Neumann - Kafkas Gleitendes Paradox
Neumann - Kafkas Gleitendes Paradox
Neumann - Kafkas Gleitendes Paradox
»Gleitendes Paradox«
Nach dem Zeugnis des Aristoteles hat Zenon die Wirklichkeit der Be-
wegung uberhaupt ge1eugnet 3) und beweisen wollen, »daB der fliegende
Pfeil ruht«4). Kafka kehrt diesen Sachverhalt um: Sein erster Satz scheint
Zenon als einen Verfechter des naVia eet zu postulieren, dem von einem
dringlich Fragenden schlieBlich das Zugestandnis abgerungen wird, daB
zumindest der »fliegende Pfeil ruht«. Freilich bedeutet diese Antwort keine
Li::isung oder Klarung. Kafkas Zenon bekennt sich nicht als geschlagen; er
widerruft seinen Grundsatz von der durchgehenden Bewegtheit alles
Seienden nicht durch die Behauptung vi::illiger Unbewegtheit, sondern
halt dem Fragenden ein Paradox entgegen: den zugleich fliegenden und
ruhenden Pfeil. Seine Antwort erscheint damit komplizierter als die Frage;
dieser Umstand ist bezeichnend fUr das Verhiiltnis von Frage und Antwort
bei Kafka; er se1bst hat es so dargestellt:
Ein Umschwung. Lauernd, angstlich, hoffend umschleicht die Antwort die Frage,
sucht verzweifelt in ihrem unzuganglichen Gesicht, folgt ihr auf den sinnlosesten,
das heiBt von der Antwort moglichst wegstrebenden Wegen. (Ho 47 f.)
659
659 Gerhard Neumann 68*
Suchen und Finden, wie ihn der biblische Spruch vordergriindig voraus-
setzt, nicht mehr gegeben zu sein; - daB auch im Matthaus-Text die Mog-
lichkeit einer Icelio difjieilior gegeben ist, bleibe auBer Betracht. Kafka miB-
traut den korrelativen Begriffen des Suchens und Findens, setzt sie in die
verschiedensten Beziige und Modi, arbeitet mit Umkehrungen der iiblichen
Denkverhaltnisse und Ablenkungen yom Trivialverstandnis, ohne sich an
gelaunge Denkregeln zu halten: Kafkas »Paradox« verkoppelt die »Umkeh-
rung«, die einer der Mechanismen des traditionellen Paradoxes ist 6), mit der
»Ablenkung«, die vorlaung als ein »Verfehlen« der trivialen Denkerwartung,
als ein Weggelocktwerden von ihr gekennzeichnet sei. Durch dieses Verfah-
ren werden die Begriffe dem »normalen«, schliissigen Denken entzogen,
ohne doch andererseits durch das platte Paradox, - als das inzwischen schon
traditionell gewordene Merkzeichen des Unbegreiflichen - neuerlich und
noch viel entschiedener verstellt zu werden. Kafkas »gleitendes Paradox«
schafft eine Zone des Denkens zwischen konventioneller Stimmigkeit und
jener besonderen Form von Alogik, die »paradox« heWt.
Es scheint freilich, als sei diese erste ZerreiBprobe, der Kafka das Be-
griffs-Gespann »Suchen - Finden« unterzog, nicht zur Zufriedenheit des
Autors ausgefallen. Er nimmt das Motiv von neuem auf. Nun lautet sein
Satz so: »Ein Kang ging einen Vogel suchen.« (Ho 41) Das bisher nicht zu-
langlich geklarte Verhaltnis von Suchen und Finden wird in ein Bild gefaBt.
Das suchende Element erscheint als Kang, das zu Findende in Gestalt eines
Vogels. Auch diesen Satz mochte man - zumindest auf den ersten Blick -
als ein »klassisches« Paradox ansehen 8). Man konnte meinen, Kafka habe in
diesem »Sprachbild einer Denkform«9) die Paradoxie des Daseins auszu-
driicken gesucht. Nun ist wie gesagt ein entscheidendes Merkmal des »klassi-
schen« Paradoxes die Umkehrung 10) eines nach formallogischen Gesichts-
punkten stimmigen Sachverhalts; wird die Umkehrung riickgangig ge-
macht, so lost sich das Paradox und macht nicht sehen einer Banalitat Platz.
Wenn Karl Kraus einmal schreibt: »Ich schnitze mir den Gegner nach mei-
nem Pfeil zurecht« 11), so lebt dieser Satz, der ebensoviel iiber Kraus selbst
aussagt wie iiber seine Opfer, nur aus der Umkehrung; die Riickiiberset-
zung macht ihn stumpf, glanzlos, banal 12). Versucht man eine entsprechende
Ruck-Umkehrung ins »Stimmige« bei dem kafkaschen Satz, so miBlingt sie:
»Ein Vogel ging einen Kafig suchen.« Die »Richtigstellung« ist nicht ein-
leuchtender als die »verkehrte« Form des Satzes. Kafkas Paradoxa leben
nicht aus einer Verkehrung des Normalen, sie basieren selbst schon auf
einem Widerspruch. Sie lenken nicht auf eine Synthese des Widerspriich-
lichen hin, wie das traditionelle Paradox, sondern von jeder erwarteten
Stimmigkeit ab; jede Auflosung ist bloB eine Reduktion auf neuerlich und
viel urspriinglicher Unbegreifliches. Dadurch wird jedoch die Beziehung
zwischen Vogel und Kafig, zwischen Suchen und Finden nicht aufgehoben;
sie bleibt bloB unbestimmt, ist weder auf einen glatt en Widerspruch, noch
auf vorschnelle Harmonisierung und Ausgleichung festzulegen. Kafkas
»Umkehrung« ist also nicht die des »klassischen« Paradoxes; sie erscheint
vielmehr stets verbunden mit einer »Ablenkung« von konventionellen
Denkbahnen und erzielt dabei zwei entscheidende Wirkungen: Einerseits
treten dutch sie zwei Pole - im vorliegenden Beispiel Suchen und Finden,
Vogel und Kafig - in einen ebenso entschiedenen wie befremdlichen Bezug;
und gerade auf diesen Bezug scheint es Kafka anzukommen. Andererseits
laBt sich dieser Bezug aufkeine der iiblichen Denkverkniipfungen reduzieren.
GewiB lieBe sich das Bild des Kafigs, der den Vogel sucht, und das des
Vogels, der den Kafig sucht, als das Verhaltnis von Freiheit und Unfreiheit,
von »Geworfenheit« und »Geborgenheit«, von Leben und Dingwelt be-
stimmen; das ist auch versucht worden, hat aber fUr die vorliegende Frage-
stellung keine entscheidenden Einsichten gebracht; denn iiber das ratsel-
hafte Verhaltnis selbst, um das es hier geht und das mit keiner der iiblichen
Kategorien des Denkens zu fassen ist - laBt es sich als positiv oder negativ
fixieren, als kausal oder interdependent, als notwendig oder zufii.llig? -,
sagen diese begrifflichen Fixierungen wenig aus. Selbst jene logische Be-
stimmung, daB es sich hier eben um einen »Widerspruch« handle und man
diesen als solchen zu akzeptieren habe, miiBte daran scheitern, daB die Art
dieses Widerspruchs gerade nicht bestimmbar ist. Das ihm zugrunde liegende
Stimmige, aus dem der Widerspruch durch Umkehrung hervorgegangen
sein miiBte, laBt sich nicht ermitteln; die Unstimmigkeit ist keine des ein-
fach Unvereinbaren und Gegensatzlichen. Kafka hat mit Erfolg von diesem
Gegensatz »abgelenkt«.
Bedeutsamer erscheint dagegen der zwischen Lakonismus und Marchen-
sprache 13) schwebende Tonfall des Satzes; er zeugt von der Selbstverstand-
12) Vgl. dazu auch Kraus: »Eine Antithese sieht bloB wie eine mechanische Um-
drehung aus. Aber welch ein Inhalt von Erleben, Erleiden, Erkennen mufi erwor-
ben sein, bis man ein Wort umdrehen darf!« Ca. a. o. S. 164) Dabei ist freilich zu
bedenken, daB nicht jede Antithese ein Paradox darstellt.
13) Hier ware an 'Jorinde und Joringel' zu denken; Kafka kannte und liebte
659 Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
lichkeit und inneren Konsequenz, mit der hier das scheinbar inkonsequente
gedacht wird. Er tauscht aber auch uber jene personliche Betroffenheit hio-
weg, die sich hinter der Chiffre des »Vogels« verbirgt: Die Forschung hat sie
als eine Hieroglyphe des kafkaschen »Ich« erwiesen 14). Unvermerkt wird hier
- und dadurch unterscheidet sich dieser Satz von dem zuerst untersuchten -
ein Ich-Element eingefuhrt. Es scheint, als habe dieses »Ich«15) etwas mit
dem Bezug zu tun, der in dem Satz yom Vogel und dem Kafig beschrieben
werden solI, es scheint, als ergaben sich nur darum solche dem trivialen
Verstehen unaufloslichen Verwicklungen, weil dieser Vogel kein »gewohn-
Hcher« Vogel, sondern ein - wenn auch kryptisches - »Ich« ist.
Uber eine solche Andeutung fuhrt freilich auch dieser Text nicht hinaus;
ein dritter, urn die gleiche Zeit entstandener, greift das Motiv des Suchens
und Findens von neuem auf:
Er wehrt sich gegen die Fixierung durch den Mitmenschen. Der Mensch sieht,
selbst wenn er unfehlbar ware, im anderen nur jenen Teil, fiir den seine Blickkraft
und Blickart reicht. Er hat, wie jeder, aber in auBerster Dbertreibung, die Sucht,
sich so einzuschranken, wie ihn der Blick des Mitmenschen zu sehen die Kraft hat.
Hatte Robinson den hochsten oder rich tiger den sichtbarsten Punkt der lnsel nie-
mals verlassen, aus Trost oder Demut oder Furcht oder Unkenntnis oder Sehn-
sucht, so ware er bald zugrunde gegangen; da er aber ohne Riicksicht auf die
Schiffe und ihre schwachen Fernrohre seine ganze lnsel zu erforschen und ihrer
sich zu freuen begann, erhielt er sich am Leben und wurde in einer allerdings dem
Verstand notwendigen Konsequenz schlieBlich doch gefunden. (BK 297; vgl.
Br 300, 310)
Dieses Stuck ist insofern besonders kompliziert, als sich in ihm mehrere
Grundmotive kafkaschen Dichtens miteinander verschranken; fur den vor-
liegenden Zusammenhang ist das des Suchens und Findens aus diesem Ge-
Hecht herauszu16sen. Die »Betrachtung« ist deutlich zweigeteilt. Dem in
moralistischer Tradition stehenden Einsatz 16), der ein Beziehungsphano-
men zwischen Ich und Mitmensch zu »beschreiben«17) sucht, folgt ein Bei-
spiel, das freilich nicht ohne weiteres im Zusammenhang mit der voran-
Marchen (vgl. Gustav Janouch: Gesprache mit Kafka. Aufzeichnungen und Er-
innerungen. - Frankfurt 1951. S. 55). (= kiinftig zit. als 'Janouch'.)
14) Vgl. dazu Emrich a.a. o. S. 21: Gracchus - gracchia - Dohle - kavka -
Raban. Ferner Janouch a.a.O. S. 18. Tgb 297; analog dazu das Eichhornchen im
Kafig (Ho 71).
15) Emrich nennt dieses »Ich« nicht unberechtigt das »Selbst« (a.a.O. S.92f.,
I I 5 ff.); es geht nicht urn Kafkas biographisches lch, sondern die Kategorie des
»Selbst«, wie sie in Kafkas Texten eine besondere Rolle spielt.
