SCHLUSSBERICHT
Innosuisse Innovationsprojekt
Small Pleasures
FH Zentralschweiz
Impressum
Herausgeber
Hochschule Luzern – Technik & Architektur (HSLU T&A)
Institut für Architektur (IAR)
Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP)
Technikumstrasse 21
CH-6048 Horw
hslu.ch/cctp
Autorinnen und Autoren
Angelika Juppien
Richard Zemp
© Texte: Angelika Juppien, Richard Zemp
Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz
Umsetzungspartner und Beirat
GKS Architekten Generalplaner AG (Hauptumsetzungspartner)
HIG Immobilien Anlage Stiftung
Dost Architektur GmbH
Stadt Zürich – Amt für Hochbauten – Fachstelle Nachhaltiges Bauen
Pensimo Management AG
Losinger Marazzi AG
Allgemeine Baugenossenschaft Luzern
Stadt Luzern – Stadtplanung
Stadt Bern – Stadtplanungsamt – Fachstelle Wohnbauförderung
Bundesamt für Wohnungswesen BWO
Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk 1
Baugenossenschaft mehr als wohnen
Titelbild
© Jan Rothuizen
Stand
Januar 2023
Dieses Projekt wurde gefördert durch die schweizerische Agentur
für Innovationsförderung.
Innosuisse-Projektnummer 39490.1 IP-SBM
Small Pleasures
AUF DER SUCHE NACH NEUEN WOHNQUALITÄTEN
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05 EINLEITUNG
Ausgangslage und Vorgehen
11 ARBEITSPAKET 01
Forschungsstand und Fachdiskurs
12 Ressourcen (Konstruktion, Energie)
14 Ökologie und Biodiversität
16 Teilhabe und Zugänglichkeit
16 Digitalisierung, Netzwerke und Kommunikation
20 Mobilität und Infrastruktur
24 Identifizierte Einflussfaktoren/Arbeitsthesen
29 ARBEITSPAKET 02
Grobszenarien
31 Von der Konsumentin zur Produzentin
35
Unterwegs – à la Carte
39 Summer in the City
43 ARBEITSPAKET 02
Fallbeispiele
55 ARBEITSPAKET 03
Szenarienwerkstätten
61 Fuchsloch, Oberwil
81 Kappelenring, Hinterkappelen
95 Saumackerstrasse, Zürich
114 ARBEITSPAKET 04
Workshop Verwaltungen
116 Fuchsloch, Oberwil
122 Kappelenring, Hinterkappelen
126 Saumackerstrasse, Zürich
132 ARBEITSPAKET 05
Umdenkarium
135 Von den eigenen vier Wänden zum Habitat
139 Vom Hier-wohne-ich zum Hier-gestalte-ich-mit
143 Vom Immer-so-weiter zum Immer-wieder-anders
146 Anregungen zu den Fallbeispielen
150 ANHANG
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Ausgangslage und Vorgehen
«Die Wohnlichkeit aber wird erst dann zu etwas, was wir bewahren oder gar
wiederherstellen können, wenn wir verstehen, dass sie nicht eine Addition
bauorientierter Verbesserungen, sondern eine Organisation lebensnotwendiger Subsysteme ist.»
(Burckhardt, Lucius: Feser, Jesko und Schmitz, Markus: Wer plant die Planung? Berline, 2018)
Lebensmuster, Haushaltsformen, Arbeits- und Mobilitätsverhalten verändern sich. Die Prognosen sind allseits bekannt: Wir leben länger, wir werden gesund alt und haben weniger
Kinder. Die Folgen des Klimawandels und der Ressourcenknappheit sind bereits heute spürbar. All diese Veränderungen haben Konsequenzen für die Art, wie wir wohnen werden.
So werden wir zum Beispiel näher zusammenrücken, weil wir deutlich weniger Land pro
Kopf beanspruchen sollten. Angesichts etablierter Vorstellungen von Wohnkomfort ist dies
aber nicht leicht umsetzbar. Es sei denn, man beginnt über neue Wohnqualitäten nachzudenken. Denn Letztere sind nicht einfach proportional zur Wohnfläche, sondern sind vielschichtig und hängen von zahlreichen Aspekten ab. So kann eine andere Auffassung von
Wohnqualität durchaus über ein vorwiegend auf die eigene Wohnung bezogenes Leben hinausgehen und damit das Wohlbefinden von der Quadratmeterzahl entflechten. Die Sorgfalt bei der Schaffung orts- und nutzerspezifischer Wohnsituationen und auch die städtebauliche Dimension des Wohnens sind also zentral, wenn es um die
Diskussion von Wohnqualitäten geht. Die Behauptung, dass der aktuelle Wohnungsmarkt
nach wie vor eine Wohnqualität propagiert, die auf tradierten Auffassungen basiert und
damit im Widerspruch zur Agenda sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit steht, ist dabei nicht ganz unplausibel. Die zentrale Frage, die es zu klären gilt, lautet: Welche Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse, die der aktuelle Wohnungsmarkt unzureichend
abdeckt, könnten gerade vor dem Hintergrund des geforderten sparsamen Ressourcenverbrauchs wegweisend sein? In welche Richtung müssen Anbieter von Wohnraum denken
und planen, um in solche nachhaltigen Wohnqualitäten zu investieren? Mit der vorliegenden Studie wurde das Ziel verfolgt, diese veränderten Bedürfnisse von Wohnenden und
den Meinungsstand von Wohnungsanbietern sowie der öffentlichen Hand in Erfahrung
zu bringen, um Lösungsansätze zur Schaffung nachhaltiger Wohnqualität aufzuzeigen.
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Themen wie innovative Wohnformen und veränderte Wohnbedürfnisse sind bereits seit
einiger Zeit im Fachdiskurs angekommen. Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit wird seit
längerem diskutiert. Und spätestens seit der Annahme des Raumplanungsgesetzes im
Jahre 2013 existiert ein breit abgestützter Konsens darüber, dass mit der Ressource Boden
haushälterisch umgegangen werden sollte. Konkret mangelt es aber an einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise, welche die ökologischen und sozialen Herausforderungen
unserer Zeit zum Anlass nimmt, ganz grundsätzlich bisherige Auffassungen von Wohnqualitäten zu hinterfragen. Schliesslich liegt hierin auch die Chance, über neue Wohnqualitäten zu diskutieren. Denn die Erhöhung der Akzeptanz ressourcenschonenden Wohnens
gelingt nur dann, wenn wir uns über neue Wohnqualitäten verständigt haben. Das heisst,
es ist eine Auffassung von Wohnqualität notwendig, die für die sich zunehmend ausdifferenzierenden Nutzergruppen spezifische Mehrwerte schafft und gleichwohl zu einem
haushälterischen Umgang mit den Ressourcen führt.
Die Annahme, dass tradierte Vorstellungen von Wohnqualität beispielsweise für die Ablehnung der Dichte mit verantwortlich sind und die sich verändernden Wohnbedürfnisse
ausser Acht lassen, ist nicht unbegründet. Die zukünftigen Dynamiken und Treiber für veränderte Wohnbedürfnisse werden so kaum abgebildet. Auch werden wegen dieser retrospektiven Basis innovative Ansätze, die mitunter ein neues Verständnis von Wohnqualität
und eine ressourcenschonende Lebensweise fördern könnten, kaum oder erst spät wahrgenommen. Diese Forschungslücke sollte im Rahmen der Untersuchung geschlossen werden, indem bisher vernachlässigte Wohnqualitäten festgemacht werden, die gerade vor
dem Hintergrund der sich abzeichnenden ökologischen und sozialen Herausforderungen
erstrebenswert sein könnten.
Zentrales Arbeitsinstrument war dabei die sogenannte Szenariotechnik. Dabei wurden
anhand der Analyse relevanter Schlüsselfaktoren mehrere alternative Zukunftsszenarien
erstellt. Diese erlaubten es, den Wohnwandel als Konsequenz verschiedener sich verändernder Randbedingungen zu untersuchen und die Wünschbarkeit zukünftiger Entwicklungen im Wohnungsbau an Szenarienwerkstätten gemeinsam mit Bewohnerinnen und
Bewohnern auserwählter Wohnsiedlungen zu diskutieren und im Nachgang mit den
betreffenden Verwaltungen und Eigentümerschaften zu reflektieren. Der Fokus lag dabei bewusst auf dem Mietwohnungsbau für ein «normal» verdienendes Publikum in der
Schweiz. Luxuriöses Wohnen wurde bewusst ausgeklammert. Das gemeinsame Arbeiten
an den Szenarien half dabei nicht zuletzt, die Rolle der unterschiedlichen Akteure im Wohnungsbau hinsichtlich der gewünschten Veränderungsprozesse zu überdenken und den
Austausch und die Integration verschiedener Perspektiven zu fördern.
Der Stellenwert, der im aktuellen Fachdiskurs dem Arbeiten mit dem baulichen Bestand
im Gegensatz zu Abriss oder Neubau beigemessen wird, hat das Forschungsteam dazu
bewogen, die im Rahmen des Forschungsprojektes entwickelten Zukunftsszenarien an
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bestehenden Wohnbauten zu überprüfen. Der gegenwärtige Wohnbaubestand setzt sich
aus sehr vielen älteren Gebäuden zusammen, wobei der Anteil der zwischen 1960 und
1980 erstellten Gebäude am höchsten ist. Wie wirken sich die Szenarien auf den heutigen
Wohnbestand aus, resp. mit welchen betrieblichen und baulich-räumlichen Mitteln kann
der heutige Wohnbestand auf diese Szenarien reagieren? Mit diesen Fragen «im Gepäck»
machte sich das Forschungsteam auf den Weg, um vor Ort und im Austausch mit Bewohnenden, Verwaltungen etc. die Auswirkungen der Zukunftsszenarien anhand bestehender
Wohnbauten und Siedlungsrealitäten zu überprüfen. Den Ausgang bildete dabei die folgende übergeordnete Forschungsfrage:
Welche Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse, die der aktuelle Wohnungsmarkt unzureichend abdeckt, könnten gerade vor dem Hintergrund des geforderten sparsamen
Ressourcenverbrauchs wegweisend sein und wie lassen sich diese im heutigen Bestand
umsetzen? In welche Richtung müssen Anbieter von Wohnraum denken und planen, um
in solche nachhaltigen Wohnqualitäten zu investieren? Dies immer im Bewusstsein, dass
der Neubau die Ausnahme und der Umbau die Regel sein wird.
Der Aufbau des vorliegenden Berichts entspricht den einzelnen Projektphasen (Arbeitspakete). Das erste Kapitel «Forschungsstand und Fachdiskurs» basiert auf einer vertieften
Literaturrecherche und gibt einen Abriss über aktuelle soziale und ökologische Herausforderungen und ihren möglichen Einfluss auf das Wohnen. Diese sogenannten «Einflussfaktoren» bilden sodann die Grundlage für die Grobszenarien im darauffolgenden Kapitel.
Die insgesamt drei Erzählungen mit unterschiedlichen Foki bilden wiederum ein narratives
Gerüst für die Szenarienwerkstätten mit Bewohnenden und Betreibenden. Im nächsten
Kapitel werden die entsprechenden Fallstudien vorgestellt. Die einzelnen Szenarienwerkstätten sind im gleichnamigen Kapitel dokumentiert. Gruppenarbeiten, offene Gespräche
und die Geschichten der Bewohnerinnen und Bewohner sind der Stoff, aus dem die einzelnen Grobszenarien fertigerzählt werden. In welchem Ausmass die Umsetzungen dieser
Szenarien von Organisations- und Entscheidungsstrukturen abhängig sind, kam anlässlich des Workshops mit den Verwaltungen und Eigentümerschaften zum Ausdruck und ist
Gegenstand des nächsten Kapitels. Das Kapitel «Umdenkarium» ist Abschluss und Ausblick zugleich: Drei Umdenkanregungen sollen dazu motivieren, jenseits festgefahrener
organisatorischer und betrieblicher Pfade nach neuen Wohnqualitäten zu suchen.
Januar 2023
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ARBEITSPAKET 01
Forschungsstand
und Fachdiskurs
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Forschungsstand und Fachdiskurs
Das Forschungsteam hat im Zeitraum von Winter 2020 bis Frühling 2021
rund vierzig Publikationen und Studien, Ausstellungen, sowie Medienberichte und Websites aus dem vorwiegend deutschsprachigen Raum ausgewertet. Dies mit dem Ziel, den Einfluss künftiger sozialer und ökologischer Herausforderungen auf das Wohnen plausibel darzulegen und eine
entsprechende Grundlage für die Entwicklung der Zukunftsszenarien im
folgenden Studienschritt zu schaffen. Dabei wurden die folgenden fünf
Themencluster gebildet. Von Interesse war dabei, wie diese Themen einen
Niederschlag in der aktuellen Wohnforschung bereits finden oder finden
könnten.
Ressourcen (Konstruktion, Energie)
Welche Überlegungen betreffend die Organisation von Stoffkreisläufen,
die Produktion und Verfügbarkeit von Energie, von Nahrungsmitteln und
Baustoffen prägen den aktuellen Fachdiskurs?
Ökologie und Biodiversität
Welches Verhältnis hat unsere Gesellschaftsepoche zu Natur und Landschaft?
Teilhabe und Zugänglichkeit
Welche Konventionen, gesellschaftspolitischen Ziele und Werte bestimmen unser Zusammenleben und Handeln? Wie finden die oben diskutierten Themen im soziokulturellen Diskurs ihren Niederschlag?
Digitalisierung, Netzwerke und Kommunikation
Welcher strukturelle Wandel und welche Phänomene resultieren aus der
fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung? Wie wird dies im
aktuellen Diskurs thematisiert?
Mobilität und Infrastruktur
Welche Entwicklungen werden in den Bereichen Mobilität und Infrastrukturen (Bildungs-, Gesundheits- und Versorgungssysteme, öffentlicher Raum)
diskutiert? Wie viel Wichtigkeit wird ihrer Rolle als Rückgrat des Zusammenlebens beigemessen?
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Ressourcen (Konstruktion, Energie)
In der Diskussion rund um das Thema der Ressourcenknappheit lässt sich
ein Fokus in Richtung eines sogenannten «Metabolismus» beobachten:
eine sich an natürlichen Stoffkreisläufen orientierende Vorstellung von
Stadt und Architektur (von Borries, F. & Kasten, B. (2019). In dieser Vorstellung funktionieren Städte und Regionen weitgehend als eigene Stoffkreisläufe, d. h. Energie, Nahrungsmittel, Baustoffe, etc. werden nicht mehr
«von aussen» in die Stadt gebracht, sondern in der Stadt/Region generiert.
In diesem Zusammenhang ist im aktuellen Diskurs (wieder) von der produktiven Stadt die Rede. Im Bauwesen wird zunehmend gefordert, dass
alle zum Bauen benötigten Materialien vollständig wiederverwendbar sein
sollen, sodass ganze Bauteile einmal selbst wieder zur Ressource werden.
Hier ist der Input von Phineas Harper erwähnenswert: Der Kurator der Oslo
Architecture Triennale 2019 («Enough: The Architecture of Degrowth») beschrieb prägnant, was unter dem Begriff Degrowth im Bereich der Architektur zu verstehen sein könnte: «Degrowth is a designed reduction of total energy and material use to realign society with planetary limits, while
improving people’s lives and distributing resources fairly. It is an economic
model that recognises that the route to greater welfare for all is not one
of more extraction and expansion, but of more sharing and co-operation.»
