Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
- Hausarbeit -
Verfasser
Rossano Della Ripa
Wettersteinstr. 72, 90471 Nürnberg
[email protected]
Matrikel-Nr.
6505430
Studiengang
Master Soziologie: Individualisierung und Sozialstruktur
Modul
Sozialstruktur und Individualisierung in der urbanen Welt
(Modul 5a)
Hochschule
FernUniversität Hagen
Prüfer
Prof. Dr. Dr. Lothar Bertels
Abgabetermin
09.04.2014
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ................................................................................................ 3
2.
Forschungsstand und theoretischer Rahmen........................................4
3.
Der durch die Digitalisierung gefährdete urbane Raum……………. 7
3.1
Begriffliche Klärungen und Eingrenzungen……………………………. 7
3.2
Sennett meets Bytes – Der Verfall zweier moderner Hoffnungen……… 8
3.2.1
Urbane Räume zwischen Smart City und Überwachung…………… 9
3.2.2
Big Data – Landnahme der digitalen Überwachung………………..11
4.
Emanzipation durch Raum und Netz……………………………….. 13
4.1
Die Wiedergewinnung des öffentlich-urbanen Raums…………………13
4.2
Urbane Räume – „Disorder“……………………………………………14
4.3
Wireless Revolution? –
Empirische Aspekte zur urbanen Emanzipation………………………..15
4.3.1
Der digitale Raum als Wiederentdeckung des verlorenen Platzes…16
4.3.2
Mit der Vernetzung zur multiplen Raumgebundenheit.....................17
5.
Resümee.................................................................................................. 19
6.
Inhaltsverszeichnis.............................................................................
7.
Erklärung..................................................................................................27
21
2
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
„Auf der Karte deines Imperiums, o großer Khan, müssen ebenso das große
Fedora aus Stein wie die kleinen Fedoras in den Glaskugeln Platz finden.
Nicht weil sie alle gleich real, sondern weil sie alle nur angenommen sind.
Das eine birgt das für notwendig Gehaltene, während es dies noch nicht ist;
die anderen das als möglich Erdachte, was es eine Minute später
nicht mehr ist.“
Calvino (2004), S. 39
1.
Einleitung
In den letzten Ausgaben der englischen Zeitschrift „The Economist“ wurden
ganzseitige, wirtschaftsorientierte Werbungen für die Stadt Barcelona
veröffentlicht. Neben den allgemeinen Vorzügen dieser aufstrebenden Stadt
wird vor allem mit der dortigen technischen Entwicklung beworben. Diese soll
laut der Werbeanzeige vor allem die neuen Medien und die digitale
Ausrichtung der städtischen Modernisierung betreffen und aus der spanischen
Metropole eine „one of the world’s top 10 ‚smart cities‘“ (The Economist
2014, S. 77) machen:
„The installation of sensors and communication platforms enables leading-edge
digital systems to cover traffic control, municipal bike lending, security cameras
and other facilities. […] A digital identity system that allows citizens anywhere
to identify themselves remotely and securely by means of a digital ID in their
mobile phone.“ (ebd.)
Auf der anderen Seite des Mittelmeers versucht der türkische Präsident Recep
Erdoğan digitale Plattformen zu unterdrücken und deren Erreichung zu
unterbinden: Die BenutzerInnen dürfen sich nicht über Youtube oder Twitter
verbinden können. Sollen mit diesem Schritt neue, weitreichende Erhebungen
verhindert werden, wie sie im Zuge des geplanten Abbaus eines Istanbuler
Parks 2013 entstanden sind? Diese einleitenden Bilder sollen dazu dienen, die
Möglichkeiten der digitalen Ausrichtung einer städtischen und urbanen
Entwicklung zu verdeutlichen. Auf der einen Seite die wirtschaftliche
„Urbarmachung“ eines sicherlich nicht für wenige noch bestehenden
„Neulands“, auf der anderen Seite die Furcht vor einer von der Digitalisierung
zumindest
verstärkten,
angenommenen
Unkontrollierbarkeit
kollektiver
Handlungsstränge.
Die folgende Studienarbeit möchte aus den obigen Beobachtungen heraus
den Einfluss des digitalen Raums auf die urbane Entwicklung näher
untersuchen. Die oben genannten Beispiele deuten bereits auf ein
3
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Spannungsfeld hin, welches aus der digitalen Technologisierung und deren
Nutzung entsteht bzw. entstehen kann. Zuletzt hatten die Enthüllungen um die
„NSA-Affäre“ und Edward Snowden einer breiten Öffentlichkeit aufgezeigt,
wie brüchig die Verheißungen und Träume rund um das Internet sind. Von
dieser Situation ausgehend wird, nach einem Überblick der Raumforschung,
der Formulierung der Arbeitsthesen, der begrifflichen Eingrenzung und
Bestimmung,
Mithilfe
einer
Sennett’schen
Theoriefolie
dem
zuvor
dargestellten Spannungsfeld im urbanen Raum nachgegangen werden.
Empirisch werden Prozesse und Technologien dargestellt, die die Verbindung
des urbanen und digitalen Raums verdeutlichen sollen.
2.
Forschungsstand und theoretischer Rahmen
Urbane Räume, digitalisierte Räume – wie können diese Begriffe soziologisch
erfasst werden? Müssen wir davon ausgehen, dass in ferner Zukunft der
gesehene Beton in der Stadt genauso irreal ist wie eine soziale Plattform, in der
zur Empörung und Demonstration aufgerufen wird?
Vor über einem halben Jahrhundert mahnte Albert Einstein, den Begriff
des Raums differenziert zu betrachten und nicht lediglich von einem absoluten
Raum auszugehen, der als metaphysische, schon immer vorhandene
„selbständige Ursache“ (Einstein 1960, S. XIV) fungiert:
„Es hat schweren Ringens bedurft, um zu dem für die theoretische Entwicklung
unentbehrlichen Begriff des selbständigen und absoluten Raumes zu gelangen.
Und es hat nicht geringerer Anstrengung bedurft, um diesem Begriff
nachträglich wieder zu überwinden – ein Prozeß, der wahrscheinlich noch
keineswegs beendet ist.“ (Einstein 1960, S. XIVf.)
Diese Adresse ist an eine physikalische Abhandlung gerichtet – wie geht man
nun für hiesige Belange in der Soziologie mit der Dimension des Raums um?