16) Die Er-Chiffre, hinter der sich ein lch-Bezug verbirgt, findet sich schon bei
Lichtenberg; die Ansiedlung im »Grenzland zwischen Einsamkeit und Gemein-
schaft« (Tgb 548), das Aufspiiren der Beziehungen zwischen Gesellschaft und lch
ist ein Grundthema der moralistischen Dberlieferung von La Rochefoucauld bis
Valt~ry.
17) V gl. zu diesem Begriff Wagenbach a. a. O. S. 53 f.
708 Gerhard Neumann 72.*
18) Ingeborg Henel hat zuerst auf diesen wichtigen Begriff hingewiesen: Die
Ttirhtiterlegende und ihre Bedeutung ftir Kafkas 'ProzeB'. DVjs. 37 (1963). s. 50
bis 70.
19) Vgl. zum Problem der »Motivation« Betr. Nr. 86; ferner Emrich a.a.D.
S. 181 f.
73* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 709
22) In diesem merkwiirdigen Se1bstbezug hat Robert Heiss - wenn auch in etwas
anderem Sinne - den Ursprung der Paradoxien erkannt. Er zeigt dies an den »klas-
sischen« Paradoxa des Zenon vom fliegenden Pfeil, vom Liigner und von Achill
und der Schildkrote. Vgl. vor allem Logik des Widerspruchs, a.a.O. S. 87ff. Dazu
auch eine Briefstelle Kafkas (Br 386).
659 Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 7 11
23) A.a.O. S. 84ff. Einen merkwiirdigen AufschluG iiber das Problem des Su-
chens, des Findens und des Zie1s in der Literatur und in der exakten Wissenschaft
gibt der Beitrag von Friedrich Waismann: Suchen und Finden in der Mathematik.
Kursbuch 8 (1967) S. 74-92. Wenn der Literaturwissenschaftler der strengen Logik
vorwirft, sie verenge das Denken, die Sprache sei reicher und driicke differenzier-
tere Denkverhalte aus, als die Rege1n des exakten Denkens zulassen, so behauptet
demgegeniiber der Mathematiker und Philosoph Waismann, die Sprache ver-
neble die Struktur von Denkablaufen. (S. 92)
24) Kafka hat diese Konjunktion als den Drehpunkt bezeichnet, urn den »etwas«
wie »eine Waage« sich einpendle (Max Brod: Franz Kafka. Eine Biographie. -
Frankfurt 1954. S. 251; vgl. dazu Politzer a.a.O. S. 437ff.). Sie bezeichnet keine
Entscheidung, sondern vie1mehr ein Moment der Simultaneitat.
7 12 Gerhard Neumann 659
25) Kafka benutzt dies en Begriff gelegentlich: »Dieses Grenzland zwischen Ein-
samkeit und Gemeinschaft habe ich nur auBerst selten iiberschritten, ich habe mich
darin sogar mehr angesiedelt als in der Einsamkeit selbst. Was fiir ein lebendiges
schones Land war im Vergleich hiezu Robinsons Insel.« (Tgb 548) Dber die Be-
ziehung der Chiffre Robinson zu dies em Problemkomplex vgl. die Interpretation
von BK 297 zu Beginn dieser Arbeit. Auch Robinsons Insel hat, wie das genannte
»Grenzland«, utopischen Charakter.
77* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
»Deine Darstellung ist trostlos, aber nur filr die Analyse, deren Grundfehler sie
zeigt. Es ist zwar so, daB der Mensch sich aufhebt, zurilckfiillt, wieder sich hebt
und so fort, aber es ist auch gleichzeitig und mit noch viel groBerer Wahrheit ganz
und gar nicht so, er ist doch Eines, im Fliegen also auch das Ruhen, im Ruhen das
Fliegen und beides vereinigt wieder in jedem Einzelnen, und Vereinigung in jedem,
und die Vereinigung der Vereinigung in jedem und so fort, bis, nun, bis zum wirk-
lichen Leben, wobei auch diese Darstellung noch ebenso falsch ist und vielleicht
noch tauschender als die deine. Aus dieser Gegend gibt es eben keinen Weg bis
zum Leben, wahrend es allerdings yom Leben einen Weg hierher gegeben haben
muG. So verirrt sind wir.« (Ho 421)
Die erste Stimme dieser Zwiesprache - denn urn einen solchen Dialog aus
Satz und Gegensatz scheint es sich hier zu handeln - konstatiert Antithesen
der Befindlichkeit, Grundwiderspruche des Daseins wie Ruhe und Gejagt-
werden (seltsamerweise sagt Kafka »fliegen« und »ruhen«, er scheint sich also
jenes Zenon-Beispiels aus dem Tagebuch zu erinnern), Sicherung und
Unruhe, Auf und Ab; mit Recht konnte man von Paradoxien der Existenz
sprechen, wie sie etwa Pascal- freilich unter ganz anderen Voraussetzungen
- immer wieder zu fixieren suchte 26). Es sind die seit jeher von den Morali-
sten aufgesuchten Widerspruche, aus denen sie ihre menschen- und lebens-
kundlichen Bemerkungen abzuleiten suchten. Fur Kafka, der sich selbst
wohl gelegentlich als Moralist in jener romanischen Bedeutung des Wortes
verstanden haben mochte, gewannen diese Beobachtungen indes nur
»zufiillige, fluchtige und abseitige« Bedeutung; zahllose abschatzige AuBe-
rungen uber sein Schreiben - denen freilich andere, positive die Waage
halten - zeugen von diesem Zwiespalt, aus dem heraus Kafka stets gegen
sich entschied.
Dagegen ware eine solche Art der moralistischen Diagnose aus dem Pa-
radox des ruhen wollenden und nicht ruhen konnenden Menschen bei La
Bruyere so gut zu finden wie bei Montaigne oder Lichtenberg. Fur Kafka
gilt dieses Denkverfahren des aufschlieBenden, Denkreize auslOsenden oder
Unbegreifliches abbildenden Paradoxes nicht; die Gegenstimme seines Tex-
tes nennt solches Denken »trostlos« und nimmt es als ein Symptom fur den
Grundfehler »analytischen« Vorgehens; sie schlagt einen anderen Denkweg
ein. Zwar geht auch sie von dem dialektischen Auf und Ab des Menschen
aus, wie die Stimme des ersten Abschnitts; dann aber setzt ein vi:illig anderer
DenkprozeB ein. Einem einschrankenden »zwar - aber« folgt eine »viel
groBere Wahrheit«, die die erste Einsicht negiert. Dann wieder werden die
Gegensatze des Fliegens und Ruhens fUr einen Augenblick vertauscht,
abermals umgekehrt und zur Vereinigung gefuhrt, wobei diese Vereini-
26) Vgl. Pensee Nr. 139 (Zahlung Brunschvicq) ... j'ai decouvert que tout Ie mal-
heur des hommes vimt d'une seule chose qui est de ne savoir pas demeurer en repos, dans une
chambre. Baudelaire hat diesen Satz spater aufgegriffen: CEuvres completes. Ed.
Y.-G. Le Dantec. - Paris 1954 (= BibliotMque de la Pleiade). S. 316. Vgl. dazu
Friedrich: Pascals Paradox, a. a. O.
659 Gerhard Neumann 659
gung wiederum wie versuchsweise bald in einem Pol der Antithese - dem
Ruhen -, bald im anderen - dem Fliegen - gedacht wird. Dieser Vorgang der
Vereinigung fuhrt aber keineswegs zu einer abschlieBenden Synthese, son-
dern setzt sich in scheinbar unendlicher Reihe fort bis das herausspringt,
was Kafka - ohne alle aus dem Gedankengang ableitbare Konsequenz - das
»wirkliche Leben« nennt; die bis zu diesem Punkt gediehene Darstellung
des Problems schlieBlich neont Kafka »ebenso falsch und vielleicht noch
tauschender« als die von der ersten Stimme gegebene. Als Resultat dieses
Denkiabyrinths erscheint das Verirrtsein in »diese Gegend«, in die offenbar
doch ein Weg gefuhrt hat, aus der aber keiner ins Leben zuruckweist. Der
»Weg« dieses Denkens, der doch »ins wirkliche Leben« hatte fuhren sollen,
geht an seinem Ziel vorbei. Er fuhrt in die »Irre«, fuhrt in »diese Gegend«,
die sich nur deshalb zu 6ffnen vermochte, weil in unablassigen Umkehrun-
gen des Gedachten, in Denkablenkungen und »gleitenden Paradoxen« das
analytische, aus starren Antithesen konstruierte Denkgebaude abgetragen
wurde. Der Dualismus des »klassischen« Paradoxes wird in ein Rad von Ab-
weichungen und Widerspruchlichkeiten aufgefachert, die nicht mehr aus
eindeutig antithetischen Begriffen, sondern aus unmerklichen Gewichts-
verlagerungen zwischen solchen Begriffspaaren - wie das Beispiel des Su-
chens und Findens gezeigt hatte - resultieren; so desavouiert die zweite
Halfte des Textes jene traditionell paradoxe Gedankenfuhrung des ersten
Abschnitts um jenes Grenz- und Niemandslandes willen, auf das Kafka mit
einer bloBen Sprachgebarde (»diese Gegend«, »dieser Ort«) hinzudeuten
suchte; dessen er sich mit einem Verfahren des Denkens bemachtigen wollte,
das freilich in den Augen des Logikers den Namen des »Denkens« noch nicht
zu verdienen scheint, sondern meist als »Gefuhl« abgetan wird. Seit Pascal
und Novalis spatestens weiB man allerdings, daB die Grenzen dessen, was
noch Denken heiBen kann, immer weiter und weiter in den Bereich des bis-
lang gefuhlshaft Unbestimmten hinausgeschoben werden 27); Kafka war
sich dessen durchaus bewuBt. Das Tagebuch stellt fest:
Die fiir andere Menschen gewiB unglaublichen Schwierigkeiten, die ich beim
Reden mit Menschen habe, haben darin ihren Grund, daB mein Denken oder bes-
ser mein BewuBtseinsinhalt ganz nebelhaft ist, daB ich darin, so weit es nut auf
mich ankommt, ungestort und manchmal selbstzufrieden ruhe, daB aber ein mensch-
liches Gesprach Zuspitzung, Festigung und dauernden Zusammenhang braucht,
Dinge, die es in mir nicht gibt. (Tgb 460f.)
Und noch entschiedener hat Kafka in einer fruheren Aufzeichnung ver-
merkt: »Besondere Methode des Denkens. Gefuhlsmamg durchdrungen.
Alles fiihlt sich als Gedanke, selbst im Unbestimmtesten.« (Tgb 310)
27) Walter Benjamin hat versucht, diese Kafka ganz eigene Art des Denkens zwi-
schen Griibelei und Zerfahrenheit anzusiedeln: »Sieht man das Tier im 'Bau' oder
den 'Riesenmaulwurf' nicht griibeln, wie man sie wiihlen sieht? Und doch ist auf
det anderen Seite dieses Denken wiederum etwas sehr Zerfahrenes. Unschliissig
79* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
II
Das Ich, so hatte sich anhand der Untersuchung des Doppelmotivs von
Suchen und Finden und seiner AuflOsung in ein unbestimmtes Raum-
Motiv (»diese Gegend«) gezeigt, muB als jener »StOrfaktor« angesehen
werden, der im ublichen Sinne »stimmiges« Denken aus seiner Bahn lenkt,
als jene »wolkige Stelle«47) im Denkgefuge, die den Leser regelmaBig in
dem Augenblick desorientiert, wo er zu verstehen glaubt - analog jenem
»Ich« im Bereich der Erzahlung, das als »Insekt« die scheinbar geordnete
Familienwelt solange stOrt, bis es entfernt wird.