(https://www.dezeen.com/2019/09/25/oslo-architecture-triennale-architecture-degrowth-phineas-harper/). Neben der Materialebene wird zunehmend auch das Potenzial von Architektur und Stadt als «Motivator für ein
ökologisches Umdenken» diskutiert, indem ökologische Aspekte im gebauten Raum konkret für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft erfahrbar werden (BDA 2020). In diesem Zusammenhang wird auch vermehrt
darauf hingewiesen, es sei wichtig, bislang aus der Stadt/dem Alltag verbannte Orte, an denen Stoffe produziert, gereinigt, wiederverwertet oder
in Energie verwandelt werden, wieder sichtbar werden zu lassen. Oswalt
et al. (2016) weist darauf hin, dass wir es heute mit einer «Krise der Repräsentation» zu tun haben, wenn die eigene Lebenswelt nicht die Folgen des
eigenen Handelns spiegelt.
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Die Beziehung von Nahrungsmitteln, gebauten Strukturen und Stoffkreisläufen in der globalisierten Nahrungsmittelproduktion zeige dies eindrücklich. Während sich vor der Industrialisierung die wesentlichen Folgen der
Ernährungspraxis in der alltäglichen Lebenswelt der Menschen niedergeschlagen hätten (etwa die Verschmutzung von Wasser und Luft oder die
Verödung von Feldern und Wäldern), sei dies heute in weite Ferne gerückt.
Dieser «Entfremdung des Menschen von seiner materiell-energetischen
Praxis» gelte es entgegenzuwirken, indem diese Prozesse für den Stadtbewohner sichtbar gemacht würden (von Borries, F. & Kasten, B. (2019). Auch
im Bereich des «klimagerechten Bauens» lässt sich eine Schwerpunktverschiebung weg von rein bauphysikalischen Aspekten («Wärmedämmung»)
hin zu ressourcenschonenden/ressourcenerhaltenden Aspekten beobachten: Umbauen statt Neubauten bis hin zur Neubauvermeidung. Auch der
gegenwärtige Architekturdiskurs ist davon geprägt. In seinem Positionspapier «Das Haus der Erde. Positionen für eine klimagerechte Architektur in
Stadt und Land» aus dem Jahre 2019 tritt etwa der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA, 2020) für eine «Kultur des Pflegens und
Reparierens» ein: Bauen müsse vermehrt ohne Neubau auskommen, Priorität komme dem Erhalt und dem Weiterbauen des Bestehenden zu und
nicht dessen leichtfertigem Abriss. Je länger desto mehr scheint man sich
in der Fachwelt also darin einig zu sein, dass «das nachhaltigste Gebäude
das ist, das bereits existiert» (Lehmann 2010). Diese Diagnose bestätigen
auch Christoph Grafe und Tim Rieniets, mit der Aussage, der vorhandene Vorrat an Gebäuden sei die wichtigste Ressource für den Wandel der
Städte (Grafe, C. & Rieniets, T. (2020). Climatestrike Switzerland schlägt
in ihrem Klimaaktionsplan überdies bis 2030 ein Moratorium für den Bau
neuer Gebäude vor. Auf das Wohnen bezogen würde dies bedeuten, dass
man je länger desto mehr bestehende Gebäude an neue Nutzungen und
damit auch an veränderte Wohnformen anpassen muss. Die Vergabe des
diesjährigen Pritzker-Preises für Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal
dürfte in diesem Sinne sicher eine Signalwirkung haben.
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Ökologie und Biodiversität
Im aktuellen Diskurs um die Themen Landschaft, Kunst, und öffentlicher
Raum lässt sich eine Neudefinition des Verhältnisses von Mensch und Natur beobachten, die stark angelehnt ist an die These des «Anthropozäns».
Der Begriff wurde 2002 vom Nobelpreisträger für Chemie Paul Crutzen geprägt, wonach die Menschen die Erde und ihr Ökosystem so irreversibel und
tiefgreifend verändert hätten, dass wir nun selbst zu einem geologischen
Faktor geworden seien. Dieses Verständnis prägt denn auch die aktuelle
Diskussion um das Verhältnis von Gesellschaft zu Natur und Landschaft:
Während in den westlichen Kulturen bisweilen alles Menschengemachte
als Gegenpol zur Natur aufgefasst wurde, als sei der Mensch etwas Konträres
zur Natur, vertritt der aktuelle Fachdiskurs die Auffassung von Ökosystemen,
wonach Natur und Menschengemachtes, resp. Künstliches nicht mehr auseinanderzuhalten seien, sondern ein gemeinsames System bilden. So stellen
Eva Horn und Hannes Bergthaller (Anthropozän – Eine Einführung, 2019)
fest, dass die Vorstellung einer Natur, die unabhängig vom Menschen existiert, hinfällig ist. Vielmehr – so argumentieren die Autor*innen – verweben
sich natürliche und künstliche Umwelten zunehmend. Es entstehen hybride Situationen, in denen sich soziale und natürliche Prozesse zu einem Gewebe verstricken, in dem menschliche und nicht menschliche Akteure zusammenwirken. Genau hier stellt sich die Frage, wie wir mit neuen Formen
des Zusammenlebens auch Verantwortung für eine zunehmend hybride
Welt übernehmen können und wie wir also zukünftig leben wollen. Auch
der Soziologe Ulrich Beck drängt angesichts der globalen Krise in seinem
letzten Buch (Metamorphose, München 2017) auf ein adäquates Sich-Einfügen in die Um- oder besser Mitwelt und auf neue Kooperationen. Ähnlich äussert sich die Wissenschaftlerin Donna Haraway (2018), wenn sie
mehr Aufmerksamkeit für die vielfältigen Beziehungs- und Lebensformen
fordert, in die Menschen eingebunden sind. Denn der Mensch sei nur einer
von vielen Akteuren, die in komplexen Abhängigkeiten zueinanderstehen.
Auch der französische Philosoph Bruno Latour fordert im «Terrestrischen
Manifest» ein neues Verhältnis der Menschen zur Erde und tritt für eine
Welt ein, in der das Lokale gegenüber dem Globalen an Bedeutung ge-
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winnt, um die «Verbindungslosigkeit» zu beenden. «Gesucht wird nicht die
Eintracht mit allen diesen übereinander lagernden Akteuren, sondern es
soll gelernt werden, wie man von ihnen abhängt. Weder Reduktion noch
Harmonie. Nur wird die Liste der Wirkkräfte immer länger, ihre Interessen
überlagern sich. Will man sich hier zurechtfinden, müssen alle Forschungskräfte aufgeboten werden.» (Latour. B. 2020) Latour fordert also eine neue
Perspektive, in der wir die Erde nicht mit Distanz und Abstand betrachten,
sondern vielmehr aus der Nähe und teilnehmend. Es gehe darum, sich an
den Boden zu binden, «erdhaft» und gleichzeitig «welthaft» zu werden.
Für das Wohnen könnte dies heissen, dass gerade die Beziehungen zu Menschen, Dingen oder Tätigkeiten über die eigenen vier Wände hinaus neu
und anders gedacht werden: Statt Isolation vom Aussenraum durch hochdämmende Materialien und technische Infrastruktur könnte Architektur
wieder poröser und im Sinne eines resonanten Wohnens Wechselwirkungen zulassen, also wie die Architektin Franziska Wittmann in ihrem Essay
«Wie hältst Du es mit dem Klimawandel?» vorschlägt, dem menschlichen
Bedürfnis nach vielfältigem Austausch mit der Umgebung nachzukommen
und unterschiedliche Temperaturen und Helligkeiten, dichte und weniger
dichte Räume oder dumpfe und hallende Akustik als qualitätsvolle Erfahrungen ins Repertoire der (Wohn)Architektur wieder aufzunehmen. Könnte also ein Weniger an Ressourcenverbrauch das Wohnen sogar für neue
Qualitäten empfänglich machen, indem das Erfahren von Wetter, Temperaturen und Lichtstimmungen «lebendige Qualitäten» schaffen (Rosa, H.
2020). Ausserdem könnte man im Wohnumfeld weniger auf «domestizierte Aussenanlagen» setzen, sondern als Teil eines städtischen Naturraums
auffassen.
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Teilhabe und Zugänglichkeit
Sowohl im öffentlichen als auch im fachlichen Diskurs scheint mittlerweile
ein Konsens darin zu bestehen, dass es weniger «Top-down-Planung und
mehr Bottom-up-Prozesse» braucht. Inzwischen gehören in vielen Städten
und Gemeinden Beteiligungsverfahren zum festen Bestandteil städtischer
Transformations- und Entwicklungsprozesse. Dabei ist man sich in soziokulturellen Kreisen einig, dass «nicht alles, was Kooperation heisst, glänzt»
(Laimer, C. & Rauth, E. (2015). So wird im gegenwärtigen Diskurs auch eine
kritische Bilanz gezogen und festgestellt, dass «es nicht ausreicht, schöne
Projekte kooperativ zu entwickeln und umzusetzen» (Laimer, C. & Rauth,
E. (2015), denn, so etwa Tatjana Schneider, dabei bestehe immer die Gefahr, dass schlussendlich nicht die ursprünglichen Akteur*innen profitieren
(Schneider, T. (2015). Wie soll und kann Kooperation und Bürgerbeteiligung funktionieren? Die Stadt- und Sozialforschung scheint sich darin einig zu sein, dass es nicht nur um Fragen des Eigentums, sondern dass auch
Fragen der Organisation und der Steuerung/Governance von Bedeutung
sind. Andererseits sorgen gerade ungleiche Eigentumsverhältnisse regelmässig dafür, dass hierarchische Ordnungen und damit die Frage nach der
tatsächlichen Entscheidungsmacht unangetastet bleiben, was eben eine
Kooperation auf Augenhöhe verunmöglicht. Im aktuellen Diskurs wird
denn auch immer wieder die Frage aufgeworfen, inwiefern es hier auch an
der Zeit wäre, über andere Formen von Besitz nachzudenken.
Immer wieder als Vorbild genannt werden in Presse und Fachliteratur
das Revival selbst- oder teilverwalteter Genossenschaftssiedlungen oder
selbstinitiierter Quartierprojekte wie etwa Urban Gardening. Der Fokus der
Mitgestaltung liegt hier in der eigentlichen Betriebs- und Gebrauchsphase, in der die Bewohnenden ihre Wünsche, Ideen, Wissen und Tatkraft in
ihrer konkreten Alltagswelt umsetzen können. In diesem Zusammenhang
ist momentan auch in der Umweltpsychologie viel von der sogenannten
Selbstwirksamkeit die Rede, resp. von der Wichtigkeit des Wohnumfeldes als Handlungsraum. Das momentan viel diskutierte Konzept der
«15-Minuten-Stadt» (siehe auch Mobilität und Infrastruktur) nimmt diesen Ansatz auf, indem es die Idee einer «Stadt der kurzen Wege» um den
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Gedanken der Teilhabe verbindet. Sozial und infrastrukturell gut funktionierende Quartiere bewirken, dass die Bewohnenden sich vermehrt als Teil
des Quartiers fühlen und mehr Zeit darin verbringen, anstelle als Nomaden zwischen Arbeits- und Schlafstätte zu pendeln. Welche Auswirkungen
der Einfluss digitaler Medien im Hinblick auf eine kooperative Stadt haben kann, wird gegenwärtig kontrovers diskutiert: So wird immer wieder
festgestellt, dass das forcierte Einführen von Partizipation viele Menschen
zurücklasse und somit eine Tendenz hin zu «Pseudopartizipation» unterstütze. Indem die partizipativen Möglichkeiten rein auf das geschriebene
Wort reduziert würden, bekämen lediglich gebildete, deutschsprachige,
technikaffine Menschen eine Stimme, während die Hälfte der Zivilgesellschaft zurückgelassen würde (Ruff, S. (2021). Einige Autor*innen stellen
gar fest, dass die Nutzung digitaler Technologien, die einen dialogischen
Prozess auch ohne persönliche Anwesenheit ermöglichen sollten, bislang
eher «technokratisch und Top-down» gedacht seien und viel zu wenig die
urbanen Realitäten widerspiegeln würden (von Borries, F. & Kasten, B.
(2019). Urbane Digitalisierung muss also auch mit dialogischer Demokratisierung einhergehen, so könnte man den aktuellen Stand der Diskussion
zusammenfassen.
Dass die Frage nach der «echten Partizipation im Sinne der Beteiligung
auf Augenhöhe» (Ruff, S. (2021) in Zeiten globaler Migration immer auch
eine Frage der Zugänglichkeit ist, verdeutlicht der gegenwärtige Diskurs
um das Konzept der «Urban Citizenship» oder der «Solidarity Cities», einem Netzwerk verschiedener Städte, die sich zum Ziel gesetzt haben, auch
Menschen ohne Pass und Aufenthaltsstatus das Recht und die Möglichkeit
zur Teilhabe zu geben.
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Digitalisierung, Netzwerke und Kommunikation
Informationstechnologie und Internet wälzen zunehmend die Arbeitswelt
des 21. Jahrhunderts und damit auch das gesellschaftliche und private Leben um: So werden Lagerarbeiter oder Kassiererinnen ersetzbar, aber auch
das Können von Ingenieur*innen und Architekt*innen ist bereits heute zum
Teil digital abrufbar. Computer organisieren komplexe logistische Abläufe und Algorithmen ersetzen das Ermessen von Verwaltungsangestellten.
(Greffrath, M. 2021) Welche Konsequenzen dies für die (arbeitende) Gesellschaft hat, wird kontrovers diskutiert. Hannah Arendt resümiert etwa
«Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die
Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?» (Arendt, H. 2011) Andere, wie
beispielsweise der Architekt und MIT-Forscher Carlos Ratti sehen in einer
optimalen Vernetzung der Menschen untereinander sowohl ökologische als
auch ökonomische Vorteile sowie die Möglichkeit, den Alltag zu erleichtern.
Ratti erscheint gerade die Vernetzung der Menschen untereinander entscheidender als die Vernetzung von Städten resp. deren Infrastrukturen.
Entsprechend formuliert er «Ambient intelligence and sensing networks
will not change the container but the contained; not smart cities but smart
citizens» (Ratti, C. 2014). Doch diese Entwicklung ist auch ambivalent und
im aktuellen Diskurs wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die ausserordentlich wirkmächtigen Informationstechnologien wirksame gesellschaftliche Rahmenbedingungen brauchen. Gerade weil mit Hilfe von Big
Data jegliches Verhalten erfasst, gemessen und registriert wird, um dann
u. a. von globalen Technologieunternehmen kommerzialisiert zu werden.
