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Auf Eskalationskurs

2024, Militär Aktuell

Kurzer Artikel zur regionalen Eskalation

0 2 4 W E L T & S T R A T E G I I F K - A N A LY S E E ISRAEL VS IRAN: Seit dem Angriff der Hamas auf Israel olitisch und geografisch stellen sich für Israel folgende Herausforderungen: der Gaza-Streifen, die West-Bank und Nordisrael, also die Grenze zum Libanon. In all diese Ebenen spielt die regionale Konfrontation mit der Islamischen Republik Iran hinein, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß. P vom 7. Oktober 2023 befürchten internationale Beobachter einen Flächenbrand, der Regionalmächte involvieren und die USA zum robusten Eingreifen zwingen könnte. Bisher haben sich diese Befürchtungen nicht bewahrheitet, gleichwohl bleibt die Lage volatil und unberechenbar. Eine Analyse von Walter Posch. Der Gazastreifen wird seit 2006 von der Hamas beherrscht, einer aus der palästinensischen Moslembruderschaft hervorgegangenen Organisation, deren Gesamtführung in Katar residierte. Katar und die Türkei sind die einzigen regionalen Akteure, welche die Moslembruderschaft in der Region und weltweit unterstützen, wodurch sie in Gegensatz zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten traten, beides strikte Gegner der Hamas. Die Hamas unterhält auch gute Beziehungen nach Teheran, die von der Organisation je nach Bedarf intensiviert werden, vor allem, wenn es um militärische Hilfe zur Selbsthilfe ging, die in der Regel von der libanesischen Hizbullah, dem engsten Partner Teherans, gestellt wurde. Hamas-Führer in Gaza war Yahya Sinwar, der nach dem gewaltsamen Tod Ismail Haniyahs zum Leiter der Gesamtorganisation ernannt wurde. Den militärischen Flügel leitet Mohammad Dheif, der mutmaßliche Hauptplaner des Angriffs vom 7. Oktober. Militärisch profitierte Hamas nicht nur von den Iranern, sondern auch von der frei zugänglichen militärischen und militärtechnischen Expertise in der Region, ein Resultat jahrzehntelanger Bürgerkriege. Viel spricht dafür, dass die Hamas mit ihrem Angriff auf Israel zunächst Iran und die libanesische Hizbollah zum Eingreifen zwingen wollte, um dadurch Israel zu schwächen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht, weil die Konfrontation zwischen Israel und Iran einer eigenen, von den Palästinensern unabhängigen Konfliktlogik folgt. Und die Reaktionen der sogenannten Widerstandsachse, einer losen Allianz AUF KURS ? MI LI TÄR AKTUELL FOTO S : XX XX X XX X ESKALATIONS KÄMPFE Seit 7. Oktober 2023 ist Krieg in Gaza, immer wieder fliegen auch aus dem Südlibanon Raketen in Richtung Israel. MIL ITÄR AKTUEL L 0 2 6 W E L T & S T R A T E G I I F K - A N A LY S E E von mit Teheran verbündeten Kräften, vorwiegend schiitischen Milizen und Organisationen, der auch Syrien und die jemenitische Huthi-Miliz angehören, fielen geringer als von Experten befürchtet aus. Dennoch zwang der militärische Schlagabtausch zwischen Israel und der Hizbullah die Bevölkerung in Nordisrael und im Südlibanon zur Flucht in sichere Gebiete. Seither vergeht fast kein Tag ohne Angriff, wobei der tatsächliche Schaden fürs erste überschaubar bleibt. Das erlaubte es Frankreich im Februar einen Friedensvorschlag zu präsentieren, der die Rückkehr der libanesischen Armee in den Süden des Landes und den Abzug der Hizbullah von der israelischen Grenze vorsieht. Die Spannungen zwischen Teheran und Tel Aviv erlauben es vorderhand nicht, die Chancen des französischen Plans realistisch einzuschätzen. US-UNTERSTÜTZUNG Israels Premier Benjamin Netanjahu (im Bild mit US-Präsident Joe Biden) war im Sommer in den USA, um sich dort der weiteren Unterstützung seines wichtigsten Alliierten zu versichern. Für Iran war der Angriff der Hamas auf Israel anfangs ein strategischer Bonus, weil Israel militärisch unter Druck geriet, die Palästinafrage wieder auf