Welcher Art ist nun aber diese Einmischung des Ich? In welcher Weise
wird es dennoch zum Fermentum cognitionis? Welche Konsequenzen hat
seine Einmischung, wie bezieht es Stellung im DenkgefUge? Offenbar doch
durch den Satz, den es spricht; und in dies em Satz wiederum durch Zustim-
mung oder Ablehnung, das Ja oder Nein, das es seiner Aussage impliziert.
Die Sprachwissenschaft nennt diese Determinante, die bei keinem wie auch
immer gearteten Satz fehlen kanne, Assertionsmorphem 28) - wie es scheint
nach dem Vorbild der formalen Logik und ihrem Satz des Widerspruchs,
der in Wahrheit der Satz der Widerspruchslosigkeit ist: »Er besagt, daB ein
Positivum nicht sein Negativum sein kann.«29) Fur Kafka scheint dieses
Axiom Freilich nicht zu gelten; so schreibt er in der Reihe 'Er':
Der Unterschied zwischen dem »J a« und »Nein«,das er seinen Zeitgenossen sagt,
und jenem, das er eigentlich Zu sagen hatte, durfte dem vom Tod und Leben ent-
sprechen, ist auch nur ebenso ahnungsweise fur ihn faBbar. (BK 298)
Ja und Nein, jene entschiedensten und fUr jeden unmittelbar einleuchten-
den Kategorien, geraten in diesem Text in ein merkwurdiges Zwielicht. Sie
erscheinen plotzlich nur noch als vorlaufiger Ausdruck dessen, was »eigent-
lich« zu sagen ware und worauf in dem Beispiel von Leben und Tod hin-
gedeutet wird. Es zeichnen sich verschiedene Moglichkeiten ab, Ja und
Nein zu sagen, und diese klaffen so weit auseinander wie Leben und Tod.
»Zwischen zwei Feinden, Gegensatzen, Gegensatzlichkeiten ist da ein
Drittes dazwischen, das zugleich Leere anzeigt ... « hat Rudolf Kassner an-
laBlich Kafkas einmal erklart 30). So konnte auch dieser Text verstanden
werden: Irgendwo auf der unendlichen Strecke zwischen Ja und Nein, dort,
wo gewohnliches Denken nur Leere sieht, sei fur Kafka das »eigentliche«
schaukelt es von einer Sorge zur anderen, es nippt an allen Angsten und hat die
Flatterhaftigkeit der Verzweiflung.« Schriften. - Frankfurt 1952ff. Bd. II. S. 220.
28) Dazu Harald Weinrich: Linguistik der Luge. - Heidelberg 1966. S. 48 ff.
29) Bruno Baron von Freytag gen. Loringhoff: Logik. Ihr System und ihr Ver-
hiiltnis zur Logistik. - Stuttgart und Koln 1955. (= Urban Bucher Bd. 16) S. 17.
30) Der goldene Drachen. Gleichnis und Essay. - Erlenbach-Zurich und Stutt-
gart 1957. S. 2.54.
659 Gerhard Neumann 80*
Ja und Nein zu suchen. Ebenso denkbar ware freilich auch, daB Kafka diese
beiden im Grunde nicht extremer vorstellbaren Gegensatze noch weiter aus-
einanderzusprengen, daB er jenes schlaffe, uneigentliche Ja und Nein, das
jeder Mensch unzahlige Male sagt, um eines unerhort radikaleren Ja und
Nein willen zu erschuttern sucht. Eindeutig wird der Text jedenfalls nicht.
Auch das zur Erlauterung herangezogene Beispiel von Leben und Tod
fuhrt zu keiner Klarung: denn es setzt ja keine Analogie von Leben und
Bejahung, Tod und Verneinung, wie es der trivial en Denkerwartung ent-
sprache, sondern bezeichnet bloB den Abstand verschiedener Ja- und Nein-
Moglichkeiten, wobei es wiederum von der Deutung des Abstandes zwischen
Tod und Leben abhangt, ob diese Moglichkeiten unendlich weit ausein-
anderklaffen oder eng benachbart sind. Kafka »lenkt« mit aller Konsequenz
von jeder begrifflich eindeutig bestimmbaren Antithese »ab«.
Was Kafka hier vorschwebt, wird deutlicher, wenn man eine weitere
Textstelle hinzuzieht, die in unmittelbarer Nahe der ersten steht:
Die Kraft zum Verneinen, dieser natiirlichsten AuBerung des immerfort sich ver-
andernden, erneuernden, absterbend auflebenden menschlichen Kampferorganis-
mus, haben wir immer, den Mut aber nicht, wahrend doch Leben Verneinen ist,
also Verneinung Bejahung.
Mit seinen absterbenden Gedanken stirbt er nicht. Das Absterben ist nur eine
Erscheinung innerhalb der inneren Wdt (die bestehen bleibt, sdbst wenn auch
sie nur ein Gedanke ware), eine Naturerscheinung wie jede andere, weder Frohlich
noch traurig. (BK 298f.)
Man hat immer wieder versucht, Kafkas dichterisches Verfahren als
dialektische Methode im Sinne Hegels zu entlarven 31); gewiB deutet die
umkippende Doppelformel »wahrend doch Leben Verneinen ist, also Ver-
neinung Bejahung« in diese Richtung; nimmt man aber den Text als Ganzes,
so erweisen sich die Verhiiltnisse als weit komplizierter. Kafkas Gedanken-
gange sind selten geradlinig oder bloB umkehrend, sondern »reflektierend«
im ursprunglichen Sinne wiederholter Brechungen. Kafka setzt ZUllachst
das Verneinen als menschliche Lebenskraft, widerruft aber im nachsten
Satzteil diese Kraft durch den Hinweis, daB dem Menschen der Mut zu ihr
fehle; daran knupft er dann die pseudo-paradoxe 32), chiastisch verklam-
31) So etwa Max Bense a.a.O. S. 72ff. Er stellt fest, »daB die spezifisch kafkasche
Reflexion sich stets durch ein gleichzeitiges Auftreten cartesischer und hegdscher
Gedankenbewegungen auszeichnet.« (S. 72) Martin Walser spricht vorsichtiger von
»Behauptung« und »Aufhebung«, blickt dabei aber doch wohl auch auf Hegel zu-
rtick. (A. a. O. S. 86, 93) Kafka se1bst hat sich an1a!3lich Kierkegaards von diesem
»zum Positiven umkippenden Negativen« (Ho 121) distanziert.
32) Ein »klassisches« Paradox mtiBte lauten: Leben ist Verneinen und Bejahen.
Kafka verwanddt die Starre des herkommlichen Paradoxes in ein Gleiten: Leben
wird als Verneinen definiert; das Produkt dieser Definition, die »Verneinung«,
wird dann probeweise ins Gegenteil verkehrt.
81* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
merte Doppelformel yom Leben als Verneinung an; schon mit dem ver-
kniipfenden »wahrend doch« beginnt das logische Gefiige zu zerbrockeln,
mit dem »also« zerbricht es vollends. Die zweite Halfte des Textes, die die
1ch-Chiffre »Er« einfiihrt, konnte wiederum als Beispiel fiir das zuvor Ge-
sagte aufgefaBt werden. Wieder ist jedoch das »Beispiel« nicht analoge
Umsetzung, sondern weiterfiihrendes Umwenden der Grundkonstellation
von Ja und Nein und der zwischen beiden Polen liegenden Bejahungs- und
Verneinungsmoglichkeiten 33); wiederum spielt Kafka das Ja und Nein
in die Bildsphare des Lebens und Todes hiniiber. Dieser Nachsatz, der auf
den ersten Blick wie eine Erlauterung des ersten anmutet, ist doch nichts
weniger als klarend. »Absterbende Gedanken« bezieht sich zwar augen-
scheinlich auf die »Kraft zum Verneinen«, die ein Symptom des »absterben-
den und absterbend auflebenden menschlichen Kampferorganismus« ist;
ein alsbaldiges Umschwenken des Gedankens aber deutet das Absterben als
Erscheinung der inneren Welt, die offenbar dauerhafter ist als die »aufiere«;
eine neuerliche Ablenkung des Gedankenzuges bezeichnet dieses »Abster-
ben« (das ja nunmehr durch einen standigen ProzeB des Umwertens nega-
tiv und positiv zugleich geladen erscheint) als vollig normale »Natur-
erscheinung« ohne jede sei es nun positive oder negative Bewertung. 1m
Grunde laBt sich auch hier die schon mehrfach registrierte Beobachtung
machen, daB ein moralistischer Ansatz - Erwagungen iiber die Lebens-
schwache in ihren vielfachen Verflechtungen mit dem Geist und seinen
schopferischen Kriiften, wie sie so ahnlich auch bei Amiel oder Schopen-
hauer hatten auftauchen konnen - nicht zur Erkenntnis fiihrt, sondern zu-
nehmend in Verwirrung kommt, sobald das Ich (hier in Form der Chiffre
»Er«) in den Denk- und KlarungsprozeB hineingerat. Denkwiderspriiche
gerinnen nicht nur zum Paradox, sondern werden in einer Folge weiterer
Denkablenkungen zunehmend aufgelost. Die Rede Kafkas ringt sich nicht
mehr zu einem gewissermaBen biblischen Ja, ja - Nein, nein (Matth. 5,37)
durch, sondern sucht im logisch scheinbar irrelevant en Bezirk zwischen die-
sen beiden (nach den iiblichen Denkgesetzen einzig moglichen) Bestimmun-
gen nach anderen, weder terminologisch noch gedanklich ohne weiteres zu-
ganglichen.
DaB mit dieser »Zwischenlosung« nicht die von Hegel entwickelte
dialektische Denkbewegung gemeint ist 34), laBt sich am Gegenbeispiel
eines Hegelschen Textes zeigen. So heiBt es in der 'Phanomenologie' :
33) Walter Benjamin hat als erster auf diese Antigleichnisse, ihren Zitat- und Er-
lauterungscharakter ohne endgtiltige Stringenz hingewiesen. (A. a. O. Bd. II.
S. 208, 210) Zu dem »Nicht-hell-Werden« durch »Beispiele« vgl. auch Ernst Bloch:
Spuren. - Berlin und Frankfurt 1962. Insbesondere 'Motive der Verborgenheit'
(148-160) und das darin tiber die chassidischen Legenden Gesagte.
34) Vgl. dazu Emrich a.a.O. S. 70; ferner die schon genannte Stelle (Ho Hof.}
wo Kafka die kierkegaardsche Dialektik zurtickweist.
47
659 Gerhard Neumann 659
Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste,
und das Todte festzuhalten, das, was die groilte Kraft erfordert ... Aber nicht das
Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwiistung rein bewahrt, son-
dem das ihn ertragt und in ihm sich erhalt, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt
seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese
Macht ist er nicht, als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie
wenn wir von etwas sagen, dieil ist nichts oder faisch, und nun, damit fertig, davon
weg zu irgend etwas anderem iibergehen; sondem er ist diese Macht nur, indem er
dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die
Zauberkraft, die es in das Seyn umkehrt 35).
Auch Hegel spricht von der Lebenskraft, auch er konfrontiert Tod und
Leben als »Beispiele« fUr das Positive und Negative, auch er sieht, daB der
»Gedanke« die Gegenkraft ist, die sich am Tod absterbend und auflebend
bewahrt, auch er versucht, das Widerspriichliche in ein Verhiiltnis zu setzen.
