Schwerpunkt: Uropathologie
Pathologe 2008 · 29:364–370
DOI 10.1007/s00292-008-1015-1
Online publiziert: 6. Juli 2008
© Springer Medizin Verlag 2008
R. Knüchel1 · S.V. Koufou1 · M. Speicher2 · K. Schwamborn1 · D. Zaak3 · R. Stöhr4
1 Institut für Pathologie, Universitätsklinik RWTH Aachen
2 Institut für Humangenetik, Universität Graz, Österreich
3 Urologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilian-Universität München
4 Institut für Pathologie, Universitätsklinik Erlangen
Präkanzerosen
des Urothels
Von der Feulgen-Färbung
bis zur Einzelzell-CGH
Die Histomorphologie kennt seit Langem „flache“ Veränderungen des Urothels, die insbesondere unter Zuhilfenahme der fluoreszenzgestützten Zystoskopie
der zystoskopischen Entdeckung deutlich
besser zugänglich sind [16]. Folgende wesentliche Ziele verbinden sich mit der Forschung an diesen Präkanzerosen und frühen Tumorstadien:
1. Durch das Zusammenwirken morphologischer und genetischer Befunde soll eine einheitliche und möglichst eindeutige Terminologie entwickelt werden.
2. Die klinische Wertigkeit der flachen
Urothelveränderungen ist erneut zu
bedenken und prospektiv zu belegen.
3. Die Erkenntnisse sollen auch für die
Zytologie genutzt werden.
Der folgende Beitrag befasst sich mit diesen Aufgaben und beleuchtet die klinische
Perspektive und mögliche klinische Konsequenzen unserer Diagnostik.
Charakterisierung
von Frühstadien
Im Jahr 1986 heißt es in der Veröffentlichung von Hofstädter und Jakse, dass die
DNA-Zytometrie an Feulgen-gefärbten
Zellen „für die Standardisierung von präneoplastischen und frühen Tumorstadien
in der Entwicklung des Harnblasenkarzinoms genutzt werden kann“ [15]. Grund-
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lage für diese Aussage war die gemessene
bekannte Aneuploidie des Carcinoma in
situ (CIS), aber zusätzlich eine Tetraploidie, die in den Dysplasien und nicht im
Normalurothel gefunden worden war. Es
handelt sich um eine der ersten Publikationen, die an Vorläuferläsionen eines invasiven Tumors des Urothels die quantitative Genetik zur Objektivierung des morphologischen Befundes eingesetzt haben.
Flache urotheliale High-gradeNeoplasie (CIS des Urothels)
Die Aussage der Feulgen-Färbung konzentriert sich durch stöchiometrische
Anfärbung der DNA auf den gerade für
solide Tumoren bekannten Unterschied
in der chromosomalen Menge gegenüber der Normalzelle. Das unregelmäßige
Mehrwerden von Chromosomenmaterial
ist ein dem Pathologen vertrautes Bild, das
auch in den konventionellen lichtmikroskopischen Färbungen als Hyperchromasie, Kernvergrößerung und Kernentrundung ausgedrückt wird und das Grading
der meisten Tumoren, insbesondere der
Karzinome, bestimmt.
Im Prinzip kommt hier die genetische
Instabilität der Zelle zum Ausdruck, die
ein Schlüsselwort der letzten WHO-Klassifikation der Harnblasentumoren darstellt [9]. Die genetisch instabile, ausgeprägt polymorphe Zelle wurde in flachen
urothelialen Neoplasien als wesentliches
Kennzeichen des CIS definiert oder umgekehrt, es bedarf nicht mehr der Schichtungsstörung des gesamten Urothels, um
ein CIS zu diagnostizieren (. Abb. 1 a–c,
. Abb. 2 c). Die Interpretation einer oder
weniger hochgradig atypischer Zellen im
Urothel beläuft sich auf folgende Möglichkeiten:
a) die Zellen sind die ersten Zeichen einer Läsion,
b) die Zellen stellen Ausläufer einer größeren Läsion dar,
c) die Zellen sind pagetoid (intraepithelial) dorthin gewandert (. Abb. 1).
