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Radikalismus

Abstract

Leitfaden

Radikalismus Vorgehen an Schulen der Stadt Zürich bei Verdacht auf Radikalisierung Fragen zur Radikalisierung von Jugendlichen Wie werden Jugendliche auf den Dschihadismus aufmerksam? Medienberichte, islamistische Pop- oder Rap-Musik, Videos und Communities aus dem Internet, brutale Gräuelund Propagandavideos, Austausch mit der Familie oder mit Anhängern dieser Glaubensgemeinschaften. Warum sind Jugendliche empfänglich für extreme Ideologien? Wenig Selbstwertgefühl (familiär oder gesellschaftlich begründet), persönliche oder familiäre Probleme, Sinnund Lebenskrisen, Ausgrenzung oder Entwurzelung. Sie fühlen sich fremd und in einer «falschen» Gesellschaft. Ideologien können Orientierung und Zugehörigkeit vermitteln. Warum findet eine Radikalisierung statt? Kontakte zu bereits radikalisierten Gruppen, Hasstiraden gegenüber Andersdenkenden, Rechtfertigung von Gewalt mit religiösen, fundamentalistischen Ideologien. Attraktivität der Gruppenzugehörigkeit, von Heilsversprechen, es wird moralische Höherwertigkeit suggeriert. Möglichkeit, eigene Probleme auf Sündenböcke zu schieben, Ideologien reduzieren soziale Komplexität. Wie erkennt man Jugendliche, die empfänglich für die Ideologien des Dschihadismus sind? Provozieren mit scheinbar mutigen Aussagen (zum Beispiel, dass sie selbst in den Krieg ziehen werden), mit Gewaltandrohungen oder anderen Delikten. Oft wird die Situation verharmlost durch Aussagen wie «Es ist ja nur ein Spiel, es ist nur Spass». Plötzliche Verhaltensänderungen wie Abkehr von und Aggression gegenüber Andersdenkenden. Wie sollen Erwachsene reagieren? Nicht auf Religions- und Glaubensebene kommunizieren. Dies verlangt viel Fachwissen und Sensibilität. Die Schule ist dafür nicht die richtige Plattform. Beziehungsebene soll aufrecht erhalten werden, versuchen mit dem Jugendlichen in Kontakt zu bleiben. Wichtig: Es gilt der Grundsatz «Gewalt ist durch nichts zu legitimieren und Gewalt ist kein Mittel zur Konliktlösung.» Wer muss bei Verdacht auf Radikalisierung informiert werden? Häufen sich bei Jugendlichen die Anzeichen auf Radikalisierung, dann müssen folgende Stellen informiert werden: – Stadtpolizei Zürich: Tel. 117 – Fachstelle für Gewaltprävention des SSD: Tel. 044 413 87 20 – Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) Der Meldeprozess erfolgt nach dem Ablaufschema auf Seite 3. Parallel dazu soll der Dialog zu den Schülern gesucht und aufrechterhalten werden. Einzelgespräche sind zu bevorzugen. Bereits begonnene Einzelberatungen sind fortzusetzen. Wie muss auf Gewalthandlungen reagiert werden? Bei Gewalthandlungen (zum Beispiel Aussprechen konkreter Drohungen, Mitnehmen von Waffen in die Schule) ist im Notfallhandbuch das Kapitel 7 zu konsultieren. Bei akuten Gewaltdrohungen steht zudem die Notfall-App der Bildungsdirektion des Kantons Zürich zur Verfügung. Erhältlich bei der Fachstelle für Gewaltprävention: Tel. 044 413 87 20 oder unter www.stadt-zuerich.ch/notfall-app. 2 Vorgehen bei Radikalisierung von Jugendlichen Lehrperson Schulleitung Schulsozialarbeiter Gespräch mit Schüler Wer Was Wann Wie Womit Warum Massnahmen Schüler und Umfeld Ereignis Zeitpunkt der Äusserungen/Veränderungen Ereignishergang Äusserungen/Waffen/Video usw. Mögliche Motive Wurde von schulischer Seite bereits etwas unternommen? (z. B. Gespräch mit Schüler oder Eltern) Kein Verdacht auf Radikalisierung Verdacht auf Radikalisierung Tatverdacht Gespräch mit Beratungsstellen Stadtpolizei Zürich Falls erforderlich und mit dem Einverständnis des Schülers, soll das Gespräch mit Eltern und schulischen Beratungsstellen wie zum Beispiel SSA oder SPD veranlasst werden. Allenfalls Gefährdungsmeldung in Betracht ziehen. Tel. 117 Schulpräsidium Kein Verdacht auf Radikalisierung Verdacht auf Radikalisierung INTAKE Fachstelle Gewaltprävention Tel. 044 413 87 20 Fachgruppe Gefahrenabwehr und Einsatz Chef: Tel. 044 411 74 20 Stv.: Tel. 044 411 74 30/21 Kein Verdacht auf Radikalisierung Verdacht auf Radikalisierung Verdacht auf Radikalisierung Detaillierte Einschätzung Fachstelle für Gewaltprävention: [email protected] Kein Verdacht auf Radikalisierung Jugenddienst Stadtpolizei Zürich: [email protected] Zur Klärung dienen folgende Informationen: – Vorhandene Berichte – Angaben zu bereits beigezogenen Institutionen – Informationen zum Schüler (Name, Geburtsdatum, Wohnadresse, Erziehungsberechtigte) Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine gendergerechte Sprache verzichtet. Wenn die männliche Form benutzt wird, sind ausdrücklich auch Frauen gemeint. 