Sein Verfahren unterscheidet sich aber von dem Kafkas dadurch, daB es
zum Ziel fUhrt, daB ihm dieses 1ns-Verhiiltnis-Setzen auch gelingt. Sein Den-
ken schreitet von der Negation fort zum Widerspruch und yom Widerspruch
zur Umkehrung und Verwandlung in die dialektische »Ordnung«.36) Der
entscheidende Punkt, an dem die beiden Texte voneinander abweichen, liegt
da, wo Kafka »Er« sagt, Hegel »Geist«. Der »Geist« entbindet aus sich die
»Zauberkraft«, mit der das »Negative« in das Sein gehoben wird; Kafkas
Ich-Chiffre »Er« tastet sich in stiindig von neuem unternommenen Umkeh-
rungen und Denkabweichungen zwischen die Antithesen Ja und Nein hin-
ein, ohne sich je einer Denkbewegung vollig zu versichern, die den »Unter-
schied zwischen dem Ja und dem Nein« zu fassen vermochte.
1mmer wieder sucht Kafka in seinem Denken einen Ausweg aus diesem
Dilemma der verschiedenen Ja- und Nein-Moglichkeiten, denen er sich zwar
unter dem Exempel von Leben und Tod zu niihern sucht, die aufzulosen er
aber nie die Kraft findet. Zwei extreme Beispiele mogen das deutlich ma-
chen. Das eine erwiigt die Moglichkeit volliger 1dentifikation beider Ex-
treme, das andere sucht den Sprung aus der Verklammerung des Paradoxes
heraus.
Das erste Beispiel steht in den 1917-19 18 entstandenen 'Betrachtungen':
Der Tod ist vor uns, etwa wie im Schuizimmer an der Wand ein Bild der Alexan-
derschlacht. Es kommt darauf an, durch unsere Taten noch in diesem Leben das
Bild Zu verdunkeln oder gar auszuloschen. (Ho 50)
Wiederum werden Tod und Leben konfrontiert; wieder geraten sie in
die Auseinandersetzung von Negation und Position, freilich geht hier das
Werten und Umwerten sehr viel glatter vor sich, da nicht mehr Gedanken-
folgen, sondern Bildkomplexe in gleitende Bewegung geraten.
47·
72.0 Gerhard Neumann 659
bis an den Rand der Vernichtung (der Verdunklung oder gar des AuslOschens)
durch Se1bstaufgabe, durch ein Zusammenfallen und Ineinanderaufgehen
von Bild und Ich ist eine der Moglichkeiten Kafkas auf der Suche nach dem
Ja und Nein, das er »eigentlich zu sagen hatte«. (BK 298)
Die andere Moglichkeit ist weniger bildlicher, als szenischer Art; cha-
rakteristisch dafur ist die Betrachtung Nr. 13:
Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch Zu sterben. Dieses Le-
ben scheint unertraglich, ein anderes unerreichbar. Man schamt sich nicht mehr,
sterben zu wollen; man bittet, aus der alten Zelle, die man haBt, in eine neue ge-
bracht zu werden, die man erst hassen lernen wird. Ein Rest von Glauben wirkt
dabei mit, wahrend des Transports werde zufallig der Herr durch den Gang kom-
men, den Gefangenen ansehen und sagen: »Diesen sollt ihr nicht wieder ein-
sperren. Er kommt zu mir.« (Ho 40)
Der Grundri.f3 dieser Betrachtung ist der gleiche wie in den vorher-
gehenden Beispie1en. Das Leben gerat in die Zerrei.f3probe zwischen das
Unertragliche und das Unerreichbare; es geht uber in den Todeswunsch.
Der Proze.f3 der Umkehrung, im vorigen Beispiel als Bildosmose beschrie-
ben, gestaltet sich hier als szenisches Fragment: Transport eines Gefange-
nen aus einer Zelle in die andere, wobei das Hier dem Dort offenbar zum Ver-
wechseln ahnlich ist. In diesen »Handlungsablauf« - und das ist das Neue an
diesem Text - bricht etwas unvermittelt ein. Es erfolgt, wenn auch zunachst
nur als eine mit einem Rest von Glauben erhoffte Moglichkeit, ein Eingriff.
Der »Herr« - wer auch immer das sein mag - konnte sich einmischen, konnte
unvermittelt den Vorgang aufhalten und Abhllfe schaffen. Er konnte sagen:
Dieser kommt zu mit. Die Kette der Umkehrungen, des immer wieder er-
wogenen Zellenwechsels, der weder dialektische Spannung noch volligen
Ausgleich zula.f3t, wird unterbrochen. Der Gefangene - Kafka betrachtet
auch das »Man« (1) als eine Ich-Chiffre (2) -, der diesen Proze.f3 des permanen-
ten Zellenwechsels nicht hat Zur Ruhe kommen lassen, und den auch umge-
kehrt dieser ProzeB nicht zur Ruhe kommen lie.f3, wird aus diesem heraus-
genommen; darauf tritt Ruhe ein. Wie das Ich jenes Ferment ist, das die
»logischen« Ablaufe kafkascher Texte stOrt und das als gleitendes Paradox
durch die gedankliche und bildliche Struktur seiner Werke geistert, so lost
sich dieser Zwang zur Umkehrung, sobald das Ich eliminiert wird:
Er hat zwei Gegner: Der erste bedrangt ihn von hinten, vom Ursprung her. Der
zweite verwehrt ihm den Weg nach vorn. Er kampft mit beiden. Eigentlich unter-
stiitzt ihn der erste im Kampf mit dem Zweiten, denn er will ihn nach vorn dran-
gen und ebenso unterstiitzt ihn der zweite im Kampf mit dem Ersten; denn er
treibt ihn doch zuriick. So ist es aber nur theoretisch. Denn es sind ja nicht nur die
zwei Gegner da, sondern auch noch er selbst, und wer kennt eigentlich seine Ab-
sichten? Immerhin ist es sein Traum, daB er einmal in einem unbewachten Augen-
41) Ho 8.
42) »Meine Gefangniszelle - meine Festung.« (Ho 421)
659 Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
bIick - dazu gehort allerdings eine Nacht, so finster wie noch keine war - aus der
KampfIinie ausspringt und wegen seiner Kampferfahrung zum Richter tiber seine
miteinander kampfenden Gegner erhoben wird. (BK ,00)
OS) Emrich hat dieses »stOrende« Element aus der Sicht der Dinge und der Tiere
heraus zutreffend beschrieben als »Fremdheit« (befreiend - heilend - todIich) a. a. O.
S. 9z ff. In seinem Aufsatz 'Die Bilderwelt Franz Kafkas' zitiert er den entscheiden-
den Satz: »Immer, Heber Herr, habe ich eine Lust, die Dinge so zu sehen, wie sie
sich geben mogen, ehe sie sich mir zeigen. Sie sind da wohl schon und ruhig.« Ak-
zente 7 (1960) S. 17Z-19I. Zitat S. 173.
") Damit mag seine Neigung zu Ding- und Tiergeschichten zusammenhangen,
in denen sich die Frage des Ich nicht in dieser Weise stellt. V gl. Emrich a. a. O.
S. 115 ff.
7 22 Gerhard Neumann 86*
III
Nun ist es bezeichnend, daB Kafka dieses Heraustreten aus den herkomm-
lichen formalen Gesetzen des Denkens nicht radikal werden laBt; er zerstort
- zumindest fiir den fliichtig Lesenden - weder das semantische noch das
grammatikalische oder syntaktische Gefiige seiner Texte (wie das die Auto-
ren des Expressionismus und des Dadaismus versuchten); es geht ihm viel-
mehr darum, durch iiberaus minuziose Verfolgung konventioneller Denk-
ablaufe an jenen Punkt zu gelangen, wo sie versagen. Er zeigt seine Figuren
immer wieder dann, wenn sie verzweifelte Anstrengungen machen, das Ge-
schehen auf »normalem« Denkweg zu begreifen und auf konventionelle,
immer wieder mogliche MiBverstandnisse zuriickzufiihren; sie hoffen bis
zum SchluB, daB sich bei richtigem Nachdenken am Ende doch noch alles
klaren wiirde. Der 'ProzeB' etwa ist von K. aus gesehen nichts weiter als ein
Denk-ProzeB, dem er sich mit groBter Gewissenhaftigkeit unterzieht (5).
Aber diese Denkbemiihungen haben bei Kafka verschleiernde Funktion.
Dem scharf Beobachtenden erschlieBen sich die Unstimmigkeiten und Ab-
lenkungsmanover, mit denen Kafka den Leser in jenen Bereich hiniiber-
fiihrt, wo alle starre Begrifflichkeit ins Gleiten kommt; er bedient sich dazu
bald der semantischen Verschiebung, bald der Zitatentstellung, bald der ent-
fremdenden Metapher.
Die semantische Verschiebung fiillt dabei vielleicht am wenigsten ins
Auge. Zwei Beispiele solcher fast unmerklicher Bedeutungsentfremdung
45) Das 7. Kapitel des 'Prozesses' ist ein solcher Versuch, das Unbegreifliche
»zurechtzudenken«.
87* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 723
des erwarteten Verbs »fiihrt« durch das erweiterte »verfiihrt« lenkt von der
erhofften Einsinnigkeit des Satzes abo Inwiefern, so fragt man sich, ist dieses
Schwenken der Beobachtungsrichtung von auBen nach innen eine »Verfiih-
rung«? Zwar scheint es zunachst, als wolle Kafka mit diesem Wort die
Selbstbeobachtung zugunsten eines nach auBen gerichteten menschenkund-
lichen Interesses entwerten (8); die Betrachtungen Nr. 7, II und 105 zwin-
gen freilich zu einer differenzierenderen Vberlegung. »Das Verfiihrungs-
mittel dieser Welt«, hellit es da,
sowie das Zeichen der Burgschaft dafur, daB diese Welt nur ein Ubergang ist, ist
das gleiche ... Das Schlimmste ist aber, daB wir nach gegluckter Verftihrung die
Blirgschaft vergessen und so eigentlich das Gute uns ins Bose, der Blick der Frau
in ihr Bett gelockt hat. (Ho 53)
Wieder werden negative und positive Bestimmung an ein und demselben
Sachverhalt erprobt; man wird sich aber hiiten miissen, dieses Verfahren
ohne weiteres als dialektisch zu bezeichnen. Es erfolgt nicht einfach ein Um-
schlagen ins »Gegenteil«; eine Bestimmung gleitet vielmehr nahezu beilau-
fig in eine andere hiniiber: Das Erkenntnisproblem verschiebt sich unver-
merkt in den ethischen Bereich. Aus dem »fiihren zu« des konsequenten
Denkens, aus dem »iiberfiihren in« des dialektischen Denkens wird das
»verfiihren zu« des kafkaschen Verfahrens. Fiir ihn ist Erkenntnis ein ethi-
sches, damit aber ambivalentes, auf der Grenzscheide zwischen Gut und Bose
angesiedeltes Problem; niemand hat sich den Mythos yom Baum der Er-
kenntnis und der Verfiihrung durch die Schlange so zu eigen gemacht wie
er (9). Damit verliert aber das Denken als Akt der Erkenntnis seine Indiffe-
renz und Einlinigkeit, es wird notwendig ablenkbar; auBerdem erhalt es
ein gefahrliches Korrelat: das Tun 50). Dieses aber definiert Kafka als Selbst-
zerstorung. Erkenntnis, die zur Selbsterkenntnis wird, schlagt um in Tun;
der Selbstbezug wird zum Selbsturteil und zum Selbstgericht. Die Vollstrek-
kung des Urteils kann aber nichts anderes sein als die Vernichtung dieses
Selbst. Dies ist es, was die Deuter Kafkas immer wieder als das »Existentielle«
in seinem Werk gefesselt hat. Dies ist es auch, was ihn von allen Moralisten
mit Ausnahme Pascals unterscheidet; die »Konsequenz« seines Denkens ist
nicht formal stimmig und damit letztlich naturwissenschaftlich-menschen-
beobachterisch gelenkt (er ist kein Linnaeus der menschlichen Leidenschaf-
ten 51). Seine Erkenntnis steht unter dem Gesetz des ethischen Dualismus
48) Wie dies etwa Goethe getan hat. Goethes poetische Werke. Vollstandige
Ausgabe. - Stuttgart ohne Jahr. (Cotta) Bd. 8. S. 1372. (Bedeutende Fordernis
durch ein einziges geistreiches Wort.)
