, wie Untersuchungen an Himmelskörpern im Sonnensystem
zeigen. Zweitens macht sich die Unschärferelation von Werner Heisenberg, wonach Ort
und Impuls nicht gleichzeigt scharf gemessen werden können, auch bei makroskopischen
Körpern bemerkbar. So soll die Bahn einer Billardkugel nach ein paar wenigen Stössen
durch die Unschärfe derart stark gestört werden, dass die weitere Bewegung der Kugel
aufgrund der Abschussparameter prinzipiell nicht mehr zu bestimmen ist. Drittens haben
die Feldtheorien von James Clerk Maxwell und Albert Einstein die Newtonsche Mechanik
endgültig zum Einsturz gebracht. Weil die im 18. Jahrhundert bekannten Kandidaten für
Fernwechselwirkungskräfte durch lokal vorhandene Felder ersetzt worden sind, können
wir die Newtonsche Axiome vergessen oder höchstens als historisches Kuriosum in einer
Fussnote erwähnen. Die allgemeine Relativitätstheorie, die Einstein auf die Trümmer der
Punktmechanik gesetzt hat, liefert uns einen Zugang zur Mechanik, der kohärenter, konsistenter und relevanter ist als alles bisher im Physikunterricht Gebotene.
1. Grundzüge
«Es hat schweres Ringen bedurft, um zu dem für die theoretische Entwicklung unentbehrlichen Begriffe des selbständigen und absoluten Raumes zu gelangen. Und es hat nicht geringere Anstrengung bedurft, um diesen Begriff nachträglich wieder zu überwinden – ein
Prozess, der wahrscheinlich noch keineswegs beendet ist.» [3] Der Newtonsche absolute
Raum, der über das Trägheitsgesetz auf die Materie einwirkt, ohne von dieser beeinflusst
zu werden, wurde durch Einstein in zwei Schritten überwunden. Erstens hat Einstein Raum
und Zeit zu einer geometrischen Einheit zusammengefasst und zweitens wird diese Raumzeit durch die Materie verformt. Der Begriff des Inertialsystems erfuhr dadurch eine Neudefinition. War vorher jedes gleichförmig gegen den absoluten Raum bewegte System inertial, sind nun alle frei fallenden Systeme lokal inertial. Konnten im alten Inertialsystem Körper über eine gravitative Fernwechselwirkung interagieren, sind die neuen Inertialsysteme
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frei von Gravitation. Damit bildet jedes antriebslos durch den Weltraum fallende Raumschiff ein Inertialsystem, unabhängig davon, wie kompliziert die Bewegung vom geozentrischen oder heliozentrischen Beobachter wahrgenommen wird. Gravitation entsteht,
sobald ein System relativ zu einem Inertialsystem beschleunigt wird. Jede lokal messbare
Schwerkraft wird damit zur Scheinkraft, der Unterschied zwischen Gravitations- und Trägheitsfeldstärke entfällt. Wer den am Äquator gemessene Wert von 9.78 N/kg in eine echte
und eine zentrifugale Feldstärke zerlegt, steht im Widerspruch zum Äquivalenzprinzip,
einer tragenden Säule der allgemeinen Relativitätstheorie.
Materie ist ein philosophischer Begriff, der in der Physik schon mehrfach umgedeutet
worden ist. Deshalb sollte er mit der entsprechenden Vorsicht gebraucht werden [4]. Isaac
Newton schrieb der Materie eine Masse gebildet aus Dichte und Volumen zu [5]. Diese
Masse, welche sowohl als Trägheit als auch als Ursache der gravitativen Wechselwirkung
agiert, blieb bis ins Jahr 1905 die zentrale Eigenschaft der ponderablen Materie. Danach
erlebte die Masse zwei Erweiterungen. Erstens sind träge Masse und Energie äquivalent,
müssen also nicht extra ineinander umgewandelt werden. Zweitens ist die Energie/Trägheit
nur die zeitliche Komponente eines vierdimensionalen Vektors, dessen räumlicher Teil vom
Impuls gebildet wird. Damit sind drei Grössen, die vorher als getrennt oder sogar als
gegensätzlich angesehen wurden, zu einer Einheit verschmolzen. Im Unterschied zu den
Teilchenphysikern verwende ich nachfolgend die Begriffe Masse und Energie synonym,
schreibe ihnen aber zur Unterscheidung die Einheit Kilogramm bzw. Joule zu. Die Teilchenmasse oder die Masse eines ruhenden Körpers nenne ich Ruhemasse.
Der Energie-Impuls-Tensor ist gemäss der Einstein’schen Feldgleichung die Ursache für die
Krümmung der Raumzeit. Bezüglich eines beliebigen Koordinatensystems kann dieser Tensor als 4x4-Matrix geschrieben werden. Geht man von einem Inertialsystem mit Minkowski-Metrik aus und setzt die Zeit mal die Lichtgeschwindigkeit als nullte Koordinate, können
die einzelnen Elemente des Energie-Impuls-Tensors wie folgt interpretiert werden. Das 00Element liefert die Energiedicht oder die Massendichte mal die Lichtgeschwindigkeit im
Quadrat. Der Rest der ersten Zeil ist gleich der Energiestromdichte geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit oder gleich der Massenstromdichte mal die Lichtgeschwindigkeit. Der Rest
der ersten Spalte beschreibt die Impulsdichte mal die Lichtgeschwindigkeit. Die verbleibende 3x3-Matrix liefert uns die Impulsstromdichte. Aus der Symmetrie des EnergieImpuls-Tensors folgt erstens die Gleichsetzung der Impulsdichte mit der Massenstromdichte. Zweitens sind die Impulsstromdichten gekoppelt. Fliesst zum Beispiel ein x-Impulsstrom in einem bestimmten Punkt in y-Richtung, muss an der gleichen Stelle mit gleicher
Intensität ein y-Impulsstrom in x-Richtung fliessen.
In der makroskopischen Physik, also in unserer Erfahrungswelt, lassen sich zwei EnergieImpuls-Tensoren bilden, einen für die ponderable Materie und einen für das elektromagnetische Feld. Als einfaches Anwendungsbeispiel nehmen wir einen Kondensator, bestehend aus einer dünnen, elektrisch isolierenden, quadratischen Platte, die beidseits mit
einer Aluminiumfolie beklebt ist. Lädt man den Kondensator auf, bildet sich ein elektrisches
Feld, das im grössten Teil der Platte homogen ist. Die x-Achse des Koordinatensystems
zeige in Feldrichtung, die beiden anderen Achsen stehen parallel zur Platte. Im homogenen
Teil des elektrischen Feldes weist der Energie-Impuls-Tensor nur vier Elemente ungleich
null auf. Zudem sind die Beträge dieser vier Elemente alle gleich. Im 00-Element steht die
Energiedichte des elektrischen Feldes. Das 11-Element ist entgegengesetzt gleich gross und
die beiden verbleibenden Diagonalelemente sind wieder gleich der Energiedichte. Im elektrostatischen Feld wird demnach Energie gespeichert, aber nicht transportiert. Umgekehrt
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strömt in diesem Feld Impuls, ohne dass dieser lokal vorhanden ist. Konkret fliesst ein xImpulsstrom rückwärts, also gegen die x-Achse. Normal dazu fliessen y- und z-Impulsströme in Richtung ihrer jeweiligen Achse. Dies folgt direkt aus der Interpretation der Diagonalelemente des Energie-Impuls-Tensors. Dreht man das Koordinatensystem um 180° um die
z-Achse, wechselt die elektrische Feldstärke das Vorzeichen, die x- und y-Stromdichten
behalten ihres dagegen bei. Dies führt dazu, dass in einer Skizze der Feldstärkevektor immer noch in die gleiche Richtung zeigt, die beiden Impulsströme dagegen auf die andere
Seite fliessen. Dass diese Eigenschaft, die direkt aus dem Transformationsverhalten der
Vektoren und Tensoren folgt, von namhaften Physikern nicht verstanden wird, ist bemerkenswert [6].
Im elektrischen Feld des Plattenkondensators fliesst der x-Impuls gegen seine Bezugsrichtung, geht im Bereich der Oberflächenladung vom Feld an die Materie über, fliesst dann
durch die Platte zur andern Oberflächenladung, um wieder ans elektrische Feld überzugehen. Im Feld fliesst der x-Impuls rückwärts, in der Platte vorwärts, weshalb er dort Druck
erzeugt. Die beiden quer zum elektrischen Feld fliessenden Impulsströme der Komponenten y und z werden am Rand der Platte, im inhomogenen Teil des Feldes, in Richtung der
beiden Aluminiumfolien abgelenkt, treten im Bereich der Kanten ins Aluminium ein und
erzeugen dort beim Rückwärtsfliessen Zug. Allgemein haben wir zwei Energie-Impuls-Tensoren, welche ausserhalb der elektrischen Ladung je die Kontinuitätsgleichung erfüllen.
Mathematisch äussert sich dies in der Viererdivergenz, die gleich null ist. Im Bereich der
Ladung koppeln die beiden Tensoren, tauschen also Impuls und bei dynamischem Verhalten auch Energie aus.
Nun verbinden wir die beiden Aluminiumfolien längs der in y-Richtung orientierten Kante
über einen langen Widerstand miteinander. Auf der gegenüberliegenden Seite bringen wir
auf der ganzen Plattenbreite eine Spannungsquelle an. Damit fliesst durch die Folien ein
elektrischer Strom in oder gegen die z-Richtung. Dieser Strom erzeugt zwischen den Platten
ein magnetisches Feld, dessen Feldstärkevektor in y-Richtung weist. Die Anordnung eignet
sich gut, um den Poynting-Vektor einzuführen und zu erklären [7]. Durch den elektrischen
Strom ändert sich der Energie-Impuls-Tensor des elektromagnetischen Feldes im Bereich
der Platte wie folgt: im 00-Element kommt die Energiedichte des Magnetfeldes dazu; das
11-Element wird betragsmässig kleiner und kann bei grosser Stromstärke sogar positiv
werden; das 22-Element erfährt mit umgekehrten Vorzeichen die gleiche Veränderung; das
33-Element wird grösser; zudem werden das 03- und das 30-Element ungleich null. Die
Platte wird weniger stark zusammengedrückt und die beiden Aluminiumfolien stehen nicht
mehr in beide Richtungen unter gleicher Zugspannung. Ausserdem fliesst von der Spannungsquelle zum Widerstand ein Energiestrom durch das elektromagnetische Feld. Der
elektrische Strom hängt nicht von der vorhandenen Ladung ab, weil die Ladung proportional mit der angelegten Spannung zunimmt, die Stromstärke aber zusätzlich vom Widerstand verändert wird. Wer hier mit Elektronen argumentiert, suggeriert einen nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Ladung und Strom. Ein ähnliches Missverständnis besteht
in Bezug auf Energie und Impuls. Die durch das elektromagnetische Feld transportierte
Energie hängt nicht mit der im Feld gespeicherten Energie zusammen und die durch das
elektrische Feld fliessenden Impulsströme haben nichts mit der dort vorhandenen Bewegungsmenge zu tun. Im Bereich der Platte fliessen drei unterschiedlich starke Impulsströme
durch das elektromagnetische Feld, obwohl das Feld praktisch keinen Impuls speichert.
Einzig vom z-Impuls ist eine sehr kleine Menge vorhanden. Die zugehörige Impulsdichte ist
gleich der Energiestromdichte geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit im Quadrat.
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Der elektromagnetische Energie-Impuls-Tensor wird direkt aus dem Feldstärketensor gebildet. Wendet man darauf die Viererdivergenz und die Maxwell-Gleichungen an, erhält
man die Quellendichten für die Energie und Impuls. Konkret ist die Quellendichte der
Energie gleich dem Skalarprodukt aus elektrischer Feldstärke und Stromdichte. Die Impulsquellendichte ist gleich Ladungsdichte mal Feldstärke plus das Vektorprodukt aus
Stromdichte und magnetischer Feldstärke. Integriert man diese Quellen über das Volumen
eines Körpers, erhält man die Leistung des elektrischen Stromes und die Lorentzkraft im
allgemeinen Sinne. Der Begriff Quelle besagt hier, dass Energie und Impuls an diesem Ort
zwischen elektromagnetischem Feld und geladener Materie ausgetauscht werden. Bezüglich eines festen Koordinatensystems kann je nach Vorzeichen zwischen Quelle und
Senke von Energie und den drei Impulskomponenten unterschieden werden, wobei eine
Quelle bezüglich der Materie eine Senke bezüglich des elektromagnetischen Feldes bedeutet. Damit haben wir auch eine erste Definition der Kraft gefunden: eine elektromagnetische Kraft beschreibt die Stärke einer Impulsquelle bezüglich eines Körpers. So
fliesst im gemeinsamen Feld zweier entgegengesetzt gleich geladener Körper ein Impulsstrom, dessen Quellenstärken bezüglich der Körper zwei Kräfte ergeben, die CoulombWechselwirkung heissen. An diesem einfachen Beispiel sieht man den Unterschied zwischen der Modellstruktur der Punktmechanik und der hier angestrebten, allgemeinen Darstellung. Im punktmechanischen Modell zeichnet man zwei geisterhafte Kraftpfeile, welche
auf die beiden Körper einwirken und diese beschleunigen. In der Systemphysik verschiebt
sich die Aufmerksamkeit auf die Impulsströme im felderfüllten Raum. Die zugehörigen drei
Strombilder, eines für jede Impulskomponente, können mit heutigen Simulationswerkzeugen problemlos berechnet und als Flussbilder dargestellt werden [8].
Wie kommt nun die Gravitation ins Spiel? Ein kräftefreier Körper zeichnet eine Weltlinie in
der Raumzeit. Die «Länge» dieser Bahn, die Eigenzeit mal die Lichtgeschwindigkeit, wird
mit dem metrischen Tensor aus den gewählten Koordinaten berechnet. Die Bahn selber ist
eine Lösung der Bewegungsgleichung, die mit dem Christoffel-Symbol beschrieben wird.
Dieses Symbol wird wiederum aus dem Metrik-Tensor abgeleitet, ist also rein geometrisch
bestimmt. Wie die Gravitation als dynamische Wirkung ins Spiel kommt, überlegen wir
anhand eines rotierenden Bezugssystems. Dieses beschreiben wir wie üblich, bilden die
Umrechnung der zugehörigen Differentiale und berechnen daraus den Metrik-Tensor im
neuen Bezugssystem. In diesem Tensor erscheint das Zentrifugalpotential im 00-Element.
Die Nichtdiagonalelemente erinnern an die Corioliskraft, nur dass statt der Geschwindigkeit
der zugehörige Koordinatenabschnitt auftritt. Diese Vorgehensweise ist allgemein gültig, d.
h. alle gravitativen Einwirkungen auf einen Probekörper sind Scheinkräfte analog zur Zentrifugal- oder zur Corioliskraft, welche nur in Nichtinertialsystemen auftreten, die also allein
durch den Wechsel des Bezugssystems entstehen.
