Gericht Urteil Über Brandschutz

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VG München, Urteil v. 22.10.2015 – M 11 K 14.

4211

Titel:
Abweichungen von Brandschutzvorschriften bei Neubau in Altstadtlage
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 12, Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 8 S. 1, S. 2, Abs. 9, Art. 30 Abs. 5 S. 1, S. 2 Nr. 2
BayBO Art. 63

Leitsätze:
1 Öffentlich-rechtliche Vorschriften über den Brandschutz sind nur insoweit nachbarschützend als
sie darauf abzielen, das Übergreifen von Bränden auf Nachbargrundstücke oder deren sonstige
brandbedingte Beeinträchtigung zu verhindern. (red. LS Andreas Decker)
2 Art. 28 BayBO ist drittschützend, weil durch Brandwände die Brandausbreitung auf andere
Gebäude verhindert wird und damit auch die Nachbarn geschützt werden sollen. (red. LS Andreas
Decker)
3 Wie Art. 30 Abs. 5 S. 1 BayBO zeigt, dient auch Art. 30 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BayBO dem
Nachbarschutz. (red. LS Andreas Decker)

Schlagworte:
Baugenehmigung, Abweichungen von den Brandschutzvorschriften, Neubau, Nachbarklage,
Brandschutzfenster, Brandwand, Dachgeschoss, Belichtung, Belüftung


Tenor

I.

Der Bescheid vom ... August 2014 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten
selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines der Beigeladenen erteilten Bescheides vom ... August 2014 zum
Neubau einer Gewerbeimmobilie mit Wohnnutzung auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ...

Der Kläger ist Eigentümer der direkt benachbarten Grundstücke FlNr. ... und ... Gemarkung ..., die mit
Wohnhäusern bebaut sind und nur über das ...gässchen (FlNr. ...) erschlossen sind.

Unter dem 02. Mai 2014 beantragte die Beigeladene den Neubau einer Gewerbeimmobilie mit
Wohnnutzung im Dachgeschoss zur Vermietung an die Bundesagentur für Arbeit. Unter dem 06. Mai 2014
wurde ein Brandschutznachweis vorgelegt. Es wurde eine Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Bayerische
Bauordnung - BayBO - (Fensterelemente G30 in äußerer Brandwand) beantragt. Das geplante Gebäude
grenze südseitig an eine Gasse. Der Mindestabstand von 5 m zu den gegenüberliegenden Gebäuden
könne nicht über die gesamte Gebäudelänge eingehalten werden. Die südliche Außenwand müsse in den
Bereichen, die den 5-Meter-Abstand unterschreiten, als äußere Brandwand hochfeuerhemmend ausgebildet
werden. In den betroffenen Abschnitten der südlichen Außenwand seien im Erd- und Obergeschoss Fenster
geplant, die zur Belichtung und Belüftung der dahinter liegenden Räume erforderlich seien. Der Abstand zur
gegenüberliegenden Bebauung betrage an der schmälsten Stelle 3,05 m. Die Fassaden der
gegenüberliegenden Häuser seien ebenfalls im Erd- und Obergeschoss mit Fenstern versehen, die
augenscheinlich nicht über eine definierte Feuerwiderstandsdauer verfügten. Die Gasse sei für keines der
anliegenden Häuser ein zwingender Bestandteil des Flucht- und Rettungsweges, d. h., sie müsse im
Brandfall nicht durchlaufen werden. Es werde als ausreichend betrachtet, die Fenster im Brandwandverlauf
in Qualität G30 auszuführen. Es müsse sichergestellt sein, dass die Fenster im Brandfall geschlossen
seien, d. h., sie müssten entweder mit einem Selbstschließer mit Motor plus Rauchwarnmelderauslösung
gekoppelt sein oder fest verglast ausgeführt werden. Es wurde eine weitere Abweichung von Art. 28 Abs. 2
Nr. 1 BayBO (Gauben in Brandwand) beantragt. Auf der Südseite seien zwei Gauben geplant, die sich
innerhalb des 5-Meter-Bereiches befänden. Der Abstand zwischen Gaubenfenster und Fenster des
gegenüberliegenden Gebäudes betrage ca. 4,30 m. Die Gauben lägen ca. 2,40 m höher als die
Nachbarfenster. Die Gauben würden verblecht ausgeführt, so dass ein Brandüberschlag als hinreichend
unwahrscheinlich betrachtet werde. Es sei vertretbar, die Gauben mit Fenstern ohne besondere
brandschutztechnische Eigenschaften auszuführen.