49) Z.B. Betr. Nr. 64, 65, 74, 82, 83, 84, 86.
50) 1m folgenden wird die Betrachtung Nr. 86 paraphrasiert.
61) Friedrich Schiller: Samtliche Werke. - Munchen 1960. 2. Auflage. Bd. V.
S. 13.
659 Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
von Gut und Bose und der ganzen Skala von Abschattierungen zwischen
beiden Extremen: »Bose ist das, was ablenkt« (Ro 84); das nach Erkenntnis
strebende Ich geistert zwischen ihnen hin und her, ohne je einen Standort
zur Beurteilung zu gewinnen, fiihrt im stets wiederholten, gleitenden Ober-
gang des Erkennens in Tun zu Selbstgericht und Selbstzerstorung. Dieser
Selbstzerstorung sucht das menschliche Denken Freilich auszuweichen. Es
ist nun bezeichnend, daB Kafka als Formen solcher Ausflucht gerade die
»Motivationen« des Menschen nennt, also das unerbittlich strenge und
konsequente Denken. Wortlich heiJ3t es in dem bislang paraphrasierten Text
(Ro 49f.):
Vor diesem Versuch nun fiirchtet er sich; Heber will er die Erkenntnis des Guten
und Bosen riickgangig machen ... aber das Geschehene kann nicht riickgangig ge-
macht, sondern nur getriibt werden. Zu dies em Zweck entstehen die Motivationen.
Die ganze Welt ist ihrer voll, ja die ganze sichtbare Welt ist vielleicht nichts an-
deres als eine Motivation des einen Augenblick lang ruhenwollenden Menschen.
Ein Versuch, die Tatsache der Erkenntnis zu falschen, die Erkenntnis erst zum Ziel
zu machen.
Das heiBt aber: Alles Denken und Erkennen, das nach streng formalen
Denkgesetzen - hier dem Kausalitatsprinzip - vor sich geht, ist Falschung
der Erkenntnis; erst wo das Denken zu Umkehrungen und gleitenden Para-
doxien greift, schafft es Moglichkeiten der Einsicht, wird das formale Ja
und Nein zum »eigentlichen Ja und Nein, das der Mensch zu sagen hatte«.
Jetzt erst wird deutlich, welche Konsequenzen sich aus dem Satz, der Ver-
kehr mit Menschen verfiihre zur Selbstbeobachtung, ergeben; die Verfiih-
rung besteht eben in jenem gefahrlichen Erkenntnisverfahren der Denk-
ablenkungen, Verkehrungen und gleitenden Paradoxa des Sich-Einlassens
auf ein durch herkommliche logische Gesetze nicht gestiitztes, in seinen Ab-
laufen noch nicht beschreibbares Denken, das letztlich zur Selbstzerstorung
fiihren muB, zu jener Elimination des Ich aus dem DenkprozeB, jenem Rer-
ausspringen aus der Totschlagerreihe, das Kafka in seinen Dichtungen zu
gestalten suchte.
1m dritten Oktavheft hat Kafka diesen Gedanken der Selbsterkenntnis,
die Selbstzerstorung ist, wenn sie nicht in Motivationen ausweicht, in allen
Phasen entwickelt:
Erkenne dich selbst, bedeutet nicht: Beobachte dich. Beobachte dich ist das Wort
der Schlange. Es bedeutet: Mache dich zum Herrn deiner Handlungen. Nun bist du
es aber schon, bist Herr deiner Handlungen. Das Wort bedeutet also: Verkenne
dich! Zerstore dich! also etwas Boses - und nur wenn man sich sehr tief hinab-
beugt, hort man auch sein Gutes, welches lautet: »Um dich zu dem zu machen,
der du bist.« (Ho 80)
In wiederholten Umkehrungen von Setzung und Aufhebung 52), Position
und Negation, Definition und Einschrankung (Selbsterkenntnis ist nicht
52) Vgl. dazu Martin Walser a.a.O. S. 86, 93.
659 Gerhard Neumann 659
53) Fritz Schaufelberger hat dies als die »magische Kraft« des kafkaschen Parado-
xes bezeichnet. A.a.O. S. 12f.
54) Sie ist ein gelaufiges Mittel der deutschen Aphoristik seit Lichtenbergs be-
riihmtem »Non cogitant, ergo non sunt.« Georg Christoph Lichtenbergs Aphoris-
men. Hrsg. Albert Leitzmann. - Deutsche Literaturdenkmale des I8. und I9. Jahr-
hunderts. Berlin I902-I908. J 362.
55) Nach einem vergleichbaren Mechanismus verfahrt auch die folgende Auf-
zeichnung: »Um was klagst du, verlassene Seele? Warum flatterst du urn das Haus
des Lebens? Warum siehst du nicht in die Ferne,die dir geh6rt, statt hier zu kamp-
fen urn das, was dir fremd ist? Lieber die lebendige Taube auf dem Dach, als den
halbtoten, krampfhaft sich wehrenden Sperling in der Hand.« (Ho 237)
56) Wesen und Formen a.a.O. S. 101.
57) Zum Verstandnis vgl. Betr. Nr. 2 und 3 mit I09 (zweite Halfte).
58) Heiss: Wesen und Formen a.a.O. S. 24: »Der Wahrheitsbegriff der Logik
hangt also daran, dan etwas eindeutig bestimmbar ist.« Die Logik »erkennt im
Grunde nur jene Bewegung an, in welcher der Bewegungsvollzug zur Eindeutig-
keit ftihrt und von ihr ausgeht.« (S. 12of.)
659 Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 659
male Logik keine Kenntnis genommen hat. Die konsequent logische Form
in diesem Sinne stellt eine radikale Verkurzung und Einengung des Denkens
dar 59).
Eines ahnlichen Verfahrens bedient sich Kafka in jenem vielzitierten
Beispiel 60): »Wir graben den Schacht v~)O Babel« (Ho 387); hatte die
Sprichwortentstellung ihr Ziel durch Satzparallelisierung erreicht, so liegt
hier so etwas wie ein Palimpsest vor; hinter »graben« klingt »bauen« mit,
hinter »Schacht« »Turm«, hinter dem »wir« stehen die »Babylonier« der
biblischen Oberlieferung (I. Mos. 11,4-9); Kafka kehrt den uberlieferten
Sachverhalt um 61); indes geschieht dies auch hier nicht im Sinne einer bloBen
Verkehrung ins Gegenteil. Durch zunachst kaum wahrnehmbare Verschie-
bungen wird der Leser von dem traditionellen Bedeutungsfeld abgelenkt.
Kafka vereinigt eine ganze Reihe von Bedeutungen in dies em einen Motiv.
Das laBt sich allerdings erst dann nachweis en, wenn man verschiedenen
Umformungen nachgeht, die das Motiv des »babylonischen Turms« bei
Kafka durchlauft. GewiB versucht Kafka so etwas wie einen Widerruf jenes
hybriden Turmbaus, gewiB sucht er einen Weg in tiefere Schichten 62). Das
»Palimpsest« solI aber doch in erster Linie die gelaufigen Auslegungen von
dem Motiv wegdrangen: Himmelssturm, hybride Aktivitat, Sprachver-
wirrung (auf die, wohl weil sie so »naheliegt«, bei Kafka nirgends hinge-
wiesen wird) spielen fur Kafkas Umwertung des Motivs keine entschei-
dende Rolle. So verkehrt schon eine fruhe Briefstelle die vertikale Bewe-
gung in ein richtungsloses Innen: » ... was ich gestern zeigte ... ist naturlich
nur der Vorgang in einem Stockwerk des innern babylonischen Turms, und
was oben und unten ist, weiB man in Babel gar nicht.« (Br II9) Entschei-
dend ist dabei die Auflosung der gelaufigen Raumbestimmungen, wenn
auch nicht des Raumes selbst 63). Er iihnelt in seiner Unbestimmtheit jenem
bloB noch durch die Gebarde bezeichneten Raum, der im Zusammenhang
des »Suchen und Finden«-Motivs beschrieben wurde (»diese Gegenden«).
Eine andere Form destruktiver Umkehrung des Turm-Motivs erscheint
59) Ebda S. I I I-I 13; »Das Formengefiige der Sprache ist reicher als jenes der
Logik. Die Bewegungsformen der Sprache sind in der VielfOrmigkeit ihrer Be-
wegung nicht jenem Gesetz des logischen Aufbaus, des logischen Folgerns unter-
tan, das die Logik entwickelt hat.« (S. 122). Als Gegenstimme hierzu vgl. Wais-
mann, Anm. 23.
60) Vgl. vor aHem Friedrich Beissner: Der Schacht von Babel. Aus Kafkas
Tagebuchern. - Stuttgart 1963. Ferner Emrich a.a.O. 189ff.
61) Heinz Politzer hat auf die Sinnverkehrung in dem kafkaschen Schlusselwort
'Bau' hingewiesen, a.a.O. S. 454.
62) Beissner, Schacht a. a. O. S. 34.
63) Hierher gehort wohl auch die Variante des ins Vertikale verkehrten anfang-
und endlosen Tunnels (Ro 73), die Variante der Doppelgestalt (BK 315) und des
Versinkens im Schacht (Tgb 384).
659 Gerhard Neumann 659
Der wahre Weg geht tiber ein Seil, das nicht in der Hohe gespannt ist, sondern
knapp tiber dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als be-
gangen zu werden. (Ho 39)
Kafka setzt mit seiner Denkbewegung wie so haufig bei Vertrautem ein.
Der »Weg« ist eines der zentralen Motive der Bibe1, taucht dort an die vier-
hundertmal auf. Kafka benutzt die ge1aufige Vorstellung yom breiten Weg,
der zur Holle fuhrt, und dem schmalen, der der »wahre« ist 66), zu einer meta-
phorischen Transposition in das bei ihm ge1egentlich auftauchende Zirkus-
milieu 67). Die beinahe schon zum Begriff verblaBte Vorstellung des »Weges«
wird damit zunachst in einen deutlichen Bildzusammenhang gesetzt. Sie
wird wortlich genommen - und dann, durch eine plotzliche Drehung, um-
gesturzt. Das Bild gleitet in eine paradoxe Vorstellung hinein: das Seil, als
ein wenn auch schmaler Weg gedacht, wird zum quer gespannten Stolper-
draht. Wie der erste Schritt kafkaschen Denkens die Auflosung herkomm-
licher Denkschemata betrifft, so lockt auch das kafkasche Bild von ge-
laufigen und »erwarteten« Vorstellungen weg; es erzwingt eine Abwendung
yom »wirklichen«, der Erfahrung nach »stimmigen« Sachverhalt. Dabei
bleibt der konventionelle Bedeutungsbezug (die symbolische oder allego-
rische Ladung 68)) aus. Es wird nicht gesagt, woher der Weg kommt, nicht,
wohin er fUhrt, schon gar nicht, ob er etwas bedeutet, sondern nur dies, daB
er ungangbar »scheint«. Der zweite Satz der Betrachtung, der sich in die-
sem »scheint« als Deutungsversuch des ersten zu erkennen gibt, widerruft
die Definition dieses ersten Satzes, lenkt von der eingeleiteten Denk- und
Bildbewegung abo Bild und Gedanke zeugen von derse1ben »Konsequenz«
des Denkens, nach der Robinson gefunden wird, wenn er »nicht sucht«.