Der Prozess eines weiterentwickelten Raumverständnisses scheint in der Tat,
wie der schwäbische Nobelpreisträger für die Physik urteilte, für die Soziologie
noch nicht abgeschlossen zu sein. So stellte Markus Schroer (2006, S. 17) vor
acht Jahren noch fest: „Der Raum spielt traditionell in der soziologischen
Theoriebildung keine wesentliche Rolle. Lässt man die einzelnen Theorieschulen Revue passieren, wird schnell deutlich, dass er allenfalls am Rande
vorkommt“. Mittlerweile wird der „spatial turn“ – dieser füge sich nach Walter
Siebel (vgl. 2013, S. 245) im sozialwissenschaftlichen Paradigma des „cultural
4
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
turns“ ein – in den Sozialwissenschaften diskutiert, wie eine aktuelle Debatte
zwischen Martina Löws „Darmstädter Schule“ und Walter Siebel1 zeigt. Der
Paradigmenwechsel des „spatial turns“2 wendet sich gegen die ausschließliche
Sicht eines „absolutistischen Behälter-Raumkonzepts“ (Schroer 2006, S. 174),
der nicht nur
„als selbständiges Ding neben den körperlichen Objekten eingeführt, sondern es
wird ihm im ganzen kausalen Gefüge der Theorie eine absolute Rolle
zugeschrieben. Absolut ist diese Rolle insofern, als er (als Inertialsystem) zwar
auf alle körperlichen Objekte wirkt, ohne daß diese auf ihn eine Rückwirkung
ausüben“. (Einstein 1960, S. XIV)
Martina Löw geht als deutschsprachige Repräsentantin der aktuellen Raumperspektive3 von einer relationalen Strukturierung von Räumen aus. Ihr
handlungstheoretisches Konzept lehne sich zunächst am Gidden’schen Topos
der Dualität von Handeln und Strukturen (vgl. Löw et al. 2008, S. 63f) an.
Diese Dualität soll den Raumkonzept insofern beschreiben, als Räume „nicht
einfach nur existieren, sondern dass sie im Handeln geschaffen werden und als
räumliche Strukturen, eingelagert in Institutionen, Handeln beeinflussen
können“ (a.a.O., S. 63). Diese Dualität wird in ihrer Konzeption des spacings
und der Syntheseleistung erkennbar. Durch Ersteres würde Raum durch
Platzierungen von Menschen und (sozialen) Objekten konstituiert werden,
Letzteres meine die notwendige Verknüpfung zu Wahrnehmungs- und
Erinnerungsprozesse zum Zusammenfassen von Räumen (vgl. a.a.O., S. 64; s.
auch Löw 2001, S. 158ff.). Diese Dualität wird im von Löw durchgängig
benutzten Begriff der „(An)Ordnung“ (Löw 2001, S. 158) fokussiert: Die
Anordnung als aktive Syntheseleistung, die Ordnung als – in Institutionen –
kristallisiertes Platzierte. Dabei betont die Soziologin die prozesshafte und
wechselwirkende Gleichzeitigkeit dieser Räume konstituierenden Ebenen.
Markus Schroer setzt die Kritik an Löws Konzept an der Überwindung
bzw. a priori Verneinung eines absoluten Raums. Dieser eigne sich weiterhin,
um vor allem Macht- und Konfliktprozesse zu verorten:
„Im Rahmen einer Container-Theorie kann eine Raumstelle nur von einem
Objekt, Ding oder Mensch eingenommen werden, sodass die Einnahme
ebendieser Raumstelle durch ein zweites Individuum nicht vonstatten gehen
kann, ohne den früheren Besitzer dieser Raumstelle zu vertreiben, was zumeist
nicht ohne Streit, Kampf und Gewaltanwendung abgeht.“ (Schroer 2006, S. 175)
1
S. hierzu den Schwerpunkt in der Zeitschrift Leviathan, Band 2/2013 mit Beiträgen von
Sybille Frank et al. (2013), Helmut Berking (2013) und Walter Siebel (2013).
2
Im weiteren Verlauf bezieht sich diese „Raumwende“, wenn nicht anders genannt, auf die
Soziologie. Dieser Perspektivenwechsel hat nicht nur die sozialen, sondern auch andere
Wissenschaften wie die Geschichtswissenschaft und die Geographie erfasst. An dieser Stelle
sei an das Kompendium von Jörg Döring und Tristan Thielmann (2008) hingewiesen.
3
So Döring (2010, S. 95) und Döring/Thielmann (2008, S. 10 Fn. 18).
5
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Schroer plädiert, vielfältige Raumkonzepte zu erhalten bzw. zu benutzen, und
nicht den Blick auf ein einzig gültiges Paradigma zu versteifen. So könne sich
im relationalen Raumbegriff einen „Raumvoluntarismus“ (ebd.) entwickeln,
der den Einfluss des Raumes auf Handlungen und Kommunikationen
unterschätzen würde: „Raum prägt unser Verhalten und drückt ihm seinen
Stempel auf“ (a.a.O., S. 176). Allerdings muss hier gefragt werden, ob dieser
Aspekt in Löws Dualität dennoch nicht implizit zum Tragen kommt4. Dafür
spricht, dass Raum in diesem Verständnis eben deshalb absolut wirkt, da
bereits Syntheseleistung und Platzierung bereits den Raum stabilisiert haben5.
Dieses Spannungsfeld zwischen absolutem und relationalem Raum ist, wie
bereits erwähnt, weiterhin Gegenstand der Diskussion, welche den Forschungsund Meinungsstand um den Raum bis heute prägt. Nach Löw et al. (2008, S.
51) lässt sich somit Raum als
„eine Organisationsform des Nebeneinanders [beschreiben; d. Verf.], ebenso wie
man mit dem Begriff der Zeit eine Formation des Nacheinanders benennt. Räume
bezeichnen somit eine Relation zwischen gleichzeitigen Platzierungen. Dieses
Platzierte (auch im Sinne von Gewachsenem, Gebautem, Gepflanztem) muss, um
als Raum wahrgenommen zu werden, im Plural auftreten. Nicht das Objekt ist
Raum, sondern Raum spannt sich zwischen Objekten auf. Raum ist also der
Inbegriff der Gleichzeitigkeiten […]. Wer Räume analysiert, richtet das
Augenmerk stets auf die Differenz, die gegenseitigen Verflechtungen und ihre
Veränderungen.“
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird auf den hier vorgestellten Begriff des
relationalen Raums rekurriert. Es wird an dieser Stelle angenommen, dass sich
die (An)Ordnung digitalisierter Prozesse und Techniken im urbanen Bereich
im Spannungsfeld zwischen konstituierten Räumen und der Möglichkeit zur
Schaffung bzw. Veränderung räumlicher Arrangements bewegt und zum Teil
eng miteinander verflochten ist. So soll diese Arbeit die folgenden, leitenden
Thesen nachprüfen, inwieweit die Digitalisierung in urbanen Räumen sowohl
das Private als auch das Öffentliche gefährdet, diese aber im Gegenzug
kompensatorisch einen von den Akteuren konstituierten (Handlungs-)Raum,
eine „digitale Agora“, ermöglicht.
4
Ein etwas anderer, konstruktivistischer Ansatz ist die Raumdualität Manuel Castellsʼ der
„spaces of flows, spaces of places“, welcher an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden kann.
Dieser Ansatz scheint in der angelsächsischen Soziologie eine stärkere Rolle zu spielen,
obwohl dieser als nicht mehr haltbar erachtet wird (vgl. Burrows/Beer 2013, S. 61). Der
Schwerpunkt sollte hier in diesem begrenzten Rahmen auf die deutschsprachige Diskussion
gesetzt werden. Für weitergehende Vertiefung s. Castells (2004) und Castells (1989).
5
Um eine Äußerung von Bruno Latour zu obigem Zwecke zu paraphrasieren: Räume sind
stabilisierte Gesellschaft.
