Academia.eduAcademia.edu

Zur Entstehung und Uberlieferung der "Missa graeca

1982, Archiv für Musikwissenschaft

Zur Entstehung und Überlieferung der „Missa graeca" von CHARLES M. ATKINSON Beschäftigt man sich mit Troparen und Gradualien aus dem 10. ... Bei näherer Untersuchung jedoch beginnt die Hypothese einer gallika-nischen Herkunft der Missa graeca Risse zu zeigen. ...

Franz Steiner Verlag Zur Entstehung und Überlieferung der "Missa graeca" Author(s): Charles M. Atkinson and Klaus-Jürgen Sachs Source: Archiv für Musikwissenschaft, 39. Jahrg., H. 2. (1982), pp. 113-145 Published by: Franz Steiner Verlag Stable URL: http://www.jstor.org/stable/930635 Accessed: 26-10-2015 07:19 UTC Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at http://www.jstor.org/page/ info/about/policies/terms.jsp JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. Franz Steiner Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv für Musikwissenschaft. http://www.jstor.org This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und Uberlieferung der ,,Missa graeca" * von CHARLES M. ATKINSON Beschiftigt man sich mit Troparen und Gradualien aus dem 10. und 11.Jahrhundert, so stBl3t man ziemlich hiufig auf Gesinge mit griechischen Texten in lateinischer Umschrift, unter denen Doxa en ipsistis theo (Gloria in excelsis Deo), Pisteuo eis ena theon (Credo in unum Deum), Agios Agios Agios (Sanctus) und O amnos tu theu (Agnus Dei) - in der wissenschaftlichen Literatur als griechische Teile des MeBordinariums oft summarisch mit ,,Missa graeca" angesprochen1 eine herausragende Rolle spielen. Die Entstehung dieser Stiicke der Missa graeca und anderer griechischer Gesinge innerhalb der lateinischen Liturgie ist seit mehr als einem Jahrhundert Gegenstand wissenschaftlicher Erdrterungen2. Wenngleich sich noch immer endgiiltige Antworten auf etliche der schwierigen Fragen dieses Komplexes verbieten, werfen doch jiingste Forschungen zur Ge* Eine kiirzere, englische Fassung dieses Aufsatzes ist in der unver6ffentlichten Festgabe fiir Martin Ruhnke zu seinem 60. Geburtstag (Erlangen, Juni 1981) enthalten. - Ich m6chte der Alexander von Humboldt-Stiftung fiir das Forschungsstipendium danken, das mir Studien zum hier behandelten Gegenstand im Mikrofilmarchiv des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universitit Erlangen-Niirnberg und in anderen europiischen Bibliotheken erm6glichte. 1 Als der lateinischen Liturgie ,,eingebiirgertes" Stiick geh6rte das Kyrie im Mittelalter nicht zur Missa graeca und bleibt deshalb hier unberiicksichtigt. (Zum Verhiltnis zwischen dem Kyrie und den anderen griechischen Ordinariumsstiicken vgl. K. Levy, The Byzantine Sanctus and its Modal Tradition in East and West, Ann. Mus. VI, 1958-63, S. 35-42.) Der Ausdruck ,,Missa graeca" ist nicht mittelalterlich und scheint im Zusammenhang mit der ,,messe grecque de Saint-Denis" in die wissenschaftliche Literatur eingedrungen zu sein (vgl. B. Kaczynski, GreekLearning in the Medieval West: a Study of St. Gall, 816-1022, unver6ffentl. Diss., Yale University, New Haven 1975, S. 235f.). Ich benutze den Ausdruck teils wegen seiner Eignung, teils weil er sich in der Literatur ebenfalls ,,eingebiirgert" hat. 2 Die einschliigige Literatur beginnt mit A. J. I. Vincent, Note sur la messe grecque qui se chantait autrefois a l'abbaye royale de Saint-Denis le jour de l'octave de la fete patronale, Rev. archdol. IV, 1864, S. 268-281. Ein Verzeichnis der wichtigsten Arbeiten ist zuginglich in F. Zagiba, Art. Messe, B. Die Messe in griechischer Sprache, MGG IX, 1961, Sp. 158ff. Zu erginzen wiren M. Huglo, Les Chants de la Missa Greca de Saint-Denis, Essays Presented to Egon Wellesz, Oxford 1966, S. 74-83, und W. Berschin, Griechisch-lateinisches Mittelalter, Bern 1980, S. 35-37. Archiv ftir Musikwlssenschaft, Jahrgang XXXIX, Heft 2 (1982) ? Franz Steiner Verlag GmbH, D-6200 Wiesbaden This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions CharlesM.Atkinson 114 schichte des O amnos tu theu, des griechischen Agnus Dei3, neues Licht auch auf die Missa graeca als einheitliche Gruppe von Gesangen. Um die Existenz griechischer Gesi&ngeim rdmischen MeBordinariumzu erklaren, wurden verschiedene Theorien aufgestellt. Eine der liltesten und eindiejenige von Am6dde Gastoud und Henri Netzer, besagt, diese fluBl3reichsten, seien vielleicht als entfernte Abkdmmlingebyzantinischer VorbilderGesinge in Gallien entstanden4. Sie beruht zu einem gewissen Gradeauf der Vermutung, daB die gallikanische Liturgie als solche direkt auf byzantinische Vorlagen zuriickgehe, die waihrenddes 4. Jahrhunderts nach Oberitalien und Siidgallien gelangten 5. Auf den ersten Blick erscheint diese Hypothese recht iiberzeugend: beispielsweise das Aius, das gallikanische Gegenstiick zum byzantinischen Trisagion, wird in der AiltestenBeschreibung der gallikanischen Liturgie, der Expositio antiquae liturgiae Gallicanae aus dem 7. Jahrhundert, erwiihnt8; auch geharte, nach Netzer', das CredoNicaenum bereits in sehr friiher Zeit zur gallikanischen Messe. Bei niherer Untersuchung jedoch beginnt die Hypothese einer gallikanischen Herkunft der Missa graeca Risse zu zeigen. Johannes Quastens lenkte die Aufmerksamkeit auf zahlreiche Parallelen zwischen verschiedenen ostkirchlichen Liturgien und der gallikanischen Liturgie, wie sie sich aus der Expositio antiquae liturgiae Gallicanae abzeichnet. Doch von griechischen Trisagion abgesehen lBt sich kein Gesang der alten gallikanischen Liturgie nachweisen, der direkt, uniibersetzt aus dem Osten entlehnt worden wire. Die Expositio erwahnt kein Credo (oder Pisteuo), und Quasten bestreitet iiberzeugend die Meinung anderer Forscher, das im gallikanischen Ritus wahrend der Communio gesungene Trecanum stelle eine Version des a Vgl. Ch. M. Atkinson, O amnos tu theu: the GreekAgnus Dei in the Roman Liturgy from the Eighth to the Eleventh Century, KmJb (im Druck). Edition der Texte des O amnos nach friihen Tropenhss.: G.Iversen, Tropes de l'Agnus Dei, = Corpus Troporum, IV, Stockholm 1980, S. 59-61. du chant liturgique d Paris, 1: Des origines a la fin des temps 4 A. Gastoud, Histoire carolingiens, Paris 1904, S. 27ff. u. 57ff.; H. Netzer, L'Introduction de la messe romaine en France sons les Carolingiens, Paris 1910, S. 46, 87, 91-92, 214-223. * Genaugenommen besagt diese Theorie, der gallikanische Ritus stelle einen spiider antiochenischen ten Entwicklungszweig Liturgie dar, die unter der Agide von Bischof Auxentius nach Mailand gelangte; dieser war Kappadozier und leitete die Kirche von 355 bis 374; von Mailand her breitete sich der neue Ritus mailindische Origines iiber Gallien aus. Namhaftester Vertreter dieser Theorie ist L.Duchesne, du culte chritien, 5e id., Paris 1925, S. 93-99. Dieselbe Ansicht vertreten P. Lejay, Chronique de littirature chritienne, la messe latine, Rev. d'hist. et de litt. relig. II, 1897, S. 91-96, 173-192, 277-288, und H. Leclercq, Art. Messe, Dictionnaire ologie chrdtienne et de liturgie XI. 1, Paris 1933, Sp. 641f. 6 sten, 7 8 d'arch6- Expositio antiquae liturgiae Gallicanae Germano Parisiensi ascripta, hg. J. Qua= Opuscula et Textus, ser. liturg. III, Miinster 1934. Netzer, a.a. O. (s. Anm. 4) S. 46. J. Quasten, Oriental Influence in the Gallican Liturgy, Traditio I, 1943, S. 55-78. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tberlieferung der ,,Missagraeca" 115 Credo dar9. Ferner liBt sich zeigen, daB3manche Ordinariumsgesinge der rimischen Messe in Rom friiher bezeugt sind als in Gallien, wenngleich das Prinzip der Ordinariumsges~inge in der gallikanischen Liturgie ebenfalls ausgeprigt ist o10. Das Kyrie beispielsweise wurde in Gallien im Jahre 529 durch das Konzil von Vaison eingefiihrt, welches darauf drang, daB die gallikanischen Kirchen im Gebrauch dieses Gesanges dem Vorbild Roms und Italiens folgten11. Ebenso treten bereits Gloria und Agnus Dei als Teile der rdmischen Messe auf, bevor sie in einer Region nordlich der Alpen erscheinen12.SchlieBlich sind die Stiicke der Missa graeca in keiner der fiir gallikanische Gesinge wesentlichen Handschriften iiberliefertl3. Deshalb diirfte die Entstehung der Ordinariumsteile,die der Missa graeca angehdren, schwerlich in Gallien zu suchen sein. Vertretbarerist die Hypothese von Peter Wagner14und, modifiziert, von Otto Ursprung16.Nach ihrer Sicht entsprangen griechischeGesinge wie zweisprachige * Ebenda S. 77f. Vgl. E.Jammers, Musik in Byzanz, im papstlichen Rom und im Frankenreich, 10 Heidelberg 1962, S. 219. dieses Konzils lautet: ,,Et quia 11 Der einschl~igige Abschnitt aus den Beschliissen tam in sede apostolica, quam etiam per totas orientales atque Italiae provincias, dulcis & nimium salutaris consuetudo est intromissa, ut Kyrie eleison frequentius cum grandi affectu & compunctione dicatur; placuit etiam nobis, ut in omnibus ecclesiis nostris ista tam sancta consuetudo & ad matutinam, & ad missas, & ad vesperam Deo propitio intromittatur." (zit. nach J. D. Mansi, Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio, Firenze 1759, II, S. 573). des Liber pontificalis (6. oder 7. Jh.) berichtet, Papst Teles12 Die erste Redaktion phorus (um 125-um 138) habe das Singen des Gloria fir den Beginn der Mitternachtsmesse zum Christfest angeordnet (L. Duchesne, Liber pontificalis I, Paris 1886, S. 56). Da jedoch das Weihnachtsfest in Rom nicht vor ca. 336 eingefiihrt worden ist, mu3 dieser Bericht au3er acht bleiben. Eine glaubwiirdigere Darstellung im Liber pontificalis besagt, daI3 Papst Symmachus (498-514) das Gloria an Sonntagen und an den Festtagen der Mirtyrer habe singen lassen (ebenda S. 263). Fiir das Agnus Dei berichtet dieselbe Quelle, es sei durch Papst Sergius I. (687-701) in die rimische Messe eingefiihrt worden (ebenda S. 376). Fiir die weitere Erarterung vgl. Ch. M. Atkinson, The Earliest Settings of the Agnus Dei and its Tropes, unver6ffentlichte Diss., Uni- versity of North Carolina, Chapel Hill 1975, S. 12-55. a13Von den Hss., die Stiicke der Missa graeca enthalten, geh6ren lediglich zwei zu den Quellen des gallikanischen Gesangs, mit denen sich beschiftigen A. Gastoud, Le chantgallican, Revue du chant gregorien XLI, 1937, S. 101-106, 131-133, 167-176; XLII, 1938, S. 5-12, 57-62, 76-80, 107-112, 146-151, 171-176; XLIII, 1939, S. 7-12, 44-46, und B. Stiiblein, Gallikanische Liturgie, MGG IV, 1955, Sp. 1299-1325. Es handelt sich um die Hss. Paris, BN lat. 909 and 1121, die beide eine verhiltnism•i3ig weitverbreitete gallikanische Litanei iiberliefern. 14 P. Wagner, Einfiihrung in die gregorianischen Melodien, I: Ursprung und Entwicklung der liturgischen Gesangsformen bis zum Ausgang des Mittelalters, Freiburg, Schweiz 1901, S. 51ff. ; vgl. auch ders., Morgen- und Abendland in der Musikgeschichte, Stimmen der Zeit CXIV, 1927, S. 131-145. entwickelt: Alte griechische Einfliisse 1I Ursprungs These wird in zwei Aufsitzen und neuer grazistischer Einschlag in der mittelalterlichen Musik, ZfMw XII, 1930, S. 193-219; Um die Frage der Echtheit der Missa graeca, Mf VI, 1953, S. 289-296. bietet ders., Die katholische Kirchenmusik, PotsLeitgedanken der Argumentation dam 1931, S. 24, 47, 67, 71, 82, 84, 92f. Wagner und Ursprung stimmen darin iiberein, This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 116 CharlesM.Atkinson Gesangspraxis im lateinischen Westen einer gemeinsamen Quelle: Rom. Beginnend mit Theodor I. (642-649) hatten iiber hundert Jahre lang in fast ununterbrochenerFolge ,,griechische"Paipsteden Heiligen Stuhl inne 18. Viele von ihnen stammten aus der Schar griechisch sprechender Christen, die sich nach ihrer Flucht vor dem im Osten vorriickendenIslam in Italien und Sizilien angesiedelt hatten. Ihr EinfluBlauf die ramische Kirche wurde so gewichtig, daB, wie Baumstark meinte 7, die Kirche wiahrenddes 8. Jahrhunderts in der Gefahr einer vlligen ,,0rientalisierung" stand. Dieser orientalische EinfluB wirkte sich mannigfach auf die ramische Liturgie aus. Nicht nur wurden Namen ostkirchlicher Heiliger wie Kosma, Damianus und Anastasius in den rdmischen Kanon eingefiihrt 1s, sondern auch Gesinge iibernommen19.Papst Sergius I. (687-701), dem der Liber pontificalis die Einfiihrung des Agnus Dei in die ramische Messe zuschreibt, kdnnte eine Rolle gespielt haben auch bei der Einfiihrung griechischer Gesiinge,die sich in einigen friihen Handschriften fiir das Fest der Reinigung finden, da er als Initiator von Prozessionen an vier der hohen Marienfestegilt 20.Die OrdinesromaniXXIII Gesinge im Westen gewesensei. dalBRom die direkteQuellef'ir griechischsprachige Wihrend jedochWagnereine direktet(bernahmeder Gestingeaus Byzanz annimmt, er mreint Ursprung, sie verkbrperten musikalisch tatsiichlich eine rdmische Praxis; weist darauf hin, daB manche der griechischen Piipste - darunter Sergius I. - von Jugend an in der Schola cantorum geschult waren; ihr musikalischer Bildungsstand sei somit eher rdmisch als byzantinisch gewesen. Nach Ursprungs Sicht war die Missa graeca als zyklische Einheit eine Sch6pfung der Karolingerzeit. 