In diesem Zusammenhang ist das Plädoyer von Dirk Hebel und Carlos Ratti
für mehr Chaos und Anarchie erwähnenswert. In ihrem Artikel «Rettet den
Zufall», erschienen am 11.09.2016 in der SZ, stellen sie fest: «Mit zentralisierten Algorithmen, die langsam jede Facette der Gesellschaft organisieren,
droht jedoch die datengesteuerte Technokratie Innovation und Demokratie zu erdrücken. Das muss um jeden Preis verhindert werden. Dezentrale
Entscheidungsfindung ist essenziell für eine vielfältige Gesellschaft. Umgekehrt basiert datengesteuerte Optimierung auf festgelegten Mustern, die
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in ihrer momentanen Form genau die Ideen ausschliesst, die überraschend
sind und Normen durchbrechen. Aber nur solche Ideen können die Menschheit voranbringen. (…) Ein gewisser Grad von Zufall im Leben ermöglicht
neue Denkmuster, die andernfalls fehlen würden.» Ihr Plädoyer setzt auf
einen kooperativen Ansatz von menschlicher und künstlicher Intelligenz
als Garant für eine kreative, vielfältige und belastbare Gesellschaft. Das
Funktionieren der hier beschriebenen Gesellschaft setzt aus Sicht des Soziologen Matthias Greffrath allerdings ein Menschenbild voraus, das seit
Aristoteles als «Zoon Politicon» beschrieben wird – «ein soziales und politisches Wesen, ein geselliges und ein Gesetze-machendes Tier», das sich in
den demokratischen Institutionen und Netzwerken auf allen Ebenen engagiert, aktiv nach Möglichkeitsräumen sucht, Ausgrenzung ausschliesst
und Solidarität fördert. (Greffrath, M. 2021) Es geht hier also einmal mehr
um die Frage, welche gesellschaftspolitischen Ziele verfolgt werden sollen,
denn , wie Friedrich von Borries und Benjamin Kasten bestätigen, die aktuellen Diskurse um die Konzepte etwa einer Smart City und die dafür benötigten digitalen Einrichtungen würden zwar einen ersten Ausblick auf
die in Zukunft allenfalls benötigten Infrastrukturen geben, sie würden aber
keineswegs die Frage beantworten, zu welcher Form von Gesellschaft diese
Infrastrukturen, resp. die Digitalisierung beitragen sollen (von Borries, F.
& Kasten, B. (2020). Je länger desto mehr weisen öffentliche und fachliche Kreise zu Recht darauf hin, dass es dringend eine gesellschaftliche Diskussion darüber brauche, wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft prägen
sollte, resp. in welchen Lebensbereichen wieviel Digitalisierung für eine wünschenswerte Gesellschaft überhaupt sinnvoll sei. In diesem Zusammenhang (und vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie) fordert Sabina
Ruff (2021) dazu auf, der Bedeutung von Kommunikation mehr Aufmerksamkeit zu schenken, da sie ein Grundbedürfnis des Menschen ist. Weiter
stellt sie fest, dass erst im Austausch mit dem konkreten Umfeld Identität
hergestellt und gefestigt wird, weshalb es Nähe und Erleben für den Aufund Ausbau nachhaltiger Gemeinschaftsbildungen braucht. Hierfür gelte
es (gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung? Anm. d. Autor*innen)
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Räume und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, welche den
physisch-sozialen Austausch vor Ort stimulieren (S. Ruff (2021). Führt eine
forcierte und zu einseitig auf Marktlösungen fokussierte Digitalisierung zu
einer Entfremdung von Menschen zu Menschen und zu ihrer konkreten Lebenswelt? Auf das Wohnen und die Stadt bezogen könnte dies heissen,
dass gerade der Nahbereich der Wohnung und das Quartier als konkrete
Handlungs- und Wahrnehmungsräume vermehrt an Bedeutung gewinnen
könnten, um Handlungen und Selbstwirksamkeit im konkreten Lebensalltag und im Austausch mit dem Quartier zu ermöglichen.
Mobilität und Infrastruktur
Dass der naheliegendste Ansatz zur umweltverträglichen Gestaltung die
Vermeidung von Verkehr ist, darin scheint man sich im aktuellen Fachdiskurs einig zu sein. Dies schlägt sich etwa darin nieder, dass die Diskussionen
um die Themen Mobilität und Infrastruktur die Gestaltung der Raumstruktur durch die Mischung von Funktionsbereichen fokussieren (die Stadt der
kurzen Wege). Drehten sich in der Vergangenheit die Diskussionen um ein
möglichst effizientes öffentliches Verkehrsnetz, welches die Wohngebiete
mit den Einrichtungen und Infrastrukturen des täglichen Bedarfes verbinden sollte, denkt man je länger desto mehr über eine optimale Verteilung
von Dienstleistungen vor Ort nach. Mit der Corona-Pandemie dürfte sich
der Ruf nach einer dezentralen Verteilung städtischer Funktionen verstärkt
haben. Ein momentan viel diskutiertes städtebauliches Leitbild ist die sogenannte «15-Minuten-Stadt», wonach jede und jeder innerhalb einer
Viertelstunde von der Wohnung aus zu Fuss oder mit dem Fahrrad alles
erreichen kann, was es zum Leben braucht (den Arbeitsplatz, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas und Schulen, Ärzte, Parks, Freizeit- und Kultureinrichtungen,
etc.). Georgia Pozoukidou und Zoi Chatziyiannaki erläutern in ihrer Untersuchung zum Konzept der 15-Minuten-Stadt, es gehe hier nicht einfach um
«kurze Wege», sondern um ein Umdenken, indem über eine gerechtere Verteilung von Infrastrukturen im städtischen und regionalen Massstab nachgedacht wird (Pozoukidou G. & Chatziyiannaki Z. (2021). Auch der Climate
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Action Plan/Klimaaktionsplan zeichnet in seiner Vision das Bild eines kompakten und nutzungsdurchmischten Quartiers, in dem die Menschen sich
primär zu Fuss oder mit dem Fahrrad fortbewegen. Dass das hierfür notwendige Näherrücken von Menschen und ihren verschiedenen Aktivitäten
eine neue Qualität menschlicher Interaktionen mit sich bringe, die aber
erst noch erlernt werden müsse, wird auch hier hervorgehoben. Diese Verdichtung bringe aber auch eine Entdichtung mit sich, da mit der Reduktion
des Individualverkehrs die Strassen und Parkplätze für andere Zwecke verfügbar wären. In diesem Zusammenhang spricht der Architekt und Stadtplaner Stefan Bendiks von einer Diversifikation von öffentlichen Räumen
und insbesondere Verkehrsräumen. (BDA 2020.2)
Andererseits weisen zahlreiche Studien drauf hin, dass mit der viel diskutierten Digitalisierung und Automatisierung die Mobilitätsangebote derart vervielfältigt würden, dass der Druck auf den öffentlichen Raum noch
zunehmen wird. Emilia Bruck vom future.lab Research Center weist darauf
hin, dass das Verkehrsaufkommen erheblich ansteigen werde, wenn der
Einsatz durch automatisierte Fahrzeuge nicht durch entsprechende Rahmenbedingungen gesteuert werde. Der Frage, ob neue technologische Mobilitätsansätze tatsächlich zu einer nachhaltigen Verkehrswende führen,
wird im aktuellen Fachdiskurs durchaus auch skeptisch begegnet. Zahlreiche Autor*innen weisen gerade im Diskurs um automatisiertes Fahren auf
eine mangelnde Berücksichtigung von räumlich-gestalterischen, gesellschaftlichen und ökologischen Wechselwirkungen hin. Hier stellt sich etwa
die Frage, wie sich der Wandel solcher Mobilitätsmuster nicht nur auf infrastrukturelle Anforderungen, sondern vor allem auf das Strassenleben und
auf den Stadtraum auswirken. Mit der systematischen Reorganisation des
Verkehrssektors kommt Umgestaltung «Pkw-orientierter Strukturen» (Laa,
B. et al. (2021) auf die städtebauliche Agenda. Um der Öffentlichkeit den
Geschmack und die Möglichkeiten einer anderen Mobilität näherzubringen, veranstaltete die Stadt Rotterdam 2019 den sogenannten «Mobility
Challenge». Zwei Monate lang mussten die Bewohnenden ihre Autos in der
Garage lassen und stattdessen andere Wege der Mobilität ausprobieren
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mit dem Resultat, dass Verkehrsräume zu Aufenthaltsräumen für vielfältige Nutzungen wurden. Eine wichtige Erfahrung, die den Bewohnenden
zeigte, dass vermeintlicher Verzicht im Endeffekt in vielen anderen Bereichen einen Gewinn bringen kann.
Für das Wohnen lassen sich folgende Aspekte festmachen: Erstens die «Erfahrbarkeit» einer anderen Art von Mobilität und Alltagsorganisation, sei
dies durch Zusatzangebote im Wohnumfeld, die ein langes Pendeln überflüssig machen. Ein weiterer Aspekt ist die Neuverteilung von Nutzungen:
sei dies räumlich, als auch zeitlich, indem die Nutzungen bestimmter Räume
nicht rund um die Uhr dem Verkehr vorenthalten ist, sondern auf tageszeitabhängige Bedürfnisse reagieren können. Mit der «Stadt der kurzen
Wege» stellt sich die Frage, was dies für einen grossen Teil heutiger Wohnbaustrukturen bedeutet, die ja auf wenige Funktionen ausgelegt sind, wie
beispielsweise «Schlafquartiere», um Nutzungsangebote und Infrastrukturen ergänzt werden können. Die Reduzierung der Mobilität geht mit einer
räumlichen und zeitlichen Verdichtung von Menschen und Aktivitäten im
Quartier einher – was einen grossen Einfluss auf die Art und Weise menschlicher Beziehungsmuster im Nahumfeld haben dürfte. Hier drängen sich
etwa Fragen nach neuen Mitwirkungsgefässen im Quartier (siehe auch
«Teilhabe und Zugänglichkeit»), Nutzungserweiterungen kollektiver Räume im Wohnumfeld, aber auch Fragen nach dem individuellen Rückzugsraum auf. Aber auch ganz «praktische» Fragen, etwa die Umdeutung und
Umnutzung bestehender Infrastrukturen wie Tiefgaragen und Einstellhallen.
Bezogen auf die Wohnqualität stellt sich bei der «Stadt der kurzen Wege»
und der damit einhergehenden Nähe zu sozialen und infrastrukturellen Angeboten, sowie Arbeits- und Produktionsstätten im Quartier die Frage, was
eine Wohnung alles leisten muss, resp. eben gerade nicht (Hubeli, E. (2020).
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Identifizierte Einflussfaktoren/Arbeitsthesen
Ressourcen – schonend zu wohnen kann heissen …
• Städte und Regionen als eigene Stoffkreisläufe in den Blick zu nehmen,
• Erfahrbarkeit von energetischen und materiellen Prozessen im Alltag möglich zu
machen.
• die Folgen des eigenen Handelns sichtbarer zu machen.
• Umbauen statt Neubauten zu fördern.
• die Kultur des Pflegens und Reparierens zu fördern.
Ökologie und Biodiversität können für das Wohnen bedeuten …
• das Verhältnis von Menschen und Natur als gemeinsames System neu zu definieren,
Natur- und Menschengemachtes nicht mehr auseinander zu halten, sondern als
Gewebe zu verstehen.
• die Verantwortung für eine zunehmend hybride Welt anzunehmen.
• die Bedeutung und Notwendigkeit neuer Kooperationen in den Fokus zu nehmen.
• die Verbindungslosigkeit zu beenden und Beziehungen zwischen Menschen, Dingen
oder Tätigkeiten im Sinne eines resonanten Wohnens neu zu denken. (Hartmut Rosa)
• das Wohnen wieder empfänglicher für «lebendige» Qualitäten zu machen.
Teilhabe und Zugänglichkeit können für das Wohnen heissen …
• weniger Top-down Planung und mehr Bottom-up Prozesse zu unterstützen.
• über andere Eigentumsformen und Besitzverhältnisse nachzudenken, um die Fragen
nach der tatsächlichen Entscheidungsmacht in den Blick zu nehmen.
• mehr Nähe der städtischen Funktionen innerhalb der Nachbarschaft statt mehr
Erreichbarkeit der städtischen Funktionen im weiteren Umfeld.
• Wohnungen und ihr Wohnumfeld vermehrt als Handlungsräume zu begreifen
und die Selbstwirksamkeit der Bewohnenden zu fördern.
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Digitalisierung, Netzwerke und Kommunikation können das Wohnen unterstützen …
• durch den kooperativen Ansatz von menschlicher und künstlicher
Intelligenz.
• mittels dezentraler Entscheidungsfindungen als Alternative zu datengesteuerter Optimierung nach festgelegten Mustern.
• durch eine breit angelegte gesellschaftliche Diskussion zu den gewünschten Qualitäten – also in welchen Lebensbereichen wieviel Digitalisierung wünschenswert ist und warum.
• als Ergänzung zum Austausch mit dem konkreten Wohnumfeld und
seinen vielfältigen Handlungs- und Wahrnehmungsräumen.
Mobilität und Infrastruktur können Wohnraum verändern, indem …
• dezentrale Organisation von Funktionsbereichen zu mehr nutzungsgemischten und kompakten Quartieren führen. (15 Min. Stadt)
• Diversifikation von öffentlichen Räumen neue resp. andere Nutzungen im Wohnumfeld ermöglichen und neue Handlungs- und Erfahrungsräume erschliessen können.
• neue Beziehungsmuster im Nahumfeld entstehen, die zu Transformationen von bestehenden Infrastrukturen führen können.
• andere Standards gefragt sind. (Was muss eine Wohnung leisten und
was nicht?)
• Automatisierung und Digitalisierung von Mobilität zu mehr Druck auf
den öffentlichen Raum führen können.
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ARBEITSPAKET 02
Grobszenarien
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Grobszenarien
Aufgrund der in AP01 festgemachten Einflussfaktoren wurden drei Grobszenarien entwickelt. Sie bilden ein narratives Gerüst für die Szenarienwerkstätten mit Bewohnenden und Beitreibenden. Die Werkstätten haben
zum Ziel, unter Einbezug verschiedener Akteur*innen die Konsequenzen
für das Wohnen vor Ort im konkreten Fallbeispiel in Bezug auf bauliche,
betriebliche und soziokulturelle Aspekte des Wohnens festzumachen. Das
Format dient auch dazu, die jeweiligen Chancen und Probleme sowie die
möglichen Konfliktpotenziale bei der Schaffung neuer Wohnqualitäten im
Bestand darzulegen, um sie in den Arbeitspaket AP04 und AP05 mit verschiedenen Expertinnen und dem Beirat zu diskutieren.
Es wurde der Ansatz der normativen Szenarien verfolgt, d. h. die Beschreibungen wünschenswerter Zukünfte und unterschiedliche gesellschaftliche
Zielvorstellungen stehen im Fokus. Als Zeithorizont wurde ungefähr 2030
bestimmt. Dieses Jahr wird im öffentlichen und fachlichen Diskurs als wichtiger Meilenstein genannt, um gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Prozesse auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele auszurichten. Parallel zur Entwicklung der Grobszenarien fand eine Projektrecherche statt,
mit dem Ziel, vier geeignete Fallbeispiele ausfindig zu machen, anhand
derer die folgenden Grobszenarien situations- und akteursspezifisch konkretisiert und weiterentwickelt werden.
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«Die Konsumentin als Produzentin»
Vor fünf Jahren fand die Internationale Konferenz «Global Land
Summit» 2025 statt. Zum ersten Mal wurde die Notwendigkeit einer globalen Landwende diskutiert. Tatsächlich wird der
zukunftsfähige Umgang mit Land je länger desto mehr ernst
genommen: Biologische Diversität, Klimaschutzziele und nachhaltige Ernährungssicherheit sollen hoffentlich bald zum Alltag
gehören. Man ist sich nämlich zunehmend darin einig, dass das
Land als globales Gemeingut eingestuft werden sollte und dass
alle dafür die Gestaltungsverantwortung übernehmen sollten,
und zwar auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene.
