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Zystozele und perinealer Ultraschall

2016, Der Urologe

Zystozele und perinealer Ultraschall Vergleich von Reliabilität und Patientenzufriedenheit Etwa jede dritte Frau entwickelt im Laufe ihres Lebens eine Zystozele [5]. Eine so häufige Pathologie sollte schnell und sicher diagnostiziert werden, ohne den Komfort der Patientin während der Untersuchung zu vernachlässigen. Diese Arbeit untersucht, ob sich der Perinealultraschall zur Diagnostik sowohl prä-als auch postoperativ eignet und wie diese Methode von den Patientinnen akzeptiert wird. Der dieser Arbeit zugrunde liegende Fragebogen kann bei der korrespondierenden Autorin angefragt werden. Standardisierte Fragebögen wie der von K. Baessler und C. Kempkensteffen validierte Deutsche Beckenbodenfragebogen sind hilfreich für die Einschätzung des individuellen Leidensdrucks [1]. Die Patientin kann sie vor dem Arztgespräch ausfüllen, was Zeit spart und eine gewisse Vollständigkeit gewährleistet.

Originalien Urologe 2016 · 55:1595–1600 DOI 10.1007/s00120-016-0101-x Online publiziert: 28. Juni 2016 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 R. Blum · G. Blum · G. Link · I. Meinhold-Heerlein · L. Najjari Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland Zystozele und perinealer Ultraschall Vergleich von Reliabilität und Patientenzufriedenheit Etwa jede dritte Frau entwickelt im Laufe ihres Lebens eine Zystozele [5]. Eine so häufige Pathologie sollte schnell und sicher diagnostiziert werden, ohne den Komfort der Patientin während der Untersuchung zu vernachlässigen. Diese Arbeit untersucht, ob sich der Perinealultraschall zur Diagnostik sowohl prä- als auch postoperativ eignet und wie diese Methode von den Patientinnen akzeptiert wird. Standardisierte Fragebögen wie der von K. Baessler und C. Kempkensteffen validierte Deutsche Beckenbodenfragebogen sind hilfreich für die Einschätzung des individuellen Leidensdrucks [1]. Die Patientin kann sie vor dem Arztgespräch ausfüllen, was Zeit spart und eine gewisse Vollständigkeit gewährleistet. Definition, Symptome und Diagnostik der Zystozele Bislang fehlen standardisierte Empfehlungen zur sonographischen Vermessung der Zystozele, aber die verschiedenen Senkungsformen des Urogenitaltraktes lassen sich im perinealen Ultraschall gut darstellen und differenzieren [3]. Üblicherweise werden Abdominalsonden mit Frequenzen von 3,5–5 MHz verwendet. . Abb. 1 und 2 zeigen, wie das gewonnene Bild in der Sagittalebene gemäß den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) ausgerichtet wird. Dank entsprechender Programme können die während der Untersuchung gewonnenen Daten anschließend bearbeitet werden. Eine zuverlässige Referenzlinie ist die midpubic line „MPL“ (im deutschen Sprachgebrauch zentrale Symphysenlinie). Da die Symphyse als knöcherne Struktur fixiert und unabhängig von Manövern wie Pressen ist, können bewegliche Strukturen wie Harnblase und Urethra zu ihr in Bezug gesetzt werden. Die Zystozele entsteht durch eine Vorwölbung der Harnblase durch die Scheidenvorderwand. Dies ruft verschiedene Beschwerden hervor wie Fremdkörperund Druckgefühl [11], Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung und Harnwegsinfekten [2], im Extremfall sogar Harnverhalt. Viele Frauen sind jedoch trotz ausgeprägtem Deszensus beschwerdefrei und stellen sich nicht in der Sprechstunde des behandelnden