Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $9.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Prosa
Prosa
Prosa
eBook214 Seiten1 Stunde

Prosa

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wann immer wir, in den hier versammelten Texten, das Groteske entschlüsseln, finden wir zu einem fantastischen Alltag zurück und werden Resonanzen eigener Erfahrung wahrnehmen.

Kurt Scharfs Prosa, außergewöhnlich intensiv, wird nicht von kalter Konstruktion beherrscht, zeigt unverbrauchte Sprachkraft und birgt in sich, bei allen Zweifeln, eine Atmosphäre der Hoffnung, der wir uns nicht entziehen können.

Die Freundlichkeit der Welt besitzt in diesen Geschichten Gewicht.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum7. Dez. 2016
ISBN9783743130425
Prosa
Autor

Kurt Scharf

geboren 1954; Studium am Leipziger Literaturinstitut (1978 bis 1981); lebt in Wolgast

Mehr von Kurt Scharf lesen

Ähnlich wie Prosa

Ähnliche E-Books

Poesie für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Prosa

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Prosa - Kurt Scharf

    Inhalt:

    Träumerei

    Krauses Abenteuer

    Der gute Rat

    In der Deutschstunde

    Langer Winter

    Neue Ablass-Briefe

    Unverhofftes Glück

    Der Weg hinaus

    Strandgang

    Das Interview

    Von den Ebenen

    Der Hypnotiseur

    Das Melkerleben

    Verspielt

    Max

    Der Wolgaster Hexenstein

    Futter für Freud?

    Gedenkblatt für Jo

    Das Dorf

    Der Gefangene

    Stadt Land Fluss

    Der Sonne Start

    Träumerei

    Eins

    Singend brach sich der Wind an den Kanten des Hauses. Sturm kam auf.

    In Gedanken versunken, ging eine Frau durch die oberen Zimmer. Die Möbel, von flackerndem Mondlicht umkränzt, schienen zu tanzen.

    Die Frau sah aus dem Fenster.

    Der Garten war dort. Und schräg unterhalb des Hanges, auf der Gegenseite, von Wiesen umgeben, weitere Häuser.

    Dies alles existierte.

    Aber sie – war das wirklich sie, die jetzt die Treppe herab stieg zur geräumigen Halle des Hauses?

    Oder hatte eine fremde Person ihren Körper übernommen, und folgte nun den Geräuschen welche den Sturm übertönten?

    Der Fernseher, unten, dröhnte; die Frau erinnerte sich nicht, das Gerät angestellt zu haben – sie war doch die ganze Zeit in den oberen Räumen gewesen.

    Hier nun befanden sich sehr große Fenster, reichten entlang den Seitenwänden bis an die Decke.

    Eines der Fenster wölbte sich nach außen.

    Die Frau wunderte sich nicht, staunte nicht über den hangabwärts marschierenden Dachbinder – völlig zweckentfremdet (er gehörte doch auf die Grundmauern gesetzt!) trippelte der voran, gelangte zur Straße, zögerte einen Moment, wandte sich nach rechts und verschwand.

    Der Sturm heulte, so laut, dass die Frau meinte im Garten oder sonst wo zu sein, irgendwo draußen, nur nicht in diesem schrecklich großen Vestibül.

    Tatsächlich geriet nun – die Fenster verblassten flimmernd – der Teil des Hauses seitlich des Fernsehers zu einem Hof. Deutlich war dort, zusammengesetzt aus einzelnen Quadern, den Buchten, ein Kaninchenstall zu sehen; keine Bewegung darin.

    Ein Geräusch drang zur Frau. Ein Klingeln.

    Das Telefon, noch nicht zum Hof gewechselt, stand auf einem Beistelltisch. Die Frau hatte erwartet, es würde schwierig sein, den Hörer von der Gabel zu nehmen – doch war's ganz leicht.

    Und die Verbindung so gut, dass der Gesprächspartner (unverkennbar: die Stimme eines Mannes) nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen war.

    Von einem Empfang sprach der Herr, er sei zu einer Soiree geladen.

    „Denk an den Nachbarn, sagte er noch, „der schleicht um die Häuser, der zündet sie an.

    Die Erscheinung verblasste. Wieder war – an der Stelle, wo soeben der

    Mann gestanden hatte – das nach außen gewölbte Fenster zu sehen.

    Die Frau – nicht sicher, ob die Worte ihn noch erreichten – beeilte sich zu rufen: „Den Kindern geht es gut!"

    Der Mann schien nicht aufgelegt zu haben, sie meinte Atemgeräusche zu hören.

    Und sie schrie: „Seit wann kanntest du sie?"