Eine grosse Rolle spielt dabei die Landwirtschaft und in der
Konsequenz unser Ernährungsstil. Deshalb finden im Quartiersverein jetzt regelmässig Kurse und Workshops statt, an denen
wir lernen, wie sich unser Ernährungsstil auf die Produktion
von Nahrungsmitteln und damit auch auf das Klima und auf
die Biodiversität auswirken. In der Tat haben auch in unserem
Quartier die Bewohnenden damit begonnen, den Konsum
tierischer Produkte massiv zu reduzieren. Nicht immer aus purer
Überzeugung, vielmehr ist es eine Reaktion auf die steigenden
Lebensmittelpreise: Seitdem die ehemals ausgelagerten, sogenannten «externalisierten Kosten» nun vom Verbraucher übernommen werden müssen, überlegt man es sich zweimal, bevor
man in das Regal greift. Und Tomaten aus der Dose gibt es im
Supermarkt schon seit langem nicht mehr. Nicht nur wegen der
vielen Ernteausfälle, zumal sich im Süden Spaniens – in Huelva
und Almeria – Überschwemmungen aufgrund extremer Niederschläge mit Dürreperioden und sinkenden Grundwasserspiegeln abwechseln. Nein, auch der Mangel an Rohstoffen für die
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Verpackungsproduktion und die Abkehr von Verpackungsorgien
zwingen uns alle, die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln umzudenken. Unter anderem zeigt sich das daran, dass
nun vermehrt mit innovativen Formen innerstädtischer Lebensmittelproduktion experimentiert wird. Unter dem Schlagwort
«Essbare Stadt» wurden in den letzten Monaten zahlreiche
Projekte initiiert, darunter Aquaponic, Insektenzucht, Algenreaktoren, bodenlose Pflanzenzucht, Vertical Farming, usw. Für
die einen eine Zumutung, für die anderen eine logische Konsequenz, beginnen die Leute sich notwendigerweise von ihrer
Rolle als Konsumierende zu verabschieden. Das ist mit vielen
Hürden verbunden. Allen voran: Wie soll jemand bitte schön
seinen Joghurt selber herstellen, wenn jahrzehntelang der wählerische Griff ins Kühlregal gereicht hat? Von Eingemachtem
kaum zu sprechen. Es sind aber nicht nur das Know-how und
die Zeit, die fehlen. Auch der nötige Platz oder die Ausrüstung:
Ein Wildschwein in einer Standard-Einbauküche zu zerlegen
oder Käse in hochwärmegedämmten Kellern zu lagern, gelingt
auch nach x Versuchen nicht. Jetzt, wo das Essen vermehrt da
produziert wird, wo es konsumiert wird, spürt man auch, wie der
ganze Güterverkehr insgesamt zurückgegangen ist. Jedenfalls
werden auch die Wege vom Produzenten zum Konsumenten
kürzer – seit Kooperationen zwischen unserem Quartier und
den Landwirten im Umfeld bestehen. Aber nicht nur Essen wird
transportiert, sondern auch Wissen: Die Quartierbewohnerinnen und Quartierbewohner geben ihre Erfahrungen zum Beispiel im Umgang mit Reparatur von Küchenmaschinen oder
der intelligenten Verwertung von Abfällen weiter. Und dank
dieses Wissensaustauschs verstehen wir auch bei Begriffen wie
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«regionale Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfungsketten»
nicht mehr Bahnhof, sondern es ist klar, wie und wo wir konkret ansetzen können. Ausserdem organisieren wir uns auch
über unsere Stadt hinaus: Onlineplattformen stellen den Betrieb für eine nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft auch
überregional und international sicher. So nimmt der Abfallberg
konstant ab. Auch deshalb, weil «hat einen Makel» und «ist
nicht mehr Mode» als Argumente für einen Neukauf ziemlich
out sind. Ein neues Bewusstsein hat die verstaubten Werkzeugkisten und Reparaturratgeber aus der Senke geholt. Aber nicht
nur hardwaremässig ist man auf dem Reparaturtrip. Auch das
Internet wurde nun zur Plattform von Ideen: Vieles wird nun
von Vielen programmiert und aufgebaut, tausende von Reparatur- und Bauanleitungen werden offen ins Netz gestellt und
das Internet wird lokaler. So kann man sich schnell informieren,
wo man in der Nachbarschaft frische Eier bekommt, wer was in
der Nähe repariert, etc.
Reparieren, produzieren, sich lokal engagieren ist nun etwas
Notwendiges, denn die Zeiten der Massenimportware ist definitiv vorbei. Man muss sich freilich auch umorganisieren. Entgegen der Behauptung, die Arbeit würde uns ausgehen, stellt sich
genau das Gegenteil ein: Man arbeitet mehr als früher – aber
anders und vor Ort im Quartier. Und man pendelt nicht mehr
so oft, seit man nun auch die Bau- und Zonenordnung dahingehend angepasst hat, dass Produzenten eben anders wohnen
und den Boden anders nutzen als früher in der Konsum- und
Dienstleistungsgesellschaft. In unserem Wohnquartier ist noch
allerhand zu tun, damit wir die Kurve kriegen.
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«Unterwegs – à la Carte»
Einerseits war es sicher etwas nostalgisch, als der letzte benzinbetriebene Citroën vom Band lief, um dann in das Luzerner
Verkehrshaus zu reisen. Andererseits war nun endlich vollzogen,
was jahrzehntelangen zähen Verhandlungen bedurfte: die sogenannte Mobilitätswende. Nicht nur die Automobilkonzerne
stellten sich dagegen. Auch die Konsumentinnen und Konsumenten, die befürchteten, sie würden plötzlich nirgendwo
hinkommen. Leider hatte sich auch der grosse Hoffnungsträger, das batteriegetriebene Elektroauto, als ein mangelhafter
Versuch gezeigt, das Problem der CO2-Emissionen in den Griff
zu bekommen. Denn an gewohnten Mobilitätsmustern wurde
ja nicht gerüttelt. Erst eine veränderte städtebauliche Organisation mit einer besseren dezentralen Nutzungsverteilung
machte das hohe Mobilitätsaufkommen über mittlere und
längere Distanzen unnötig. Plötzlich ist spürbar, wie viel Raum
auf den Strassen vorhanden ist, der nun anders genutzt werden
kann. Immer mehr Verkehrsräume wandeln sich zunehmend in
Möglichkeitsräume. Nicht nur für Mobilität, sondern auch für
Aufenthalt und für neue Formen der kollektiven Nutzungen –
nicht von heute auf morgen und oft noch in der Theorie. In der
Praxis gestaltet sich die Umgestaltung von Strassenräumen
und Erdgeschosszonen als herausfordernd: Welche Nutzungen
entfallen, wenn wir nicht mehr so oft und weit hin- und herumpendeln müssen? Und welche Nutzungen braucht es, wenn wir
uns vermehrt im Quartier aufhalten, versorgen und hier arbeiten? Dass der Bäcker um die Ecke nun doch nicht sein Geschäft
schliessen möge, obschon er die letzten Jahrzehnte rote Zahlen
geschrieben hat und auch der Quartierladen sein Angebot bitte
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nochmals überdenken möge, hierfür brauchte es viel Überzeugungsarbeit und realistische Nutzungskonzepte. Bisher lautete
das Motto, «ehemals dezentral organisierte Dienstleistungen
und Einrichtungen des täglichen Bedarfs, an einem zentralen
Ort zusammenführen.» Work and live smart! Schlanke und
effiziente Strukturen! Less is more! Dass man durch diese Zentralisierung gleichzeitig den Mobilitätsbedarf, resp. die Abhängigkeit gewisser Stadtteile von einem «Zentrum» ankurbelte,
war in der fossilen Welt ja kein Problem. Immerhin hatte die
Coronapandemie in den Jahren 2020 bis 2022 einen Vorgeschmack gegeben, wohin die Reise gehen müsste, wenn man
plötzlich längere Zeit im Quartier bleiben muss. Aber auch gut
ein Jahrzehnt danach sind nicht alle von der Mobilitätswende
überzeugt. Kurze Wege, ja – aber die Wohnnutzung im Erdgeschoss aufzuheben und für neue Nutzungen zur Verfügung zu
stellen, oder auch nur über die Parzellengrenzen hinauszudenken, war alles andere als einfach. Zu sehr war noch die funktionsgetrennte und autogerechte Stadt in den Köpfen – mehr
als wir gedacht hätten. Es brauchte erst einmal kollektive Erlebnisse der «Entschleunigung», um gemeinsame Zielvorstellungen für eine künftige Mobilitätskultur zu entwickeln. Denn
bei der «Post-Pendler-Stadt», wie sie nun von Stadtplaner*innen und Architekt*innen mantraartig genannt wird, geht es
nicht allein um technische Lösungen, sondern vielmehr darum,
Mobilität in der Stadt ganz grundsätzlich neu zu denken, den
individuellen motorisierten Verkehr drastisch zu reduzieren und
den Stadtraum neu zu verteilen. Kurz: die Transformation von
der S-Bahn-Stadt zur 10-Minuten-Stadt. Das heisst, auch die
Agglomerationsgemeinden so zu organisieren, dass man ganz
viel leben und erleben kann. So gesehen bietet unser Quartier
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tatsächlich mehr Möglichkeiten. Dies gilt auch über die Formen
des Fortbewegens: Wir sind vielleicht langsamer, aber auch
vielfältiger unterwegs. Wo früher die Bushaltestelle war, bieten
nun so genannte Mobility Hubs (über den Namen lässt sich
streiten) öffentliche und Sharing-Angebote (wieder ein solcher
Begriff) für Velos, E-Scooter oder Carsharing an einem Ort. Was
aber fast noch spannender ist, es sind nicht nur einfach Orte
des Wartens und Ankommens, sondern zunehmend auch Orte
des informellen Austauschs und des zwanglosen Aufenthalts,
die allen zugänglich sind – vergleichbar mit Biergärten, Cafés
oder Bibliotheken. Und das in unserem Quartier! Früher musste man mit dem Bus in die nächste Stadt fahren, um etwas zu
erleben. Lustig, erst jetzt kapiere ich, was dieser Soziologe (Ray
Oldenburg) mit «Dritte Orte» meinte: All die Orte, die zwischen
meiner zugegebenermassen etwas vernachlässigten Wohnung
und meinem seit längerem menschenleeren Büro in der Kernstadt an Bedeutung gewinnen werden. Während der rechte
Fuss der älteren Generation noch unbewusst nach dem Gaspedal verlangt, sind die Jungen schon angekommen. Oder besser:
abgefahren. Gerade für sie wird der flexible Zugriff auf die
ganze Vielfalt an Mobilität zu einem Spiel. Mobil zu sein bedeutet jetzt Abwechslung, Vernetzung und Erlebnis. Das Auto ist
nun genauso altmodisch, wie der Gedanke, etwas aus Prestige
zu besitzen. Der Kettler-Heimtrainer steht jetzt im Mobility-Hub
(wieder dieser Name!) und Geranien werden jetzt auf den jetzt
nicht mehr benötigten Parkplätzen gepflegt. Einzig mit den
schon damals viel zu gross dimensionierten Tiefgaragen weiss
niemand so richtig etwas anzufangen. In unserem Wohnquartier ist noch allerhand zu tun, damit wir die Kurve kriegen.
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«Summer in the City»
Bis zu 80 Tage haben wir jährlich Spitzenwerte von 45 Grad.
Nachts fühlt sich das etwa so an, wie damals in der südfranzösischen Stadt Montelimar. An Schlafen ist nicht mehr zu denken. Und der Kälteraum, den sie in der Siedlung eingerichtet
haben, ist natürlich derart überbelegt, dass ich trotzdem in
meinen eigenen vier Wänden bleibe und lieber allein schwitze.
Beim letzten Wolkenbruch sind Teile der Klimaanlage einfach
weggefegt worden – die Reparatur dauert länger als vorgesehen. Die Technik kommt nicht mehr mit und produziert eh
zu viel Abwärme. Wie gut nur, dass ich nicht in einer dieser
Wohnsiedlungen aus den 2020er Jahren lebe – die nun auch
spöttisch «Aquarium» oder «Solarium» genannt werden. Einige
der grossdimensionierten Südfenster mussten neulich sogar zugemauert werden, denn was nützt die schönste Aussicht, wenn
man sie nicht geniessen kann? Der Witz der Sache – moosige,
ehemals als Schattenloch disqualifizierte Aussenräume gehören heute mithin zu den beliebtesten Aufenthaltsorten. «Grün
und schattig ist Trumpf!». Das gilt auch für den sogenannten
«Beschattungs- und Kühlungsplan», einem baulich-räumlichen
Hitzeschutzkonzept, das jede Quartierverwaltung ausarbeiten
und dem Bundesamt für Klimaschutz zur Genehmigung vorlegen muss. In der Regel heisst dies: Der Baumbestand in der
Stadt wird massiv erhöht. An jeder Ecke wird ausserdem experimentiert mit begrünten Fassaden und Dächern. Nicht so
einfach, denn die meisten Pflanzenarten sind mit der Situation
überfordert. Im Sommer regnet es viel zu wenig und im Winter
zu viel. Und wenn es im Sommer regnet, dann wolkenbruchartig,
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sodass der Boden schlicht und einfach überfordert ist. So hat
jede Stadt ihr «Regenwassermanagement». Speicherräume
werden geschaffen, die wie Schwämme funktionieren: im Strassenraum, in Parks und sogar auf Dachflächen.
Damit das Wasser stetig abfliesst und durch Verdunstungskälte
kühlt, werden sogenannte «Trittsteinbiotope» erstellt und ehemals überdeckte Bäche wieder offengelegt. Die Aussenräume
im Quartier werden also je länger desto mehr so umgestaltet,
dass hitzeresistente Pflanzen und Materialien zum Einsatz kommen (d. h. Materialien, die sich nicht zu stark überhitzen und
wenig Strahlungswärme abgeben).
Trotz der vielen Probleme, welche mit der Subtropisierung
unseres Quartiers einhergehen, gibt es doch einen positiven
Nebeneffekt: Die Solarpanels werden jetzt zu einer ernstzunehmenden Alternative zur zentralisierten Stromerzeugung.
Wir produzieren nun in der Siedlung unseren eigenen Strom.
Immerhin ein kleiner Tropfen auf dem heissen Stein. Was aber
auffällig ist, sind nicht so sehr die Solarpanels, sondern die helle Farbigkeit und die kleinräumige Bebauungsstruktur, welche
schon fast mediterrane Züge annehmen: schattige Strassen
und Plätze, reflektierende Farben an den Fassaden. Und es wird
auch alles poröser. Durchbrüche und offene Aussparungen in
Gebäuden und Mauern sollen ein «Durchlüften» des Quartiers
ermöglichen. Mediterran ist aber zunehmend auch der Tagesablauf der Bewohnerinnen und Bewohner: Gearbeitet und
gelernt wird in den frühen Morgenstunden und abends, dazwi-
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schen hat man für andere Dinge Zeit (Siesta, Badi, Schattenbaden …). Die Freizeit findet also in der verlängerten Mittagspause und spätabends statt (so etwa wie früher in Madrid).