Ausgehend vom punktmechanischen Weltbild mit den gravitativen, den elektrischen und
den magnetischen Wechselwirkungen kann man eine Entwicklungslinie ziehen, die über
Faraday und Maxwell bis Einstein reicht. James Clerk Maxwell hat die elektrische und die
magnetische Wechselwirkung durch eine zweiteilige Feldtheorie ersetzt. Auf der einen Seite steht die Felderzeugung durch Ladungs- und Stromverteilung, auf der anderen Seite die
Lorentzkraft, welche die Wirkung des elektromagnetischen Feldes auf Ladung und Strom
beschreibt sowie die Feldgrössen definiert. In der Lorentz-Eichung können die vier Maxwell-Gleichungen zu einer einzigen Aussage zusammengefasst werden: der d’AlembertOperator angewendet auf das Vektorpotential ergibt die Viererstromdichte, also Ladungsund Stromdichte. Diese Struktur dürfte Einstein als Blaupause für seine Gravitationstheorie
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gedient haben. Im Einklang mit der speziellen Relativitätstheorie musste Einstein die Masse
der Newtonschen Wechselwirkung durch Energie und Impuls ersetzen. Weil Energie und
Impuls einen Vierervektor und keinen Skalar bilden, wuchs die als Quelle gedachte Massendichte zum Energie-Impuls-Tensor aus. Als zugehöriges Potential, ebenfalls ein Tensor, kam
wegen des Äquivalenzprinzips nur eine rein geometrische Grösse in Frage. Dass die zweite
Ableitung des Metrik-Tensors aus Gründen der Kovarianz zum Krümmungstensor und zum
Krümmungsskalar führen muss, scheint gemäss den Aussagen von Einstein zwingend zu
sein. Auf der anderen Seite steht anstelle der Lorentzkraft das Äquivalenzprinzip.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Physik mit der Relativitätstheorie und der
Quantenmechanik zwei Wandlungen erfahren, welche unser Verständnis von Raum, Zeit
und Materie radikal verändert haben. Davon ist in den letzten hundert Jahren, mit Ausnahme einiger nachgeschobene Kapitel zur Radioaktivität, zum Wellen-Teilchen-Dualismus
oder zur Lorentz-Transformation, kaum etwas in den Physikunterricht eingeflossen. Zudem
schafft die wissenschaftlich nicht mehr gerechtfertigte Fixierung auf das punktmechanische
Paradigma mehr Fehlvorstellungen als sie Einsichten vermittelt. Neben dem zum Teil völlig
falschen Kraftbegriff sei hier noch je ein Beispiel aus der Elektro- und der Thermodynamik
erwähnt. Erklärt man den elektrischen Strom mit der Bewegung von Elektronen, suggeriert
man damit einen nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Ladung und Strom. Wen
wundert’s, wenn danach auch gute Studierende versuchen, den Energietransport im
Stromnetz mit der Bewegung von Elektronen zu rechtfertigen. In der Thermodynamik führt
die falsche Definition von Wärme als Bewegungsenergie der Teilchen zu gravierenden Fehlvorstellungen, weshalb sogar Physiker elementare Zusammenhänge zwischen Energie und
Entropie weder erklären noch mathematisch korrekt beschreiben können.
Die meisten Kräfte in unserer Erfahrungswelt sind Schnittgrössen, also Flächenintegrale
über den Spannungstensor. Dieser Spannungstensor wiederum ist der leitungsartige Teil
der im Energie-Impuls-Tensor enthaltenen Impulsstromdichte. Der zweite Teil, die konvektive Impulsstromdichte, beschreibt den von der bewegten Materie transportierten Impuls.
Beide Transportarten bilden zusammen mit der Impulsdichte und den Impulsquellen die
Navier-Stokes-Gleichung. Impulsquellen entstehen durch den Impulsaustausch mit dem
elektromagnetischen Feld oder werden durch beschleunigte Bezugssysteme induziert.
Dass diese Beschreibung eine tragfähige Basis für den Mechanik-Unterricht sein könnte,
wurde meines Wissens noch nie so radikal und ausführlich begründet wie hier.
2. Güterzug
Güterwagen besitzen europaweit die gleiche Kupplungsvorrichtung: auf jeder Seite zwei
Puffer, dazwischen einen Haken plus eine Kuppelkette. Um die grossen Druckkräfte aufzunehmen, sind die Puffer mit Federn oder gashydraulischen Dämpfern bestückt. Auch die
Zugvorrichtung ist gegenüber den Wagen gefedert. Doch wie unterscheidet man Zug- und
Druckkräfte? Betrachten wir dazu eine Lok mit zwei Wagen auf Rangierfahrt, wobei die
Bremsen der Wagen ausgeschaltet sind. Der Zug fährt vorwärts an, bremst ab, steht kurz
still, fährt rückwärts an und kommt am alten Standort zum Stillstand. In der ersten Phase
sind die Spindeln auf Zug, in der zweiten Phase die Puffer auf Druck belastet. Bei der
Rückwärtsfahrt schiebt zuerst die Lok, weshalb beim Anfahren die Puffer zusammengedrückt und beim Bremsen die Zugspindeln gedehnt werden. Nun übersetzen wir diesen
Vorgang ins Flüssigkeitsbild [9], wobei wir nur eine der drei Impulskomponenten betrachten. Mit den Aussagen vor- und rückwärts ist die positive x-Achse festgelegt.
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Im Flüssigkeitsbild erscheint die x-Impulskomponente als eigenständige Flüssigkeit. Wagen
und Lok verwandeln sich in zylinderförmige Töpfe, die in einem riesigen See stehen. Der
See repräsentiert die Erde mit ihrer grossen Impulskapazität. Die Masse der Fahrzeuge wird
zum Querschnitt der Töpfe und die Geschwindigkeit zur Füllhöhe. Mit dem Flüssigkeitsbild
wird die Mechanik der Hin- und Herfahrt zu einem begreifbaren Vorgang. Beim Anfahren
pumpt die Lok Impuls aus der Erde und gibt einen Teil nach hinten an die Wagen ab. Damit
die Pegelstände in allen drei Töpfen in etwa gleich stark ansteigen, stehen die Impulsströme in den beiden Zugvorrichtungen in einem bestimmten Verhältnis zum von der Erde
«angesaugten» Strom. In der zweiten Phase fliesst der Impuls aus Wagen und Lok an die
Erde ab. Damit haben wir Zug, Druck und Scherung erklärt: bei Druck fliesst der Impuls in
seine Bezugsrichtung und bei Zug entgegen; zwischen Rad und Schiene fliesst der Impuls
seitwärts, was dort zu einer Schubspannung führt. Bei der Rückwärtsfahrt ist die Geschwindigkeit negativ, d. h. die Pegelstände sinken unter das Niveau des Sees. Die Regel bezüglich
Impulsstrom und Materialbelastung bleibt bestehen.
Die Energie als Arbeitsvermögen wird im Flüssigkeitsbild intuitiv erfassbar. Fliesst der Impuls bergauf, also von kleiner zu grosser Geschwindigkeit, muss Energie zugeführt werden,
bergab wird Energie freigesetzt. Die Prozessleistung ist gleich Impulsstromstärke mal Geschwindigkeitsdifferenz. Die zusammen mit dem Impuls von einem zum andern Wagen
strömende Energie, die gleich Impulsstromstärke mal Geschwindigkeit ist, nennen wir zugeordneten Energiestrom. Zeichnen Sie nun ihr eigenes Flüssigkeitsbild für die Lok und die
beiden Wagen. Skizzieren Sie zusätzlich das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm für die ganze
Rangierfahrt. Dann überlegen Sie sich die Impuls- und Energieströme für alle vier Bewegungsphasen. Im zweiten Beispiel pralle die Komposition bei der Vorwärtsfahrt mit 3 m/s
ungebremst gegen einen Prellbock. Zuerst werde die Lok mit einer Masse von 60 t gestoppt, unmittelbar danach der erste und dann der zweite Wagen. Die Wagen weisen je
eine Mass von 40 t auf. Wieviel Impuls fliesst insgesamt durch den Prellbock? Wieviel Energie müssen die vordersten Puffer, die nächsten vier und die letzten vier aufnehmen? In
einem weiteren Schritt gehen Sie von einer realistischeren Situation aus, indem Sie allen
drei Fahrzeugen eine Geschwindigkeit ungleich null zuweisen. Durch die drei Puffergruppen fliesse je ein Impulsstrom mit der von Ihnen gewählten Stärke. Wie stark sind die zugeordneten Energieströme und die Prozessleistungen? Wie stark werden die drei Fahrzeuge
beschleunigt? Wie gross sind die Änderungsraten der kinetischen Energien? [10]
Das Herzstück der Punktmechanik, das Grundgesetz oder das zweite Newtonsche Axiom,
ist direkt dem Flüssigkeitsbild zu entnehmen. Betrachten wir dazu den ersten Wagen nach
der Lok. Beim vorwärts Anfahren fliesst von der Lok ein starker Impulsstrom zu, gleichzeitig
fliesst ein etwas schwächerer an den zweiten Wagen ab. Die Impulsbilanz verknüpft diese
Impulsströme mit dem Inhalt durch die Aussage, dass die Summe über alle Impulsstromstärken gleich der Änderungsrate des Impulsinhalts ist. Weil der Impulsinhalt, wie dem Flüssigkeitsbild zu entnehmen ist, als Masse mal Geschwindigkeit geschrieben werden kann, ist
die Impulsänderungsrate gleich Masse mal Geschwindigkeitsänderungsrate, also Masse
mal Beschleunigung. Die Beschleunigung ist im Flüssigkeitsbild als Geschwindigkeit des
Pegels zu erkennen, was den Umgang mit dieser recht abstrakten Grösse nachweislich erleichtert. Kennzeichnet man die zufliessenden Impulsströme mit einem in positive Richtung
und die abfliessenden mit einem in negative Richtung weisenden Pfeil, gewinnt man die
graphische Repräsentanz der Kräfte, d.h. Oberflächenkräfte sind als Impulsstromstärken zu
definieren. Die Methode lässt sich problemlos auf alle drei Impulskomponenten erweitern
und funktioniert auch in umgekehrter Richtung [11]. Mit diesen Überlegungen wird das
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Wechselwirkungsprinzip, das dritte Newtonsche Axiom, zu einer trivialen Aussage. Das
zweite Axiom umfasst zwei Elementaraussagen, die Impulsbilanz und ein Kapazitivgesetz,
das unter dem Namen Schwerpunktsatz bekannt ist. Wer all das begriffen hat, wird Kräfte
kaum mehr falsch einzeichnen und das Grundgesetz mit Summe über alle Kräfte gleich
Masse mal Beschleunigung umschreiben.
Betrachten wir nun einen schweren Güterwagen von 80 Tonnen, der mit 10.8 km/h gegen
einen gebremsten Wagen von 40 Tonnen prallt. Weil die mit Reibfedern ausgerüsteten
Puffer einen Drittel der aufgenommenen Energie wieder zurückgeben, bewegt sich der
leichte Wagen nach dem ersten Aufprall schneller als der schwerere. Die Bremskraft, also
der Impulsabfluss an die Erde, sorgt dafür, dass es zu einem zweiten und eventuell zu einem
dritten Aufprall kommt. Für den ersten Aufprall können wir im Flüssigkeitsbild zwei Phasen
erkennen. In der ersten Phase fliesst vom auflaufenden Wagen Impuls durch die Puffer in
den anfänglich ruhenden, bis beide gleich schnell sind. Der Impulsstrom nimmt sinusartig
in der Zeit an Stärke zu, die Geschwindigkeitsdifferenz nimmt sinusartig mit der Zeit ab.
Damit schwillt die Prozessleistung zuerst auf einen Maximalwert an, um am Ende dieses
unelastischen Stosses wieder gegen null zu gehen. In der zweiten Phase entspannen sich
die Pufferfedern wieder und geben einen Teil der aufgenommenen Energie an den weiterhin vorwärts fliessenden Impulsstrom zurück. Im Flüssigkeitsbild geht der Impuls nun bergauf, was nur unter Zufuhr von Energie möglich ist. Beim Übergang vom Ein- zum Ausfahren
der Puffer nimmt die Impulsstromstärke schlagartig auf einen Drittel ab und geht dann
sinusartig mit der Zeit gegen null. Die Geschwindigkeitsdifferenz wächst sinusartig gegen
den Endwert.
Stossprozesse kann man auch mit Impulsaustausch über eine bestimmte Zeitspanne statt
mit Stromstärken und Änderungsraten in Funktion der Zeit beschreiben. Weil der Stossprozess recht kurz ist, vernachlässigen wir die Reibung zwischen Schienen und Rädern. Die
gesamthaft an die Puffer abgegebene Energie ist gleich geflossener Impuls mal die anfänglich vorhandene Geschwindigkeitsdifferenz geteilt durch zwei. Aus dem Flüssigkeitsbild
entnehmen wir die gemeinsame Geschwindigkeit nach der ersten Phase, indem wir wie bei
kommunizierenden Gefässen den Gesamtimpuls durch die Gesamtmasse teilen, womit wir
2 m/s erhalten. Der zweite Wagen enthält danach 80 kNs Impuls, was der geflossenen oder
der im ersten Wagen fehlenden Menge entspricht. Bei einer mittleren Geschwindigkeitsdifferenz (Fallhöhe) von 1.5 m/s müssen die vier Puffer total 120 kJ Energie aufnehmen.
Die Federkraft ist infolge der inneren Reibung beim Ausfahren dreimal kleiner als beim Einfahren, womit sie nur einen Drittel der aufgenommenen Energie an den durchfliessenden
Impuls zurückgibt. Um die Endgeschwindigkeiten zu berechnen, muss man erkennen, dass
die umgesetzte Energie mit dem Quadrat der Relativgeschwindigkeit anwächst. Dies, weil
die Energie proportional mit dem geflossenen Impuls und proportional mit der Geschwindigkeitsdifferenz zunimmt. Damit ist das Verhältnis der von den Puffern aufgenommenen Energie zur wieder abgegebenen gleich dem des Quadrats der Relativgeschwindigkeiten. Der erste Wagen, der anfänglich 1 m/s schneller als die gemeinsame Geschwindigkeit ist, wird am Schluss des ersten Stosses 0.577 m/s langsamer sein, sich also mit 1.42
m/s bewegen. Der anfänglich ruhende Wagen wird eine Geschwindigkeit von 3.15 m/s erreichen. Die analoge Überlegung führt zur Formel für die kinetischen Energie. Diese ist
gleich Menge mal mittlere Förderhöhe, also aufgenommener Impuls mal die halbe Geschwindigkeit. Um eine negative Geschwindigkeit zu erzeugen, muss die entsprechende
Menge Impuls an die Erde weggepumpt werden, was zur gleichen Formel führt. Erweitert
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auf alle drei Komponenten erhält man das Skalarprodukt aus Impuls und halber Geschwindigkeit.
Newton-Axiome, Arbeit, Energiesatz und - wenn die Zeit noch reicht – Impulssatz, das sind
auch heute noch die Schwerpunkte im mechanischen Teil des Physikunterrichts. Folgerichtig stammen die meisten Fragestellungen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Doch wen interessiert maximale Höhe, Weite und optimaler Winkel bei einem durch das Vakuum fliegenden Körper? Praxisbezogene Fragen wie etwa nach dem richtigen Verhalten eines Autofahrers bei einem drohenden Unfall [12] oder nach der optimalen Bauform einer Knautschzone [13] wären interessanter, würden die Auszubildenden nach einem formelzentrierten
Unterricht aber überfordern. Um den Stoffdruck zu mildern und um die weniger mathematikaffinen Studierenden nicht zu demotivieren, beschränkt man sich an einzelnen Fachhochschulen stattdessen auf den vertikalen Wurf [14]. Anders in Winterthur, wo im Studiengang Aviatik der Zürcher Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) das
Fach Physik und Systemwissenschaft mit 16 von 60 Kreditpunkten im erst Studienjahr einen
Schwerpunkt bildet [15]. Weil die Vorbildung der Neueintretenden extrem heterogen war,
standen wir unter starkem Innovationsdruck. Wie soll man in gut 200 Lektionen einem
Maturanden mit Schwerpunkt Mathematik und Physik etwas Neues bieten, ohne Pflegefachfrauen oder Kaufleute zu überfordern? Studierendenbefragungen und Analyse der
erteilten Noten zeigen, dass uns dies mit unserem Konzept recht gut gelungen ist. Einstieg
über die Hydraulik, Übertragung der Kernideen, also Bilanz, konstitutive Gesetze und Rolle
der Energie, auf die Elektrizitätslehre, die Translations- und die Rotationsmechanik sowie
die Thermodynamik erwies sich als erfolgreiches Rezept. Ein weiterer Faktor für diesen Erfolg war sicher auch der konsequente Einsatz des Computers für Flipped Classroom [16]
sowie für Modellbildung und Simulation. Ein Polymechaniker, welcher auf der Rollbahn verschiedene Knautschzonen oder Gummibänder untersucht [17], eine Maturandin, welche
den Start von Wostok I nachsimuliert [18] oder ein angehender Militärpilot, der anhand
eines Entropie-Temperatur-Diagramms erklärt, wieso der schwingende Kolben bei einer
Gasfeder nicht nur durch die mechanische Entropieproduktion, sondern auch durch die
thermische abgebremst wird [19] - wer sowas erlebt hat, wird kaum wieder nach einem
klassisches Curriculum unterrichten wollen.