Diese Desorientierung des Lesers mit dem Zie1, durch die Zerstorung der
Bildvorstellung und die Pervertierung herkommlicher Denkablaufe einen
Verstehensraum zu offnen, in dem Kafka seine eigene »Konsequenz des Den-
kens« zu entwickeln vermag, ist in dem Text 'Von den Gleichnissen' gerade-
zu programmatisch gestaltet worden 65).
Nirgends wird diese eigenartige »Konsequenz des Denkens« deutlicher
als dort, wo Kafka die eben beschriebene Pseudo-Metaphorik nicht mehr
bloB in einen Text einbaut, sondern isoliert und um des in ihr wirksamen,
fUr seine Denkweise so typischen Bezuges willen herausstellt, wie in der Be-
trachtung Nr. 87: »Ein Glaube wie ein Fallbeil, so schwer, so leicht.« (Ho
50) 69) Offenbar kommt es ihm hier bloB noch auf diese besondere Art der
»Beziehung« an, die zwischen den beiden Polen des »Bezeichneten« und des
»Bezeichnenden« innerhalb des metaphorischen Verhaltnisses besteht, eine
Beziehung, die nicht Ahnlichkeiten ausdruckt, sie auch nicht stiftet, sondern
der Entfremdung dient, die zur Annulierung des Bezuges fuhren kann. Der
Vergleich Glaube - Fallbeil ruckt fur die gelaufige Assoziationstradition
in die Nahe des Oxymorons; Paradoxien des Glaubens sind unter den ver-
schiedensten Voraussetzungen von Sebastian Franck und Pascal bis bin zu
Kierkegaard belegt 70). Aber Kafka laBt es bei dem einen, auf den ersten
Blick verbluffend und geistreich scheinenden Paradox des Glaubens, der
einem Fallbeil gleicht, nicht bewenden. Er faltet das Unvereinbare in ein
neues Paradox auseinander; indem er das Unbegreifliche der Zusammen-
stellung von Glaube und Fallbeil erlautert (»so schwer, so leicht«), des-
orientiert er den Leser erst recht. Freilich geschieht dies in verschiedener
Weise; einerseits laBt sich der Satz als »klassisches« Paradox lesen 71), als
scheinbar widersinnige Aussage, die sich bei naherer Betrachtung als rich-
tig erweist: Je schwerer das Fallbeil ist, desto leichter sturzt es herab. Die
Erliiuterung »so schwer, so leicht« laBt sich ohne weiteres freilich nur auf das
Fallbeil beziehen, nicht so zwangslos auf den Glauben; dadurch drangt sie
aber diesen unvermerkt aus dem Blickfeld des Lesenden. Die oberfliichliche
Stimmigkeit der Behauptung, ein Fallbeil sei um so leichter, je schwerer es
sei, lenkt von dem Grundbezug Glaube - Fallbeil, der doch ursprunglich
gesetzt war, abo Nun ware es aber gerade nicht in Kafkas Sinne, wenn sich
der Leser bei dieser oberfliichlichen, die tiefere Beziehung verstellenden
Stimmigkeit beruhigte. Der zweite Versuch, den Satz zu lesen, muB dies ge-
gen die rhetorische Verschleierung tun, er muB von der entfremdenden
Funktion der Kafkaschen Metaphorik ausgehen. Zwar stiftet das nachtrag-
lich dem Verhaltnis Glaube - Fallbeil pradizierte Paradox des »Schwer-
und-leicht-seins« eine vordergrundige Gemeinsamkeit; diese Gemeinsam-
keit aber wird sofort als ablenkende Motivation (Ho 49) erkannt, sobald
man den zugrundeliegenden Vergleich scharfer ins Auge faBt. Der Glaube
wird zur Guillotine verkehrt, das vordergrundige, los bare Paradox wird
durch das ihm zugrundeliegende, unlosbare fOrmlich »gekopft«. Jede Re-
duktion ist fur Kafka eine Komplikation; der vertrautere Widerspruch lenkt
von dem unvertrauten nur solange ab, bis der desorientierte Leser um so
72) »Es gibt so viele Moglichkeiten des Lebens, und in allen spiegelt sich nur
die eine unentrinnbare Unmoglichkeit der eigenen Existenz.« (J anouch S. 108); zu
dec Stelle Ho 3I 3 vgl. die Arbeit von Hillmann, a. a. O. S. 125 f.
732 Gerhard Neumann 659
IV
73) Zu dem Spielzeug, auf das Kafka hier anspielt, vgl. Max Brods Anm. Tgb.
701 (= »Lebensrad«).
74) Kafka selbst gebraucht das Wort nie; ein einziges Mal (Ho 360) findet sich
der Terminus »Spruch«.
97* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 733
(BK 294), »Konsequenz des Denkens« (BK 297), »Paradox« (Ho 124), »Moti-
vation« (Ho 49) finden sich in den Romanen und Erzahlungen kaum. Den-
noch bleibt Kafkas eigentiimliche Denkform des gleitenden Paradoxes (mit
den damit eng verkniipften Verfahren der Ablenkung und Umkehrung)
nicht auf die aphoristischen Texte beschrankt. Umkehrung und Ablenkung
erweisen sich als Stilgesetze der kafkaschen Prosa iiberhaupt 75). Das hatte
sich im Laufe der Untersuchungen schon anhand der Kafkaschen Metapho-
rik und ihres Mechanismus zeigen lassen 76). In welcher Verwandlung dieses
Gesetz in einem Text wirksam wird, der iiber das MaB des Aphorismus hin-
ausgeht 77), mag an dem merkwiirdigen Phanomen dessen gezeigt werden,
was Kafka »Bild« nennt. Dazu einige Voriiberlegungen.
Es gibt eine ganze Reihe von AuBerungen Kafkas zum Problem des Bil-
des. Dabei stellen sich Widerspriiche ein. So berichtet Gustav Janouch, Kaf-
ka habe ihm gestanden, seine Geschichten seien »Bilder, nur Bilder« 78); seine
Zeichnungen habe er als »ganz personliche Bilderschrift« (J 79) angesehen,
deren Sinn er nach einiger Zeit nicht mehr zu entziffern vermoge; diesen
AuBerungen widersprechen allerdings andere; so sagt Kafka nach dem Zeug-
nis der gleichen Quelle: »Wir J uden sind eigentlich keine Maler. Wir konnen
die Dinge nicht statisch darstellen.« (J 90) Nun erfahren diese widerspriich-
lichen Aussagen alsbald gewisse Einschrankungen. So kommt Kafka in
diesem Zusammenhang gern auf die Photographie zu sprechen; einem Ein-
wand Janouchs, die Vorbedingung des Bildes sei doch das Sehen und eine
Vorlage, halt er entgegen: »Man photographiert Dinge, urn sie aus dem
Sinn zu verscheuchen. Meine Geschichten sind eine Art von Augen-
schlieBen.« (J 25); und ahnlich reagiert er auf die Frage, ob ein Bild wirk-
lichkeitsgetreu sei wie eine Photographie: »Was falIt Ihnen ein? Nichts kann
Sie so tauschen wie eine Photographie.« (J 91) Vergleichbares sagt er vom
Film: »Das Kino stOrt aber das Schauen ... Filme sind eiserne Fensterladen.«
(J 93) »Das Kino gibt clem Angeschauten die Unruhe seiner Bewegung, die
76) Es spricht manches daftir, daB sich auch die Erzahlungen und Romane Kaf-
kas auf dieses Stilprinzip hin interpretieren lassen. Man denke etwa an folgende
Texte: Der neue Advokat (Erz 145ff.), Auf der Galerie (Erz I 54ff.), Vor dem Ge-
setz (Erz 158ff.), Das nachste Dorf (Erz 168ff.), Eine kaiserliche Botschaft (Erz
169ff.), Ein Bericht fUr eine Akademie (Erz 184ff.), Die Wahrheit Uber Sancho
Pansa (Ho 76f.), Das Schweigen der Sirenen (Ho 78ff.), Prometheus (Ho 100).
76) Dberhaupt scheint die Tendenz der Literaturwissenschaft dahin zu gehen,
zwischen »Dichten« und »Denken« nicht mehr schematisch zu unterscheiden; frei-
lich nicht im Sinne einer kritiklosen Vermischung, sondern aus der Einsicht her-
aus, daB der Begriff des Denkens weiter zu fassen sei, als es die formale Logik zu er-
lauben scheint.
") Heinz Politzer hat mit Recht darauf hingewiesen, daB Kafka »in den 'Be-
trachtungen' .. , die gedankIichen Grundstrukturen seiner Erzahlungen nachge-
zeichnet hat.« (A. a. O. S. 23)'
78) Janouch S. 25 (= im Text kiinftig zitiert als J.).
659
734 Gerhard Neumann 659
Ruhe des Blickes scheint wichtiger ... Warum gibt es keine Vereinigung von
Kinema und Stereoskop ... ?« (Tbg 593f.)79) Diese einander widersprechen-
den AuBerungen £lnden ihre Bestatigung in fragmentarischen Aufzeich-
nungen aus dem Band 'Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande'; auf der
einen Seite schreibt Kafka: »Nichts, nur Bild, nichts anderes, vollige Ver-
gessenheit« (Ho 349), auf der anderen heiBt es (nach 3. Mos. 26, I): »lhr
sollt euch kein Bild - ... « (Ho 352); und Walter Benjamin bestatigt: »Kein
Dichter hat das 'Du sollst dir kein Bildnis machen' so genau befolgt.«80)
Seltsamerweise scheint das negative Urteil, das Kafka durchweg fur die
Photographie bereithalt, ihn nicht daran gehindert zu haben, soIche photo-
graphischen Bilder immer wieder in seinen Romanen und Erzahlungen als
Requisiten zu verwenden 81); offenbar verfolgte er damit einen besonderen,
mit der Ambivalenz soIcher Intarsien rechnenden Zweck. So spielt in der
'Verwandlung' das Bild einer Dame mit einem Pelzhut und einer Pelzboa,
die dem Beschauer einen schweren Pelzmuff entgegenhalt, eine nicht un-
wesentliche Rolle; Gregor Samsa hatte dieses Bild »vor kurzem aus einer
illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten« (Erz 71); als sein Zimmer ausgeraumt
wird, sucht er dieses Bild mit allen Mitteln vor dem Zugriff von Schwester
und Mutter zu retten 82). 1m 'Verschollenen' werden wahrend des Essens
Bilder mit Ansichten des Theaters von Oklahoma herumgereicht; das
einzige Bild, das Karl RoBmann zu Gesicht bekommt, stellt die Prasi-
dentenloge dar, deren Hintergrund in geheimnisvoller Leere verdammert.
»Man konnte sich«, heiBt es da, »in dieser Loge kaum Menschen vorstel-
len, so selbstherrlich sah alles aus.« (A 327) Wie schon bei der Dame im
PelZ bleibt auch hier die Funktion dieses in den Gang der Erzahlung einge-
sprengten Bildes durchaus unklar; es erscheint einerseits isoliert, »selbstherr-
lich«, und nur wie durch Zufall dem »Verschollenen« zugespielt, konnte
aber andererseits auch die Funktion eines Bedeutungstragers, eines Vor-
oder Ruckverweises innerhalb des Textes ubernehmen; unverkennbar ist
jedenfalls eines: Ober die Trivialitat dieser Darstellungen, Illustriertenaus-
schnitte, Ansichtskarten oder Reiseprospekte, wie sie in zahllosen Repro-
79) Dber die Beziehung Kafkas zum Kino vgl. Wolfgang Jahn: Kafka und die
Anfange des Kinos. Jb. d. dt. Schillerges. 6 (I962.) S. 353-368. Erganzend und
richtigstellend dann Wolfgang Jahn: Kafkas Roman 'Der Verschollene'. (,Ameri-
ka'). - Stuttgart I 965. (= Germanistische Abhandlungen).