Gegessen wird nach 21 Uhr. Die Hausordnung wurde demgemäss angepasst, die Ruhezeiten neu festgelegt. Da nun auch
in unseren Breitengraden die Schul-Sommerferien drei Monate
dauern, stellt sich die Frage, wohin mit den Kindern. Hier organisieren wir uns im Quartier zunehmend selbst. Alles ist etwas
langsamer während der Hitzezeit. Das spart auch Energie:
Nicht mit energiefressenden Klimaanlagen im Büro wird man
der Situation Frau oder Herr. Das Problem der Überhitzung
müsse auf der «übergeordneten städtebaulichen Ebene und
durch alltags-organisatorische Massnahmen» gelöst werden,
heisst es in der kantonalen Hitzeschutzverordnung. Was die
Klimaschutzmassnahmen im Konkreten für unser Quartier und
das Zusammenleben bedeutet, darüber wird während der kühlen Abendstunden hitzig diskutiert. Für unsere Wohnsiedlung
ist nämlich noch allerhand zu tun, damit sie die Kurve kriegt.
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Fallbeispiele
Für die Überprüfung der Szenarien im konkreten Wohnumfeld und unter
Einbezug von Bewohnerschaft und Verwaltung, wurde eine Auswahl von
insgesamt vier Fallbeispielen getroffen. Dabei galten die folgenden Auswahlkriterien:
Gebräuchliche Wohntypologien
Die Fallbeispiele stehen jeweils für eine zeittypische Haltung im Wohnungsbau und stammen vorzugsweise aus Bauperioden, die im heutigen
Gebäudebestand stark vertreten sind. In der Auswahl vertreten sind
Wohnbauten aus den 1930er-, 1950er-, 1970er- und 1990er – Jahren.
Die städtebaulichen Typologien umfassen den Zeilenbau, die städtische Randbebauung, das Hochhaus und Mischformen. Die Palette der
Aussenräume umfasst Mietergärten, «Abstandsgrün», parkähnliche
Landschaften, Hinterhöfe, Strassenräume und Wohngassen. Die Erdgeschossnutzungen umfassen Wohnen, Gewerbe, Gastronomie oder Gemeinschaftsräume.
Unterschiedliche städtebauliche Settings
Die vier Beispiele befinden sich in unterschiedlichen Wohnumfeldern, sowohl im urbanen als auch im suburbanen Kontext mit einer entsprechenden infrastrukturellen Einbettung. Die eine Hälfte befindet sich im städtischen Kontext, einmal in einem infrastrukturell gut erschlossenen Quartier
mit hoher Nutzungsdurchmischung, einmal in einem städtischen Wohnquartier mit geringer Nutzungsdurchmischung, aber hoher Erschliessungsqualität. Die anderen beiden Beispiele befinden sich in Wohnquartieren
von Agglomerationsgemeinden mit einer geringen Nutzungsdurchmischung und nahegelegenen Natur- und Landschaftsräumen.
Bezahlbares Segment
Es wurden Mietobjekte im bezahlbaren Segment ausgewählt, wobei auf
unterschiedliche Bauträgerschaften geachtet wurde. Vertreten sind neben
Baugenossenschaften auch Anlagestiftungen und gemeinnützige Stiftungen, sowie kommunale Bauträgerschaften.
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Breitenlachen I, Luzern
Breitenlachen, Luzern. Luftbild, ohne Massstab, genordet (Google Maps Bilder © GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten © 2020. [abgerufen 03.02.2021]
Steckbrief
Adresse
Jungfrauweg 2, 4, 6, Margritenweg 1 – 6,
Mönchweg 1 – 8, 10, 6005 Luzern
Lage
Städtisches Wohnquartier mit geringer
Nutzungsdurchmischung und hoher
Erschliessungsqualität
Bauträgerschaft
Allgemeine Baugenossenschaft Luzern
Rechtsform
Wohnbaugenossenschaft
Architektur
nicht bekannt
Bauperiode
1931 – 1935, letzte Renovation 2004
Raumprogramm
119 Wohnungen mit 3 bis 4 Zimmern
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Fuchsloch, Oberwil ZG
Fuchsloch, Oberwil. Luftbild, ohne Massstab, genordet (Google Maps Bilder © GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten © 2020. [abgerufen 03.02.2021]
Steckbrief
Adresse
Fuchsloch 10 – 18, Widenstrasse 44 – 52,
6317 Oberwil bei Zug
Lage
Wohnquartier am Rande von Zug
Bauträgerschaft
Verein Barmherzige Brüder Zug
Rechtsform
Verein als Eigentümer, Bewirtschaftung
durch private Immobilienverwaltung
Architektur
Kuhn Fischer Partner Architekten,
Zürich
Bauperiode
1992 – 1996
Raumprogramm
98 Wohnungen mit 2.5 bis 5.5 Zimmern,
5 Reiheneinfamilienhäuser,
Gemeinschaftsräume, Kindergarten
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Kappelenring,
Hinterkappelen BE
Kappelenring Hinterkappelen BE. Luftbild, ohne Massstab, genordet (Google Maps Bilder © GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten © 2020. [abgerufen 03.02.2021]
Steckbrief
Adresse
Kappelenring 4,
3032 Hinterkappelen BE
Lage
Agglomerationsgemeinde von Bern
Bauträgerschaft
HIG Immobilien Anlage Stiftung
Rechtsform
private Anlagestiftung als Eigentümerin,
Bewirtschaftung durch private
Immobilienverwaltung.
Architektur
nicht bekannt
Bauperiode
1973, letzte Renovation: 2003
Raumprogramm
63 Wohnungen mit 1 bis 5.5 Zimmern
49
50
50
Saumackerstrasse, Zürich
Saumackerstrasse, Zürich. Luftbild, ohne Massstab, genordet (Google Maps Bilder © GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten © 2020. [abgerufen 03.02.2021]
Steckbrief
Adresse
Saumackerstrasse 42, 44, 48
Lage
städtisches Quartier in Zürich
Bauträgerschaft
Stiftung PWG
Rechtsform
öffentlich-rechtliche Stiftung als Eigentümerin und Bewirtschafterin
Architektur
nicht bekannt
Bauperiode
1955
Raumprogramm
40 Wohnungen sowie 4 Gewerberäume
mit Büronutzung und Restaurant
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ARBEITSPAKET 03
Szenarienwerkstätten
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zur
ladung
statt
ftswerk
Zukun
Ein
Einladungsflyer für das Fallbeispiel
«Fuchsloch» in Oberwil bei Zug
(Juppien/Zemp, HSLU).
WAS?
Wie bereiten wir unser Quartier auf die Zukunft vor?
Wie machen wir unsere Siedlung im Hitzesommer gut bewohnbar? Wie nutzen wir unsere Aussenräume, wenn die Wassermelone nicht mehr aus Spanien importiert wird?
Wo reparieren wir unsere Kaffeemaschine und das Bügeleisen,
wenn es heisst: „Fertig, Schluss mit Wegwerfen“? Was können wir
konkret in unserem Alltag und in unserer Siedlung tun, um das
Wohnen auf eine wünschenswerte Zukunft hin zu gestalten?
WER?
Wir sind ein Wohnforschungsteam der Hochschule Luzern. Uns
interessiert, welche Wohnbedürfnisse heute noch zu wenig berücksichtigt werden und in Zukunft plötzlich wichtiger werden
könnten. Ihre Meinung ist gefragt!
WO UND WANN?
Deshalb laden wir alle Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung Fuchsloch herzlich zu unserer Zukunftswerkstatt✳ mit anschliessendem Apéro ein! Der Anlass findet statt am
Montag, 26. September, von 18 bis 20 Uhr im Gemeinschaftsraum
Fuchsloch 16
Weitere Infos und Anmeldung:
[email protected]
Infos zum Forschungsprojekt:
https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/forschung/projekte/
detail/?pid=5557
✳ Wir werden gemeinsam mögliche Zukunftsgeschichten über den Alltag im Jahre 2030 in der Siedlung
Breitenlachen erfinden und diskutieren. Da wir als Wohnforschende natürlich nicht wissen, wie der Alltag
in Ihrer Siedlung aussieht und was den Bewohnerinnen und Bewohnern in Zukunft wichtig wäre, sind wir
auf Ihr Wissen angewiesen!
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Szenarienwerkstätten
Das Forschungsteam hat im Zeitraum von August bis Oktober 2022 pro
Fallbeispiel je eine Zukunftswerkstatt mit Bewohnerinnen und Bewohnern
durchgeführt. Die Zukunftswerkstätten fanden entweder direkt in den
Gemeinschaftsräumen der Überbauungen oder in geeigneten Räumlichkeiten im Quartier statt. Für jede Veranstaltung wurden vom Forschungsteam in einem ersten Schritt Einladungsflyers gestaltet, die dann von den
zuständigen Verwaltungen um ein Begleitschreiben ergänzt an die verschiedenen Haushalte verteilt wurden. In einem zweiten Schritt machte
das Forschungsteam die Bewohnerschaft vor Ort und im direkten Austausch auf die Szenarien-Werkstätten aufmerksam. Eine Ausnahme bildete das Fallbeispiel Fuchsloch in Oberwil bei Zug, da hier bereits über die
Einladungsflyer eine grosse Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmer
gewonnen werden konnte. Im Gegensatz dazu musste die Zukunftswerkstatt für das Fallbeispiel «Breitenlachen 1» in Luzern aufgrund ausbleibender Anmeldungen abgesagt werden.
Gemäss der Beiratssitzung vom 7. März 2020 wurden den einzelnen Fallbeispielen jeweils zwei der drei Zukunftsszenarien zugeordnet. Aufgrund
der hohen Anmeldezahl konnten beim Fallbeispiel «Fuchsloch» alle drei
Zukunftsszenarien besprochen werden. Bei allen anderen Fallbeispielen
wurden wie geplant jeweils zwei Zukunftsszenarien besprochen.
Fuchsloch, Oberwil (ZG):
«Von der Konsumentin zur Produzentin»
«Summer in the City»
Zusätzlich: «Unterwegs – à la Carte»
Kappelenring, Hinterkappelen (BE):
«Von der Konsumentin zur Produzentin»
«Summer in the City»
Saumackerstrasse, Stadt Zürich:
«Von der Konsumentin zur Produzentin»
«Summer in the City»
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Ablauf
Die Szenarienwerkstätten dauerten jeweils zwei Stunden. Für die Moderation wurden erfahrene Umsetzungspartnerinnen beigezogen, während
das Forschungsteam die Rolle des teilnehmenden Beobachters einnahm.
Die teilnehmende Beobachtung ist eine klassische Methode der qualitativen Sozialforschung, wobei die Forschenden am Geschehen teilnehmen, ohne aktiv mitzuwirken und den Lauf der Dinge zu beeinflussen.
Ablauf
Szenarienwerkstatt
Zemp, HSLU).
Workshop
Siedlung(Grafik:
Saumackerstrasse
– Zürich
Setting: 3 Tische mit 4 Stühlen (für ca. 10 Personen), Sitzordnung wird von der
Verfahrensleitung erstellt.
Wann
Was
Wer
9.00
0. Begrüssung
Angelika Jupien
09.05
1. Input zum Projekt «Small Pleasures» generell (5 Min.)
Richard Zemp
2. Ziel und Ablauf des Abends (5 Min.)
Richard Zemp
3. Input zur Standortanalyse (5 Min.)
Cédric Flüeler
4. 2 Szenarien vorstellen (5 Min.)
Richard Zemp
9.30
-
Szenario 1: «Von der Konsumentin zur Produzentin»
-
Szenario 2: «Summer in the City”
Arbeit in Kleingruppen (40 Min.)
Moderation:
Die Teilnehmer werden in 2 Kleingruppen aufgeteilt und
besprechen jeweils ein Szenario
Rachel Gaudenz /
Cédric Flüeler
Was wäre wenn? (20 Min.)
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie / Ihren
Lebensalltag / Ihre Siedlung / Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld / Ihr Wohnraum auf
das diskutierte Szenario vorbereitet?
Was wäre für das Szenario nötig? (20 Min.)
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im Innenund im Aussenraum wären in diesem Szenario für Sie
wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
10.10
Präsentation der Gruppenergebnisse (je 10 Min.)
Moderation:
Jeweils ein Sprecher präsentiert kurz die Ergebnisse seiner
Gruppe
Rachel Gaudenz
10.30
Gemeinsame Diskussion. (30 Min.)
Moderation:
11.00
Abschluss / Apéro
Rachel Gaudenz
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Ablauf der Szenarienwerkstatt für das Fallbeispiel «Saumackerstrasse» (Juppien/Zemp, HSLU
Flüeler/Gaudenz, Dost)
Einführung
Zur Einstimmung wurden die Teilnehmenden darum gebeten, ihre
Wohnsituation kurz darzulegen, indem sie Punkte auf grosse Fragebogen-Plakate kleben mussten. Im Gegensatz zu individuellen Fragebögen, die jeder für sich ausfüllt, konnten so erste Gespräche zum Kennenlernen angestossen werden.
Fragebogen-Plakat für das Fallbeispiel «Fuchsloch»
(Flüeler/Gaudenz, Dost)
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Arbeiten in Kleingruppen
Nach der Einführung wurden die einzelnen Grobszenarien (siehe hierzu Zwischenbericht AP02) vorgestellt. Dabei wurden die Grobszenarien
nicht einfach 1:1 vorgelesen, sondern unter Berücksichtigung von Ort
und Zusammensetzung der Teilnehmerschaft entsprechend vermittelt.
Auch wurde jeweils die Zielsetzung der Workshops klar kommuniziert,
wie auch der Umstand, dass die Workshops im Rahmen eines an der
Hochschule angesiedelten Forschungsprojektes durchgeführt werden
und keinen direkten Bezug zur strategischen und inhaltlichen Weiterentwicklung der jeweiligen Bauträgerschaften haben. Danach konnten
sich die Teilnehmenden den einzelnen Szenarien zuordnen. Die so gebildeten Kleingruppen bearbeiteten jeweils ein Szenario, wobei die Auseinandersetzung anhand zweier Frageimpulse erfolgte.
Arbeit in Kleingruppen, Szenarienwerkstatt
Fallbeispiel «Fuchsloch»
(Foto: Gaudenz, Dost)
Beim ersten Fragenimpuls ging es darum herauszufinden, wo die Bewohnenden Chancen aber auch Schwächen in der jetzigen Situation
sehen, die bei dem entsprechenden Szenario im Jahr 2030 berücksichtigt werden müssten. Beim zweiten Fragenimpuls ging es darum, Lösungsvorschläge oder Ideen zu entwickeln, die beim entsprechenden
Szenario aus ihrer Sicht zielführend wären. Dabei ging es nicht nur um
bauliche Massnahmen, sondern gerade auch um mögliche veränderte Formen von Alltagsgestaltung sowie Organisations- und Entscheidungsstrukturen.
58
Präsentation und Diskussion im Plenum
Rund die Hälfte der Zeit nahm die Diskussion im Plenum ein. Jede Szenariogruppe stellte hierfür ihre zentralen Anliegen oder Aspekte möglicher Veränderungen vor und gab damit konkrete Anreize für die anschliessende Diskussion. Dabei wurden nicht nur die Stichworte aus den
Szenarien-Workshops strukturiert zusammengefasst. Die Grobszenarien aus AP02 wurden vielmehr von den Bewohnerinnen und Bewohnern
aus ihrer Sicht weitererzählt. So sind aus den anfänglich drei Grobszenarien, die den Bewohnerinnen und Bewohnern als Grundlage dienten,
sieben unterschiedliche Szenarien entstanden. Bemerkenswert ist bei
diesen (neuen) Szenarien zweierlei: Erstens existiert bereits eine hohe
Affinität und Sensibilisierung zu Fragen der Nachhaltigkeit, Klimawandel und veränderten Haushaltsformen seitens der Bewohnerschaften
und zweitens sind die Vorschläge der Bewohnerinnen und Bewohner
konstruktiv und direkt auf die jeweils bestehenden Wohnsituationen
bezogen.