6
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
3.
Der durch die Digitalisierung gefährdete urbane Raum
In der Diskussion um die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien tauchen immer wieder dystopische wie utopische Bilder und
Hoffnungen auf, was den Einfluss dieser Techniken auf die Alltagspraxis
angeht. So konstatieren Hartmut Häußermann und Walter Siebel bereits 1987,
dass die Digitalisierung den urbanen Raum noch mehr privatisiere und
Exklusionen und Isolationen schaffe (vgl. Häußermann/Siebel 1987, S. 216).
Andererseits wird den neuen, netzfähigen Technologien durchaus auch
positives Entwicklungspotential für urbane Räume zugesprochen, welches
einen erweiterten Handlungs- und Erfahrungsraum ermöglichen würde (vgl.
Schroer 2006, S. 212).
In diesem Kapitel soll im Rahmen der ersten Teilthese die Verflechtung
zwischen Digitalisierung und urbanen Raum dargestellt werden, welche diesen
tendenziell gefährdet und seiner Eigenschaften entmächtigt.
3.1 Begriffliche Klärungen und Eingrenzungen
In Anlehnung an Hans-Paul Bahrdt bewegt sich nach Siebel (vgl. 2003, S. 14)
die Lebensweise, die den urbanen Raum entscheidend mitkonstituiere,
innerhalb der Polarität zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Allerdings kann
man laut Löw et al. (2008, S. 19) diese Polarität nicht als dichotomisches
„Entweder-Oder“ verstehen: „Öffentlichkeit und Privatheit sind – anders als
z.B. in der antiken Polis – kein durchgreifendes Organisationsprinzip“. Und
auch Bahrdt (1998, S. 36f.) konstatiert auf die Frage,
„wo die Grenze zwischen privater und öffentlicher Sphäre
divergierende Interessen bestehen. Hieraus entstehen nicht
sondern auch ideologische Verunklärungen und, im Hinblick
Struktur des städtischen Raums, objektiv >>unklare<< und
Zonen.“
zu liegen hat,
nur Konflikte,
auf die soziale
problematische
Siebel schlägt demnach fünf untereinander oszillierenden Dimensionen vor, in
denen man analytisch diese Polarität einordnen könne (vgl. Siebel 2003, S.
14): Eine soziale, funktionale, juristische, materiell/symbolische und normative
Dimension. Diese Dimensionen sind mit der Definition von Öffentlichkeit
kompatibel, nach der „ein Deutungsmuster verstanden [wird; d. Verf.], dass auf
Räume bezogen wird, die interaktiv und kommunikativ profiliert sind eine
soziale
Durch-mischung
fördern
und
Prozesse
der
Meinungsbildung
vorantreiben“ (Löw et al. 2008, S. 22). Anhand dieser Dimensionen soll es
7
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
möglich
sein,
die
verschiedenen
Räumen
und
sozialen
Strukturen
nachzuzeichnen, die wegen einer Verschränkung von Sphären und des
Kontinuums Öffentlichkeit-Privatheit nicht nach reinen Polaritäten sezierbar
sind. Anhand dieser konzeptionellen Verständnisse kann klar werden, dass es
sowohl die Öffentlichkeit als auch die Privatheit nicht geben kann. Folgerichtig
spricht Ernst Hubeli (2003 S. 49f.) von einem „Universum
von
Teilöffentlichkeiten“ 6.
Wie kann nun unter diesen Prämissen ein gefährdeter und „verfallender“
öffentlicher Raum eingeordnet werden?
3.2
Sennett meets Bytes – Der Verfall zweier moderner Hoffnungen
In seinem Werk „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens“ zeigt Richard
Sennett (1983) in einer erzählerischen Darlegung7, wie die urbanen, städtischen
Räume im Zuge einer individuellen Einkehr nach Innen – „Der Narzißmus ist
die protestantische Ethik von heute“ (a.a.O., S. 373) – zunehmend ihre
definitorische Rolle durch den Öffentlichkeitscharakter verlieren:
„Ich kehre hier gewissermaßen die Argumentation von David Riesmans Buch
Die einsame Masse um. Riesman stellte der >>innen-geleiteten<< Gesellschaft,
in der die Menschen handeln und Verpflichtungen eingehen, indem sie auf innere
Strebungen und auf Gefühlsregungen eingehen, eine >>außen-geleitete<<
Gesellschaft gegenüber, in der diese Regungen und Verpflichtungen davon
abhängen, wie die Menschen die Einsichten der anderen einschätzen. […] Diese
Reihenfolge müßte meiner These zufolge umgekehrt werden. Die westlichen
Gesellschaften befinden sich auf dem Weg von in gewissem Sinne außengeleiteten zu innen-geleiteten Verhältnissen […].“ (a.a.O., S. 17)
Diskurse und Darstellungen in der Öffentlichkeit werden nach
Sennett
zunehmend intimisiert und personalisiert. Dies führe dazu, dass dadurch ein
öffentlicher Ausdruck zunehmend in Richtung der Privatheit verlagert wird
und das urbane Gleichgewicht zwischen öffentlichen und privaten Räumen
gestört wird (vgl. Schroer 2005, S. 252). Die verführende „Tyrannei der
Intimität“ (Sennett 1983, S. 379) engt zunehmend die zwischenmenschlichen
Beziehungen auf eine Perspektive und läuft auf die „Lokalisierung der
menschlichen Erfahrung, ihre Beschränkung auf die nächste Umgebung hinaus
[…]“ (a.a.O, S. 380). Doch begünstigt diese Entwicklung die Bildung
homogener Gemeinschaften, die dem Credo einer urbanen, öffentlichen Sphäre
6
Eine weitergehende Diskussion um den öffentlichen Raum kann an dieser Stelle aus Platzund Konzeptionsgründen nicht weitergeführt werden. Es sei aber an Jürgen Habermasʼ (2013)
Werk über die bürgerliche Öffentlichkeit verwiesen, sowie die Rezeption und Diskussion
seiner Ausführungen bei Lutz Wingert und Klaus Günther (2001).
7
So das Urteil von Schroer (2005, S. 263): „Richard Sennett ist ein Erzähler“.
8
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
diametral entgegengesetzt sind und als Pol zu dieser fungieren könnten? Zwar
entstünden als Pol tatsächlich Interesse geleitete Gemeinschaften, doch die
Zentrierung persönlicher Inhalte im Austausch zerstöre zunehmend die
Privatheit selbst (vgl. a.a.O., S. 19). Der öffentliche Raum, der zusätzlich durch
den konsumorientierten-funktionellen Zwang der Durchquerung anstatt des
sozialen Verweilens zugesetzt wird, stirbt ab – übrig bleibt lediglich ein
Korpus Gemeinschaft bezogener Beziehungen, die ebenfalls die Privatheit
nicht garantieren können. Zuletzt verlieren die Menschen, durch die
Überwindung
des
öffentlichen
und
privaten
Pols
die
politische
Gestaltungsfähigkeit – in einer Welt zunehmender Vernetzung:
„Wir wissen, daß Macht und Herrschaft mit nationalen und internationalen
Interessen, mit ethnischen und Klassen-Gegensätzen, mit Konflikten zwischen
Regionen und Religionen zu tun haben. Aber wir handeln nicht nach diesem
Wissen.“ (Sennett 1983, S. 381)
Somit verfallen nach Sennett die zwei großen Hoffnungen urbaner
Entwicklung: Der Pol Öffentlichkeit-Privatsphäre und die emanzipative Kraft
der städtischen Moderne.