Modellbildung und Simulation hat uns vom Korsett der analytisch lösbaren Probleme befreit und den Studierenden Zugang zu einer beinahe unbeschränkten Zahl von Fragestellungen verschafft. Weil die systemdynamische Methode praktisch ohne Programmier- und
Mathematikkenntnisse angewendet werden kann, ist sie ab erster Lektion einsetzbar. System Dynamics ist Ende der fünfziger Jahre von Jay Forrester an der Sloan School of Management des MIT zur Analyse sozioökonomischer Systeme entwickelt worden. Mit dieser
Methode hat das Ehepaar Meadows im Auftrag des Club of Rome ein Weltmodell aufgebaut, um die Grenzen des Wachstums aufzuzeigen [20]. 1990 haben Kollege Hans U. Fuchs
und ich am Technikum Winterthur erste Modelle für den Physikunterricht entwickelt.
Heute bildet die Systemdynamik in verschiedenen Studiengängen der ZHAW einen integralen Teil des Unterrichts.
Zum Abschluss dieses Abschnitts stelle ich das systemdynamische Modell eines Rangierstosses vor [21]. Auf der untersten Ebene wird die Impulsbilanz mit zwei Speicher, einem
verbindenden Strom und einem Abfluss an die Erde modelliert. Die beiden Speicher
entsprechen dem Impuls in den beiden Wagen. Dividiert man diesen Impulsinhalt durch
die zugehörige Masse, erhält man die Geschwindigkeit der Wagen, welche auf der zweiten
Ebene mit je einer Rohr-Topf-Konstruktion zur Position integriert wird. Auf der dritten
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Ebene wird die Energie mit vier Speichern für zwei kinetische Energien, Pufferenergie und
Reibungsenergie bilanziert. Die vier Töpfe sind mit drei Rohrstücken verbunden, welche für
den zugeordneten Energiestrom stehen. Die unteren beiden Ebenen bilden das dynamische System, die oberste Ebene führt bloss die Energie buchhalterisch nach. Deshalb benötigt die Energiebilanz nur Informationen aus den unteren Ebenen ohne auf diese zurückzuwirken. Das simulationsfähige Modell zeigt den Auszubildenden, welche Gesetze benötigt
werden und wie diese zu formulieren sind. Bilanzgleichungen und Integration über die Zeit
werden aufgrund der graphischen Darstellung vom Programm automatisch ausgeführt. Das
Reibgesetz bei den Schienen sowie das Verhalten der Pufferfedern sind insofern schwierig,
als sowohl die Richtung der Relativgeschwindigkeit als auch der Haftreibungszustand korrekt und numerisch stabil eingebracht werden müssen. Zur Berechnung der Energieflüsse
und damit auch der Energieinhalte benötigt man nur die Formel für den zugeordneten
Energiestrom. Die Anfangswerte für Impuls- und Energieinhalt müssen mit den Standardformeln, die - wie oben erwähnt - dem Flüssigkeitsbild zu entnehmen sind, berechnet
werden. Obwohl dieses Beispiel um einiges komplexer als die schwierigste Aufgabe in den
meisten Lehrbüchern für Physik ist, sind viele Studierenden in ihren Gruppenarbeiten mit
zusätzlichen Reibmodellen, Luftwiderstand, nichtlinearen Kennlinien, magnetischen Kräften oder Induktionsbremse weit über die Minimalanforderungen hinaus gegangen.
Die eindimensionale Struktur des Rangierstosses lässt sich mit wenig Aufwand auf zwei
oder alle drei Dimensionen erweitern. Höhepunkt des Modellierungspraktikums war die
Simulation einer Flugbewegung in der Vertikalebene gemäss eigenen Vorgaben [22]. Unglaublich, welche Vielfalt dabei im Laufe der Jahre zusammengekommen ist. Mehr dazu im
Abschnitt Zugvögel.
3. Drahtzug
Am 9. April 1866 wurde das vom Schaffhauser Industriellen Heinrich Moser geplante und
finanzierte Rheinkraftwerk mit einer Leistung von 600 PS (440 kW) in Betrieb genommen.
Eine riesige Transmissionsanlage transportierte die Energie zuerst über den Rhein und danach 500 Meter flussaufwärts nach Schaffhausen. Die im Durchmesser etwa fünf Meter
messenden Transmissionsräder drehten mit 80 Umdrehungen pro Minute, was eine Seilgeschwindigkeit von 20 m/s ergibt. Dividiert man den zugeordneten Energiestrom von 440
kW durch diese 20 m/s erhält man eine Impulsstromstärke von grob geschätzt 20 kN. Im
auf Zug belasteten Seil floss der Impuls gegen die gewählte Koordinatenrichtung entweder
flussabwärts oder -aufwärts. Weil die Geschwindigkeit ebenfalls von der willkürlichen Wahl
des Koordinatensystems abhängt, strömte die Energie mit oder gegen den Impulsstrom,
aber auf jeden Fall gegen die Bewegung des gespannten Seils rheinaufwärts. Damit haben
wir die zentrale Frage dieses Kapitels aufgeworfen: wie kann Energie, die nach Einstein
äquivalent zur Trägheit ist [23], gegen die Masse fliessen? Zur Klärung dieses Widerspruchs
wenden wir uns dem Drahtzug zu.
Eine Reihe von senkrecht stehenden Walzen, die schnell drehend Draht auf- und wieder
abwickeln, gehört zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen. Von den fünfzig Jahren, die
mein Vater in der Nagelfabrik gearbeitet hat, stand er etwa die halbe Arbeitszeit am Drahtzug. Draht ziehen ist eine alte Technik, um den Durchmesser durch Kaltumformung schrittweise zu verkleinern. Dabei wird der Stahldraht von einer Ziehtrommel durch einen Ziehstein aus Hartmetall gezogen. Auch hier fliesst die Energie gegen die Bewegung des Drahts,
also von der Trommel zum Stein. Im Bezugssystem des Drahts und mit x-Achse in Bewe10
gungsrichtung nimmt der Energie-Impuls-Tensor eine einfache Gestalt an. Das 00-Element,
die Energiedichte, ist gleich Dichte mal das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, das 11-Element, die x-Komponente der x-Impulsstromdichte, entspricht bis auf das Minuszeichen der
Zugspannung. Das negative Vorzeichen entspringt der Konvention, wonach die Zugspannung positiv ist. Nun transformieren wir diesen Tensor mittels einer Lorentz-Transformation ins Werkstattsystem. Der Vorfaktor, das Quadrat des Lorentz-Faktors, ist so nahe bei
eins, dass er vernachlässigt werden kann. Die Energiedichte ändert sich nur unwesentlich.
Die Impulsstromdichte erhält einen zweiten Term, der gleich Dichte mal Quadrat der Drahtgeschwindigkeit ist. Neu kommen eine Impulsdichte sowie eine Energiestromdichte dazu.
Die Energiedichte ist immer noch Massendichte multipliziert mit Lichtgeschwindigkeit im
Quadrat. Die leitungsartige Impulsstromdichte, der negative Wert der Zugspannung, wird
um eine konvektive Impulsstromdichte ergänzt, denn vom Werkstattsystem aus gesehen
transportiert der Draht durch seine Bewegung Impuls vom Ziehstein in Richtung Ziehtrommel. Die zugehörige Stromdichte, die viel kleiner als der Betrag der Zugspannung ist, berechnet sich aus Impulsdichte mal Geschwindigkeit, also Massendichte multipliziert mit
dem Quadrat der Geschwindigkeit. Die Impulsdichte wird durch einen kleinen Störterm ergänzt, den man aber vernachlässigen kann. Was wir damit in der ersten Spalte vernachlässigen, nehmen wir in der ersten Zeile mit. Der Impulsdichte entspricht der Massenstromdichte, den Störterm interpretieren wir nach einer Umrechnung mit der Lichtgeschwindigkeit als Energiestromdichte. Damit ist gezeigt, dass der Energietransport in mechanischen
Bauteilen ein relativistischer Effekt ist, der von der leitungsartigen Impulsstromdichte und
nicht von der Massendichte verursacht wird. Die Dichte der kinetischen Energie ist ein
weiterer Störterm, den man durch Entwickeln des Lorentz-Faktors findet.
Die Transmissionsanlage wurde um 1900, kurz bevor Einstein als Hauslehrer in Schaffhausen tätig war, zugunsten einer elektrischen Energieübertragung abgebaut [24]. Vergleichen
wir die beiden Energietransporte anhand einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
(HGÜ) und einer Transmission mit zwei gleich grossen Riemenscheiben. Die HGÜ sei monopolar, besitze also nur ein Kabel, wobei der Stromkreis über die Erde kurzgeschlossen wird.
Die übertragene Leistung, der zugeordnete Energiestrom, ist gleich Stromstärke im Kabel
mal elektrisches Potential des Kabels gegen Erde. Will man diesen Energietransport lokalisieren, findet man die Energiestromdichte in Form des Poynting-Vektors im elektromagnetischen Feld. Energie fliesst also nur, wenn gleichzeitig ein elektrisches und ein magnetisches Feld vorhanden sind. Das elektrische Feld wird von der Ladung auf dem Kabel, das
magnetische vom durch das Kabel fliessenden Strom erzeugt. Die elektrische Ladung auf
dem Kabel ist solange vorhanden, wie dieses unter Spannung steht. Energie wird übertragen, sobald ein elektrischer Strom fliesst. Wer begriffen hat, dass in elektrischen Netzwerken der Strom nicht durch die Bewegung der vorhandenen Ladung verursacht wird, dürfte
den Strom wohl kaum mehr mit Bewegung von Elektronen erklären. Das Bild von den bewegten Elektronen erzeugt viele Fehlvorstellungen und ist mit der Festkörperphysik nicht
vereinbar. Leitungselektronen sind in den Bandstrukturen des Metalls nicht lokalisierbar
und besitzen zudem keine Individualität, weshalb sie sich nicht im Sinne der Kinematik bewegen können. Zudem fliesst die Energie überall ausser im Metall, wo sich auch die Elektronen befinden.
Die Transmission überträgt Energie, indem der eine Riemen stärker gespannt ist als der
andere und das Riemenband umläuft. Nun legen wir eine orientierte Schnitt- oder Bilanzebene quer zu den Riemen. Die verschiedenen Transporte ergeben bezüglich dieser
Schnittebene unterschiedliche Stromstärken, wobei die Orientierung der Ebene, das
11
sogenannte Schnittufer, das Vorzeichen mitbestimmt. Masse und kinetische Energie werden im Kreis herum transportiert und ergeben damit keine Nettostromstärke. Die Impulsstromstärke, deren Vorzeichen auch von der gewählten Bezugsrichtung abhängt, setzt sich
aus einem leitungsartigen und einem konvektiven Anteil zusammen, wobei der erste rückwärts und der zweite vorwärts fliesst. Die leitungsartige Stromstärke, auch Schnittkraft genannt, ist betragsmässig gleich Zugspannung mal Riemenquerschnitt. Die Stärke des konvektiven Impulsstromes ist gleich Masse pro Länge mal das Quadrat der Riemengeschwindigkeit. Die minimale Kraft auf einen Riemenquerschnitte muss nun deutlich grösser sein
als die Stärke eines konvektiven Impulsstromes, sonst rutscht der Riemen auf den Scheiben. Damit nimmt die nutzbare Spannungsdifferenz, welche den Nettoenergietransport
verursacht, quadratisch mit der Geschwindigkeit ab. Weil der zugeordnete Energiestrom
proportional mit der Geschwindigkeit zunimmt, ergibt sich ein Bewegungszustand mit
maximalem Nettoenergiestrom.
Der enge Rahmen des punktmechanischen Paradigmas kennt keine Transportprozesse.
Entsprechend fehlerhaft sind viele Aussagen auch in anerkannten Lehrbüchern. Das beginnt mit der Raketengleichung, wo mit zwei sich kompensierenden Fehlern die richtige
Formel «hergeleitet» wird [25], führt zur mangelhaften Erklärung des Impulsstromes beim
Dampfjetboot [26] und endet im völligen Desaster einer kruden Triebwerkslehre [27]. Dabei ist gerade der Turbofan ein interessantes Anwendungsbeispiel für konvektive Impulsströme [28]. Anhand dieses Beispiels kann man zeigen, wie Impuls- und Energiebilanz den
technischen Fortschritt in Richtung sparsame Triebwerke lenken [29].
«…so können wir sagen, dass alle solche Kupferdrähte, gleich welcher Stärke, ausgezogen
bis auf eine Länge von viertausendachthundertundeine Ellen halten werden, darüber hinaus nicht. [30]». Im «Discorsi» vergleicht Galileo Galilei die maximale Länge eines aufgehängten Kupferdrahts mit der grösstmöglichen Ansaughöhe von Wasser und versucht dann
die Ursache des offensichtlichen Unterschieds zu erklären. Für die Zugkraft auf die Wassersäule wurde damals das Horror Vacui, die Sogwirkung des Vakuums, verantwortlich gemacht, weshalb auch für den hängenden Draht eine ähnliche Länge zu erwarten war. Obwohl die weiteren Ausführung Galileis zur maximalen Zugspannung trotz den mathematisch raffinierten Gedankengängen aus heutiger Sicht in die Irre führen, weist er auf ein
entscheidendes Problem hin: Zugspannung kann im Gegensatz zum isotropen Druck nicht
mit der Wirkung kleinster Teilchen erklärt werden. Galileis «Unterredungen und Beweisführungen zu zwei neuen Wissensgebieten, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend»
markiert einen Verzweigungspunkt in der Geschichte der Physik. Der eine Pfad führt vom
Fallgesetz über die Himmelsmechanik von Newton zur statistischen Mechanik und schlussendlich zum Standardmodell der Teilchenphysik. Auch auf dem zweiten Pfad, der bis zur
modernen Statik und zur Festigkeitslehre reicht, hat Galilei mit seinen Untersuchungen
einiges geleistet. Wer nun behauptet, dass die Statik aus den Newtonschen Gesetzen
abgeleitet werden könne, kennt die historischen Fakten nicht und hat selber oft Mühe mit
der technischen Statik. Dass letzteres bei vielen Physikern zutrifft, zeigt sich speziell bei
Publikationen in didaktischen Zeitschriften [31].
Aufzug
Mit einem Aufzug abzustürzen ist eine weit verbreitete Furcht. Grund dazu gibt es nicht,
Aufzüge gehören zu den sichersten Personenbeförderungsmitteln überhaupt. Die Aufzugskabine hängt an mehreren Seilen, von denen jedes das Vielfache des Gewichts der Kabine
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tragen könnte. Reissen die Zugseile, klemmt sich der Lift mittels Bremsbacken an den Führungsschienen fest. Entgegen all dieser Sicherheitsvorkehrungen hängt bei unserem Aufzug
die Kabine an einem einzigen Seil, das über eine Umlenkrolle mit einem Gegengewicht verbunden ist. In der Aufzugkabine steht ein Mensch mit Blick zur Tür auf einer empfindlichen
Waage. Neben ihm liegt ein Smartphone mit aktiviertem Beschleunigungssensor auf dem
Liftboden. Das Koordinatensystem orientiert sich an der Geometrie der Kabine. Die z-Achse
weist nach unten, die y-Achse zur Tür und die x-Achse vom Menschen aus gesehen nach
links.