Priorisierung der Vorschläge im Plenum,
Szenarienwerkstatt Fallbeispiel «Fuchsloch»
(Foto: Gaudenz, Dost)
59
60
Szenarienwerkstatt
Fuchsloch
Steckbrief
Wann
26. September 2022,
Wo
Gemeinschaftsraum, Fuchsloch 16
Moderation
Rachel Gaudenz, Dost Architektur und
Stadtentwicklung
(Umsetzungspartnerin)
Teilnehmende
Beobachtung
Angelika Juppien und Richard Zemp,
Hochschule Luzern
61
Szenarienwerkstatt Fuchsloch
Szenario «Die Konsumentin als Produzentin»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Obstbäume stehen bereits jetzt zur freien Ernte zur
Verfügung, viele wissen dies aber nicht
• Wer einen Garten will, findet in der Nähe Grundstücke zum Gärtnern
• Es gibt bereits einen Bauernhofladen im Quartier
• Volg ist in der Nähe (regionale Produkte)
• Ökimobil (mobile Wertstoff-Sammelstelle)
• Repair-Café im Quartier (Angebot ausbauen!)
• Anschlagbretter für Informationsaustausch vorhanden (wer bietet was an?)
62
Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
• Laubengänge für kletternde Obst- und Gemüsepflanzen nutzen
• Leute motivieren, sich die Laubengänge produktiv
anzueignen
• Bring- und Holtag oder Standort für Abgabe von
nicht Brauchbarem
• Zentrales Kühlhaus zur Aufbewahrung von Lebensmitteln
• Seewasserwärme nutzen
• Gemeinschaftsgarten/Hochbeete z. B. anstelle
ungenutzter Velounterstände
• Mitsprache und Austausch mit Eigentümerschaft
63
64
64
Fuchsloch 2030:
«Die Konsumentin als Produzentin»
Unsere Siedlung wurde 1992 als «zukunftsweisendes Wohnmodell» konzipiert – dies sollte auch im neuen Jahrtausend so
bleiben! Und so fassten wir uns Mut, und begannen (dem Pioniergeist unserer Siedlung zu Ehren) mit dem Ausprobieren. Ist
etwas dran an der «produktiven Stadt» oder ist das ein Hirngespinst? Nun, grosse Veränderungen beginnen bekanntlich im
Kleinen: So begannen wir das Markenzeichen unserer Siedlung,
nämlich die Laubengänge, intensiv für kletternde Obst- und
Gemüsepflanzen zu nutzen. Zu Beginn musste man die Leute
geradezu motivieren, sich die Laubengänge produktiv anzueignen. Seit die Verwaltung nun offiziell den Anbau von Nutzpflanzen in und um das Haus unterstützt, legen die Bewohnenden
aber richtig los. Aber nicht nur die Laubengänge wurden zu
Nährböden für Essbares: Für die ungenutzten Velounterstände
entlang der Wohngasse, für die man jahrelang nach alternativen Nutzungen gesucht hat, fand sich eine im wahrsten Sinne
des Wortes «produktive» Lösung! Hier sind nämlich unsere
Gemeinschaftsgärten und Hochbeete untergebracht. Klar,
nicht jede und jeder hat einen grünen Daumen – aber allein
die Bereitschaft, es gemeinsam auszuprobieren, löst einen
Lernprozess aus, von dem wir alle profitieren.
Es sind aber nicht nur das Know-how und die Zeit, die man für
solche Experimente braucht. Auch der nötige Platz oder die
Ausrüstung sind wichtig: Das vor Ort Geerntete sprengt wohl
die Kapazitäten unserer Einbaukühlschränke. So utopisch die
Idee eines «Kühlhüslis» vor acht Jahren noch tönte, so froh sind
wir nun darum, dass die eingeschossigen Abstellpavillons bei
den Gemeinschaftsräumen jetzt doch noch umgenutzt wurden: Das eine eben als Kühlhaus, das andere als Werkstatt und
Gartenschuppen respektive als Lager für unseren Bring- und
Holtag. Da kann man ungebrauchte Gegenstände lagern, die
65
bei Bedarf mitgenommen werden dürfen. Das ist im Moment die
Situation. Wie es in ein paar Jahren aussieht, wissen wir nicht.
Und so sind die eingeschossigen Abstellpavillons im wahrsten
Sinne des Wortes Möglichkeitsräume. Unabdingbare Voraussetzung, dass während der Betriebsphase die Nutzung von Räumen
immer wieder den laufenden Bedürfnissen angepasst werden
kann, ist der Austausch mit der Eigentümerschaft respektive mit
der Verwaltung. Für letztere ist das Ganze auch eine neue Herausforderung. Wo früher gewohnt wurde, wird jetzt auch produziert, gegärtnert, geflickt, diskutiert. Aber auch auf der Seite der
Bewohnerschaft, braucht es ein Fingerspitzengefühl: schliesslich geht es nicht mehr darum, Forderungen oder Wünsche bei
der Verwaltung zu deponieren. Vielmehr geht es darum, für die
neuen Nutzungsansprüche gemeinsam nach niederschwellig
umsetzbaren Lösungen zu suchen. Was nicht ohne weiteres
niederschwellig umsetzbar ist, ist ein gewisser Kulturwandel im
Umgang und im Unterhalt der Bausubstanz unserer Siedlung.
Wir haben aber bereits Erfolg: die Repair-Café-Philosophie hat
nun auch unsere Siedlung erreicht. Wurde früher ein kaputter
Backofen selbstverständlich durch einen neuen ersetzt, sieht das
die Verwaltung nun etwas anders: Er wird, wenn immer möglich,
repariert. Ausserdem erweist sich die Architektur unserer Siedlung, welche ihr Architekt in den 90ern mit einem «Hauch von
Unfertig» beschrieb, als äusserst hilfreich für Bewohnende. Sie
verstehen sich nicht mehr so sehr als Konsumenten sondern vielmehr als Mitproduzentinnen ihres eigenen Lebensraums. So lassen sich ohne grossen Aufwand Wohnungen in Grösse und Ausstattung verändern, Gemeinschafträume problemlos umnutzen
usw. So vieles musste also gar nicht komplett neu geschaffen
werden! Auch die Obstbäume stehen ja schon seit mehreren Jahrzehnten vor diesem ganzen Tralala um die «Essbare Stadt» zur
66
freien Ernte zur Verfügung. Vielleicht aus Bequemlichkeit, oder
aus purem Unwissen, liessen die meisten «Fuchslöchler» das
Fallobst massenhaft liegen. Hier brauchte es auch Aufklärungsarbeit, damit sich das Verhalten der Leute langsam änderte.
Geändert hat sich auch der Bezug zum Umfeld – Stichwort «Kooperationen». Hier haben wir uns dafür eingesetzt, dass unser
Quartier regelmässig von den Landwirten im Umfeld beliefert
wird. Das findet auch unsere Verwaltung eine gute Sache, weshalb wir gemeinsam beschlossen haben, im Fuchsloch einen
kleinen Hofladen zu bauen. Das klingt jetzt alles einfach – ist
es aber nicht. Zumindest zu Beginn, mussten wir Abnahmeverträge abschliessen und die Leute aus dem Quartier für diese
Sache gewinnen. Kurz: der administrative Aufwand ist nicht zu
unterschätzen. Hier geht es nicht zuletzt auch (oder gerade!)
darum, Verantwortlichkeiten neu festzulegen. Denn nicht nur
unsere Nahrung wird anders organisiert, sondern auch die Wissens- und Informationswege im Quartier: Die Quartiersbewohnerinnen und Quartierbewohner geben ihre Erfahrungen zum
Beispiel im Umgang mit Reparatur von Küchenmaschinen oder
der intelligenten Verwertung von Abfällen weiter. Und dank
dieses Wissensaustauschs verstehen wir auch bei Begriffen wie
«regionale Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfungsketten»
nicht mehr Bahnhof. Sondern es ist klar, wie und wo wir konkret
ansetzen können. Und man wird nicht mehr belächelt, wenn
man den Leuten aus dem Quartier erklärt, dass man nun eine
Quartiersau hat, die wertvolle Arbeit leistet, wenn man dann
trotzdem mal zu viel Gemüse eingekauft oder produziert hat.
Was ich der Leserschaft noch mitgeben möchte? Vielleicht das:
Ein zukunftsweisendes Wohnmodell braucht viel Organisation
und einen langen Atem. Und dies auf allen Seiten. Aber vielleicht sprechen sie noch mit der Verwaltung?
67
Szenarienwerkstatt Fuchsloch
Szenario «Unterwegs – à la Carte»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Von unserem Quartier aus lassen sich in 15 Minuten grundsätzlich die wichtigen täglichen Bedürfnisse abdecken (ausser Arbeit/Dienstleistungen,
die nicht im 15-Minuten-Radius sind)
• Der Individualverkehr hat immer noch ein viel zu
hohes Gewicht
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Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
• Photovoltaik auf die Dächer mit Sanierung!
• Car-Sharing-Angebote ausbauen/vereinfachen/
differenzieren
• Private Pkw-Zufahrt ins Quartier muss stark eingeschränkt werden
• ÖV optimieren (andere Routen und kleinere Fahrzeuge sowie tiefere Fahrfrequenz während der
Randzeiten sind erwünscht)
• Zentrale Abholstelle für Lieferdienste (Lieferdienste
vereinheitlichen/zusammenführen)
• Tiefgarage anpassen an E-Mobilität
69
70
Fuchsloch 2030:
«Unterwegs – à la Carte»
In unserem Quartier lassen sich eigentlich schon seit langem
die wichtigsten täglichen Bedürfnisse in Fusswegdistanz abdecken, zumindest was den Einkauf von Lebensmitteln und die
Naherholung betrifft. Klar, wo es noch Nachholbedarf gab, war
bei den Dienstleistungsangeboten. Auch Arbeitsplätze hatten
wir im Quartier nicht wirklich. Hierfür mussten wir immer in den
Bus nach Zug steigen oder in unser Auto. Das hat sich aber seit
der Post-Corona-Phase schlagartig verändert. Der Lockdown ist
weg, das Home-Office bleibt. Und mit dem Home-Office verbringen nun auch viel mehr Menschen viel mehr Zeit in unserer
Siedlung. Dies wiederum gab den entscheidenden Impuls, dass
sich Kleingewerbe, Dienstleistungen und Gastronomie im Quartier lohnten. Plötzlich war mehr Nachfrage da. Auch in unserer
Siedlung hat sich die Nachfrage nach bestimmten Räumen
und Nutzungsangeboten geändert: Einerseits neue Räume für
neue Formen der Zusammenarbeit und andererseits Angebote, welche dem Bedürfnis nach Austausch und gemeinsamer
Kaffeepause der Home-Office-Worker entgegenkommen. Es
stellte sich als Glücksfall heraus, dass unsere Siedlung mehrere
Gemeinschaftsräume besitzt. So konnten wir Plätze für CoWorking einrichten, ohne dass man denen, die das Angebot
gar nicht nutzen möchten, etwas wegnimmt. Bis jetzt ging die
Rechnung jedenfalls auf. Wenn die Auslastung der Gemeinschaftsräume weiterhin steigt, muss man sich wohl fragen, wo
Ausweichmöglichkeiten im Umfeld der Siedlung sind. Eines ist
jedenfalls klar, mit der Stadt der kurzen Wege steigt das Angebot von Zusatzräumen vor der Wohnungstür. Und für die,
71
die trotz allem pendeln, gab es in den letzten Jahren wichtige
Neuerungen. Da der Pendlerverkehr abgenommen hat, profitieren wir jetzt von kleineren Bussen mit Elektroantrieb und
optimierten Routen. Die Bushaltestelle wurde zum Mobility
Hub. Das Wort erschreckt auf den ersten Blick. Tatsächlich ist es
eine gute Sache. Hier kann man nicht nur auf den Bus warten,
Car- und Bikesharing-Angebote wahrnehmen, sondern auch
sein Paket abholen. Es wurde nämlich eine zentrale Abholstelle
eingerichtet. Das ist nötig, weil der Zugang zu unserer Siedlung
für alle motorisierten Fahrzeuge gesperrt ist. Die anfängliche
Idee der Siedlung, eine autofreie Wohn- und Spielgasse für
Gross und Klein einzuführen, wurde also doch noch Realität.
Das heisst aber nicht, dass wir in einer autofreien Welt leben
würden. Das Auto hat in unserem Alltag lediglich nicht mehr
den gleichen Stellenwert wie von einigen Jahren.
Ansonsten sind wir gerne und oft auch mit unseren E-Bikes
unterwegs. Das hinterlässt Spuren: In unserer Tiefgarage gibt es
nun Ladestationen und eine kleine Velo-Werkstatt. Ansonsten
suchen wir für Teile der Tiefgarage nach neuen Nutzungen –
eine Herausforderung, weil der Boden der Tiefgarage dem
Gefälle der darüberliegenden Wohngasse folgt. Dass E-Mobilität nur grün ist, wenn der Strom von der Sonne kommt, ist uns
selbstverständlich klar. Deshalb haben wir auch eine Photovoltaikanlage installiert und uns an das Solar-Energie-Netz des
Quartiers angeschlossen. Der Verwaltung gebührt ein grosses
Kompliment. Sie hat sich nach anfänglichem Zögern auf dieses
und andere Experimente eingelassen. Aber vielleicht sprechen
Sie auch noch direkt mit der Verwaltung, wenn Sie hierzu genaueres erfahren möchten.
72
73
Szenarienwerkstatt Fuchsloch
Szenario «Summer in the City»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Schmale Grundrisse (Querlüften problemlos möglich)
• Bereits jetzt viel Grünraum im Umfeld
• Bereits jetzt Pflanzen auf Laubengängen, könnte
aber noch intensiviert werden
• Seebadi im Quartier
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Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Kühlung über Erdsonde
Wasserschutz (Starkregen)
Umsetzung Fassadenbegrünung
Baumbestand erweitern
Weinberge
Begegnungsräume schaffen (wie im Süden)
Energetische Sanierung (Solarpanels, sommerlicher Wärmeschutz)
Seewasser-Fernwärme
Regenwasser nutzen
Dachbegrünung
Spielplätze neu gestalten (beschatten)
Grössere Balkone
Nachhaltige Heizung
Querlüften (Verhaltensänderung)
75
76
Fuchsloch 2030:
«Summer in the City»
Seit auch in unserer Siedlung diverse Anpassungen an den Klimawandel vorgenommen wurden, passt der Name «Fuchsloch»
sogar noch besser. Die Waldgrenze, die vorher oberhalb unserer
Siedlung verlief, wurde nun bis die Zwischenräume unserer Bebauung ausgedehnt. Wir wohnen also in einem Übergangsgebiet zwischen Wald und Quartier. Wo früher eine grüne Wiese
war, die bei Starkregenereignissen zum Sumpf wurde und während des Sommers kaum noch grün war, kühlen und stabilisieren Bäume das Mikroklima am Hang und in unserer Siedlung.
