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Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen

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Schneider 4.1 Kommunikative Tätigkeiten von Lehrkräften an Schulen Herr K. ist Klassenlehrer in einer fünften Klasse. Seine Klasse lässt er während der Unterrichtsstunde gern zeitweilig in Kleingruppen arbeiten. Das ermöglicht ihm, einzelne Schüler individuell zu unterstützen, wenn sie bei einer Aufgabenstellung Hilfe benötigen. Leon tut sich noch schwer mit dem großen Einmaleins, das die meisten seiner Klassenkameraden schon recht problemlos beherrschen. Während die anderen jeweils zu viert kleine Knobelaufgaben lösen, versucht Herr K. im Gespräch mit Leon herauszufinden, was genau Leon Schwierigkeiten bereitet. Er bittet ihn zunächst zu beschreiben, wie er an das Lernen bisher herangegangen ist und an welchen Stellen es besonders schwierig ist. Er hört aufmerksam zu und stellt gezielte Nachfragen, wenn er etwas noch genauer wissen will. Manchmal fasst er das Gesagte zusammen, um sich zu versichern, dass er Leon richtig verstanden hat. Gemeinsam überlegen sie schließlich, was Leon helfen könnte, seine Schwierigkeiten mit dem großen Einmaleins zu bewältigen. Herr K. gibt Leon einige Tipps, wie er sich das Lernen erleichtern könnte und erarbeitet einen kleinen Lernplan mit ihm, den sie nach einer Woche überprüfen wollen. Am Ende der Mathe-Stunde eilt Herr K. ins Elternsprechzimmer, wo die Mutter von Katharina schon auf ihn wartet. Er hatte die Eltern um ein Gespräch gebeten, weil Katharinas Leistungen im letzten Vierteljahr kontinuierlich schlechter geworden sind und sie einen niedergeschlagenen und zurückgezogenen Eindruck auf ihn macht. Nachdem er den Grund für das Treffen benannt hat, berichtet die Mutter, dass sich Katharina in der Klasse nicht wohlfühle und von zwei Mitschülerinnen gemobbt werde. Es sei morgens ein Kampf, sie überhaupt in die Schule zu bewegen; die Situation sei für die ganze Familie sehr belastend. Herr K. ist überrascht, er hat von einem Konflikt zwischen den Mädchen noch nichts mitbekommen. Gemeinsam überlegen sie, wie mit der Situation umzugehen ist. Die Mutter wünscht sich Beratung, wie sie und ihr Mann Katharina stärken können und fordert gleichzeitig 741 I kkn I krtzsch & Frank M. Schneider von Herrn K., das Thema in der Klasse anzusprechen. Herr K. empfiehlt, einen Termin mit dem Beratungslehrer der Schule, Herrn B., zu vereinbaren. Er wisse, dass Herr B. sich zum Umgang mit Mobbing fortgebildet habe. Das Gespräch endet mit der Vereinbarung, sich nach zwei Wochen telefonisch über den aktuellen Stand der Dinge und das weitere Vorgehen abzustimmen. Am Nachmittag treffen die Lehrkräfte der Klasse von Herrn K. in der Klassenkonferenz zusammen. Diskutiert wird unter anderem über Nils, der massive Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hat und zunehmend unter seinen schlechten Diktatnoten leidet. Gemeinsam mit der Deutschlehrerin plädiert Herr K. aus pädagogischen Gründen für eine zurückhaltende Gewichtung der Diktatnoten, um Nils nicht zu entmutigen. Er beschreibt Nils als im Mathe-Unterricht interessierten und leistungsstarken Schüler und widerspricht einem Kollegen, der bei Nils eine allgemeine kognitive Überforderung vermutet. Als die Diskussion keine neuen Informationen mehr erbringt, schlägt Herr K. vor, abzustimmen. Die Klassenkonferenz beschließt einstimmig, Herrn K.s Vorschlag zu folgen. Im Anschluss erkundigt sich Herr K. bei der Deurschlehrerin, welche Fördermaßnahmen sie für sinnvoll hält, um Nils' Rechtschreibproblem in den Griff zu bekommen. Er dankt ihr, dass sie sich für Nils stark gemacht hat. Auf dem Weg zum Lehrerzimmer spricht ihn der Schulleiter an und bittet um ein kurzes Gespräch. Eltern einer Schülerin haben sich bei ihm über die Notengebung von Herrn K. beschwert und er braucht nun eine Stellungnahme. Herr K. merkt, wie Wut auf die Eltern in ihm aufsteigt, die nicht zuerst das Gespräch mit ihm gesucht haben und ihn in diese unangenehme Situation bringen, sich vor seinem Vorgesetzten rechtfertigen zu müssen. Er atmet mehrmals tief durch, bevor er antwortet und sagt sich, dass die Eltern sehr in Sorge um die schulische Zukunft ihrer Tochter sind; er kennt sie als engagierte und bemühte Eltern. Dieser Perspektivwechsel hilft ihm; seine Wut verraucht. Er bittet seinen Schulleiter um genauere Informationen und beschreibt danach die Situation der Schülerin aus seiner Sicht. Gleichzeitig äußert er Verständnis für die Sorge der Eltern, aber auch den Wunsch, von den Eltern bei Unklarheiten direkt angesprochen zu werden. Sie vereinbaren, ein gemeinsames Gespräch mit den Eltern zu führen, um die Vorwürfe auszuräumen und mögliche Hilfe für die Tochter zu besprechen. Der Ausschnitt aus Herrn K.s Arbeitsalltag macht deutlich, dass Lehrkräfte in einer Vielzahl von kommunikativen Situationen agieren, was jede Menge Flexibilität und rasche Anpassung von ihnen fordert. In einer Befragung von Schaarschmidt, Sieland, Fischer, Rahm und Tarnowski (2007) gaben 4181 nordrhein-westfalische Lehrkräfte Auskunft darüber, wie viele Wochenstunden sie auf welche schulischen Tätigkeiten verwenden. Von den 15 schulischen Tätigkeiten, die Schaarschmidt und Kollegen zur Einschätzung vorgaben, sind neun ohne kommunikative Interaktionen nicht vorstellbar (u. a. Schülergespräche, Elterngespräche, Lehrer- und Fachkonferenzen) . Neben dem Unterrichten, das erwartungsgemäß den größten Teil des Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen Zeitkuchens einnimmt, schlagen dabei Gespräche mit Schülern und Eltern sowie Abstimmung undAustausch mit Kollegen mit ca. zehn Prozent der Wochenarbeitszeit zu Buche. Gleichzeitig wünschten sich die befragten Lehrkräfte mehr Zeit für individuelle Gespräche und Austausch, um eine hohe Qualität der pädagogischen Arbeit zu gewährleisten. Festzuhalten bleibt, dass Kommunikation im Lehrerberuf quantitativ und qualitativ einen hohen Stellenwert einnimmt. Folglich liegt auch die Frage nach erforderlichen Kompetenzen nahe. Dieser Beitrag widmet sich daher im Folgenden zunächst der Frage, welchen Stellenwert Kommunikationskompetenz in den Curricula der Lehramtsausbildung hat. Danach gehen wir der Frage nach, wie der Begriff Kornmunikationskompetenz theoretisch eingeordnet werden kann und berichten ausgewählte empirische Befunde. Abschließend beschäftigt sich das Kapitel mit Ansätzen zur Förderung von Kommunikationskompetenz im schulischen Kontext. Immer steht dabei die direkte interpersonale Kommunikation zwischen Lehrkräften und verschiedenen Interaktionspartnern im Fokus, die sich außerhalb der Instruktion von Schülern bewegt. Für Ausführungen zur medialen Kommunikation sei auf Kapitel 5 verwiesen. 