Die Möglichkeiten b und c sind in unserer Erfahrung die häufigeren. Die Entstehungswege sind durch molekulare Zusatzuntersuchungen über den Ausbreitungsmechanismus von malignen urothelialen Zellen gut fundiert. Vielfach angenommene und diskutierte Möglichkeiten
der Tumorzellaussaat und der Tumorzellmigration konnten mittels des Nachweises
der p53-Mutation dieser Zellen, die innerhalb des Urothels verfolgt werden kann,
dargestellt werden (z. B. [12]) und scheinen auch ohne p53-Mutation vorzukommen [10].
Wichtig ist, dass parallel zur Forschung
zum Thema Zellaussaat – und nicht unbeeinflusst hiervon – klinisch eine unmittelbare perioperative Mitomycin-Instillation
zum Abtöten von losgelösten Tumorzellen begonnen worden ist, deren Einsatz
eine eindrucksvolle Rezidivratenreduktion bis zu 50% zeigt und zum Standardelement der Behandlung im Zusammenhang mit der transurethralen Tumorresektion geworden ist [2]. Es handelt sich
um einen Zeitpunkt im Rahmen des Eingriffs, an dem die Bacillus-Calmette-Guérin- (BCG-)Gabe noch kontraindiziert ist,
weil der systemische Effekt (Tuberkulose)
bei einer Gabe bei bestehender Wunde eine wahrscheinliche Nebenwirkung ist.
Die gerade erfolgte Darstellung beschreibt den Minimalbefund dessen, was
als CIS oder nach der WHO-Klasifikation
2004 als flache urotheliale Läsion „high
grade“ beschrieben wird. Es sollte dadurch deutlich sein, dass ein Teil der früher als Dysplasie Grad II diagnostizierten
Fälle nun als CIS (flache urotheliale Neoplasie „high grade“) diagnostiziert werden muss, und es stellt sich die Frage, welches die Diagnosekriterien der Dysplasie
(flache urotheliale Neoplasie „low grade“)
sind.
Diese Diskussion muss insbesondere
im Bewusstsein der Entität reaktive Atypie
geführt werden, die aus diesem Grund der
Dysplasie noch vorangeschaltet wird.
chitekturstörungen des Urothels in Kombination mit entzündlichen Veränderungen. Ursächlich sind Urozystitiden
sowie ein Zustand nach Therapie. Für
den Pathologen ist die Abgrenzung zu einer echten urothelialen Neoplasie manchmal schwierig. Hier sind klinische Angaben, vor allem über Art und Zeitpunkt
von Therapien, erforderlich. Die Definition beinhaltet folglich die Notwendigkeit
der klinischen Information und verwendet den Begriff Atypie für nichtmaligne
und nichtpräkanzeröse Veränderungen
in Abgrenzung gegen die Dysplasie und
das CIS.
Dies halten wir für einen wichtigen
Beitrag für die Eindeutigkeit der Begriffe
und empfehlen die konsequente Verwendung. Sollten trotz klinischer Angaben noch Zweifel bestehen, kann eine immunhistochemische Zusatzuntersuchung
[keine Vermehrung der Zytokeratin-20(CK20-)Expression] oder eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung mit UroVysion am Schnitt (keine wesentliche Aneusomie/Aneuploidie) in den Fällen, die
klinisch tragend für eine Entscheidung
zur chirurgischen Therapie sind, hilfreich
sein [26].
Reaktive Atypie des Urothels
Die Definition dieser Läsion und auch deren besondere Beachtung halten die Autoren für eine wertvolle Entscheidung. Die
reaktive Atypie zeigt Zellatypien und Ar-
Flache urotheliale Low-gradeNeoplasie (Dysplasie)
Die Dysplasie hingegen ist eine echte Präkanzerose mit Zellen, die nicht ausgeprägt
genetisch instabil sind. Sie erhält in der
WHO-Klassifikation von 2004 in Analogie zum papillären Analogon den Ausdruck: flache urotheliale Neoplasie, „low
grade“ (. Abb. 2 b; [9]). Die bisher in
der Literatur zitierten Daten, wie z. B. eine Häufigkeit von etwa 25% der Dysplasie
in Assoziation mit muskelinvasiven Urothelkarzinomen, beziehen sich noch nicht
eindeutig auf diese Entität, da hier durchaus auch Läsionen erfasst sind, die heute
als CIS und z. T. auch als pagetoides CIS
bewertet würden.