die internationale Agenda kam und Israel selbst im Westen aufgrund der Art und Weise seiner Kriegsführung gegen die Hamas kritisiert wurde. Dennoch machte Teheran von Anfang an klar, dass es keine Ausweitung des Konfliktes will. Nichtdestotrotz unterstützte der Iran weiterhin die Hamas, half den Huthis, deren Raketenangriffe die freie Schifffahrt im Roten Meer und Israel bedrohte und verknüpfte den Kampf irakischer und syrischer Milizen gegen den IS mit dem Kampf gegen Israel. FOTOS : P IC T U R E D ES K FEHLEINSCHÄTZUNG? Die Hamas wollte Israel mit ihrem Angriff an anderen Fronten binden, jetzt liegt der Gazastreifen in Trümmern. MI L I TÄR AKTUE LL Die Israelis griffen daraufhin am 1. April 2024 die iranische Botschaft in Damaskus an und töteten sechzehn hochrangige Offiziere der Revolutionsgarde und schiitische Milizenführer. Zwei Wochen später reagierte Teheran mit einem noch nie dagewesenen Angriff auf das israelische Staatsgebiet bei dem 300 Drohnen und Marschflugkörper eingesetzt wurden. Der Schaden dieser Operation war relativ gering und beide Seiten beanspruchten den Erfolg für sich. Israel konnte gemeinsam mit seinen Partnern die meisten Raketen abfangen, während Teheran behauptet, das eigentliche Ziel, zwei Luftwaffenbasen, getroffen zu haben. Der israelische Gegenschlag auf eine Flugabwehrbasis in der Nähe einer iranischen Atomanlage verlief ebenfalls glimpflich. Eine große Demütigung musste das islamische Regime in Teheran jedoch am 31. Juli hinnehmen, als die Israelis den Chef der Hamas, Ismail Haniyah, der als Staatsgast in Teheran war, in seiner geheim gehaltenen und von der Revolutions- garde gut gesicherten Residenz töteten. Bisher hat Teheran trotz aggressiver Drohungen keinen Gegenschlag veranlasst. Denn ein weiterer Angriff auf Israel müsste den letzten deutlich übertreffen und Staat und Gesellschaft in Israel nachhaltig schädigen. Das würde jedoch die USA zum Eingreifen zwinge, was die Iraner bisher peinlichst vermieden hatten. Davon abgesehen muss das Regime in Teheran sich Gedanken über die Leistungsfähigkeit seines Sicherheitsapparates machen: 2020 wurde irrtümlicher Weise ein ziviles Passagierflugzeug über Teheran abgeschossen und alle Insassen getötet, 2024 stürzte der eigene Präsident in einem Helikopter ab und ein paar Wochen darauf wird ein Staatsgast in Teheran getötet. Angesichts seiner evidenten Probleme im Sicherheitsund Militärapparat scheint die iranische Raketenwaffe seinen Zweck als Abschreckungsmittel oder als Instrument zur Machtprojektion nicht zu erfüllen. Aber auch das Kalkül Yahya Sinwars scheint nicht aufzugehen. Der Angriff vom 7. Oktober und die Geiselnahme von mehr als 200 Personen endete bisher in der totalen Zerstörung Gazas. Die vermutliche Absicht Sinwars war es, die kommenden israelischen Regierungen in endlose Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln zu binden, ihnen schmerzhafte Zugeständnisse abzutrotzen und Israel dadurch auf lange Sicht politisch zu paralysieren. Doch trotz massiven internationalen und innenpolitischen Drucks gelang es der israelischen Regierung in diesem Wahljahr die Unterstützung beider amerikanischer Parteien im Kongress weiter sicherzustellen, wie der Besuch Premierminister Benjamin Netanjahus in Washington DC Ende Juli eindrucksvoll belegte. Zudem war es Tel Aviv gelungen, durch die Tötung Haniyahs Teheran vorzuführen und die innere Dynamik der Hamas zu verändern. Mit Sinwar an der Spitze wird es die Hamas schwieriger haben, in der internationalen Diplomatie des Nahen Ostens Ansprechpartner zu finden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Hamas in die Frage der Zukunft Gazas nur mehr am Rande eingebunden werden. Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie mit Forschungsschwerpunkt Irak, Iran sowie islamistischer Fundamentalismus und Terrorismus. MIL ITÄR AKTUEL L