16 Die Reihe dieser Phpste lautet: Theodor I. (642-649), Agatho (678-681), Leo II. (682-683), Johannes V. (685-686), Konon (686-687), Sergius I. (687-701), Johannes (708-715), VI. (701-705), Johannes VII. (705-707), Sisinnius (708), Konstantin Gregor III. (731-741), Zacharias (741-752). Vom geschichtlichen Werden der Liturgie, Ecclesia orans X, Frei17 A. Baumstark, Die ,,Gefahr" drohte, nach Baumstarks Sicht, von der Macht, 62-64. S. 1923, burg welche die byzantinische Administration des Exarchats Ravenna, dem Rom unterstand, ausiibte. Er weist ferner auf die Bedeutung der griechischen Klster in Rom hin, die an Umfang und EinfluB mit dem Zustrom von Christen aus dem Osten wihrend des 7./8. Jh.s zunahmen; vgl. auch A.Michel, Die griechischen Klostersiedlungen zu Rom bis zur Mitte des 11. Jh.s, Ostkirchliche Studien I, 1952, S. 32-45. 1s Vgl. J. Jungmann, S. J., Missarum sollemnia, 4.Aufl., Freiburg 1958, II, S. 97. I, S. 52-57; P. Cagin, Avant-propos: L'Antiphonaire 19 Vgl. Wagner, Einfiihrung ambrosien, Antiphonarium ambrosianum du Musge britannique (xiie sidcle) Codex Additional 34209, Palhographie Musicale V, Solesmes 1896, S. 7-15; R.-J.Hesbert hier Bei(Hg.), Antiphonale missarum sextuplex, Briissel 1935, S. lxxxvii-lxxxix, spiele und ausgiebige Diskussion der aus Byzanz in den Westen gelangten Sthicke. schreibt Sergius I. vier Prozessionen zu, an den Marien20 Der Liber pontificalis festen Verkiindigung, Himmelfahrt und Geburt sowie am Tage des Simeon, ,,den die Griechen Hypapante nennen": ,,[Sergius] Constituit autem ut diebus Adnuntiationis Domini, Dormitionis et Nativitatis sanctae Dei genetricis semperque virginis Mariae ac sancti Symeonis, quod Ypapanti Greci appellant, letania exeat a sancto Hadriano et ad sanctam Mariam populus occurat" (Duchesne, a.a. O. [s. Anm. 12] S. 376). Das Fest des Hypapante (2. Februar) gedenkt der Darbringung Jesu im Tempel, der Begegnung mit Simeon und Anna sowie der Reinigung der Maria vierzig Tage nach Jesu Geburt (Luk. 2, 22-38). Der Westen beging den 2. Februar urspriing- This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tberlieferung der ,,Missa graeca" 117 und XXXB bezeugen ebenfalls den Gebrauchdes Griechischenin der ramischen Liturgie des 7. und 8. Jahrhunderts, indem sie vorschreiben, die lectionesund cantica vor der Messe am Karsamstag sowohl griechisch wie auch lateinisch auszufiihren21. Der Ordo romanus XI und das Sacramentarium Gelasianum for- dern die griechische wie lateinische Einprigung des Glaubensbekenntnissesals Teil des Priifungsritus bei der Taufvorbereitung22; zwar kdnnte eine solche Ubung aus jener Zeit stammen, in der das Griechische noch offizielle Kirchensprache - auch in Rom23- war, doch wire es auch m6glich, daB die zweisprachige Praxis erst einsetzte, als der EinfluB der graecophonen Christen dies erforderlich machte. Eine weitere Stiitze fiir die Hypothese, daB Ordinariumsgesinge mit griechischen Texten in Rom entstanden sind, liefert das Speculum ecclesiae; der anonyme Autor dieses Traktats (,,Anonymus Tours") erwihnt das Singen des Gloria auf Griechisch wie auf Lateinisch als spezifisch r6mischen Brauch, dessen Pflege mit dem griechischen Bevblkerungsanteil Italiens zusammenhing: ,,Wir singen [das Gloria] griechisch nach altem Brauch der ramischen Kirche, den graeci wie latini einst pflegten; und da der Teil Italiens von Griechen gr513te bewohnt wurde, war die griechische Sprache auch den latini nicht weniger vertraut als die lateinische" 24, lich als Fest des Hlg. Simeon, verlegte spiter aber Akzent und Bestimmung auf die Reinigung der H1g. Jungfrau. Einige der iltesten Gradualien wie das Sacramentarium Gelasianum (8.Jh., vgl. Hesbert, a.a.O. [s. Anm. 19] S. lxxxvii-lxxxviii) bezeichnen das Fest noch als ,,Natale S. Simeonis", die Gradualien von Rheinau und Compidgne aber als ,,Purificatio S[anc]tae Mariae". Das Graduale von Mont Blandin (nach Hesbert, a.a.O. S. xv-xviii, aus dem 8./9.Jh.) fiberliefert zwei der vier Prozessionsantiphonen fiir den 2. Februar in Griechisch wie in Latein. 21 Ordo XXIII, eine summarische Beschreibung der pipstlichen Liturgie und wohl im 8.Jh. von einem deutschen Kleriker anlBl3lich eines Rombesuchs abgefal3t, erw~ihnt nur eine griechische lectio:,,Et ascendit lector in ambonem et legit lectionem grecam" (Les Ordines romani du haut moyen dge, hg. M.Andrieu, III, Gembloux 1951, S. 272). OrdcloXXXB, von einem frinkischen Kompilator des spaten 8.Jh.s, iul3ert sich ausfiihrlicher: ,,Deinde annuit archidiaconus subdiacono regionario ut legatur lectio prima, in greco sive in latina... Deinde secuntur lectiones et cantica seu et oraciones, tam grece quam latine, sicut ordinem habent" (ebenda S. 472). Zur weiteren Dokumentation der zweisprachigen Lektionspraxis vgl. C.P. Caspari, Ungedruckte, unbeacheteeund wenig beacheteeQuellen zur Geschichtedes Taufsymbols und der Glaubensregel, 1875, Nachdr. Briissel 1964, III, S. 440-472, und A.Petrani, De bilinguibus lectionibus liturgicis, = Collectanea Theologica Societas Theologorum Polonorum XVIII, 1937, S. 1-19. 22 Andrieu, Ordines romani, II, Gembloux 1948, S. 434f. Zu den Beziehungen zwischen Ordo XI und Sacramentarium Gelasianum vgl. ebenda S. 380-408 u. bes. 393f. wie auch Caspari, a.a.O. (s. Anm. 21) S. 480ff. 23 Nach Th. Klauser (Der tbergang der rimischen Kirche von der griechischen zur lateinischen Liturgiesprache, Miscellanea Giovanni Mercati, Studi e Testi CXXI, Citti del Vaticano 1946, S. 467-482) war das Griechische bis ins 4.Jh. hinein die der christlichen Kirche; es wurde jedoch zur Zeit des Papstes Liturgiesprache Damasus I. (366-384) durch das Latein als Sprache der Westkirche verdrangt. 24 ,,Nos canimus illud graece juxta morem antiquum Romanae ecclesiae, cui tam graeci quam latini solebant antiquitus deservire, & a graecis habitabatur maxima This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions CharlesM.Atkinson 118 und fiahrtfort, man habe das Gloria am Christfest in der ersten Messe auf Griechisch, in der zweiten auf Lateinisch gesungen, weil ,,das Griechische dem Lateinischen vorangehen soll wie die Mutter der Tochter"25* Das vielleicht iiberzeugendste Argument fiir einen r6mischen - nicht gallikanischen - Ursprung der Missa graeca aber liegt darin, daB3jene liturgischen Handschriften, die griechischsprachigeGesinge iiberliefern, Me3biicherfiir den r6mischen Ritus - nicht fuirden gallikanischen - sind. Auch entstanden diese Quellen zumeist in Gebieten, die wihrend des 9. und 10. Jahrhunderts stiirkstem rdmischen EinfluB unterlagen, nimlich in den ndrdlichen und dstlichen Regionen des Friinkischen Reiches. Tabelle I (s. S. 120-125) bietet eine 1tbersicht dieser Manuskripte 26~ Die umrissenen Indizien, die beim griechischen Vortrag des Melordinariums fiir ramischen Ursprung im 7. oder 8. Jahrhundert sprechen, sind recht gewichtig. Wie jedoch spiter zu erkennen sein wird, stiitzt der Handschriftenbefund eine rdmische Herkunft nicht bei allen Stiicken der Missa graeca gleichermafen beweiskriftig. Ein genaueres Studium des Auftretens dieser Gesange in den Manuskripten sowie ihrer liturgischen Funktion, doch auch der Art ihrer Verbreitung vermag einige wichtige Aufschliisse fiber ihre Entstehung zu geben. Eines der auffiilligsten Merkmale griechisch textierter Gesinge ist die Fiille ihrer grammatikalischen und orthographischen Inkonsequenzen - oder offenkundiger Irrtiimer -, die sich in vier Kategorien einteilen lassen: 1) Graphie oder unterschiedliche Schreibung von Wartern, 2) Krasis oder Wortzusammenziehung, vor allem eines Substantivs mit seinem Artikel, 3) schlicht grammatikalische Fehler, 4) absichtliche Eingriffe, Zufiigungen oder Auslassungen, zupars Italiae, unde lingua graeca non minus erat nota etiam latinis, quam latina" (zit. nach E.Mart~ne, De antiquis ecclesiae ritibus, Antwerpen 1736, I, S. 102). 22 26 ,,Decet enim ut graeca praecedat latinam tanquam mater filiam" (ebenda). Die Die tfbersicht griindet sich auf mehrere Quellen, darunter E.Jammers, Essener Neumenhandschriften der Landes- und Stadt-Bibliothek Diisseldorf, Ratingen 1952, S. 20; Zagiba, a.a.O. Sp. 159f. u. Huglo, a.a.O. (s. Anm. 2). Die fiir diese Nicht alle Mss. mit Studie benutzten Hss. sind durch Asteriskus gekennzeichnet. Gesingen wurden einbezogen, sondern nur diejenigen mit griegriechischsprachigen wurden mit aufgenommen chischen Ordinariumsstiicken. (Zu Vergleichszwecken Pisteuo als Teil des einige friihe Quellen, die das nizinisch-konstantinopolitanische Priifungsritus [Skrutinium] vor der Taufe iiberliefern.) Wichtig ist der Hinweis, daB sich die Texte, gelegentlich auch die Melodien dieser Mss. wie Grammatiken, Alphabetreihen und Geslinge zuweilen in nicht-liturgischen finden (z.B. Cambridge, UL, Gg. 5.35; den aufgezeichnet Miszellensammlungen Haag, MM-W, 6; London, BL, Harn. 5642; London, BL, Royal 2. A. xx; Montpellier, BU, H 306; Miinchen, BS, clm 19440; Paris, BSt.-G, 2410; Paris, BN lat. 4883 A; Wolfenbiittel, Weiss. 86). Eine Untersuchung des Niederschlages der Missa graeca in der Lehr- und Schultradition des Mittelalters iiberschritte die Grenzen der vorliegenden Arbeit, finde aber wichtige Grundlagen bei B. Bischoff, Das griechische Element in der abendliindischen Bildung des Mittelalters, Byzantinische Zeitschrift XLIV, 1951, S. 27-55, revid. Nachdr. in ders., Mittelalterliche Studien II, Stuttgart 1967, S. 246-275; Berschin, a.a.O. (s. Anm. 2); Kaczynski, a.a.O. (s. Anm. 1). This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und ifberlieferungder ,,Missagraeca" 119 weilen zur Angleichung des griechischen Textes an sein lateinisches Gegenstiick, zuweilen aber wohl auch als Reflex eines anderen griechischen tberlieferungsstranges. Ein gemeinsamer Grundzug all dieser Texte ist die Erscheinung des Jotazismus, einer Kontraktion der Vokale v und 4 und der Diphthonge ot und Etzum Laut ,,i" (Jota), in lateinischen Quellen als i oder y geschrieben. Die griechischen W6rter ihpIaootLund ejvY werden z.B. in den behandelten Texten zu ipsistis und irini. Der Diphthong at wird durchweg als e iibertragen, ahnlich wie das klassisch lateinische ae in mittelalterlichen Quellen als e erscheint. DemgemiB steht fiir die Konjunktion xa( (,,und") Ice.Hiaufigfinden sich Verwechselungen der Konsonanten L und -, x und x, so daB zu antropis, e3oux(a zu dv6•f•notg wird. Da oft wandelt sich in aios. (Diese Gamma eudochia vallig entfallt, 'Lytos werden sie manchem Leser vertraut weil sein, Erscheinungen auch im Neugriechischen auftreten). Selbst wenn man diese weithin liblichen Eigenarten der Umschrift als gegeben hinnimmt, bieten Graphie und Worttrennung in den Texten griechischer Gesinge noch einen faszinierenden Variationsreichtum, fir den man sogar im schlichtesten der Texte, in 0 amnos tu theu, signifikante Falle findet. Beispiel 1 gibt diesen Gesang nach dem Manuskript Paris 909 (11.Jh.) wieder. Beispiel 1: Aquitanische Fassung von O amnos tu theu (Paris, BN lat. 909, fol. 37') * 0 amno uv)Oo [o Ag - nus Ag - nus tu theu Toi9 de de- 'o - i oyo o 0LOS fi -li tu TOU patros warpo !i(TQ patris oe - rontas o0u aip o qui V Tn(UQc Tas tollis amarcian tu ap; TOu peccata peccata cosmu ele son imas iopou mundi miserere nobis wundi iniserere nobis * Schliisselung nach M. Schildbach, Das einstimmige Agnus Dei und seine handschriftliche Zfberlieferungvom 10. bis zum 16. Jahrhundert, Erlangen 1967. Melodie- und Textfassung entsprechen der in westfrinkischen Quellen des 10. und 11. Jahrhunderts iiblichen Version. Um einen Vergleich zu erleichtern, wurde der griechische Text unter dem transliterierten Wortlaut der Handschrift hinzugefiigt. Beim Vergleich mit der (darunter abgedruckten) lateinischen Fassung aus derselben Quelle li13t sich iiberdies ersehen, wo die Ausfiihrung das angestrebte Niveau nicht vdllig erreichte. das Einige Anomalien sind hier offenkundig. Das griechische Aquivalent f'ir lateinische peccata besitzt imnManuskript den richtigen Pluralartikel tas (idk), steht aber selbst im Singular, amartian (dcaezav); der korrekte Plural hieBe amartias (d6zaeriag),der dem Singular entsprechende Artikel mii3te tin (try) lauten. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Tabelle I Handschriften, die griechische Ordinariumsstiicke enth (D = Doxa [Gloria], P = Pisteuo [Credo], A Agios [Sanctus], O = O amn Handschrift Fest Inhalt Typ *Apt, Arch. de la Basilique St.Anne 17 (5) Pfingsten A Tropar *Apt, Arch. de la Basilique St. Anne 18 (4) Pfingsten D Tropar *Bamberg, Staatsbibl. Bibl. 44 (A. I. 14) *Bamberg, Staatsbibl. Lit. 6 - D/P 1 Psalter - D Graduale *Bamberg, Staatsbibl. Lit. 53 (Skrutinium) P' Pontificale, Ord. romani *Berlin, Deutsche Staatsbibl., theol. 4011 Berlin, Deutsche Staatsbibl., Hamilton 552 - D/P/A/O Tropar - D1 Psalter *Briissel, Bibl. Royale - Martyrologium Albert Ier, 21536-40 *Cambridge, Corpus Christi 473 Cambridge, Corpus Christi 163 *Cambridge, Univ. Libr. Gg. 5. 35 (Skrutinium) - D P D/P f Tropar Pontificale Miszellensammlung This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Handschrift Fest Inhalt Typ *Diisseldorf, Landes- und Stadtbibl., D 2 Den Haag, Museum MeermanoWestreenianum, 6 (Pfingsten) D/P/A/O 2 Sakramentar - P/A/O 1,3 *Kassel, Landesbibl. theol. Q 15 - O Eusebius, Historia ecclesiastica Graduale/Tropar *Kremsmiinster, Stiftsbibl. 309 *Laon, Bibl. munic. 118 - D1 D1 Tropar Sakramentar - *Laon, Bibl. munic. 263 Johannes Evang. D *Leningrad, Saltykov-Shchedrin, Q.v.I, no. 41 - *London, British Libr. Add. 19768 - *London, British Libr. Cotton Galba A. XVIII - *London, British Libr. Cotton Titus D. XVIII London, British Libr. Harley 5642 Prosar D/A 1 Sakramentar D/P/A/O Tropar/Cantatorium A1 Psalter - A1 Miszellensammlung - D/A1 Grammatik (Dositheus) *London, British Libr. Royal 2. 1. xx - D/A/O 1,4 Miszellensammlung *Modena, Bibl. capit. O. I. 7 Ostern A Graduale/Tropar This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Handschrift Fest Inhalt Typ *Montpellier, Bibl. univ. (Facult6 de Mddicine) II. 306 Miinchen, Bay. Staatsbibl. Clm 6425 *Miinchen, Bay. Staatsbibl. Clm 14083 *Miinchen, Bay. Staatsbibl. Clm 14322 *Miinchen, Bay. Staatsbibl. Clm 19440 Ostern D/P/A/O 1,4 Miszellensammlung - P Lectionar Pfingsten D/P/A/O Cantatorium Pfingsten D/P/A/O Cantatorium - P5 deutsche u. lat. Glossen *Oxford, Bodleian Libr. 775 *Oxford, Bodleian Libr. Selden Supra 27 Pfingsten - D Tropar D/P 5/A/O Prosar/Tropar *Paris, Bibl. de 1'Arsenal 1169 Paris, Bibl. St. Genevieve 2410 *Paris, Bibl. Nationale lat. 779 Pfingsten - D/P6 A1 Prosar/Tropar Miszellensammlung Pfingsten A Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 909 Pfingsten A/O Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 1084 - A/O Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 1118 Pfingsten D/A Tropar This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions lfandschrift Fest Inhalt Typ *Paris, Bibl. Nationale lat. 1119 Pfingsten A/O Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 1120 Pfingsten A/O Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 1121 Pfingsten A Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 1834 Pfingsten A/O Tropar-Fragment *Paris, Bibl. Nationale lat. 2290 - D/P/A/O 1 Sakramentar *Paris, Bibl. Nationale lat. 2291 Paris, Bibl. Nationale lat. 4883 A Paris, Bibl. Nationale lat. 9434 - D/P 7 Sakramentar - D/P ' Miszellensammlung Weihnachten D Graduale/Sakramenta *Paris, Bibl. Nationale lat. 9436 - D/P Missale *Paris, Bibl. Nationale lat. 9449 Pfingsten D/P/A/O Cantatorium/Tropar *Paris, Bibl. Nationale lat. 12048 (Skrutinium) P1 Sakramentar *Paris, Bibl. Nationale n.a. lat. 1871 Pfingsten A/O Tropar This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions ITandschrift Fest Inhalt *Paris, Bibl. Nationale Cabinet des MBdailles, Diptychon (Chabouillet Nr. 3264) *Rom, Bibl. Angelica 123 - D/A/O 8 Weihnachten, Epiphanias - A Graduale D/P' Miszellensammlung (Skrutinium) P1 Sakramentar - p1, 5 *Rom, Bibl. Vaticana Reg. lat. 215 *Rom, Bibl. Vaticana Reg. lat. 316 St. Gallen, Stiftsbibl. 17 *St. Gallen, Stiftsbibl. 338 Typ - D/P gr.-lat. Psalter Graduale - D/P 6 Graduale - D/P/O Graduale D/P/O Tropar - D/P/O Tropar - D/P/A/O Tropar D/P Tropar *St. Gallen, Stiftsbibl. 484 - D/P/A/O Tropar *Stockholm, Kungliga Bibl. A 136 Tours, Bibl. munic. 193 *Verona, Bibl. capit. CVII (100) - D/P D Sakramentar Sakramentar A Tropar *St. Gallen, Stiftsbibl. 340 *St. Gallen, Stiftsbibl. 376 *St. Gallen, Stiftsbibl. 378 *St. Gallen, Stiftsbibl. 380 *St. Gallen, Stiftsbibl. 381 *St. Gallen, Stiftsbibl. 382 This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Handschrift Fest Inhalt Typ *Wien, Osterreichische Nationalbibl. 1888 *Wolfenbiittel, Herzog-August Bibl., Weil3enburg 15 Wolfenbiittel, Herzog-August Bibl., Weil3enburg 86 - D/P/A/O Sakramentar Ostern D/P 1 - D' Pontificale/Ord. romani grammatikalische Texte - P5 Graduale/Tropar - D Miszellensammlung *Ziirich, Zentralbibl. Rh. 97 *Ziirich, Zentralbibl. Rh. 132 * Fiir diese Studie direkt herangezogen. 1Nur Text(e). Faks. bei E.Jammers, Die Essener Neumenhandschriften der Landes- utndStadt-Bibliothek A u. O spiter hinzugefiigt; vgl. P. Lehmann, Hollindische Reisefrichite, Sitzungsber. der Ba philologische u. hist. Klasse, Miinchen 1920, 13. Abh. 4 Sp~itere Erginzung(en). " ,,Apostolisches" Pisteuo. 2 3 6 Nur Incipits. SDoxa teilweise mit Neumen; vgl. J. Handschin, Eine alte Neumenschrift, AMI XXII, 1950, S. AM1 XXV, 1953, S. 87. 8 Zur Diskussion und fiir eine Reproduktion des Diptychons vgl. J. Hourlier, Neumes sur des S. 149-152. * Pisteuo teilweise mit Neumen; Reproduktion bei H. M. Bannister, Monumenti Vaticani di P Tavole: Nr. 108, tav. 10. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions CharlesM.Atkinson 126 Eine noch interessantere, fast kuriose Lesung kommt in der ersten Phrase des Verses vor: dem 0 amnos tu theufolgt die Apposition oyo tu patros. Korrekte Nominativformen w~iren o amnos und o uios, lateinisch agnus und filius. Wie das lateinische fili der Handschrift verrit, wollte der Scriptor (?) amnos und uios im Vokativ wiedergeben - schuf stattdessen aber eine imaginare Form! (Korrekte griechische Vokativendung wire Epsilon, umschrieben durch e.) AuBer den erwihnten grammatikalischen Irrtiimern enth~lt Paris 909 auch ein schdnes Beispiel jener Art von orthographischer Eigentiimlichkeit, die in allen griechisch textierten Stiicken zu beobachten ist, der Krasis. Die Schreibung oerontas statt o eron tas in O amnos tu theu stellt einen der bemerkens- wertesten Falle fiir Wortzusammenziehung in der Missa graeca dar. Wie nimlich ein Vergleich beider griechischer Versionen in Beispiel 1 zeigt, vereinigt oerontas drei getrennte Wdrter: den Artikel o (6), das Partizip Prasens eron (ai'iecov)und den Artikel tas (rdg). Nur o und eron gehdren zusammen; tas ist Artikel zu amartias. Ahnliche grammatikalische und orthographische Besonderheiten finden sich vielfaltig in faktisch allen Stiicken der Missa graeca. Wie erklirt sich dies? aus, sie nur als SchreibH~iufigkeitund Konstanz dieser Merkmale schlieBl3en fehler anzusprechen. Als mdgliche Erkliarungll3t sich ins Feld ftihren, jene Fehler und fragwiirdigen Schreibweisen seien im Zuge einer Niederschrift ,,nach Diktat" entstanden: man habe Gesange, die griechisch gesungen wurden, noch lange nach dem Schwinden einer fdrmlichenKenntnis dieser Sprache in Westeuropa, von miindlicher tfberlieferung her aufgezeichnet27. Wenngleich die konstant tradierten Irrtiimer bestimmter Manuskripte darauf hindeuten, daB in gewissem Umiang ein Kopieren schriftlicher Quellen stattfand, spricht doch die Art der Unregelin der Karolingerzeit vgl. bes. die in Anm. 26 genannten 27 Zur Griechischkenntnis Arbeiten von Bischoff, Berschin u. Kaczinski; ferner M. Cappuyns, Jean Scot Arigine: sa vie, son ceuvre, sa pensde, Paris 1933, S. 128-135; E.Delaruelle, La connaissance du grec en Occident du Ve au IXe sidcle, Milanges de la Soci6tB Toulousaine des 6tudes classiques I, 1946, S. 207-226; R. Weiss, Greek in Western Europe at the End of the Mliddle Ages, Dublin Review CXIX, 1955, S. 68-76, Nachdr. in ders., Medieval and Humanist Greek,Padova 1977, S. 3-23; J. L. Laistner, Thoughtand Lettersin Western Europe, A.D. 500 to 900, rev. ed., Ithaca, N.Y. 1966, S. 238-250; W.Berschin, Drei griechische Majestas-Tituli in der Trier-EchternacherBuchmalerei, Friihmittelalter- liche Studien XIV, 1980, S. 299-309. Wie Weiss und Berschin hervorheben, setzten Studium und Kenntnis des Griechischen wihrend des Mittelalters nie vollstandig aus. Den Stand griechischer Bildung in der hier behandelten ira schildert Laistner aber so: ,,If by that phrase [,a knowledge of Greek'] is meant the ability correctly to understand a Greek author theological or secular, or the Greek Bible, then assuredly competent Hellenists of the eighth and ninth centuries can be counted on one hand. If, on the other hand, it merely implies acquaintance with the Greek alphabet, with a few passages from the Greek liturgy, or with a few isolated Greek words or phrases... then the sum of the accomplished will be somewhat greater, though still small in proportion to the total number of literate men" (Laistner, a. a. O. S. 238 f.). This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tfberlieferung der ,,Missa graeca" 127 mirBigkeitenin den iiltesten Handschriften aus den dstlichen und westlichen Regionen des Frankenreiches tatsiichlich fiir eine phonetische Niederschrift miindlich iiberlieferter Gesjnge. Trifft diese ,,Diktat"-Vermutung zu, so muB3man unterscheiden zwischen eindeutigen Grammatikfehlernund Schreibunregelmii3igkeiten,wie sie sich bei der Niederschrift nach miindlicher tberlieferung zwangslhufig einstellen konnen: Krasis und inkorrekter Worttrennung. Zur Veranschaulichung dessen sei die Wendung nocupv o'ieavoi x&a (factorem caeli et terrae) aus dem y•• Pisteuo betrachtet, wie sie in reprisentativen Handschriften aus verschiedenen Teilen des Friinkischen Reiches erscheint (Beispiel 2): Beispiel 2: notlrx)voi3avoi5 a yf (aus dem Pisteuo) in reprisentativen fr2inkischen Handschriften Nizinisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis *: roltrj)vZodiavoi3 xal yi, Rom, BV Reg. lat. 316, fol. 45'-46' (Chelles): pyetin uranu kae gis Paris, BN lat. 2290, fol. 7' (St. Amand): pyitin. uranu. kegis. Rom, BV Reg. lat. 215, fol. 130'-131 (Fleury): pyitin uranu kegys Diisseldorf, L.- u. SB, D 2, fol. 203 (Corvey/Essen): pitin Vranu kegis Wien, ONB 1888, fol. 1' (Mainz): pythin uranu keyis St. Gallen, SB 381, S. 17 (St. Gallen): piitin uranu kegis Miinchen, B. Sb, clm 14083, fol. 95' (St. Emmeram): puitin uranu kegis Paris, BN lat. 9449, fol. 51' (Nevers): pythynura Nukeis Paris, BN lat. 9436, fol. 2 (St.Denis): pyitin. uranu. kegis. * Text des Konzils von Chalcedon (451), ed. v. E.Schwartz, Das Nicaenum und das Constantinopolitanum auf der Synode von Chalkedon,Zeitschrift fiir die Neutestamentliche Wissenschaft XXV, 1926, S. 48f. Pythynura Nukeis, die Lesart in Paris 9449, ist eines der entstelltesten Details aus den Texten der Missa graeca. Der Schreiber elidierte alle i-Laute (ot, r,) notierte die ersten beiden mit y, gab Tau als Theta wieder, lieB3Gamma von yrs aus, setzte die Worttrennung in der Mitte von ogeavoi an und schuf dergestalt zwei Wdrter, die nahezu keinerlei Aihnlichkeitmehr mit den vier griechischen Wdrtern aufweisen, denen sie entsprechen sollen. Gleichwohl ist die entstellte Lesart grammatikalisch noch korrekt. Nimmt man an, der Schreiber habe getreu niedergeschrieben,was er gehdrt hatte, so enthilt pythynuraNukeis nichts, was vermuten lielBe,die originale, gesungene Wendung sei inkorrekt gewesen. Daher sei die Behauptung aufgestellt, daB sich der Text eines griechischsprachigen Gesanges, der im Westen notiert wurde und Krasis zeigt, aber keine grammatikalischenFehler enthuilt,nicht als ,,schlechtes Griechisch"abtun liiBt. Denn in solchem Fall besteht die Moglichkeit, dalB der Text von einem Griechen gesungen, doch von einem Franken aufgezeichnet wurde. In dieser Hinsicht wohl bezeichnenderweise findet man im ialtesten Manuskript mit vollstindiger Aufzeichnung der Missa graeca etliche Falle von Krasis, doch fast keine Beispiele f'ir fehlerhaftes Griechisch. 