MARIO UND DER ZAUBERER - Beispielanalysen

Als docx, pdf oder txt herunterladen
Als docx, pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 7

Nachfolgend drei (überarbeitete) Teil-Analysen, die die Autorinnen und der Autor

freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Die Arbeiten sind natürlich im Detail
noch korrektur- und/oder ergänzungsbedürftig. Die genaue Lektüre dieser Arbeiten
kann aber aufgrund der soliden Methodik und der gelungenen Formulierung eine gute
Hilfe bei der Klausurvorbereitung sein.

Ls
_________________________________________

ANALYSE: Mario und der Zauberer S. 17-19

Der Textauszug aus der Novelle „Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis“,
welche um 1929 von Thomas Mann verfasst und 1930 erstmals veröffentlicht wurde,
thematisiert die Sympathie des Ich-Erzählers für die Authentizität und die humanistische
Bescheidenheit von Persönlichkeiten wie Signora Angiolieri.

Inhaltlich beschreibt der Ich-Erzähler die Person der Signora Angiolieri, der Wirtin und
Eigentümerin der Pensione Eleonora. In dieses Gasthaus ist der Ich-Erzähler mit seiner
Familie nach den Problemen, die sie im Grand Hotel hatten, gewechselt.

Dieser Auszug bildet nahezu einen Gegensatz zu den vorherigen Erzählpassagen (S. 13-14
und S. 14-17). Während zuvor in erster Linie Abneigung und Ausgrenzung der Familie
gegenüber, Beeinflussbarkeit und Manipulierbarkeit von Menschen sowie Autorität, beruhend
auf der Fähigkeit zur Manipulation, mithin also Inhumanität und soziale Kälte verdeutlicht
worden sind, werden nun im Kontrast dazu Humanität und soziale Wärme visualisiert. Die
Erfahrung von Humanität und sozialer Wärme, die dem Ich-Erzähler und seiner Familie in der
Begegnung mit Signora Angiolieri zuteil werden, markiert einen Ausbruch aus den
bestehenden Herrschaftsstrukturen. Die Herrschaft des Mythos wird durch die Herrschaft der
Vernunft abgelöst; in einer tieferen Dimension wird damit tendenziell auch auf die
Möglichkeit einer entschiedenen Absage an den Faschismus und auf die Perspektive nicht-
totalitärer Gesellschaftsstrukturen verwiesen. Ferner wird die Sympathie des Ich-Erzählers für
das Oppositionelle im Kontrast zur im Vorangegangenen deutlich gewordenen Antipathie
gegenüber Opportunismus und Unterwürfigkeit hervorgehoben. Es kristallisiert sich
zunehmend der kritische Umgang des Ich-Erzählers mit der Willkür sowie dessen Antipathie
gegen sie heraus.

Der vorliegende Textauszug ist in fünf Sinnabschnitte einzuteilen. Der erste Abschnitt (S. 17,
Z. 20 - S. 18, Z.) beinhaltet eine Beschreibung der Person der Signora Angiolieri. Diese geht
fließend in eine Beschreibung der Hausbesichtigung über, die die Familie des Ich-Erzählers
von Frau Angiolieri durch die Pensione Eleonora erhält. Abgelöst wird diese Passage durch
einen Rückblick des Ich-Erzählers, der vom Umzug vom Grand Hotel in die Pension berichtet
(S. 18, Z. 23). Dieser geht beinahe fließend in eine Beschreibung der neuen Lage, der
Atmosphäre und des veränderten Umgangs mit Menschen über und wird wiederum nahezu
lückenlos von einem Rückblick des Ich-Erzählers bezüglich der Problematik im Grand Hotel
abgelöst.