    Den Hörer aufzulegen gelang ihr nicht mehr.

    Zwei

    Dorit erwachte.

    Sofort tastete sie zur Nachttischlampe, deren gedämpfter Schein sich alsbald auf die Seiten des Traumbuches legte, das griffbereit lauerte.

    Zwei, drei Minuten der Sammlung. So hatte sie es sich antrainiert.

    Dorit öffnete die Augen erst, nachdem sie den Handlungsstrang des Traumes an einigen Punkten festmachen konnte.

    Die junge Frau griff zum Kugelschreiber, machte Notizen.

    Später, im Laufe des Tages – vielleicht im Büro, wenn sich die Möglichkeit ergab – würde sie das nötige „Fleisch" dazugeben.

    Am nächsten Wochenende träfe sich die Gruppe wieder, Dorits Träume waren dort sehr gefragt.

    Frank hielt diesen „Firlefanz" für höchst überflüssig.

    Dorit teilte seine Meinung nicht. Aber um des lieben Friedens willen steckte sie, sobald die Rede darauf kam, regelmäßig zurück.

    Frank war eben ein Pragmatiker!

    War dies das richtige Wort? Dorit lächelte, dabei wieder in das Buch kritzelnd.

    Und sie? Na, wenigstens war sie bemüht gewesen, Interesse am Hausbau zu zeigen.

    Es reichte ja, wenn sie zusah.

    Beim Nivellieren des Kellerbodens. Beim Verschalen. Beim Bestücken der Gerüstrohre mit den Klauenkupplungsschellen.

    Und später dann auch, kurz vor dem Richtfest, beim Hochhieven der Dachbinder.

    Die Dachbinder, genau! Der eine, eben im Traum, hatte sich – verabschiedet. Ja, so konnte man sagen. Da hätte sie gleich eine Ausdeutung parat, für nächstes Wochenende.

    Bevor die anderen darauf kämen, würde sie selbst es vorschlagen: Abschied. Aber nicht von der Gruppe. Gott bewahre!

    Das war immer so interessant dort. Ja, es gab in der Runde auch einen Herrn Horst, der vorgab Gedichte zu träumen – jedenfalls las er ständig Verse vor, wie etwa:

    Soeben ist,

    vom rauchenden Räuber Namenlos,

    die Zigarinchen-Show

    ohne Worte

    eröffnet worden.

    Der Mantel des Magiers

    ist in tiefstem

    Hellsehblau

    gehalten,

    der Meister weiß

    was wir nicht

    denken wollen.

    Der gute Mann zählte drei englische Lyriker auf, die komplette Versepen geträumt (und auch nieder geschrieben) hatten; zudem sprach er von einem gewissen Van Vogt, der sich nachts im Stundenabstand wecken ließ und das soeben Geträumte in Sciencefiction umwandelte. Egal!

    Seltsam war der letzte Satz, der noch immer in ihr nachklang: „Seit wann kanntest du sie?"

    Nein, eigentlich doch erklärbar: Frank hatte Nachtschicht.

    Und es sollte doch keine Rolle spielen, dass er (Dorit überlegte) in letzter Zeit mehr Nacht- als Tagesschichten eingelegt hatte.

    Einlegen musste!

    Frank argumentierte: „Betriebliche Erfordernisse. Und die Zuschläge, mein Schatz! Denk dran. Bei deinem Halbtagsjob und meiner normalen Bezahlung packen wir den Kredit nicht."

    Dorit legte den Kugelschreiber beiseite. Bevor sie das Licht löschte, sah sie noch auf die Armbanduhr.

    Erst kurz vor Mitternacht.

    Genügend Zeit, genügend Zeit.

    Bald war Dorit wieder eingeschlafen.

    Drei

    Über die Straßen senkte sich Dunkelheit, verfolgte – vom Zentrum der Stadt bis hin zur alten Stadtmauer – die Frau, die dort ging, vorbei eilte an moosbewachsenen Steinen.

    Häuser waren an die Mauer geklebt, bereit zum Abriss.

    Die Frau bog in eine Seitengasse ein.

    Nicht mal die üblichen Bogenlampen, die den Heimweg hätten erhellen können, gab es hier.

    Kein Leben, keine Leute gab es.

    Niemand, der Einsamkeit und Düsternis mit ihr teilte.

    Die Frau lief.

    Ein weiter Weg, ein weiter...

    Dieser Gedanke musste verdrängt werden! Das nahm sie sich fest vor.

    Der schnelle Herzschlag aber!

    Sie steuerte auf ein Haus zu, das man als solches nicht mehr bezeichnen durfte – war es doch seit langem Ruine: Dachziegel fehlten, blinde Fenster starrten.

