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(K)ein Grund zur Panik …

2020, ZFA. Zeitschrift für Allgemeinmedizin

, der am 16. Oktober 1827 in Basel geboren wurde, war einer der bedeutendsten europäischen Maler des 19. Jahrhunderts. 1898, drei Jahre vor seinem Tod schuf er in Rom das Gemälde "Die Pest", heute im Besitz des Kunstmuseums Basel. Es ist ein verstörendes und angsteinflößendes Bild, das viele Besucher gebannt betrachten. Die Pest in Gestalt eines sensenschwingenden Gerippes mit leeren Augenhöhlen, gekleidet in einen schwarzen Umhang reitet auf einem die ganze Bildbreite ausfüllenden zweiköpfigen Drachen mit geradezu fühlbar rasender Geschwindigkeit durch eine Straße. Der Drachen speit keine Flammen, sondern einen blassen Dunst aus seinem schlangenartigen Maul, die Pestilenz. Im Hintergrund stürzen Menschen voller Panik in ihre Häuser, im Vordergrund sinkt eine rot gekleidete Frauengestalt über eine weitere ganz in Weiß gehüllte Frau zusammen, daneben stürzt ein Mann mit einem schwarzen Rucksack zu Boden. Spürbar werden Sprachlosigkeit und hilfloses Entsetzen, welche das Auftreten der Pest bei den Menschen des Mittelalters hervorgerufen haben muss. Dem Schwarzen Tod fielen allein während des 14. Jahrhunderts in Europa etwa 25 Millionen Menschen zum Opfer; das entsprach einem Drittel der damaligen Bevölkerung. Böcklin konnte die Angst vor Seuchen nachempfinden, hatte er doch erleben müssen, dass sein erster Sohn 1854 in Rom an der Cholera starb. Er selbst überlebte wenige Jahre später in München nur knapp eine Typhuserkrankung, die jedoch einem weiteren Sohn das Leben kostete. Nur die Spanische Grippe, die sich ausgehend von einer Militäreinrichtung in Kansas, USA, zwischen 1918-1920 in drei pandemischen Wellen weltweit ausbreitete, forderte eine vergleichbar hohe Zahl an Todesopfern. Allein in Indien waren 17 Millionen Grippetote zu beklagen, begünstigt durch eine damals herrschende Hungersnot. Spanien, ein während des Ersten Weltkrieges neutrales Land, hatte ein relativ liberales Presserecht. So kamen die ersten, andernorts unterdrückten Meldungen über eine auffällige Häufung von Grippefällen aus Spanien und die Pandemie zu ihrem Namen. Die zweite Erkrankungswelle im Herbst 1918 und eine dritte im darauffolgenden Frühjahr wiesen eine ungewöhnlich hohe Letalität (vermutlich > 2,5 %) gerade bei 20-bis 40-jährigen Erkrankten auf. Neben Egon Schiele, der wenige Tage nach seiner Frau Edith mit 28 Jahren ein Opfer der Spanischen Grippe wurde, und Sophie Freud, eine Tochter von Sigmund Freud wurde in New York am 30. Mai 1918 auch Frederick Trump, der in Kallstadt in der Pfalz geborene Großvater des jetzigen US-Präsidenten ein Opfer dieser Pandemie. Bei den nächsten Influenza-Pandemien, der Asiatischen Grippe 1957/58 und der Hongkong-Grippe 1968/69 lag die Letalität den Informationen des schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit zu Folge unter 0,5 %. Zu beklagen waren jeweils 1-2 Millionen Todesopfer. Seit Anfang diesen Jahres ist die weltweite Ausbreitung von SARS-CoV-2 und die damit einhergehende Zunahme der COVID-19-Erkrankungen das alles beherrschende Thema. Die maßgeblichen Politiker und ärztlichen Standesvertreter sehen Deutschland gut vorbereitet. Ob die Zahl der Klinik-und Intensivbetten dafür vor dem Hintergrund des Pflegemangels ein valider Parameter ist, ob der seit Jahrzehnten ausgedünnte Öffentliche Gesundheitsdienst die ihm zugewiesenen Aufgaben bewältigen kann-hoffen wir es. Hausärztinnen und Hausärzte fühlen sich alleingelassen-sei es bei der Beschaffung der notwendigen medizinischen Schutzausrüstung für sich und ihr Personal oder der mangelnden Einbindung in die unterschiedlichen Pandemiepläne. Ausdrücklich von dieser Kritik ausnehmen möchte ich die aktuellen Informationen der "Arbeitsgruppe Infektiologie" in der DEGAM (www.degam.de), erarbeitet von Hanna Kaduszkiewicz, Michael M. Kochen und Josef Pömsl, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie in den kommenden Wochen gesund und behalten Sie einen kühlen Kopf.

97 EDITORIAL / EDITORIAL (K)ein Grund zur Panik … Arnold Böcklin, der am 16. Oktober 1827 in Basel geboren wurde, war einer der bedeutendsten europäischen Maler des 19. Jahrhunderts. 1898, drei Jahre vor seinem Tod schuf er in Rom das Gemälde „Die Pest“, heute im Besitz des Kunstmuseums Basel. Es ist ein verstörendes und angsteinflößendes Bild, das viele Besucher gebannt betrachten. Die Pest in Gestalt eines sensenschwingenden Gerippes mit leeren Augenhöhlen, gekleidet in einen schwarzen Umhang reitet auf einem die ganze Bildbreite ausfüllenden zweiköpfigen Drachen mit geradezu fühlbar rasender Geschwindigkeit durch eine Straße. Der Drachen speit keine Flammen, sondern einen blassen Dunst aus seinem schlangenartigen Maul, die Pestilenz. Im Hintergrund stürzen Menschen voller Panik in ihre Häuser, im Vordergrund sinkt eine rot gekleidete Frauengestalt über eine weitere ganz in Weiß gehüllte Frau zusammen, daneben stürzt ein Mann mit einem schwarzen Rucksack zu Boden. Spürbar werden Sprachlosigkeit und hilfloses Entsetzen, welche das Auftreten der Pest bei den Menschen des Mittelalters hervorgerufen haben muss. Dem Schwarzen Tod fielen allein während des 14. Jahrhunderts in Europa etwa 25 Millionen Menschen zum Opfer; das entsprach einem Drittel der damaligen Bevölkerung. Böcklin konnte die Angst vor Seuchen nachempfinden, hatte er doch erleben müssen, dass sein erster Sohn 1854 in Rom an der Cholera starb. Er selbst überlebte wenige Jahre später in München nur knapp eine Typhuserkrankung, die jedoch einem weiteren Sohn das Leben kostete. Nur die Spanische Grippe, die sich ausgehend von einer Militäreinrichtung in Kansas, USA, zwischen 1918–1920 in drei pandemischen Wellen weltweit ausbreitete, forderte eine vergleichbar hohe Zahl an Todesopfern. Allein in Indien waren 17 Millionen Grippetote zu beklagen, begünstigt durch eine damals herrschende Hungersnot. Spanien, ein während des Ersten Weltkrieges neutrales Land, hatte ein relativ liberales Presserecht. So kamen die ersten, andernorts unterdrückten Meldungen über eine auffällige Häufung von Grippefällen aus Spanien und die Pandemie zu ihrem Namen. Die zweite Erkrankungswelle im Herbst 1918 und eine dritte im darauffolgenden Frühjahr wiesen eine ungewöhnlich hohe Letalität (vermutlich > 2,5 %) gerade bei 20- bis 40-jährigen Erkrankten auf. Neben Egon Schiele, der wenige Tage nach seiner Frau Edith mit 28 Jahren ein Opfer der Spanischen Grippe wurde, und Sophie Freud, eine Tochter von Sigmund Freud wurde in New York am 30. Mai 1918 auch Frederick Trump, der in Kallstadt in der Pfalz geborene Großvater des jetzigen US- Präsidenten ein Opfer dieser Pandemie. Bei den nächsten Influenza-Pandemien, der Asiatischen Grippe 1957/58 und der Hongkong-Grippe 1968/69 lag die Letalität den Informationen des schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit zu Folge unter 0,5 %. Zu beklagen waren jeweils 1–2 Millionen Todesopfer. Seit Anfang diesen Jahres ist die weltweite Ausbreitung von SARS-CoV-2 und die damit einhergehende Zunahme der COVID-19-Erkrankungen das alles beherrschende Thema. Die maßgeblichen Politiker und ärztlichen Standesvertreter sehen Deutschland gut vorbereitet. Ob die Zahl der Klinik- und Intensivbetten dafür vor dem Hintergrund des Pflegemangels ein valider Parameter ist, ob der seit Jahrzehnten ausgedünnte Öffentliche Gesundheitsdienst die ihm zugewiesenen Aufgaben bewältigen kann – hoffen wir es. Hausärztinnen und Hausärzte fühlen sich alleingelassen – sei es bei der Beschaffung der notwendigen medizinischen Schutzausrüstung für sich und ihr Personal oder der mangelnden Einbindung in die unterschiedlichen Pandemiepläne. Ausdrücklich von dieser Kritik ausnehmen möchte ich die aktuellen Informationen der „Arbeitsgruppe Infektiologie“ in der DEGAM (www.degam.de), erarbeitet von Hanna Kaduszkiewicz, Michael M. Kochen und Josef Pömsl, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie in den kommenden Wochen gesund und behalten Sie einen kühlen Kopf. Herzlich Ihr Wilhelm Niebling © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (3)