Diese Läsion ist entsprechend nicht reaktiv und zeigt innerhalb des Urothels keine Zelle oder Zellen, die schon als genetisch instabil im Sinne von ausgeprägt polymorph gelten könnte. Bei diesen Läsionen kann eine Neoangiogenese des urothelnahen Stromas bei nur geringer Entzündung auffallen, und einige Kerne sind
in der Polariät gestört (. Abb. 2 a) Die
Proliferationsfraktion (Darstellung mit
Ki67 ist nicht diagnostisch) und ein Teil
dieser Läsionen zeigen eine aberrante
CK20-Expression. Dieses Bild wird im
Zusammenhang mit anderen Läsionen
der Harnblase und nach unserer Erfahrung selbst unter Einsatz der photodynamischen Therapie insgesamt selten gesehen. Seit 1996 liegen uns nur 12 primäre Fälle vor, an denen wir genetische Veränderungen wie Verlust von Chromosom 9 und einzelne Polysomien zeigen
konnten. Die Einzelzell-CGH („Compa-
Schwerpunkt: Uropathologie
Ausläufer
einer unscharf begrenzten
flachen Läsion
Pagetoide Ausbreitung
= intraurotheliale Migration
a
Abb. 1 7 Carcinoma in situ des Urothels. a HE-Färbung. b, c Verschiedene fluoreszenzzystoskopische
Ansichten von histologisch gesicherten CIS des
Urothels (Rotfluoreszenz).
Schematisch dargestellt
sind die Ausbreitungsmuster urothelialer Läsionen
in der Harnblase: Schwarze
Striche entsprechen potenziellen Schnittstufen in einer Probe bei transurethraler Resektion
De novo
- multifokal?
b
c
Abb. 2 8 Differenzialdiagnose präkanzeröser Veränderungen des Urothels. a Reaktive Atypie des Urothels, b Dysplasie oder „low
grade“ intraepitheliale Neoplasie, c Carcinoma in situ oder „high grade“ intraurotheliale Neoplasie (HE-Färbung, Balken: 50 µm)
rative Genomic Hybridization“) an diesen kleinen Läsionen zeigte geringe Veränderungen wie einen Chromosom-YVerlust, der im Normalurothel nicht vorliegt [21]. Die genetischen Daten bestärken, dass es die Dysplasie als Präkanzerose gibt und dass sie von den genetischen
Veränderungen her noch nicht den Weg
in Richtung flacher oder papillärer Neoplasie erkennen lässt.
Hyperplasie
Die Verdickung des Urothels wurde schon
früh in Assoziation mit papillären Tumoren beschrieben und deshalb als Ausläufer und Vorstadium vermutet. Ein Urothel
proliferiert und verdickt sich aber auch im
Zusammenhang mit reparativen Entzün-
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dungsprozessen, sodass sich die Frage
stellt, ob und welche Verdickung des Urothels als Präkanzerose zu werten ist.
Vom histomorphologischen Bild her
sprechen wir von der einfachen Hyperplasie, wenn das Urothel „normal“ und nur
verdickt ist und von der papillären Hyperplasie, die selten ist, wenn das Urothel
ebenso aussieht, aber in plumpen nichtverzweigten Falten vorliegt. Ein Anhalt
für genetische Instabilität besteht morphologisch folglich nicht. Trotzdem zeigen Untersuchungen, dass hier im Vergleich zum Normalurothel bereits genetische Veränderungen vorliegen, die Gemeinsamkeiten mit denen papillärer Veränderungen zeigen [20]. Die in der zitierten Arbeit genetisch untersuchten Hyperplasien entsprachen fluoreszenzendos-
kopisch leuchtenden Herden. Weiterführende Untersuchungen haben zusätzlich
zu den Chromosom-9-Alterationen eine
Mutation des „fibroblast growth factor receptor 3“ (FGFR3) gefunden, die zwar einerseits die „Tumorentität“ erhärtet, andererseits aber das niedrige maligne Potenzial betont. Die FGFR3-Mutation entspricht einer Mutation eines Tyrosinkinaserezeptors, die bei papillären nichtinvasiven Tumoren mit einer guten Prognose einhergeht [30]. Van Oers et al. [29]
konnten aber gleichzeitig feststellen, dass
Chromosom-9-Alterationen häufiger als
die FGFR3-Mutation vorkamen, sodass
bisher alle Läsionen des Urothels mit Veränderungen am Chromosom 9 zu beginnen scheinen.