Ein willkommener Nebeneffekt: Auch Insekten haben sich nun
vom «zukunftsweisenden Wohnmodell» unserer Siedlung überzeugt. Kurz und gut, wir wohnen in einem kleinen Ökosystem,
wo es keine klare Trennung zwischen Natur und Architektur
mehr gibt. Vielmehr ist es ein Miteinander. Stichwort Laubengänge: Während in anderen Siedlungen mühsam noch eine
Fassadenschicht angebracht werden musste, ist bei unserer
Siedlung das Rankgitter für die Fassadenbegrünung schon da.
Dass man der Natur in unserer Siedlung so viel Platz einräumt,
tönt auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber nicht.
Die Idee, die Natur zu kontrollieren und das Unkraut fernzuhalten, ist noch stärker in unseren Köpfen, als wir meinen. Und mal
ganz ehrlich, auch wir sind uns nicht immer so sicher, ob unser
Siedlungsbild noch mit «gepflegt» im herkömmlichen Sinne
beschrieben werden könnte. Spätestens im Sommer ist es dann
ganz schnell vorbei mit der Ziergartenromantik. Dann zählt nur
noch eines: schattenspendende Bäume und üppiger Pflanzen-
77
wuchs, so viel wie möglich. Und dann haben wir natürlich hie
und da auch mediterrane Nutzpflanzen eingeführt. Weinreben,
Feigen und Mispeln geniessen das milde Klima.
Alles in allem ist Klimaerwärmung aber gar nicht lustig und
auch nicht billig: Der klimagerechte Umbau unserer Siedlung
hat auch einiges gekostet. Genannt sei hier die nachträglich
intensivierte Dachbegrünung, die vergleichsweise günstig war.
Die Umplatzierung und Neugestaltung von Nutzungsangeboten im Aussenraum und die Vergrösserung der privaten Aussenräume, sprich Balkone, die nun als Sommerzimmer fungieren
war hingegen schon eine grössere Investition. Da die Raumhöhen der Wohnungen mit 2.40 m für ein zunehmend mediterranes Klima recht niedrig sind und sich der Raum relativ
schnell erwärmt, denkt die Verwaltung nun darüber nach, den
sommerlichen Wärmeschutz an der Fassade zu verbessern. Und
auch der bereits existierende Wärmeschutz ist den Sturmböen
nicht gewachsen. Dies bedingt einerseits weitere nachträgliche Investitionen an der Gebäudehülle und ausserdem einen
erhöhten Reparatur- und Instandhaltungsaufwand. Deshalb
ist es wichtig, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner ihre
sommerlichen «Schutzschilder» besser hegen und pflegen.
Ein laufendes Projekt ist «Raining Fuchsloch». Hier setzen wir
uns dafür ein, dass das in kurzer Zeit und in grossen Mengen
anfallende Regenwasser stetig versickern und auch genutzt
werden kann. Die ganze Beschattungsvegetation ist nämlich
durstig. Hierfür haben wir mehrere Zisternen angelegt und ein
ausgeklügeltes Bewässerungssystem auf den Laubengängen
78
und in den Zwischenräumen anlegen lassen. Wir, das ist die
Arbeitsgruppe Klima und Aussenraum, gebildet von Bewohnerinnen und Bewohnern, die mit ihrem Fachwissen die Verwaltung unterstützen. Die Zusammenarbeit zwischen Siedlungsverein und Verwaltung hat sich nicht nur im Zusammenhang
mit der Anpassung unserer Wohnsiedlung an den Klimawandel
als zielführend erwiesen. Die erhöhte Mitsprachemöglichkeit
und die Wertschätzung des Engagements der Siedlungsbewohnerschaft wird als echte Wohnqualität empfunden. Schliesslich
hat die Kooperation zwischen Siedlungsverein und Verwaltung
dazu beigetragen, die niedrigen Mieten beizubehalten. Und so
dient unsere zukunftsweisende Siedlung aus dem Jahr 1992
auch im neuen Jahrtausend als Pionierprojekt.
79
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Szenarienwerkstatt
Kappelenring
Steckbrief
Wann
24. Oktober 2022,
Wo
Gemeinschaftszentrum Kipferhaus,
Hinterkappelen
Moderation
Regula Aepli, Allgemeine Baugenossenschaft Luzern, (Umsetzungspartnerin)
Teilnehmende
Beobachtung
Angelika Juppien und Richard Zemp,
Hochschule Luzern
81
Szenarienwerkstatt Kappelenring
Szenario «Die Konsumentin als Produzentin»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Es gibt bereits ein Repair-Café im Quartier
• Restaurant/Café im Quartier als Treffpunkt für den
Erfahrungsaustausch
• Quartier-Infotafel bei Bushaltestelle
82
Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
• Aufhebung der Wohnnutzung im EG, dafür Bastelund Werkstattraum sowie grosse Gemeinschaftsküche/Beiz (da gut erschlossen und direkter Zugang
zum Aussenraum!)
• Kooperation mit Hofläden
• Obstbäume pflanzen (Apfel, Birne, Kirsche)
• Zusammenleben organisieren (momentan «lebt
man eher für sich»)
• Zuständigkeiten regeln
• Nutzgärten im Umfeld
• Tavolata, zusammen kochen
• Siedlungsfest
83
84
84
Kappelenring 2030:
«Die Konsumentin als Produzentin»
Zunächst ging es darum, dieses «Jeder-wohnt-für-sich» durch
die Möglichkeit des ungezwungenen Miteinanders und des
Mitdenkens zu ersetzen. Erstaunlich, wie schnell man dabei
merkte, wie gross das Bedürfnis nach mehr nachbarschaftlichem Austausch und nach wohnungsergänzenden Räumen für
handwerkliche Tätigkeiten eigentlich war! Dies bewog uns, zu
handeln. Zuerst begannen wir mit niederschwelligen Aktionen
und noch ohne den Einbezug der Verwaltung und der Eigentümerschaft. Wir organisierten eine monatliche Tavolata und
ein jährliches Siedlungsfest. Mit der Zeit nahmen solche Aktivitäten einen festen Platz im Siedlungsleben und uns wurde
bewusst, dass Wohnqualitäten zu einem grossen Teil von den
Möglichkeiten des Mitgestaltens und des Schaffens ausserhalb
der eigenen vier Wände bestimmt werden. Die einen nennen es
«produktives Quartier», wir nennen es ganz einfach «geglückter
Wohnalltag». Interessant ist, dass wir dafür gar nicht so viel
ändern mussten, wir mussten uns nur zusammenschliessen und
die Dinge, die da waren, anders nutzten. Unser Haus ist nun
mal ein Wohnhochhaus, aber das heisst keineswegs, dass wir
alle gerne anonym für uns wohnen. Und selbst ein Wohnhochhaus hat jenseits der effizient aufeinander gestapelten Wohnungen, Spielräume und Extraflächen, die man produktiv nutzen könnte. Nehmen wir zum Beispiel die Eingangshalle, die in
ihrer Grosszügigkeit eine verpasste Chance darstellt. Sie könnte
viel mehr als nur ein Durchgangsraum sein. Darin waren wir
85
uns alle einig. Den Beginn machte die Litfasssäule. Hier konnte
man ganz einfach auf Aktivitäten aufmerksam machen, um
zum Beispiel neue Nachbarinnen und Nachbarn zu treffen.
Und muss man eigentlich bei einem Wohnhochhaus bis ins
Erdgeschoss wohnen? Diese Frage schien uns je länger desto mehr legitim zu sein. Wo sollten wir sonst produktiv tätig
sein, wenn nicht im Erdgeschoss, das so gut sichtbar und mit
dem direkten Zugang zum Aussenraum so ausserordentlich
praktisch liegt. Als vor fünf Jahren die Familie Meier aus dem
Erdgeschoss auszog, entschied man sich deshalb zusammen
mit der Eigentümerschaft einen entsprechenden Vorschlag zu
machen und Wohnnutzung im Erdgeschoss aufzuheben. Der
Mietausfall wurde auf die restlichen 63 Wohnungen umgelegt. Aber das war es uns wert. Mit kleinstmöglichen Eingriffen
entstand ein Bastel- und Werkraum mit Gemeinschaftsküche
und angeschlossenen Lagerräumen, da unsere Keller eher
klein sind. Über den direkten Zugang zum Garten konnten
wir ganz einfach unsere Obsternte «einfahren» und lagern.
Ja, sie haben richtig gelesen – Obsternte, und dass bei einem
Wohnhochhaus! Mit der Initiative «essbare Aussenräume»
des Kantons Bern, wurden auch bei uns in Hinterkappelen
am Kappelenring die Aussenräume umgekrempelt. Wo früher
Rasenflächen waren, sind jetzt Wildwiesen und Obstbäume.
Ein willkommener Nebeneffekt: Das Mikroklima ist sehr angenehm.
Es muss an dieser Stelle nochmals eindrücklich betont werden,
dass das einen Kulturwandel voraussetzte und dass die Bereitschaft für einen solchen unter der Bewohnerschaft erstaunlich
86
hoch war. Nein, das ist keine Sozialromantik, sondern eine Menge Arbeit, die manchmal auch kräftezehrend sein kann. Aber trotzdem: Die
Lebenswelt nicht allein zu geniessen, sondern diese produktiv mitzugestalten und dabei Selbstwirksamkeit zu erfahren, wird von Vielen am
Kappelenring als Wohnqualität empfunden. Hierfür braucht es geeignete Angebote und Räume und schliesslich auch einen langen Atem und
den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Und dies auf allen Seiten.
Auch die Verwaltungen und die Eigentümerschaften haben diesen Ball
aufgenommen. Jedenfalls sind wir uns darin einig, dass man in Zeiten
der «produktiven Stadt» nicht einfach private Wohnflächen vermieten
kann, sondern die Bewohnerschaft mit Zusatzangeboten darin unterstützt, über die eigenen vier Wände hinaus produktiv zu sein. Hierfür
wird aus den Nebenkosten auch ein Budget gesprochen. Es ist aber
nicht nur eine finanzielle Frage, sondern eine Frage von Ansprechpersonen und Zuständigkeiten. Unser Siedlungscoach hat jedenfalls viel zu
tun. Aber vielleicht fragen sie hierzu noch die Verwaltung …
87
Szenarienwerkstatt Hinterkappelen
Szenario «Summer in the City»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Bereits jetzt sehr viel grün
• In den Wohnungen ist es auch bei hohen Aussentemperaturen kaum heiss (auch bei SW-Ausrichtung)
• Lüften ist rund um die Uhr möglich (keine Lärmbelastung von aussen)
• Jugendliche haben kaum geeignete Räume im
Umfeld
• im Sommer weichen sie auf kühle Eingangshalle
aus, was zu Konflikten mit Bewohnerschaft führt
• Es fehlen gedeckte Aussenräume/wenige Nutzungsangebote für warme Jahreszeit im Aussenraum
• Anschluss an Fernwärmenetz verpasst (immer
noch Ölheizung)
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Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
• Sonnenkollektoren für Warmwasser
• Gedeckter Aussenraum mit Feuerstelle
• Sonnengeschützter Aufenthaltsraum im Innern
(Eingangshalle hat Potenzial für Umnutzung!)
• Fassadenbegrünung
• Es braucht mehr Orte zum Zusammensein, Basteln
und Werken ums Haus herum (Räume für Tätigkeiten
im Freien werden immer wichtiger!)
• Steckdosen im Freien
89
90
Hinterkappelen 2030:
«Summer in the City»
Als sich vor acht Jahren ein Forschungsteam der Hochschule
Luzern nach Hinterkappelen traute und wissen wollte, wie es
sich in unserem Hochhaus während des Sommers so lebt, waren sie sichtlich von unseren Antworten überrascht. Entgegen
ihren Erwartungen bekamen sie zu hören, dass es sich in unseren Wohnungen auch in Hitzesommern sehr gut lebt – und
dass sogar in Wohnungen mit bei Süd-West-Ausrichtung. Das
liegt wohl daran, dass wir auch im Sommer von einer ruhigen
Lage profitieren und die Querlüftung also jederzeit möglich ist.
Ausserdem weht hier oben immer ein frisches Lüftchen.
Anders sieht es im Aussenraum aus. Dieser zeigte sich vor acht
Jahren nicht wirklich als schattige Oase. Sicher, es gab vereinzelt Bäume. Die waren allerdings trotz des temporären Schattenwurfs der Hochhäuser der Hitze klar unterlegen. Das fanden
wir aber nicht weiter schlimm, denn damals schätzten wir vor
allem die vielen schattigen und attraktiven Naherholungsgebiete in der Umgebung. Aber jetzt, wo der Sommer sich von
seiner heissesten Seite zeigt, ist man froh um möglichst kurze
Wege zum nächsten Schattenplatz – vor allem im hohen Alter.
Dies führt dazu, dass die Auslastung der schattigen Plätze ihre
Grenzen erreicht hat. Hier zeigt sich häufig auch ein Generationenkonflikt. Auch die Jugend braucht Schatten und einen
kühlen Kopf.
91
Kurz und gut, die Anpassung an den Klimawandel betraf bei
uns vermehrt den wohnungsnahen Aussenraum. In einem ersten Schritt wurde ein Antrag an die Eigentümerschaft gestellt,
um ein Beschattungs- und Pflanzkonzept erarbeiten zu lassen. Damit der vermehrte Aufenthalt in den wohnungsnahen
Aussenräumen, das Wohnen in der Überbauung tatsächlich
bereichert und nicht beeinträchtigt, wurde eine Wohn- und
Architekturpsychologin beigezogen. Diese brachte die verschiedenen Bedürfnisse und Nutzungsansprüche der Bewohnerschaft in Erfahrung und machte Empfehlungen für die
Zonierung und Gestaltung des Aussenraums. Es hat sich bestätigt, dass die Jugendlichen zu wenig geeignete Treffpunkte
hatten und dass sie gerade während der warmen Jahreszeit
deshalb zu «Störfaktoren» wurden. Die Anpassung des Aussenraums an den Klimawandel ging also Hand in Hand mit der
Abklärung der verschiedenen Nutzungsansprüche. Ein willkommener Nebeneffekt der Fassadenbegrünung und des höheren
Baumbestands ist es, dass Pflanzen dem Stress entgegenwirken. Jedenfalls empfinde ich den Lärm der Jugendlichen weniger störend, seitdem ich auf eine begrünte Fassade blicke und
auf reich bepflanzte Zwischenräume hinunterschaue. Aber
auch sonst gibt es im und um das Haus mehr Möglichkeiten
der Hitze zu entkommen. Man hat nun nicht nur die Wahl zwischen dem Rumhängen in der Wohnung und der überfüllten
Badi. Sondern man kann einfach nur mit dem Lift nach unten
fahren und sich an einen schattigen Platz hinpflanzen. Unsere
Siedlung ist in die Jahre gekommen und ein Hochhaus – und
92
ob ein Hochhaus heute noch so pionierhaft ist, sei dahingestellt.
Was aber sicher wegweisend ist, und darauf sind wir zugegebenermassen auch ein bisschen stolz, ist die Art und Weise, wie die Eigentümerschaft und die Verwaltung in Zusammenarbeit mit Fachspezialisten und der Bewohnerschaft einen Umbau an den Tag gelegt
hat, der über den eigentlichen sommerlichen Wärmeschutz hinausgeht und sogar neue Wohnqualitäten schafft. Ich würde ihnen also
dringend empfehlen, die Sache mit der Eigentümerschaft und der
Verwaltung zu besprechen.