Der Fahrstuhl, der zuerst nach oben und dann wieder nach unten fährt, ist einerseits Objekt, andererseits auch Bezugssystem. Die Zugspannung im Seil zeigt einen nach oben abfliessenden Impulsstrom der z-Komponente. Oben, dort wo das Seil über die Rolle geführt
ist, vereinigt sich der Impulsstrom mit dem des Gegengewichts, fliesst über die Rollenachse
an die Decke und über den Schacht nach unten weg. Schneiden wir die Rolle zusammen
mit dem anliegenden Seilstück frei, ergeben die Stärken der beiden zufliessenden Impulsströme zwei in positive Richtung, also nach unten weisende Kraftpfeile. Die Stärke des über
die Achse abfliessenden Stromes kann mit einem nach oben weisender Kraftpfeil markiert
werden. Wer Impulsstrom- und Kraftbilder gemeinsam skizziert, wird die Kräfte ohne grosse Schwierigkeiten korrekt einzeichnen, wie das beim Flaschenzug ausführlich dargelegt
worden ist [32].
In den vier Beschleunigungsphasen gibt die Kabine zweimal etwas mehr und zweimal etwas
weniger Impuls ab als gewöhnlich, was sich in einer verändernden Zugspannung des Seils
bemerkbar macht. Doch woher kommt dieser Impuls? Einerseits von der für die Bewegung
notwendigen Änderungsrate der Kabine, andererseits vom Gravitationsfeld der Erde.
Gemittelt über die ganze Fahrt fliesst der gesamte über das Seil abgeführte Impuls vom
Gravitationsfeld her zu. Im Unterschied zum elektromagnetischen Feld ist das Gravitationsfeld eine linearisierte Hilfskonstruktion, die so von der Relativitätstheorie nicht beschrieben wird. Die Energie fliesst gemäss den am Drahtzug untersuchten Zusammenhänge nach
unten, solange sich das Seil nach oben bewegt. Bei der Abwärtsbewegung strömt die Energie noch oben, also wieder gegen die Seilbewegung. Die Energie wir je nach Fahrtrichtung
von der Kabine zum Gegengewicht oder umgekehrt transportiert. Orientiert man die zAchse nach oben, fliesst die zugehörige Impulskomponenten durch das Seil in die Kabine
und von dort übers ganze Volumen verteilt ans Gravitationsfeld weg. Der damit erzwungene Vorzeichenwechsel bei der Geschwindigkeit sorgt dafür, dass die Richtung des Energiestromes nicht von der Wahl des Koordinatensystems abhängt.
Aufsummiert zur Arbeit der Seilkraft schreibt man die zusammen mit dem Impulsstrom
transportierte Energie der Kabine als potentielle zu. Dieselbe Energie könnte man auch
dem Gravitationsfeld zuweisen, so wie das beim elektrischen Feld des Kondensators gemacht wird. Aber anders als beim elektromagnetischen Feld lässt sich diese Energie im Gravitationsfeld nicht lokalisieren. Dass der Begriff potentielle Energie logisch zu einem Widerspruch führt, bemerkt man beim Modellieren [33]. Sobald der Gravitationskraft eine Leistung oder eine Arbeit zugeschrieben wird, macht der Begriff potentielle Energie eines Körpers keinen Sinn. Wir haben die Wahl: entweder ist die Arbeit der Gewichtskraft gleich null
oder es darf keine potentielle Energie eingeführt werden [34].
Die Zugspannung im Seil weist auf einen in negative Richtung fliessenden Impulsstrom hin,
der aus der Kabine kommend an die Decke abströmt. Indem wir quer durch das Seil eine
Referenzfläche mit Orientierung nach unten legen, erhalten wir eine negative Impulsstrom13
stärke, die man Seilkraft nennt und mit einem Pfeil nach oben markiert wird. Die Quelle
dieses Stromes, die volumenmässig wirkende Gewichtskraft, ist nicht direkt messbar und
hängt vom Beobachter ab. Da gemäss dem Äquivalenzprinzip alle Beobachter gleichberechtigt sind, handelt es sich bei der Schwerkraft um eine Scheinkraft. Wählt man den Menschen als Objekt aus, ergibt der nach unten durch die Waage abfliessende Impulsstrom eine
nach oben gerichtete Normalkraft. Für die Waage als Objekt ergeben sich zwei Normalkräfte, wobei die untere um die Gewichtskraft der Waage grösser ist. Die obere Normalkraft auf die Waage, deren Symbolpfeil nach unten zeigt, ist die Reaktionskraft zur Normalkraft auf den Menschen. Diese beiden Kräfte bilden ein Wechselwirkungspaar im Sinne von
Newton. Der gleiche Strom an der gleichen Stelle aber mit unterschiedlich orientierter
Referenzfläche gemessen weist den entgegengesetzt gleichen Wert auf, für Kontaktkräfte
ist das 3. Newtonsche Gesetz eine Trivialität.
Steht der Mensch auf einer geneigten Ebene, fliesst der Impuls weiterhin nach unten weg.
Bezogen auf die Schuhsohlen erhalten wir eine negative Stromstärke, welche mit einem
nach oben weisenden Kraftpfeil symbolisiert wird. Diese Kraft kann in zwei Komponenten,
eine Normalkraft und eine Haftreibungskraft zerlegt werden. Dass dieses elementare
Problem im deutschen Sprachraum oft falsch dargestellt wird, zeigt wie problematisch der
Kraftbegriff ist. Gemäss einem weit verbreiteten Lehrbuch für Studierende der Physik wirken auf einen auf der schiefen Ebene liegenden Klotz nur die Gewichtskraft, die in eine
Normalkomponente und eine Parallelkomponente zerlegt wird, sowie eine Haftreibungskraft [35]. Die das Gleichgewicht herstellende Normalkraft von der Ebene auf den Klotz ist
weder eingezeichnet noch erwähnt. Dass der Klotz gemäss der Skizze in die Unterlage
hinein beschleunigt werden müsste, scheint während mehr als fünfzig Jahren kaum einem
Leser aufgefallen zu sein. Ironischerweise hat der Autor des besagten Lehrbuches als Experte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft das hier vorgestellte Konzept rundweg abgelehnt, wobei die Argumentation als hanebüchen werden muss [36].
Die im deutschen Sprachraum zelebrierte, unglaublich falsche Zerlegung der Gewichtskraft
in eine Normal- und eine Hangabtriebstkraft verhindert eine klare Begriffsbildung. Die Studierenden sollten auch ohne den hier dargelegten Zugang zur Mechanik in der Lage sein,
Körper vollständig freizuschneiden (free body diagram), alle Kräfte sinnvoll zu benennen
und in der Summe mit Masse mal Beschleunigung gleichzusetzen. Stattdessen werden fehlerhafte Kraftskizzen erstellt, Kräfte selten von ihren Komponenten unterschieden und statt
der resultierenden soll irgendeine Kraft für die Beschleunigung verantwortlich sein. Kein
Wunder, definieren viele Studierende die Normalkraft als Reaktionskraft zum Gewicht.
Spannend für mich war die Diskussion zwischen einer Kauffrau und einem Maturanden, als
erstere letzterem erklärte, wie beim Start eines Flugzeugs der dynamische Auftrieb mit zunehmender Geschwindigkeit zur Verkleinerung der Normalkraft führt.
Der im Lift auf der Waage stehende Mensch sieht, dass die Skala zuerst während kurzer
Zeit einen zu hohen, ein paar Sekunden später einen zu kleinen, kurz nach dem erneuten
schliessen der Tür einen zu kleinen und am Schluss der Fahrt einen zu hohen Wert anzeigt.
Das Beschleunigungs-App des Smartphones zeigt in der vertikalen Achse ein analoges Verhalten der g-Force an, dessen Wert ausserhalb der Beschleunigungsphasen gleich eins ist.
So wie die Waage nicht direkt die Gewichtskraft messen kann, misst ein Beschleunigungsmesser nicht direkt die Beschleunigung, sondern analog zur Waage die Stärke eines kleinen
Impulsstromes. Weil gemäss der Relativitätstheorie der frei fallende Lift inertial ist und
damit in jedem dazu beschleunigten System ein Gravitationsfeld auftaucht, kann zwischen
Gravitationsfeldstärke und Beschleunigung des Systems prinzipiell nicht unterschieden
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werden. Eine Beschleunigung gegenüber der Erde wird in der Kabine als Änderung der Gravitationsfeldstärke wahrgenommen. Auch ein Pilot muss sich bei einem Blindflug auf seine
Instrumente verlassen können, weil er gefühlsmässig nicht zwischen Gravitationsfeld der
Erde und Trägheitsfeld infolge Relativbeschleunigung unterscheiden kann. Ist die Orientierung des Beschleunigungssensors gegen die Erdoberfläche bekannt, darf man die Gravitationsfeldstärke abziehen und den Rest als Wirkung der Beschleunigung interpretieren. So
kann jedermann den Höhenunterschied bei einer Liftfahrt ermitteln [37].
4. Zugbrücke
«Eine Zugbrücke (Länge und Breite 2.3 m, Masse 680 kg) ist leicht angehoben. Die Zugseile
(Länge 2.8 m), an den äussersten Ecken der Zugbrücke befestigt, kommen aus Maueröffnungen, die 2.3 m über der Zugbrücke liegen. Ich habe mir ein Kraftdreieck notiert. Aber
nun hört es auf, jetzt käme Trigonometrie, wie finde ich jetzt die Kraft in einem der Zugseile? [38]» Der etwas verzweifelte Student hat vor lauter Kräftedreieck auch noch übersehen,
dass die Gewichtskraft durch eine in der Mitte der Brücke angreifende Einzelkraft zu ersetzen ist. Diese und ähnliche Aufgaben wie Strassenlampe an zwei Seilen oder das an der
Mauer befestigte Wirtshausschild sind beliebt und werden seit Jahrzehnten im Unterricht
behandelt. Zur Lösung muss jeweils ein Kräftedreieck graphisch oder rechnerisch ausgewertet werden [39]. Meist wird weder ein Schnittbild erstellt, noch erklärt, was eine Kraft
ist. Die Auszubildenden sehen deshalb Kräfte als eigenständige Objekte, die in Seilen und
Stäben drin wirken, anstatt als Einwirkungen auf die Körper. Weil an Schulen immer die
gleichen zwei, drei Probleme behandelt werden, hat sich die korrekte Vorgehensweise
längst abgeschliffen. Hier wäre der Blick zurück hilfreich, hat doch Luigi Cremona schon im
19. Jahrhundert klar aufgezeigt, wie die Kräfte bei ebenen Fachwerken zu ermitteln sind
[40].
Ein römisches Aquädukt wie der Pont du Gard, das Dach einer gotischen Kathedrale oder
die Steinbrücke Ponte dei Salti in Lavertezzo müssen den gravitativ zufliessenden Impuls
zur Seite ableiten. Wie man das Problem auch noch lösen kann, hat der geniale aber etwas
launische Hans Ulrich Grubenmann aus dem Appenzellischen Teufen anhand von Dachstühlen und Brücken gezeigt. Der begabte Baumeister errichtete 1758 zwischen Schaffhausen und Feuerthalen eine reine Holzkonstruktion, die sich mit nur zwei Bogen zu 56 m und
63 m über den Rhein spannte. Bogen- und Hängebrücke werden auch heute noch nach
ähnlichen Prinzipien gebaut. Anstatt die Fahrbahn wie bei vielen Autobahnbrücken auf
einen Trägerkasten zu legen, hängt man diese an einem Bogen oder an Tragseilen auf. Damit verhindert man Biegung, die immer dann auftritt, wenn Impuls seitwärts zur Bezugsrichtung fliesst. Bei den Fachwerken aus Stahl, die im 19. Jahrhundert typischerweise bei
Eisenbahnbrücken Verwendung fanden, tritt in den einzelnen Streben dank entsprechendem Einbau nur einachsige Zug- oder Druckbelastung und keine Biegung auf. Keine Biegung
bedeutet, dass die Kraft auf einen Querschnitt in Richtung der Längsachse des Bauteils zeigen. Damit verhalten sich die Stromstärken der einzelnen «Impulssorten» wie die zugehörigen Komponenten der Seil- oder Stablänge. Diese Kopplungsregel wollen wir nachfolgend
auf ein paar Beispiele anwenden.
Beginnen wir mit den Hängebrücken, die gemäss Othmar Amman, dem in Feuerthalen geborenen Erbauer der über zwei Kilometer langen Verrazzano-Narrows Bridge, nichts anderes als eine grosse Wäscheleine ist, an die man statt Wäsche die Fahrbahn aufhängt [41].
Der gravitativ zufliessende Impuls der Vertikalkomponente wird an den Hängern noch oben
15
abgeleitet, womit diese Seile unter Zugspannung gesetzt werden. Oben bei den Tragseilen
wird der Impulsstrom in eine schiefe Richtung umgelenkt, was zur Einkopplung eines zweiten Stromes der Horizontalkomponente führt. Der Strom dieser Impulskomponente wird
von den Ankerblöcken auf der einen Seite der Brücke durch die Tragseile zu den gegenüber
liegenden Blöcken geführt. Weil sich dieser Strom in den Tragseilen nicht verzweigen kann
und der Strom der Vertikalkomponente zu den Pylonen hin immer stärker wird, muss dort
gemäss Kopplungsregel die Seilneigung zunehmen. Falls nur die Fahrbahn eine Masse hätte, würden die Tragseile die Form einer Parabel annehmen. Die Pylone sind für Druckbelastung gebaut, weil sie hauptsächlich den Vertikalimpuls nach unten ableiten müssen. Würden die Tragseile auf einer Seite aus der Verankerung gerissen, müsste der Impulsstrom
der Horizontalkomponente durch die Pylone abgeführt werden, womit diese unter Biegung
brechen würde.
Die Funktion des Tragwerks einer Schrägseilbrücken wie etwa das Viadukt von Millau wird
in Wikipedia wie folgt beschrieben: «Die vertikalen Lasten werden über die Spannseile in
Form von Zugkräften an den oder die Pylone geleitet und von diesen in Form von Druckkräften senkrecht in den Baugrund eingeleitet. Die horizontalen Kraftkomponenten entstehen auf beiden Seiten in Richtung des Pylonen und werden durch den Fahrbahnträger
neutralisiert.» [42] Anschaulicher kann man die Wirkweise des Tragwerks wohl kaum beschreiben, obwohl Lasten nicht durch Seil geleiten und Kräfte sich nicht neutralisieren können. Als Beispiel nehmen wir eine symmetrische, einhüftige Brücke in Harfenform, deren
Fahrbahnträger so biegeweich ist, dass dieser vollständig von den Spannseilen getragen
wird. Der gravitativ zufliessende Impuls wird durch die Seile nach oben abgeleitet. An deren
oberen Ende fliesst dieser Impuls an den Pylonen weg und dort nach unten in die Erde. Der
im Pylonen vorwärts fliessende Impuls belastet diesen auf Druck. In den Spannseilen fliesst
der Vertikalimpuls schief, entweder in oder gegen die horizontale Bezugsrichtung, was zur
Einkopplung eines Impulsstromes der Horizontalkomponente führt. Infolge der Symmetrie
fliesst der Horizontalimpuls auf der einen Seite hoch und auf der andern wieder hinunter.
Geschlossen wir der Sekundärstromkreis über den Fahrbahnträger, was diesen unter Druck
setzt. Diese Erklärung verwandelt die mehr intuitive Begründung aus Wikipedia in eine
fachlich fundierte Darstellung, die nach Bedarf in korrekte Schnittbilder umgearbeitet werden kann [43].