3.2.1
Urbane Räume zwischen Smart City und Überwachung
„In der Morgenstadt werden Personen zu Sensoren, weil sie durch ihr Handy
jederzeit lokalisierbar sind. […] Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, die heute
noch kaum vorstellbar sind. Man kann die Informationen dazu nutzen, an jeder
Ecke auf digitalen Werbeflächen die passenden Angebote einzuspielen, aber auch
für die Planung der Infrastruktur oder für Aufgaben wie den
Katastrophenschutz.“ (Bullinger/Röthlein 2012, S. 229)
Die Informations- und Kommunikationstechnologien (kurz: IKT) werden in
einer fiktiven „Morgenstadt“ eine „überragende Rolle“ spielen, so Hans-Jörg
Bullinger und Brigitte Röthlein (ebd.) in einer populär-wissenschaftlichen
Zusammenfassung eines Forschungsprojekts der Fraunhofer-Gesellschaft zur
Zukunft der Stadt. Was steht nach den oben angedeuteten technologischen
Möglichkeiten soziologisch auf dem Spiel? Nach Nigel Thrift und Shaun
French (2002, S. 309) nichts Geringeres als „a new form of automated
spatiality“,
in
welchem
informatische
Algorithmen
zunehmend
handlungswirksam werden. Die IKT entwickelt sich nach Roger Burrows und
David Beer vom „augmented space“ über den „enacted space“ schließlich zum
„transducted space“. Während erstes geprägt sei durch sichtbare elektronische
Objekte und in dem sich physische mit virtuellen Objekte überlappten,
verschmelzen im letzteren zunehmend die Grenzen menschlicher und
technischer Wirksamkeit (vgl. Burrows/Beer 2013, S. 72ff.). Und weiter:
9
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
„The result of this […] is the radical transformation of urban spaces as the
mobility and connectivity of technologies pose unprecedented challenges and
opportunities to humans moving within an intelligent and context-aware
environment.“ (a.a.O., S. 74)
Ausschlaggebende technische Entwicklungen, die diesen membranen Raum
mitkonstituieren können, werden zunehmend unsichtbar bzw. miniaturisiert:
Sensoren, RFID8, WLAN-Netztechnologien. Träger dieser Techniken sind
nicht nur „urbane Empfänger“, sondern insbesondere die BenutzerInnen der
modernen technischen Artefakte wie ein Smartphone. Folgerichtig sprechen
Mike Crang und Stephen Graham (2007) aufgrund dieser ubiquitären, sich
zunehmend selbststeuernden und das menschliche Verhalten aufzeichnenden
Technik auch von „Sentient Cities“, fühlende Städte9.
Unter dem Konzept der „Smart City“ versteht man die Bündelung und
Errichtung „allgegenwärtiger, unsichtbarer Computernetze, die Funktionen der
Stadt steuern sollen“ (Hatzelhoffer 2011, S. 52). Allerdings unterscheiden sich
nach Neirotti et al. (2014) in einer aktuellen Studie die urbanen
Konzeptionierungen und Herangehensweisen zum Teil erheblich. Deshalb
kann
man
als
gemeinsamen,
definitorischen
Nenner
Smart
Cities
charakterisieren über
„a pervasive use of Information and Communication Technologies (ICT), which,
in various urban domains, help cities make better use of their resources.
However, ICT-based solutions can be considered as just one of the various input
resources […] that have the aim of improving the economic, social and
environmental sustainability of a city.” (Neirotti et al. 2014, S. 25)
Die italienische
Forschergruppe
zeigt
nach
der Analyse weltweiter
Millionenstädte allerdings auf, dass die Installierung von IKT vor allem die
„harten Faktoren“ des urbanen Lebens betreffen. So konzentrierten sich
PlanerInnen vornehmlich auf die Nachhaltigkeit des Transport- und
Logistikwesens, der Energieverteilung und Müllentsorgung (vgl. a.a.O., S. 26).
8
Radio Frequency Identification, hierbei handelt es sich um mittlerweile „beschreibbare“
Funkchips, die von Sensoren erkannt werden können. Eine alltägliche Nutzung findet sich z.B.
in Bibliotheken, wo Leihmaterial damit gekennzeichnet wird, die Leihe per Automaten
möglich macht und ein Diebstahlversuch die Alarmanlage beim Verlassen der Bibliothek
ertönen lässt.
9
Ein ähnlicher Begriff ist die Ambient Intelligence. Darunter versteht man die unmittelbaren
menschlichen Umwelten, die sich aufgrund einer technischen Vernetzung auf den eintretenden
Menschen einstellen können, solang dieser über einen kompatiblen Datensender verfügt
(Handy oder RFID z.B.). Ein alltägliches, wenn auch noch nicht so ausgereiftes Beispiel ist die
Funktion des SmartHome, welche die meisten Router wie die Fritz!Box im Haushalt
unterstützen. Hierüber kann man neben PCs oder Handys netzfähige Heizungen, Lampen oder
Fernseher bündeln und zum Beispiel von außen über das Netzwerk remote-steuern oder
aufeinander abstimmen.
10
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Vor allem südostasiatische Großstädte weisen nach ihnen einen sehr hohen
Grad an ubiquitärer Netztechnik auf, der vor allem in den Bereichen Transport,
Gebäude
und
Energie
Spitzenwerte
erreicht.
Demgegenüber
sind
Entwicklungen in der politischen und sozialen Innovation dort am wenigsten
ausgeprägt. Das Forcieren von technologischen Smart City-Konzepten10 bei
gleichzeitiger Schwächung der Partizipationsmöglichkeiten sieht
Lena
Hatzelhoffer (2011, S. 55) vor allem im südostasiatischen Verständnis des
Poles Öffentlichkeit-Privatheit verankert:
„Vor dem Hintergrund der in Deutschland geführten Debatte um Sicherheit und
Überwachung in öffentlichen Räumen ist die Umsetzung einer Vision, wie New
Songdo sie repräsentiert, bisher unvorstellbar. […] Das Individuelle wird in
Korea nicht über das kollektive Interesse und Wohl gestellt – das Opponieren
gegen Entwicklungsmaßnahmen wie im Bereich der IKT, die dem Staat und dem
öffentlichen Interesse dienen, ist in der koreanischen Gesellschaft nicht stark
verankert. In der Öffentlichkeit koreanischer Städte wird wenig Privatheit
erwartet.“
Neirotti et al. (2014, S. 34) resümieren generell: „Rather than reaching a good
level of democracy and quality of life, these cities could turn into panoptical
environments in which the citizens are persistently observed and scrutinized”.