Arztes vor [8]. Die vaginale Spiegeleinstellung und Auswertung nach dem POP-Q-System sind der aktuelle Standard zur Diagnostik der Zystozele. Der Deszensus wird anhand verschiedener Bezugspunkte in Zentimetern erfasst und die Messwerte ergeben dann eine Gradeinteilung (0–4). Der dieser Arbeit zugrunde liegende Fragebogen kann bei der korrespondierenden Autorin angefragt werden. Darstellung der Zystozele im Perinealultraschall Material und Methoden Im Rahmen der urogynäkologischen Sprechstunde des Universitätsklinikums Aachen wurden 33 Frauen nach schriftlicher Einwilligung zur Studienteilnahme untersucht. Bei allen lag eine Zystozele vor (mindestens Grad 2), und alle wurden mittels vorderer Kolporrhaphie operativ behandelt. Vor und nach der Operation wurden Spiegeleinstellung und perinealer Ultraschall durchgeführt. Symptome und Beschwerden wurden mit dem „Deutschen Beckenbodenfragebogen“ von K. Baessler und C. Kempkensteffen dokumentiert, wobei lediglich die für die Zystozele relevanten Fragen einbezogen wurden (Frage 8, 9, 28) [1]. Fragen, die sich auf andere Pathologien beziehen (Rektozele, Inkontinenz etc.), wurden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Zur Erfassung der Patientenzufriedenheit während der Untersuchungen wurde ein klinikinterner Fragebogen verwendet („Fragebogen Untersuchungsverfahren“). Den Antworten „überhaupt nicht“, „ein wenig“, „mäßig“, „besonders stark“ wurde ein Zahlenwert zugeordnet (1 = „überhaupt nicht“ bis 4 = „besonders stark“). Bei der gynäkologischen Untersuchung wurden Senkungen nach dem POP-Q-System standardisiert gemessen und dokumentiert. Die perinealsonographische Untersuchung wurde in Rückenlage mit einem Voluson Expert GE Ultraschallgerät mit der Abdominalsonde (Frequenz Der Urologe 12 · 2016 1595 Originalien Abb. 1 8 Darstellung einer Zystozele im perinealen Ultraschall (Ruhe). (B Blase, U Urethra, MPL midpubic line/zentrale Symphysenlinie, ventral rechts, dorsal links, S Symphyse) Abb. 2 8 Darstellung einer Zystozele im perinealen Ultraschall (Valsalva). (B Blase, U Urethra, MPL midpubic line/zentrale Symphysenlinie) zwei Untersucher, um hinterher die Interobserverkorrelation der Messwerte ermitteln zu können. Die Messwerte wurden in Zentimeter notiert. Der Messwert in Ruhe wurde von dem beim Pressen abgezogen und das Ergebnis als Differenzmaß (DM) bezeichnet. Ausgewertet wurden sowohl die absoluten Werte in Zentimeter als auch das Differenzmaß. Verwendet wurde hierfür das Statistikprogram SPSS, Version 19. Harnblase (Ruhe) Harnblase (Pressen) Symphyse P1 DM MPL Ergebnisse P2 Abb. 3 8 Sonographische Vermessung der Zystozele. P1 = Parallele 1, welche parallel zur midpubic line (MPL = zentralen Symphysenlinie) verläuft. Sie liegt auf Höhe des tiefsten Punktes der Harnblase in Ruhe. P2 = Parallele 2, welche auf Höhe des tiefsten Punktes während des Pressens liegt. (DM Differenzmaß; dieses wird mit Hilfe einer Fallgeraden ermittelt, welche senkrecht zur MPL verläuft und die Distanz zwischen P1 und P2 symbolisiert) 3,5–5 MHz) bei einer Blasenfüllung von circa 300 ml durchgeführt. Die Bildausrichtung erfolgte entsprechend der DEGUM-Empfehlungen. Ein 4D-Volumen wurde aufgenommenund gespeichert, um es anschließend mit dem Programm „4D View“ (Version 5.0, GE Medical, Kretz Ultraschall, Zipf, Österreich) zu bearbeiten. . Abb. 3 zeigt, wie gemessen wurde: Die midpubic line (MPL) als Längsachse derSymphyse