4.2 Curriculare Standards der Lehramtsausbildung Lehrkräfte sehen sich im beruflichen Alltag vielfältigen kommunikativen Anforderungen ausgesetzt. Wie aber werden Lehramtsstudierende im Studium auf ihre zukünftige Tätigkeit als Allround-Kommunikatoren vorbereitet? Diese Frage wird seit einigen Jahren im Hinblick auf die Notwendigkeit der Einführung von professionellen Standards zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Lehramtsausbildung diskutiert (u. a. der internationale Bericht der National Academy ofEducation "PreparingTeachers foraChanging World", Darling-Hammond, Berry & Thoreson 2001, oder der Abschlussbericht der Lehrerbildungskommission der Kultusministerkonferenz [KMK] "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland", Terhart 2000). In Deutschland hat die KMK 2004 eine Vereinbarung zu Standards für die Lehrkraftbildung getroffen. Sie basiert auf einem von Terhart entwickelten mehrdimensionalen Modell (Terhart 2002) und setzt inhaltliche Schwerpunkte in Studium und Weiterbildung. Diesen Schwerpunkten werden Kompetenzen zugeordnet, die von den Lehramtsstudierenden erworben werden sollen. Aus den Kompetenzen gehen dann wiederum spezifische Standards hervor. Tab. 1 zeigt das Prinzip beispielhaft an einem Kompetenzbereich. 175 761 Helen Hertzsch & Frank M. Schneider Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen Tab. 1: Lehrkraftbildungsstandards in DeutschlandBeispiel für einen Kompetenzbereich (vgl. KMK 2004, 10) Kompetenzberelch: Erzlehen Lehrkräfte Oben Ihre Erziehungsaufgabe aus. Kompetenz 6: Lehrkräfte finden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in Schule und Unterricht. Standards fiJr die theoretischen Ausbildungsabschnitte Standards fiJr die praktischen Ausbildungsabschnitte Die Absolventen ... • verfügen über Kenntnisse zu Kommunikation und Interaktion (unter besonderer Berücksichtigung der LehrkraftSchüler-Interaktion). • kennen Regeln der Gesprächsführung sowie Grundsätze des Umgangs miteinander, die in Unterricht, Schule und Elternarbeit bedeutsam sind. • kennen Risiken und Gefährdungen des Kindes- und Jugendalters sowie Präventions- und lnterventionsmöglichkeiten. • analysieren Konflikte und kennen Methoden der konstruktiven Konfliktbearbeitung und des Umgangs mit Gewalt. Die Absolventen ... • gestalten soziale Beziehungen und soziale Lernprozesse in Unterricht und Schule. • erarbeiten mit den Schülern Regeln des Umgangs miteinander und setzen sie um. • wenden im konkreten Fall Strategien und Handlungsformen der Konfliktprävention und -Iösung an. Wirft man einen Blick auf unsere deutschsprachigen Nachbarn, so finden sich dort ebenfalls Bestrebungen, einheitliche curriculare Standards für die Lehrerausbildung zu schaffen (siehe Kasten). In der Schweiz sind erste Schritte diesbezüglich erst 2009 im Zuge der Bologna-Reform eingeleitet worden und haben bislang auch noch nicht in ein landesweit einheitliches System gemündet. In Österreich hingegen orientieren sich die Hochschulen wie in Deutschland an einer landesweit gültigen Verordnung aus dem Jahr 2006. Curriculare Standards ln der Schweiz und Österrekh Schweiz: ·erstmalig 2009 einheitliches Lehramtsstudium über alle Kantone hinweg (BolognaSystem). • bislang nur hochschulspezifische Standards • Bsp. Pädagogische Hochschule Zürich: Einsatz eines Kompetenzstrukturmodells mit 12 Standards, die ausführlich beschreiben, was sich Lehramtsstudierende aneignen müssen. Bsp. Standard 6 (Kommunikation):"Die Lehrperson kennt Grundlagen von Kommunikation und kommunikativem Handeln. Sie verwendet ihr Wissen über Sprache und kommunikatives Handeln, um Lernen und den gegenseitigen Austausch zu fördern:' (Pädagogisehe Hochschule Zürich 2009, 14f.). Ost.rrelch: • Österreichische Hochschul-Curricula-Verordnung von 2006 • basiert auf den Empfehlungen des Europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen. • Erwerb kommunikativer Kompetenz im Rahmen eines Moduls des Schwerpunktes Stär- kung sozialer Kompetenzen. • Zielkompetenzen: Gängige Kommunikationstheorien benennen und erklären, Kommunikations- und Interaktionssituationen theorie- und praxisbezogen analysieren, die eigene Rolle im Kommunikationsgefüge erkennen und reflektieren, Fachsprache verstehen und sachgerecht anwenden. Aus den curricularen Standards der Hochschulen wird unmittelbar deutlich, dass Kommunikationskompetenz bei Lehrkräften als eine entscheidende Variable für eine professionelle Berufsausübung gesehen wird. Kommunikationskompetenz spielt in nahezu allen definierten Kompetenzbereichen eine Schlüsselrolle. So z. B. wenn Lehrkräfte ihren Schülern Lern- und Arbeitsstrategien vermitteln sollen oder wenn Kenntnisse über verschiedene Beratungsansätze und -prinzipien erworben werden sollen (KMK 2004, 11). Der folgende Abschnitt systematisiert daher zunächst den Begriff Kommunikationskompetenz allgemein und wendet ihn dann auf die spezifische Situation von Lehrkräften an. 4.3 Was ist Kommunikationskompetenz? 4.3.1 Definition(en) Oie Literatur zur Kommunikationskompetenz ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Definitionen, die aus jeweils unterschiedlichen Forschungszusammenhängen stammen (für umfassende Darstellungen siehe z. B. Jablin & Sias 2001; Spitzberg & Cupach 2002; Wilson & Sabee 2003). Bei aller Unterschiedlichkeit tauchen jedoch einige Merkmale und Kriterien von Kommunikationskompetenz immer wieder auf. So besteht u.a. Konsens darüber, dass sich Kommunikationskompetenz auf verschiedenen Ebenen wie z. B. Verhalten und Kognition, aber auch Motivation zeigt. Am weitesten verbreitet ist jedoch das Definitionskriterium der situativen und sozialen Angemessenheit der Kommunikationsweise (Six & Gimmler 2007). Unter Angemessenheit ist dabei zu verstehen, dass das Verhalten an den Kontext der .Kommunikationssituation angepasst sein muss, um als kompetent wahrgenommen zu werden. Oie Konzepte zur Kommunikationskompetenz lassen sich einordnen in ressourcenbezogen und prozess- bzw. ergebnisbezogen. Ressourcenbezogene Konzepte widmen sich vor allem den Voraussetzungen kompetenten Verhaltens wie z. B. Wis- 177 781 Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen Helen Hertzsch & Frank M. Schneider sen über Kommunikationsregeln, gutes Ausdrucksvermögen und geringe soziale Ängstlichkeit. Prozess- und ergebnisbezogene Konzepte fokussieren hingegen das konkrete Verhalten der Akteure in Kommunikationssituationen. Kriterien sind hier z. B. Selbstkontrolle, erfolgreiches Interaktionsmanagement und Flexibilität. Im Folgenden widmen wir uns ausschließlich den ressourcenbezogenen Konzepten. Dies aus zwei Gründen. Zum einen legt das Kapitel den Fokus darauf, welche Voraussetzungen Lehrkräfte mitbringen sollten, um als kompetente Kommunikatoren in der Schule zu agieren und wie sie ihren Ressourcenpool erweitern können. Zum zweiten kommen in der wissenschaftlichen Forschung vorwiegend ressourcenbezogene Konzepte zur Anwendung. Aus Platzgründen sei daher für eine Betrachtung der prozessbezogenen Konzepte auf die einschlägige Literatur verwiesen (z. B. Six & Gimmler 2007). Ein ressourcenbezogenes