9 This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions CharlesM.Atkinson 128 Dieses Manuskript,Paris 2290 28,teilt einige Beispiele fiir Krasis mit jiingeren Quellen, ohne aber deren grammatikalische Fehler zu enthalten. Die Qualitit seines Griechisch ist allerdings besser als die jeder anderen der beigezogenen Quellen - einschliel1ich der drei anderen vermutlich gleichzeitig und im selben Scriptorium entstandenen29. Derjenige, der die Gesinge der Missa graeca flir Paris 2290 ,,diktierte", beherrschte offenkundig das Griechischegut; derjenige, der sie transskribierend aufzeichnete, war jedoch mit dieser Sprache ungeniigend vertraut. Eine weitere Unterscheidung, die bei Behandlung der Missa graeca-Texte zu beachten bleibt, ist die zwischen zufalligen und beabsichtigten Varianten. Was einem 17bermittlungs-oder Umschriftfehler ihnelt, kann sich als Abinderung erweisen, die einem bestimmten Zweck dient oder auf eine fremde Textquelle bzw. -tradition hindeutet. Zuweilen li3Btsich die Schnittlinie zwischen Unregelmil3igkeiten - oder sogar Fehlern - und beabsichtigten Veranderungen in einem Text kaumermitteln, wie z.B. im Doxa beim Ersatz von enumense durch ymnu- mense (siehe Beispiel 3). Irrte der Schreiber der Quelle Wien 1888 oder iibertrug er lediglich eine abweichende Fassung des Gesanges? Denn eine Version der byzantinischen Akoluthia triplicis festi ersetzt tatsichlich 28 cdtvoi•plv aE durch O9/voY1/zvae3. Vgl. J. Deshusses, Chronologiedes grands sacramentaires de Saint-Amand, Revue B~nidictine LXXXVII, 1977, S. 230-237; C.Nordenfalk, Ein karolingisches Sakra- mentar aus Echternach und seine Voraiufer, Acta ArchaesologicaII, Copenhagen 1931, S. 207-244; A.Boutemy, Le style franco-saxon, style de Saint-Amand, Scriptorium III, 1949, S. 260-264; K. Gamber, Codices liturgici latini antiquiores, = Spicilegii friburgensis subsidia I, 2. Aufl., Freiburg, Schweiz 1968, no. 760; L. Delisle, MImoire sur d'anciens sacramentaires, = Mdmoires de l'Institut National de France, Acad4mie des inscriptions et belles-lettres XXXII, Paris 1886, S. 102; V. Leroquais, Les sacra- mentaires et les missels manuscrits des bibliothdquespubliques de France, Paris 1924, I, S. 19; E.Bourque, EStudesur les sacramentaires romains, II, 2, no. 117, S. 54 (zu Datierung u. Provenienz dieser Hs.). Herrn Prof. Dr. Bernhard Bischoff (Miinchen) bin ich fir die Auskunft dankbar, dalB die Texte der Missa graeca auf fol. 7-8' der Hs. anniihernd gleichzeitig mit dem Sakramentar entstanden, das deren Hauptkorpus bildet (Brief vom 23. Juni 1979). 29 Paris, BN lat. 2291, Stockholm, KB A 136, und Leningrad, S-S Q.v.I, no. 41. Nach Deshusses, a.a.O. (s. Anm. 28) entstanden die vier Hss. wahrscheinlich in St. Amand ungefiihr zwischen 863 und 876, siehe auch unten. Zu Datierung, Herkunft der Quellen vgl. die in Anm. 28 genannten Arbeiten. und Stil des Buchschmucks Die Texte von Doxa und Agios in Leningrad, S-S, Q.v.I, no. 41, fol. 10' sind wieder- gegeben bei A.Staerk, Les Manuscrits Latins du Ve au XIle sidcle conservis ci la 1910, I, S. 82-83. Bibliothdque Impiriale de Saint-Petersbourg, Saint-Petersbourg So Acoluthia triplicis festi ... in solemni commemoratione trium doctorum Basilii, Nazianzeni et Chrysostomi, J.P.Migne, Patrologiae ... series graeca XXIX, Paris 1857, S. ccclxvii. Der Text des Doxa weicht hier gegeniiber der Fassung im Codex Alexandrinus (CA) ab, lautet nimlich [@voiftiv as statt alvo6ydv as im CA, ndrie navxoii vis tovoysz've statt vih ,ovoysevY, ziv statt a oltnzavo~x•edwe, 6x defLt6vxoi0 xaxcz6 statt 6v 6eu~i toxdtLaexav ,dxSacoo naxd~g und xda[Lovstatt zdr azcra7 xdq/ov, d/agiaL a xoo 5xd aov, 2EAraov igrlaov iibergeht die Wendung d aivy xdJ r/ja d/ala-ag Deo6. xoLi/7a, nach Erwihnung des d d/Lv6c This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tberlieferung der ,,Missa graeca" 129 Beispiel 3: alvoi4i~ as (aus dem Doxa) in repriisentativen frinkischen Handschriften Codex Alexandrinus *: acs alvoi~ae'v enumen. se Paris, BN lat. 2290, fol. 7' (St. Amand): enumen se Leningrad, S-S, Q.v.I, no. 41, fol. 10' (St.Amand): enumense Paris, BN lat. 2291, fol. 16 (St.Amand): eunumense Stockholm, KB, A 136, fol. 16 (St.Amand): enumense Rom, BV Reg. lat. 215, fol. 130' (Fleury): eunumense Diisseldorf, L.- u. Sb, D 2, fol. 203 (Corvey/Essen): Wien, ONB 1888, fol. 1' (Mainz): ymnumense Enumense St. Gallen, SB 381, S. 13, 15 (St. Gallen): Enumense Miinchen, B. Sb, clm 14083, fol. 95' (St. Emmeram): Paris, BN lat. 9449, fol. 50 (Nevers): yeunumense enumense Oxford, Bodl. Seld. sup. 27, fol. 88 (Heidenheim): Enumense Oxford, Bodl. 775, fol. 28, 72 (Winchester): Eunumense Paris, BN lat. 1118, fol. 67' (Siidostfrankreich): enumense Paris, BN lat. 9436, fol. 1' (St. Denis): * London, British Library, Royal I.D.VII, ed. v. B.Capelle, Le texte du ,,Gloria in excelsis," Revue d'histoire ecclisiastique XLIV, 1949, S. 439-457. Zu einer iihnlichen Frage fordert in den Handschriften St. Gallen und St. Emmeram der Ersatz des Nominativs eudokia durch den Genitiv eudokias zu Beginn des Doxa heraus (siehe Beispiel 4). Beispiel 4: Ersatz von eudokia durch eudokias im Doxa sv edioxia Codex Alexandrinus: dvtCimeatot• Paris, BN lat. 2290, fol. 7' (St.Amand): eudokia Leningrad, S-S, Q.v.I, no. 41, fol. 10' (St.Amand): eudokya Paris, BN lat. 2291, fol. 16 (St.Amand): eudokya Stockholm, KB, A 136, fol. 16 (St.Amand): eudokya Rom, BV Reg. lat. 215, fol. 130' (Fleury): eudekya Diisseldorf, L.- u. Sb, D 2, fol. 203 (Corvey/Essen): eudochia Wien, ONB 1888, fol. 1' (Mainz): eudochyas St. Gallen, SB 381, S. 13, 15 (St. Gallen): eudokias Miinchen, B. Sb, clm 14083, fol. 95' (St. Emmeram): eudochias Paris, BN lat. 9449, fol. 50 (Nevers): eudo Kya Oxford, Bodl. Seld. sup. 27, fol. 88 (Heidenheim): eudochias Oxford, Bodl. 775, fol. 28, 72 (Winchester): eudochia Paris, BN lat. 1118, fol. 67' (Siidostfrankreich): eudochia Paris, BN lat. 9436, fol. 1' (St. Denis): eudochia Der Text des Doxa schlieBlt sich in den meisten Quellen der Missa graeca enger an die Fassung im CA als an die in der Acoluthia triplicis festi an. Eine wichtige Ausnahme bildet die Hs. Diisseldorf, die in folgenden vom CA abweichenden Details demnDoxa-Text der Acoluthia niahersteht: eunumense statt enumense (siehe Beisp. 3), Oerontin amarthyan statt Oerontas amartias nach Erwiihnung des O amnob tu theu, ebenfalls danach entfiillt eleison imas, oerontas amartias tu cosmu, eleison imas, und en dexian tu patros statt en dexia tu patros. Obwohl en dexian auf einem Mil3verstindnis durch den Schreiber beruhen kinnte, ist unwahrscheinlich, daB3dieser einen vollstiindigen Satz rein zufiillig wegliel3. Zur His. Diisseldorf siehe auch Anm. 41 und 53. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 130 Charles M. Atkinson In diesem Fall aber liegt die Antwort auf der Hand. Beide Manuskripte lindern die griechischen Texte f'ir Doxa und Pisteuo, um sie den zeitgenassischen lateinischen Versionen dieser Gesinge anzupassen. Da der lateinische Text - auch in denselben Handschriften - mit dem Satz ,,Gloria in excelsis Deo, et in terra diente im griepax hominibus bonae voluntatis" (Kursive vom Autor) beginrt, chischen Doxa der Genitiv zur Angleichung an ,,bonae voluntatis" 31. Dieselben Quellen lassen kai agion pneuma im Doxa weg, erginzen Theon ec theu (Deum de deo)32 und kai yio (filioque) im Pisteuo, ersetzen im gleichen Gesang aber auch eis mian agyan durch kai mian agyan mit Riicksicht auf das lateinische ,,Et unam sanctam catholicamrnet apostolicam ecclesiam" 33.Bezeichnenderweise 31 Auch Luk. 2, 14 benutzt in der ersten Zeile des Doxa den Genitiv edioxiag (vgl. Novum Testamentum graece, Stuttgart 1979). Da es jedoch keine biblischen Vorbilder fiir die nach den Hss. St. Gallen und St. Emmeram in Doxa und Pisteuo verbleibenden Abweichungen gibt, mfissen deren unmittelbare Quellen die lateinischen Fassungen der Gesgnge gewesen sein. 32 Weder St. Gallen 338 u. 484 (beide 10.Jh.) noch 376, 378, 380, 382 (alle 11.Jh.) filgen Theon ec theu hinzu, doch liegt diese Wendung schon in einem anderen St. Gallener Ms., Bamberg, SB, Bibl. 44 (datiert 909), vor. In St. Gallen 381 ist die Wendung erginzt, aber nicht mit Neumen versehen. *3 Diese Varianten stellen das Pisteno der Hss. St. Gallen und St. Emmeram in Version des nizdnisch-konstantinopolitanischen eine Reihe mit der lateinischen Credo, das Paulinus von Aquileia auf dem Konzil von Friaul im Jahre 796 oder 797 verkiindete (zu den Konzilsakten vgl. M. G. H. Legum sectio III, Concilia, II, 1, hg. A. Werminghoff, Hannover und Leipzig 1906, S. 177-195, Credotext S. 187). Obwohl dieser Credotext seit 797 vorlag, iiberliefern die meisten Mss. der Missa graeca die Symbolum, wie sie sich fir das Fassung des niz~inisch-konstantinopolitanischen Skrutinium in dem Sacramentarium Gelasianum und Sacramentarium Gellonensis findet (Hss. Rom, Vat. Reg. 316, fol. 45'-46', u. Paris, BN lat. 12048, fol. 43'). Obwohl der Pisteuo-Text dieser Sakramentare die Verben in der ersten Person des Singulars statt des Plurals aus dem Original benutzt - ein Eingriff, der den Text zweifellos zum individuellen Vortrag geeigneter machen sollte -, entspricht dieser GlaubensWortlaut dem des griec his chen nizdnisch-konstantinopolitanischen bekenntnisses, das erstmals auf dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451 rezitiert und dann auf dem dritten Konzil von Konstantinopel im Jahre 680 bestiitigt wurde (vgl. Mansi, a.a. O. [s. Anm. 11] VI, Firenze 1761, Sp. 958; VII, Firenze 1762, Sp. vgl. auch E.Schwartz, 112; XI, Firenze 1765, Sp. 633, Text nach Konzilsakten; Das Nicaenum und das Constantinopolitanum auf der Synode von Chalkedon, ZeitWissenschaft XXV, 1926, S. 48f., kritische Edischrift fiir die Neutestamentliche tion des Textes). Die griechische Originalfassung des Symbolum enthilt weder Besv dx fEoi noch xa vuioi~,und liest Eig statt xai plav dylav. tlav aylav Die Schreibweise yio oder yo in den liss. St. Gallen und St. Emmeram weist iibrigens auf tfbersetzung aus dem Lateinischen ins Griechische (nicht auf Umschrift eines griechischen Originals). Das lateinische filioque ist ein Ablativ, der von der griechiPraposition ex regiert wird (qui ex patre filioque procedit). Nichstliegendes in der Wendung x6 adivnar~raxal vi4 ov~vngoaxvsches Vorbild aber war der Dativ vio fiigten die vodeusvov (qui cum patre et filio simul adoratur). Dementsprechend Hss. ke yio beim Glaubensartikel fiber den Heiligen Geist ein: ek tu patros ke yio. Die Prdposition ek (ix) regiert jedoch den Genitiv, nicht den Dativ, so daB die griechische Form xai vioi lauten mil3te. Da die Schreiber jener Mss. durchweg -oi als u fibertragen, hiitten sie xai vioioi - ware es die Vorlage gewesen - als ke yiu, nicht als ke yio wiedergegeben. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und Otberlieferung der ,,Missa graeca" 131 aber bieten unter den erhaltenen Quellen nur die St. Gallener und deren enge Verwandte diese VerinderungenM4. Andererseits fiigen alle Manuskripte sy imonos ipsistos (Tu solus altissimus) und sin agion pneumati (cum sancto spiritu) gegen Ende des Doxa hinzu und wandeln die erste Person Plural der Verben des Pisteuo zum Singular umrn,so daB es statt Pisteuo (Credo), statt mtarieo/ev 6JsoLoyo?4ev omologo (,,confiteor" in der Wendung ,,confiteor unum baptisma") und statt uoeoauoudW•evprosdoko (exspecto) heiB3t. Die Texte des Agios enthalten ein besonders aufschluB3reiches Detail. Waihrend die Altesten Quellen wie auch die ostfrinkischen aus dem 10. Jahrhundert eine den byzantinischen Akolouthiai35 ahnliche Textfassung iiberliefern, lassen die westlichen Quellen das coi von zr dd664saoi und den Artikel 6 im Hosianna " Folgende Hss. iiberliefern den ,,St. Gallener" Text des Doxa: Bamberg, lit. 6, fol. 94, und Miinchen, clm 14083, fol. 95', beide aus St. Emmeram (Regensburg); Berlin 4011, fol. 91, geschrieben zu St. Gallen (?) f'ir Minden; Oxford, Selden Supra 27, fol. 88, aus Heidenheim (Bayern); Ziurich, Rh 132, fol. 21' aus Rheinau. Die St. Gallener Fassung des Pisteuo begegnet in Berlin 4011, fol. 101' und in Miinchen, clm 14083, fol. 95' und clm 14322, fol. 4' (beide aus St. Emmeram). Noch eine andere Textvariante verbindet diese Quellen miteinander: der Ersatz von ke igitis doxis (xal 7 y7 c~ 6od~) oder einer Wendung dafiir durch ke epigis doxis (xai y•i 7 6dd'4) im Agios (so in St. Gallen 484, S. 305; St. Gallen 381, S. 315; Berlin 4011, fol. 105'; Miinchen, clm 14083, fol. 96, und clm 14322, fol. 5'; Oxford, Selden Supra 27, fol. 89'). Zur Frage nach der Herkunft dieser Varianten im Fundus der St. Gallener Hss. ist eine Hypothese von P. Cagin (Te Deum ou Illatio ?, = Scriptorium Solesmense I, 1, Wroxall u. Rome 1906, S. 146-159) zu erwiihnen; sie schreibt italo-griechischen M6nchen, die als Fliichtlinge vor den Sarazenen in den Jahren 881-883 nach St. Gallen kamen, die griechische Fassung der ersten neun Verse des Te Deum im Ms. 17, einem zweisprachigen Psalter aus dem 9. Jh., zu. Doch selbst wenn sich griechisch sprechende Mdnche um jene Zeit in St. Gallen aufhielten, ist zweifelhaft, da3 sie die TextUinderungen in Doxa, Pisteuo und Agios verursachten. Zum einen spricht die in Anm. 33 er6rterte Schreibung ke yio oder yo fiur tbersetzung aus dem Lateinischen; zum anderen deutet auch kIeepigis doxis im Agios auf mangelnde Griechischkenntnis dessen, der diese Wendung statt kceigitis doxis einsetzte. Ke epigis (,,und auf Erden") ist sinnvoll im Satz xal ti yg i~grv, iv dvbBCdotg e36ouda aus dem Doxa (,,und auf Erden Fried, guter Wille den Menschen"), nicht aber als Ersatz von ke igitis im Agios. Latinisches Sanctus wie byzantinische Akolouthiai benutzen ,,Himmel und Erde" im Nominativ (n~rgali 6 (yt = Pleni sunt caeli xgr et terra). Der griechische Text schlieit ,,deineroigav,5 Ehre" im Genitiv an, -rg dE6dfj aov, und ergibt ,,Himmel und Erde sind deiner Ehre voll". Durch Einsatz von kceepigis, wie in der St. Gallener Fassung des Agios, wird daraus ,,Voll ist der Himmel, und auf Erden, der Ehre" - schwerlich eine Verbesserung gegeniiber dem Originaltext. Eher als einen ,,griechischen" Ursprung der St. Gallener Fassungen von Doxa, Pisteuo und Agios m6chte ich annehmen, daB diese von St. Gallener Mdnchen stammen, die dem Griechischen zugetan waren, ohne die Sprache jedoch griindlich zu beherrschen, nImlich von jenen ellinici fratres, die Notker Balbulus im Brief an Lantpert fiber die litterae significativae erwihnt (St. Gallener Hs. 381, S. 6-11, Text in M. Gerbert, Scriptores ecclesiastici de musica, St. Blasien 1784, I, S. 95f.). datierte Niederschrift der Akolouthiai - aus dem Jahre 1336 - ist die 36 ilteste HIs.Athen, Nationalbibliothek, 2458. Das Agios von fol. 167'-168 dieser Quelle fibertrug Levy, a.a.O. (s. Anm. 1) S. 13. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Charles M. Atkinson 132 aus, um diese Abschnitte enger an ihre biblischen Vorlagen in Jesaja 6, 3 und Matthiaus 21, 9 anzundhern (siehe Beispiel 5). Beispiel 5: Agios in Bibel (B), Akolouthiai (A), ost- (0) und westfrinkischen (W) Quellen aaflacu, n3d S n B Jesaja 6, 3: "Aytoc (3 x ), x'toS A Athen, NB 2548, 167': "AyToc (3 x ), ~eoc aacfladc~,tierl O Diisseldorf r4 4j77 aa 6 o63av6S xal 4 7• 7 6dC3 dO'fg 6 nov sabaoth, pliris uranos keyetis doxis (3 X ), Kyrryos o theos sabaoth, pliris 3vTote '5atoosT B Matt. 21,9: ... Jaavvd A Athen, NB 2548, 167': ... cDaavvd d ~v tLo v~Siarols uranos keigitis doxis D 2, 203': Agyos W Paris, BN 1118, f. 69: Agios (3 X ), Kyrios O Diisseldorf ... osanna entis ypsistis 1118, f. 69: ... osanna entis ipsistis D 2, 203': W Paris, BN Aquitanische Manuskripte und einige ostfriinkische Quellen des 11. Jahrhunderts fiigen dem Ausdruck Kyrios sabaoth die Apposition o theos (6 De6g) hinzu, bringen so diesen Textteil in lbereinstimmung mit dem lateinischen Sanctus (,,Dominus Deus sabaoth") und bieten demnach eine gegeniiber den Quellen des 9. und den ostfriinkischen Handschriften des 10. Jahrhunderts geringfiigig verinderte Fassung. Obwohl die Niederschriften der Stiicke aus der Missa graeca grammatikalisch und orthographisch, aber auch in spezifisch regional tradierten Fassungen so deutlich voneinander abweichen, besteht beziiglich der Einordnung in das Kirchenjahr keine vergleichbare Diversitit. In den meisten der untersuchten Handschriften sind die Teile der Missa graeca, sofern iiberhaupt einem besonderen Fest zugeordnet, fiir Pfngsten bestimmt 3•. Da dieses Fest der AusgieBung **23 Hss. aus Tabelle I weisen die Stiicke der Missa graeca einem bestimmten Fest zu: Pfingsten (16), Ostern (3), Weihnachten (1), Johannes (1), in einem Fall auch Weihnachten wie Epiphanias. Vielleicht wiren zwei Quellen hier zu erginzen: Bamberg, lit. 6, fol. 94, bietet das Doxa innerhalb von Introitustropen fiir verschiedenen Feste, unmittelbar nach denen fiir Ostern. (DaB das Doxa fiir Pfingsten bestimmt war, ist nicht auszuschlieBen.) Auf gleichem Blatt stehen Allelujas fuir Weihnachten und Ostern sowie das Kyrie O theos critis: die Versoseite enthilt weitere Introitustropen fiir Resurrexi und den Beginn einer unabhangigen Reihe von Gloria-Stuicken. London, Add. 19768 enthilt eine erste Niederschrift von Agios und O amnos auf fol. 24 (pag. 42) unmittelbar nach Hartmanns Versus fiir den Tag der Unschuldigen Kinder, Cum natus esset Dominus (vgl. Analecta Hymnica Medii Aevi 50, S. 252), die dritte Weihnachtsmesse. Beide Gesiinge kehren auf doch folgen ihr Tropen f'ir fol. 52' (pag. 98) wieder (hier wohl von jiingerer Hand) im Anschlul an die Zeremonie der Kreuzanbetung in Parasceve. Da indessen die Hostie am Vortage geweiht und laut Ordines romani in der Stille genommen werden sollte, folglich das Agnus Dei entfiel, vermute ich, dalI hier Agios und O amnos mit Doxa und Pisteugo (sicl) auf This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tfberlieferung der ,,Missa graeca" 133 des Heiligen Geistes iiber die Jiinger gedenkt, durch den mit ,,feurigen Zungen" die Gabe, Gottes Wort in allen Sprachen zu verkiindigen, verliehen und so die Kirche gegriindet wurde37,gab es kein passenderes Symbol fiir dieses Ereignis als, die Messe an diesem Tage sowohl in Griechisch wie in Latein, den beiden Hauptsprachen der christlichen Kirche 38,zu singen. Die Symbolik einer Kirche, eines Gottes, welche die Volker aller Nationen und Sprachen vereinen, war fiir Amalariusund Remigius - um nur zwei Mel3kommentatorendes 9. Jahrhunderts zu nennen - durchaus wesentlich39; sie diirfte bereits fiir Karl den GroBenBedeutung besessen haben. WThrend der letzten zwanzig Jahre seiner Herrschaft, alN Karl der GroBe anscheinend seine Macht iiber die Reiche in West und Ost durchzusetzen versuchte40, gewann die Einheit, die durch den liturgischen Gebrauch der beiden fol. 50'-51' zusammenzustellen waren, die der Messe ,,In Litanibus Majoribus et Minoribus" folgen und der Rubrik In Parasceve vorangehen (I). Eine eindeutige liturgische Zuordnung der griechischsprachigen Gesinge lal3t sich der verworrenen Reihenfolge in diesem Teil der is. nicht entnehmen. 31 Die in den meisten westlichen Liturgien benutzte Epistel zum Pfingstfest aus Apostelgesch. 2, 1-4 regte gewil3 zu einer ,,Dramatisierung" an. 38 Manche Bearbeiter erganzen das Hebraische, wie bes. Hieronymus; vgl. dessen Commentaria in Isaiam, XI, cap. 40 (Migne, P.L. XXIV, Sp. 407B) und seinen Brief an Sunnia und Fretela, wo er fordert, Diskrepanzen zwischen griechischer und lateinischer Version des Alten Testaments durch den Vergleich mit dem hebraischen Original aufzul6sen (Epistola 106.3, Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum LV, S. 249, u. Migne, P.L. XXII, Sp. 838). (Zu den ,,drei heiligen Sprachen" vgl. ferner Berschin, a.a. O. [s. Anm. 2] S. 32-38; Kaczynski, a.a. O. [s. Anm. 1] S. 21-23; R. E. McNally, Tres linguae sacrae in Early Irish Bible exegesis, Theological Studies 19, 1958, S. 395ff.; A.Borst, Der Turmbau von Babel: Geschichte der Meinungen fiber Ursprung und Vielfalt der Sprachen und V6lker, Stuttgart 1957.) Ungeachtet dessen waren Griechisch und Lateinisch die einzigen ,,offiziellen" Liturgiesprachen der Kirche (s. Anm. 23), und es blieb der r6mischen Kirche vorbehalten, die Zweisprachigkeit fiir bestimmte festliche Anliisse zu pflegen (vgl. Caspari, a.a.O. III, S. 466-510, u. Petrani, a. a. O. [s. Anm. 21] S. 1-6). 39 In Buch II, cap. 1 seines Liber officiaslis (ed. von J. M.Hanssens, Amalarii episcopi opera liturgica omnia II, Studi e Testi CXXXIX, S. 197) nennt Amalarius folgende Griinde dafiir, am Sabbata duodecim lectionum die Lesungen auf Griechisch und auf Lateinisch zu halten: ,,Unam, quia aderant Graeci, quibus incognita erat Latina lingua, aderantque Latini, quibus incognita erat Graeca [vgl. diese Rechtfertigung mit der des Anon. Tours im Speculum ecclesiae, zit. in Anm. 24]; alteram propter unanimitatem utriusque populi" (Kursive vom Autor). Remigius von Lyons (Ps. Alcuin), De divinis officiis (Migne, P. L. CI, Sp. 1228) folgt dem Amalarius fast wirtlich beim Beschreiben dieser Praxis. Remigius von Auxerre stellt in De celebratione missae (Migne, P. L. CI, Sp. 1248) fest, das Kyrie werde lateinisch und griechisch ausgefiihrt, ,,ut unum ejus populum nos esse ostendamus, unumque Deum utrumque populum credere". o40GemaiB der Theorie einer ,,translatio imperii" von Rom nach Byzanz unter Konstantin dem Grol3en (306-337) hatte - mindestens seit dem 6. Jh. - Byzanz sich selbst fiurdas ,,neue Rom" und seinen Basileus fiir den einzigen legitimen Herrscher der gesamten Christenheit gehalten (vgl. F. D6lger, Byzanz und die europdiischeStaatenwelt, Ettal 1953, S. 70ff.). 797 wurde der byzantinische Kaiser Konstantin VI. entthront und geblendet; ihm folgte seine Mutter Irene auf dem Thron. Nach Auf- This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 134 Charles M. Atkinson Sprachen Griechisch und Latein symbolisiert wurde, wohl besonderes Gewicht. Diese Zusammenhinge liel3en Kenneth Levy vermuten, daB die griechischen Ordinariumsgesinge, verbunden mit einem iibersetzten Introitus und dem byzantinischen Hymnus I ta Cherubim(oi zcy eovflii) als Offertorium,zwischen 790 und 814 zu einer vollausgebildeten griechischen Messe zusammengestellt worden sind41. Als m6gliche Gelegenheit fiir eine solche Kompilation k6nnte Pfingsten des Jahres 802 gelten. In jenem Jahr fand der FriedensschluB zwischen dem Frankenreich und Byzanz statt42. Auch wurden, wenn man dem byzantinischen Historiographen Theophanes Glauben schenken kann, Verhandlungen iiber eine nun unbesetzt, fassung Roms und der Franken jedoch war der Kaiserthron vgl. Libri Carolini (III, 13; M.G.H., Legum sectio III, Concilia II, Supplementband, S. 127): ,,Die Gebrechlichkeit des (weiblichen) Geschlechtes und Wandelbarkeit des Herzens erlaubt (einer Frau) nicht, sich in Glaubens- oder Rangfragen an die hbchste Stelle zu setzen, sondern zwingt sie, ... sich mannlicher Autoritit unterzuordnen" (zit. nach H. Fichtenau, Das karolingische Imperium, Zfirich 1949, S. 69). Alcuin verurteilte 799 in einem Brief an Karl den Grol3en die Art der Absetzung Konstantins und erklirte, die Wiirde des Frankenkbnigs stehe fiber der des rbmiKaiserin (Irene), vgl. Brieftext schen Papstes (Leo III.) und der byzantinischen (M. G. H., Epistolae IV, S. 288, Nr. 174). Deshalb war die Lage fiir den Versuch, das Imperium durch Karls Kaiserkrdnung zu Weihnachten des Jahres 800 gleichsam nach Rom ,,zurfickzuffihren", wie geschaffen (vgl. W. Ohnsorge, Die Konstantinische Schenkung, Leo III. und die Anfainge der kurialen rimischen Kaiseridee, Zeitschrift Germanistische Abteilung LXVIII, 1961, der Savigny-Stiftung fiir Rechtsgeschichte, S. 78-100). Es gibt jedoch Zweifel daran, daB3Karl selbst wiinschte, eine Herrschaft uiber Byzanz und Rom zu begriinden (vgl. W. Ohnsorge, Byzanz und das Abendland im 9. und 10. Jahrhundert, Saeculum V, 1954, S. 194-220). Die Akklamation Karls Kaisers als ,,Imperator" und ,,Basileus" durch die Gesandten des byzantinischen Michael I. im Jahre 812 diente nur dazu, ein ,,Doppelreich" in Byzanz und dem Westen zu zementieren (vgl. L. Halphen, Charlemagne et l'empire carolingien, Paris 1947, S. 135f. und Ohnsorge, Byzanz und das Abendland, S. 208). sei darauf, daB3sich I ta Cheru41 Levy, a. a. O. (s. Anm. 1) S. 35-42. Hingewiesen Griechisch nur in einem der untersuchten Mss., Diisseldorf bim in transliteriertem D 2, findet, das beziiglich der Missa graeca eine Sonderstellung einnimmt (siehe Anm. 30 u. 53). In lateinischer tbersetzung (,,Qui Cherubim mystice") erscheint Benedictus sit in zwei Hss. dieses Stick als ein Versus zum Trinitatisoffertorium und -Antiphonar aus dem 10.Jh. aus St. Denis, dem ,,Mont-Renaud"-Graduale (P. M. XVI, S. 36 u. fol. 37', nur Incipit, ohne Neumen) und dem Graduale Paris 384, fol. 135, aus dem 11.Jh. (Huglo, a.a.O. [s. Anm. 2] S. 78f.). Ferner ist es iiberliefert auf dem aus einer deutschen Hs. des 10./ll.Jh.s herausgel6sten Einzelblatt, Le das dem Kodex London, BL, Harley 3095 beigebunden ist (vgl. J.Handschin, Chiroubikon, Ann. Mus. II, 1954, S. 45f.). Eine andere Textfassung begegnet ohne in Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 334, fol. 78, einer Hs. Neumen als Prozessionsantiphon des 12. Jh.s aus Sora. Nach Huglo (a. a. O.) wurde I ta Cherubim zu St. Denis im 13. Jh. wieder griechisch gesungen, doch fiberliefert keine Hs. jener Zeit aus diesem Kloster das Stfick mit seiner Melodie. 