wurde zwischenzweigebo- 1596 Der Urologe 12 · 2016 genen Linien gezogen, welche die knöcherne Umrandung der Symphyse anzeigen. Eine zweite Linie wurde parallel zur MPL auf Höhe des tiefsten Punktes des Harnblasenbodens dorsal des Meatus internus gezogen. Der Abstand beider Linien wurde durch eine Senkrechte gemessen. Die Messungen erfolgten sowohl in Ruhe als auch zum Zeitpunkt des maximalen Pressens. Die Auswertung der Volumina durch Messung der genannten Parameter erfolgte unabhängig durch Das mittlere Alter der Frauen betrug 61 Jahre (41–81 Jahre). Es wurden nur Frauen in die Studie aufgenommen, die eine vordere Plastik erhielten und bei denen vollständige prä- und postoperative Daten vorlagen. Die Daten von neun Frauen mussten daher ausgeschlossen werden. Der Untersuchungszeitpunkt lag zwischen dem dritten postoperativen Tag und 20 Monaten nach der Operation. Die Auswertung der Fragebögen ergab folgende Ergebnisse: Alle 24 Frauen kannten die Spiegeleinstellung aber acht Frauen gaben an, zum ersten Mal perinealsonographisch untersucht worden zu sein. Besser als erwartet fanden sieben von 21 Frauen die gynäkologische Untersuchung, 14 Frauen empfanden sie so wie erwartet. Den Perinealultraschall fanden vier Frauen besser als erwartet, bei 17 Frauen entsprach er genau den Erwartungen. Alle Frauen würden beiden Untersuchungen wieder zustimmen. Zusammenfassung · Abstract Insgesamt war für 76 % der Frauen der Perinealultraschall angenehmer als die gynäkologische Untersuchung, 24 % fanden beides gleichwertig im Komfort und keine Frau zog die gynäkologische Untersuchung dem Ultraschall vor. Die Befragung zu den Emotionen während der Untersuchungen ergab positive Ergebnisse für beide Methoden. Die Einzelergebnisse sind in . Tab. 1 und 2 aufgeführt. Die Angaben wurden anschließend zusammengefasst und statistisch untersucht. Dabei war der Durchschnittswert für die Spiegeleinstellung 1,46 und für den Ultraschall 1,35. Die Korrelation zwischen Spiegeleinstellung und Ultraschall war groß (r = 0,81; p < 0,01), der Unterschied der Mittelwerte aber nicht signifikant im T-Test (t = 1,921; p = 0,069). Der Ultraschall wurde als angenehmer und bequemer als die Spiegeleinstellung empfunden: Auf einer Skala von 1 (maximal positive Antwort) bis 10 (maximal negative Antwort) lag der Durchschnitt für den Ultraschall bei 1,46 und für die Spiegeleinstellung bei 2,25. Die Korrelation der Methoden war r = 0,45, p = 0,04. Hier konnte im T-Test eine Signifikanz nachgewiesen werden (t = 4,418; p < 0,01). Die Spiegeleinstellung ergab präoperativ fünfzehn Frauen mit einem Zystozelengrad von drei, neun Frauen hatten einen Zystozelengrad von zwei. Postoperativ hatten neun Frauen keine Zystozele mehr (Grad 0). Elf Frauen wiesen einen Zystozelengrad von eins auf und vier Frauen hatten ein Rezidiv (Zystozelengrad zwei). Wie Abb. 3 zeigt, war bei der sonographischen Auswertung der Zystozele der Deszensus umso höher zu werten, je kleiner der Messwert war, d. h. negative Zahlen bedeuteten ein deutlicheres Tiefertreten der Harnblase als Zahlen im positiven Bereich. Beim Differenzmaß hingegen stand eine höhere Zahl für eine größere Differenz zwischen Ruheposition und Harnblase beim Pressen und wurde somit als höhergradiger Deszensus gewertet. Die Ergebnisse der perinealen Sonographie korrelierten bei Untersucher 1 und Untersucher 2 sowohl bei den präoperativen Messungen als auch bei den