Modell, auf das in der empirischen Forschung durchgängig immer wieder Bezug genommen wird, da es die Konsensaspekte der Kommunikationskompetenz-Forschung integriert, und das somit als bewährtes theoretisches Modell gelten kann, ist das relationale Kommunikationskompetenz-Modell von Spitzberg und Cupach (1984). Unter relational verstehen die Autoren, dass sich Kommunikationskompetenz immer in der Beziehung zu anderen, den Interaktionspartnern, zeigt. Die Wahrnehmung der Interaktionspartner spielt folglich eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, eine Person als mehr oder weniger kommunikationskompetent zu beurteilen. Das Modell fokussiert die direkte interpersonale Kommunikation und bietet sich als Grundlage für eine Definition von Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an, da es verschiedene Aspekte berücksichtigt, die für ein Verständnis von Kommunikationskompetenz im schulischen Kontext bedeutsam sind. Auf diese Aspekte gehen wir im Folgenden ein. Das Modell postuliert, dass die Beurteilung einer Person als kompetenter Kornrnunikator nicht nur vom Individuum, sondern auch vom Beurteilungskontext abhängt (Spitzberg & Cupach 1984). Der Kontext wird dabei z. B. durch Normen und Regeln bestimmt, sowie durch das Setting, in dem die Kommunikation stattfindet (z. B. Unterrichtsstunde oder Einzelgespräch) . Auf drei Dimensionen lässt sich der kompetente Kommunikator beschreiben: 1. Wissen u. a. über die Art und Weise der verbalen Formulierung und über spezifische soziale Rituale, die zu einer Schulkultur gehören (z. B. Begrüßung vor der Unterrichtsstunde, Klassenrat-Stunden); 2. Fähigkeiten, die nötig sind, um Wissen in angemessene Verhaltensweisen umzusetzen (z. B. die Fähigkeit, eine Diskussion im Unterricht sinnvoll zu strukturieren oder Eltern im Gespräch ihre Emotionen zu spiegeln); 3. Motivation, vorhandenes Wissen und Fähigkeiten auch tatsächlich anzuwenden. Hierbei kommen unterschiedliche Konzepte wie Kommunikationsbereitschaft, Schüchternheit und Kommunikationsfurcht zum Tragen (z. B. offenes Zugehen auf Eltern am Elternabend, Vermeiden von sozialen Ereignissen wie Schulfesten). Ein Vorschlag, wie die drei Faktoren zusammen wirken, findet sich bei Jablin und Sias (2001), Abb. 1 orientiert sich an diesem Vorschlag. l I I. I Ressouraln: Wissen, Fähigkelten I セfエッイ・ョ@ t I Feedback M ·I ' Tatsichlieh gezeigte Kommunikation I I Feedback R Abb. 1: Ein ressourcenorientiertes Kommunikationskompetenz-Ko nzept in Anlehnung an Jablin und Sias (200 1, 834) Am oben beschriebenen Beispiel von Herrn K.s Gespräch mit Katharinas Mutter soll das Zusammenwirken der Dimensionen verdeutlicht werden. Nehmen wir an, Herr K. besitzt einige Ratgeberliteratur zum Thema Konstruktive Gespräche mit Eltern führen. Außerdem hat er während seines Studiums ein Seminar zu dem Thema besucht und sich dabei grundlegende Gesprächstechniken wie z. B. Aktives Zuhören (siehe Kasten) und Gesprächsleitung angeeignet. Er verfügt also sowohl über ein Wissensrepertoire bezüglich effektiver Gesprächsführung mit Eltern als auch über bestimmte hilfreiche Fähigkeiten, die er im Gespräch grundsätzlich anwenden kann. Mitbestimmt wird die tatsächlich stattfindende Kommunikation zwischen Herrn K. und Katharinas Mutter durch motivationale Faktoren wie z. B. seine aktuelle Kommunikationsbereitschaft. Hat Herr K. z. B. bislang noch kein Gespräch mit Katharinas Eltern geführt oder war der Vormittag in seiner Klasse sehr aufreibend, so fühlt sich Herr K. möglicherweise unsicher im Gespräch oder hat eher ein Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe. Seine aktuelle Motivationslage wird beeinflussen, welche der vorhandenen Ressourcen er im Gespräch mit Katharinas Eltern abrufen und einsetzen kann und sich damit letztlich auf den Verlauf und den Erfolg des Gesprächs auswirken . Die Erfahrungen, die Herr K. während des Gesprächs mit Katharinas Mutter macht, wirken wiederum zurück auf seine Motivation für das weitere Gespräch (Feedbackschleife M). Verläuft die Interaktion aus seiner Sicht erfolgreich, wird Herr K. im Verlauf des Gesprächs vermutlich zunehmend an Sicherheit gewinnen. Auch sein Ressourcenpool erweitert sich (Feedbackschleife R): Herr K. hat die Erfahrung gemacht, dass es günstig für den Gesprächsverlauf ist, wenn er zu Beginn des Gesprächs einen Rahmen vorgibt und z. B. einige Worte zum Ziel des Gesprächs und zur verfügbaren Zeit sagt. Zudem hat Katharinas Mutter positiv auf seine offenen Fragen reagiert. Auch konnte er die Technik des 179 801Helen Hertzsch & Frank M. Schneider Aktiven Zuhörens üben. Das so erworbene Wissen und die Fähigkeiten wird er bei zukünftigen Elterngesprächen nutzen können. Aktives Zuh6ren Aktives Zuhören ist ein Sammelbegriff für verschiedene Verhaltensweisen im Gespräch. Dazu gehören paraverbale Signale, die Zuwendung zum Gesprächspartner signalisieren, das Umschreiben und Zusammenfassen von Kernaussagen des Gesprächspartners mit eigenen Worten (Paraphrasieren, z. B."Verstehe ich Sie richtig, dass ... ?")sowie das Benennen emotionaler Erlebnisinhalte (Verbalisieren, z. B."Das macht Sie wütend?"). Ziele des Aktiven Zuhörens sind die Herstellung einer positiven Gesprächsatmosphäre sowie die Förderung von Klarheit und Verständnis zwischen den Gesprächspartnern Kommunikationskompetenz von Lehrkräften ;m Schulen gesprächen bedingt ist, dazu geführt, dass er zu stark mit der Beobachtung seines eigenen Kommunikationsverhaltens beschäftigt war. Dadurch konnte er sich zu wenig auf die Sichtweise der Mutter einlassen, sein Verständnis für ihre Sorge äußern und erfragen, welche Lösungsmöglichkeiten sie sieht. Auch hat er ihr zu wenig erklärt, welche Maßnahmen er regelmäßig durchführt, um ein positives soziales Miteinander in der Klasse zu fördern (z. B. Klassenrat). Möglicherweise verstärken diese Überlegungen den Wunsch von Herrn K., mehr Sicherheit im Gespräch mit Eltern zu gewinnen. (2) セィイォョヲエ@ u..i. Persön1khkeltselgenschaften Gemeinsames 4.3.2 Ein allgemeines Kommunikationsprozessmodell Verständnis (1) Arbeitsanforderung Will man die Interaktionen zwischen Lehrkräften und verschiedenen Gesprächspartnern in der Schule analysieren, z. B. um Defizite bei kommunikativen Fähigkeiten aufzudecken und Fortbildungsbedarfe abzuleiten oder um Ansätze zur Lösung von Konfliktsituationen zu finden, ist ein theoretisches Rahmenmodell hilfreich. Es ermöglicht, Kommunikationssituationen in ihrer Komplexität abzubilden und alle Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Als Ausgangsbasis für ein solches Rahmenmodell bietet sich das allgemeine Kommunikationsprozessmodell nach Jablin, Cude, House, Lee und Roth (1994) an. Es bildet Voraussetzungen und Konsequenzen der interpersonalen Kommunikation im Kontext von Organisationen (wie z. B. der Schule) ab und berücksichtigt eine Reihe von Einflussvariablen. Im Folgenden wird das Modell in einer erweiterten und auf den Schulkontext