Die Wushan-Brücke, die mit einem einzigen Bogen von 460 m Spannweite über den Jangtsekiang führt, soll uns als Beispiel für eine Bogenbrücke dienen. Weil die Fahrbahn etwa
auf halber Bogenhöhe eingehängt ist, fliesst der Vertikalimpuls in der Mitte über die Seile
nach oben, was Zug erzeugt. In Ufernähe strömt der Impuls über Stützen nach unten weg,
was dort Druckbelastung erzeugt. Der Trägerbogen selber leitet diesen Impuls schief seitwärts, womit ein Strom der Horizontalkomponente einkoppelt. Der Bogen steht unter
Druck, weil dieser nach unten und nicht wie die Tragseile der Hängebrücke nach oben gebogen ist. Folglich fliessen beide Impulskomponenten vorwärts. Nimmt man eine Bogenbrücke mit aufgeständerter Fahrbahn, kann diese als vertikal gespiegelte Hängebrücke gesehen werden. Beide Brücken erleiden eine vergleichbare Belastung, nur fliessen die Impulsströme in entgegengesetzte Richtung, was zu umgekehrten Spannungszuständen
führt. Steinbrücken, obwohl nicht so einfach zu analysieren, führen ebenfalls einen Impulsstrom der Horizontalkomponente durch. In der 1897 erbauten Eisenbahnbrücke, die bei
Eglisau den Rhein überquert, hat dieser Strom zu ernsthaften Problemen geführt. Weil die
insgesamt 21 Steinbögen in der Mitte, also direkt über dem Rhein, durch eine einseitig
verschiebbar gelagerte Fachwerkbrücke ergänzt worden sind, musste der eingekoppelte
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Impulsstrom der Horizontalkomponenten in den 60 m hohen Uferpfeilern gegen die Erde
ab-, respektive von der Erde zugeleitet werden. In Folge dieser Biegebelastung wichen die
zwei Pfeiler gegen die Flussmitte hin aus, was zu Rissen und Absenkung des Scheitels in den
benachbarten Gewölben führte. 1921 wurde am verschiebbaren Lager der Fachwerkbrücke
eine Hebelvorrichtung eingebaut, welche den Strom der Horizontalkomponente direkt
durch das Fachwerk statt über den Grund des Rheins führt [44].
Die Belastung einfacher Fachwerke kann wie die der Hängebrücke mit der Impulserhaltung
und der Kopplungsregel vollständig beschrieben werden [45]. Nehmen wir dazu einen als
masselos gedachten Fachwerkträger mit einem Ober- sowie einem Untergurt und einer
einzigen Zickzacklinie aus Zug- und Druckstäben. Der Träger liege links und rechts auf und
werde an einem Knoten, gebildet aus zwei Stäben und dem Untergurt, mit einem schweren
Körper belastet. Der vom Gravitationsfeld her zufliessende Vertikalimpuls kann nicht direkt
über den Untergurt abfliessen, weil dieser biegeweich ist. Folglich fliesst er über die zwei
Stäbe schief nach oben. Der Obergurt kann den Vertikalimpuls ebenfalls nicht ableiten.
Deshalb kehren die beiden Ströme um, fliessen schief nach unten und weiter längs der zickzackförmigen Anordnung. Die Kopplungsregel führt zu Sekundärströmen der horizontalen
Impulskomponente, die über Unter- und Obergurt kurzgeschlossen werden und diese auf
Zug respektive auf Druck belasten. Weil auf der einen Seite der Last gleichviel Horizontalimpuls nach oben wie auf der anderen Seite nach unten fliessen muss, legt dieser Sekundärstrom die Aufteilung des von der Last herkommenden Impulsstromes in die beiden
Zweige fest. Diese Aufteilung hätten wir auch direkt mit dem Hebelgesetz finden können.
Fliessen die beiden Impulskomponenten vorwärts, also in ihre Bezugsrichtung, nennt man
den Leiter Druckstab. Zugstäbe führen beide Ströme rückwärts. Eine Verallgemeinerung
auf komplexere, statisch bestimmte, ebene Fachwerke ist angedacht [46].
Muss der Vertikalimpuls direkt seitwärts abgeleitet werden, setzt man oft einen H- oder
Doppel-T-Träger ein. Zur weiteren Untersuchung gehen wir von der schon von Galilei benutzten Anordnung aus [30]. Der Träger sei auf der einen Seite fest eingemauert und am
andern Ende mit einem schweren Körper belastet. Nimmt man ein Flacheisen von 2 mm
Dicke und 15 mm Breite, erweist es sich hochgestellt als recht biegesteif, weicht dafür gern
seitlich aus. Flach eingemauert ist das Stahlprofil ziemlich biegeweich und lässt schon im
unbelasteten Zustand das freie Ende etwas hängen. Ergänzt man das Flacheisen durch zwei
zusätzliche, flache Profilstäbe, die schmalseitig-mittig angeschweisst werden, erhält man
einen H-Träger. Vereinfachend sehen wir vom Eigengewicht des zu untersuchenden Trägers ab. Der von der Last her zufliessende Vertikalimpuls strömt hauptsächlich durch den
Steg, das vertikal stehende Mittelstück des Trägers, an die Wand weg. Weil der Spannungstensor in jedem Punkt symmetrisch sein muss, induziert ein seitwärts fliessender Impulsstrom einen zweiten der anderen Komponente. Im Gegensatz zur oben verwendeten
Kopplungsregel ist dies hier eine lokale Vorschrift, die auch unter dem Begriff Gesetz der
zugeordneten Schubspannungen bekannt ist: wenn Impuls der Komponente i in Richtung
von k strömt, muss am selben Ort Impuls der Komponente k mit gleicher Stromdichte in iRichtung fliessen. Zeigt die x-Achse längs des Trägers von der Mauer weg und die z-Achse
nach unten, induziert der im Steg in minus x-Richtung strömende z-Impuls auf der ganzen
Länge einen nach oben fliessenden z-Impulsstrom, welcher im unteren Gurt von der Mauer
zu und im oberen Gurt wieder dorthin zurückgeführt wird. In den Gurten verteilt sich der
x-Impuls auf die ganze Breite, womit ein Wirbelstrom der y-Komponente induziert wird
[47].
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In der Balkentheorie erster Ordnung werden am unverformten Balken Biege- und Torsionsmomente sowie Längs- und Querkräfte untersucht. Momente sind Drehimpuls- und Kräfte
Impuls-Stromstärken bezüglich eines ausgewählten Querschnitts. Legen wir einen Schnitt
quer durch unseren einseitig eingemauerten H-Träger, finden wir zwei in z-Richtung weisende Querkräfte und zwei in y-Richtung zeigende Drehmomente von entgegengesetzter
Orientierung. Mit dem Schnitt haben wir zwei unterschiedlich orientierte Querschnittflächen gebildet, daher das paarweise Auftreten der Kräfte und Drehmomente. Entscheidet
man sich für eine der beiden Flächen, also für ein Schnittufer, bleiben eine Querkraft und
ein Biegemoment genanntes Drehmoment übrig. Lässt man die Schnittfläche über die ganze Länge des Trägers laufen, ergeben sich Querkraft- und Biegemomenten-Verlauf. Diese
etwas aufwändige Analysetechnik ist dem Umstand zu verdanken, dass Kraft und Drehmoment nicht als Stromstärken von Impuls und Drehimpuls gesehen werden. Wollten wir
den Drehimpuls auch noch in unsere Betrachtung miteinbeziehen, müsste das Hebelgesetz
als Drehimpulsquelle interpretiert werden [48].
Einen starren Körper kann man in der Ebene in zwei Richtungen verschieben und um eine
dritte Richtung drehen. Bei dieser Bewegung speichert der Körper auch drei verschiedene
Mengen, zwei Komponenten des Impulses und eine des Drehimpulses. Dass drei Freiheitsgrade der Bewegung drei verschiedenen Bewegungsmengen entsprechen, bildet eine sehr
wichtige Symmetrie der Physik. Bei räumlichen Bewegungen ergeben sich sechs Freiheitsgrade und sechs skalare Bewegungsmengen. In der Ebene dürfen höchstens drei Freiheitsgrade eingeschränkt werden, um eine statisch bestimmte Situation herbeizuführen. Man
kann den Körper dazu an einer Stelle fest einspannen oder ihn an zwei Orten aufliegen
lassen, wobei das eine Lager horizontal beweglich bleiben muss. Der Bogen einer Steinbrücke ist statisch dreifach überbestimmt, falls beide Pfeiler fest im Boden verankert sind.
Diese Unbestimmtheit, die zu gefährlichen Verspannungen führen kann, wird bei vielen
Steinbrücken mittels drei Gelenken aufgelöst.
5. Zugvögel
Ein schneller Schatten gefolgt von einem dumpfen Geräusch unter der Dachrinne, die
Mauersegler sind aus Afrika zurückgekehrt und bereiten ihren Nistplatz für die nächste Brut
vor. Pech für die Spatzen, welche diesen Ort schon vorher besetzt haben. Sie werden trotz
lautem Protest erbarmungslos rausgeschmissen. Ausserhalb der Brutzeit halten sich die
Mauersegler praktisch immer in der Luft auf. Sie suchen dort ihre Nahrung, schlafen im Flug
und paaren sich meist ohne Zwischenlandung. Mauersegler gehören zu den schnellsten
Vögeln, andere sind dafür die besseren Akrobaten wie etwa der sturzfliegende Habicht
oder die einen Rotmilan attackierende Saatkrähe. Welch Kräfte mögen wohl für diese wendigen Manöver verantwortlich sein?
Auf den Vogel wirken nur zwei Kräfte, die Gewichtskraft und eine Kraft von der Luft. Diese
Antwort dürfte für viele Ohren enttäuschend klingen, doch die beiden Kräfte beschreiben
bloss die Stärke des zwischen Luft und Vogel fliessenden Impulsstromes respektive die
Quellenstärke des Impulsaustausches mit dem Gravitationsfeld. Wäre die Luftkraft in
Funktion der Zeit exakt bekannt, könnte man die Bewegung des Vogels vorhersagen. Krähe,
Habicht und Mauersegler verfügen im Gegensatz zu einem Geschoss über einen eigenen
Willen und unzählige Muskeln, mit denen sie Flügel und Schwanzfedern in die gewünschte
Position bringen und damit den Impulsaustausch mit der Luft beeinflussen können. Um bestimmte Eigenschaften des Vogelflugs zu verstehen, müssen wir dessen Komplexität ver18
einfachen. Betrachten wir dazu den Gleitflug eines Mauerseglers, wie er im Windkanal
schon untersucht worden ist [49]. Wie bei Flugzeugen üblich, können wir die Luftkraft in
einen Luftwiderstand und einen dynamischen Auftrieb aufteilen. Der Widerstand wirkt mit
der Anströmung, der Auftrieb normal dazu. Die Grösse dieser beiden Kräfte wird durch das
Produkt aus Energiedichte der anströmenden Luft, Staudruck genannt, Flügelfläche und
Beiwert berechnet. Die Dichte der kinetischen Energie ist gleich halbe Massendichte mal
das Quadrat der Anströmgeschwindigkeit. Als Fläche nimmt man die Aufsicht auf die Flügel.
Die Beiwerte für Widerstand und Auftrieb beschreiben die verschiedenen Einflüsse wie
Form und Beschaffenheit der Flügel, Anstellwinkel oder zusätzliche Wirkung der Anströmung. Als dimensionslose Zahlen enthalten diese Werte alle speziellen Informationen zu
Widerstand und Auftrieb.
Der Mauersegler werde exakt von vorn angeströmt, d.h. der Anstellwinkel ist gleich null.
Verändern darf unser Modellvogel nur seine Flügelfläche sowie den Rollwinkel, die seitliche
Abweichung der Flächennormalen von der Vertikalebene. Das Systemdiagramm, die graphischen Darstellung der Modellstruktur, zeigt die wesentlichen Zusammenhänge. Auf der
untersten Ebene finden wir die drei Impulsbilanzen mit den entsprechenden Komponenten
des Widerstands und des Auftriebs. In vertikaler Richtung kommt noch ein konstanter
Impulsfluss zum Gravitationsfeld dazu. Auf der mittleren Ebene finden wir die Kinematik,
wo die drei Komponenten der Geschwindigkeit zum zugehörigen Ort integriert werden. Die
Geschwindigkeiten, also Impulsinhalt geteilt durch Masse, beeinflussen über den Staudruck komponentenübergreifend Auftrieb und Widerstand. Optional kann man noch eine
Energieebene beifügen, welche den zugeordneten Energiestrom, die Leistung der Kräfte,
zur kinetischen, potentiellen und dissipierten Energie aufsummiert. Diese Energiebilanz ist
rein buchhalterisch zu verstehen und zeigt keine Rückkopplung auf das eigentliche Modell,
bestehend aus Impulsbilanz und Kinematik [50].
Flugzeuge können ihre Tragflächen abgesehen von den Klappen nicht vergrössern oder verkleinern. Sie verändern dafür den Anstellwinkel, was die Beiwerte beeinflusst, nimmt doch
der Auftriebsbeiwert linear und der Widerstandsbeiwert quadratisch mit diesem Winkel
zu. Betrachten wir zuerst ein Segelflugzeug [51]. Der Pilot kann mit dem Leitwerk den Roll,
den Nick- und den Gier-Winkel verändern. Damit unterscheidet sich das Modell des Segelflugzeuges von dem des Mauerseglers. Statt die Flügelfläche kann der Pilot den Anstellwinkel vergrössern und so den Auftrieb anpassen. Die Dynamik des Segelflugzeuges wird mit
den beiden Beiwerten in Funktion des Anstellwinkels recht gut beschrieben. Für einige Segler ist die Lilienthalpolare, die graphische Darstellung des Auftriebsbeiwerts in Funktion des
Widerstandsbeiwerts, bekannt. Weil die Umströmung der Flügel teilweise laminar erfolgt,
verändert sich diese Polare stark mit der Anströmgeschwindigkeit, welche meist dimensionslos mit der Reynolds-Zahl angegeben wird. Lässt man die Rollbewegung weg und beschränkt sich auf Flugbewegungen in der Vertikalebene, bleibt immer noch ein weites Feld
von möglichen Flugszenarien übrig. Zu erwähnen sind etwa das Problem der Windscherung, thermisch induzierte Vertikalwinde oder der Windenstart [52].
Ferngesteuerte Segelflieger, die mit über 800 km/h durch die Luft jagen und dabei kurzfristig mehr als 100 g Belastung aushalten müssen! Was nach Sciencefiction tönt, wird seit
Jahren von eingefleischten Modellfliegern unter dem Begriff Dynamic Soaring in Küstennähe betrieben. Dazu suchen sie sich einen geeigneten Hügel, über den ein starker Wind
weht. Lässt man leeseitig ein Segelflugzeug auf einer ovalen Bahn fliegen, nimmt es im
Wind Fahrt auf und kehrt danach im darunter liegenden Windschatten zurück. Diese etwas
knapp gehaltene Erklärung lässt sich mit einem zweidimensionalen Modell austesten. In
19
einem statischen Windfeld und mit einem recht einfachen Modell suche man die optimale
Bahn. Woher die Energie kommt und was mit dem Impuls passiert, kann danach anhand
der Simulationsdaten untersucht werden. Impulsinhalt und kinetische Energie sind relativ
zum Bezugssystem Erde zu messen, Impuls- und Energieaustausch werden dagegen durch
das Zusammenwirken von Eigen- und Windgeschwindigkeit bestimmt. Diese Zusammenhänge, die anhand des Modells einfach zu durchschauen sind, führen auch unter erfahrenen Piloten oft zu längeren Diskussionen. Grössere Vögel wie die Albatrosse nutzen das
dynamische Segeln, um Energie sparend grosse Strecken zurück zu legen. Störche, Kraniche
und andere Gleitzieher nutzen die lokale Thermik, um immer wieder hoch zu steigen und
danach in den Gleitflug überzugehen. Auch dieser Effekt lässt sich gut modellieren.