3 Rechtsgrundlagen Rassendiskriminierung, Art. 261bis StGB – Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, – wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, – wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, – wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Strafverfolgung etc. – Personen, die sich terroristischen Gruppierungen anschliessen (z. B. «Al-Qaïda», «Islamischer Staat» oder «Jabhat al-Nusra»), werden wegen Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation verfolgt und können nach Art. 260ter StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Wer zudem an Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 264a ff StGB) beteiligt war, kann darüber hinaus auch für diese Taten verfolgt werden. Handelt es sich schliesslich um Schweizer Staatsangehörige, kann gegen sie beim Oberauditorat eine Anzeige wegen fremden Militärdiensts (Art. 94 MStG) erfolgen. Selbstverständlich können ergänzend hierzu weitere Straftaten geahndet werden. – Internet- bzw. Facebook-Auftritt von Jugendlichen: Geteilte Links von gewaltverherrlichenden YouTube Videos, Likes oder Shares auf Facebook, das Herunterladen von Proilbildern von IS-Logos oder -Fahnen sind unter Umständen auch als Unterstützung einer kriminellen Organisation gemäss 260ter StGB zu betrachten. – Das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus sieht die Einführung zweier neuer Bestimmungen vor, die das Anwerben und Ausbilden für terroristische Zwecke unter Strafe stellen. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 11. September 2012 unterzeichnet, bisher aber noch nicht ratiiziert. – Das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (SR 122) verbietet die genannten Gruppierungen und Organisationen und untersagt auch jegliche Handlung, die auf deren materielle oder personelle Unterstützung abzielt, wie Propaganda- oder Finanzierungskampagnen oder die Anwerbung neuer Mitglieder. Bei Verstoss gegen dieses Verbot droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe, sofern keine strengere Strafbestimmung anwendbar ist. Die Verfolgung und Beurteilung dieser Handlungen unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit. – Wird der dschihadistische Rückkehrer verurteilt, so ist die Bedrohung, die potenziell von ihm ausgeht, für die Dauer seiner Haft gebannt. Allerdings hat eine Gefängnisstrafe – so sie denn verhängt wird – im Falle von Dschihadisten kaum abschreckende Wirkung. Sie beseitigt die Bedrohung nicht, wie dies die Attentate in Paris und Kopenhagen kürzlich gezeigt haben. Erfahrungen im Ausland zeigen vielmehr, dass die Überzeugungen eines Dschihadismus-Anhängers durch einen Gefängnisaufenthalt tendenziell sogar verstärkt werden. – Gestützt auf Artikel 68 AuG (der Artikel bezieht sich auf alle Ausländerinnen und Ausländer) können Rückkehrer ohne Schweizer Bürgerrecht des Landes verwiesen werden, wenn sie eine Gefahr für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz darstellen. Diese Massnahme wird von fedpol nach vorgängiger Konsultation des NDB vollzogen1. Bei Flüchtlingen besteht die Möglichkeit des Entzuges der Flüchtlingseigenschaft durch das SEM. Allerdings muss dann ein aufnahmewilliges Land gefunden werden. – Ergibt das psychiatrische Gutachten, dass der dschihadistische Rückkehrer eine Gefahr für sich oder andere darstellt, kann eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet werden2. Im Weiteren sieht Art. 9 BWIS vor, Tätigkeiten zu verbieten, die unmittelbar oder mittelbar dazu dienen, terroristische Umtriebe zu propagieren, zu unterstützen oder in anderer Weise zu fördern. Eine solche Massnahme kann angewendet werden, wenn vermutet wird, dass der Rückkehrer Propagandaaktivitäten führt oder künftige dschihadistische Kandidaten anzuwerben versucht. – Gestützt auf Art. 67 Abs. 4 AuG kann fedpol zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit der Schweiz gegenüber Ausländerinnen und Ausländern ein Einreiseverbot verfügen. Der NDB wird zuvor dazu angehört. Personen, die zum Dschihad aufrufen oder bei welchen Indizien vorliegen, dass sie sich radikalisiert haben und/oder sich in einem der Kampfgebiete als Kämpfer aufhalten und/oder dort die verbotenen Organisationen unterstützen, können radikalisierend auf junge Muslime einwirken oder gar terroristische Aktivitäten bei ihrer Rückkehr entfalten. Solche Personen gefährden die innere Sicherheit der Schweiz, weshalb gegen sie ein Einreiseverbot erlassen werden kann. Gemäss Art. 121 BV kann auch der Bundesrat Ausländer ausweisen (politische Ausweisung), wenn sie die Sicherheit des Landes gefährden. Sie indet dort Anwendung, wo politischer Schaden von der Schweiz abgewendet werden soll. Auf Fälle wie die Rückkehrer aus den Kampfgebieten ist Art. 68 AuG anwendbar. 2 Gemäss Art. 426 ff ZGB. 1 Stadt Zürich Fachstelle für Gewaltprävention Parkring 4 Postfach 8027 Zürich Tel. 044 413 87 20 [email protected] www.stadt-zuerich.ch/gewaltpraevention 4