Nach Erteilung des Einvernehmens wurde mit Genehmigungsbescheid des Beklagten (Landratsamt ...) vom
... August 2014 der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung für den Neubau einer
Gewerbeimmobilie mit Wohnnutzung im Dachgeschoss erteilt. Von Art. 28 Abs. 2 Ziff. 1 BayBO wurde eine
Abweichung hinsichtlich der Unterschreitung des Mindestabstandes von 5 m zu den gegenüberliegenden
Gebäuden der FlNrn. ... und ... zugelassen, wenn Brandschutzfenster mit einer Feuerwiderstandskraft G30
eingebaut würden. Von Art. 28 Absatz 2 Ziff. 1 BayBO wurde weiterhin eine Abweichung hinsichtlich der
Errichtung von zwei Gauben, die sich innerhalb des 5-Meter-Bereiches zu den Nachbargebäuden befinden,
erteilt, wenn diese als Brandschutzfenster mit einer Feuerwiderstandskraft G30 eingebaut würden.
Begründet wurde die Abweichung vom Brandschutz damit, dass die notwendige Atypik für die Erteilung der
Abweichungen durch die Situierungen der Gebäude in der Altstadt vorgegeben sei. Gerade im eng
umbauten historischen Altstadtbereich könnten aufgrund der vorgegebenen bzw. bereits bestehenden
Gebäude die Anforderungen hinsichtlich des passiven Brandschutzes nur mit hohem Aufwand erreicht
werden. Die Normziele könnten in der Regel nur mit angemessenen Kompensationsmaßnahmen erreicht
werden, so auch hier. Die genannten Abweichungen seien unter Würdigung der Schutzzwecke der
Vorschriften, von denen abgewichen werde, mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Die Abweichungen
hinsichtlich des Brandschutzes hätten erteilt werden können, da die genannten
Kompensationsmaßnahmen, die im Brandschutzkonzept vom 06. Mai 2014 dargelegt seien, in der
Bauausführung erbracht werden müssten. Die Seiten 27 und 29 des Brandschutzkonzeptes seien
Bestandteil des Bescheides. Die beantragte Abweichung Nr. 1 werde erteilt, wenn im Brandwandverlauf
(hochfeuerhemmend), wo die 5 m zum Nachbargebäude unterschritten würden, die Fenster, wie in den
Grundrissen dargestellt, mit bauaufsichtlich zugelassenen Brandschutzdrehfenstern in der
Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut würden. Die beantragte Abweichung Nr. 2 werde erteilt, wenn die
Fenster der beiden Gauben mit den bauaufsichtlich zugelassenen Brandschutzfenstern in der
Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut würden. Zur Abstandsflächensituation wurde begründet, das
Grundstück FlNr. ... liege innerhalb des historischen Altstadtkerns und sei dem Bauquartier zwischen
(...straße, ...straße bzw. ..., ...straße und ...straße) zuzuordnen. Die ...straße mit dem sog. ...gässchen bilde
die Grenze zum südlich angrenzenden rechtsverbindlichen Bebauungsplan „...-Mitte“. Dieser
Bebauungsplan sei für die Beurteilung der vorhandenen Bebauung nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch
(BauGB) mitprägend. Das geplante Gebäude solle nach Abbruch von zwei vorhandenen Gebäuden bis auf
einen kleinen Teilbereich im südwestlichen Bereich unmittelbar an der südlichen Grundstücksgrenze
errichtet werden. Es handle sich um eine zweigeschossige Bebauung, wobei der mittlere Teil
dreigeschossig, um 4 m zurückgesetzt, ausgeführt werde. Die vorhandene Bebauung im o.g. Bauquartier
weise wiederkehrend auch an den seitlichen Grundstücksgrenzen zwei- bis teilweise dreigeschossige
Hauptgebäude auf, die ohne Abstandsflächen errichtet worden seien. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume
dem Städtebaurecht den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele.
Dieser Vorrang des Städtebaurechtes gelte nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen, sondern auch
für eine tatsächlich vorhandene Bauweise im nicht überplanten Innenbereich. Die Errichtung des geplanten
Gebäudes an der südlichen Grundstücksgrenze sei nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ohne Abstandsflächen
bauplanungsrechtlich zulässig, weil es sich an dem vorgesehenen Standort nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB
in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Das für die Entscheidung ausgewählte Bauquartier
entspreche dem Bereich, auf dem sich das geplante Bauvorhaben auswirken werde und von dem aus die
vorhandene Bebauung des Grundstückes präge. Der südlich an das Bauvorhaben angrenzende Nachbar
habe sein östlich vorhandenes Wohnhaus unmittelbar an der nördlichen Grundstücksgrenze errichtet.
Dieses Grundstück liege innerhalb des rechtsgültigen Bebauungsplanes „...-Mitte“, der für dieses
Grundstück auf der Nord-, Süd- und Ostseite zwingend eine Grenzbebauung (Baulinie) festsetze. Gleiches
gelte für das auf den beiden genannten Grundstücken im Westen vorhandene Hauptgebäude, ...straße 22.
Das Vorhaben verletze auch nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben habe auf das südliche
Nachbaranwesen keine unzumutbaren Auswirkungen. Durch die geplante Traufhöhe von 7,10 m sowie das
angrenzende ...gässchen sei eine ausreichende Belichtung und Belüftung für das Nachbaranwesen
gewährleistet. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich das Bauvorhaben im dicht besiedelten
innerstädtischen Bereich befinde.