postoperativen Messun- Urologe 2016 · 55:1595–1600 DOI 10.1007/s00120-016-0101-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 R. Blum · G. Blum · G. Link · I. Meinhold-Heerlein · L. Najjari Zystozele und perinealer Ultraschall. Vergleich von Reliabilität und Patientenzufriedenheit Zusammenfassung Hintergrund. Der Deszensus genitalis ist eine häufige Pathologie. Der perineale Ultraschall nimmt bei der Diagnostik der Zystozele an Bedeutung zu. Ziel. Diese Arbeit untersuchte, ob der perineale Ultraschall für die Diagnostik der Zystozele sowohl präoperativ als auch in der postoperativen Verlaufskontrolle geeignet ist. Außerdem wurde die Patientenzufriedenheit während der Spiegeleinstellung und des Ultraschalls verglichen. Material und Methoden. Es wurden 33 Frauen mit Zystozele vor und nach vorderer Kolporrhaphie untersucht. Symptome und Zufriedenheit wurden mit Fragebögen dokumentiert. Ergebnisse. Die Ultraschallmessungen beider Untersucher korrelierten vor und nach Kolporrhaphie. Auch der Zystozelegrad und der Perinealultraschall korrelierten postoperativ während des Valsalva-Manövers. Es gab keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Ultraschall und für die Zystozele typischen Symptomen. Der Ultraschall wurde von den Patientinnen angenehmer empfunden als die Spiegeleinstellung (r = 0.45; p = 0.04. t = 4,418; p < 0.01). Diskussion. Der perineale Ultraschall ergibt prä- und postoperativ reproduzierbare Ergebnisse. Die Patientinnen bevorzugen den Ultraschall gegenüber der Spiegeleinstellung. Eine sonographische Gradeinteilung der Zystozele würde den Einsatz des perinealen Ultraschalls erweitern. Schlüsselwörter Zystozele · Perinealer Ultraschall · POP-Q · Patientenzufriedenheit · Kolporrhaphie Cystocele and perineal ultrasound. Comparison of reliability and patient satisfaction Abstract Background. Pelvic organ prolapse is a common medical finding. The use of perineal ultrasound for diagnosis of cystoceles is gaining in importance. Objectives. The purpose of this work was to test whether perineal ultrasound can be used to diagnose a cystocele before surgery and for follow-up examination. Furthermore, patient satisfaction during speculum examination and perineal ultrasound was compared. Materials and methods. 33 women with cystocele were examined before and after anterior colporrhaphy. Symptoms and satisfaction were documented with questionnaires. Results. Ultrasound measurements of both examiners were correlated before and after colporrhaphy. Also, the degree of cystocele gen. Auch das Differenzmaß beider Untersucher korrelierte, wie . Tab. 3 und 4 zeigen. Wie . Tab. 5 zu entnehmen ist, korrelierten bei den präoperativen Messungen der Ultraschall und der Zystozelengrad nach POP-Q lediglich bei Untersucher 1 in Ruhe. Bei Valsalva korrelierten Ultra- and ultrasound were correlated during Valsalva after surgery. There was no clear relation between typical symptoms of the cystocele and ultrasound measurements. The patient’s comfort is higher during ultrasound than during speculum examination (r = 0.45; p = 0.04. t = 4,418; p < 0.01). Conclusion. The results of the perineal ultrasound are reproducible before and after colporrhaphy. Patients prefer ultrasound to the speculum examination. A sonographic scale of the cystocele would extend the use of perineal ultrasound. Keywords Cystocele · Perineal ultrasound · POP-Q · Patient satisfaction · Colporrhaphy