Zusammenfassung · Abstract
Normal, Präkanzerose
oder Karzinom
Im Normalgewebe von Nicht-Tumorpatienten hat man bisher keine signifikanten
genetischen Veränderungen gefunden.
Diese Untersuchungen werden jedoch
meist durch fehlende Verfügbarkeit von
Gewebe aus Patienten ohne maligne Erkrankung des Urogenitaltrakts erschwert.
Der schädliche Einfluss des Rauchens
sowie das erhöhte Harnblasenkarzinomrisiko von Rauchern ist bereits sehr lange
bekannt und gut dokumentiert [25]. Kürzlich gelang es erstmalig, die „Antwort“
von Epithelzellen der Harnblase auf Zigarettenrauch anhand abgeschilferter Zellen
im Urin zu zeigen, indem eine Expression
des Cytochrom-P450-Enzyms CYP1A1 in
Zellen von Rauchern nachgewiesen wurde, die bei Zellen von Nichtrauchern fast
nicht vorkam [7]. CYP1A1 spielt eine
Schlüsselrolle bei der chemischen Kanzerogenese, und die Expression in Urothelzellen ist ein klares Zeichen für eine Exposition des Harnblasenepithels mit exogenen Kanzerogenen, die – falls über einen längeren Zeitraum anhaltend – zu tumorigenen Veränderungen führen kann.
Trotz solcher neuen spannenden Ansätze darf bei dieser Betrachtung auch eine
mögliche genetische Prädisposition nicht
außer Acht gelassen werden.
Es wurden bereits zahlreiche „Casecontrol-Studien“ publiziert, die einen
Zusammenhang zwischen Harnblasenkarzinomrisiko, Rauchen und Genpolymorphismen untersucht haben [23]. Dabei wurde das Hauptaugenmerk auf polymorphe Gene gerichtet, die am Metabolismus von Karzinogenen beteiligt sind. Bislang konnten 2 Gene durch genügend hohe Fallzahlen glaubhaft validiert werden
(NAT2, GSTM1), deren polymorphe Varianten mit einem erhöhten Harnblasenkarzinomrisiko verbunden sind, das in Kombination mit Rauchen weiter ansteigt.
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Präkanzerosen des Urothels. Von der FeulgenFärbung bis zur Einzelzell-CGH
Zusammenfassung
Die Feulgen-Färbung mit der Möglichkeit der
quantitativen Wiedergabe der DNA-Menge
eines Kerns ist eine gute und einfache Methode, die unregelmäßige DNA-Vermehrung
einer malignen Zelle wiederzugeben, welche
wiederum Ausdruck der genetischen Instabilität ist. Die genetische Instabilität einer Tumorzelle ist das Kernstück der WHO-Klassifikation des Harnblasenkarzinoms aus dem
Jahr 2004, innerhalb derer flache und papilläre Neoplasien in „Low-“ und „High-gradeLäsionen“ eingeteilt werden. „High grade“
gibt die genetische Instabilität und die da-
mit verbundene höhere Progressionswahrscheinlichkeit wieder. Begleitende konkrete
genetische Alterationen über die rein numerischen hinaus werden zunehmend diskriminierend identifiziert und zugeordnet. Der
Stand der genetischen Untersuchungen insbesondere bei den Präkanzerosen wird hier
im Kontext mit Morphologie (histologischer
und zytologischer Diagnostik) und Klinik
schwerpunktmäßig zusammengefasst.