angepassten Version (vgl. Abb. 2) eingeführt und der praktische Nutzen näher erläutert. Dazu begleiten wir Herrn K. Schritt für Schritt durch ein Gespräch mit Katharinas Mutter, die Ziffern in Klammern verweisen dabei jeweils auf die entsprechenden Teile im Modell und finden sich in der Abbildung wieder. Kommen wir noch einmal auf Herrn K.s Gespräch mit Katharinas Mutter zurück. Stellen wir uns vor, das Gespräch hat stattgefunden und Herr K. reflektiert in einem ruhigen Moment darüber. Er ist unzufrieden mit seiner Leistung, weil er glaubt, sein Gesprächsziel nicht erreicht zu haben. Sein Ziel war es, der Mutter die Sicherheit zu vermitteln, dass die Schule in der Lage ist, das Problem zwischen Katharina und ihren beiden Klassenkameradinnen in den Griff zu bekommen (1: Minimierung von Unsicherheit, Gemeinsames Verständnis). Die Mutter wirkte am Ende des Gesprächs trotz Vereinbarung der nächsten Schritte noch sehr belastet und skeptisch auf ihn. Herr K. überlegt, welches seine eigenen Anteile am Verlauf und Ausgang des Gesprächs waren (2). Möglicherweise hat seine eigene Unsicherheit (3: Motivationale Faktoren), die durch seine noch fehlende Erfahrung mit Eltern- Minimierung von Unsicherheit (1) Arbeitsumgebung Einschätzung der Kommunlkationskompeten des Interaktionspartners (7) Kommunikations- normen und -regeln Schulkultur I'Y-·r:----::-----,----, Beziehungs- Kommunikationszufriedenheit geschichte der Interagierenden Wahrgenommene Zielerreichung (2) Ahb. 2: Ein allgemeines Kommunikationsprozessmodell (in Anlehnung an Jablin, Cude, House, Lee & Rorh 1994, 127; übersetzt und abgewandelt von den Auror(inn)en) Er sucht sich im Lehrerfortbildungskatalog ein Seminar aus, das fallorientierte Gesprächsübungen mit Videoanalyse verspricht. Darüber hinaus bittet er eine erfahrene und ihm vertraute Kollegin, die nächsten Elterngespräche im Tandem zu führen, um von ihr als Rollenmodell zu lernen und Feedback zu bekommen. Sein Ziel ist es dabei, seinen Ressourcenpool (4) zu erweitern und seine Unsicherheit für zukünftige Gespräche zu verringern. Die Einschätzung der eigenen Leistung (2) sowie auch schon die Feedbackschleifen während des Gesprächs (5) führen so zu Lern- und Adaptationsprozessen. Der Kommunikationsprozess wird durch verschiedene Moderatorvariablen (6) beeinflusst. Die Tatsache, dass die Schule das Thema Mobbing unter Schülern in der Vergangenheit eher tabuisiert hat, ein offener Umgang mit Konfliktsituationen also noch nicht in der Schulkultur verankert ist, hat möglicherweise zur Unzufriedenheit der Mutter beigetragen und erklärt ihre Ist 82 j Helen Herasch & Frank M. Schneider Skepsis gegenüber einem positiven Ausgang der Situation für ihre Tochter. Auch kennt sie Herrn K. erst seit diesem Schuljahr, so dass sie nicht aufbisherige positive Erfahrungen und eine vertrauensvolle Lehrkraft-Eltern-Beziehung zurückgreifen kann. Lehrkraft und Mutter nehmen dabei gleichzeitig ebenfalls Einfluss auf die Moderatorvariablen. Indem sie z. B. gemeinsam konstruktiv an einer Lösung des Mobbingproblems arbeiten, wird die Beziehung zwischen Herrn K., Katharina und Katharinas Eltern kontinuierlich vertrauensvoller und stabiler. Gleichzeitig können sich durch die Situation die Kommunikationsnormen und -regeln der Schule verändern, hin zu mehr Offenheit und Transparenz im Umgang mit Konfliktsituationen. Die Moderatorvariablen haben entscheidenden Einfluss darauf, welches Kommunikationsverhalten in einer Interaktionssituation als angemessen betrachtet wird. Will Herr K. wissen, welches Urteil Katharinas Mutter tatsächlich über seine Kommunikationskompetenz gefallt hat (7), so hat er die Möglichkeit, sie am Ende des Gesprächs um Feedback für seine Gesprächsführung zu bitten (Metakommunikation). Umgekehrt beurteilt auch Herr K. das Kommunikationsverhalten von Katharinas Mutter und trifft Annahmen über ihre Kommunikationskompetenz. Der Nutzen des Modells liegt insbesondere darin, dass es eine differenzierte Analyse von Kommunikationssituationen und verschiedenen Voraussetzungen und Folgen ermöglicht. So können Erkenntnisse über die Ursachen von Kommunikationsstörungen aber auch von erfolgreichen Gesprächsverläufen gewonnen und konkrete Veränderungsmaßnahmen abgeleitet werden. Im Folgenden wollen wir die Bedeutung des Kontextes für den Kommunikationsprozess noch einmal näher betrachten. Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen (z.B. Arbeitsplatz, Sportverein). Bronfenbrenner (1977, 514) definiert ein Setting als "Ort mit spezifischen physikalischen Eigenschaften, in dem die Teilnehmenden in bestimmter Weise in bestimmten Rollen und in bestimmten Zeitabschnitten aktiv sind. Die Faktoren Ort, Zeit, physikalische Eigenschaften, Aktivität, Teilnehmende und Rolle konstituieren die Elemente eines Settings". Das Exosystem umfasst alle Settings, in denen die Lehrkraft selbst nicht als handelnde Person aktiv wird (z. B. Mikrosystem der Schüler). Mit Makrosystem lässt sich die Übereinstimmung von Mikro-, Meso- und Exosystemen beschreiben (z. B. Schulkultur, Weltanschauung, Wertesystem). Lehrkraft, Eltern, Schüler, Kollegen und Schulleiter gehören demselben Makrosystem, der Schule, an. Die Zeitachse t deutet an, dass es sich bei der Einteilung nicht um statische, sondern um sich weiterentwickelnde Gebilde handelt. Makrosystem Mesosystem 4.3.3 Vom Lernbegleitenden bis zur Führungskraft: die Kontex:tspezifität von Kommunikationskompetenz Lehrkräfte müssen im Spannungsfeld unterschiedlicher Tätigkeiten und Zielgruppen, von Unterrichten einer Klasse über individuelle Beratungsgespräche mit Schülern über Austausch in Fachkonferenzen bis hin zur Leitung von Elternabenden, tagtäglich bestehen. Führt man sich vor Augen, in wie vielen unterschiedlichen Rollen und Funktionen Lehrkräfte dabei agieren (z. B. Fachperson, Berater, Kollegin) , so wird unmittelbar deutlich, dass die Einschätzung einer Lehrkraft als mehr oder weniger kommunikationskompetent ohne eine Berücksichtigung des jeweils spezifischen Kontextes nicht denkbar ist. In den eingangs beschriebenen Interaktionen, in die Herr K. sich während eines Schultags begibt, sind einige dieser Rollen bereits angeklungen. Abb. 3 stellt die verschiedenen Interaktionen und ihre Einbettung in die Organisation Schule noch einmal im Überblick dar. Die Darstellung orientiert sich an Bronfenbrenners (1979) Unterteilung ökologischer Systeme und fokussiert die Perspektive der Lehrkraft. Das Mikrosystem der Lehrkraft stellt ihr unmittelbares Lebensumfeld dar (Partnerschaft, Familie, aber auch Wohnverhältnisse). Das Mesosystem umfasst weitere Settings, denen die Lehrkraft angehört Ahb. 3: Überblick über ャュ・イ。