schall und Spiegeleinstellung präoperativ nicht. Bei den postoperativen Messungen korrelierten der Zystozelengrad nach POP-Q und der Ultraschall beim Pressen bei beiden Untersuchern (. Tab. 6). Bei Untersucher 1 korrelierten auch das Differenzmaß und der konventionelle Der Urologe 12 · 2016 1597 Originalien Tab. 1 Angaben zu den Emotionen während der gynäkologischen Untersuchung POP-Q Überhaupt nicht Ein wenig Mäßig (Zahlenwert 1) (Zahlenwert 2) (Zahlenwert 3) Besonders stark (Zahlenwert 4) Durchschnitt Ich fühle mich ruhig N=0 N=3 N=7 N = 11 3,38 Ich fühle mich angespannt N=9 N=9 N=3 N=0 1,71 Ich bin traurig N = 20 N=1 N=0 N=0 1,04 Ich bin zufrieden N=0 N=1 N = 10 N = 10 3,42 Ich bin besorgt N = 14 N=7 N=0 N=0 1,33 Mäßig (Zahlenwert 3) Besonders stark (Zahlenwert 4) Durchschnitt Tab. 2 PUS Angaben zu den Emotionen während des perinealen Ultraschalles Überhaupt nicht Ein wenig (Zahlenwert 1) (Zahlenwert 2) Ich fühle mich ruhig N=0 N=3 N=4 N = 14 3,52 Ich fühle mich angespannt N = 11 N=8 N=2 N=0 1,57 Ich bin traurig N = 20 N=1 N=0 N=0 1,04 Ich bin zufrieden N=0 N=1 N=8 N = 12 3,52 Ich bin besorgt N = 17 N=4 N=0 N=0 1,19 Tab. 3 Interobserverkorrelation prä OP Untersucher 2 Ruhe prä OP Untersucher 1 Ruhe prä OP Untersucher 2 Pressen prä OP Untersucher 2 Differenzmaß prä OP 0,840** Untersucher 1 Pressen prä OP 0,666** Untersucher 1 Differenzmaß prä OP 0,723** N = 23 **Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant Zystozelengrad. In Ruhe korrelierten die Werte nicht. In . Tab. 7 ist dargestellt, dass bei der postoperativen Messung Fremdkörpergefühl und das Differenzmaß beider Untersucher korrelierten. Je höher der Wert des Differenzmaßes war, desto wahrscheinlicher gab die Patientin postoperativ ein Fremdkörpergefühl an. Präoperativ korrelierte lediglich der Zystozelengrad nach POP-Q mit dem Symptom Fremdkörpergefühl (Korrelation nach Pearson 0,548**, auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant). Präoperativ konnte nur bei Untersucher 1 beim Pressen ein Zusammenhang zum Harnverhalt gezeigt werden. Es fand sich auch keine Korrelation zum Zystozelengrad nach POP-Q. Der Harnverhalt korrelierte jedoch postoperativ mit dem Zystozelengrad und dem Perinealultraschall beider Untersucher beim Pressen (. Tab. 8). Je kleiner der sonographisch gemessene Wert war, desto eher litt die Patientin unter einem Harnverhalt. 1598 Der Urologe 12 · 2016 Diskussion Der Ultraschall ergibt reproduzierbare Ergebnisse vor und nach OP: Diese Arbeit zeigt, dass die perinealsonographische Vermessung der Zystozele sowohl präoperativ als auch postoperativ reproduzierbare Ergebnisse hervorbringt und die Untersuchungsmethode von Patientinnen gut toleriert wird. Um festzustellen, ob die sonographische Beurteilbarkeit der Harnblase durch eine stattgehabte Operation negativ beeinflusst wird, wurden die Messungen sowohl prä- als auch postoperativ durchgeführt. Die Untersuchung der Interobserverreliabilität bei der Perinealsonographie ergibt eine gute Übereinstimmung. Sowohl bei den prä- als auch bei den postoperativenMessungenkorrelierendie Ergebnisse von Untersucher 1 und Untersucher 2 sowie das Differenzmaß auf hohem Niveau in Ruhe und beim Pressen. Bei der statistischen Auswertung von Spiegeleinstellung und Ultraschall zeigt sich eine Korrelation zwischen den postoperativen Messwerten von Unter- sucher 1 und 2 beim Pressen sowie dem Differenzmaß von Untersucher 