Im genehmigten Grundrissplan, Erdgeschoss mit Außenanlagen, ist gegenüber der klägerischen Garage
eingezeichnet „keine Brandwandanforderung, Gebäudeabstand größer 5 m.“

Am 17. September 2014 ließ der Kläger Klage erheben und mit weiterem Schriftsatz vom 12. Februar 2015
beantragen,

den Bescheid vom ... August 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, im Bereich gegenüber des auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung
... befindlichen Garagengebäudes gehe die Baugenehmigung ausweislich des Planbeschriebes „keine
Brandwandanforderung, Gebäudeabstand größer als 5 m“ offenbar davon aus, dass in dem durch
gestrichelte Linie gekennzeichneten Bereich der südlichen Außenwand keine Ausbildung der Außenwand
als Brandwand und damit auch keine Abweichung von Art. 28 BayBO erforderlich sei. Damit könne in
diesem Bereich auf der Grundlage der streitgegenständlichen Baugenehmigung eine von den
Anforderungen des Art. 28 BayBO abweichende Bauausführung erfolgen, insbesondere hinsichtlich der
Qualität der dort vorgesehenen Fenster. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO stelle hinsichtlich des festgelegten
Mindestabstandes von 5 m nicht nur auf bestehende Gebäude, sondern gerade auch auf nach den
baurechtlichen Vorschriften zulässige künftige Gebäude ab. Betrachte man die Festsetzung des hier für das
Grundstück FlNr. ... maßgeblichen Bebauungsplanes, stelle man fest, dass die im Bereich des vorhandenen
Garagengebäudes festgesetzte Baulinie deutlich weiter nördlich als das Garagengebäude und damit näher
zur südlichen Außenwand des geplanten Baukörpers verlaufe. Entgegen der streitgegenständlichen
Baugenehmigung sei damit eine Brandwand auch in demjenigen Bereich der südlichen Außenwand des
geplanten Bauvorhabens erforderlich, die dem derzeitigen Garagengebäude gegenüber liege. Damit
verstoße die Baugenehmigung gegen Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO, worauf sich der Kläger als betroffener
Nachbar auch berufen könne. Auch die erteilten Abweichungen stellten sich als rechtsfehlerhaft dar. Da die
Abweichungen die drittschützende Vorgabe des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO beträfen, könne sich der Kläger
auch darauf berufen. Eine notwendige Atypik möge danach hinsichtlich der brandschutzrechtlichen
Vorgaben durchaus vorliegen für Maßnahmen an einem in geringer Entfernung zu Nachbargebäuden
situierten Bestandsgebäude, bei dem sich die Herstellung eines den Vorgaben der BayBO entsprechenden
Bestandschutzes tatsächlich mitunter als schwierig darstellen könne. Vorliegend handele es sich aber
gerade um einen Neubau, bei dem keinerlei Probleme ersichtlich seien, durch eine geeignete Situierung
und eine entsprechende bauliche Ausgestaltung des Baukörpers einen adäquaten Brandschutz zu
gewährleisten. Es sei nicht ersichtlich, weshalb in Ansehung der Nähe zu den antragstellerseitigen