ォエゥッセョ@ der Lehrkraft und ihre Einbettung in ökologische Systeme, in Anlehnung an Bronfenbrenner (1979). Im Folgenden werden die verschiedenen Interaktionen hinsichtlich ihrer Besonderheiten genauer beleuchtet. Interaktion Lehrende/Lernende Während des Unterrichts und in pädagogischen Einzelberatungsgesprächen steht die Interaktion mit den Schülern im Vordergrund. Die Lehrkraft agiert hier zum einen als Lernbegleiter, wenn sie ihre Schüler instruiert, wie bestimmte Aufgaben gelöst werden können oder wie man sich Wissen aneignet. Parallel ist sie auch immer wieder beratend tätig, wenn sie mit einem einzelnen Schüler erörtert, wo seine Schwierigkeiten liegen und wie diese behoben werden können. Lehrende und Lernende beeinflussen sich dabei durch ihr jeweiliges Kommunikationsverhalten grundsätzlich gegenseitig. Gleichwohl besteht ein Machtgefalle zugunsren der j83 841 Helen Herrzsch & Frank M. Schneider Lehrkraft, das ihre Rolle als Leiterin, Manageein und Koordinatorirr der Klassensituation mit sich bringt. Ihr Kommunikationsverhalten bekommt dadurch unter anderem einen erheblichen Einfluss auf das Lern- und Arbeitsverhalten der Schüler (Kerssen-Griep, Gayle & Preiss 2006) und muss entsprechend an die Bedürfnisse der Schüler angepasst werden, um von diesen als angemessen wahrgenommen zu werden. Empirische Befunde Eine Reihe von Studien gibt Auskunft darüber, welches Lehrkraft-Verhalten sowohl Schüler als auch Lehrkräfte für förderlich halten (für einen Überblick siehe Kerssen-Griep et al. 2006). Kerssen-Griep und Kollegen kommen daraufhin zu dem Schluss, dass ein positives Klassenklima aus Sicht der Schüler durch eine respektvoll, zugewandt und fair interagierende Lehrkraft entsteht. Darüber hinaus wirkt sich der Kommunikationsstil der Lehrkraft auf die Motivation der Schüler aus. Auch das Konzept teacher immediacy wurde auf Zusammenhänge mit dem Lernverhalten von Schülern untersucht. Unter teacher immediacy lassen sich kommunikative Verhaltensweisen subsummieren, die auf verbalem und nonverbalem Wege die wahrgenommene Distanz zwischen Lehrkraft und Schülern reduzieren (z. B. Wiener & Mehrabian 1968; für einen Überblick zu nonverbalen Verhaltensweisen siehe Kap. 2). Auf der verbalen Ebene werden nach Wiener und Mehrabian (ebd.) Wörter und Formulierungen gewählt, die Sympathie oder Nähe ausdrücken, wie z. B. Sätze, die auf die Wir-Form anstelle der Ihr-Form zurückgreifen. Eine MetaAnalyse über 81 Studien berichtet positive, substantielle Zusammenhänge zwischen teacher immediacy und dem Lernverhalten von Schülern (Witt, Wheeless, Stanley & Grimes 2006). Die Forschung zu Lehrkraft-Schüler-Interaktionen zeigt also, dass die Hauptverantwortung für produktive und positive Interaktionen in der Klasse bei der Lehrkraft liegt. Es ist ihre Aufgabe, durch positives Kommunikationsverhalten eine lernförderliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen (Kerssen-Griep et al. 2006). Interaktion Lehrkraft-Eltern Wenn Lehrkraft und Eltern individuell in Kontakt miteinander treten, geht es meist entweder um die Weitergabe oder den Austausch von Informationen über einen Schüler oder um eine pädagogische Beratung in Bezug auf die schulische Situation des Schülers, weil erz. B. Schwierigkeiten hat, das Klassenziel zu erreichen oder/und soziale Auffälligkeiten zeigt. Die Rolle als pädagogische Beraterirr bringt eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich, die in Kapitel 13 ausführlich erörtert werden. Ungeachtet der dort thematisierten Bedenken lässt sich jedoch festhalten, dass der Kontext eines solchen Lehrkraft-Eltern-Gesprächs im Schwerpunkt andere kommunikative Fähigkeiten erfordert als eine Unterrichtssituation, in der es um Wissensvermittlung geht. Hitziger (1979) weist darauf hin, dass Lehrkräfte sich Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen genau damit jedoch häufig überfordert fühlen, da ihnen das Wissen und die Fähigkeiten fehlen, um Kommunikationsbarrieren im Gespräch mit Eltern zu überwinden. Ulich (1996) benennt wichtige Aspekte in der Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern, die zu Schwierigkeiten führen können: Das Setting von Eltern-Lehrkraft-Gesprächen wird in der Regel von der Lehrkraft bestimmt, da sie festlegt, wo, wann und in welcher Sitzordnung Elternsprechstunden oder Elternabende abgehalten werden. Im Gespräch treffen dann unterschiedliche Sichtweisen und auch Vorstellungen vom Gegenüber aufeinander. Ulich beschreibt die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften als einseitig zugunsren der Lehrkraft, da den Eltern die Rolle der Fragenden, Zuhörenden und Bittenden zugewiesen wird, während die Lehrkraft informiert, antwortet und berät. Auch in der Wahl der Gesprächsthemen (Leistungen, Unterrichtsverhalten etc.) schlägt sich der Informations- und Erfahrungsvorsprung der Lehrkraft nieder und verstärkt das Machtgefälle. Generelle Unterschiede in der Sprachkompetenz sowie der Gebrauch von pädagogisch-psychologischen Fachbegriffen können ebenfalls die Gesprächsatmosphäre und den Kommunikationsfluss beeinträchtigen. Ulich (1993) fordert daher Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte, die für eine intensivere, weniger angst- und konfliktträchtige Elternarbeit qualifizieren. Empirische Befunde Im Schulalltag scheint die Interaktion zwischen Eltern und Lehrkräften hinsichtlich einer Beratung der Eltern eher unbefriedigend zu verlaufen. Die Zurückhaltung von Lehrkräften beim Anbieten von Elternberatung, die sich in Studien zur Beratungspraxis im Schulalltag zeigt (Hertel, Bruder & Schmitz 2009), lässt sich möglicherweise auf Defizite in der Aus- und Weiterbildung zurückführen. So arbeiten Lehrkräfte, die ihre Fortbildungssituation als ungenügend einschätzen, seltener mit Eltern zusammen (Wild 2003). Auch berichten Lehrkräfte in Befragungen, dass sie sich in Elterngesprächen häufig überfordert fühlen und sich eine intensivere Ausbildung wünschen (Hertel 2009; Hitziger 1987). Ulich (1996) berichtet in einer Zusammenschau verschiedener Untersuchungen aus den 1990er Jahren einen Anteil von 80 bis 90 Prozent aller Lehrkräfte, die in ihrer Ausbildung nicht gelernt haben, offene Gespräche mit Eltern zu führen, sich konstruktiv mit deren Erwartungen auseinander zu setzen und so tragfähige Beziehungen aufzubauen. Verunsicherung und Ängste auf Seiten der Lehrkräfte, insbesondere zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn, seien daher keineswegs erstaunlich. In der Lehramtsausbildung erfolgt keine intensive Vorbereitung auf Kontakte und Kooperation mit Eltern. Die offensichtlich mangelnde Qualifikation der Lehrkräfte bildet eines der Haupthindernisse für ein engeres kooperatives Verhältnis. Iss 861 Helen Hertzsch & Frank M. Schneider Interaktion Lehrkraft-Lehrkraft Für Lehrkräfte bieten sich Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten grundsätzlich in Form von gegenseitigen Hospitationen und Teamteaching, gemeinsamen Unterrichtsvorbereitungen, Austausch von Unterrichtsmaterialien sowie Beratung über gemeinsame Arbeitsprobleme. Dabei existiert kein offizielles Machtgefälle, vielmehr handelt es sich formal um einen gleichberechtigten Austausch innerhalb einer