Im ersten dieser Abschnitte wird die volle Sympathie, die der Ich-Erzähler für Signora
Angiolieri empfindet, visualisiert. Er beschreibt Signora Angiolieri als „eine zierliche,
schwarzäugige Dame, toskanischen Typs, wohl anfangs der Dreißiger, mit dem matten
Elfenbeinteint der Südländerinnen“ (S. 17, Z. 20-23) und ihren Mann als einen „sorgfältig
gekleidete[n], stille[n] und kahle[n] Mann“ (S. 17, Z. 23-24). Hier zeigt sich die
Empfänglichkeit des Ich-Erzählers für die entschieden dezente, zurückhaltende,
unaufdringliche und nicht auf Äußerlichkeiten fokussierte Lebensweise dieser beiden
Menschen. Durch diese Lebenshaltung wird die Divergenz zwischen dem Verhalten und
Leben dieser Menschen und dem der überwiegenden Gesellschaft akzentuiert. Sie brechen aus
den sie umgebenden Herrschaftsstrukturen aus, als erste, denen der Ich-Erzähler (in Italien)
begegnet, und bilden einen dezidierten Gegensatz zur Macht sowie zum Machtstreben und der
Machtergebenheit der Menschen um sie herum. In dieses System würden sie gar nicht
hineinpassen. Dies bringt ihnen die Sympathie des Ich-Erzählers ein, der sie auf Grund dieser
Authentizität inmitten einer Welt gleichförmiger Ordnung zu bewundern scheint.
Die Sympathie, die der Ich-Erzähler Signora Angiolieri entgegenbringt, scheint sich noch zu
steigern, als er eine Schwäche ihrerseits entdeckt. Die Vorstellung dieser Schwäche bildet den
Übergang vom ersten zum zweiten Sinnabschnitt. Frau Angiolieri ist der Schauspielerin
Eleonora Duse, deren Garderobiere und Freundin sie einst gewesen ist, in äußerster
Wertschätzung ergeben, was sich darin zeigt, dass „[z]ahlreiche Photographien“ (S. 18, Z. 8)
der Duse das gesamte Haus zieren. Die sich noch steigernde Sympathie des Ich-Erzählers für
Signora Angiolieri zeigt sich vor allem in der liebevoll-ironischen Darstellung ihrer kleinen
Schwäche. Es sind in erster Linie Humanität und Wärme, die Frau Angiolieris Wesen prägen,
begleitet von Aufgeschlossenheit und Offenheit, welche sich auch darin zeigen, dass sie bei
einer Führung durch ihre Pension „mit Lebhaftigkeit [von ihrem Leben] zu erzählen“ (S. 18,
Z. 7-8) beginnt.
Im Verlauf des anschließenden Rückblicks des Ich-Erzählers, in dem er kurz den Umzug vom
Grand Hotel zur Pensione Eleonora erwähnt, wird die aufkommende Idylle kurz durch die
Rückblende auf die zuvor erlittenen Ärgernisse unterbrochen, was die Kluft zwischen Außen-
und Innenwelt, Mythos und Vernunft, Inhumanität und Humanität in den Vordergrund rückt.
Abgelöst wird dieser düstere Einschub von einer idyllischen Schilderung der Lage der
Pension. So erscheint dem Ich-Erzähler an diesem Ort „der Kontakt mit dem Meere bequem,
vermittelt durch eine Allee junger Platanen, die auf die Strandpromenade stieß“ (S. 19, Z. 1-
3). Erneut sticht das Verhalten Frau Angiolieris aus den zuvor kennengelernten Strukturen
heraus, wenn der Erzähler berichtet, dass sie „jeden Mittag eigenhändig die Suppe auffüllte“
(S. 19, Z. 5), anstatt dies von Angestellten übernehmen zu lassen, und dass „die Beköstigung
vortrefflich“ (S. 19, Z. 7) sei, was erneut einen Kontrast zur Außenwelt, hier symbolisiert
durch das Grand Hotel, bildet. Insgesamt kommt das angenehme Gefühl von Wohlbefinden
auf, was dadurch gesteigert wird, dass hier (in der Pensione Eleonora) Kontakte geknüpft
werden können und geknüpft werden, anders als im Grand Hotel, wo die Familie der
Ausgeschlossenheit und der Ausgrenzung absolut ausgeliefert gewesen ist.
Der Auszug endet mit den Worten, „nichts fehle eigentlich zu einem
zufriedenstellenden Aufenthalt“ (S. 19, Z. 12-13), welche das zuvor zum Ausdruck
gelangende Wohlbefinden relativiert, insofern das Adverb „eigentlich“ (ebd.) darauf verweist,
dass die Familie gerade nicht zufrieden ist, was seinen Ursprung offenbar in den zuvor
durchlebten Problemen hat und zudem als eine Voraussicht des Ich-Erzählers auf künftige,
noch ausstehende Probleme und Konflikte gedeutet werden kann.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass in diesem Auszug sehr deutlich die Sympathie des Ich-
Erzählers Frau Angiolieri gegenüber hervorgehoben wird, welche in tieferen Dimensionen auf
ihre Humanität, Offenheit und Wärme zurückzuführen ist, in erster Linie aber auf ihrer
Gegensätzlichkeit zum bestehenden Herrschaftssystem und Machtstreben basiert, was der Ich-
Erzähler absolut bewundert.
Der vorliegende Auszug aus der Novelle „Mario und der Zauberer“ von Thomas Mann, die
1930 erstmals veröffentlicht wurde, thematisiert die Sympathie des Ich-Erzählers für eine
Sphäre von Authentizität und Natürlichkeit, dargestellt im Kontext des Aufenthalts der
Familie des Ich-Erzählers in der Pension Eleonora. Dabei steht die Pension Eleonora im
Kontrast zum zuvor beschriebenen Grand Hotel.