Motorisierte Flugzeuge zeigen ein ähnliches Verhalten wie Segelflugzeuge, ausser dass sie
schneller fliegen und über eine in gewissen Grenzen regulierbare Schubkraft verfügen. Die
höhere Geschwindigkeit erfordert eine etwas andere Parametrisierung als bei Segelflugzeugen. Statt der Reynold-Zahl beeinflusst hier die Machzahl, das Verhältnis von Anströmzu Schallgeschwindigkeit, die Beiwerte. Bleibt man im mittleren Bereich, also deutlich über
der teilweise laminaren Umströmung der Flügel und deutlich unter der Schallgeschwindigkeit, können Widerstands- und Auftriebsbeiwert aus den Profildaten, der Flügelform und
der Bauweise des Flugzeugs abgeschätzt werden. In Bezug auf die Flügelprofile hat das
National Advisory Committee for Aeronautics, die Vorgängerorganisation der NASA, Pionierarbeit geleistet, veröffentlichte sie doch schon früh mit ihren vierstelligen NACA-Profilen eine umfassende Datensammlung zu den geometrischen Parametern des Flügelquerschnitts und ihren Auswirkungen auf die Beiwerte. Vom Profil- zum Flügelverhalten gelangt
man mit einer halbempirischen Formel, welche unter anderem die Flügelstreckung und die
Flügelform berücksichtigt. Eine elliptische Flügelform hat das optimale Verhalten in Bezug
auf Auftrieb zu Widerstand. Unglücklicherweise setzt bei dieser Geometrie der Strömungsabriss auf der ganzen Flügellänge gleichzeitig ein, was doch sehr gefährlich ist. In Laufe der
Zeit sind viele Geometrien entwickelt worden, welche Flugeigenschaften und Sicherheit
besser kombinieren. Eine grössere Flügelstreckung verbessert die Gleitzahl, das Verhältnis
von Distanz zu Absinkhöhe, versieht die Rollbewegung aber auch mit einem grösseren Massenträgheitsmoment, was die Manövrierfähigkeit beeinträchtigt. Um den störenden Einfluss der Flügelenden zu verkleinern, bedient man sich bei Verkehrsflugzeugen und neuerdings auch bei Windrädern eines Tricks, den die Vögel mit den äussersten Schwungfedern
schon lange beherrschen. Statt die Flügel aussen stumpf auslaufen zu lassen, werden abgeknickte Winglets angebracht, welche die Randwirbel verkleinern und damit weniger Energie an die Umströmung abgeben. Grössere Zugvögel recyclen einen Teil der in den Randwirbeln steckenden Energie, indem sie in V-Formation fliegen.
Im weiter oben erwähnten Fach «Physik und Systemwissenschaft für Aviatik» wurden von
den Studierenden umfangreiche Modelle, die sie in Gruppenarbeiten zu erstellen hatten,
eingefordert. Höhepunkt der Übungen war das Modell eines Flugzeuges, das sich vorzugsweise in der Vertikalebene bewegt. Als Vorübung diente der Wurf eines mit konstanter
Winkelgeschwindigkeit rotierenden Balls. Mit Gewichtskraft, Widerstand und MagnusKraft waren damit die ersten drei möglichen Impulsaustauschraten gesetzt. Die Studierenden, aufgeteilt in Dreiergruppen, durften dann Flugzeug sowie Flugzeugszenarium frei wählen. Windenstart eines Segelflugzeugs, Katapultstart eines Kampfflugzeuges von einem
Flugzeugträger, Start und Landung mit Windscherung, Flug durch eine Gewitterwolke, Looping, Zero-G-Flug, Triebwerksausfall oder Go-Around nach missglückter Landung, in den
zehn Jahren, in denen ich das Fach unterrichtet habe, durfte ich erleben, wieviel Potenzial
20
im systemdynamischen Modellieren steckt. Validiert wurden diese Modelle mit Hilfe von
Handbüchern, Messungen mit selbstpilotierten Flugzeugen, Unfallberichten oder kommerziellen Flugsimulatoren.
«Beschleunigung ist gleich Kraft geteilt durch Masse. In ihren muskulösen Hinterbeinen hat
die Löwin viel mehr Kraft als die Gazelle…Das dritte Gesetz, Kraft gleich Gegenkraft, wird
das Rennen entscheiden. Der schmale Huf der Gazelle sinkt bei jedem Schritt leicht ein,
wodurch Kraft verloren geht. Die fehlt, um sich abzustossen. Die breite Löwentatze hingegen kann 100% ihrer Kraft in Geschwindigkeit umwandeln.» Dieses Zitat aus der ZDF-Dokumentarreihe Terra X zu den drei Newtonschen Gesetzen zeigt die an Schizophrenie grenzende Denkweise vieler Physiker. Einerseits herrscht unter den Physikprofessoren die weder historisch noch fachlich zutreffende Meinung vor, dass die Newtonschen Gesetze die
Basis der Mechanik bilden, andererseits wird weder das Wechselwirkungsprinzip korrekt
angewendet noch die Energie, im 19. Jahrhundert Kraft genannt wurde, sauber gegen die
die Impulsstromstärke, die Oberflächenkraft, abgegrenzt [53]. Auf den Löwen und die Gazelle wirken neben der Gravitation, eine Luft- und eine Bodenkraft. Die Luftkraft, das Integral des Spannungstensors über die freie Oberfläche, kann in statischen Auftrieb und Luftwiderstand zerlegt werden. Die Bodenkraft spaltet man üblicherweise in Normalkraft und
Trockenreibungskraft auf. Die Normalkraft, die Stromstärke des abfliessenden Vertikalimpulses, ist im zeitlichen Mittel gleich der Gewichtskraft, der Impulsquellenstärke der Gravitation. Die Haftreibungskraft sorgt für die anfängliche Beschleunigung und kompensiert danach den mit der Geschwindigkeit anwachsenden Luftwiderstand. Die Muskeln dienen als
Energielieferanten, damit der Horizontalimpuls aus dem Boden in das bewegte Tier gelangen kann. Das zweite Newtonsche Gesetz enthält die Impulsbilanz (die Summe über alle
Impulsstrom- und -quellenstärken ist gleich der Impulsänderungsrate) und den Schwerpunktsatz (Impuls geteilt durch die Masse ist gleich der Geschwindigkeit des Massenmittelpunktes). Das dritte Gesetz formuliert die triviale Aussage, wonach die Impulsstromstärke
relativ zu Boden und Luft entgegengesetzt gleich stark ist wie bezogen auf das Tier. Die drei
Gesetze von Newton formulieren das, was vom Impuls aus gesehen selbstverständlich ist.
Um die Bewegung eines jagenden oder gejagten Tieres mathematisch zu beschreiben,
braucht es ein Modell, das bedeutend mehr als die sechs Freiheitsgrade des starren Körpers
nachbildet. Wer die komplexen Bewegungen rennender Tiere als Anwendung der Punktmechanik verkaufen will, ist ein hoffnungsloser Dilettant.
Die Summe über aller Kräfte ist gleich Masse mal Beschleunigung des Massenmittelpunktes. Wieso fehlt in allen hier vorgestellten Modellen diese Beschleunigung als zentrale Grösse der Mechanik? Die Beschleunigung des Massenmittelpunktes, der nur bei starren Körpern an seinem relativen Ort bleibt, ist eine kinematisch nicht direkt messbare Grösse. Bei
Vögeln, rennenden Tiere oder hochspringenden Sportlern wandert der Massenmittel- oder
Schwerpunkt während der Bewegung im Körper herum. Die Impulsänderungsrate dagegen
ergibt sich direkt über das Bilanzgesetz aus den Kräften. Folglich ist diese Änderungsrate
und nicht die Beschleunigung eines theoretischen Punktes die zentrale Grösse der Translationsmechanik. Trotzdem glauben viele Ingenieure, dass die aus dem Aktionsprinzip resultierende Beschleunigung messbar sei. Wer in einem relativ zur Erde beschleunigten Bezugssystem, also in einem anfahrenden Auto, einem bremsenden Zug oder einem startenden
Flugzeug mit dem Beschleunigungssensor Messungen durchführt, bestimmt nach Einstein
die lokale Gravitationsfeldstärke. Diese ist in einem nichtrotierenden System gleich der
Feldstärke der Erde minus die Beschleunigung des Systems. Die im starren Bezugssystem
messbare Feldstärke erhält man in allen hier erwähnten Modellen, indem man die Summe
21
über alle negativ genommenen Oberflächenkräfte bildet und durch die Gesamtmasse des
Autos, Zuges oder Flugzeuges dividiert.
Stellen wir zum Abschluss dieses Kapitels die Systemphysik der Newton-Mechanik gegenüber. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren sich die Gelehrten einig, dass der Lauf der Welt
alleine durch die Bewegung kleinster Körper und ihrer Wechselwirkung erklärt werden könne. Folgerichtig werden Energie und Impuls nur als Eigenschaften dieser Massenpunkte gesehen, wobei sogar die Feldenergie den einzelnen Körpern als potentielle Energie zugeschrieben wird. In der Systemphysik sehen wir Impuls und Energie nicht mehr als blosse
Attribute punktförmiger Körper. Bezüglich eines einmal ausgewählten Bezugssystems zerfällt die vektorwertige Grösse Energie-Impuls in vier bilanzierfähige Mengen, die jede für
sich in der ponderablen Materie sowie im elektromagnetischen Feld gespeichert wie auch
durch diese hindurch transportiert werden können. Der von uns geforderte Paradigmenwechsel, weg von der Bewegungslehre mit ihren Erhaltungssätzen hin zu einer umfassenderen Prozessbeschreibung mit Bilanzgleichungen, konstitutiven Gesetzen und der alles
verbindenden Energie, dürfte dem Physikunterricht den notwendigen Schub erteilen, damit er sich aus der Totenstarre einer über hundertjährigen, durch formales Rechnen geprägten Lehrtradition zu befreien vermag.
6. Durchzug
Strahltriebwerke oder etwas präziser Mantelstromtriebwerke bestehen aus einem Gaskraftwerk, das einen auf der gleichen Welle laufenden Fan treibt. Weil die Geschwindigkeit
gleich dem Verhältnis von Impuls zu Masse ist, wird diese bei der strömenden Luft als spezifischer Impuls bezeichnet. Kernstrom und Mantelstrom transportieren beim Eintritt einen
Impulsstrom ins Triebwerk hinein, dessen Stärke gleich Geschwindigkeit mal Massenstromstärke ist. Weil die Geschwindigkeit bis zum Austritt grösser wird, muss die damit verbundene Impulszunahme aus dem Flugzeug bezogen werden. Wir haben mit dieser Beschreibung stillschweigend angenommen, dass die Strömung vom System Flugzeug mit Bezugsrichtung nach hinten analysiert wird. Die Stärke des aus dem Flugzeug abfliessenden Impulsstromes ergibt eine negativ gerichtete, also in Flugrichtung weisende Kraft. Diese Kraft
ist betragsmässig gleich Massenstromstärke mal Geschwindigkeitsdifferenz, summiert
über beide Teilströme. Ein grosser Massenstrom mit kleiner Geschwindigkeitsdifferenz erzeugt die gleiche Schubkraft wie ein kleiner Massenstrom mit entsprechend grösserer Differenz zwischen Austritt- und Eintrittsgeschwindigkeit. Diese Äquivalenz wird durchbrochen, wenn wir die Energiebetrachtung hinzunehmen. Weil die spezifische kinetische Energie gleich dem halben Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit ist, muss das Triebwerk mindestens eine Leistung aufbringen, welche gleich halbe Massenstromstärke mal Differenz
der Geschwindigkeitsquadrate ist. Umgeformt erhält man für diese Leistung das Produkt
aus Schubkraft mal Mittelwert der beiden Geschwindigkeiten. Ein effizientes Triebwerk
sollte demnach möglichst viel Luftmasse bei entsprechend kleinem Geschwindigkeitsaufbau durchschaufeln. Weil die Austrittsgeschwindigkeit beim Kernstrom durch den thermodynamischen Prozess gegeben ist, muss der Mantelstrom im Verhältnis möglichst gross bei
entsprechend kleiner Austrittsgeschwindigkeit sein. Die damit erzielte Effizient ist der
Hauptgrund für die immer grösser werdenden Strahltriebwerke [54].
«Hans, die innovative Windturbinenanlage, die jeden Windstoss nutzt, leistet mit ihren drei
Rotoren bis zu 250 kW. Die Anlage mit ihren drei Windrädern mit je sechs Flügeln ist das
Ergebnis jahrelanger Entwicklung des Tüftlers Hans Wepfer aus Andelfingen. In die Realität
22
umgesetzt produziert «Hans» nun jährlich durchschnittlich 400 000 kWh Strom und versorgt damit rund 100 Haushalte. Durch die weltweit patentierte Flügelform – die Flächen
der innovativen Rotorblätter werden vom Zentrum gegen aussen breiter – kann diese Anlage bereits bei Windstärken ab 1.5 Metern pro Sekunde Strom produzieren und eignet sich
daher speziell für Schwachwindregionen.» [55] Eine Windturbine, die schon bei einem
schwachen Lüftchen grosse Mengen Energie ans elektrische Netz abgibt! Was wie eine eierlegende Wollmilchsau daherkommt, ist auch eine, eine den Naturgesetzen widersprechende Chimäre. Der von der Luft mitgeführte Strom von kinetischer Energie ist, wie beim Triebwerk schon erwähnt, gleich spezifische Energie mal Massenstromstärke oder gleich halbe
Massendichte mal Querschnitt mal Anströmungsgeschwindigkeit hoch drei. Berechnet
man dies für die drei Windräder von 13.5 Meter Durchmesser und 1.5 m/s Windgeschwindigkeit, erhält man eine Bruttoleistung von bescheidenen 870 Watt. Da schaltet man lieber
ein paar unnütze Lampen aus, als dass man dieses Ungetüm in Betrieb nimmt. Zudem darf
der Luft nicht die ganze Bewegungsenergie entzogen werden, weil diese danach stillstehen
würde.
Wieviel Energie kann man der strömenden Luft maximal entziehen? Die Formel von Betz
liefert dazu eine obere Schranke. Die Formel basiert auf der Erhaltung von Energie und
Volumen. Dabei nimmt man an, dass der Volumenstrom längs der Strömung erhalten
bleibt. Diese auch zur Herleitung der Formel von Bernoulli geltende Näherung ist sinnvoll,
weil Druck- und Dichteschwankungen recht klein sind. Zusätzlich fügen wir die Annahme
hinzu, dass die Strömungsgeschwindigkeit beim Windrad gleich dem arithmetischen Mittel
von Anströmung und Abströmung ist. Eingesetzt in die Bruttoleistung, welche gleich der
Differenz der beiden Energieströme ist, erhalten wir eine Funktion mit einem Maximalwert
von 59% bei einer um 2/3 abgebremsten Abströmung [56]. Gute Windturbinen erreichen
in einem beschränkten Bereich bis 50%. Für das Windrad «Hans» liegt die optimale Windgeschwindigkeit gemäss Messungen im Windkanal zwischen 2.5 m/s und 3.5 m/s. Nimmt
man die höhere Geschwindigkeit und den gemessenen Wirkungsgrad von 49%, erhält man
pro Rad eine Leistung von 3.7 kW, was weit weg von den postulierten 83 kW ist. Höhere
Anströmungsgeschwindigkeiten machen die Sache auch nicht viel besser, weil ein Windrad
mit sechs Flügeln ein typischer Langsamläufer ist, dessen Wirkungsgrad bei höherer Anströmgeschwindigkeit schnell absinkt.
Die Windturbine entzieht der Luft Bewegungsenergie und muss folglich auch den zugehörigen Horizontalimpuls abführen, was den Turm auf Biegung belastet. Die Stärke dieses Impulsstromes kann analog zum Strahltriebwerk abgeschätzt werden. Bei optimalem Betrieb
ist die Strömungsgeschwindigkeit im Abstrom ein Drittel der Anströmung. Der abzuführende Impulsstrom ist damit gleich der Leistung geteilt durch das arithmetische Mittel aus der
Geschwindigkeit im Zu- und Abstrom, also Leistung dividiert durch zwei Drittel der Anströmgeschwindigkeit. Im Gegensatz zur Energiebetrachtung ist diese Abschätzung weniger präzis. Impuls ist volatiler als Energie, weil er auch durch die Materie hindurch transportiert werden kann. Als Beispiel nehmen wir ein gerades Rohr, das an einer Stelle sanft verengt wird, um sich danach wieder auf den alten Durchmesser auszuweiten. Für die idealisierte Strömung gilt der Satz von Bernoulli, der einen Druckabfall an der engsten Stelle voraussagt. Dieser Effekt, der auch als hydrodynamisches Paradoxon bezeichnet wird, kann
durch Messungen bis auf die reibungsbedingten Einflüsse bestätig werden. Rechnet man
nun die totale Impulsstromstärke, also die Summe der Stärken von konvektivem und leitungsartigem Impulsstrom, ist diese an der engsten Stelle kleiner. Folglich muss ein Teil des
23
Impulses die Flüssigkeit verlassen, an der engen Stelle durch den Rohrmantel fliessen und
bei der Ausweitung wieder in die Flüssigkeit eintreten [57].