Das Konzept der digitalisierten, intelligenten Stadt zeigt also auf, dass das
Organisationsprinzip entlang funktionalistischer11 Vorgaben Öffentlichkeit
nicht stärken muss, sogar vielleicht ein partizipatives und diskursives
Miteinander gar nicht vorsieht und zu Lasten der sozialen Sphäre der Privatheit
und der politischen Dimension der Öffentlichkeit geht12.
3.2.2
Big Data – Landnahme der Überwachung
In einer aktuellen Analyse in den „Blättern“ zeichnet der Politologe Elmar
Altvater
(2014,
S.
83)
ein
äußerst
dystopisches
Zukunftsbild
der
Informationsgesellschaft: „Mit den Informationstechniken eines neuen
Erdzeitalters nehmen die Geheimdienste Zugriff auf digitalisiertes Wissen, mit
10
Als ein „Paradebeispiel“ kann Songdo in Südkorea gelten, eine neuentstandene Stadt nach
Smart City-Konzepten: www.songdo.com. Überblicksartig und mit interessanten Bildern
wartet die Zeitschrift Bauwelt, Bd. 24, Jahr 2011, mit einem Schwerpunkt „Virtuelle Städte“
auf, in dem die vielfältigen Möglichkeiten der urbanen Digitalisierung dargestellt werden.
11
An dieser Stelle sei an die Siebelʼschen Dimensionen im Kapitel 3.1 erinnert.
12
Auch Michael Jaeckel und Karsten Bronnert (2013; hier v.a. Kap. 5.6) mahnen aus
ökonomischer Sicht die Partitzipation der BürgerInnen an, um die Akzeptanz von urbanen
IKTs zu stärken. Insgesamt legen die Autoren mit ihrem Band ein äußerst
wirtschaftsorientiertes Smart City-Konzept vor, welches Überwachungs- und Gefährdungsmöglichkeiten bzw. deren Vorbeugung kaum thematisiert. Kritisch ist hierbei vor allem ihr
eHealth-Konzept zu sehen. In der Vernetzung gesundheitsorientierter Dienste mit dem
sensorisch festgestellten Verhalten und den Körpersignalen der vernetzten UserInnen werden
letztendlich die Datenhoheit und die gesundheitlich gültigen Standards verschleiert (s. hierzu
Kivits 2013)
11
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
dem sie die Geschicke der Menschheit kontrollieren können“. Was Altvater
umtreibt, ist der Umstand, dass beim Benutzen netzfähiger Gerätschaften die
gesendeten Daten nicht nur gespeichert, sondern durch zum Teil relativ
einfache Algorithmen wieder zusammengesetzt werden können:
„Bei Big Data handelt es sich […] um eine Sammelbezeichnung für
umfangreiche Datenbestände, die zumeist im Rahmen einer Zweitverwertung
zusammengeführt, verfügbar gemacht und ausgewertet werden.“ (Weichert 2013,
S. 133)
Im
Rahmen
dieser
Zweitverwertung
bzw.
Metadatenanalyse
können
Verhaltensweisen und Identitäten rekonstruiert oder sogar vorhergesagt
werden. So konnten Kosinski et al. (2013) in einer Studie durch die
Rückführbarkeit der gegebenen „Likes“ bei Facebook z.B. auf das politische
Wahlverhalten oder der ethnischen Zugehörigkeit der Likes-GeberInnen
nachweisen. Gerade die Entwicklung in Richtung eines „transducted space“
mit den vielfältigen technischen Möglichkeiten potenziert sogar die Fähigkeit
zu einer prädiktiven Wahrscheinlichkeitsaussage13. Im Rahmen einer
Überblicksstudie stellen Crang und Graham (2007) das US-Forschungsprojekt
„New Manhattan Project“ zur Zusammenführung von städtischen Überwachungsdaten auch aus Sensoren und Empfängern im Rahmen von Smart
City- und Ambient Intelligence-Projekten vor. Das Projekt, welches am
militärischen Atomwaffenprojekt während des Zweiten Weltkrieges angelehnt
ist – und sicherlich nicht zufällig den Namen eines der bekanntesten urbanen
Räumen der Welt im Titel trägt –, benennt folgendes Ziel als prioritär für das
laufende Jahrhundert: „The technological unveiling of cities and urban life“
(Crang/Graham 2007, S. 800). Das Projekt, welches dann zuerst in besetzten
irakischen Städten mit dem Titel “Combat Zones that See” versucht wurde,
„saw possibilities to exploit ubiquitous computing technologies in developing a
massive, integrated system of surveillance, spanning the world, and tailored
specifically to penetrating the increasing complexity or urban life“ (ebd.; s.
hierzu ebenfalls Glaser 2013).
In diesen Ausführungen zeigt sich nicht nur die Herausforderung, die die
Digitalisierung dem Kontinuum Öffentlichkeit-Privatheit stellt, sondern auch
wie verschiedene räumliche (An)Ordnungen aufeinander einwirken und
13
Im Rahmen von Big Data und der Metadatenanalyse werden zunehmend klassische
Instrumente der Wissenschaftsforschung in Frage gestellt (s. Anderson 2013). So bekommt die
Errechnung von Wahrscheinlichkeiten und Korrelationen verstärkt beweisenden und
wissensproduzierenden Charakter.
12
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
sowohl einen kontrollierten öffentlichen als auch einen ausgespähten privaten
Raum ermöglichen:
„Die Bürger werden zunehmend – gewollt oder ungewollt – zu eigenen
Kontrollakteuren im Prozess der sozialen Kontrolle, indem sie selbst zu
Produzenten und Distributoren von Überwachungsbildern werden. Neu daran ist
nicht der Umstand selbst, sondern seine Dynamisierung. Diese Dynamisierung
ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen Bürgern und Medien, den neuen
Distributionsmöglichkeiten und einer sich im öffentlichen Diskurs auftretenden
Verdichtung hin zur Duldung und Akzeptanz von vielfältiger Kontrolle im
Alltag.“ (Bidlo 2011, S. 45)
4.
Emanzipation durch Raum und Netz
Der Gründungsmythos der Stadt beinhalte das Topos der Emanzipation, mit
der Moderne verbinde sich durch urbanes Leben zusätzlich die Hoffnung auf
ein eigenständiges und selbstbestimmtes Subjekt, so Siebel (vgl. 2003, S. 15).
Nun wird durch die technologische Entwicklung der letzten Jahrzehnte
zusätzlich sowohl der Öffentliche als auch der private Raum zunehmend
erodiert, wie in den obigen Kapiteln dargestellt. Ist die digitale Entwicklung
tatsächlich nur auf die kulturpessimistischen Sennetʼschen Annahmen (s. oben)
reduzierbar? Kann die Digitalisierung nicht dennoch Möglichkeiten eröffnen,
die vielleicht erst in einem soziologischen Perspektivenwechsel erfassbar sind?