Schlüsselwörter
Präkanzerose · Urothel · Molekulare Genetik ·
Harnblasenkartierung · Zytologie
Precancerous lesions of the urothelium.
From Feulgen staining to single cell CGH
Abstract
Feulgen staining represents a staining method to quantitatively document the DNA content of a nucleus. Thus it is an excellent and
straightforward method to reflect the irregular increase in DNA content of a malignant
cell as a sign of genetic instability. Genetic instability of the tumour cell is the key feature
of the 2004 WHO classification of bladder tumours, in which flat and papillary neoplasia are grouped into low- and high-grade lesions. “High grade” represents the tumor with
genetic instability and consequently a high-
er likelihood of progression. Concomitant distinct genetic aberrations other than the numeric ones are increasingly identified as discriminators and help group the entities. The
current status of genetic investigations, especially those in precancerous lesions, will be
outlined in this review in the context of morphology (histology and cytology) as well as
clinical situation.
Keywords
Precancerous · Urothelium · Molecular genetics · Mapping of urinary bladder · Cytology
Tumorassoziierte
Genveränderungen
Im Gegensatz zu den mangelnden Daten
über genetische Alterationen im Normalgewebe von Nichttumorpatienten gibt es
bereits interessante Einblicke in die Veränderungen des „normalen“ Urothels
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Schwerpunkt: Uropathologie
Abb. 3 9 Repräsentative
HE-Bilder sowie korrespondierende „class images“
von je einer Normalurothelprobe (a, c) und einem
„low grade“ papillären Karzinom (b, d). Die Einschübe zeigen jeweils eine Ausschnittsvergrößerung des
HE-Bildes, der Balken entspricht 100 µm. In den
„class images“ (c, d) ist das
Karzinom durch rote, normales Gewebe durch grüne und unklassifizierbare
Areale durch schwarze Pixel
dargestellt
beim Harnblasenkarzinompatienten. Eigene und parallel publizierte Studien zeigen deutlich tumorassoziierte Veränderungen im histopathologisch unauffälligen Blasenepithel von Zystektomiepräparaten und TUR-B-Biopsien [27, 17], jedoch mit einer relativ geringen Frequenz.
Berichte über nachweisbare DNA-Schäden in Spülzytologiepräparaten von Patienten mit einer Harnblasenkarzinomvorgeschichte [11] unterstreichen dies zusätzlich.
Solche schwerwiegenden chromosomalen Ereignisse sind jedoch sehr wahrscheinlich ein spätes Ergebnis einer massiven Schädigung, und der tumorigene Prozess hat bereits vorher begonnen. DNA-Modifikationen, die einen direkten Einfluss auf die Genexpression besitzen, scheinen hier eine besondere Rolle zu spielen. Die Promotorhypermethylierung als Möglichkeit eines „gene-silencing“ ist bereits aus vielen Malignomen
bekannt. Auch beim Harnblasenkarzinom kennt man bereits mehrere Beispiele
von Expressionsverlust aufgrund dieser
DNA-Modifikation (z. B. sFRP1, RASSF1A). Dieses Phänomen konnte kürzlich
auch in hoher Frequenz im Normaluro-
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thel von Patienten mit Harnblasentumor
nachgewiesen werden, womit das fehlgeleitete Abschalten von Genen als ein sehr
frühes Ereignis in der Tumorentstehung
vermutet werden kann [6].
Interessanterweise führt auch das gegenteilige Ereignis, nämlich eine Hypomethylierung zu einer Fehlregulation von zellulären Mechanismen, die eine Tumorentstehung begünstigen [24]. Aktuell wurde
weiterhin gezeigt, dass ein relativ niedriger,
globaler Methylierungsgrad der DNA in
Leukozyten ein neuer Biomarker für das
Harnblasenkarzinom sein könnte, da dieser Methylierungsgrad bei betroffenen Patienten auffallend niedrig zu sein scheint
[22]. All diese Beispiele zeigen, dass sich
innerhalb des Urothels bereits frühzeitig Mechanismen abspielen, die eine Tumorentwicklung fördern, auch wenn auf
histomorphologischer Ebene noch keine Auffälligkeiten nachgewiesen werden
können. Das Verständnis diese Vorgänge
und deren Assoziation mit exogenen Noxen wird in Zukunft durch intensive Analysen klarer werden und uns eine Vorstellung der Prozesse erlauben, die letztendlich zum Karzinom führen.