Gebäuden keine Ausgestaltung der südlichen Außenwand des geplanten Baukörpers als Brandwand im
Sinne von Art. 28 BayBO verlangt werden könnte. Die Abweichung sei ermessensfehlerhaft erteilt. Die
Vorgaben des Art. 28 BayBO dienten dem Schutz des jeweils betroffenen Nachbarn vor Ausbreitung von
Feuer und Rauch. Die angeordnete Feuerwiderstandsklasse der Fenster in G30 biete keinerlei Schutz
gegen Hitze, so dass in Ansehung der Ausbreitung von Feuer wegen der geringen Gebäudeabstände ein
adäquater Schutz für die klägerseitigen Gebäude nicht gewährleistet sei. In diesem Zusammenhang sei
darauf hinzuweisen, dass die Fluchtwegesituation der klägerischen Gebäude ausschließlich über das
...gässchen erfolge, so dass auch dem Hitzeschutz gesteigerte Bedeutung beizumessen sei. In
Ermangelung entsprechender Auflagen sei auch nicht gewährleistet, dass die Fenster im Brandfall
geschlossen seien. Der Brandschutznachweis führe aus, dass das ...gässchen im Hinblick auf die
Fluchtwegesituation für die klägerseitigen Gebäude keinerlei Bedeutung habe. Dies sei unrichtig. Art. 6 Abs.
1 Satz 3 BayBO sei nicht anwendbar. Eine Abweichung von den Abstandsflächenvorgaben sei nicht erteilt
worden. Eine Abweichung sei auch nicht erteilbar, insoweit sei zu berücksichtigen, dass der hier 33 m lange
und mit einer enormen Höhenentwicklung ausgestattete Baukörper für die klägerseitigen Grundstücke eine
riegelartige Wirkung entfalte. Der abstandsflächenrechtlich geschützte Belang des Sozialfriedens werde
durch die zahlreichen in Richtung des klägerischen Grundstückes gerichteten Fenster sowie die im
Dachgeschossbereich vorgesehene Dachterrasse in einer für den Kläger unzumutbaren Weise berührt.
Jedenfalls verstoße das streitgegenständliche Vorhaben gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der
Rücksichtnahme. Wegen der eröffneten Einblicksmöglichkeiten auf die klägerseitigen Gebäude sei der
Baukörper unzumutbar.

Mit Schriftsatz vom 13. April 2015 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Bebauung bis an die öffentlichen Verkehrsflächen hin sei im Altstadtbereich von ... stadtbildprägend.
Darin sei die für die Erteilung der Abweichungen erforderliche Atypik zu erkennen. Der behauptete
Ermessensfehler hinsichtlich des Brandschutzkonzeptes bestehe nicht, da der Hitzeschutz nicht erforderlich
sei, um funktionierende Rettungswege zu erhalten. Die funktionierenden zweiten Rettungswege hinaus zur
...straße und ...straße würden nicht beeinträchtigt. Die Baugenehmigung lasse sich bezüglich der
Abstandsflächen auch auf Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO stützen, welcher zulasse, dass sich abweichende
Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung ergeben könnten. Im Altstadtbereich der Stadt ...
werde fast kein Gebäude zu finden sein, das die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO einhalte.