Peer-Group. Gleichwohl bilden Kriterien wie Dienstgrad, Dienstalter und Position innerhalb des Kollegiums durchaus eine inoffizielle Hierarchie, die sich auf die Interaktionen zwischen Lehrkräften auswirkt. Empirische Befunde In Befragungen wurde herausgefunden, dass sich Art und Umfang der Zusammenarbeit von Lehrkräften unterscheiden. So interagieren bspw. Lehrkräfte an Gesamtschulen am meisten, Lehrkräfte am Gymnasium am wenigsten. Lehrerinnen kooperieren mehr als Lehrer, jüngere Lehrkräfte mehr als ältere (Ulich 1996). Mangelnde Kommunikationskompetenz (z. B. fehlende Offenheit und Kritikfähigkeit) spielt häufig eine Rolle, wenn Interaktionen, z. B. über Hospitationen, nicht zustande kommen, obwohl ein erheblicher Anteil der Lehrkräfte sich Zusammenarbeit wünscht. Gleichzeitig führen aber auch strukturelle Zwänge der Arbeits- und Zeitstruktur (kein gemeinsamer Arbeitsplatz, Beschränkung auf die Pausen) zu Kommunikationsdefiziten, die sich in einem Mangel an intensiven Gesprächen sowie Missverständnissen niederschlagen. Und nicht zuletzt spielt in der ersten Phase der Lehrkraftausbildung der Umgang mit Kollegen, ebenso wie mit Vorgesetzten und Eltern so gut wie keine Rolle (Ulich 1996). Interaktion Lehrkraft-Schulleitung Ein zentraler Punkt in der Interaktion zwischen Lehrkraft und Schulleitung ist die Dienstaufsicht, d. h. die hierarchische Kontrolle, die von der Schulleitung (potentiell) ausgeht und die das Kommunikations- und Interaktionsverhalten beider Seiten mitbestimmt. Als ehemalige Lehrkräfte bleiben Schulleiter häufig in ihrer alten Rolle verhaftet, der Wechsel in die Leitungsrolle gelingt oft nicht vollständig (Wissinger 1994). Der Wechsel wird auch dadurch erschwert, dass Schulleiter in der Regel weiterhin in erheblichem Umfang Unterricht halten, de facto also beideRollen ausfüllen müssen. Daraus ergeben sich vielfältige Störungen der Kommunikation, wenn die Schulleitung z. B. in Führungsgesprächen zwischen autoritärem und kollegialem Kommunikationsstil hin und her wechselt oder die Lehrkraft bei Konflikten mit Eltern übergangen wird. Kontakte zwischen Lehrkraft und Schulleitung ergeben sich unter anderem bei Feedbackgesprächen, Konfliktgesprächen mit Eltern, im Rahmen von Gesamtlehrerkonferenzen oder bei informellen Tür- und Angelgesprächen. Nach Miller (2007) setzen Interaktionen mit der Schulleitung, die von der Lehrkraft als befriedigend empfunden werden, zunächst die Anerken- Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen nung der Führungsrolle der Schulleitung und damit einhergehender unterschiedlicher Positionen voraus, sowie die Einsicht, dass dies Spannungen mit sich bringen kann. Empirische Befunde Studien zur Interaktion zwischen Lehrkraft und Schulleitung sind spärlich gesät und fokussieren in aller Regel das Kommunikationsverhalten der Schulleitung und nicht der Lehrkraft (z. B. Hertzsch 20 12). Der einzige uns bekannte Artikel, der den oben beschriebenen Rollenwechsel problematisiert - allerdings ebenfalls aus Perspektive der Schulleitung- stammt von Valemine (1981). Valemine beschreibt, wie sich die Wirkung von Aussagen gegenüber einer Lehrkraft in Abhängigkeit von der Rolle verändert. So nehmen Lehrkräfte beispielsweise Bemerkungen über Schwächen in der Gestaltung einer Unterrichtsstunde als Bedrohung wahr, wenn diese von der Schulleitung geäußert werden. Stammt der Kommentar hingegen von einer anderen Lehrkraft, wird er als bedeutungslos eingestuft. Valemine mutmaßt, dass entweder die Lehrkraft die Botschaft der Schulleitung nicht korrekt entschlüsseln könne oder dass die Schulleitung sich zu wenig Gedanken über die Bedeutung ihrer Aussagen für die Mitarbeiter mache. Beide Annahmen legen die Schlussfolgerung nahe, dass Maßnahmen zur Förderung der Kommunikationskompetenz (sowohl auf Seiten der Lehrkraft als auch der Schulleitung) dazu beitragen könnten, die beschriebenen Probleme in der Interaktion zwischen Lehrkraft und Schulleitung zu verringern. Die Defizite in der Lehramtsausbildung, verbunden mit der zentralen Bedeutung, die Kommunikationskompetenz von Lehrkräften für das Gelingen von Schule hat, lassen Unterstützungsmaßnahmen für Lehrkräfte zwingend nötig erscheinen. Der folgende Abschnitt befasst sich daher mit der Frage, wie Kommunikationskompetenz gefördert werden kann. 4.4 Ansätze zur Förderung von Kommunikationskompetenz Die Ansätze, die eigene Kommunikationskompetenz zu verändern, lassen sich in drei Säulen unterteilen: • Selbststudium anhand von Ratgebermedien (Bücher, DVDs, Tonträger) • Weiterbildungen mit Trainingscharakter (schulinterne (über)regionale Portbildungsangebote innerhalb des Schulsystems; private Fort- und Weiterbildungsinstitute, selbstständige Trainer) • individuumzentrierte Unterstützungsmaßnahmen (Supervision, Fallbesprechung) 187 881 Helen Herrzsch & Frank M. Schneider 4.4.1 Ratgeberliteratur Neben allgemeiner Ratgeberliteratur zum Themenfeld Kommunikation gibt es auch Ratgeber, die sich speziell an Lehrkräfte richten. Das Spektrum reicht von Büchern, die sich schwerpunktmäßig mit einem bestimmten Fähigkeitsbereich beschäftigen (z. B. Körpersprache im Unterricht, Rhetorik), über Bücher, die eine spezielle Kommunikationsschule propagieren (z. B. Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg, Neurolinguistisches Programmieren), über Bücher, die sich speziell einer Interaktionsebene widmen (z. B. kooperative Eltern-Lehrkraft-Gespräche), bis hin zu Büchern, die ganze Trainings für das Einzelstudium als auch für Portbildungsgruppen beschreiben (z. B. Meidinger 2000; Miller 2004). Der Markt ist nahezu unüberschaubar und die Qualität der Angebote für Laien häufig schwer einzuschätzen. Als eine relevante Größe unter den Ratgeberautoren ist sicherlich Reinhold Miller zu nennen (z. B. Miller 2007), der eine Vielzahl an pädagogischen Fachbüchern zum Thema Kommunikation in der Schule verfasst hat. Da er aufgrund seiner verschiedenen beruflichen Rollen als Lehrer, Kommunikationstrainer, Schulberater und Lehrerfortbildner die Erfordernisse, Herausforderungen und Stolpersteine schulischer Kommunikation sehr genau und aus verschiedenen Perspektiven kennt, bedienen seine Bücher und Trainings unmittelbar die Bedürfnisse von Lehrkräften und genießen einen dementsprechend guten Ruf. Mit Blick auf das oben beschriebene Kommunikationskompetenzkonstrukt, soll an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass fachliches Wissen über Kommunikation, das durch die Lektüre von Ratgebern erworben wird, lediglich einen Teilaspekt von Kommunikationskompetenz ausmacht. Um wirksam zu einer Verbesserung der Kommunikationskompetenz beitragen zu können, muss das erworbene Wissen in Verhalten umgesetzt und in möglichst konkreten Gesprächssituationen erprobt werden. Hierzu können gezielte Trainings hilfreich sein. 4.4.2 Trainings Zentral für die Wirksamkeit von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte, wie für erwachsene