    Links und rechts, die Häuser dort: da wohnten Menschen, dem Auge entzogen. Oder im Dunkel geborgen; denn kein Lichtschein drang nach außen.

    Seltsam vertraut erschien das verfallene Gebäude.

    Hatte hier, in längst vergangenen Jahren, ein Schulfreund gewohnt?

    Ja, vielleicht.

    Die Haustür stand offen.

    Drinnen (die Frau trat ein) zerschnitt ein langer Flur das Haus, teilte es gleichsam in zwei Hälften.

    Im matten Glanz der Sterne war der Hof zu erkennen.

    Beiderseits vom Flur befanden sich jeweils zwei Räume. Zudem zweigte rechts, auf halber Länge des Ganges, eine Treppe ab, die zu den – zweifellos vorhandenen – oberen Räumen führte.

    Längst unbewohnt, längst unbewohnbar.

    Die Treppe aber verbarg sich hinter einer weiteren Tür.

    Wenn die Haustür – so fragte sich die Frau – nicht verschlossen ist, kann dann nicht jeder x-beliebige hier ein und aus gehen?

    Oder sich im Haus versteckt halten?

    Sie hatte den Hof erreicht.

    Eine Katze lag dort, sprang auf, lief weg.

    Hier waren früher (die Frau erinnerte sich) kleine Schuppen, waren Mauern, nun verschwunden. Allerdings konnte es auch sein: sie waren jetzt nur, ins Dunkel geschmiegt, nicht sichtbar.

    Von Nachbarhaus her, aus einem Fenster, fiel ein Lichtstreif in den Hof.

    In diesen hier.

    Die Angst der Frau stieg ins Unermessliche.

    Zurück in den Hausflur! Zurück!

    Vier

    Dorit erwachte.

    Und schlief wieder ein.

    Fünf

    Sie schreckte hoch.

    Was hatte es mit dem Traum auf sich?

    Erst ab einer bestimmten Stelle konnte sie ihn rekonstruieren. Wenn auch nur halbwegs.

    Dies war ihrer unvorsichtigen Reaktion beim Erwachen geschuldet.

    Was davor lag, blieb verborgen. Wie hinter einem Milchglasfenster, wo nur Schemen auftauchen und wieder verschwinden.

    Eine zerstörte Regenrinne, die ausgehängte Haustür, die eingeworfenen Fenster. Irgendwas.

    „Du musst den Schlüssel", hatte jemand gesagt, „wenn du die Haustür geöffnet hast, sofort wieder benutzen, diesmal um die Tür zu verschließen.

    Von innen. Du bleibst im Haus."

    Und auch das war in ihrem Gedächtnis haften geblieben: die Stimme, körperlos nun: „Der wird dich umbringen, der hat ein Messer."

    Bei den Gruppengesprächen war wiederholt darauf hingewiesen worden: nein, im Traum wundert man sich nicht, alles wird als gegeben akzeptiert.

    Und es hat keinen offensichtlichen Sinn.

    War das jetzt eine mögliche Ausnahme?

    Ja, sie wunderte sich – weil sie die warnende Stimme nicht ernst nahm.

    Über die hölzerne Treppe (in Wahrheit aus Stein) war sie nach oben getaumelt, hatte sich ins Bett fallen lassen, war eingeschlafen.

    Und sofort wieder erwacht.

    Auch das war nichts Neues; sie träumte einfach weiter.

    Diesmal: dass sie erwacht war.

    Kam oft genug vor. Beate hatte vor zwei Wochen Ähnliches berichtet.

    Klar, denn sonst hätte ja die Nachttischlampe...

    Die ließ sich nicht anknipsen.

    Auch die Deckenleuchte funktionierte nicht.

    Dorit war die Treppe hinab geschwebt, fand sich im Vestibül wieder. Sie hörte verdächtige Geräusche.

    Jemand machte sich an der Haustür zu schaffen.

    Dorit eilte in die Küche. Die war, sogar im Traum, am üblichen Platz; da gab es, in dieser Hinsicht, keine Verwerfungen.

    Aus der Schublade glitt ein Messer, genügend groß, in ihre Hand.

    Noch immer die Geräusche!

    Der Wind brach sich singend an den Kanten des Hauses, vermochte aber nicht, das Kratzen am Türschloss (wurde ein Dietrich benutzt?) zu übertönen.

    Stockdunkel war es. Drinnen. Draußen.

    Stefan hatte neulich, entgegen allen Erfahrungswerten, behauptet dass man sehr wohl auch die eigene Person im Traum

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1