Die startende Wasserrakete, eigentlich nur eine PET-Flasche mit Wasser und Druckluft gefüllt, tauscht auf drei Arten Impuls aus: über die Oberfläche mit der Luft, über das ganze
Volumen verteilt mit dem Gravitationsfeld und zusammen mit dem ausströmenden Wasser. Alle drei Austauschformen pro Zeit ergeben die Änderungsrate des Impulsinhalts. Wie
bei allen offenen Systemen muss noch eine Massenbilanz formuliert werden. Die Stärke
des konvektiven Impulsstromes ist gleich Massenstromstärke mal die Geschwindigkeit des
ausströmenden Wassers relativ zum Bezugssystem. Neben dieser Kopplungsregel benötigt
man noch eine Beschreibung für den Luftwiderstand sowie das Gravitationsgesetz, wonach
die Gewichtskraft gleich Masse mal Gravitationsfeldstärke ist. So modelliert kann ein vertikaler oder schief gerichteter Start simuliert und mit Messungen vergleichen werden [58].
Der Flug einer Wasserrakete wurde schon mehrmals von Schülern im Rahmen ihrer Semester- oder Maturaarbeiten ausführlich besprochen.
Die Saturn V Rakete, mit der die USA die ersten Menschen auf den Mond geschickt hat, war
110 Meter hoch, hatte eine Startmasse von 3000 Tonnen und war wohl die lauteste von
Menschen gebaute Maschine. Der ballistische Flug einer einstufigen Rakete wie etwa der
A4 kann analog zur Wasserrakete modelliert werden [59]. Den Flug einer mehrstufigen Rakete bis in die erdnahe Umlaufbahn zu modellieren, ist einiges anspruchsvoller. Beschränkt
man sich auf die Äquatorialeben, kann die gravitative Scheinkraft in die Wirkung eines kugelsymmetrischen Feldes, des Zentrifugalfeldes und der Corioliskraft aufgeteilt werden. Die
grösste Herausforderung stellt dabei das Abdrehen der Rakete dar. Anhand dieses Drehwinkels kann man eindrücklich zeigen, wie sensitiv einzelne Grössen sein können [60].
7. Rückzug?
Akademisches Wissen fliesst analog zum Wasser im römischen Brunnen von Stufe zu Stufe,
also von den Universitäten zu den Gymnasien und von dort in die Volksschulen. Im Unterschied zu Wasser verändert sich Wissen mit jeder Rekonstruktion, was für die Mechanik
meist ein Rückfall in die Aristotelische Auffassung von Kraft als für die Bewegung notwendige Ursache bedeutet. Dies ist nicht weiter schlimm, weil kaum eine Schülerin oder Schüler
Erkenntnisse aus der Mechanik jemals anwenden muss. Wer später Physik studieren will,
braucht im Grunde nur die analytische Darstellung von Lagrange und Studierende der Ingenieurskunst werden von den jeweiligen Fachleuten in die Geheimnisse der Statik, Kinematik
und Kinetik eingeführt. Nimmt man sich die Mühe, die Lehrpläne für Maschinenbau oder
Bauingenieurwesen zu studieren, stellt man fest, dass in den sehr knapp gehaltenen Physikvorlesungen kaum noch berufsrelevantes Wissen, sondern nur Randthemen wie Wellenphänomene, Quanten-, Atom-, Laser- und Festkörperphysik vermittelt werden. Die Zeiten,
als der Physiker Hans Ziegler an der ETH Zürich ein Grundlagenvorlesung in Mechanik für
Bau-, Maschinen-, Elektro- und Kulturingenieur sowie Mathematik- und Physikstudierende
hielt, sind längst vorbei. Dabei hätte die Physik die einmalige Chance, ausgehend von den
Theorien Einsteins eine neue, tragfähige Basis für Physiker, Ingenieure, Naturwissenschaftler und Ärzte zu entwickeln. Leider scheint dieser Zug schon abgefahren zu sein.
Die Verständnisschwierigkeiten der Punktmechanik sind seit Jahrzehnten bekannt [61]. Leider beschränkt sich die Fachdidaktik auf die Vermeidung von Fehlkonzepten [62], statt den
Physikunterricht mit zeitgemässen Begriffen neu zu strukturieren. Die recht erfolgreichen
Bemühungen der Didaktiker werden zudem oft von den «richtigen» Physikvorlesungen tor24
pediert, in welchen weder der Kraftbegriff noch die spezielle Rolle der Energie sauber erklärt wird. Wie wenig anerkannte Physiker von Mechanik verstehen, zeigt sich eindrucksvoll, wenn sie sich mit einer Mischung aus Heiligenverehrung und Sonntagspredigt ans
Laienpublikum richten [63]. Tragischerweise führen genau diejenigen das grosse Wort, welche nicht mal die elementarsten Zusammenhänge der Punktmechanik auf die Reihe kriegen, was stark an die Zustände vor 400 Jahren erinnert. Ging es damals um den Glauben an
die unverrückbar im Zentrum des Universums stehende Erde, geht es heute um das Dogma
des Reduktionismus. In diesem Weltbild sind alle Theorien, die nicht auf dem Standardmodell der Teilchenphysik aufbauen null und nichtig. Wie irrational und frei von jeglicher Begründung das vernichtende Urteil zum Karlsruher Physikkurs und zur Systemphysik ist,
erkennt man nicht nur beim Gutachten der DPG [6], sondern auch bei Äusserungen von
Kollegen, die sich von Anfang an jeder fachlichen Diskussion entzogen haben [64].
Vier Jahre nach meiner Pensionierung sollte ich mich aus dem Frosch-Mäuse-Krieg um den
besseren Physikunterricht zurückziehen und mich auf Enkelhüten, vormittäglichen Apéro
und Tramfahren zu Stosszeiten beschränken. Wären da nicht die hoffnungsvollen Erfahrungen aus dem Studiengang Aviatik der ZHAW [15] und die wenigen, aber äusserst engagierten Junglehrer, die sich hin und wieder mit der Bitte um Unterstützung an mich wenden.
Die schon teilweise umgesetzte Vision eines mit der Hydraulik beginnenden Physikkurses,
der mit Volumen und Druck die Idee der Bilanz, das Verhalten von resistiven, kapazitiven
und induktiven Elementen, sowie die Konzepte des zugeordneten Energiestromes und der
Prozessleistung erklärt und diese dann auf elektrische Netzwerke, mechanische Systeme
und thermodynamische Geräte wie Wärmepumpe oder Verbrennungsmotoren überträgt,
lässt sich nicht so einfach aus den eigenen Gedanken verdrängen. Vielleicht findet dieser
Aufsatz den Weg zu jüngeren Physikerlehrenden, welche die Nase voll von der jahrzehntelang gepflegten Osterhasenphysik haben. Dann könnte sich etwas wirklich Neues entwickeln, das den Physikunterricht an Universitäten, Hochschulen und auch Gymnasien soweit
reformiert, dass er wieder zu einer unverzichtbaren Grundlage für Ingenieure, Naturwissenschaftler und Ärzten wird.
8. Theoriebezug
Die zentrale Grösse der Einstein’schen Feldtheorie, der Energie-Impuls-Tensor, liefert die
Grundlage für den hier vorgeschlagenen Zugang zur Mechanik. Bezüglich eines MinkowskiRaumes kann dieser Tensor als 4x4-Matrize geschrieben werden, wobei die nullte Koordinate gleich Lichtgeschwindigkeit mal Zeit ist (W steht für Energie, p für Impuls, ρ für Dichte
und j für Stromdichte)
𝑇 𝛼𝛽
𝑇 00
10
= [𝑇 20
𝑇
𝑇 30
𝑇 01
𝑇 11
𝑇 21
𝑇 31
𝑇 02
𝑇 12
𝑇 22
𝑇 32
𝜌𝑊
𝑇 03
𝑇 13 ] = 𝑐𝜌𝑝𝑥
𝑇 23
𝑐𝜌𝑝𝑦
𝑇 33
[ 𝑐𝜌𝑝𝑧
𝑗𝑊𝑥
𝑐
𝑗𝑝𝑥𝑥
𝑗𝑝𝑦𝑥
𝑗𝑝𝑧𝑥
𝑗𝑊𝑦
𝑐
𝑗𝑝𝑥𝑦
𝑗𝑝𝑦𝑦
𝑗𝑝𝑧𝑦
𝑗𝑊𝑧
𝑐
𝑗𝑝𝑥𝑧
𝑗𝑝𝑦𝑧
𝑗𝑝𝑧𝑧 ]
(1)
In der ersten Spalte stehen die Dichten für Energie und die drei Komponenten des Impulses,
wobei letztere noch mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert sind. Die restlichen drei Spalten beschreiben die Stromdichten für Energie und Impuls. Die erste Zeile könnte auch mit
der Masse geschrieben werden, also Massendichte multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit sowie Massenstromdichte mal Lichtgeschwindigkeit. Der Tensor ist symmetrisch, womit die Massenstromdichte immer gleich der Impulsdichte ist. Der Energie25
Impuls-Tensor vereinigt mit Masse, Energie und Impuls drei Grössen, die in der nichtrelativistischen Physik als getrennte Mengen gesehen werden. Die Zerlegung des Impulses
in seine drei Komponenten oder «Sorten» mit Hilfe eines Koordinatensystems ist so willkürlich wie die Aufteilung in Impuls und kinetische Energie mit Hilfe eines einmal gewählten
Bezugssystems. Für uns Erdenbewohner ist diese Willkür eine eher akademische Frage. Die
Erde mit ihrer riesigen Speicherfähigkeit für Impuls und Drehimpuls liefert das natürliche
Bezugssystem und das Gravitationsfeld zerlegt den Raum in eine Vertikale und eine horizontale Ebene. Die einzige Freiheit, die uns noch bleibt, ist die Wahl der beiden horizontalen Koordinatenrichtungen, wobei diese meist durch die Problemstellung gegeben sind. Koordinatentransformationen und ihre Auswirkungen auf Energie und Impuls ist ein Thema,
mit dem man sich erst mit fortgeschrittenem Verständnis der Mechanik beschäftigen sollte.
Der elektromagnetische Energie-Impuls-Tensor im homogenen Bereich des weiter oben
besprochenen Kondensators, bestehend aus einer dünnen, quadratischen Platte aus isolierendem Material, die beidseits mit Alufolie beklebt ist, nimmt die folgende Gestalt an
𝑇
𝛼𝛽
1
1
(𝜀0 𝐸𝑥2 + 𝐵𝑦2 )
2
𝜇0
=
[
0
0
1
1
(−𝜀0 𝐸𝑥2 + 𝐵𝑦2 )
2
𝜇0
𝑐𝜀0 𝐸𝑥 𝐵𝑦
0
0
0
0
0
1
1
(𝜀0 𝐸𝑥2 − 𝐵𝑦2 )
𝜇0
2
0
𝑐𝜀0 𝐸𝑥 𝐵𝑦
0
0
1
1
(𝜀0 𝐸𝑥2 + 𝐵𝑦2 )
𝜇0
2
]
Die x-Achse zeigt längs der elektrischen Feldstärke, die y- und z-Achse sind parallel zu den
Kanten der Platte ausgerichtet. Das elektrische Feld wird von der Flächenladungen in den
beiden Grenzschichten zwischen Platte und Alufolie erzeugt, das magnetische Feld wird
von dem durch Folien in oder gegen die z-Richtung fliessenden Stromes aufgebaut. Die isolierende Platte beeinflusse weder das elektrische noch das magnetische Feld.
Im statischen Fall, wenn kein Strom fliesst, speichert das Feld im Bereich der Platten Energie, ohne welche zu transportieren. Zudem fliessen alle drei Impulskomponenten durch das
Feld mit betragsmässig gleichen Stromdichten, ohne dass Impuls gespeichert wird. In Feldrichtung fliesst der x-Impuls rückwärts, normal dazu strömen die beiden anderen Komponenten vorwärts. Schaltet man einen Strom dazu, verändern sich sowohl die Energiedichte
als auch die Impulsstromdichten. Zudem kommt eine Energiestromdichte sowie die entsprechende Impulsdichte hinzu. Zwischen Impulsdichte und Impulsstromdichte gibt es keinen kinematischen Zusammenhang, so wie Ladung und Strom keinen direkten Bezug zueinander haben.
Ist das Material geladen oder stromdurchflossen, ergibt dort die Viererdivergenz des elektromagnetischen Energie-Impulstensors eine Quellendichte für Energie und Impuls
𝜎1
⃗⃗ )
(𝜎 2 ) = 𝜎⃗𝑝 = −(𝜌𝐸⃗⃗ + 𝑗⃗ × 𝐵
=𝜎
(3)
3
𝜎
σ steht für Quellendichte, W für Energie und p für Impuls. Weil gemäss Formel (3) sowohl
die Energie-Masse als auch die drei Komponenten des Impulses separat eine Kontinuums𝛼𝛽
𝜕𝛼 𝑇𝐸𝑀
𝛽
𝜎 = 𝜎𝑊 = −𝑗⃗ ∙ 𝐸⃗⃗
0
26
(2)
Gleichung erfüllen, dürfen alle vier Grössen als getrennte Mengen betrachtet werden. Für
die Materie muss das positive Vorzeichen genommen werden, weil eine Senke bezüglich
des einen Systems eine Quelle bezogen auf das andere ergibt. Die Energie- und Impulsquellendichte können über einen gegebenen Körper aufsummiert werden, was die Leistung des
Stromes sowie die Lorentzkraft ergibt.
Im Gegensatz zum elektromagnetischen kann der materielle Tensor nicht direkt aus einer
linearen Feldtheorie abgeleitet werden. Dennoch ist er im Ruhesystem eines Festkörpers
explizit formulierbar. Im 00-Element steht die Dichte mal das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, der negativ genommene Spannungstensor füllt die 11- bis 33- Elemente aus. Setzt
man sich auf den Draht des Drahtzuges und richtet die x-Achse längs des einachsigen
Spannungszustandes aus, sind nur zwei Elemente ungleich null, das 00- und das 11-Element. Die Zugspannung σ, die gemäss einer weit verbreiteten Konvention durch einen positiven Wert ausgedrückt wird, muss mit einem Minuszeichen versehen werden, weil bei
Zugspannung der Impuls rückwärts fliesst. Nun transformieren wir diesen Tensor vom bewegten Draht in Werkstatt-System, wobei wir nur die Zeit und die x-Richtung betrachten
𝑇 𝛼𝛽 = 𝛾 2 [
𝜌𝑐 2 − 𝛽 2 𝜎
𝛽𝜌𝑐 2 − 𝛽𝜎
𝛽𝜌𝑐 2 − 𝛽𝜎
]
𝛽 2 𝜌𝑐 2 − 𝜎
𝛽=
𝑣
𝑐
𝛾=
1
√1 − 𝛽 2
(4)
Entwickelt man den Lorentz-Faktor 𝛾 nach der dimensionslosen Geschwindigkeit 𝛽, erhält
man folgende zwei Klammerausdrücke
𝑇 𝛼𝛽 = [
𝜌𝑐 2 − 𝛽 2 𝜎
𝛽𝜌𝑐 2 − 𝛽𝜎
2
2
𝛽𝜌𝑐 2 − 𝛽𝜎
2 𝜌𝑐 − 𝛽 𝜎
]
+
𝛽
[
𝛽𝜌𝑐 2 − 𝛽𝜎
𝛽 2 𝜌𝑐 2 − 𝜎
𝛽𝜌𝑐 2 − 𝛽𝜎
]
𝛽 2 𝜌𝑐 2 − 𝜎
(5)
Diese relativistische Beschreibung übersetzen wir in die vorrelativistische Betrachtungsweise. Weil 𝛽 nur etwa ein Zehnmillionstel beträgt, kann vieles vernachlässigt werden. In der
zweiten Zeile, die den x-Impuls beschreibt, kann die zweite Klammer ganz und in der ersten
der Ausdruck −𝛽𝜎 weggelassen werden. Die Impulsdichte ist dann wie gewohnt gleich
Massendichte mal Geschwindigkeit. Bei der Impulsstromdichte sind beide Terme von ähnlicher Grössenordnung, wobei 𝛽 2 𝜌𝑐 2 = 𝜌𝑣 2 für den konvektiven und −𝜎 für den leitungsartigen Anteil steht. In drei Dimensionen beschreibt man die konvektive Impulsstromdichte
mit Massendichte multipliziert mit dem Tensorprodukt der Geschwindigkeit. Die erste Zeile
von Formel (5) zerlegen wir in Masse und Energie. Die Masse liefert keine neuen Erkenntnisse, weil der Ausdruck −𝛽 2 𝜎 gegenüber 𝜌𝑐 2 und −𝛽𝜎 gegenüber 𝛽𝜌𝑐 2 vernachlässigt
werden kann. Die Energie erscheint als Störgrösse mit zwei Termen. Die Dichte der kinetischen Energie finden wir in der zweiten Klammer als 𝛽 2 𝜌𝑐 2 = 𝜌𝑣 2 . Man beachte, dass die
Dichte der kinetischen Energie auf ein gegenüber der Piste ruhenden Volumenelement und
nicht auf das Seilvolumen bezogen wird, was den fehlenden Faktor von 0.5 erklärt. Der
Ausdruck −𝛽𝜎 beschreibt gemäss Formel (1) die Energiestromdichte geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit. Folglich ist die Energiestromdichte gleich −𝑣𝜎. Die durch den Draht transportierte Energie hängt weder mit der kinetischen noch der elastischen Energie des Materials, sondern nur mit dem Spannungszustand, also der Impulsstromdichte, zusammen.