4.1
Die Wiedergewinnung des öffentlich-urbanen Raums
Sennett (1983, S. 319) urteilt über die Medien apodiktisch: „Die elektronische
Kommunikation ist einer der Faktoren, die das öffentliche Leben zum Erliegen
gebracht hat“. Selbst wenn man diese Einschätzung, die sich auf das Radio und
das Fernsehen bezieht, stehen ließe: Die Kommunikationsmedien haben sich
seitdem verändert. Die „Einwegkommunikation“ (Hubeli 2003, S. 48) ist
mittlerweile wesentlich interaktiver und durch PCs und mobilen Artefakten
ubiquitär geworden. Räume werden nicht nur monodirektional durch das
passive Konsumieren von Medien beeinflusst, sondern die Interaktion und
Vernetzung eröffnen neue Räume der (An)Ordnung, die sich sowohl auf die
Menschen selbst auswirken als auch von diesen verändert werden können:
„Der Cyberspace [i.S. des digitalen Raums; d. Verf.] offeriert keine völlig neue
Realität, in der die Gesetze der ‚realen‘ Welt ihre Gültigkeit verlieren, er ist aber
auch kein bloßes Abbild der realen Welt. Zwar gibt es in unserer gewohnten
Umwelt wohl kaum mehr etwas, wozu sich nicht im Datennetz ein virtuelles
Pendant finden lassen würde. Insofern haben wir es mit einer Zunahme der
Doppelexistenzen und dem Aufbau einer Parallelwelt zu tun, in auch die
13
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
topographischen Vorstellungen politischer Öffentlichkeiten, wie etwa die Agora
und das Forum, eine Renaissance erleben.“ (Schroer 2006, S. 212)
Durch die Entstehung dieser Doppelexistenzen sei die Etablierung neuer
Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Handlungsräume möglich (vgl. ebd.).
Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der Analyse von Ernst Hubeli wider.
Er teilt zwar die Beobachtung von Sennett – und Habermas –, dass die Pole
Öffentlichkeit und Privatheit in ihrer Dichotomie nicht mehr aufrechterhalten
werden können. Doch gerade die Versteifung auf diese nicht konzilierbare
Paarbildung verschließe die Beobachtung neuer Raumkonstitutionen, die nicht
mit einem Verfall eines Öffentlichkeitsprinzips „als Kollektivsingular für eine
soziale Allgemeinheit ihr Transparenz und politische Diskussion einforderndes
Publizitätsprinzip gegenüber staatlichen und anderen Herrschaftsbereichen“
(Hubeli 2003, S. 49) gleichzusetzen sei. Aus dem Wandel der genannten Pole
entsteht ein „Universum von Teilöffentlichkeiten“, das „transitorisch, reflexiv
und vielgestaltig“ (a.a.O., S. 49f.) ist. Gerade aber weil diese Teiluniversen –
besser: Räume – von einem bisherigen bürgerlich gedachten, heterogenen
Öffentlichkeitsdiskurs nicht mehr zusammengehalten werden können, scheint,
„dass sich vermehrt Öffentlichkeiten bilden, die anstelle pädagogischer
Kommunikationsmuster partizipatorische Deutungsspielräume öffnen“ (a.a.O.,
S. 50). Der Zusammenbruch des homogenen Pols der Öffentlichkeit muss als
dessen Erneuerung gesehen werden14.
4.2
Urbane Räume – „Disorder“
Richard Sennett formuliert bereits in seiner Frühschrift „The Uses of Disorder“
eine dezidierte Kritik an einer homogenen, konfliktfreien Stadtgemeinschaft.
Aus einem sozialisationstheoretischen Ansatz mit psychoanalytischem Einfluss
entspinnt er die Auseinandersetzung mit einer „gereinigten“ Stadt, in der
Heranwachsende mit zunehmendem Wohlstand und Rückzug in die Intimität
der familiären Gemeinschaft ihre Freiheit verspielen. Stadtplaner übernehmen
die Gestaltung urbaner Räume nach homogenen, harmonischen Vorgaben und
Ziele, die eine Vermischung der verschiedenen Gemeinschaften immer
schwieriger mache und Gewaltstrukturen erzeuge:
„The essence of the purification mechanism is a fear of losing control. Real
disorder is a problem, planners think […]. They are dreaming of a beautiful city
14
Konzepte spiegeln sich nicht selten linguistisch wider: In der Abfassung dieser Arbeit wurde
das Wort „Öffentlichkeiten“ vom Schreibprogramm als fehlerhaftes Wort rot gekennzeichnet.
Ein Blick in den Duden klärt auf: Das Wort kommt im Plural eigentlich gar nicht vor.
14
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
that exists somewhere other than in the present, a beautiful city where people fit
together in peace and harmony […].” (Sennett 1996, S. 98)
In einer solchen Stadt sei es nicht nur unmöglich Erfahrungen zu sammeln,
sondern jedes „Nicht-Funktionieren“ eines von den Stadtplanern geplanten
Elements führe zu einer verstärkten „Reparaturpolitik“ des geplanten
Vorhabens (vgl. a.a.O., S. 99f.). Interessant an den Ausführungen von Sennett,
die die Entwicklung der modernen Kommunikationstechnik nicht enthalten
konnten, ist die frappierende Formulierung konflikthafter15, ungleicher urbaner
Räume, in denen die verschiedenen „Communities“ – und hier kann man
durchaus ergänzen, ob Sennett diese nicht auch Öffentlichkeiten nennen würde
– um die Planung ihrer Räume ringen und partizipieren, ohne ein Amalgam zu
bilden: „Decentralization, as the idea is used here, would have the effect of
necessitating multiple social contacts for survival, without leading to
community cohesion“ (a.a.O., S. 153f.).
In diesem Sinne werden hier die sehr synthetisch wiedergegebenen
Ideen
Sennetts
als
kompatible
Vorläufer
eines
sich
verändernden
Öffentlichkeitsprinzips, wie oben dargestellt, gesehen. Gerade eine planerische
Überformung
urbaner
Räume,
sei
es
architektonischen
als
auch
überwachungstechnischen Ursprungs, in denen die BewohnerInnen keine
Einsicht haben bzw. haben können, widerspricht den Möglichkeitsräumen, die
Hubeli et al. (vgl. 2013, S. 11) für urbane Räume in Anspruch nehmen. Die
Digitalisierung kann diese Möglichkeitsräume der Aneignung durchaus
offerieren. Wenn daraus Konflikte entstehen, die Neues generieren, so wären
diese im Sennettʼschen Sinne.
4.3. Wireless Revolution? – Empirische Aspekte zur urbanen Emanzipation
Bislang wurden Möglichkeitsräume aus einer theoretischen Perspektive
diskutiert. Gibt es diese in einem digitalen Sinne wirklich? Wie kann die
Existenz eines digitalen Handlungsraums begriffen werden, vor allem nach den
Enthüllungen Edward Snowdens, die das Subjekt weit handlungsunfähiger
erscheinen lassen, als sich manche Apologeten des Cyberspace in den
Anfängen gedacht hatten? Bei genauerer Betrachtung sind, wie die folgenden
Ausführungen zeigen sollen, im Großen wie im Kleinen sehr wohl partizipative
Möglichkeitsräume fassbar, die an der Verschränkung „realer“ wie digitaler
15
Sennett bedient sich durchaus auch der Konfliktsoziologie Lewis Cosers, der Konflikte für
ein gesellschaftliches Miteinander als positiv einstuft.