Der Textauszug reflektiert den Umzug der Familie des Ich-Erzählers in die Pension Eleonora.
Die Besitzerin dieser Pension, Frau Angiolieri, führt die Familie durch das Haus und berichtet
von ihrer Vergangenheit, während der Ich-Erzähler ihr aufmerksam folgt. Frau Angiolieri
erzählt voller Stolz, dass sie Angestellte der berühmten italienischen Schauspielerin Duse
gewesen sei. Die Pension bietet der Familie die Nähe zum Meer, gutes Essen und freundliches
Personal. Doch trotz der guten Bedingungen in der Pension Eleonora fühlt sich der Ich-
Erzähler in diesem Urlaub angesichts der vorherigen Vorkommnisse nicht wohl und muss
immer noch über den Vorfall im Grand Hotel nachdenken.

Der Textauszug zeigt die Sympathie des Ich-Erzählers gegenüber Individualisten, die sich
innerhalb einer durch vorgegebene Machtmechanismen und Herrschaftsstrukturen bestimmten
Gesellschaft ihre Authentizität und ihre Natürlichkeit bewahren. Im Gegensatz dazu wird hier
indirekt die Aversion des Ich-Erzählers gegenüber Menschen gezeigt, die in ihren
Gesellschaftsstand hineingeboren werden und nur wegen ihrer Stellung oder ihres Standes
durchsetzungsfähig sind. Weiterhin zeigt sich, wie sehr der Ich-Erzähler mit gleichermaßen
tiefgründigen wie zurückhaltenden Persönlichkeiten sympathisiert. Darüber hinaus führt der
Textauszug die nahezu liebevolle Haltung des Ich-Erzählers gegenüber verzeihlich
erscheinenden kleinen Schwächen des Menschlichen vor Augen. Im Textauszug werden die
Empörung des Erzählers über Selbstgerechtigkeit und die Irritation durch Haltungen, die von
seinem Welt- und Menschenbild abweichen, vor Augen geführt.

Inhaltlich lässt sich der Textauszug in vier Sinnabschnitte unterteilen. Im ersten Sinnabschnitt
(S.17 Z.20 – S.18 Z.14) beschreibt der Ich-Erzähler die Gastwirtin der Pension Eleonora, Frau
Angiolieri, und die Pension selbst. Dabei geht er besonders auf die Andenken an die berühmte
Schauspielerin Eleonora Duse ein, die überall in der Wohnung aufgestellt sind. Diese
Beschreibungen gehen fließend in den Bericht hinsichtlich der Führung des Hauses über. Im
darauffolgenden Sinnabschnitt (S.18 Z.22-25) blickt der Ich-Erzähler noch einmal auf das
Grand Hotel zurück. Die Reflexion im letzten Teil des Textauszuges (S.19 Z.15-26) schließt
an eine weitere Beschreibung der Pension an.