1 zu den Zystozelengraden, gemessen mit Hilfe des POP-Q-Systems. Präoperativ korreliert der Zystozelengrad nach POPQ lediglich bei Untersucher 1 in Ruhe, beim Pressen nicht, und auch zwischen Differenzmaß und Zystozelengrad gibt es keinen signifikanten Zusammenhang. Eine Korrelation zum Zystozelengrad in Ruhe erscheint generell irrelevant, da sich der Deszensus erst beim Pressen vollständig darstellt. Auch das POP-QSystem beurteilt den Prolaps während des Valsalva-Manövers. Dass die präoperativen Messwerte beim Pressen nicht mit dem Zystozelengrad korrelieren, könnte daran liegen, dass die Patientengruppe eine niedrige Varianz aufweist (lediglich Frauen mit Zystozele Grad 2 und 3). Hier wäre es vermutlich von Vorteil, eine größere Patientenzahl zu haben und auch Frauen mit Zystozele Grad 0, 1 und 4 in die Studie aufzunehmen. Tab. 4 Interobserverkorrelation post OP Untersucher 2 Ruhe post OP Untersucher 1 Ruhe post OP Untersucher 2 Pressen post OP Untersucher 2 Differenzmaß post OP 0,950** Untersucher 1 Pressen post OP Tab. 5 Korrelation Zystozelengrad POP-Q und Ultraschall inkl. Differenzmaß prä OP POP-Q prä OP Untersucher 1 Ruhe prä OP 0,931** Untersucher 1 Differenzmaß post OP 0,413* Untersucher 1 Pressen prä OP –0,092 0,879** Untersucher 1 Differenzmaß prä OP 0,332 Untersucher 2 Ruhe prä OP 0,241 N = 23 **Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant Untersucher 2 Pressen prä OP –0,124 Tab. 6 N = 24 Korrelationen Untersucher 1 N = 22 Korrelationen Untersucher 2 *Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant Korrelationen Zystozelengrad POP-Q und Ultraschall inkl. Differenzmaß post OP Zystozelengrad nach POP-Q post OP Untersucher 1 Pressen post OP –0,484* Untersucher 2 Pressen post OP –0,525* Untersucher 1 Differenzmaß post OP 0,423* Untersucher 2 Differenzmaß post OP 0,324 N = 24 Korrelationen Untersucher 1 N = 22 Korrelationen Untersucher 2 *Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant Sonographische Vermessung Zystozele Die Idee des Differenzmaßes entstand durch die Frage, ob nicht nur die Lage des tiefsten Punktes beim Pressen relevant sei, sondern auch die relative Verlagerung der Blase (die Strecke des Sinkens nach unten). Zudem könnten dadurch individuelle Unterschiede im Ansetzen der MPL bei den Untersuchern ausgeglichen werden. Da jedoch die Reliabilität der Einzelergebnisse beim Pressen und in Ruhe genauso nachweisbar ist wie für das Differenzmaß, scheinen Unterschiede zwischen den einzelnen Untersuchern bei der Messung vernachlässigbar zu sein, was in der Literatur bestätigt wird [7, 10]. H.P. Dietz schlug erstmalig eine sonographische Gradeinteilung der Zystozele vor [4]. Im Gegensatz zu dem Vorgehen in dieser Arbeit nutzte er als Referenz beim translabialen Ultraschall den inferoposterioren Rand der Symphyse. Die Verwendung der MPL wird allerdings in den Empfehlungen der DGGG und der AUGUB zur Perinealsonographie erwähnt. Sie bietet den Vorteil, dass sie eine Verlängerung der Symphysenlängsachse darstellt, während die von Dietz vorgeschlagene Referenzlinie die Symphyse nur in einem Punkt schneidet und somit anfälliger für Messfehler ist. Auch Najjari et al. entwarfen eine Skala, die die MPL nutzt [7]. In ihrer Arbeit wurde die Gradeinteilung mittels absoluter Messwerte in Bezug zur MPL gesetzt, und nicht wie hier die relative Verlagerung der Harnblase ermittelt, welche durch das DM erfasst wird. Andere