42 Vgl. Annales Regni Francorum inde ab A. 741 usque A. 829, post ed. G. H. Pertz, recogn. F. Kurze, M.G.H., Scriptores rer. Germ., ser. VII, tom. VI, repr. Hannover 1895, S. 117, und Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1. Teil, hg. R. Rau, Berlin 1956, S. 76-78. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und lberlieferung der ,,Missa graeca" 135 EheschlieBung zwischen Karl dem GroBen und der Kaiserin Irene gefiihrt43; ein solcher Ehebund hitte - wire er zustande gekommen - tatsichlich die gesamte Christenheit vereint. Der Besuch der byzantinischen Abgesandten in den ersten Monaten des Jahres 802 war mit ziemlicher Sicherheit jener AnlaB, zu dem Karl lateinische tbersetzungen griechischer Antiphonen fiir die Epiphanias-Oktave anordnete, nimlich des beriihmten Veterem-hominem-Zyklus44, der ein direktes Zeugnis karolingischer Entlehnungen aus dem Griechischen darstellt. Leider besitzen wir kein iihnliches Dokument der ~Obersetzung vom Lateinischen ins Griechische, die bei O amnos tu theu und einigen anderen Stiicken der griechischen Vollmesse vorausgesetzt werden mu3. Wenn liturgische Kommentatoren des friihen 9. Jahrhunderts wie Walafrid Strabo (gest. 849) dariiber schweigen, so ist dies beachtenswert45 und sollte vielleicht davor warnen, allzu 48 Theophanes Confessor, Chronographia, ex recensione Ioh. Classeni, Corpus Bonn 1839-41, S. 737, zit. nach scriptorum historiae byzantinae XXXII/XXXIII, J. F. Bihmer, Regesta imperii I, Nachdruck Hildesheim 1966, S. 171. G. Ostrogorsky (Byzantinische Zeitschrift XLVI, 1953, S. 155) h~ilt den Bericht des Theophanes fiir fingiert. B6hmer (a. a. O.) erwihnt die M6glichkeit, daB3der Bericht von Gegnern der Irene - um deren Absetzung herbeizuffihren - verbreitet, doch durch Theophanes als ,,offiziell" verstanden wurde. 44 Nach dem Bericht des Notker Balbulus (gest. 912) in Gesta Karoli Magni, II, 7 (M.G.H., Scrip. rer. germ. nova ser. 12, Berlin 1959, S. 58) war Karl der Grol3e fiber den Gesang der Byzantiner - dem er insgeheim gelauscht hatte - so entziickt, daB3 er seinen Klerikern befahl, noch vor ihrer nichsten Mahlzeit die Antiphonen ins Lateinische zu iibersetzen. Die Eile der Ausfiihrung hatte manchen Fehler zur Folge, so die Schreibung conteruit statt contrivit. Zu den wichtigsten Arbeiten iiber Notkers Bericht und die Veterem-hominem-Antiphonen selbst zahlen J. Handschin, Sur quelques tropaires grecs traduits en latin, Ann. Mus. II, 1954, S. 27-60; J. Lemari6, Les antiphones ,Veterem hominem', Ephemerides liturgicae LXXII, 1958, S. 3-38; O. Strunk, The Latin Antiphons for the Octave of the Epiphany, Recueil de travaux de 1'Institut d'Itudes byzantines VII: Mdlanges Georges Ostrogorsky II, Belgrade 1964, S. 417-426, Nachdr. in Strunk, Essays on Music in the Byzantine World, New York 1977, S. 208-219. Das Datum der von Notker geschilderten Begebenheit ist schwer zu bestimmen. Der einzige von ihm genannte byzantinische Kaiser, Michael I. (811-813), weist auf 812 als wahrscheinliches Jahr. Fiir 802 aber spricht der Umstand, dal3 laut Notker drei Sihne Karls bei Ankunft der Gesandten zugegen waren; im Jahre 812 lebten zwei der SGhne nicht mehr (vgl. landschin, a.a.O. S. 28f.). W.Ber- schin (Abendland und Byzanz. III: Literatur und Sprache, Reallexikon der Byzanti- nistik I, Amsterdam 1971, Sp. 259) meint, daB Notkers Bericht nichts Definitives fiber den Zeitpunkt aussagt, und bemerkt: ,,Von den auBeren Voraussetzungen her ist wohl eher an den iof eines Nachfolgers Karls in der ersten Hilfte des neunten Jahrhunderts als an den Hof Karls d. Gr. selbst zu denken." 5 Vgl. Walafrid Strabo, De exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum (Migne, P. L. CXIV, Sp. 916-966; A. Knoepfler, Miinchen 1890; A. Boretius u. V. Krause, M. G. H., Leges, II, 2, S. 474-516) und Amalarius von Metz (Amalarii episcopi opera liturgica omnia, hg. v. Hanssens, a.a.O. [s. Anm. 39]). man die Sorgfalt, mit der Walafrid besonders die Elemente der Beriicksichtigt Liturgie aus griechischen Quellen herleitet, so diirfte sein Schweigen fiber die Missa graeca beredt sein. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Tabelle II llandschriften des 8. und 9. Jahrhunderts mit griechischen Ordin HTandschrift Fest Inhalt Typ Rom, Bibl. Vaticana Reg. lat. 316 Wolfenbiittel, HIerzog-August Bibl., WeiBlenburg86 Paris, BN lat. 12048 London, BL Royal 2. A. xx Leningrad, S-S, Q.v.I, no. 41 Paris, BN lat. 2290 Paris, BN lat. 2291 Stockholm, KB, A 136 Rom, BV, Reg. lat. 215 (Skrutinium) - P1 D' (Skrutinium) - P1 D/A/O 1,8 D/A 1 D/P/A/O ' D/P4 D/P D/P5 Sakramentar grammatikalische Texte Sakramentar Miszellensammlung Sakramentar Sakramentar Sakramentar Sakramentar Miszellensammlung - SNur Text(e). 2 Vgl. B. Bischoff, Efin wiedergefundenerPapyrus und die iltesten Handschriften der Schule von 1966, I, S. 6-16. * Erginzungen, wahrscheinlich aus dem spaten 10. oder friihen 11. Jahrhundert; vgl. E.M British Museum, London 1881, S. 60-61. 4 Doxa teilweise mit Neumen. 6 Pisteuo teilweise mit Neumen. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und t1berlieferungder ,,Missagraeca" 137 vorschnell der Hypothese zuzustimmen, da3 die Missa graeca unter Karl dem GroB3enentstand. Solch eine Warnung wird noch verstirkt durch die Art der Handschrifteniiberlieferungfiir die verschiedenen Stiicke der Missa graeca. Wie die Inhaltsiibersichtin Spalte3 von TabelleI zeigt(s. 5.120-125), enthalten nur verhiltnismB3ig wenige Manuskripte eine vollstindige Gruppe aller vier Geslinge der Missa graeca. Die meisten Quellen bieten nur ein oder zwei Stiicke, wobei Doxa und Agios am huiufigstenvertreten sind. Die Handschriftentradition vermittelt bei den Stiicken der Missa graeca alles andere als ein einheitliches Bild und gleicht eher der wenig systematischen, zuweilen scheinbar willkiirlichen ~Oberlieferung der entsprechendenlateinischen Ordinariumsstiicke48. Dies besonders die aquitanischen Handschriften. Paris 1118 beispielsweise gilt fir bietet fiir das Pfingstfest Doxa und Agios, aber kein O amnos tu theu. Einen ahnlichen Fall stellen die beiden Manuskripte aus Apt dar, von denen eines (18) Doxa, das andere (17) Agios, aber keines ein griechisches Credo oder Agnus Dei enthilt.47 Mustert man die Handschriften und ihre Repertoires unter dem Aspekt der Chronologie, so erweisen sich Doxa und Pisteuo als die am friihesten auftretenden Geslinge; ihnen folgt das Agios. Das O amnos tu theu erscheint erstmals in Paris 2290, dort aber zusammen mit den drei anderen Stiicken. Tabelle II (s. S. 136), welche die Handschriften aus dem 8. und 9. Jahrhundert in annihernd chronologischer Folge wiedergibt, macht dies deutlicher. Wie sich dort zeigt, ist Paris 2290 die einzige Quelle des 8./9. Jahrhunderts, die alle vier Gesinge der Missa graeca enthlilt. Dies lil3t zweierlei folgern: zum einen greift der Terminus ,,Missa graeca" - mit seiner Implikation einer in sich geschlossenen Gruppe - f'ir die in den Quellen von Tabelle II, aul3erParis 2290, aufgefiihrten Stiicke zu kurz 48; zum anderen fanden Doxa, Pisteuo und Agios als unabhingige Stiicke mit ihren eigenen liturgischen Funktionen Eingang in den Gottesdienst und wurden lediglich spiter mit 0 amnos tu theu zur Missa graeca vereinigt49. Niheres bei Atkinson, a.a.O. (s. Anm. 12) S. 74-77. Fiir das Pfingstfest bieten Apt 17 ein lat. Gloria, griech. Sanctus und lat. Agnus Dei, Apt 18 in der ersten Gruppe ein lat. Gloria (fol. 51'), in der zweiten Gruppe aber ein griech. Gloria (fol. 57), dem die Angaben folgen ,,S[an]c[tu]s quale vol[ueris]" und ,,Agnus d[e]i q[ua]l[e] vol[ueris]"; daran aber schliel3t sich der Tropus Quem intuens mit Stichwort fir ein lat. Agnus Dei an. 48Vgl. Kaczinski, a.a.O. (s. Anm. 1) S. 235f. * Die Indizien stiitzen dies bei Doxa und Pisteuo besonders gut. Das Doxa wurde laut Speculum ecclesiae (s. Anm. 24 u. 25) in Rom zur ersten Weihnachtsmesse gesungen. Dieser Bericht ist glaubhaft angesichts des Alters dieses Gesanges, seiner weiten Verbreitung und seiner hiufigen, an kein besonderes Fest gebundenen Einzeliiberlieferung, wird aber auch bestiitigt durch Hs. Paris 9434 (11. Jh.), ein Graduale aus Tours mit einem Doxa for die Mitternachts-Christmesse auf fol. 26'. Das Pisteuo - bei dem die Dinge fast noch offenkundiger liegen - hatte, wie das lateinische Credo, eine zeitlang im Vorbereitungsritus fir die Taufe einen festen Platz in der r6mischen Liturgie, bevor das Credo in die Messe iibernommen wurde (siehe Anm. 22 u. 23). Legt man Walafrid Strabo (De exordiis et incrementis, ed. 46 7 This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 138 CharlesM.Atkinson Im Gegensatz zu griechischem Gloria, Credo und Sanctus scheint das griechische Agnus Dei, O amnos tu theu, speziell zum Zwecke der Vervollstfndigung der Missa graeca geschaffen worden zu sein. Anfangs tritt es nur in Verbindung mit den dreianderen Stiicken auf. Auch besitzt es als einziges der vier offenkundig kein byzantinisches Vorbild50. Es gibt kein gesungenes O amnos in den malgeblichen byzantinischen Liturgien fiir die Heiligen Basilius, Johannes und Chrysostomuss1. Deshalb ist das O amnos entscheidend fiir die Bestimmung von m6glichem Ursprungsdatumund -ort der Missa graeca. Die musikalischen Aufzeichnungen des O amnos in Manuskripten des 10. und 11. Jahrhunderts geben hierfiir wichtige Aufschliisse. In den erhaltenen Handschriften sowohl aus den west- wie ostfr~inkischen Regionen findet man fiir griechisches Gloria und Credo - von gewissen lokalen Varianten abgesehen - die jeweils gleichen Texte. Ost- und westfrinkische Texte des Sanctus weichen, wie schon erwihnt, geringfiigig voneinander ab, besitzen jedoch noch eine gemeinsame Melodies . Obwohl eine melodische EinA.Knoepfler, S. 61-62, und Migne, P.L. CXIV, Sp. 947) und den Bericht fiber die Verhandlungen zwischen Papst Leo III. und den Gesandten Karls des Gro3en im Jahre 810 (M.G.H., Leges, III, Conc. II, 1, S. 240-244) zugrunde, so li13t sich die Einffihrung des Credo in die rbmische Messe in Gallien zwischen 798 und 810 ansetzen Quellen (in Rom selbst erfolgte die tbernahme erst 1014). Die liturgisch-praktischen (vgl. aber beginnen erst in der 2. Hilfte des 9. Jh.s, den Gesang einzubeziehen B.Capelle, L'Introduction do symbole d la messe, MBlanges Joseph de Ghellinck, Das Auftreten eines Museum Lessianum, Sect. hist. XIV, 1951, S. 1003-1027). griechischen Credo als Teiles der Missa graeca in Paris 2290 ist daher eines der altesten in der r6mischen Messe. den Gebrauch des Glaubensbekenntnisses Zeugnisse ffir Beim Agios ist der Befund nicht ganz so klar, doch Alter des Gesanges, Dichte seines Erscheinens als unabhdngiund seiner Handschrifteniiberlieferung Htiufigkeit ges Stfick (siehe Tabelle I) diirften gleichfalls auf einen Gebrauch v or dem Zeitpunkt der Kombination mit Doxa, Pisteuo und O amnos tu theu hindeuten. Das vermutete ,,griechische Sanctus" im Sacramentarium Gellonensis (Paris, BN lat. 12048, fol. 143v) wiirde einen Beweis dessen liefern, wenn dieses Sanctus nicht lediglich den iiblichen lateinischen Wortlaut in griechischen Buchstaben wiederg~ibe (vgl. Liber sacramentorum gellonensis, ed. A. Dumas, Corpus Christianorum, ser. Latina CLIXA, Turnhout 1981, Fig. 99, farbige Reproduction dieses Blattes, das auch kunsthistorisch und theologisch bedeutsam ist). 50 Um 1950 stellte Mv.Huglo in einer Artikelfolge griechisches Gloria, Credo und Sanctus in westlichen Hss. als anscheinend aus dem byzantinischen Repertoire entlehnt dar (La m~lodie grecque du Gloria in excelsis et son utilisation dans le Gloria XIV, Revue Gr~gorienne XXIX, 1950, S. 30-40; Origine de la milodie du Credo authentique de l'Adition Vaticane, ebenda XXX, 1951, S. 68-78; La tradition occidentale des Kirche, milodies byzantines du Sanctus, Der kultische Gesang der abendlindischen aus AnlaBl des 75. Geburtstages von D. Johner, K6ln 1950, S. 40-46). Fifr das Sanctus baute Levy (a.a. O. [s. Anm. 1]) diese Konzeption weiter aus. Liturgies Eastern and Western, I: Eastern Liturgies, Ox51 Vgl. J.E.Brightman, ford 1896, Nachdr. 