Konvektiv wird der Impuls in jede der drei Raumrichtungen nur vor- oder seitwärts transportiert. Dies folgt aus der Geschwindigkeit, die quadratisch in die Impulsstromdichte eingeht. Im Übrigen wird die konvektive Impulsstromdichte gleich transformiert wie die leitungsartige, nur ist die Transformation beim konvektiven einfacher zu durchschauen. Die
Fliessrichtung des konvektiven Impulsstromes hängt damit genauso von der Wahl des Koordinatensystems ab wie die des leitungsartigen. Dreht man das Koordinatensystem um 180°
27
um die z-Achse, fliessen auch die konvektiven Ströme der x- und der der y-Impulskomponenten auf die andere Seite [65]. Von der Impulsstromdichte gelangt man mittels einer
Integration über die Referenzfläche zur Impulsstromstärke. Im einfachsten Fall ist der
Strom homogen und die Bezugsfläche eine Ebene
𝐼𝑝⃗ = 𝑣⃗𝐼𝑚 = 𝑣⃗𝜌(𝑣⃗ ∙ 𝐴⃗)
(6)
Formel (6) macht die zweifache Vorzeichenwahl transparent. Das Vorzeichen der Massenstromstärke hängt von der Orientierung der Referenzfläche A ab. Das zweite Vorzeichen
entspricht räumlich gesehen der freien Wahl des Koordinatensystems. Dieses zerlegt die
Geschwindigkeit, den spezifischen Impuls, in ihre drei Komponenten, womit der Impuls in
seine drei vorzeichenfähigen «Sorten» aufgespalten wird.
Die bewegte Luft oder das bewegte Wasser transportieren nicht nur Impuls, sondern auch
kinetische Energie. Dieser Energiestrom ist gleich spezifische Energie mal Massenstromstärke
𝜌
(7)
𝐼𝑊 = 𝑣 2 𝐼𝑚
2
Formel (6) und (7) sind beim Mantelstrahltriebwerk und bei der Windturbine im Kapitel 6
verwendet worden.
Kräfte lassen sich in zwei Gruppen einteilen, in zwei Volumen- und verschiedene Oberflächenkräfte. Die eine Volumenkraft ist elektromagnetischer Art und vermittelt den quellenartigen Impulsaustauch zwischen dem elektromagnetischen Feld und der geladenen oder
stromdurchflossenen Materie. Die andere Volumenkraft entsteht, wenn ein Körper gegenüber dem frei fallenden System beschleunigt wird. In Analogie zum statischen Teil der Lorentzkraft können wir diese Scheinkraft durch die Wirkung eines Gravitationsfeldes erklären: die Quellendichte des Impulses ist gleich Massendichte mal Gravitationsfeldstärke.
Diese Impulsquelle, die das Kleinkind oft stürzen lässt und den Alten im Liegen noch
Schmerzen zufügt, ist eine derart dominierende Wirkung, dass das Zeichnen eines simplen
Pfeils wohl kaum als Erklärung genügt. Jeder Baum, jedes Tier und auch wir Menschen müssen den konstanten Zufluss von Bewegungsmenge unvermittelt an den Boden weiterleiten.
Das stürzende Kind oder der fallende Apfel sammeln diesen Impuls während kurzer Zeit,
um ihn dann mit einem entsprechenden stärkeren Strom an den Boden abzuführen. Oberflächenkräfte sind Impulsstromstärken bezüglich eines Körpers und werden wie die konvektive Impulsstromstärke aus der Stromdichte, dem Spannungstensor, durch Integration
über den zugehörigen Teil der Körperoberfläche berechnet.
Zur Illustration des Kraftbegriffs betrachten den Windenstart eines Segelflugzeuges. Im
Moment rolle das Hauptrad noch auf der Piste, das Zugseil sei kräftig gespannt und der
Auftrieb entspreche etwa der halben Gewichtskraft. Das System Flugzeug tauscht mit vier
Partnern Impuls aus, wobei die Austauschraten Kräfte genannt werden. In einem ersten
Schritt definieren wir die Körperoberfläche als Systemgrenze. Diese besteht aus der freien
Flugzeughaut, einem Schnitt quer durch das Seil und der Auflagefläche des Rades. Indem
wir die Impulsstromdichte, also den Spannungstensor, über die verschiedenen Flächen integrieren, erhalten wir die Luftkraft, die Seilkraft und die Bodenkraft. Die Luftkraft kann in
einen statischen und einen dynamischen Auftrieb sowie den Luftwiderstand zerlegt werden. Die Seilkraft zeigt bei einem biegeweichen Seil in dessen Richtung. Die Bodenkraft teilt
man in Normal- und Trockenreibungskraft auf. Die Trockenreibung kennt zwei Zustände,
die Haft- und die Gleitreibung. Orientiert man die Schnitt- oder Referenzflächen auf die
28
andere Seite, gewinnt man die Kräfte auf die Luft, das Seil und den Boden. Die Gewichtskraft, die man mit diesem Schnittverfahren nicht findet, ist nach Newton eine Fernwechselwirkung und nach Einstein eine Scheinkraft. Bezüglich der drei Oberflächenkräfte ist das 3.
Newtonsche Gesetz trivial, beschreibt es doch bloss die Stärke desselben Impulsstromes an
der gleichen Stelle mit gegensätzlicher Orientierung der Referenzfläche. Dass das Segelflugzeug die Erde mit der gleichen Stärke anziehen muss, wie die Erde auf das Flugzeug
einwirkt, war für Newton klar, sonst wäre der Impuls nicht erhalten. Wer das 3. Newtonsche Gesetz begriffen hat, wird ob der Realität in deutschsprachigen Lehrbüchern erschüttert sein [66].
Den mit Formel (4) gezeigte Zusammenhang zwischen Impulsstromdichte und zugeordneter Energiestromdichte wollen wir noch allgemein beschreiben. Diese Stromdichte, eine
Vektorgrösse, ergibt sich aus der Verjüngung, dem verallgemeinerten Skalarprodukt, von
Spannungstensor und Geschwindigkeit
𝜎𝑥𝑥 𝑣𝑥 + 𝜎𝑥𝑦 𝑣𝑥 + 𝜎𝑥𝑧 𝑣𝑥
𝑗⃗𝑊 = − [𝜎𝑦𝑥 𝑣𝑦 + 𝜎𝑦𝑦 𝑣𝑦 + 𝜎𝑦𝑧 𝑣𝑦 ]
𝜎𝑧𝑥 𝑣𝑧 + 𝜎𝑧𝑦 𝑣𝑧 + 𝜎𝑧𝑧 𝑣𝑧
(8)
Das lästige Minuszeichen ist notwendig, weil die Zugspannung in der Regel positiv definiert
wird. Bildet man nun die Divergenz über diese Energiestromdichte erhält man wegen der
Produkteregel zwei Terme. Im ersten wird die Divergenz des Spannungstensors mit der Geschwindigkeit und im zweiten der Spannungstensors doppelt mit dem Gradienten der Geschwindigkeit verjüngt. Der erste Ausdruck beschreibt die lokale Rate, mit der Energie zusammen mit dem Impuls gespeichert wird, der zweite formuliert die vom Impulsstrom umgesetzte Leistungsdichte. Integriert man Formel (8) über die gleiche Referenzfläche wie den
Spannungstensor, erhält man die Leistung der Kraft. Die Leistung einer Kraft, das Skalarprodukt aus Kraft und Geschwindigkeit, ist folglich dort zu berechnen, wo diese angreift.
Deshalb haben beim Windenstart nur die Seilkraft und der Luftwiderstand eine Leistung
ungleich null. Dem dynamischen Auftrieb kann bei Windstille keine Leistung zugeschrieben
werden, weil Kraft und Geschwindigkeit normal aufeinander stehen. Die Normalkraft ist
definitionsgemäss leistungsfrei und die Reibkraft hat nur eine Leistung, wenn das Rad
Schlupf zeigt. Der Zusammenhang zwischen Energie- und Impulsdurchsatz bei einem Rad
ist interessant und lehrreich. So entnimmt das anfahrende Auto der Erde Impuls, der erst
in den Antriebsrädern mit Energie beladen wird, weshalb die bewegungsverursachende
Haftreibungskraft leistungsfrei bleibt. Dieser Zusammenhang wird im Unterricht selten
thematisiert. Entsprechend oft liest und hört man von der Kraft des Motors oder der
Muskeln [67].
Die Impulsbilanz liefert die zentrale Formel der Translationsmechanik. Bezüglich eines geometrisch klar abgegrenzten Systems lautet das verallgemeinerte 2. Newtonsche Gesetz
∑ 𝐹⃗𝑖 + 𝐹⃗𝐺 + 𝐹⃗𝐿 + ∑ 𝐼⃗𝑝𝑗 = 𝑝⃗̇
𝑖
𝑗
(9)
Die Lorentzkraft FL tritt nur bei geladenen oder stromdurchflossenen Körpern auf. Die Gewichtskraft FG umfasst alle gravitativen Scheinkräfte. Neben den Oberflächenkräften Fi
müssen bei offenen Systemen auch noch die konvektiven Impulsströme Ipj miteinbezogen
werden. Der Impulsinhalt kann durch Masse mal Geschwindigkeit des Massenmittelpunktes ersetzt werden. Entsprechend ist sein Änderungsrate gleich Masse mal Beschleunigung
dieses Punktes. Bei offenen Systemen ist zusätzlich eine Massenbilanz zu formulieren. Die
29
Stärke eines konvektiven Impulsstromes ist gleich der Massenstromstärke mal die Geschwindigkeit des Fluids relativ zum Bezugssystem. Leitet man die Raketengleichung mit
diesen vier Beziehungen her, erhält man ohne doppelte Schummelei die richtige Formel
[25]. Das Hydromobil eignet sich vorzüglich, um diese beiden Bilanzen und ihr Verknüpfung
einzuüben [68].
Weltweit gelten die Newtonschen Gesetze als Basis der Mechanik. Mit diesem Aufsatz hoffe ich gezeigt zu haben, dass dies nicht der Fall ist. Wenn dann diese Gesetze auch noch
falsch oder mit F = ma bis zur Unkenntlichkeit verkürzt behandelt werden, kann sich kaum
ein grundlegendes Verständnis der Mechanik entwickeln. Im deutschen Sprachraum kommen noch weitere Mängel dazu, wie unvollständige Kraftskizzen [69] oder Vermischung
von Volumen- mit Oberflächenkraft bei der schiefen Ebene [70]. Es wird noch Jahre dauern,
bis das in der technischen Mechanik übliche Schnittbild (free body diagram) auch im
Physikunterricht zur vollständigen und korrekten Analyse der Kräfte eingeführt wird.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen zum Gutachten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft über den Karlsruher Physikkurs. Dieses Pamphlet war ein hinterhältiger Angriff
auf das Lebenswerk und auch auf die Person von Professor Friedrich Herrmann. Sowas ist
jenseits von jeglichem Anstand und nur vergleichbar mit den Aktionen berüchtigter Physiker in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte. Fachlich sind die von der Expertengruppe veröffentlichten Papiere unter jeder Sau. Wird im eigentlichen Gutachten [6] der
Impulsstrom als solcher in Frage gestellt, behaupten die dreizehn Weisen in den ergänzenden Bemerkungen [36], dass zur Berechnung der Impulsstromstärke immer über die ganze
Oberfläche eines Körpers integriert werden müsse. Obwohl ich zu dieser Geschichte schon
mehrmals Stellung bezogen habe [71], gehe ich nochmals auf die beiden Kritikpunkte ein.
Im Gutachten wird dem Impulsstrom einen Platz im Gebäude der Physik verweigert, weil
seine Richtung experimentell nicht nachweisbar sei. Diese Behauptung ist unhaltbar, weil
die Impulsstromstärke, also die Kraft, lokal über die Verformung nachweisbar ist. Die Vorzeichenfrage, an der die Experten die Idee des Impulsstromes ad absurdum führen wollen,
sagt nur etwas über die fachliche Inkompetenz der federführenden Physikprofessoren aus.
Das Vorzeichen der Stromstärke einer Impulskomponente hängt von zwei willkürlich
gesetzten Einflussfaktoren ab, der Wahl des Koordinatensystems sowie der Orientierung
der Referenzfläche. Sind diese beiden Konventionen vereinbart, ist die Stärke des Impulsstromes für alle drei Komponenten nach Betrag und Vorzeichen eindeutig messbar. Die
Experten stolpern hier über das selbstverursachte Durcheinander, weil sie die Begriffe
Strom, Stromstärke und Stromdichte nicht klar gegeneinander abgrenzen und das Transformationsverhalten des Spannungstensors nicht durchschauen [72]. Um den Zusammenhang
zwischen der leitungsartigen Impulsstromdichte und der Impulsstromstärke, also zwischen
Spannungstensor und Kraft, zu untersuchen, betrachten wir eine Lampe, die an drei Seilen
hängt. Zur Berechnung der Seilkraft, also der Impulsstromstärke bezüglich der Lampe, muss
nur über den jeweiligen Seilquerschnitt und nicht über den ganzen Körper integriert werden. Alle drei Seilkräfte sowie die Gewichtskraft zusammen bestimmen die Beschleunigung
des Massenmittelpunktes der Lampe. Die Experten scheinen nicht begriffen zu haben, dass
im 2. Newtonschen Gesetz die Summe über alle Kräfte und im 3. die Einzelkraft zu betrachten ist. Zudem haben die 13 Geistesgrössen in ihrer ganzen Argumentationskette die Gewichtskraft schlichtweg vergessen.
30
Referenzen
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Reg. Nr. 06042801, 22. November 2007.
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Entwicklung der Raumtheorie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1980,
zweite Auflage.
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Buchgesellschaft Darmstadt 1964.
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Karlsruher Physikkurs. In Auftrag gegeben von der Deutschen Physikalischen
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COMSOL Multiphysics, vormals FEMLAB, ist eine Software zur Simulation
physikalischer Vorgänge basierend auf der Finite-Elemente-Methode.
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Werner Maurer: Der Impuls im Flüssigkeitsbild. Praxis der Naturwissenschaften.
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Hüfner, Rudolf Lehn, Rudolf Löhken, Karlheinz Meier, Dieter Meschede, Peter
Reineker, Metin Tolan, Jochen Wambach, Werner Weber: Ergänzende
Bemerkungen zum DPG-Gutachten über den Karlsruher Physikkurs
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Cber_den_Karlsruher_Physikkurs
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34