Seewölfe - Piraten der Weltmeere 482: Küste des Todes
Von Roy Palmer
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Rezensionen für Seewölfe - Piraten der Weltmeere 482
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Buchvorschau
Seewölfe - Piraten der Weltmeere 482 - Roy Palmer
8
1.
Das Flammenrad der Sonne hatte noch lange nicht den höchsten Punkt seiner Bahn erreicht, und dennoch war es in der Bucht westlich von Batabanó bereits drückend heiß.
Es war der Morgen des 26. Mai 1595. Die ersten Sonnenstrahlen erreichten jenen Punkt, wo der Wasserfall in allen Farben schillerte, sobald ihn das Licht traf.
Allerdings sah dieser prachtvolle Wasserfall etwas anders aus als noch vor einem Tag. Die Culverinen der Kriegsgaleone „San Sebastian" hatten auf seinen vorkragenden Teil eingehämmert und ihn um einige Yards zurückverlegt. Ein schwerer Brocken hatte sich gelöst und den Eingang zu den hinter dem Wasserfall liegenden Höhlen total verbarrikadiert.
Die Strolche, die sich die Schatzbeute des Ex-Gouverneurs von Kuba, Don Antonio de Quintanilla, holen wollten, saßen wie die Ratten in der Falle. Hinzu kam, daß sich das Wasser jetzt direkt in die Höhlen ergoß.
Was sich draußen tat, wußten die Kerle nicht. Sie befanden sich mit ein paar trübe blakenden Fackeln im Dämmerlicht.
Eine Panik war unter ihnen ausgebrochen, seit das Wasser in den Höhlen gestiegen war und sie Zuflucht auf den Schatzkisten gesucht hatten, wo sie jetzt immer noch voller Angst hockten.
Sie hatten hündische Angst, elend in dem ständig nachströmenden Wasser zu ersaufen. Es war unter ihnen auch schon zu Mord und Totschlag gekommen.
Ein zweiter Ausgang hatte sich nicht gefunden, obwohl das Höhlensystem weitverzweigt war. Aber sie hatten in ihrer Angst auch noch nicht alles abgesucht.
Zwölf Kerle befanden sich jetzt noch in der Höhle. Sie hockten auf Kisten voller Gold, Silber, Edelsteine, indianischem Schmuck und kostbarem chinesischen Porzellan, von dessen Wert sie allerdings nichts wußten.
Für sie zählten nur Klunkerchen, Gold und Silber.
Jetzt konnten sie damit nichts mehr anfangen und sich nicht mal einen Weg aus dem höllischen Verlies freikaufen. An Wasser hatten sie keinen Mangel, es stand ihnen buchstäblich bis zum Hals. Aber Proviant hatten sie nicht, bis auf ein paar Kokosnüsse.
Das höllische Quartett, das aus dem Kreolen Manzo, Domingo, Casco und Toluca bestand, hatte sich in eine Ecke verzogen, die sie mit roher Gewalt von anderen Kerlen geräumt hatten.
Toluca war ein bißchen durchgedreht vor Angst, als das Wasser immer höher zu steigen begann. Er hatte sich in einer Goldkiste gewälzt und sich laut brüllend mit Münzen beworfen, die keinen Nutzen mehr für ihn hatten. Danach war er zusammengeklappt.
Jetzt hockte er stumpfsinnig und apathisch auf einem großen Faß und lauschte den Geräuschen, die sich nicht definieren ließen. Seine Augen waren trübe, seine Hände zitterten, und immer wieder rollten ihm Tränen aus den Augen.
Vorbei war es mit dem herrlichen Reichtum. Aus und vorbei. Er würde zwar mit Gold und Silber begraben werden, inmitten eines unvorstellbaren Reichtums, aber das konnte ihn erst recht nicht erheitern.
Ein Mann trieb im Licht der trüben Funzel vorbei. Er lag auf dem Bauch im Wasser und hatte die Arme ausgebreitet, als wollte er all die Schätze noch einmal liebevoll umarmen. Der Kopf lag so tief im Wasser, daß es aussah, als suche er den Grund unter sich nach weiteren Schätzen ab.
Der Mann war der Zweite Offizier der Handelsgaleone „Trinidad", die draußen zerschossen in der Bucht lag. Er hieß Gutierrez, und aus seinem Rücken ragte der Griff eines schweren Messers.
Aber das interessierte niemanden. Jeder war sich selbst der Nächste.
Sie hatten nur mit einem Seitenblick zur Kenntnis genommen, daß ihn der Kreole umgebracht hatte – aus Rache für den Tod seines Kumpans Cabral, den der Zweite erschossen hatte.