Die neue Episode beginnt mit der Beschreibung der Gastwirtin. Schon allein durch die
Darstellung und Beschreibung dieser Frau wird zum Ausdruck gebracht, dass sie die
Sympathie des Ich-Erzählers genießt. Im Kontrast zu der „großen Dame“ (S.15 Z.16), der
Fürstin im Grand Hotel, die für den Umzug der Familie verantwortlich gewesen ist, wird die
Besitzerin der Pension Eleonora als „eine zierliche, schwarzäugige Dame, toskanischen Typs“
(S.17 Z.20f.) beschrieben. In einer tieferen Dimension wird verdeutlicht, dass der Ich-
Erzähler eher mit Persönlichkeiten sympathisiert, die nicht durch einen besonderen Titel oder
ihren Status Macht ausüben und die weniger dominant auftreten, sondern eher durch
Zurückhaltung und Natürlichkeit gekennzeichnet sind.
Die Sympathie des Ich-Erzählers für Frau Angiolieri spiegelt sich auch in seiner detaillierten
Beschreibung dieser Frau, wenn er beispielswiese auf ihre Augenfarbe achtet oder ihre
Hautfarbe mit dem Nomen „Elfenbeinteint“ (S.17 Z.23) umschreibt. Darüber hinaus
sympathisiert der Ich-Erzähler dieser Novelle ebenfalls mit dem Ehemann der Gastwirtin, was
durch die ihm zugeschriebenen Adjektive „sorgfältig“ (S.17 Z.24), „still“ (Z.25) und „kahl“
(ebd.) vor Augen geführt wird. Durch die Verwendung dieser Adjektive zeigt sich das dezente
Auftreten und die Tiefgründigkeit des Ehemannes, insofern er nicht übermäßig auf sein
Aussehen zu achten scheint.
Frau Angiolieri stammt augenscheinlich nicht aus einer großbürgerlichen Familie, sondern hat
– als allenfalls mittelständische Angestellte der berühmten Schauspielerin – schließlich sogar
deren Freundschaft gewonnen. Dies wird durch die Klimax „ Gesellschafterin,
Reisebegleiterin, Garderobiere, […] Freundin der Duse“ (S.18 Z.2ff.) besonders
hervorgehoben. In einer tieferen Dimension verweist dies darauf, dass der Ich-Erzähler sich
mit Menschen identifiziert, die nicht durch ihren äußeren Status bestimmt sind, sondern die
durch ein von Authentizität und Natürlichkeit geprägtes Tun andere für sich gewinnen
können.
Die Arbeit für die Duse hat eine große Auswirkung auf das Leben der Gastwirtin gehabt und
hat sie geprägt, was im Hause durch „zahlreiche Photographien […], mit herzlichen
Widmungen versehen, [und] Andenken“ (S.18 Z.8ff.) zum Ausdruck gebracht wird.
Der Ich-Erzähler registriert diese kleinen Details mit Sympathie und erkennt auch darin ein
Indiz für die Individualität dieser Pension. Dem Umstand, dass Frau Angiolieri die
Erinnerungsstücke an ihre Zeit mit der Duse in ihrer Pension auch präsentiert, um
„Anziehungskraft ihres gegenwärtigen Unternehmens“ (S.18. Z:16) zu erhöhen, begegnet er
mit liebevoller Ironie, weil ihm diese kleine Schwäche angesichts der von Frau Angiolieri
verkörperten Authentizität und Menschlichkeit mehr als verzeihlich erscheint. Wenn er
folglich „mit Vergnügen und Anteil ihren […] vorgetragenen Erzählungen“ (S.18 Z.18ff.)
zuhört, so zeigt sich darin ein deutlicher Kontrast gegenüber den vorherigen Erfahrungen im
Grand Hotel, das dem Erzähler kaum Momente der Annehmlichkeit geboten hat.

In der nachfolgenden Rückblende auf das „nach gut italienischer Art sehr kinderliebe[…]
Personal vom Grand Hotel“ (S.18 Z.24) kommt der Kontrast zwischen der von Persönlichkeit
und Individualität geprägten Pension Eleonora und dem typischen italienischen Grand Hotel,
das nach Einschätzung des Erzählers keine Besonderheiten aufweist, zur Geltung.