Autoren nutzen zur Evaluation des Beckenbodens den transrektalen Ultraschall, meist bei Fragen der Inkontinenz [6, 9]. Nach unserem Kenntnisstand wurde noch keine Gradeinteilung im transrektalen Ultraschall vorgeschlagen, und auch wenn uns keine entsprechenden Untersuchungen bekannt sind, erwarten wir bei dieser Methode eine niedrigere Patientenzufriedenheit. Es gibt aber bislang keine allgemeine Empfehlung für den Einsatz des perinealen Ultraschalls bei der Deszensus-Diagnostik. Unter Umständen könnte auch ganz auf eine Gradeinteilung verzichtet werden: Für den Kliniker ist im Grunde nur die Frage relevant, ob ein Deszensus therapeutischer Intervention bedarf oder nicht. Dabei ist gerade die Gruppe von Frauen mit Grad 2 und 3 heterogen, was die Beschwerden betrifft [8]. Dies weist darauf hin, dass die konventionelle Gradeinteilung für den Operateur nur bedingt hilfreich ist. Weitere Untersuchungen über das Differenzmaß könnten die Erstellung einer Skala ermöglichen, welche entweder in einer simplen Untersucher 2 Differenzmaß prä OP 0,260 sonographischen Gradeinteilung der Zystozele resultierenwürde, odereinenCutoff-Wert ermitteln, der vielleicht klarer als die Gradeinteilung bei der Identifizierung operationswürdiger Befunde helfen könnte. Bei frischen postoperativen Befunden kann es schwierig sein, die Harnblase in der Spiegeleinstellung zu beurteilen, da die Naht durch den relativen Überschuss der Vaginalschleimhaut anfangs wulstig ist. Im Ultraschall können Form und Lage der Harnblase dagegen klar abgegrenzt werden. Der Totalprolaps lässt sich jedoch perinealsonographisch nicht gut darstellen, da die Ultraschallsonde den kompletten Vorfall des Organs bei zu hohem Druck verhindern kann und Bezugspunkte wie die Symphyse nicht mehr ausreichend dargestellt werden. Trotzdem hilft der Ultraschall bei der Differenzierung der verschiedenen ProlapsFormen [3]. Der Totalprolaps ist jedoch ohnehin eine eindeutige klinische Diagnose und bedarf keiner weiteren Vermessung. Beschwerden und Zystozelengrad stimmen oft nicht überein Eine weitere Frage dieser Arbeit ist, ob die mit Hilfe der Fragebögen ermittelten Beschwerden mit den Messungen korrelieren. Bei der postoperativen Messung korrelieren das Fremdkörpergefühl mit dem Differenzmaß und der Harnverhalt sowohl mit dem postoperativen Zystozelengrad als auch mit dem PerinealultraDer Urologe 12 · 2016 1599 Originalien Tab. 7 Korrelation Fremdkörpergefühl post OP Fremdkörpergefühl post OP Untersucher 1 Differenzmaß post OP 0,465* Untersucher 2 Differenzmaß post OP 0,460* N = 24 Korrelationen Untersucher 1 N = 22 Korrelationen Untersucher 2 *Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant Tab. 8 Korrelation Harnverhalt post OP Harnverhalt post OP Zystozelengrad nach POP-Q 0,516** Untersucher 1 Pressen post OP –0,503* Untersucher 2 Pressen post OP –0,492* N = 24 Korrelationen Untersucher 1 N = 22 Korrelationen Untersucher 2 *Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant **Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant schall beider Untersucher beim Pressen. Bei einer größeren Anzahl untersuchter Frauen könnten mehr Korrelationen zwischen dem Differenzmaß und spezifischen Beschwerden nachweisbar werden, allerdings ist aus anderen Studien bekannt, dass Beschwerden und Zystozelengrad insgesamt nur schwach korrelieren [8]. Der perineale Ultraschall wird besser toleriert als die