15
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Räume erinnern und deren gegenseitige Durchdringung konstituieren. Hierbei
können die Pole Öffentlichkeit-Privatheit auf den Dimensionen des Sozialen
und Politischen neu angeeignet werden.
4.3.1
Der digitale Raum als Wiederentdeckung des verlorenen Platzes
Wenn man bedeutende Manifestationen einer Teilöffentlichkeit Revue
passieren lässt, dann hat diese nicht nur oft von der „Straße“ oder einem
„Platz“ ihren Ausgang genommen, sondern auch die Inhalte waren oft auf einer
symbolischen Ebene „raumgebunden“, auch wenn die Ursachen und die
Hintergründe letztendlich andere waren: die Massendemonstrationen gegen die
Stationierung von Pershings; die Besetzungen gegen die Errichtung einer
atomaren Wiederaufbereitungsanlage oder einer Atommülllagerung; die
verstörenden Bilder von Gewalt gegen den Bau eines Prestigebahnhofs
Demonstrierender; die millionenfache Erhebungswelle, ausgegangen von
schikanösen Polizeikontrollen Jugendlicher auf einem öffentlichen Platz; die
Proteste gegen die Schließung und Abtragung eines eigentlich übersichtlichen
Stadtparks; die Ausschreitungen auf einem Platz um die Entscheidung: Osten
oder Westen? Zunächst scheint die elektronische Vernetzung keine Bedeutung
zu spielen: Die „Anti-AKWlerInnen“ der 1980er Jahre haben den Raum
genauso beansprucht wie die Menschen auf dem Taksim-Platz 2013, denn:
„Occupied spaces have played a major role in the history of social change“
(Castells 2012, S. 10). Doch was die Erhebungen der sog. Arabellion, der
Indignados-Bewegung oder Stuttgart 21 gemeinsam haben, ist nicht nur die
mediatische Auflösung eines interaktiv gestalteten Sinnraums, der als ein
hybrider Raum zwischen den jeweiligen sozialen Netzwerken und dem
physisch besetzten Ort bezeichnet werden könne (vgl. a.a.O., S. 11)16. Der
zentrale Punkt nach Castells (ebd.) ist
„that this new public space, the networked space between the digital space and
the urban space, is a space of autonomous communication. The autonomy of
communication is the essence of social movements because it is what allows the
movement to be formed, and what enables the movement to relate to society at
large beyond control of the power holders over communication power.”
Auch wenn hier früher oder später die Frage nach der demokratischen
Legitimation einer Bewegung auftaucht, so wie sich diese in der italienischen
16
Und es sei hingewiesen, dass diese sowohl physisch als auch digital konstituierten
Handlungsräume, zum Teil tragischen (Syrien), greifbaren Ergebnissen mitbewirkt haben:
Diktatorenstürze, autonom-alternative kommunale Bewegungen in Spanien, Regierungswechsel im „Ländle“.
16
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Anti-Partei “Movimento 5 Stelle” stellt, die ebenfalls ihren Ausgang im
Internet hat, beharren ebenfalls Nezar AlSayyad und Muna Guvenc in einer
aktuellen Überblicksstudie über die unterschiedlichen Protestentstehungen des
„Arabischen Frühlings“ auf die Wechselwirkung zwischen den klassischen und
den interaktiven Medien und dem urbanen Raum:
“To understand these uprisings, it is necessary to analyze how insurgent networks
were formed both in social media and in cities and analyze the role played by
mainstream media coverage of the ensuing events. It is in these circuits that the
mutually constitutive relationship between these components can be discovered.”
(AlSayyad/Guvenc 2013, S. 11)
Dass die untersuchten Revolutionen nicht im Internet ausgefochten wurden,
sondern dort “nur” ihren Beginn hatten, schmälert weder den digitalen noch
den physischen Raum: „It is mainly in urban space that the uprisings of the
Arab world unfolded“ (a.a.O., S. 13).
Die Beobachtung der Wechselwirkung zwischen der politischen und
sozialen Konstitution eines digitalen und physischen Raum im Rahmen
kollektiver Handlungen wird auch von Elena Pavan in einer quantitaven
Netzwerkanalyse zu Protesten gegen Frauengewalt bestätigt. In dieser kommt
sie zum Schluss, dass die Vernetzung nicht nur einer breiten Organisation
kollektiver Handlung, sondern selbst als Raum des Austauschs und der
Konstruktion eines symbolischen Raums diene, der dann wiederum dazu
benutzt wird, die Aktionen in einem weiteren Kontext und mit weiteren
Akteuren abzustimmen (vgl. Pavan 2014, S. 23).
In diesen Ausführungen zeigt sich nicht nur, dass relationale
Raumanordnungen durch die Digitalisierung verstärkt provoziert werden. Die
Erosion
der
dichotomischen
Pole
Öffentlichkeit-Privatheit
in
einer
fragmentierten, „unordentlichen“ Vermengung von Teilöffentlichkeiten und
möglichen neuen Vergemeinschaftungsprozessen ist evident.
4.3.2
Mit der Vernetzung zur multiplen Raumgebundenheit
Die Diskussion um die digitale Vernetzung und dem Benutzen der
elektronischen Medien wird nicht selten mit Enträumlichung, Entbettung und
Vereinzelung des Subjekts konnotiert: Ein modernes „Online-Subjekt“, das
weder in der Öffentlichkeit agiert noch in privaten Beziehungen seinen Platz
findet. Doch die Ausführungen zum vorherigen Teilkapitel implizieren eine
andere Perspektive. Wenn Interaktionen und kollektives Handeln durch das
Web autonom konstituiert werden, so kann die subjektive Autonomie nur im
17
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Zusammenspiel mit Vergemeinschaftungsprozessen gedacht werden. So macht
Castells (2012, S. 230f.), hier in einem längeren Zitat, deutlich:
„Autonomy refers to the capacity of a social actor to become a subject defining
its action around projects constructed independently of the institutions of society,
according to the values and interests of the social actor. The transition from
individuation to autonomy is operated through networking, which allows
individual actors to build their network with likeminded people in their networks
of their choice. […] People build networks to be with others, and to be with
others they want to be with, on the basis of criteria that include those people who
they already know or those they would like to know.”
Solch ein Vergemeinschaftungsprozess ist nicht mit einer von Sennett
befürchteten Verinselung zu fassen, da diese Vernetzung durch ihre Offenheit
an den jeweiligen Enden zu höherer Kontingenz fähig ist als eine homogene
Gemeinschaft. Dass Castells Darlegungen die nicht sichtbaren Algorithmen
und Interessen hinter einer sozialen Plattform wie Facebook verklärt, liegt in
der oben geäußerten Apodiktik nahe. Und dennoch weist David Lyon, dass die
Analyse neuer Medien möglicherweise zu neuen soziologischen Konzepten
führen könnten (vgl. Lyon 2013, S. 100). Es mache keinen Sinn, Gemeinschaft
lediglich mit stabilen, langanhaltenden und vertrauensvollen Beziehungen
außerhalb hegemonialer Machträume zu beschreiben und diese auf die neuen
sozialen Medien anzuwenden.
