Das Flanel LN Ach Them D
Das Flanel LN Ach Them D
Das Flanel LN Ach Them D
EIN FLANELLNACHTHEMD
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der
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Aufführung ist nur vom Rowohlt Theater Verlag, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek, Tel.: 040 – 72 72 -270, Fax: -276 zu
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Das Stück besteht aus einem Akt und fünf Szenen, die gleichzeitig ablaufen.
Ein Haus, das in fünf Zimmer und einen Keller unterteilt ist. Jeder Raum hat ein
anderes Licht. Das Erdgeschoss umfasst zwei Räume, von denen der eine eine
Kurzwarenhandlung, der andere eine Küche ist. Im ersten Stock liegen ein
Schlafzimmer und ein Badezimmer. Das fünfte Zimmer ist eine Mansarde.
Der unter dem Haus liegende große Keller ist kaum zu erkennen: Licht unterirdischer
Gewölbe.
Eine junge weißhaarige Frau strickt; ihr Haar ist so lang, dass sie es hin und wieder in
das große Kleidungsstück einarbeitet, das bis zur Mitte des Ladens reicht und immer
noch ziemlich geschwind zwischen den Stricknadeln hervorwächst. Die Frau singt. Die
Ladenglocke läutet in neun verschiedenen Tonlagen. Ein junger Mann betritt das
Geschäft, er trägt einen schwarzgelockten, ganz offensichtlich falschen Bart. Sein
Name ist Nud.
Die weißhaarige Frau strickt weiter und spricht, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. Sie
heißt Dwyn.
NUD: Es war nur eine Frage. Wissen Sie nicht, wo ich diesen Artikel
finden könnte?
DWYN: Das weiß ich wirklich nicht. Wer gern ein Nachthemd tragen
möchte, der müsste es sich schon anfertigen lassen. Und das
würde ihn eine Menge Ärger und Geld kosten. Ich erinnere mich,
dass mein Vater ein Nachthemd besaß, es war aus Flanell und
von einer Qualität, wie man sie heutzutage nicht mehr findet.
Meine Mutter muss es mindestens zwanzigtausendmal
gewaschen haben.
NUD: Dummerweise kenne ich kein Geschäft für Unterwäsche. Ich bin
fremd in der Stadt.
NUD: Ja, man ist ziemlich allein, wenn man reist. Ich bin wirklich sehr
einsam, deshalb brauche ich ein Nachthemd; wenn es dunkel ist
und man liegt allein und durchgefroren im Bett, hat man dann
etwas, was man sich um die Füße wickeln kann. Ich leide
entsetzlich an kalten Füßen.
NUD: Alles ist in seiner Art natürlich, und das ist nicht gerade ein
Fortschritt gegenüber dem Künstlichen. Ich habe immer davon
geträumt, Feuer in meinem Zimmer zu haben.
ARAWN: Einen für Papa, zwei für Mama, drei für Prisni. So, jetzt sind die
alle tot, und ich fühle mich besser.
DWYN: In dieser Stadt hier sind wir immer ganz unter uns, und oft finden
die Fremden uns hartherzig, was nicht besagt, dass wir nicht
gastfreundlich sind. Oh nein, wir haben einen echten Sinn für
Gastfreundschaft. Ahhh!!!
ARAWN: (der die Zielscheibe auf der linken Brust der Schneiderpuppe
getroffen hat) Das ist wirklich eine schöne Sache. Sollen sie
brennen und lodern, diese aufgeblasenen Leute!
NUD: Was ist los? Sind Sie krank? Gestatten Sie, dass ich Ihnen ein
Glas Wasser hole, Sie haben einen Schwächeanfall.
DWYN: (die Augen aufschlagend) Es ist ein Krampf. Von Zeit zu Zeit
überkommt es mich. Gleich geht es mir wieder bestens, seien
Sie unbesorgt.
(Sie stützt sich auf den Ladentisch und holt daraus ein
kleines Fläschchen hervor, aus dem sie einen Schluck
trinkt. Nud geht zu ihr)
DWYN: (reicht ihm das Fläschchen) Ich bin nervenkrank, wissen Sie.
PRISNI: Ich habe diese Stellung als Mädchen für alles nicht
angenommen, um mich von einem Knirps in Ihrem Alter
verhöhnen zu lassen. Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass
ich Sie erschrecken wollte?
ARAWN: Glaubst du, ich wüsste nicht, was gespielt wird? Glaub mir,
Schmutzliese, ich kenne euch alle durch und durch. Aber was
sogar mein Begriffsvermögen übersteigt, ist der Grund, weshalb
du in diesem Aufzug herum stolzierst. Demnächst wirst du noch
Eier legen, und dann hast du die Bescherung.
PRISNI: (tritt ans Bett und zeigt ihm die Faust) Sie sind ein mieser kleiner
Strolch, das sind Sie. Sitzen da zurückgelehnt in Ihren Kissen
wie ein kleiner Herr.