Cabral war durch den Wasserfall geflogen und trieb jetzt irgendwo im Meer, wo ihn der Fluß hingetragen hatte. Zu dem Zeitpunkt war der Eingang der Höhle auch noch nicht von dem mächtigen Felsbrocken versperrt worden.
Gutierrez schwamm in der ganz leichten Strömung weiter zu einem anderen Kerl, der mit weitgeöffneten Augen und irren Blicken auf einer Kiste hockte. Es hatte den Anschein, als statte er jedem der Strolche noch einen letzten Besuch ab.
„Hau ab! schrie der Kerl und wedelte mit den Händen wie einer, der Hühner verscheucht. „Verschwinde, ich will dich nicht mehr sehen. Geh endlich unter, sauf ab!
Als hätte er die Worte vernommen, trieb er weiter zu zwei anderen verstörten Kerlen. Sie hockten dicht beieinander auf einer großen Kiste und hatten die Beine bis ans Kinn hochgezogen. Das Wasser umspülte gerade noch ihre Füße.
Sie sahen auf das Messer, von dem nur der Griff noch ein Stück herausragte. Die beiden hießen Carlo und Morena.
„Der hat’s hinter sich, sagte Carlo, „wir noch nicht. Wir werden ganz langsam ersaufen – wie Katzen.
Sein Kumpan schluckte hart. Keinem war aufgefallen, daß das Wasser nicht mehr stieg. In ihrer stumpfen Apathie hatten sie nichts davon bemerkt.
„Lange halte ich das nicht mehr aus", sagte Morena mit einer heiser klingenden Stimme. Er starrte auf die eine Fackel, die in einem Riß in der felsigen Wand steckte und immer stärker flackerte.
„Wenn die verlöscht ist, haben wir nicht mal mehr Licht. Dann wird alles nur noch schlimmer."
„Eine Fackel ist noch da."
„Die wird das Wasser auslöschen, das immer höher steigt", murmelte Morena dumpf.
Die Leiche des Zweiten trieb weiter. Es sah wirklich so aus, als lebe der Kerl noch. Er schwebte fast durch das Wasser und wedelte immer wieder mit den Armen.
Manzo selbst warf etwas später nur einen flüchtigen Blick auf den treibenden Leichnam und grinste abfällig. Er hatte diesen Kerl schon immer gehaßt, aber seit er seinen Kumpan Cabral erschossen hatte, war dieser Haß noch größer geworden. Jetzt war die Angelegenheit für ihn bereinigt. Gleichgültig wandte er den Blick ab.
Sie alle hockten da wie im Wartesaal zum großen Glück und hofften auf das Glück von morgen, aber wie es aussah, würde es dieses Glück nicht mehr geben.
Anfangs hatten sie groß herumgetönt, waren desertiert, hatten geklaut und gemordet. Jetzt waren es nur noch erbärmliche Jammergestalten, abgerissen, mit den Nerven fertig und erledigt, umgeben von einem Reichtum, den sie nie im Leben hätten verbrauchen können, so viel war es.
Morenas Mundwinkel zuckten nervös. Da war dieses ständige unheimliche Geräusch des Gurgelns, das an seinen Nerven zehrte. Er hatte auch jegliches Zeitgefühl verloren und wußte nicht einmal, ob es draußen hell oder dunkel war.
Nach einer Weile stieß er seinen Kumpan ängstlich an.
„Ich will hier raus, sagte er heiser. „Es knackt so eigenartig in den Felsen. Vielleicht schießen sie jetzt den Berg auseinander.
„Ich will hier auch ’raus, knurrte Carlo, „aber ich habe schon lange keinen Schuß mehr gehört. Die haben aufgehört zu schießen und warten, bis wir ersoffen sind. Dann sprengen sie die Höhle und holen sich die Schätze selber.
„Es muß doch noch einen Weg geben, jammerte Morena. „Wenn wir in die anderen Höhlen gehen …
„Die sind alle unter Wasser, und wer gerade da drin war, der ist längst ersoffen."
„Dann gibst du einfach auf?" fragte Morena verbiestert.
„Wir kommen ja doch nicht raus." Carlo zuckte ratlos mit den Schultern und stierte vor sich hin.
Morena war zwar ein Feigling, aber aufgeben wollte er noch nicht. Wenn sie schon ersaufen mußten, so überlegte er, dann konnten sie auch in einer der zahlreichen Nebenhöhlen ersaufen. Es war dasselbe – ob man hier starb oder ein paar Höhlen weiter.
Aber er hatte Angst vor dem Wasser, das seiner Meinung nach unaufhaltsam weiterstieg. Wenn er dann gerade in einer der Röhren steckte, die zu anderen Höhlen führte, schnitt ihm das Wasser den Rückzug ab. Außerdem war es in den Nebenhöhlen finster, daß man nicht mal die Hand vor