Spiegeleinstellung Fragebögen wie der Deutsche Beckenbodenfragebogen sind ein erprobtes Mittel zur Erfassung subjektiver Empfindungen. Da es keinen validierten Fragebogen zu den Empfindungen während der von uns durchgeführten Untersuchungen gibt, wurde ein eigener Fragebogen verwendet. Dieser wurde nach Standard validierter Fragebögen entworfen. Die Antworten auf die Fragen zu den emotionalen Empfindungen während beider Untersuchungen sind nicht signifikant unterschiedlich, zeigen aber einen Trend zugunsten des Ultraschalls. Eine größere Anzahl von Probandinnen könnte möglicherweise zu signifikanten Ergebnissen führen. Der Komfort bei der Perinealsonographie scheint jedoch größer zu sein als bei der Spiegeleinstellung, die Ergebnisse sind signifikant. Es gibt eine starke Korrelation zwischen den Antworten zum Ultraschall und denen zur Spiegeleinstellung. Vermutlich haben 1600 Der Urologe 12 · 2016 die Frauen eine generell positive Einstellung gegenüber beiden Methoden, bevorzugen aber dennoch den Ultraschall: 76 % der Frauen finden den Ultraschall angenehmer, obgleich sie ihn teilweise zum ersten Mal erlebten. Die gynäkologische Spiegeleinstellung kennt jede befragte Frau, was sich vermutlich positiv auf die Toleranz auswirkt. Wäre die Perinealsonographie den Patientinnen besser bekannt, würde der Unterschied in der Patientenzufriedenheit zugunsten des Ultraschalls möglicherweise noch größer ausfallen. Fazit Die Diagnostik der Zystozele sollte möglichst rasch und einfach zum Ziel führen. Der Perinealultraschall kann hierfür mit reproduzierbaren Ergebnissen eingesetzt werden. Eine vorausgegangene vordere Kolporrhaphie beeinträchtigt dabei die Qualität des Ultraschalls nicht. Der Komfort der Untersuchungsmethoden ist beim perinealen Ultraschall größer als bei der gynäkologischen Spiegeleinstellung und der Ultraschall wird nach diesen Daten von den Frauen bevorzugt. Die gute Akzeptanz des Ultraschalls bei Untersuchern und bei Untersuchten macht Mut, die Anwendungsgebiete des Perinealultraschalles zu erweitern, auch wenn es bislang noch keinen Standard für die Quantifizierung der Zystozele gibt. Das Differenzmaß könnte jedoch ein erster Schritt hierhin sein. Korrespondenzadresse R. Blum Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen, Deutschland [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. R. Blum, G. Blum, G. Link, I. Meinhold-Heerlein und L. Najjari geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Vor Durchführung der Studie erfolgte eine Vorstellung des Designs gegenüber der Ethikkommission, die keinerlei Bedenken hatte. Literatur 1. Baessler K, Kempkensteffen C (2009) Validierung eines umfassenden Beckenboden-Fragebogens für Klinik, Praxis und Forschung. Gynakol Geburtshilfliche Rundsch 49:299–307. doi:10.1159/000301098 2. Chung A, Arianayagam M, Rashid P (2010) Bacterial cystitis in women. Aust Fam Physician 39(5):295–298 3. Dietz HP (2004) Ultrasound imaging of the pelvic floor. Part I: two-dimensional aspects. Ultrasound Obstet Gynecol 23(1):80–92 4. Dietz HP, Haylen BT, Broome J (2001) Ultrasound in the quantification of female pelvic organ prolapse. Ultrasound Obstet Gynecol 18:511–514 5. Hendrix SL, Clark A, Nygaard I, Aragaki A, Barnabei V, McTiernan A (2002) Pelvic organ prolapse in the Women’s Health Initiative: gravity and gravidity. Am J Obstet Gynecol 186(6):1160–1166 6. 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