80) A.a.O. Bd. II. S. 2.I7.
81) Vgl. auch Tgb 2.32.: »Gestern abend beim Spazierengehn war mir jedes
kleine StraBengerausch, jeder auf mich gerichtete Blick, jede Photographie in
einem Auslagkasten wichtiger als ich.« Oder: »Liebesszene im Friihling in der Art
der Photographieansichtskarten ... « (Tgb 2.70).
82) Die Deutung dieser Bild-Intarsie steht in dies em Zusammenhang nicht zur
Debatte. Vgl. dazu Heinz Politzers einlaBliche Interpretation (ein »wohlfeiler
Schwundrest von Erotik«) a. a. O. S. II4.
659 Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 735
Inwiefern vermag den Portier ein vollig gleichgiiltiges Photo eines ita-
lienischen Stadtchens zu verargern? Das Bild »gehort« aus einem nicht ge-
klarten Grund augenscheinlich nicht hierher und fordert gerade dadurch
urn so starker zu Dberlegungen heraus, was es denn damit auf sich habe; es
wird als ein Fremdkorper empfunden und provoziert den Unwillen seiner
Umgebung. Es lOst Deutungsreize aus, ohne sie zu befriedigen.
Grenzfalle dieser Art von Bild-Einsprengseln sind Gemiilde, wie die
schon erwahnte 'Alexanderschlacht' (Ho 50), der Traum von einem angeb-
lichen Ingres-Gemiilde (Tgb 168), das )>unanstandige« Bild auf dem Richter-
tisch im 'ProzeB' (P 67), das Bild in der Wohnung des Advokaten, von dem
Leni beteuert, es konne dem Portratierten »niemals auch nur ahnlich gewe-
83) Eine Variante dilzu bildet die 'Alexanderschlacht' des Philoxenos, die als eine
durch ihre Umwelt trivialisierte Reproduktion erscheint. (Vgl. oben Abschnitt II.)
659
659 Gerhard Neumann 100*
sen sein« (P 132), die Richter-Portriits des MaIers Titorelli (P 175 f.) und vor
all em seine Heidebilder, die, obwohl Olgemalde, in einer ganzen Reihe von
vollig identischen Exemplaren in Erscheinung treten.
»Das Motiv scheint Ihnen zu gefallen«, sagte der Maler und holte ein drittes Bild
heraus, »es trifft sich gut, daB ich noch ein ahnliches Bild hier habe.« Es war aber
nicht ahnlich, es war vielmehr die v6llig gleiche Heidelandschaft. (P 196f.)
Auch hier bleibt die Funktion dieser aus unerfindlichen Grunden vollig
schematisch reproduzierten Bilder mit dem Trivialmotiv der Heideland-
schaft ganzlich undurchschaubar. Eines aber ist allen diesen Beispielen ge-
meinsam. Sie scheinen von dem Zusammenhang, in dem sie stehen, eher
abzulenken, als auf ibn hinzudeuten, oder gar ibn zu klaren, sie stehen oft
sogar im Widerspruch zu ihrer Umgebung, treten vollig unerwartet in sie
ein und »falIen« eben deshalb »aus ihr heraus«; als ihr entscheidendes Merk-
mal entpuppt sich die Trivialitat des Motivs und seine beliebige Reprodu-
zierbarkeit. Obwohl nun aber Kafka einerseits diese Trivialitat mit allen
Mitteln zu suggerieren sucht, fehlt andererseits das bestimmende Kenn-
zeichen aller Trivialitat: die plane, einleuchtende Verstandlichkeit, die un-
mittelbare, primitive Symbolik, der Plakatcharakter eines Illustriertenpho-
tos oder einer Ansichtskarte. Das Trivialsymbol ist in sein Gegenteil, das ab-
solute, freilich auch tiefen- und geheimnislose Ratsel verkehrt. Das durch
Heraus16sung aus allen konventionellen Bezugen seines Trivialsinns ent-
kleidete Bild widersetzt sich der Deutung auf geradezu exemplarische Wei-
se 84), da es auGer dem plumpen Etikett - das ihm genommen ist - keine An-
haltspunkte mehr fur eine hintergriindige Deutung bietet.
Wie Kafka durch Ablenkung und Umkehrung im gleitenden Paradox
die »trivialen« Denkgesetze zerbricht, so stort er mit den gleichen Mitteln
die »trivialen« Bildgesetze, daB namlich Bild »Abbild« von etwas oder »Vor-
bild« fur etwas sein musse. 1m Verfahren der Ablenkungen und Umwertun-
gen wird es dem Leser unmoglich gemacht, zwischen Abbild, Urbild und
Zerrbild zu unterscheiden. Kafkas Welt besteht zwar aus lauter alltaglichen,
oft trivialen Dingen; den Lesegewobnheiten des Triviallesers aber kommen
seine Texte nirgends entgegen, im Gegenteil: Sie nutzen diese Gewohnhei-
ten als ein Mittel, durch Enttiiuschung der Leseerwartung (das Hinaus-
laufen auf einen praktikablen Sinn, das Heraustreten einer Bedeutung aus
einem Bild) den Leser aus seinen Denk- und Bildschematismen herauszu-
fiihren.
Alle genannten Merkmale kafkascher »Bildlichkeit« finden sich in einem
Paralipomenon zu der Reihe 'Er' vereinigt, das am z. Februar 1920 ent-
standen ist:
84) Vgl. dazu Emrich a. a. O. S. 78, der fUr Allegorie, Symbol und Parabel das-
selbe Phanomen konstatiert.
101* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 737
Er erinnert sich an ein Bild, das einen Sommersonntag auf der Themse darstellte.
Der FluB war in seiner ganzen Breite weithin angeftillt mit Booten, die auf das
Offnen einer Schleuse warteten. In allen Booten waren frohliche junge Menschen
in leichter heller Kleidung, sie lagen fast, frei hingegeben der warmen Luft und
der Wasserktihle. Infolge alles dieses Gemeinsamen war ihre Geselligkeit nicht
auf die einzelnen Boote eingeschrankt, von Boot zu Boot teilte sich Scherz und
Lachen mit.
Er stellte sich nun vor, daB auf einer Wiese am Ufer - die Ufer waren auf dem
Bild kaum angedeutet, alles war beherrscht von der Versammlung der Boote - er
selbst stand. Er betrachtete das Fest, das ja kein Fest war, aber das man doch so
nennen konnte. Er hatte nattirlich groBe Lust, sich daran zu beteiligen, er langte
fOrmlich danach, aber er muBte sich offen sagen, daB er davon ausgeschlossen war,
es war flir ihn unmoglich, sich dort einzuftigen, das hiitte eine so groBe Vorberei-
tung verlangt, daB dartiber nicht nur dieser Sonntag, sondern viele Jahre und er
selbst dahingegangen wiire, und selbst wenn die Zeit hier hiitte stillstehen wollen,
es hiitte sich doch kein anderes Ergebnis mehr erzielen lassen, seine ganze Ab-
stammung, Erziehung, korperliche Ausbildung hiitte anders geflihrt werden mtis-
sen.
So weit war er also von diesen Ausfltiglern, aber damit doch auch wieder sehr
nahe und das war das schwerer Begreifliche. Sie waren doch auch Menschen wie
er, nichts Menschliches konnte ihnen vollig fremd sein, wtirde man sie also durch-
forschen, mtiBte man £lnden, daB das Geflihl, das ihn beherrschte und ihn von der
Wasserfahrt ausschloB, auch in ihnen lebte, nur daB es allerdings weit davon ent-
fernt war, sie zu beherrschen, sondern nur irgendwo in dunklen Winkeln geisterte.
(Ho 420)
Das »Er« dieses Textes - ein verkapptes »Ich« wie in allen Betrachtungen
dieser Reihe - erinnert sich eines Bildes, bei dem nicht unbedingt zu ent-
scheiden ist, ob es sich um eine Photographie oder um ein Gemalde han-
delt; yom Motiv her, einer FluBidylle, ware das eine wie das andere denk-
bar. 1m ersten Abschnitt des Textes wird dieses BiId aus der Erinnerung be-
schrieben; der Beginn des zweiten versucht einen Einbezug des betrachten-
den Ich in den Bildzusammenhang, analog jenem Versuch des »Schi.i1ers« im
Schulzimmer, das Bild der Alexanderschlacht durch eigene Taten zu ver-
dunkeln (Ho 50); das Bild der FluBlandschaft wird als Vorbild verstanden,
dem das betrachtende Ich sich einzugliedern und zu unterwerfen sucht.
Dieser Versuch zeigt sich indes zunehmend von bedingenden und ein-
schrankenden Dbedegungen erschwert; die yom eigentlichen und ganz ele-
mentaren Wunsch der Teilnahme an dies em Fest ablenkenden »Motiva-
tionen« - es sind geradezu riihrend minuziose Denkiibungen 85) - drangen
das Ich schliefilich aus dem Bildrahmen wieder hinaus und lassen die Identi-
fikation scheitern. Aus der »Betrachtung« des Bildes entwickelt sich ein
86) »Er hatte nattirlich groBe Lust ... aber er muBte sich offen sagen ... das hiitte
eine so groBe Vorbereitung verlangt ... und selbst wenn die Zeit hier hiitte still-
stehen wollen, es hiitte ... Sie waren doch auch Menschen ... wtirde man sie also
durchforschen ... « (s.o. Ho 420). Zum Begriff des »Minuziosen« vgl. den Anhang
dieser Arbeit.
659 Gerhard Neumann 102*
wovon es spricht, das ist nicht zu sagen und vielleicht auch nicht der Rede
wert. Er kann in das Bild nicht eintreten, er kann es nicht durch seine Taten
verdunkeln (Ho 50), er kann sich freilich auch nicht davon lOsen. Indem er
es zum Gegenstand der »Betrachtung« macht, befreit er sich durch das Ver-
fahren des Denkens im gleitenden Paradox, durch Vermutungen, Erwa-
gungen und Umkehrungen yom logischen Trivialschema und lOst paral-
lel dazu das Bild aus seinen konventionellen Bezugen des Abbildungs- 86)
und des Vorbild-Zwangs. Die Denkgewohnheiten der formalen Logik und
die Bildgewohnheiten des Triviallesers ausnutzend, sie durch Ablenkungen
und Verkehrungen storend und schlieBlich auGer Kraft setzend, gelangt
Kafka zu jener Leere, die man vorschnell als Ausdruck des Nihilismus ge-
deutet hat; sie ist nichts weniger als das; in ihr erst konstituiert sich jene
»Verwirrung oder Hochstempfindlichkeit der Sinne« (Ho 73), von der Kafka
einmal spricht. Seine Figuren tun, wie Musil, einer seiner fruhesten Kritiker,
zutreffend schreibt, »lauter unvollendbare Dinge, die von der Welt aus ge-
sehen wie abgerissene Drahte in sie hineinhangen und (denken) lauter Ge-
danken, die (sie) selbst nicht (vollenden)«81). Freilich ist alles dies nur von
der Welt aus gesehen. Nur von ihr aus erscheint die Logik, die nicht zum
Ziel kommt, als »abgerissener Draht«88). Kafka selbst war uberzeugt da-
von, daB es fur ihn einen Ort und Standpunkt geben muBte, zu dem er durch
Abschutteln der herkommlichen Denkgewohnheiten und Bildklischees zu
gelangen vermochte; einen Bezirk, wo Denken nicht mehr ein Regelgefuge
war, mit dem sich etwas auGer ihm Liegendes einfangen lieB, sondern wo
Denken und Leben identisch wurden; man hat darum versucht, Kafkas
Schreiben als »existentiell« zu bezeichnen 89) und es damit dem MiBver-
standnis ausgesetzt, es gehore in den Umkreis der Existenzphilosophie 90).