Es gibt empirische Beobachtungen, die eine Gegennarrative zum
isolierten, räumlich entbetteten Webuser nahelegen. So zeigt Jeffrey Kidder
anhand einer ethnographischen Studie der Chicagoer Parkour-Szene17, wie sich
eine an sich relativ homogene Gemeinschaft in einem dialektischen Verhältnis
zum digitalen und – natürlich – zum physisch-urbanen Raum konstituiert und
für andere Szenen halböffentlich und somit ansprechbar wird:
„Thus, traceurs are not naively escaping into a virtual world disconnected from their
physical selves and their material environments. To the contrary, parkour represents a
visceral engagement with reality. Its joys and its pains are not simulations of action. […]
Thus, in certain ways, our virtual lives can actually enhance our engagement with the
real world. In particular, by studying traceurs we see how re-imaginings of the city can
arise out of and feedback into the virtual domain.” (Kidder 2012, S. 249)
Der digitale Wahrnehmungs- und Handlungsraum ist weder vom „realen“
urbanen Raum abgekoppelt noch produziert er notgedrungen „einsame
Seelen“. Die Überlappung relationaler Räume muss aber auch nicht zwanghaft
fragmentierte Räume generieren. In einer qualitativen Studie über mobile
17
Parkour ist eine Sportart, häufig mit akrobatischen Stilelementen versetzt, in der man (eckige
oder sperrige) Bauten oder Teile von Bauten wie Treppengehäuse oder Zaunanlagen „im
Fluss“, also im Rennen oder schnellen Gehen ohne zu bremsen und mit runden Bewegungen,
umgeht oder bestenfalls für den Schwung der Bewegungen nutzt.
18
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
Vernetzung kommt Mary Chayko zum Fazit, dass das Eintreten in und Pflegen
von digitalen Netzwerken, die weder ganz öffentlich noch ganz privat seien,
die Möglichkeit ließe, von einer neuen organischen Solidarität im
Durkheimʼschen Sinne zu sprechen:
„Portable communities may be perfectly placed to contribute to the form of
organic solidarity. As they are not the province of any one state or physical
region, they are situated to help highly differentiated, urbanized societies to
structurally cohere and their members to become more fully integrated into
them.“ (Chayko 2008, S. 158)
5.
Resümee
In dieser Arbeit wird das Spannungsfeld diskutiert, welches die digitale und
vernetzte Technologisierung in urbanen Räumen erzeugen kann. Ausgehend
von einem Verständnis des Raums als relational wurden die urbanen Räume
entlang der Begriffe Öffentlichkeit-Privatheit analysiert. Die forschungsleitenden Thesen, dass die Digitalisierung sowohl die öffentlichen als auch die
privaten Räume gefährden, sie aber gleichzeitig neue, partizipative und
emanzipative Aneignungen des urbanen Raums erschließen kann, können mit
der vorliegenden Analyse mit Einschränkungen bestätigt werden. Mit
Einschränkungen deshalb, weil die Ausführungen zeigen, dass man von einem
dichotomen Öffentlichkeit-Privatheitsverständnis nicht ohne weiteres ausgehen
kann. Gerade das Auftauchen neuer Technologien, die sowohl die Interaktion
zwischen den Subjekten, aber zunehmend durch eine technikinduzierte
Autonomisierung ermöglichen, drängen zu veränderten bzw. veränderbaren
Begrifflichkeiten und Analysekonzepten. Hierbei könnte ein oszillierendes
Begriffsmodell zu Öffentlichkeit und Privatheit, wie von Walter Siebel
vorgeschlagen, die Erkenntnisgewinnung beeinflussen. Klassische Konzepte
wie das Sennettʼsche verlieren sonst möglicherweise an Erkenntniswert, wenn
diese nicht an die entwickelte Diskussion angepasst werden – dies zeigt sich
umso dringlicher, wenn in dieser Arbeit dargestellt wird, dass Annahmen wie
von Sennett formuliert durchaus forschungsleitend und aktuell sein können.
Möglicherweise muss aber die soziologische Wissenschaft, wenn man die
Diskussion um die Stadtsoziologie betrachtet, eher mit gleichberechtigten
Paradigmen arbeiten als ein Paradigmenwechsel zu forcieren, wie immer
wieder von Markus Schroer nicht nur als Schlichtungsversuch eingebracht.
19
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
In diesem Sinne kann die Diskussion um die Digitalisierung urbaner
Räume ohne weiteres mit klassischen Konzepten wie die der sozialen
Ungleichheit kombiniert werden. Solche Ansätze wurden und konnten hier
nicht mit diskutiert werden, auch wenn Beobachtungen nicht unwichtig sind,
dass eine hohe Internetnutzung mit sozio-ökonomisch integrierten Räumen
korreliert (Ellison/Burrows 2007). Auch die Frage nach den OnlineCommunities scheint nicht ganz geklärt zu sein, auch wenn die Literatur zu
diesem Sujet unübersichtlich ist. Als Ersatz zu herkömmlichen Diskursen über
Gemeinschaftsprozesse könnte hier ein Maffesoliʼscher Ansatz des Tribalismus
von Erkenntnis sein. Nach Literatursichtung sind auch keine Ansätze der
Critical Urban Studies, wie sie von Peter Marcuse vertreten werden, zum
Thema aufgefallen. Ganz bestimmt könnten aber praxeologische Konzepte wie
die Akteur-Netzwerk-Theorie interessant sein, da diese gerade die Nivellierung
von Handlungsebenen zwischen Technik und Subjekt thematisieren, und die
Materialität der zunehmend sich autonom regulierenden Digitaltechnik stärker
in das Blickfeld rücken könnten.
Der Ausgangspunkt dieser quantitativ zu begrenzenden Hausarbeit war
jedoch die Thematisierung der möglichen Auswirkung der digitalen Technik
auf letztendlich unseren Lebensraum, der zunehmend urbanisiert wird. Dass es
im Rahmen einer zunehmenden Fragmentierung „der“ Öffentlichkeit und einer
stärkeren Membranisierung des Pols Öffentlichkeit-Privatheit in diesem
Spannungsfeld sowohl Räume der dystopischen Beobachtung und funktionalen
Vermarktung als auch Räume eines autonomen oder zumindest einer
teilnehmenden Raumkonstitution gibt, das wollte diese Arbeit aufzeigen.
Wohin „das Pendel“ ausschlägt – oder: ausgeschlagen wird – liegt
wahrscheinlich außerhalb einer soziologischen Einflussmöglichkeit. Die
Soziologie könnte aber möglicherweise aufzeigen, dass es gar kein Pendel gibt
– das eine wäre dann ohne das andere gar nicht denkbar.
20
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
6.
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26
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
7.
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit mit dem Thema
Urbane Räume im Spannungsfeld der digitalen Entwicklung
ohne fremde Hilfe erstellt habe. Alle verwendeten Quellen wurden angegeben.
Ich versichere, dass ich bisher keine Haus- oder Prüfungsarbeit mit gleichem
oder ähnlichem Thema an der FernUniversität oder einer anderen Hochschule
eingereicht habe.
____________________
_________________________
Datum
Unterschrift
27