Klinische Bedeutung
Insgesamt können wir im Kontext mit
den obigen Ausführungen die Dysplasie,
die Hyperplasien mit genetischen Veränderungen und natürlich das CIS aufgrund
unseres klinischen Wissens und der bestätigenden genetischen Daten als Präkanzerosen akzeptieren. Aber warum nennen
wir eigentlich die nichtinvasiven papillären Low-grade- und High-grade-Tumoren Karzinome? Sie sind nichtinvasiv, sie
sind genauso exophytisch wie ein Dickdarmadenom, und es gibt sogar papilläre
Tumoren in dieser Gruppe, bei denen mit
Progredienz nicht einmal zu rechnen ist.
So ist es sicherlich gerechtfertigt – die
Urologen kennen alle die Patienten, die sie
10 Jahre oder mehr verfolgen und die immer wieder einmal einen kleinen papillären
Tumor in der Harnblase zeigen, von denen aber keiner Progredienz gezeigt hat –,
zumindest durch ordentliche Histologie
eine Gruppe gutartiger Tumoren zu definieren, die nur rezidivieren. Die Entität wurde als papilläre urotheliale Neubildung niedrig malignen Potenzials (PUNLMP) bezeichnet. Genetisch sind diese
Tumoren durch FGFR3-Mutationen ge-
kennzeichnet. CGH-Array und „Single-nucleotid-Polymorphismus-Untersuchungen“ [18] werden hoffentlich noch
weitere Diskriminatoren erbringen. Es ist
wertvoll, dass sich der Pathologe um diese
Diagnose bemüht, damit der Kliniker eine
Entität erhält, die den Patienten nicht als
Krebspatienten stigmatisiert und auch die
ohnehin begrenzt wirksame intravesikale
Chemotherapie nicht erfordert.
Wie einleitend kurz angedeutet, ist die
Klinik durch die Fluoreszenzendoskopie,
die mit Hexvix, einem 5-Aminolävulinsäure-Ester seit März 2007 in der Uroonkologie zugelassen ist, einen wesentlichen Schritt in Richtung Verbesserung
der Frühdetektion von Tumoren gegangen. Präneoplasien werden sichtbar, und
Tumorausläufer können besser reseziert
werden [30, 20]. Auch in der Forschung
gibt es über die sicher interessante und
vielversprechende klinische und Grundlagenforschung zum FGF-Rezeptor [19]
hinaus wesentliche neue Ansätze nicht
nur für die Diagnostik, sondern auch für
die Therapie. Die Arbeitsgruppe um Orntoft benutzt ausgiebige bioinformatische
Analysen an Genexpressionsdaten, die
von verschiedenen histopathologischen
Subgruppen erhoben werden, wie z. B.
papilläre nichtinvasive Tumoren mit und
ohne CIS oder papilläre nichtmuskelinvasive Tumoren mit CIS gegenüber muskelinvasiven Tumoren mit CIS. Die mit den
Ergebnissen verbundenen Gensignaturen
stellen potenziell wichtige Subklassen an
Tumorentitäten der Harnblase dar, an denen prognostische Bestimmungen möglich werden können [8]. Die Fortsetzung
der bioinformatischen Analytik weist in
einer rezenten Publikation dem CIS ein
definiertes Transkriptionsfaktormuster
aus dem p38-MAP-Kinase-Signalweg zu,
das eine vielversprechende diagnostische
Möglichkeit darstellt [14].