Mit weiterem Schriftsatz vom 20. Oktober 2015 legte der Bevollmächtigte des Klägers eine Stellungnahme
eines geprüften Sachverständigen und Fachplaners für vorbeugenden Brandschutz zum
Brandschutznachweis der Beigeladenen vor. Die Abweichungen widersprächen Art. 28 Abs. 8 BayBO,
wonach Öffnungen in Brandwänden unzulässig seien. Erleichterungen seien nur bei inneren Brandwänden
vorgesehen und die auch nur im begrenzten Umfang. Das neue geplante grenzständige Gebäude liege incl.
Dachanteil näher als 5 m zum bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen
Gebäude der Nachbarbebauung und sei daher mit einer Gebäudeabschlusswand im Sinne von Art. 28 Abs.
3 BayBO auszuführen. Darüber hinaus dürften brennbare Teile des Daches nicht hinweggeführt werden.
Dies gelte auch für das Dachtragwerk in diesem Bereich. Dachöffnungen in diesem Dachbereich
(Dachgauben) seien nicht zulässig, da die abknickende Gebäudeabschlusswand öffnungslos sein müsse.
Die Gebäudeabschlusswand sei auch schon deshalb uneingeschränkt erforderlich, da die ersten
Rettungswege der nachbarlichen Bebauung sowie der zweite Rettungsweg des neuen Gebäudes über die
...gasse führten. Zudem stellten die Abweichungen nicht klar, ob es sich um geforderte Festverglasung oder
öffenbare Dreh-Kipp-Fenster handele. Ebenso fehle ein Hinweis, dass diese Fenster im Brandfall
selbstschließend sein müssten. Darüber hinaus widerspräche die geforderte Feuerwiderstandsklasse G30
den Anforderungen von Art. 28 Abs. 3 BayBO.

Das Gericht erhob am 22. Oktober 2015 Beweis über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem
Vorhabensgrundstück sowie in dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins. Hinsichtlich der
dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

In der anschließenden mündlichen Verhandlung stellte der Bevollmächtigte des Klägers den Klageantrag
aus dem Schriftsatz vom 12. Februar 2015.
Der Beklagtenvertreter beantragte Klageabweisung.

Die Beigeladene stellte keinen Antrag.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der
vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger wird durch den vom Beklagten gegenüber der Beigeladenen erteilten Bescheid vom ... August
2014 in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Erforderlich für den Erfolg der Klage ist nicht nur, dass der Bescheid vom ... August 2014 rechtswidrig ist,
sondern dass darüber hinaus der Kläger durch die Rechtswidrigkeit auch in seinen, d. h. in
nachbarschützenden Rechten verletzt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 113, Rn. 26).

Ein Verstoß gegen Vorschriften des Brandschutzes zulasten des Klägers liegt hier vor.

Die Vorschriften des Brandschutzes sind nach Art. 12 BayBO zu beachten. Eine Verletzung dieses Gebotes
würde den Kläger aber nur insoweit in seinen Rechten verletzen, als etwaige Brandgefahren die in seinem
Eigentum stehenden namentlich dem Baugrundstück benachbarte Grundstücke betreffen. Öffentlich-
rechtliche Vorschriften über den Brandschutz sind damit nur insoweit nachbarschützend als sie darauf
abzielen, das Übergreifen von Bränden auf Nachbargrundstücke oder deren sonstige brandbedingte
Beeinträchtigung zu verhindern (VG Augsburg, U. v. 03.07.2013, Az.: Au 4 K 13.193).

Hier wurde im Bescheid vom ... August 2014 von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO eine Abweichung nach Art. 63
BayBO hinsichtlich der Unterschreitung des Mindestabstandes von 5 m zu gegenüberliegenden Gebäuden
der FlNr. ... und ..., Gemarkung ..., zugelassen, wenn Brandschutzfenster der Feuerwiderstandsklasse G30
eingebaut werden. Zudem wurde eine Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO zugelassen hinsichtlich
der Errichtung von zwei Gauben, die sich innerhalb des 5-Meter-Bereiches zu den Nachbargebäuden
befinden, wenn in diese Brandschutzfenster der Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut werden.

Begründet wurde die Abweichung damit, dass wegen der Situierung der Gebäude in der Altstadt die
Brandschutzanforderungen nur mit hohem Aufwand erreicht werden könnten. Die Normziele könnten in der
Regel nur mit angemessenen Kompensationsmaßnahmen erreicht werden. Die Abweichungen könnten
wegen der im Brandschutzkonzept genannten Kompensationsmaßnahmen erteilt werden. Dies sei dann der
Fall, wenn Fenster mit G30 eingebaut würden.