Nach diesem kurzen Rückblick kehrt der Ich-Erzähler wieder zur Beschreibung der Pension
und seiner darin gelegenen eigenen Wohnung zurück. Die Wohnung der Familie ist
„geschlossen und angenehm“ (S.18 Z.26), was auf die Bevorzugung des Erzählers von
ruhigen Standorten hindeutet und erneut die Sympathie für die Pension zum Ausdruck bringt.
Die Tatsache, dass ihm der bequeme Kontakt mit dem Meer gefällt, verweist einerseits
wiederum auf die Annehmlichkeit der Pension, korrespondiert in tieferer Dimension auf
subtile Weise aber auch mit seiner passiven Haltung, wenn er Missstände erkennt, aber aus
Bequemlichkeit dennoch nicht handelt.
Zu den Vorzügen der Pension Eleonora zählt in den Augen des Ich-Erzählers auch, dass
internationale Gäste - beispielsweise „Wiener Bekannte“ (S.19 Z.7) - anwesend sind. Implizit
wird hier zum Ausdruck gebracht, dass der Erzähler sich im Grand Hotel unter den nationalen
Gästen nicht wohl gefühlt hat und dass er sich eher dem Internationalen verpflichtet fühlt,
anstatt mit nationalen Ideen zu sympathisieren.

Trotz der angenehmen Lebensumstände in der Pension des Ehepaars Angiolieri resümiert der
Ich-Erzähler abschließend, dass er sich in dieser Urlaubssituation nicht wohlfühlt, weil er
„schwer über solche Zusammenstöße mit dem landläufig Menschlichen, dem naiven
Missbrauch der Macht, der Ungerechtigkeit, der kriecherischen Korruption“ (S.19 Z.18ff.)
hinwegkommt. Hier wird seine noch immer anhaltende Empörung über die fragwürdigen
Hintergründe des Umzug sichtbar, was durch das Trikolon „Mißbrauch der Macht, […]
Ungerechtigkeit, […] kriecherische Korruption“ (ebd.) akzentuiert wird. Der Umstand, dass
die Haltung anderer Menschen mit dem Welt- und Menschenbild des Ich-Erzählers nicht
übereinstimmt, stürzt den Erzähler in „irritiertes Nachdenken“ (S.19 Z.23). Hierin zeigt sich
seine Reflexion über sich selbst und über das Verhalten der anderen. Er ist selbstkritisch, aber
ihn ärgert noch mehr die „Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit dieser Erscheinungen“
(S.19 Z.25), in welchen Machtpositionen bedenkenlos ausgenutzt werden. Der Ich-Erzähler
distanziert sich deutlich von diesen Phänomenen, was durch die Verwendung des Nomens
„Erscheinungen“ (ebd.) gezeigt wird.

Über die bereits eingangs in der Darstellung der Intention genannten Aspekte hinaus hat die
Analyse gezeigt, dass sich der Ich-Erzähler von Menschen distanziert, die ihre Macht
missbrauchen oder sich kriecherisch verhalten.

Mario und der Zauberer

Thomas Mann

Der Textausschnitt aus der Novelle "Mario und der Zauberer" von Thomas Mann, erstmals
publiziert im Jahre 1930, thematisiert den Umgang des Ich-Erzählers mit einer durch
Machtmechanismen und Selbstgerechtigkeit gekennzeichneten Haltung.

Der vorliegende Ausschnitt stellt eine Begebenheit dar, die der Ich-Erzähler und seine Familie
am Strand von Torre di Venere erleben, wo er sich über das Verhalten eines Jungen empört,
der kontinuierlich Aufmerksamkeit für sich beansprucht und dessen Verhalten gleichermaßen
von Selbstherrlichkeit, Egozentrik und Weinerlichkeit gekennzeichnet ist.
In diesem Textausschnitt wird durch ein explizites Beispiel das schamlose, übertriebene und
rücksichtslose Verhalten der Gesellschaft vor Augen geführt. Außerdem wird auch das
menschliche Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Übertreibungen visualisiert.

Der Text ist in drei Abschnitte zu unterteilen, welche die Erzürnung des Ich-Erzählers
zunächst in allgemein-kritischen Reflexionen über die Zustände am Strand vor Augen führen,
um dann in einen detaillierten Erzählbericht einer Begebenheit an diesem Strand zu münden.