Ein weiterer Ansatz ist die Untersuchung des Proteinprofils von Tumoren
mittels proteomischer Techniken (zweidimensionale Gelelektrophorese und
Massenspektrometrie) von Gewebe oder
Körperflüssigkeiten. Aufgrund seiner im
Vergleich zum Genom deutlich höheren
Komplexität und Flexibilität kann das Proteom, das Proteinäquivalent des Genoms,
als sensitive Sonde für Veränderungen im
Gesundheitszustand der Zelle verwendet
werden [4, 13]. Beim Menschen stehen einer Anzahl von etwa 40.000 Genen schätzungsweise mehr als 500.000 Proteine gegenüber [1]. Eine vergleichsweise neue
Technik ist das so genannte „MALDI(Matrix-Assisted Laser Desorption/Ionization-) Imaging“, das eine direkte Korrelation von histomorphologischen Details
mit den Proteinmustern im Gewebe erlaubt ([4, 5]; . Abb. 3 a–d).
Fazit für die Praxis
Es wird deutlich, dass sich die Forschung
– nicht zuletzt durch die Erkennung der
Präkanzerosen und frühen Tumoren mittels photodynamischer Diagnostik – viel
mehr als zu Zeiten der Entstehung der
Feulgen-Färbung mit anschließender
Bildanalyse den frühen Läsionen der
Harnblase widmet. Bei dieser Forschung
ist es elementar wichtig, dass die Pathologen an Biopsien und Zystektomien eindeutige Diagnosen stellen, um eine gute
Grundlage für die Forschung zu bilden.
Genauso wichtig ist es – gerne unter Beibehaltung alter Klassifikationen als Zusatz –, neue Klassifikationen anzunehmen und diese unter kritischer Auseinandersetzung mit der Materie und im Austausch mit dem Kliniker zu verwenden.
Während die Erkenntnisse in IAP-Tutorials, lokalem Benchmarking usw. vermittelt werden sollen, ist es gleichzeitig wichtig, die Forschung aus der Pathologie heraus durch das multizentrische
Sammeln und die Bereitstellung von Fällen wie Dysplasien und Carcinomata in
situ zu unterstützen.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. R. Knüchel-Clarke
Institut für Pathologie, Universitätsklinik RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30,
52074 Aachen
[email protected]
Danksagung. Die hier geschilderten Arbeiten wurden z. T. mit Forschungsgeldern der DFG gefördert:
KN263 9–2, Sp 460/5–2.
Interessenkonflikt. Die korrespondierende Autorin
gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Einladung zum 16. Cochrane Colloquium
03.-07. Oktober 2008, Freiburg/Breisgau
Das Team des Deutschen Cochrane Zentrums lädt herzlich zur Teilnahme am 16.
internationalen Cochrane Colloquium vom
03.10.-07.10.2008 in Freiburg ein.
Unabhängig davon, ob Sie Mitglied oder
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widmet sich die Cochrane Collaboration
der immer schneller werdenden Globalisierung. Auch wenn die positiven und
negativen Folgen noch nicht vollständig
verstanden sind, so ist die Globalisierung
doch in aller Munde und beeinflusst
durch den weltweiten Austausch an
medizinischem Wissen auch die Krankenversorgung.
Die Entwicklung der evidenzbasierten
Medizin ist die treibende Kraft auf dem
Weg zu einem international standardisierten
Bewertungsmaßstab für medizinische Interventionen. In den letzten 15 Jahren legte die
Cochrane Collaboration hierzu ein entscheidendes Fundament durch die Ausarbeitung
von 3.000 systematischen Reviews und
steuerte zahllose methodische Weiterentwicklungen bei.
Das nun stattfindende Kolloquium bietet
eine hervorragende Gelegenheit, um mit
maßgeblichen Personen aus den Bereichen
der evidenzbasierten Medizin, des globalen
Wissenstransfers und mit Autoren systematischer Reviews in Kontakt zu treten.
Bringen Sie sich auf den neusten Stand der
internationalen Entwicklung und befassen
Sie sich in Workshops eingehender mit Ihrem
Spezialgebiet.
Ausführliche Informationen zum Programm sowie zur Anmeldung erhalten Sie beim
Scientific Secretariat
German Cochrane Center
Dept. Med. Biometry and Statistics
Stefan-Meier-Strasse 26
79104 Freiburg
Tel. 0761-203-6715
[email protected]
oder unter
www.cochrane.de/colloquium
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Der Pathologe 5 · 2008