1967, und N. K.Moran, The Ordinary Chants of the Byzantine XII, Hamburg 1975. Mass, = Hamburger Beitrige zur Musikwissenschaft 52 Wie Levy, a.a.O. (s. Anm. 1) S. 8 u. 37f., zeigt, gibt es zwei verschiedene ostvon denen die eine aber nur eine ausgeschmiickte Verfrinkische Melodiegestalten, sion der anderen zu sein scheint. Die Melodie zum Agios in Berlin 4011, fol. 105' This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und ftberlieferung der ,,Missa graeca" 139 heitlichkeit in ost- wie westfriinkischen Quellen fiir das Credo nicht mit Sicherheit nachweisbar ist, benutzen die Manuskripte beider Regionen wenigstens auch beim Gloria ein und dieselbe Melodie53. Eine derartige melodische wie textliche Einheitlichkeit liegt hingegen bei O amnos tu theu nicht vor. Beispiel 6 gibt das O amnos tu theu nach einer der Lltesten ostfrinkischen Quellen, Wien 1888 (einem Sakramentar aus Mainz), wieder. Diese Niederschrift umfal3t zwei Melodien, die in ostfrinkischen Quellen mit O amnos verbunden sind, und dazu die alteste iiberlieferte Melodie zum lateinischen Agnus Dei (Nr. 226 bei Schildbach54). Beispiel 6: Ostfriinkische Fassung von O amnos tu theu (Wien, ONB 1888, fol. 2) mit Melodie 226 * 0 amnos tu theu (226) (B) Agnus ,.-" • I J? Dei n o erontas qui tollis </<Y J - Fo. amnos tu theu oo,,/-erontas amarthias tu cosmu " peccata .:I:r = mundi 1- 1i- / /" amarthias tu cosmu eleyson 'S. miserere . ymas nobis ele,"-/ eleyson * Zaihlungnach Schildbach, a.a. O. (einer Levy nicht zuginglichen Hs.) geh6rt zum verzierteren Typ wie in den Mss. St. Gallen, St. Emmeram und Heidenheim. Unter den westfrinkischen Quellen bietet auch Apt 17, pag. 223 eine reichere Melodie als die anderen aquitanischen fss., nennt dasselbe Incipit wie die anderen Quellen und weist auch strukturelle Ahnlichkeiten auf, ist jedoch um soviel ausgearbeiteter als die anderen, daB man von einer unabhingigen Melodie sprechen muf3. Jedenfalls scheint sie keine direkten Beziehungen zur verzierten Fassung des Agios aus ostfrinkischen Quellen zu haben. 8 Levy, a.a.O. (s. Anm. 1) S. 37f. Die Schwierigkeit beim Pisteuo beruht darauf, daB es weder in friihen Quellen diastematisch notiert noch in aquitanischen Hss. des 10.111. Jh.s iiberhaupt enthalten ist. Dennoch weisen Spuren auf eine einheitliche Pisteuo-Melodie in den 6stlichen wie westlichen Regionen des frainkischen Reiches hin. Diese Melodie erscheint erstmals in Rom, Vat. Reg. lat. 215, einem 877 zu Fleury entstandenen Ms. (vgl. H.M.Bannister, Monumenti Vaticani di Paleografia Musicale Latina, Leipzig 1913, Tavole: Nr. 108, tav. 10; Testo: S. 29) und kehrt mit nur geringfiigigen Varianten in faktisch allen erhaltenen Niederschriften des nizinisch-konstantinopolitanischen Pisteuo wieder (Diisseldorf D 2 ist die wichtigste Ausnahme). Fiir Bekanntheit dieser Melodie im Aquitanien des 10. und 11. Jh.s spricht, dal Paris 4883A mit griechischem Glossar und vermischten Abhandlungen - wie auch Texten von Doxa und Pisteuo (fol. 33') - vermutlich direkt aus der Hs. Rom 215 kopiert worden ist (vgl. G. Goetz, Corpus Glossariorum Latinorum, Leipzig u. Berlin 1923, I, S. 148, und J. Contreni, Haimo of Auxerre and John Scottus Eriugena, Speculum LI, 1976, S. 411-434, bes. S. 415). Paris 4883A entstand im spliten 10. oder friihen 11. Jh. im Kloster St. Martial zu Limoges. 64 M.Schildbach, a.a. O.; ferner Ch.M.Atkinson, The Earliest Agnus Dei Melody and its Tropes, JAMS XXX, 1977, S. 1-19. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions ymas J.. Charles M. Atkinson 140 Wie ein Vergleich mit Beispiel 1 zeigt, weichen ost- und westfrinkische Fas- sungen des O amnos in Melodie und Text erheblich voneinander ab. Die melodischen Unterschiede sind so betrachtlich, daB sie ins Auge springen. 1berdies fiigt die westfrinkische Textfassung die Apposition o uios tu patros ein, die im griechischen Agnus Dei der ostfrinkischen Niederschriften wie auch in der lateinischen Standardversion fehlt. Der Tatbestand einer differierenden melodischen und textlichen Oberlieferung der ost- und westfrinkischen Quellen fiir O amnos tu theu ist im Blick auf die einheitlichen Traditionen der anderen Missa-graeca-Teilebedeutsam. Michel Huglo untersuchte - in einem Beitrag zur liturgischen Konferenz Helsinki 197556, in seinem Werk hiber die Tonare56 und in seinem Artikel R~6misch-frdinkische Liturgie67 - die Aufspaltung der Choralliberlieferung in ost- und westfrBnkischesRepertoire. Er verfolgte die Spuren dieser Teilung his in die Regierungszeit Ludwigs des Frommen (814-840) zuriick und fand, daB die erste grdl3ereSpaltung mit dem Vertrag von Verdun (843) zusammenfaillt.Als Ergebnis seiner Forschungen entwickelte Huglo drei Thesen: 1. ist ein Stiick nur in einer der Regionen - nicht in beiden - iiberliefert, so kann es nicht vor der Epoche entstanden sein, in der die beiden Repertoires sich unterschiedlich Meentfalteten; 2. tritt ein Stiick in beiden Regionen mit verschiedenen das zum es nicht haben, so kann lodien auf, liturgischen Repertoire gehdrt wiihrend der Regierungszeit Karls des GroBenvereinheitlicht wurde58; 3. findet sich ein Stiick in allen Zweigen der Handschriftentradition mit derselben Melodie, so gehirte es wahrscheinlich zum Corpus des rdmischen Gesangs, das unter Karl erstmals einheitliche Verbreitung iiber das ganze Reich fand 6. Wendet man Huglos Thesen als Erklairungshilfenauf den Handschriftenbefund bei den Stiicken der Missa graeca an, so sind Doxa, Agios und vermutlich auch Pisteuo der iiltesten Schicht, nimlich den Teilen der unter Karl fester zusammengefiigten Liturgie, zuzuweisen. Dies steht in Obereinstimmung mit dem Befund der altesten Handschriften wie auch mit anderen Indizien. O amnos 5 M.Huglo, De monodiska handskrifternas f6rdelning i tvd grupper, Sst och vdst, teologian julteologian laitos: Kaytinnbllisen Helsingin yliopiston kiytinnallisen stellten Frau Dr. kaisuja A 3/1975, Helsinki 1975, S. 47-65. Dankenswerterweise for klassiska sprak, Ritva Jonsson und Frau Dr. Gunilla Iversen (Institutionen Universitat Stockholm) sowohl Druckfassung als auch franzbsisches Original von Herrn Dr. Huglos Aufsatz zur Verfiigung. Tonaires: Inventaire, Analyse, Comparaison, Paris 1971, S. 44f. " Geschichteder katholischen Kirchenmusikc,I: Von den Anf~ingen bis zum Triden- 5" Les tinum, hg. K. G. Fellerer, Kassel 1972, S. 233-244. " Huglo, a.a.O. (s. Anm. 55) S. 55. 226 wie auch die Tropen Qui Vermerkt sei, daB Agnus-Dei-Melodie 59 Ebenda. sedes und Cui Abel in beiden frinkischen Regionen bezeugt sind; vgl. Atkinson, a. a. O. (s. Anm. 54) S. 11-19 u. (s. Anm. 12) S. 139-163, 230-234, sowie zum Agnusbes. Iversen, a.a.O. (s. Dei-Repertoire in der Aufspaltung der Hss.-1tberlieferung Anm. 3) S. 211-304. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tberlieferung der ,,Missa graeca" 141 tu theu hingegen, mit seinen zwei verschiedenen melodischen und textlichen Traditionen, diirfte in Huglos zweite Kategorie fallen und den Stiicken zuge- h6ren, die nach Karl, doch vor der Spaltung in zwei Handschriften-Repertoires in die Liturgie eingeffihrt wurden. Folgt man diesem Erklirungsschema beim O amnos, so kann man den Zeitpunkt der Kompilation f'ir die Missa graeca mehr um die Mitte des 9. Jahrhunderts, wahrend der Regierungszeit Ludwigs des Frommen oder vielleicht auch Karls des Kahlen (840-877), ansetzen. MancheEinzelbefunde kbnnten den Ursprungunter Karl dem Kahlen stiitzen. Zunichst war Karl ein ausgesprochenerGraecophile,wie die Annales Fuldenses bezeugen. Tber seine Vorliebe und Hochachtung fiurGrecaegloriae hinaus wird ihm durch Meginhard von Fulda in der Chronik zum Jahre 876 eine neue, griechische Art der Kleidung, eine Bedachtheit auf den Titel ,,Imperator Augustus" und eine Verachtung frinkischer Kdnigsbraiuchezugeschriebens60.Karls Neigung fiir alles Griechische kann durchaus im geistigen Bereich gefdrdert worden sein, zumal Johannes Scotus Eriugena, einer der wenigen Gelehrten des 9. Jahrhunderts, die das Griechische wirklich beherrschten, in Karls Diensten stand8. Diese Vorliebe frir ,,griechische Glorie" schlieBlich kann der Anreiz f'r Karl gewesen sein, sich Handschriften herstellen zu lassen, die durch Gesinge der Missa graeca sozusagen ,,geschmiickt" waren. Nach Jean Deshusses lielB Karl der Kahle eine Gruppe von sieben Manuskripten in St.Amand kopieren, um sie an Kirchen und Klster seines Reiches zu verschenken"2. Vier dieser Handschriften enthalten, wie Tabelle II zeigt, Ordinariumsgesinge auf Griechisch. Eine von ihnen, Paris 2290, ist die ilteste alle vier Gesinge der Missa graeca riberliefernde Quelle63und entstand, wie s0 ,,Karolus rex de Italia in Galliam rediens novos et insolitos habitus assumpsisse perhibetur... Omnem enim consuetudinem regum Francorum contemnens Grecas glorias optimas arbitrabatur et, ut maiorem suae mentis elationem ostenderet, ablato regis nomine se imperatorem et augustum omnium regum cis mare consistentium appellare praecepit" (Annales Fuldenses, ed. G. H. Pertz & R. Kurze, M. G.H., Script. rer. germ. in usum scholarum, Hannover 1891, S. 86; auch M.G.H., Scriptores I, S. 389). e8 Vgl. Cappuyns, a.a.O. (s. Anm. 27), und E.Jeauneau, Jean Scot Erigine et le grec, Archivum Latinitatis Medii Aevi XLI, 1979, S. 5-50. 82 Deshusses, a.a. O. (s. Anm. 28). Es handelt sich um folgende sieben Hss.: Le Mans, Bibl. munic., Ms. 77 (um 851 fiir Le Mans), New York, Pierpont Morgan Library, G 57 (um 855 fir Chelles), Leningrad, S-S, Q. v. I, no. 41 (um 863 fiir Tournai), Paris, BN lat. 2290 (um 867 fir St. Denis), Reims, Bibl. munic., Ms. 213 (um 869 fir Saint-Thierry), Paris, BN lat. 2291 (um 871 fiir St. Germain des Pres), Stockholm, Kungl. Bibl., A 136 (um 871 fir Sens). Zur Bibliographie der Quellen siehe die in Anm. 28 genannten Titel. 63 Paris 2290 gait lange Zeit als His. aus St. Denis (vgl. Delisle, a. a. O. [s. Anm. 28], S. 102-105). Wegen des Buchschmucks sieht man in der Quelle jedoch jetzt eine in St. Amand angefertigte, fuirSt. Denis bestimmte His. (Gamber, a.a. O. [s. Anm. 28], Nr. 760, S. 356). Die Vorkommen von Stiicken der Missa graeca in Paris 2290 und drei anderen Mss. aus St.Amand liel3en Berschin folgern, daB sich ,,das Interesse an der Entstehung der ,Missa graeca' viel mehr auf St.Amand als auf St. Denis konzentrieren miil3te" (Berschin, a.a. O. [s. Anm. 2] S. 35). This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 142 Charles M. Atkinson Deshusses vermutet, ca. 867 in St.Amand, um als Geschenk Karls an die Abtei St. Denis iiberbracht zu werden4. So zugkriftig die genannten Argumente auch wirken mdgen: die Annahme, die Missa graeca sei unter Karl dem Kahlen entstanden, liBt durchaus Probleme offen. Eines von ihnen ergibt sich aus einer Bemerkung, die Karl wihrend seiner letzten Herrscherjahre gegeniiber dem Klerus in Ravenna machte: ,,Auch wurden in unserem Beisein solenne Messen der zu Jerusalem gebrauuchlichen Art, deren Autor der Apostel Jacobus ist, und der zu Konstantinopel gebrLuchlichen Art, deren Autor Basilius ist, zelebriert; wir meinen jedoch, daB in der MeBzelebration der r6mischen Kirche gefolgt werden soll" 65. Diese AuBl3erungund die Tatsache, daB in der aus Fleury stammenden, auf 877 datierten Handschrift (Rom, Vat. Regin. 