86) Ein Beispiel fur Kafkas Ausweichen vor allem Analogie-Denken (das ja je-
dem dichterischen Bild zugrunde liegt) gibt Betr. Nr. 84.
87) Robert Musil: Tagebucher, Aphorismen Essays und Reden. Hrsg. Adolf
Frise. - Reinbek bei Hamburg 1955. S. 688.
88) In diesen Zusammenhang geharen die wichtigen Siitze aus dem 4. Oktav-
heft: »Neben seiner Beweisftihrung geht eine Bezauberung mit. Einer Beweisfuh-
rung kann man in die Zauberwelt ausweichen, einer Bezauberung in die Logik,
aber beide gleichzeitig erdrucken, zumal sie etwas Drittes sind, lebender Zauber
oder nicht zerst6rende, sondern aufbauende Zerstarung der Welt.« (Ho 125) Vgl.
dazu die in mancher Hinsicht originelle, aber wirre Studie von Dieter Hasselblatt:
Zauber und Logik. Eine Kafka-Studie. - Kaln 1964.
89) Vgl. dazu vor allem Bense a.a.O. etwa S. 4off.
90) DaB Kafka mit keiner philosophischen Schule identifizierbar ist, scheint hin-
liinglich erwiesen; inwieweit er mit seinen Bemuhungen urn eine ursprunglichere
- vielleicht sogar der Gegenstandsstruktur angeniiherte oder mit ihr identische -
Logik Zuge existentialistischen Philosophierens triigt, ist bisher noch nicht zu-
liinglich gekliirt. Benses Buch (a. a. 0.) ist ein Versuch, diesem schwierigen Problem
nachzugehen.
740 Gerhard Neumann 659
AN HANG
Aus dem hier Dargelegten ergibt sich ein Hinweis fiir das Verstandnis
des kafkaschen Humors. Dieses Phiinomen hat schon friih die Interpreten
beschaftigt. Auf eine der ersten Charakteristiken von Felix Weltsch, Kafkas
Jugendfreund, folgte eine gauze Reihe weiterer Darstellungen 91). Die Span-
ne der Deutungen reicht vom religiOsen iiber den grotesken bis zum chapli-
nesken Humor 92). Das »Komische« im engeren Sinne und seine moglichen
Griinde sind nie befriedigend untersucht worden, obwohl Kafka selbst eine
sehr seltsame Definition des »Komischen« gibt: »Das eigentlich Komische
ist freilich das Minutiose ... « (S 4Z5) Zwar kommen alle genannten Darstel-
lungen iiber den Humor Kafkas auch auf das Problem des Komischen zu
sprechen, aber sie suchen durchweg die befremdliche Definition Kafkas auf
den iiberlieferten Begriff des Komischen hin zu korrigieren 93). Aus der vor-
91) Felix Weltsch: Religioser Humor bei Franz Kafka. Ais Anhang zu Max Brod:
Franz Kafkas Glauben und Lehre. Kafka und Tolstoi. Eine Studie. - Miinchen
1948; ferner: H. S. Reiss: Franz Kafka's Conception of Humour. The Modern
Language Review 44 (1949). S. 534-54z; A.G. Toulmin: Humor in the Works of
Kafka. Sommerville College, Oxford 1951; Marthe Robert: L'humour de Franz
Kafka. Revue de la Pensee Juive 6 (1951); H. S. Reiss: Franz Kafka. Eine Betrach-
tung seines Werkes. - Heidelberg 195 z. Darin: Das Komische bei Kafka. S. 152 If. ;
Jean Collignon: Kafka's Humor. Yale French Studies 16 (1955/56). S. 53-62; er-
neut F. Weltsch: Religion und Humor im Leben und Werk Franz Kafkas. - Berlin-
Grunewald 1957; darin S. 78-96. V gl. auBerdem Emrich a. a. O. S. 96 und Anm. 71.
92) Dazu Weltsch a.a.O. passim; Wolfgang Kayser: Das Groteske. Seine Ge-
staltung in Malerei und Dichtung. - Oldenburg und Hamburg 1961. z. Auflage.
S. 157-161, Z20-2ZI; W. Jahn: Jb. d. dt. Schillerges. a.a.O.
9S) SO auch Brod: Franz Kafka. Eine Biographie. - Frankfurt 196z. S.217.
Emrich a. a. O. Anm. 72 verweist auf den wichtigen frUhen Brief an Oskar Pollak
105 * Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 741
(Br 19) und differenziert die tibliche Komikauffassung. Aber auch er halt daran
fest, daB das Lachen »Freiheit von der Erde« bedeute: »Die Komik entsteht also
durch einen Bruch mit aHem Gegebenen« (S. 426); es gebe keinen normativen
»Rahmen« mehr, aus dem der »Lacherliche« herausfaHen k6nne; insofern reiche
die tiberlieferte asthetische Definition nicht mehr aus.
") Werke in sechs Banden. Hrsg. Wilhelm Weischedel. - Darmstadt 1956ff.
Bd. V. S. 437. (Kritik der Urteilskraft A 223, B 226).
95) Poetik V.
96) Jean Paul: Werke. Hrsg. Norbert Miller. - Miinchen 1959ff. Bd. V, S. 104
bis II I. (Vorschule der Asthetik § 26.)
97) Jean Paul a.a.O. S. IIO.
98) Ebda S. II3.
99) V gl. Ernst Behler: Eine unbekannte Studie Friedrich Schlegels tiber Jean
Pauls 'Vorschule der Asthetik'. Die Neue Rundschau 54 (1957). S. 646ff.
100) A. a. o. S. 664.
742 Gerhard Neumann 106*
o. J. Bd. III, S. 103. (Die Welt als Wille und Vorstellung. II. Erganzungen zum
ersten Buch. Kap. 8.)
102) Eine abwagende Zusammenfassung der verschiedenen Deutungsversuche
gibt Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewufiten. Gesam-
melte Werke, chronologisch geordnet. - London 1940. Bd. 6. S. 5 ff.
103) Kraepelin, zit. von Freud a. a. O. S. 8.
105) Vgl. ferner Friedrich Georg Junger: Dber das Komische. - Hamburg 1936;
Gottfried Muller: Theorie der Komik. Dber die komische Wirkung im Theater
und im Film. - Wurzburg 1964.
106) Zurich 1963. Sechste Auflage. S. 194ff.
109) Wie z.B. in der gesamten Komodientheorie bis zum Ende des 19. Jahrhun-
derts.
107* Umkehrung und Ablenkung: Franz Kafkas »Gleitendes Paradox« 743
110) Christian Janentzky: Dber Tragik, Komik und Humor. Jb. d. fro dt. Hoch-
stifts 23 (1936-40). S. 3-51. Bes. S. 23.
111) Vgl. dazu Brods Begriff des »Akribismus« in seiner Biographie a.a.O.
S. 216f. Brods Ausfiihrungen sind ein Beispiel fUr die Umbiegung des kafkaschen
Verfahrens ins konventionell »Komische«: »Obenaufliegt Zerrissenheit, Verzweif-
lung in dem, was erzahlt wird, - aber die Gelassenheit und Ausfiihrlichkeit, mit
der es erzahlt wird, der ins Detail, also ins reale Leben und in die naturtreue Dar-
stellung verliebte 'Akribismus' ... « Brad lenkt hier in die Tradition des stilus comi-
cus als stilus humilis ein, des trivial Alltaglichen als des »Komischen«, wie sie die
Romanistik als gesamteuropaisches Phanomen beschrieben hat: Vgl. Erich Auer-
bach: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendlandischen Literatur. - Bern
1959. Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage. S. 295. Hugo Friedrich: Mon-
taigne. - Bern 1949. S. 448 ff. Ernst Robert Curtius: Europaische Literatur und la-
teinisches Mittelalter. - Bern 1954. Zweite, durchgesehene Auflage. S.80, 238,
39 0 Anm. 3,449.
112) Schopenhauer a. a. O. 104: »... auch ist dasselbe mit keiner Anstrengung ver-
kniipft (scil. das Anschauen). Yom Denken gilt das Gegenteil: es ist die zweite Po-
tenz des Erkennens, deren Ausiibung stets einige oft bedeutende Anstrengung er-
fordert ... «
113) Vgl. Schaufelberger a.a.O. S. 10f.
744 Gerhard Neumann 108*
nen bewahrt sich nicht, wie in den bisherigen Auffassungen von der Komik,
als Befreiung zum Spiel, als Lust am Unsinn, sondern als ungeheure, unbe-
waltigte und nicht zu bewiiltigende Aufgabe. Nur so erklaren sich Kafkas
fur die Freunde oft unerklarliche Reaktionen auf vollig ernsthafte Texte 114).
Das Minuziose erschien Kafka als ein Mittel, mit dessen Hilfe der Mensch
sich uber die Bruche im Daseinsverstandnis hinwegzutauschen sucht 1l5),
vor denen er selbst die Augen nicht verschHeBen konnte; als ein Mittel der
Ablenkung von jenem »Ja und Nein«, das er eigentlich zu sagen hatte, und
das durch die Motivationen des kausalen und finalen Denkens versteIlt wird.
Es ist nur »konsequent« im Sinne kafkaschen Denkens, daB das Minuziose,
das das »eigentlich Komische« ist, sich - wiederum mit Kafkas Formulierung
- in »todliche Verzweiflung« (S 42.5) verkehrt, nicht ohne alsbald und von
neuem ins »Komische« umzuschwenken 116). Die Denkform des gleitenden
Paradoxes bewahrt sich auch in diesem poetologischen Zusammenhang
mit aIler Konsequenz.
114) Kafka lachte nach dem Zeugnis Brods (Franz Kafka. Eine Biographie a. a. O.
S. 217) »so sehr, daB er weilchenweise nicht weiterlesen konnte«, als er den Freun-
den das I. Kapitel des Prozesses vorlas. Es ist bezeichnend, daB dies auch beim
Vorlesen der vom Syntaktischen her so iiberaus logisch bestimmten Kleisttexte ge-
schah. (A. a. O. S. 58).
115) F. Weltsch kommt dieser Einsicht viel1eicht am nachsten, wenn er den
»Humor« dahingehend definiert, »daB das Wesen des Humors darin besteht, daB
eine vermeindiche Einheit als Zweiheit durchschaut wird ... Er entlarvt die allzu
rasche, die ungeduldige, die al1zu billige Einheit, die Einheit des Kurzschlusses.«
(Religioser Humor bei Franz Kafka a. a. O. S. 179).
118) Die ganze Stelle im Zusammenhang lautet folgendermaBen: »Und nun will
ich euch, so gut ich es kann, die Geschichte im Wordaut erzahlen, so minutios, wie
sie K. gestern mit allen Zeichen todlicher Verzweiflung mir erzahlt hat. Hoffent-
lich hat ihn seither eine neue Vorladung wieder getrostet. Die Geschichte selbst
ist aber zu komisch, hort Zu: Das eigentliche Komische ist freilich das Minutiose
... « (S. 425)