PRISNI: Eines Tages werdet ihr anderen schon noch erfahren, was los
ist, und an dem Tag werden Sie den Charmeur spielen, Sir. Die
Treppe hinauf und die Treppe hinunter rennen, das ist’s, was ich
tue, und „Gib mir dies“ und „Gib mir das“, und die gnädige Frau,
die den lieben langen Tag lang strickt, ohne auch nur danke zu
sagen. Ihr werdet noch erleben, was Sache ist, das schwöre ich
Ihnen.
ARAWN: Prisni, bei deiner Grammatik läuft es mir kalt den Rücken
hinunter.
PRISNI: Grammatiziere mir dies und grammatiziere mir das! Ich werd
Ihnen das Rückenmark ausquetschen, jawohl, das werd ich!
PRISNI: Das macht nichts, Mister Rawn. Es gibt niemanden, Sir, der
Ihnen in puncto Geist das Wasser reichen könnte.
DWYN: Das Familienleben kann genauso einsam sein wie das Leben
eines verlassenen Reisenden.
NUD: Wir haben viel gemeinsam, Sie und ich, wir sind beide einsame
Seelen, die inmitten des Getriebes und des Lärms der Lebenden
ziellos fortgetrieben werden.
DWYN: (nervös aufspringend und sogleich ungehalten) Was ist denn nun
schon wieder? Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen niemals
hier herumstolzieren, wenn ich mit einem Kunden beschäftigt
bin?
DWYN: Dann beeilen Sie sich. Stehen Sie nicht augenrollend herum und
stehlen mir meine Zeit.
(Die Musik von oben und unten ist leise, bleibt aber
vernehmbar. Nur Prisni scheint sie zu hören)
NUD: Beachten Sie mich nicht, ich bin ein Freund der Familie.
ARAWN: Sie fangen schon wieder an! (Ekstatisch huscht ein Lächeln tiefer
Wonne über sein Gesicht) Schon wieder, schon wieder, schon
wieder, möge es doch ewig währen!
NUD: Immer Spaß und keine Arbeit, das ist heutzutage so üblich.
Meine arme Mutter hat ihre gesamte Hausarbeit bis zum
fünfundsiebzigsten Lebensjahr selber gemacht. Genau wie eine
Putzfrau.
(Prisni stürzt ins Zimmer, sie scheint mit einem Mal von
einer heftigen Erregung ergriffen zu sein)
ARAWN: Schwatz einfach drauf los, das wird nicht schwer sein.
PRISNI: Armes Bübchen! Was für ein furchtbarer Schlag für einen kleinen
Krüppel!
ARAWN: Es ist wohl nicht nötig, dich darauf aufmerksam zu machen, dass
ich nicht imstande bin, mir selber mein Essen aus der Küche zu
holen. Also rede laut und deutlich, bevor ich an meinen leeren
Eingeweiden zugrunde gehe.
ARAWN: Steht er mal wieder unter der Wirkung eines starken Getränks?
Ach, Prisni, deine Naivität vermag mich nicht zu überzeugen.
(Arawn kneift ein Auge zu und zielt mit einem der kleinen
Pfeile auf die unteren Partien der Schneiderpuppe.
Behutsam wirft er den Pfeil, ehe er antwortet)
ARAWN: Ich hätte nie gedacht, dass sich mein Vater einem so
interessanten Experiment wie dem Tod unterziehen könnte. Ein
vergleichsweise unscheinbarer und sehr gewöhnlicher Mensch
wird zu einem Auserwählten, wenigstens für einen kurzen
Augenblick.
PRISNI: Und Ihre arme verwitwete Mutter war weniger als zwei Meter von
diesem grauenhaften Attentat entfernt!
PRISNI: Er hat sein Blut fein säuberlich durch die ganze Küche verspritzt.
ARAWN: Mir scheint, mein Appetit ist deswegen nicht geringer geworden,
und ich sähe es mit Genugtuung, wenn du mir mein Abendessen
holen würdest, vergiss diesmal nicht die Butter!
(Die Musik und das Ticken der Uhr werden sanft und wild,
im Keller mischt sich eine Geige unter sie. Prisni verlässt
halb tanzend das Zimmer)
Geschwister habe ich keine, aber der Vater dieses Mannes war
der Sohn meines Vaters ...
(Sie trinkt gierig einen großen Schluck und reicht Nud die
Flasche)
NUD: (singt und fällt dabei unbewusst in den Rhythmus der Musik im
Haus) In den alten Tagen lebte einmal eine Schelmin, die hatte
ein blühendes Geschäft ... Hihi! Kathusalem! Kathusalem!
Kathusalem!
DWYN: Ich hole noch eine Flasche aus der Küche, so schlagen wir zwei
Fliegen mit einer Klappe.
ARAWN: Du wirst diese Dinge unter der Erde anbieten und servieren.
DWYN: Wie Sie sich verändert haben, mein Gemahl! Seine Haut ist jetzt
wie eine Pflanze. (Sie küsst ihn auf den Mund) Jetzt gehören Sie
mir, ich bin das mächtigste Geschöpf der Welt!