215) ein griechisches Gloria und Credo enthalten sind, veranlaBten Levy, die Mdglichkeit einer Entstehung der Missa graeca unter Karl dem Kahlen zu verwerfen". Eine andere Schwierigkeit fuir den Ansatz, die Missa graeca sei unter Karl entstanden, ergibt sich daraus, daB Johannes Scotus als ,,offizieller" Philologe an Karls Hofwirkte. Hitte nxmlich Johannes die Kompilation und 17bersetzung der Missa graeca iiberwacht, so finde man schwerlich jene Beispiele von Krasis von Paris ul3ert zunichst Vorbehalte gegen ein Zusammenfassen 64 Deshusses 2290 und den anderen Sakramentaren aus St.Amand: ,,Reste PARIS 2290. Celui-ci doit Stre mis a part, ayant un texte nettement different des autres, texte qui ne refl~te plus laliturgie propre de Saint-Amand" (Deshusses, a. a. O. [s. Anm. 28] S. 232), rechtfertigt die Zuordnung dann aber so: ,,Une premiere explication consisterait & voir dans Saint-Amand une sorte de maison d'4dition a laquelle divers clients auraient confi6 le soin d'ex~cute pour eux, & fagon, un riche ouvrage. Mais alors il semble que les clients, pour un travail de ce genre et de cette importance, auraient fourni leurs propres documents, de sorte que les divers manuscrits n'auraient eu en commun que la calligraphie et la d6coration. Ce fut le cas pour le sacramentaire de Saint-Denis, PARIS 2290, dont le texte est nettement autonome, mais non pour les autres, qui, visiblement, procZdent tous des m~mes modules de base et conservent dans l'ensemble la liturgie de Saint-Amand" (ebenda S. 233). Zu den Konsequenzen f'ir die Missa graeca siehe auch die folgende Diskussion und Anm. 68. etiam sunt coram nobis missarum sollemnia more Ierosolymitano, 65 ,,Celebrata auctore Basilio; sed nos auctore Iacobo apostolo, et more Constantinopolitano, sequendam ducimus Romanam ecclesiam in missarum celebratione" (zit. nach I. M. Hanssens, Institutiones Liturgicae de Ritibus Orientalibus, Rome 1932, III, S. 575; bei Levy, a.a.O. [s. Anm. 1] S. 36). englische tbersetzung zwischen St.Amand und Karl 68 Levy, a. a. O. (s. Anm. 65). Die enge Verbindung dem Kahlen kinnte dazu verleiten, diese Passage als Stiitze - nicht als Gegenargument - fiir einen Ursprung der Missa graeca unter Karl aufzufassen. Doch bilden die Stiicke der Missa graeca ein Ordinarium der rdmischen, nicht der byzantinischen Morgenoffiziums, nicht der Messe, die, Messe (das Doxa ist Teil des byzantinischen wie oben erwahnt, auch kein gesungenes O amnos tu theu besitzt). Der Gebrauch Gesinge fiir Pfingsten z. B. stiinde zum Kern der Aussage Karls griechischsprachiger nicht im Gegensatz. In Verbindung mit den anderen Befunden sollte die Passage aber vielleicht ganz streng dahingehend verstanden werden, daB sie gegen Karl als den ,,Vater" der Missa graeca spricht. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Beispiel 7: Agios und O amnos tu theu in Paris, BN lat. 2290, fol. 8' 4* :MAbd: ayo(. krner: ykn ( . yofa , 4nn&. tnwuf. 4* _RA. Kw ae knM V * IILp.r.G+rs" L~aItAA oo tpWIW; ew B I: ..... .k.O? .A's* CcC.4iwnr c PALtVACUMQYLI K4ALftL;& tSOhv5-fnJuldr This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions .'M 4 TIvyUO $ >e1anlsa Zur Entstehung und lberlieferung der ,,Missagraeca" 143 und falscher Worttrennung in den griechischen Texten, auch der Handschriften aus St.Amand. Diese Merkmaledeuten auf Niederschrift nach Diktat, nicht auf tbersetzung durch einen des Griechischen wie des Lateins Kundigen. Auch die Gruppenbildung der St.-Amand-Manuskripte ist nicht ohne Probleme. Die genauere Priifung der Texte des Doxa in diesen Handschriften offenbart zwei verschiedene Texttraditionen fiir diesen Gesang, deren eine Paris 2290 und deren andere Paris 2291, Stockholm A 136 und Leningrad Q.v.I, no. 41 verkSrpern.Die Niederschriften der drei letztgenannten sind faktisch iibereinstimmend67. Man fragt daher, ob zwei verschiedene Textversionen, sofern sie innerhalb der gleichen Zeitspanne entstanden, demselben Scriptorium entstammen kdnnen. Mdglicherweisegehdrt zumindest Paris 2290 nicht zur Gruppe der unter Karl dem Kahlen angefertigten Prisentationshandschriften68*. Die Niederschriften von Agios und O amnos tu theu in Paris 2290 fordern schlie3lich eine weitere Frage heraus (siehe Beispiel 7). Wie der Vergleich zwischen Beispiel 7 und den Beispielen 1, 5, 6 zeigt, bietet das Manuskript die Texte dieser Gesinge in einer Fassung der ostfr~inkischen, nicht der westfrankischen (aquitanischen) Quellen. Karl der Kahle aber war K6nig des westfr~inkischenReiches. Wmiredie Missa graeca w~hrend seiner Regierungszeit entstanden, so diirften die Lesarten des Agios und O amnos aus Paris 2290 mit Wahrscheinlichkeit in westfriankischeHandschriften Eingang gefunden groBl3er haben, was jedoch nicht der Fall ist. tberdies sind die vier Gesinge der Missa graeca nur in ostfrinkischen Quellen als einheitliche Gruppe iiberliefert, ein Sachverhalt, der sich schwerlich erkliren lieB3e,wenn diese Messe im westfrinkischen Reich Karls des Kahlen zusammengestellt worden wire69 67 Die Abweichungen zwischen den beiden Fassungen betreffen primir die Schreibweisen; Paris 2290 z.B. liest Doxa. en ypsistys. theo. kceepigis. irini. enantropis. eudokia., die anderen Mss. haben Doxa en ipsistis theo ke ypigis yrini en anthropis eudokya. Es gibt aber auch substantiellere Unterschiede zwischen Paris 2290 [= P] und den [= V]; im Artikel iiber o amnos tu theu: oerontin amartian (P), Vergleichs-Hss. oerontas amartias (V); die Fassungen vertauschen sich fuir die Wiederholung: oeron. tas amartias (P), oerontin amartian (V); schlieBlich fuir das griechische 6't ao eI•Ldvog: oti. sy. imonos (P), weniger korrekt othi symonos (V). Der Scriptor des Doxa in Stockholm A 136, dem jiingsten der St.-Amand-Mss., vergal3 bei Zeilenwechsel -tis von ipsistis und schrieb eunumense statt enumense und mekalin su statt megalin su, gab ansonsten aber denselben Text wie Paris 2291 und Leningrad Q. v. I, no. 41. Bemerkenswerterweise bietet von alien untersuchten Quellen Paris 9436, ein Missale des 12.Jh.s aus St. Denis, den mit Paris 2290 engst verwandten - faktisch in jedem - Text des Doxa. Detail iibereinstimmenden ist die M6glichkeit, daB sich die Texte der Missa graeca 88 Noch wahrscheinlicher - wie andere Teile des Ms. - auf eine Vorlage aus St. Denis griinden (s. Anm. 64). Ausnahme gegeniiber einigen dieser Feststellungen 69 Eine scheinbare erbringt wichtige Zusatzindizien fuir die Datierung der Missa graeca. Paris 9449, ein Tropar des 11.Jh.s aus Nevers, bietet fuir Pfingsten (fol. 49ff.) nicht nur vier Ordinariumsgesange auf Griechisch, sondern ebenso auch einige Propriumsteile (diplomatische der Texte bei Wagner, Einfilhrung I [s. Anm. 14], S. 52 und N. van tbertragungen 10 This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 144 CharlesM.Atkinson Im Blick auf diese Probleme mdchte ich ein Datum zwischen 827 und 835 wiahrendder Regierungszeit Ludwigs des Frommen fiir die Entstehung des O amnos tu theu und fiir die Zusammenstellung der Missa graeca vorschlagen. Im Jahre 827 schickte der byzantinische Kaiser Michael II. Abgesandte zu Ludwig dem Frommen, die wertvolle Geschenke iiberbrachten. Unter diesen befand sich ein in kunstvoller griechischerUnzialschrift abgefal3tesManuskript mit den Werken des Dionysios Areopagites70, das dann unter Leitung Hilduins, Abtes von St. Denis, ins Lateinische iibersetzt wurde71.Diese Obersetzung war spiitestens im Jahre 835 vollendet und erforderte, nach Gabriel Th6ry, die Mitarbeit einiger Byzantiner, von denen einer den griechischen Text laut gelesen, ein andererins Lateinische iibersetzt habe; einer von Hilduins Mdnchenschrieb daraufhin das Latein nieder72.Die auf diese Weise zustandegekommene Ifbersetzung war in einem Mal3e,,wdrtlich", daB manche Passagen geradezu unverstiindlich wurden. Th6ry konnte das Obersetzungsverfahren rekonstruieren anhand von Irrtiimern, wie sie nur bei miindlicher Vermittlung unterlaufen. Im Blick auf die Schwierigkeiten, wie sie fiir Hilduins tfbersetzerstab vorlagen, lassea sich die orthographischen Inkonsequenzen in den Stiicken der Missa graeca leicht verstehen - Inkonsequenzen, die hdchstwahrscheinlichaus miindlicher abermittlung und phonetischer Niederschrift resultierten. Schreibt man das Entstehen einer griechischen Fassung der lateinischen Messe einer Zeit und einem Ort byzantinischer Prisenz im Westen zu, so wiirde dies das gute, doch orthographisch fehlerhafte Griechisch der Missa-graecaStiicke in Paris 2290 erkliiren. Ein Datum zwischen 827 und 835 wiirde den Ursprung der griechischen Messe auch einer Zeit zuweisen, in welcher der Deusen, Music at Nevers Cathedral, Henryville, Pa. 1980, I, S. 77; keiner der Autoren identifiziert die Texte). Auf Griechisch erscheinen die Texte fiir den Introitus Spiridessen tus domini (Pneumnatu kyrriu = Sap. Salom. 1, 2: vei•ia [toii] xevlov), fiir Ps. 67, 2: 'Avaarrwo 6 edSg,ungenau Psalmvers Exurgat Deus (Natis thos o theos bezeichnet als ,,Tropus/Gloria patri" in van Deusen, a.a.O. S. 336), fiir das Gloria patri (Doxa patri = dI6a nazei) und fiir den Allelujavers Exsultate Deo (Agalliaste tho theon = Ps. 80, 2-3: 'AyaLaetdaOer 0es). Obwohl die meisten Tropen dieser Hs. Konkordanzen bilden mit dem aquitanischen Repertoire (wie D. Hiley in seinem Beitrag zum Researchers Meeting on Tropes, Stockholm 1981, zeigte), erscheint O amnos tu then in derselben Fassung wie in Paris 2290 und den ostfriinkischen Quellen Anscheinend also gehart die Missa graeca in Paris 9449 zu einer des 10./11.Jh.s. ilteren Schicht als die meisten Tropen und entstammt einer Zeit vor der Spaltung in ost- und westfr~inkische Traditionen, d.h. der Phase vor der Regierungszeit Karls des Kahlen. des ceuvres de S. Denys 70 Jetzt Hs. Paris, BN gr. 437 (vgl. HI. Omont, Manuscrit Grecde des Revue le Louis Constantinople Ddbonnaire, d l'Ardopagite envoyd ]tudes ques XVII, 1904, S. 230-236). 71 P. G. Thiry, Jltudes Dionysiennes I: Hilduin, traducteur de Denys, = Etudes de philosophie medi6vale XVI, Paris 1932, S. 4-22. 72 Ebenda S. 123-134. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Zur Entstehung und tberlieferung der ,,Missa graeca" 145 Gedanke der Einheit des christlichen Glaubens besonders stark ausgeprigt war und von Kommentatoren der Liturgie iiberzeugend artikuliert wurde. Unter diesen ragen Agobard von Lyons73 und Amalarius von Metz74 heraus, deren einschligige Schriften zwischen 817 und 831 entstanden75. Als Agobard und Amalarius die Idee der christlichen Einheit in Schriften mit allegorischen Interpretationen der Liturgie verkiindeten, setzte f'ir die rdmische Liturgie ihrerseits eine noch unmittelbarere und konkretere ,,Interpretation" in Gestalt frinkischer Ausschmiickungen - vor allem Tropen und Sequenzen ein. Diese Ausschmiickungenbereichertendie Liturgie als Ganzes und steigerten den Propriumsgehaltder Messefiir jedes Fest. Einer ThnlichenFunktion dienten die verschiedenen Stiicke der Missa graeca, die in vielen Tropenhandschriften iiberliefert sind'76.Die Annahme eines Datums zwischen 827 und 835 wiirde die Entstehung der Missa graeca in relativ enge Nachbarschaft zum Ursprung von Tropen und Sequenzen riicken und alle drei Erscheinungen als Reflex der liturgischen Steigerung und Bereicherung verst~indlichmachen, die so eng mit der Karolingerzeit verbunden sind. (tbersetzung: Klaus-Jiirgen Sachs) 7 Vgl. z.B. seinen Brief an Ludwig den Frommen aus dem Jahre 817 (M. G.H., Epistolae, V, S. 158-164, u. Migne, P.L. CIV, Sp. 113-126), auszugsweise zit. bei Halphen, a.a. O. (s. Anm. 40) S. 239-241 und R. Faulhaber, Der Reichseinheitsgedanke in der Literatur der Karolingierzeit bis zum Vertrag von Verdun, Berlin 1931, S. 24-35. 4 Siehe Anm. 39. auf christliche Einheit in den Werken Agobards und Amala"5 Die Blickrichtung rius' resultierte wohl teilweise aus dem Bestreben Ludwigs des Frommen und seiner Ratgeber, ein politisch-religids geeintes Reich nach dem Tode Karls des Grol3en wiederherzustellen (vgl. P.R. McKeon, The Empire of Louis the Pious, Revue B~n&dictine XC, 1980, S. 50-62). Diesem Ziel diente vor allem die Ordinatio imperii von 817 (M. G. H., Cap., I, Nr. 136, S. 270-273), ein Dokument, das sich ganz und gar auf die durch den Apostel Paulus beschworenen Prinzipien der Einheit griindet (vgl. Some Observations on the ,,Ordinatio Faulhaber, a.a.O. [s. Anm. 73]; F.L.Ganshof, Imperii" of 817, The Carolingians and the Frankish Monarchy, Ithaca, N.Y. 1971, S. 273-288; J.Semmler, Reichsidee und kirchliche Gesetzgebung bei Ludwig dem Frommen, Zeitschrift fiur Kirchengeschichte LXXI, 1960, S. 37-65; W.Mohr, Die kirchliche Einheitspartei und die Durchfilhrung der Reichsordnung von 817, ebenda LXXII, 1961, S. 1-45). [s. Anm. 15] S. 47ff. 7' Siehe Tabelle I. O. Ursprung (Die katholische Kirchenmusik und 92f.) aul~ert die Meinung, die Missa graeca sei in der spaten Karolingerzeit, wahrscheinlich am Hofe Karls des Kahlen, entstanden als Ertrag des Bemiihens umrnst~irkere Veranschaulichung und Symbolik in der Liturgie; ein anderer Thnlicher Ertrag sei die Schaffung von Tropen und Sequenzen. This content downloaded from 132.187.253.25 on Mon, 26 Oct 2015 07:19:32 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions