Papers by Ulrich Bröckling
Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, 2023
Duterte stehen für eine Politik der autoritären Personalisierung. So disruptiv und polarisierend ... more Duterte stehen für eine Politik der autoritären Personalisierung. So disruptiv und polarisierend sich strongman politics national und global manifestiert, theoretisch handelt es sich beim Starken Mann um eine eher schwach bestimmte Kategorie. Sieht man von der Verwendung im Kontext von Kraftsport und Bodybuilding ab-im 19. und frühen 20. Jahrhundert traten Strongmen auf Jahrmärkten und im Zirkus auf-, findet sich der Begriff zunächst in der ethnologischen Literatur. Häufiger liest man dort allerdings das synonyme big man. Bezeichnet werden damit lokale Größen, die durch Viehzucht, Landwirtschaft, Handel oder Gewalt Reichtum akkumulieren beziehungsweise spirituelle Autorität besitzen und ihren Einfluss in politische Macht sowie klientelistische Loyalitätsbindungen ummünzen können. 1 Strongman bedeutet hier so viel wie Patron. In der vergleichenden Politikwissenschaft firmieren Starke-Männer-Regime als personalistischer Typus autoritärer Herrschaft-Autokratie in Abgrenzung von Einparteien-oder Militärregimen ohne Machtkonzentration auf eine Figur an der Spitze. Der US-amerikanische Politologe Dan Slater differenziert bei autokratischen Regimen im Hinblick auf die institutionelle Verankerung (wer führt die Entscheidungen des Autokraten aus?) noch einmal zwischen zivilem, das heißt in der Regel parteigestütztem bossism und militärischer Strongman-Herrschaft. 2 Seine Unterscheidung hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Wenn der Begriff Strongman in der Autokratieforschung überhaupt verwendet wird, dann meist nicht als analytischer Terminus, sondern als generelles Label für autoritäre Führergestalten.
Soziale Psychiatrie, 2022
Dokumentation des gleichnamigen Vortrags mit Ulrich Bröckling auf der Tagung "Die Zukunft der Soz... more Dokumentation des gleichnamigen Vortrags mit Ulrich Bröckling auf der Tagung "Die Zukunft der Sozialpsychiatrie" der Deutschen Gesellschaft für Sozialpsychiatrie (DGSP), Berlin, 10-11 Juni 2022. In: Soziale Psychiatrie, 178, 2022, S. 26-32.
Soziopolis.de, 2020
Soziologische Bemerkungen zu drei Schlüsselbegriffen der Gegenwart Vorbemerkung In Zeiten der Kri... more Soziologische Bemerkungen zu drei Schlüsselbegriffen der Gegenwart Vorbemerkung In Zeiten der Krise beschleunigen sich nicht nur die Ereignisse, sondern auch die Diskurse: Der vorliegende Beitrag war vorgesehen als einer der Abschlussvorträge für den 27. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der vom 15. bis 18. März 2020 an der Universität zu Köln stattfinden sollte. Eine erste Fassung war abgeschlossen, als die Großveranstaltung wegen der Corona-Pandemie kurzfristig abgesagt werden musste. Die in den Wochen darauf zur Eindämmung der Infektionen getroffenen Maßnahmen haben ganz andere Aspekte des Kongressthemas "Optimierung" dringlich werden lassen, als sie dem Vorbereitungsteam und auch mir ursprünglich vor Augen gestanden hatten. Die präventiven Vorkehrungen, vor allem aber die Anstrengungen zur Ausweitung der medizinischen Behandlungskapazitäten für an Covid-19 Erkrankte stehen im Zeichen einer inversen Optimierung, die darauf zielt, die drohende Katastrophe abzuwenden. Das Beste, das sie erreichen sollen, ist es, das Schlimmste zu verhüten. Die hier veröffentlichte erweiterte Version des nicht gehaltenen Kongressvortrags versucht diese Verschiebungen aufzunehmen. 1. Ein Handlungsprinzip "Optimierung" ist zweifellos ein Begriff, in dem sich die Signatur der Gegenwart paradigmatisch verdichtet-zumindest die Signatur der abrupt beendeten Gegenwart vor der Corona-Pandemie. Solche Schlüsselbegriffe sind selten rein deskriptiv. Ihr Anspruch ist gleichermaßen diagnostisch wie transformativ: Sie bündeln die Herausforderungen, denen sich eine Epoche ausgesetzt sieht, und geben zugleich an, wie ihnen zu begegnen wäre. Sie fordern zum Handeln auf und weisen ihm die Richtung. Ihr aufschließendes Potenzial zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie in unterschiedlichsten Feldern Verwendung finden.
In Zeiten der Krise beschleunigen sich nicht nur die Ereignisse, sondern auch die Diskurse: Der v... more In Zeiten der Krise beschleunigen sich nicht nur die Ereignisse, sondern auch die Diskurse: Der vorliegende Beitrag war vorgesehen als einer der Abschlussvorträge für den 27. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der vom 15. bis 18. März 2020 an der Universität zu Köln stattfinden sollte. Eine erste Fassung war abgeschlossen, als die Großveranstaltung wegen der Corona-Pandemie kurzfristig abgesagt werden musste. Die in den Wochen darauf zur Eindämmung der Infektionen getroffenen Maßnahmen haben ganz andere Aspekte des Kongressthemas "Optimierung" dringlich werden lassen, als sie dem Vorbereitungsteam und auch mir ursprünglich vor Augen gestanden hatten. Die präventiven Vorkehrungen, vor allem aber die Anstrengungen zur Ausweitung der medizinischen Behandlungskapazitäten für an Covid-19 Erkrankte stehen im Zeichen einer inversen Optimierung, die darauf zielt, die drohende Katastrophe abzuwenden. Das Beste, das sie erreichen sollen, ist es, das Schlimmste zu verhüten. Die hier veröffentlichte erweiterte Version des nicht gehaltenen Kongressvortrags versucht diese Verschiebungen aufzunehmen.
Educational Philosophy and Theory, 2006
... The Learning Society from the Perspective of Governmentality. Jan Masschelein,; Maarten Simon... more ... The Learning Society from the Perspective of Governmentality. Jan Masschelein,; Maarten Simons,; Ulrich Bröckling,; Ludwig Pongratz. Article first published online: 9 AUG 2006. DOI: 10.1111/j.1469-5812.2006.00201.x. Issue. Educational Philosophy and Theory. ...
https://soziopolis.de/daten/kalenderblaetter/beobachten/kultur/artikel/resilienz/
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 2012
Public Health Forum, 2013
sam s tag, 12. m är z 2016 m aga z i n b a d i s c h e z e i t u n g I I I
Es 1 gibt viele Wege, andere Menschen und sich selbst dazu zu bringen, bestimmte Dinge zu tun und... more Es 1 gibt viele Wege, andere Menschen und sich selbst dazu zu bringen, bestimmte Dinge zu tun und andere zu lassen. Die Regime des Führens und Sich-selbst-Führens unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Rechtfertigungen, Ziele und Technologien, ihrer Protagonisten und Adressaten. Das Verhältnis von Autonomie und Heteronomie changiert ebenso wie das zwischen Beschneidung und Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten. Die Regime rekurrieren auf disparate Wissensbestände, berufen sich auf unterschiedliche Experten und provozieren schließlich höchst disparate Widerstände. Weil die Menschenregierungskünste stets komplexe und widersprüchliche Ansprüche zusammenbringen müssen, greifen ihre Selbstbeschreibungen gern auf paradoxe Formeln zurück. Unter den Programmen zeitgenössischer Menschenführung sticht das Oxymoron eines "libertären Paternalismus" hervor, den prominente Politikberater wie der Harvard-Jurist Cass R. Sunstein, zeitweise Mitglied des Beraterstabs von Obama, sowie der Verhaltensökonom Richard H. Thaler seit einigen Jahren proklamieren. Im Rückgriff auf Erkenntnisse der Verhaltensökonomik, die seit den 1970er-Jahren in einer Kombination wirtschaftswissenschaftlicher und sozialpsychologischer Zugänge das menschliche Entscheidungsverhalten erforscht und darüber zu weitreichenden Korrekturen am Modell des homo oeconomicus gelangt ist, postulieren sie Strategien des Nudging, des Beeinflussens von Entscheidungen durch ein sanftes "Anstupsen". Die von den libertären Paternalisten vorgeschlagenen Maßnahmen sollen die individuelle Entscheidungsfreiheit erhalten oder sogar vergrößern, zugleich aber das Verhalten der Menschen so beeinflussen, dass diese gemessen an ihren eigenen Maßstäben besser dastehen. Hier scheinen Möglichkeiten einer subtilen Verhaltenslenkung auf, die, verbunden mit den digitalen Technologien algorithmischer Steuerung, die Reichweite und Zugriffstiefe disziplinierender Zurichtungspraktiken sowie Strategien der Optimierung qua Wettbewerb weit in den Schatten stellen. Der vorliegende Beitrag untersucht dieses Dispositiv der Menschenführung, indem er es gegen die von Michel Foucault beschriebenen Mechanismen der Disziplinarmacht sowie die ebenfalls von Foucault analysierte neoliberale Mobilmachung des Wettbewerbssubjekts kontrastiert. I. Auf den ersten Seiten des der Disziplin gewidmeten Abschnitts von Überwachen und Strafen weist Foucault darauf hin, diese ziele gleichermaßen auf "eine gesteigerte Tauglichkeit" wie auf "eine vertiefte Unterwerfung", "une aptitude majorée et une domination accrue" 2 : "Die Disziplin steigert die Kräfte des Körpers (um die ökonomische Nützlichkeit zu erhöhen) und schwächt diese selben Körper (um sie politisch fügsam zu machen)." 3 Ist mit der Kopplung von Ausbeutbarkeit und Beherrschbarkeit, Leistungsfähigkeit und Gehorsamsbereitschaft das Telos der Disziplinierungsanstrengungen 12.10.2015 http://www.soziopolis.de/beobachten/kultur/artikel/gesteigerte-tauglichkeit-vertiefte-unterwerfung/?cHash=fc21e259c0556cdacbb43b c406f6114a&tx_web2pdf_pi1[argument]=printPage&tx_web2pdf_pi1[action]=&tx_web2pdf_pi1[controller]=Pdf 2/11
The use of unmanned combat air vehicles challenges the established notion of military hero-ism, w... more The use of unmanned combat air vehicles challenges the established notion of military hero-ism, which is based on the idea of fundamental reciprocity: the power to kill and the risk of being killed. Within this logic, soldiers can become heroes, if they bravely fight the enemy and they put their life on the line. Drone pilots by contrast operate from a safe distance to the battlefield without any risk of injury. Hence, armed drones have been often described as the paradigmatic weapons of an upcoming post-heroic warfare. The article questions this point of view and argues that heroic interpellations are indispensable as long as there is a need for the willingness to self-sacrifice.
in: Joachim Fischer, Stephan Moebius (Hg.): Kultursoziologie im 21. Jahrhundert, VS: Wiesbaden 2014, 211-218.
Im Folgenden soll es um darum gehen, was Stephan Moebius und Lars Gertenbach als » kontinuierlich... more Im Folgenden soll es um darum gehen, was Stephan Moebius und Lars Gertenbach als » kontinuierliches Aufbrechen eines systematischen Gesellschaftsbegriffs « in der Soziologie genannt haben (Moebius/Gertenbach 2008: 4130) 2 : -um die Frage also, ob und wie man die Vorstellung einer kollektiven Totalität und einer kollektiven Identität nach dem Ende der Gesellschaft fassen kann. Es geht um die Frage, auf welche Weise die Soziologie von Kollektivphänomenen wie » Gesellschaft «, » Nation « und » Volk « sprechen kann, ohne sich dabei auf eine abschließende Erzählung zu beziehen. Die kulturelle Identität ist genauso wie die individuelle prekär (Laclau/Mouffe 2006) und die Festlegung gelingt immer nur partiell und vorübergehend. Da sich kulturelle Phänomene gegenseitig beeinflussen und dadurch unvorhersehbare Effekte hervorrufen, haben immer sie immer auch überschneidende und widersprechende Bedeutungen -sie sind überdeterminiert (Althusser 1968). Mit Laclau/Mouffe verweist man dann nicht nur auf die Unmöglichkeit der Schließung und der Totalität einer Gesellschaft, sondern auch darauf dass die heterogenen und widersprüchlichen Bestandteile einer Kultur nur durch einen » leeren Signifikanten « zusammengehalten werden -durch etwas, das auf nichts Konkretes verweist und dem gerade wegen seiner Unbestimmtheit jeder mögliche Sinn zugewiesen werden kann. Nur ein solcher leerer Signifikant sei in der Lage, Anschlussmöglichkeiten für alles, auch Widersprüchliches und scheinbar Unverträgliches zu bieten.
Helden sind paradoxe Figuren . Folgt man Niklas Luhmann (86), so produziert ein Held "Konformität... more Helden sind paradoxe Figuren . Folgt man Niklas Luhmann (86), so produziert ein Held "Konformität (Nachahmungswille) durch Abweichung", und er macht diese Paradoxie obendrein öffentlich, "um seine sozialisatorisch-erzieherische Funktion erfüllen zu können" . Die in der Gestalt des Helden verkörperte "Idee des vorbildlichen Übertreffens erwartbarer Leistungen", der nicht verlangbaren Verdienste stellt damit, so Luhmann, "die vielleicht eindrucksvollste semantische Form [dar], die in der europäischen Geschichte für moralisch reguliertes Abweichen ausgebildet worden ist" . -Moralisch reguliertes, d . h . als Vorbild geeignetes, zur Nachahmung empfohlenes Abweichen, das könnte man als eine allgemeine norm-und handlungstheoretische Bestimmung des Heroischen verstehen . Helden oszillieren in ihren Taten zwischen Normbildung, Normerfüllung und Normbruch, zwischen Exzeptionalität und Exemplarität .
Mediation ist ein prominentes Beispiel für die Transformation einer alltäglichen Kommunikationspr... more Mediation ist ein prominentes Beispiel für die Transformation einer alltäglichen Kommunikationspraxis, hier: des Schlichtens von Konflikten durch Hinzuziehung eines unbeteiligten Dritten, in eine methodisch angeleitete, von eigens dafür ausgebildeten Experten betriebene, wissenschaftlich beforschte und institutionell abgestützte Sozialtechnologie. Ähnlich dem Aufstieg anderer Sozialtechnologien wie Supervision, Coaching oder Evaluation markiert auch die rasante Ausbreitung, Professionalisierung und rechtliche Verankerung von Mediationsverfahren, wie sie in Deutschland etwa seit Ende der 1980er Jahre stattgefunden hat (vgl. Maiwald 2004), eine Umstellung in den Modi des Regierens und Sich-selbst-Regierens oder, um einen Terminus Michel Foucaults aufzugreifen, eine Umstellung in den Formen gouvernementaler Machtausübung. Mit dem Neologismus Gouvernementalität bezeichnet Foucault einen Typus neuzeitlicher Regierungspraktiken und den historischen Prozess, der zu dessen Vorrangstellung gegenüber anderen Machtformationen, etwa jener der Souveränität geführt hat. Gouvernementale Strategien der Macht operieren über Dispositive der Sicherheit und folgen dem Postulat ökonomisch kalkulierter Interventionen, die mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Steuerungseffekten erzielen sollen. Gouvernementale Führung impliziert daher stets Anleitung zur Selbstführung. In einem weiteren Sinn bezieht sich Gouvernementalität auf "die Gesamtheit von Prozeduren, Techniken, Methoden, welche die Lenkung der Menschen untereinander gewährleisten" (Foucault 2005: 116). Regiert werden neben dem politischen Gemeinwesen auch Familien, Haushalte, Unternehmen, Seelen, Kinder oder Risikogruppen, regiert wird schließlich das Individuum sowohl durch andere wie durch sich selbst. Foucaults Konzept der Gouvernementalität liefert somit ein analytisches Raster, um soziales Handeln, Insti-
When Mr Gölz invited me to do the opening lecture at this conference I impulsively said yes.
Die Beschäftigung mit dem Dritten zeitigt paranoische Effekte: Wohin man auch schaut, es blicken ... more Die Beschäftigung mit dem Dritten zeitigt paranoische Effekte: Wohin man auch schaut, es blicken Dritte zurück; überall lauern triadische, ternäre, trianguläre oder gar trinitarische Konstellationen: Keine Ego-Alter-Beziehung, in der nicht ein Tertius oder eine Tertia präsent, keine Dualität, in die nicht ein Tertium eingelassen wäre, kein noch so komplexes soziales Gebilde, das sich nicht in elementare Dreiecke zerlegen ließe. Charles S. Peirce gab jener Krankheit, an der selbst zu leiden man ihm nachsagte, ihren Namen: Triadomanie (Peirce 1988: 281f.).
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Papers by Ulrich Bröckling
The Entrepreneurial Self explores the series of juxtapositions within the self, created by this call for entrepreneurship. Whereas it can expose unknown potential, it also leads to over-challenging. It may strengthen self-confidence but it also exacerbates the feeling of powerlessness. It may set free creativity but it also generates unbounded anger. Competition is driven by the promise that only the capable will reap success, but no amount of effort can remove the risk of failure. The individual has no choice but to balance out the contradiction between the hope of rising and the fear of decline.
Ulrich Bröckling is Professor of Cultural Sociology at the Albert-Ludwigs-University Freiburg, Germany.
reap success, but no amount of effort can remove the risk of failure. The individual has no choice but to balance out the contradiction between the hope of rising and the fear of decline.
Ulrich Bröckling is Professor of Cultural Sociology at the Albert-Ludwigs-University Freiburg, Germany.
Das ist aber nur die eine Seite. Ordnungskonzeptionen gehen stets mit spezifischen Vor-stellungen von Nicht-Ordnung einher. Was Ordnung ist, lässt sich nur in Abgrenzung von ihrem Außen bestimmen, und so vielfältig die Raum-, Zeit-, Sinn-, Macht-, Wissens-, Wirtschafts-, Verfassungs-, Geschlechter-, Liebes-, Glaubens- usw. -ordnungen, so heterogen sind die Gestalten dessen, was aus ihnen herausfällt bzw. in ihnen nicht aufgeht. In den sozial- und kulturwissenschaftlichen Theorien taucht dieses Andere allerdings meist nur ex negativo als Ausnahme, Abweichung, Mangel, Opposition, Störung oder Rauschen auf. Weil von der Ordnung her gedacht wird, schrumpft ihr Anderes zum Epiphänomen.
Der Beitrag und der Band, den er einleitet, versuchen diesen Bias zu vermeiden und eine neue Forschungsperspektive zu eröffnen, indem ihre Autorinnen und Autoren die Blickrichtung ändern. Das Andere der Ordnung bleibt dabei auf diese bezogen, aber Vorrang erhält, was sonst lediglich als Problemanzeige und Kontrastfolie fungiert. Um Reinhart Kosellecks Unter-scheidung aufzugreifen: Begriff und asymmetrischer Gegenbegriff tauschen die Plätze; nicht die elaborierten sozial- und kulturwissenschaftlichen Semantiken der Ordnung, son-dern die im Vergleich dazu weit weniger ausgearbeiteten Semantiken des Irregulären und Außerordentlichen, des Exzeptionellen und Amorphen, des Ereignishaften und Inkom-mensurablen stehen im Mittelpunkt. Gesichtet werden sowohl empirische Figuren und Idealtypen als auch Theorien des Anderen der Ordnung.