Wie bereits erläutert, thematisiert der Ich-Erzähler im ersten Abschnitt resümierend neben
der „Wohlbeschaffenheit“ (S. 22, Z. 5) und „Anmut“ (S. 22, Z.6), die er am Strand sieht, auch
die allgemeine menschliche "Mediokrität"(S.22; Z.7) , die dort erlebt und die er einem
bürgerlichen "Kroppzeug"(S.22; Z.8) zuschreibt, das ihm in diesen südlichen Gefilden „nicht
reizender [erscheint] als unter unserem Himmel“ (S. 22, Z. 9f.). Die offenbar am Strand
ersehnte Ruhe und Entspannung kann der Ich-Erzähler jedenfalls nicht finden. Dazu tragen
auch die „Stimmen“ (S. 22, Z. 10) bei, die für den Ich-Erzähler im Kontrast stehen zu dem,
was „in der Heimat der abendländischen Gesangskunst“ (S. 22, Z. 13 f.) zu erwarten wäre.
Hier wird zum zweiten Abschnitt des Textes hingeführt, welcher den aktuellen Grund der
Unruhe visualisiert. Der Ich-Erzähler geht hier auf die "Stimme"(S.22; Z. 10) ein, welche er
als sehr laut und unmelodisch empfindet, was auch das Verb "erschallen"(S.22; Z.16)
verdeutlicht. Außerdem geht er hier auf die italienische Aussprache ein, welche ihm
"gräßlich akzentuiert"(S.22; Z.20) erscheint.
Im dritten Abschnitt wird nun der "abscheuliche[...] Junge[...] mit ekelerregender
Sonnenbrandwunde"(S.22; Z.24f.) beschrieben, dem diese Stimme – die Stimme der Mutter –
gilt. Die negativen Charaktereigenschaften des Jungen werden im Nachfolgenden erläutert.
Die Abneigung des Ich-Erzählers gegenüber diesem Jungen wird einerseits durch das
Trikolon in der Darstellung seiner Charaktereigenschaften - "Widerspenstigkeit, Unart und
Bosheit"(S.22 f.;Z.25 f.) - akzentuiert, aber auch besonders durch die genaue Erläuterung,
warum der Junge ihm als ein "Feigling"(S.23; Z.2) und somit als "Greuel"(S.24; Z.5)
erscheint.
Der Erzählbericht gilt hier dem übertriebenen Verhalten des Jungen, welcher in der konkret
beschriebenen Situation eigentlich nur von einem "Taschenkrebs in die Zehe gezwickt"(S.23;
Z.6) worden ist, jedoch daraufhin ein "antikische[s] Heldenjammergeschrei"(S.23; Z.7)
ausstößt und sich wie ein "Abgestürzter oder Ertrunkener"(S.23; Z.24 f.) aufführt. Die
hyperbolische Darstellung lässt auf ironische Weise die Absurdität der Verhaltensweisen
dieses Jungen deutlich werden. Der wirkliche und somit unspektakuläre Grad der Verletzung
wird durch den Hinweis darauf, er sei lediglich von einem Taschenkrebs "gezwickt"(S.23;
Z.6) worden, visualisiert und später auch als "winzige Unannehmlichkeit"(S.23; Z. 8)
beschrieben. Der an den Strand gerufene "Arzt"(S.23; Z.18), welcher zuvor bereits die
Erkrankung der Tochter als nicht mehr ansteckend bezeichnet hat, stuft, wie der Ich-Erzähler
bemerkt, die "kleine[...] Kniffwunde"(S.23; Z.23) als "null und nichtig"(S.23; Z.22) ein und
bestätigt damit die Einschätzung des Erzählers. Der Arzt steht hier – in tieferer, parabolischer
Dimension – für die Wissenschaft, von der sich das Volk jedoch nichts sagen lässt, sodass
der Junge auf unnötige Art und Weise "auf einer improvisierten Bahre mit Gefolge vom
Strand getragen" (S.23f.; Z.25f.) wird. In dieser Szenerie zeigt sich also, wie dominant und
durchsetzungsfähig ein durch Mythos, Selbstgerechtigkeit und Machtorientierung geprägtes
Denken gegenüber der Sphäre der Rationalität ist.

Letztendlich wird dem Leser in der vorliegenden Textpassage vor Augen geführt, welche Art
von Mensch es schafft, die Allgemeinheit auf sich zu fokussieren. Es ist der theatralische
Typus, welcher es zustande bringt, die Menschen so zu manipulieren, dass sie das tun, was
gefordert ist, während sie die damit verbundene Fremdbestimmung noch nicht einmal
bemerken.

Das könnte Ihnen auch gefallen