Unabhängig davon, dass entgegen den Ausführungen des Brandschutzkonzepts auf S. 27 keine
selbstschließenden Fenster bzw. Festverglasung gefordert wurde, stützt sich der Bescheid auf die falsche
Rechtsgrundlage.

Der vom Beklagten angewandte Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO regelt lediglich, wann Brandwände erforderlich
sind.

Hier sind - wie der Vertreter des Klägers zu Recht vorträgt - nicht nur in dem Bereich, wo tatsächlich auf
dem klägerischen Grundstück Gebäude mit einem geringeren Abstand als 5 m zum Vorhaben stehen,
Brandwände erforderlich. Vielmehr gilt dies auch für den Teil des klägerischen Grundstückes, wo der Kläger
aufgrund der Baulinie des Bebauungsplanes „...-Mitte“ an die Grundstücksgrenze bauen dürfte oder müsste,
da Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 letzter Halbsatz BayBO auch Brandwände in dem Bereich vorschreibt, in dem das
Vorhaben keinen Abstand von 5 m zu nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden
einhält.

Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO hingegen wurde vom Beklagten übersehen, danach sind Öffnungen in
Brandwänden unzulässig. Lediglich für innere Brandwände sind nach Art. 28 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 9
BayBO Ausnahmen vorgesehen.
Art. 28 BayBO ist drittschützend, weil durch Brandwände die Brandausbreitung auf andere Gebäude
verhindert wird und damit auch die Nachbarn geschützt werden sollen (vgl. Simon/Busse, Kommentar zur
BayBO, Art. 28, Rn. 21 und Rd. 57).

Der Beklagte hätte sich daher innerhalb seiner Ermessensentscheidung damit auseinander setzen müssen,
weswegen er eine Abweichung von Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO erteilen kann. Dies ist nicht erfolgt.

Zudem dürfte eine Abweichung, die lediglich Fenster der Feuerwiderstandsklasse G30 vorschreibt,
keinesfalls zulässig sein, da schon Verglasungen der Feuerwiderstandsklasse G90 in Brandwänden nicht
ausreichend sein dürften, weil ein sog. „Durchzünden“ des Brandes nicht ausgeschlossen werden kann (so
auch: Simon/Busse, Kommentar zur BayBO, Art. 28, Rn. 127 und 144).

Auch die genehmigte Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO hinsichtlich der Dachgauben stützt sich
auf die falsche Rechtsgrundlage.

Anzuwenden wäre hier vielmehr Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayBO, wonach Dachgauben von Brandwänden
mindestens 1,25 m entfernt sein müssten, was hier - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung
eingestanden hat - nicht der Fall sein dürfte.

Nach Art. 30 Abs. 5 Satz 1 BayBO dient diese Regelung auch dem Nachbarschutz, nämlich dazu, dass
Feuer nicht auf Nachbargrundstücke übertragen werden kann.

Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat der Beklagte auch nicht berücksichtigt, dass die
klägerischen Hauseingänge nur über das ...gässchen erschlossen werden, die Fensteröffnungen des
klägerischen Anwesens wohl keinen speziellen Brandschutz aufweisen und die westliche Giebelseite des
Gebäudes, ...straße 23 a, eine Holzverkleidung aufweist.

Die erteilten Abweichungen verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Es kommt hier nur die Gesamtaufhebung der Baugenehmigung in Betracht, da der Kläger nicht nur durch
einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Vorhabens verletzt wird (so auch VG München, B. v. 05.07.2007,
Az.: M 1 SN 07.2163).

Ergänzend wird angemerkt, dass das Gericht Zweifel hat, ob die im Obergeschoss vorgesehenen
Dachgauben und die Dachterrasse zulässig sind, da sie im Obergeschoss erstmalig dauerhaft
Einblicksmöglichkeiten in den Gartenbereich und die Fenster des Klägers ermöglichen (vgl. VGH, U. v.
03.12.2014, Az.: 1 B 14.819).

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO
i. V. m. § 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil
innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier
Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die
Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder


Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im


Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für
Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird.
Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO
genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in
§§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem
Streitwertkatalog).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen
wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht
München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde
auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses
eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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