Lernende überhaupt, ist die Möglichkeit, das Gelernte praktisch anzuwenden. Erwachsene Lernende bringen ein großes Maß an Erfahrungen, Wissen und beruflichem Selbstverständnis in den Lernprozess mit ein. Die Vermittlung neuen Wissens und neuer Handlungskonzepte sollte idealerweise an die bestehenden Wissens- und Handlungsstrukturen anknüpfen, um den Transfer in den Arbeitsalltag zu erleichtern und die Nachhaltigkeit zu sichern (Huber 2009). Lehrkräften, die ihre Kommunikationskompetenz ausbauen wollen, stehen innerhalb des Schulsystems verschiedene kostenfreie Möglichkeiten offen. Es gibt regionale und zentralkoordinierte Fortbildungsangebote, die von den Schulämtern, Kommunikationskompetenz von Lehrkräften an Schulen den Regierungspräsidien oder den landesweiten Akademien organisiert und jedes Schuljahr neu ausgeschrieben werden. Darüber hinaus können einzelne Kollegien schulinterne Fortbildungen als Abrufveranstaltungen durchführen. Als Seminarleiter kommen Lehrkräfte mit einer Zusatzausbildung, Schulpsychologen oder auch selbständige Trainer zum Einsatz. Vereinzelt existieren auch Kooperationen mit Hochschulen. Welche Themenbereiche von den Fortbildungen abgedeckt werden, hängt in erster Linie von den Kompetenzen der verfügbaren Fortbildner ab. Es existiert kein festes Curriculum. Eine Ausnahme bilden die systeminternen Weiterbildungen zu Beratungslehrkraft oder Fachberater, die einige Bundesländer anbieten. In diesen ein- bis mehrjährig angelegten Weiterbildungen sind Module zu Kommunikation und Gesprächsführung als fester Bestandteil enthalten. Außerhalb des Systems Schule bietet der freie Markt ebenfalls eine Vielzahl von mehr oder weniger kostenintensiven Fort- und Weiterbildungen, die zum Teil auch Lehrkräften offenstehen. So bietet z. B. das Schulz-von-Thun-Institut für Kommunikation eine Zusatzausbildung Kommunikationspsychologie an, an der auch pädagogische Fachkräfte teilnehmen können. Es existieren einige niedergeschriebene Trainingsprogramme, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Kommunikationskompetenz von Lehrkräften zu fördern und sich mit Gesprächsführung oder Beratung durch Lehrkräfte beschäftigen (z. B. Meier-Keilberth & Oberhofer 2003; Miller 2004). Spezifische Aspekte der Konzeption von Fortbildungen bzw. Trainings für Lehrer beschreiben Hertel, Pickel und Schmitz (2008). Hertel (vgl. Hertel & Schmitz 2010) hat ein Trainingsprogramm konzipiert, das theoretisch fundiert und evaluiert ist (für einen Überblick siehe Tab. 2) . Seine Inhalte können beispielhaft für viele Programme zur Förderung von Kommunikationskompetenz stehen. Typischerweise enthalten Trainings theoretische und praktische Elemente in veränderlichen Anteilen. H äufig wird eklektisch gearbeitet, d. h. Elemente aus verschiedenen theoretischen Ansätzen zur Kommunikation und Gesprächsführung werden kombiniert, so z. B. Grundlagen aus der klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers (z. B. Rogers & Nosbüsch 2010) , Systemtheorie (z. B. Watzlawick, Beavin & Jackson 2003) und Psychoanalyse (z. B. Cohn 2009) . Klassische Übungsinhalte sind das Aktive Zuhören mit Paraphrasieren und Verbalisieren, das Vier-Ohren-Modell (Schulz von Thun 2011) sowie Fragetechniken und Metakommunikation. Entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg ist nach Hertel und Schmitz (2010) das Üben anhand von Rollenspielen mit konkreten Kommunikationssituationen, idealerweise aus dem Alltag der Teilnehmenden. Darüber hinaus enthalten Trainings meist Elemente zur Reflexion eigener Erfahrungen und Verhaltensweisen. Mit Hilfe dieser Elemente lassen sich vor allem in den Kompetenzdimensionen Wissen und Fähigkeiten Zuwächse erzielen. Auch Hitziger (1979) benennt Selbsterfahrung und Rollenspiele als effektive Möglichkeiten zur Förderung von Kommunikationskompetenz bei Lehrkräften. Grundlage ist dit; Annahme, dass Lernprozesse im Bereich 189 901 Helen Hertzsch & Frank M. Schneider Kommunikacionskompetenz von Lehrkräften an Schulen des sozialen Verhaltens nicht nur unter Vermittlung kognitiver Prozesse, sondern primär auf der Basis konkreter Erfahrungen erfolgen. Motivationale Aspekte wie Kommunikationsbereitschaft, Schüchternheit und Kommunikationsfurcht lassen sich hingegen durch ein Training kaum direkt beeinflussen, da sie eher stabilen Persönlichkeitseigenschaften entsprechen. Indirekte Effekte über eine Erhöhung der Handlungssicherheit durch Übung und Wissenserweiterung sind jedoch durchaus denkbar. Tab. 2: Struktur und Inhalte des Trainings von Hertel (2009) Einheit Tbema Inhalte 1 Kommunikation und Gesprächsführung 4-0hren-Modell der Kommunikation, Aktives Zuhören, Paraphrasieren, Beratungsstern, Rahmenmodell zur Strukturierung von Beratungsgesprächen 2 Systemische Aspekte Bedingungsfaktoren von Schulschwierigkeiten, Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule, Unterstützungsmöglichkeiten der Eitern, Wiederholung: Aktives Zuhören und Paraphrasieren 3 Selbstreguliertes Lernen Modell des selbstregulierten Lernens, Übungen für Eitern, Lehrkräfte und Schüler 4 Schwierige Gesprächssituationen und Gesprächsnachbereitung Umgang mit Kritik von Eitern, Metakommunikation, Blitzvorbereitung von Beratungsgesprächen, Reflexion des eigenen Beratungsverhaltens 4.4.3 Supervision für Lehrkräfte Eine Maßnahme, die im schulischen Umfeld zwar immer noch mit gewissen Vorbehalten betrachtet wird (Palzkill 1995), seit Beginn der 1990er Jahre jedoch zunehmend auch als notwendige und entlastende Unterstützung im pädagogischen Alltag Einzug hält, ist die Supervision (zu den Adressaten von Supervision im schulischen Kontexts. auch Kap. 13). Supervision bezeichnet berufsbegleitende Veranstaltungen, in denen die Teilnehmenden ihre Erfahrungen, Fragen und Konflikte in der beruflichen Arbeit reflektieren können. Dabei werden persönliche Rahmenbedingungen und auch die besonderen Kontexte der Arbeitssituation berücksichtigt. Durch den strukturierten Dialog zwischen den Beteiligten werden die Ressourcen der Gruppe aktiviert und zur Problemlösung genutzt. Es geht dabei nicht um die Vermittlung von Fähigkeiten, sondern um die Reflexion der eigenen beruflichen Tätigkeit und die konstruktive Verarbeitung (Meidinger 2000). Supervision ist ein Element der Qualitätssicherung. Im schulischen Umfeld wird sie in der Regel von Schulpsychologen angeboten. Defizite im kommunikativen Verhalten kommen in der Supervision als eine Ursachen-Hypothese neben anderen für viele Fallanliegen in Frage. Bei der Frage nach den persönlichen Anteilen an einer Interaktion sowie nach Handlungsmöglichkeiten kann immer auch die eigene Kommunikationskompetenz der einbringenden Lehrkraft eine mehr oder weniger tragende Rolle spielen und somit in den Fokus der Problemlösung rücken. Beispiele für Fallanliegen können u.a. Disziplinschwierigkeiten eines Teilnehmenden in seiner Klasse, ein konflikthaft verlaufenes Gespräch mit einer Kollegin, Sorge vor dem