Baron von Münchhausen: Walbreckers Klassiker
Von Dirk Walbrecker
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Buchvorschau
Baron von Münchhausen - Dirk Walbrecker
978-3-86346-286-4
Die Reise nach Russland
Liebe Leserinnen, verehrte Leser! Ich bin gerade mitten im Gespräch.
Meine besten drei Freunde weilen bei mir und wollen von einer meiner aufregendsten Reisen erzählt bekommen. Wie immer, wenn wir zusammensitzen, knistert es vor Spannung, raucht es aus allen Pfeifen und es fließt reichlich aus der Karaffe …
Doch bevor es richtig losgeht, möchte ich mich und meine Freunde kurz vorstellen: Meine Wenigkeit dürfte wohl jedem von euch bekannt sein: Ich bin der berühmte Baron von Münchhausen. Ich stamme aus dem uralten Geschlecht derer von Münchhausen, in dem es von Berühmtheiten nur so wimmelt. Aber ehrlich: Niemand unter meinen namhaften Ahnen hat es zu solchem Ruhm gebracht wie ich!
Natürlich habe ich mich oft gefragt, warum die Menschen mich überall so gut kennen und mich so sehr mögen. Liegt es daran, dass das, was ich zu erzählen habe, so einmalig, so außerordentlich und so besonders ist? Oder sind es meine Bescheidenheit und mein Hang zur Ehrlichkeit, die den Menschen imponieren? Oder liegt es sogar an meinem einnehmenden und liebreizenden Äußeren?
Wie es auch sei – ich bemühe mich, immer mit beiden Beinen oder wenigstens mit einem Bein auf dem Boden zu bleiben. Und wenn ich tatsächlich mal abhebe … dann liegt es nicht an mir, sondern immer an den anderen – das schwöre ich!
Doch zurück zu meinen Freunden, die schon ganz ungeduldig werden, weil ich immer noch nicht erzähle. Wie ich schon andeutete: Wir treffen uns öfter hier in meinem Heim und wenn ich mal auspacke mit meinen Abenteuern, so passiert es gewöhnlich, dass wir Zeit und Raum vergessen – so fesselnd und kurzweilig sind meine Geschichten.
Nun glaubt bitte nicht, die Herren hier seien unkritische Zuhörer. Das Gegenteil ist der Fall! Der Herr, der mir gegenüber sitzt, ist immerhin ein anerkannter Gelehrter, dessen Beruf es ist, alles und jedes zu hinterfragen. Wenn er mich durch seine Augengläser betrachtet, so merke ich, wie er darauf aus ist, auch das letzte Körnchen Unwahrheit in meinen Erzählungen aufzuspüren. Dennoch schätze ich Antonius – so lautet sein Name – sehr. Lieber ein misstrauischer Zuhörer wie Toni als gar keiner, der mir zuhört!
Der Herr zu meiner Linken ist ein besonderer Fall. Schon sein Name mag vermitteln, dass er nicht ganz von dieser Welt ist: Engelbert tauften ihn seine Eltern und unter uns Freunden nennen wir ihn öfter Berti. Berti ist – ganz im Vertrauen gesagt – unsagbar neugierig. Er hängt an meinen Lippen, als ob diese Wahrheiten aus dem Jenseits verkünden würden. Berti ist einfach sensationsgierig und zugleich ungemein gutgläubig. Dennoch scheint er von einem anderen Stern zu sein. Denn manchmal hat er Fragen, die kein Kind stellen würde. Und wenn es einmal ein bisschen unheimlich wird, dann wird er blass … oder er beginnt gar zu zittern.
Ganz anders der etwas rundliche Herr zu meiner Rechten: Siegbold ist sein Name und General ist sein Beruf. Ob Boldi, wie ich meinen Freund zärtlich nenne, allerdings je erfolgreich gegen eine Fliege gekämpft hat, möchte ich bezweifeln. Boldi ist und bleibt der gutmütigste Mensch, den ich kenne. Er lässt keinen Genuss, welcher Art auch immer, aus. Und außerdem war er schon dann und wann mein Reisebegleiter und dies sagt eigentlich alles!
Doch nun lauscht, was ich zu erzählen habe!
Könnt ihr euch vorstellen, liebe Freunde, wie furchtbar kalt der russische Winter ist?
Ich und mein treuer Gaul haben es erlebt.
„Wieso reist der Baron Hieronymus von Münchhausen ausgerechnet im tiefen Winter nach Russland?", werdet ihr vielleicht fragen.
Das ist sehr einfach erklärt: Im Winter sind die Holperwege gen Osten dank Frost und Schnee leichter passierbar als im Sommer!
So trabte ich also Meile um Meile in diese Himmelsrichtung. Der Schnee wurde mehr und mehr und irgendwann schien es mir, als habe er das ganze schöne Russland samt seinen lieben Menschen im wahrsten Sinne des Wortes verschluckt. Kein Haus, kein Baum, kein Nichts war mehr zu finden. Und als mich und meinen Gaul nach tagelangem Ritt die Müdigkeit überkam, da war ich froh, ein spitzes Irgendwas zu entdecken, an dem ich mein müdes Pferd festbinden konnte. Auch auf die Gefahr hin, über Nacht eingeschneit zu werden … ließen wir uns in unserem weichen, weißen Schneebett nieder und schliefen umgehend ein. Und nun kommt es, liebste Freunde: Wir schliefen und schliefen und schliefen … bis uns die Kirchenglocken weckten!
„Die Kirchenglocken?", fragt ihr verblüfft.
Jawohl! Genau die! Auch ich sperrte verblüfft und verwirrt Ohren und Augen auf, blickte in die verwunderten Gesichter einiger russischer Gestalten! Ich hielt Ausschau nach meinem Gaul und konnte es nicht fassen: Da zappelte doch der Gute hoch oben an der Kirchturmspitze, wo ich ihn festgebunden hatte, bevor – während wir den Schlaf der Gerechten und Ehrlichen schliefen – das Tauwetter eingesetzt hatte.
Mich selber hatte es dabei sozusagen hinunter auf den Kirchplatz getaut … mein Pferd aber hing dort oben und wieherte!
Ach, wie hatte ich Mitleid mit meinem guten Reisebegleiter! Der Arme zappelte hilflos da oben herum und hoffte auf Rettung! Wer kann auch damit rechnen, dass es über Nacht Tauwetter gibt und so ein kleines festes Ding im Schnee die Spitze eines Kirchturms ist!
Natürlich, ich habe daraus etwas gelernt: Künftig werde ich jedes Winzelding im Schnee genauestens prüfen, bevor ich es in Gebrauch nehme – das verspreche ich hiermit hoch und heilig!
Und eines sei noch hinzugefügt: Meinem lieben Pferd half ich schuss… ich meine schlussendlich mit einem Schuss: Ich traf seinen Halfter millimetergenau und das arme Tier landete hart, doch ohne Blessuren direkt neben mir!
*
Und weiter ging die Reise durch Russland – von nun an allerdings ganz gepflegt mit einem Schlitten. Und was geschah, als wir uns in rasanter Fahrt durch Tiefschnee St. Petersburg näherten?
Ein Tier auf vier Beinen, ein leibhaftiger Wolf …, jagte hinter uns her!
Nun sollte ich erst einmal kurz innehalten und etwas über