nächsten Beurteilungsgespräch mit der Schulleitung oder die Vorbereitung eines Gesprächs mit einer möglicherweise essgestörten Schülerirr sein. Supervisionsgruppen bestehen in der Regel aus ca. 6-12 Teilnehmenden, die sich regelmäßig über einen festgelegten Zeitraum (z. B. ein Schuljahr) für mindestens zwei Stunden treffen. Schulinterne oder schulübergreifend zusammengesetzte Gruppen sind möglich. Gruppensupervision folgt in der Regel einem Handlungsmodell, das die Problembearbeitung strukturiert (z. B. Jugert 1998; siehe Tab. 3). Tab. 3: Beispiel für einen Leitfaden zur Fallbesprechung im Rahmen der Supervision (in Anlehnung an Ehinger & Hennig 1997; Marken & Strebel 2003) 1. Phase: Schilderung des Problems durch den Fallgebenden Handlungsleitende Frage: Welche Informationen braucht die Gruppe, um das Problem zu verstehen? Formulierung des Anliegens an die Gruppe (z. B. Was ist meine Rolle in dem Fall? Welche Sichtweisen außer meiner gibt es noch?) 2. Phase: Verständnisfragen derTeilnehmenden 3. Phase: Wirkung der Schilderung auf die Zuhörenden; Gefühle, Eindrücke, Assoziationen werden benannt; Fallgebender lässt die Äußerungen auf sich wirken. 4. Phase: Problemorientierte Diskussion: Problemanalyse, Hypothesenbildung und Strategienplanung; Fallgebender hört nur zu 5. Phase: Rückmeldung des Fallgebenden (nächste Schritte, offene Fragen) Der Ablauf versteht sich als grobe Orientierung und wird in der Praxis durch den Einsatz vielfältiger, an das Anliegen angepasster Methoden durch den Supervisor abgewandelt und bereichert (z. B. Füßl & Pentz 2003). Die Verantwortung für den Veränderungsprozess bleibt stets beim Fallgebenden. Lehrkraftgruppen können auch ohne Leitung kollegiale Supervision durchführen. Dies bezeichnet man dann als Intervision, da keine übergeordnete Leitung (der Supervisor) die Gruppe führt, sondern die Teilnehmenden jeweils abwechselnd die Leitung der Fallbesprechung übernehmen. Es existieren einschlägige Selbsttrainingsprogramme für Intervisionsgruppen (z. B. Schlee & Mutzeck 1996). Als Ori- 191 92 1 l Ieien Herrzsch & Frank M. Schneider entierung ist in jedem Fall ein Leitfaden mit klaren Regeln und Schritten sowie die Vergabe von Rollen wie u. a. Moderation und Zeitwache für solche Gruppen empfehlenswert (Reuthner 2003). Das Setting der Intervision bringt auch Gefahren mit sich, vor allem wenn die Teilnehmenden wenig Erfahrung mit Gruppen und Selbstreflexion haben. So kann z. B. die Besprechung komplexer, emotional aufwühlender Probleme die Teilnehmenden überfordern, ebenso wie die Einhaltung der notwendigen Aufgaben- und Zielorientierung (Reuthner 2003). Eine Phase der fachlichen Begleitung durch einen Supervisor ist daher bei Neugründung einer Intervisionsgruppe auf jeden Fall ratsam. Eine Studie von Jugert (1998), in der Gruppensupervision für Lehrkräfte evaluiert wurde, liefert Hinweise, dass Supervision die Kommunikationskompetenz der Lehrkräfte verbessert, konstruktiveresVerhalten in Problem- und Konfliktsituationen bewirkt sowie vor physischer und psychischer Überforderung schützt. Verbesserte Kommunikationskompetenz zeigt sich unter anderem in der Interaktion von Lehrkraft und Schüler: die Schüler nehmen ihre Lehrkräfte unterstützender wahr (Zuwendung, Lob, Hilfe). Auch die Interaktion mit Kollegen verbessert sich durch die Supervision. Supervision kann auch im Einzelsetting stattfinden. Lehrkräfte können Einzelsupervision u.a. kostenfrei bei den Schulpsychologischen Diensten oder kostenpflichtig bei freiberuflich tätigen Supervisaren in Anspruch nehmen. Bei der Suche nach einer geeigneten und qualifizierten Person kann z. B. die Internet-Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv) hilfreich sein. 4.5 Zusammenfassung und Ausblick Der Beitrag beleuchtete die Bedeutung von Kommunikationskompetenz bei Lehrkräften im schulischen Alltag. Es wurde erläutert, was theoretisch unter Kommunikationskompetenz verstanden wird und welche Voraussetzungen eine Lehrkraft folglich mitbringen muss, um als kompetenter Kommunikator wahrgenommen zu werden. Darüber hinaus wurde ein theoretisches Rahmenmodell vorgestellt, das die Analyse von kommunikativen Interaktionen zwischen Lehrkräften und verschiedenen Zielgruppen und die Ableitung von konkreten Veränderungsmaßnahmen ermöglicht. Lehrkräfte agieren in ihrem beruflichen Alltag in vielen verschiedenen Rollen, die von ihnen stetige, flexible Anpassung fordern. Ausgehend von empirischen Erkenntnissen wurde ein Einblick in die Besonderheiten der jeweiligen Interaktionen sowie ihre spezifischen Probleme und Gelingensfaktoren gegeben. Als konkrete Orientierungshilfe für angehende aber auch mitten im Berufsleben stehende Lehrkräfte wurden im Anschluss individuelle und gruppenorientierte Maßnahmen zur Verbesserung der eigenen Kommunikationskompetenz vorgestellt und kritisch diskutiert. Tenor war dabei, dass es zur Qualitätssicherung von Schule Kommunikationskompetenz von Lehrkräften a.n Schulen beiträgt, wenn Lehrkräfte die vorhandenen Unterstützungsangebote wahrnehmen. Wünschenswert ist, dass diese Angebote ihren Exotenstatus immer mehr verlieren und ihre Nutzung im Schulsystem zunehmend selbstverständlich wird. Die Bedeutung des Themas Kommunikationskompetenz macht jedoch nicht bei den Lehrkräften Halt. Theoretische Überlegungen und empirische Befunde machen deutlich, dass alle Beteiligten im System Schule mit ihrer Kommunikationskompetenz zum Gelingen oder Scheitern von Interaktionen und damit letzdich von Schule beitragen. Lehrkräfte, Schüler, Schulleitung, Eltern und auch Schulaufsicht sind in ihrem kommunikativen Handeln auf einander und auf eine konstruktive Haltung angewiesen. Kommunikationskompetenz fließt somit auch in die Schulentwicklung ein, z. B. in die Leitbildentwicklung, in Konzepte zum Umgang mit Konflikten und Mobbing sowie zum sozialen Miteinander und zur Gesundheitsfcirderung. Organisationspsychologische Studien zeigen, dass kompetentes Kommunikationsverhalten unter anderem Arbeitszufriedenheit, Identifikation mit der Organisation und Extrarollenverhalten (berufliches Engagement über das erforderliche Maß hinaus) beeinflusst (z. B. Schneider, Hertzsch & Maier 2011) . Dass dies auch für die Organisation Schule gilt, liegt auf der Hand und konnte in ersten Studien belegt werden (z. B. Hertzsch 2011). 4.6 Leseempfehlungen Hennig, C. & Ehinger, W (2003). Das Elterngespräch in der Schule: Von der Konfrontation zur Kooperation. Donauwörth: Auer. Meidinger, H . (2000) . Stärke durch Offenheit: Ein Trainingsprogramm zur Verbesserung der Kommunikatiom- und Konfliktfähigkeit von Lehrern. Berlin: Cornelsen Scriptor. 4.7 Literatur Bronfenbrenner, U. (1977). Toward an experimental ecology ofhuman developmenr. American Psychologist, 32, 513-531. Bronfenbrenner, U. (1979). 7he ecology of human developmmt. Cambridge, MA: Harvard University Press. Cohn, R. C. (2009). 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