93
statt
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94
Szenarienwerkstatt
Saumackerstrasse
Steckbrief
Wann
24. September 2022
Wo
Gemeinschaftszentrum GZ
Badenerstrasse 658, Zürich
Moderation
Rachel Gaudenz, Dost Architektur und
Stadtentwicklung
(Umsetzungspartnerin)
Teilnehmende
Beobachtung
Angelika Juppien und Richard Zemp,
Hochschule Luzern
95
Szenarienwerkstatt Saumackerstrasse
Szenario «Die Konsumentin als Produzentin»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Im Quartier ist der Konsum sehr präsent.
Es gibt diverse Endverteiler.
• Gewerbe- und Handwerksbetriebe sind eher unterrepräsentiert oder im Strassenbild kaum sichtbar.
• Die Badenerstrasse hat für mögliche (Nutzungs-)
Veränderungen viel Potenzial
• Für das Szenario ist zu bedenken, dass Arbeit
im Vergleich zum Material (noch) teuer ist.
Wird sich dieses Verhältnis wirklich ändern?
• Im Haus gibt es eine gute Durchmischung: Familien,
WGs und Kleinhaushalte, multikulturelle Bewohnerschaft. Wir sind gut miteinander vernetzt.
• Die PWG ist cool, aber könnte trotzdem mehr
machen.
96
Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
• Niederschwellige Zugänge für Austausch und Info
wären wichtig. Soziale Netzwerke wie z. B. Tauschbörsen gewinnen an Bedeutung
• Vernetzung wird immer wichtiger, auch über das
Haus hinaus.
• Mehr Mischnutzungen – also Handel und produzierendes Gewerbe im EG – wären wünschenswert.
Professionalisierung bleibt und Freiwilligenarbeit
immer noch eher gering.
• Leerstehende Büro- und Dienstleistungsflächen
werden unbürokratisch umgenutzt.
97
Stichworte zu Fragenimpuls 2 (Fortsetzung)
• Die städtischen (Aussen-)Räume spielen
zunehmend wichtige Rolle: Trottoirs,
Nischen und Plätze, aber auch Dachflächen
werden intensiver genutzt und teilweise
umgedeutet.
• Es gibt wieder «fliegende Händler» und
«mobile Gewerbetreibende», die auch
Reparaturen anbieten.
• Städtische und lokale Mitnahme-Posten
sind Teil des Stadtbildes.
• Eigenproduktion in Stadt ist aber nicht
romantisch. Sie fordert Koordination und
Reglemente für Umnutzung und Umdeutung von Räumen, auch um die Qualität
der Produkte zu gewährleisten.
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100
Saumackerstrasse 2030:
«Die Konsumentin als Produzentin»
Jetzt, wo auch bei uns in Zürich-Altstetten vermehrt da produziert und repariert wird, wo man wohnt, spürt man auch, wie
sich unser Quartier allmählich verändert. Es könnte am besten
beschrieben werden mit einem engmaschigen Netz von Wohnen, Arbeiten und kulturellem Leben. Dies ist möglich, weil die
meisten Produktionen nicht mehr störend für ein Wohnumfeld
sind, sondern im Gegenteil. Dass die Rechnung für alle aufgeht,
liegt vor allem daran, dass die Leute sich vermehrt dort aufhalten, wo produziert und konsumiert wird. So nimmt die Auslastung von Infrastruktur und Einrichtungen zu, was in unserem
Quartier bessere Angebote ermöglicht, die auf die Bedürfnisse
der Bewohnerinnen und Bewohner zugeschnitten sind. Hierfür
sind die Kooperationen zwischen unserem Quartier und den
Landwirten im Umfeld unglaublich wertvoll.
Als echte Wohnqualität empfinden wir auch den unkomplizierten Zugang zu Informationen zu laufenden Projekten und
Angeboten im Quartier. Seit unsere Vermieterin mitmacht
beim Netzwerk «produktive Badenerstrasse», dient unser Treppenhaus nicht nur als Verkehrsraum, sondern wird je länger
je mehr auch zum Informationsraum: Auf dem Monitor kann
man sich zu aktuellen Entwicklungen im Quartier informieren.
Als Bewohnerin oder Bewohner kann man hier aber auch selbst
aktiv werden und Dinge unkompliziert direkt kommunizieren.
Wenn jemand das Gefühl hat, es bleibt nur bei der digitalen
Kommunikation, liegt falsch. Der direkte persönliche Austausch
101
ist keineswegs zum Erliegen gekommen, sondern wurde eher
angeregt. Immer mehr Netzwerke wie beispielsweise Tauschbörsen gewinnen an Bedeutung. Dass die «Zürcher Gemeinschaftszentren» ein Ladenlokal gemietet hat, stellt sich als
wahrer Glücksfall dar. So finden hier regelmässige Tauschbörsen und Reparaturworkshops statt.
Auch bei uns werden Büro- und Dienstleistungsflächen unbürokratisch umgenutzt. Ein Beispiel ist die junge Familie, die
das ehemalige Architekturbüro im Ladenlokal an der Badenerstrasse übernommen hat, um hier Limonade und Apfelwein
herzustellen. Hierfür mussten sie in eine spezifische Infrastruktur investieren, die sich längerfristig auszahlen muss.
Kurzfristige Zwischennutzungen kommen also in den meisten
Fällen nicht in Frage. Das heisst, dass zumindest für die nächsten Jahren die Erdgeschossnutzung festgelegt ist. Festgelegt
heisst aber noch lange nicht für allemal festgefahren. So
öffnet sich der kleine Fabrikladen mit einem Rampenverkauf
Freitag abends zur Badenerstrasse und ist ein echter Anlaufpunkt für Gross und Klein. Damit verändert sich aber auch das
Wohnen zunehmend. Klar, einerseits profitiert man von hochwertigen und nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen
und dies bei einer nach wie vor günstigen Miete. Andererseits
wird es aber umso wichtiger, den Innenhof als Rückzugsort zu
stärken, gerade weil das Leben auf dem Trottoir vor unserem
Gebäude immer lauter wird. Wir haben uns zusammen mit der
Verwaltung deshalb dazu entschieden, den Innenhof nicht als
102
produktive Fläche auszuweisen, sondern dem Rückzug der Bewohnerschaft zuzuordnen.
Die Verwaltung ist mit neuen Fragestellungen konfrontiert:
Denn mit der produktiven Stadt konkurrenzieren sich (erneut)
Wohn- und Gewerbenutzung. Es sind langwierige und zähe
Aushandlungsprozesse nötig. Wer darf was und wo produzieren? Welche flankierenden Massnahmen sind nötig? Ist es legitim Wohnnutzungen zugunsten produktiver Flächen aufzugeben, wie dies in einigen Fällen in unserem Quartier passiert ist?
Wie gewährleistet man die Professionalisierung und die Qualität der Nahrungsmittelproduktion im städtischen Raum? Alles
Fragen, mit denen sich nicht nur die Quartiermanager, sondern
auch unsere Verwaltung auseinandersetzen muss. Alles halb so
romantisch …
103
Szenarienwerkstatt Saumackerstrasse
Szenario «Summer in the City»
Fragenimpuls 1:
• Was bedeutet das diskutierte Szenario für Sie/Ihren
Lebensalltag/Ihre Siedlung/Ihr Quartier?
• Ist Ihr gegenwärtiges Wohnumfeld/Ihr Wohnraum
auf das diskutierte Szenario vorbereitet?
Stichworte:
• Diversität der Bewohnerschaft gross. Gute Durchmischung und Vernetzung: Familien, WGs und
Kleinhaushalte, multikulturelle Bewohnerschaft.
• Innenhof wird bereits heute für verschiedene
Aktivitäten genutzt, als Spielplatz für Kinder, als
Grillplatz im Sommer, als informeller Durchgang
alternativ zum Strassenraum.
• Parkplätze nehmen (noch) zu viel Raum ein. Es gibt
kaum Grünraum und der Autoverkehr im Innenhof
ist für die Kinder gefährlich.
• Grundrisse sind gut – gerade auch hinsichtlich der
Durchlüftung.
• Aussenräume, die sich zum ruhigen und eher
schattigen Hofraum orientieren, wären wünschenswert.
104
Fragenimpuls 2:
• Welche baulich-räumlichen Veränderungen im
Innen- und im Aussenraum wären in diesem
Szenario für Sie wichtig?
• Welche zusätzlichen Angebote wären in diesem
Szenario wichtig?
Stichworte:
• Schattiger Hofbereich besser und vielfältiger nutzen: Mehr (Fassaden-) Begrünung erhöht Attraktivität. Hof wird zum wichtigen Kommunikationsraum. Ein Wasserspiel bietet Abkühlung an heissen
Tagen.
• Ateliers an der Badenerstrasse orientieren sich neu
zum Hof.
• Zusammenarbeit zwischen PWG, Migros und BVK
würde attraktive Durchwegung ermöglichen und
den Hof an den städtischen Aussenraum anbinden.
• Hofseitige Laubengänge, die auch als Terrassen
genutzt werden können stellen direkte Beziehung
zum Hof her und bieten Raum für schattengebende
vertikale Begrünung.
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Stichworte zu Fragenimpuls 2 (Fortsetzung)
• Vertikale Erschliessung auf der Fassadenaussenseite (Laubengang). Jetzige innenliegende Treppenhäuser gleichzeitig umnutzen als Raum für interne
Wohnungserschliessungen (Maisonette), mehr
Zimmer oder vertikale Lüftungskanäle.
• Dachterrasse bietet zusätzlichen Aussenraum
• Solaranlage: dezentrale Energieversorgung ermöglichen.
• Öffentliche Strassenräume (Saumackerstrasse und
Badenerstrasse) werden intensiver begrünt und
tragen zur Kühlung bei und erhöhen Aufenthaltsqualität in heissen Sommertagen.
• Gentrifizierung nimmt durch attraktivere Aussenräume und klimagerechten Stadtumbau ohne
Gegensteuer zu.
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107
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Saumackerstrasse 2030:
«Summer in the City»
Bis zu 80 Tage haben wir jährlich Spitzenwerte von 45 Grad.
Nachts fühlt sich das etwa so an, wie damals in der südfranzösischen Stadt Montelimar. Wie gut, dass sich die Verwaltung
vor 5 Jahren dazu entschieden hat, die hofseitige Fassade um
eine zusätzliche Laubengangschicht zu ergänzen. Nicht nur,
dass jetzt kletternde Nutzpflanzen entlang der Konstruktion
wachsen und ihre Früchte direkt vor meinem Schlafzimmerfenster heranreifen. Ich geniesse vor allem auch das schattenspendende Blattgrün. Dies hat wiederum einen wohltuenden
Einfluss auf das Mikroklima im Innenhof, der sich jetzt – um
ein Wasserspiel ergänzt – als Soforthilfe während des Sommers
anbietet. Wohnqualität heisst für uns je länger desto mehr,
schattige und lauschige Plätze während des heissen Sommers
vor Wohnungstür. Überhaupt wird der Hof nun zum wichtigen
«Aussenhaus», wo kommuniziert, gegrillt und gespielt wird.
Es wird aber auch laut. Wie gut nur, dass unsere Wohnungen
zweiseitig orientiert sind. Sie werden sich jetzt fragen: Was ist
aus den Treppenhäusern geworden, da ja ein Laubengang die
vertikale Erschliessung neu sicherstellt? Nun, hier liess sich die
Verwaltung etwas ganz Spezielles einfallen. Die ehemaligen
Treppenhäuser dienen neu als grosse Lüftungskamine, welche
die heisse Luft aus allen Wohnungen abführt. Genau, werden
sie jetzt sagen, wie bei den alten Ägyptern. So neu ist die Sache nicht, aber effizient!
109
Es dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass unser Wohngebäude
auch nach oben gewachsen ist. Die Dachterrasse hat sich
jedoch während des Betriebs nicht bewährt. Es war der grosse
Wunsch der Bewohnerschaft, das Dach umzukrempeln, um
Platz für eine Dachterrasse und eine Solaranlage zu schaffen.
Die sonnenhungrige Solaranlage kommt voll auf ihre Kosten,
die schattenhungrigen Bewohner*innen eher nicht. Aber «für
die Katz» war die Dachterrasse nicht. So arbeitet unsere Verwaltung mit dem städtischen Gartenbauamt zusammen und
stellt die Dachterrasse zur Verfügung für das Testen hitze- und
starkregenresistenter Dachbegrünungen. Auch sonst arbeitet
unsere Verwaltung mit anderen Akteurinnen und Akteuren
zusammen, um das Hitzeproblem in den Griff zu bekommen
respektive die Aufenthaltsqualiät auch über die eigenen Wände hinaus erträglich zu machen. Ein Beispiel ist das Projekt
«Pocket-Trails»: Schattige Fuss- und Radwege verbinden die
einzelnen Höfe und Aussenräume parzellenübergreifend miteinander. Kurz und gut, ein lauschiges Wegenetz jenseits asphaltierter Hauptstrassen.
Ein verbreitetes Problem zeigt sich leider auch hier: «Green
Gentrification». Die attraktiven Begrünungsmassnahmen wie
beispielsweise an der Badener- und Saumackerstrasse führen
freilich dazu, dass nun alle auf der «Schattenseite des Lebens»
Wohnraum suchen. Dies spiegelt sich bereits in den Immobilienpreisen. Den Rest der Geschichte kennen wir. Hier bedarf es
unbedingt einer gut durchdachten Gegensteuer, damit klima-
110
gerechte Stadtplanung nicht zu neuen sozialen Ungerechtigkeiten und Spannungen auf dem Wohnungsmarkt führt. Es
gibt hier also viele offene Fragen und Zielkonflikte, auf die
Antworten gefunden werden müssen. Als Mieterschaft von
relativ günstigen Wohnungen ist der grüne Umbau der Stadt
zweischneidig und es nimmt uns wunder, wie die PWG sich zu
den laufenden Entwicklungen im Quartier positioniert.
111
112
ARBEITSPAKET 04
Workshop Verwaltungen
113
Workshop Verwaltungen
Die Ergebnisse und Interviews aus den Szenarienwerkstätten wurden
dokumentiert und im Anschluss mit den Verwaltungen der drei Fallstudien
in einem gemeinsamen Online-Workshop reflektiert. Das Augenmerk des
Workshops lag dabei auf der Frage, wie die verschiedenen Auffassungen
von nachhaltiger Lebensweise und Wohnqualität aus Sicht der Nutzenden
mit den organisatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
seitens der Verwaltungen und Eigentümerschaften zusammengebracht
werden können.
Hierzu erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops im
Vorfeld die dokumentierten Ergebnisse der Szenarienwerkstätten – als
tabellarische Zusammenfassung und ergänzend als (Weiter-)Erzählung
der sieben Grobszenarien. Diese bildeten die Grundlage für die Rückmeldungen und Stellungnahmen der Verwaltungen, die in sogenannten
Breakoutsessions im Workshop vorbereitet wurden.
114
Um die Rückmeldungen und die anschliessende Diskussion zu strukturieren, bearbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Hilfe der
digitalen Pinnwand «Padlet» die folgenden Leitfragen in den Breakoutsessions, die dann im Plenum gemeinsam diskutiert wurden:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung,
Betriebskonzept und Unterhalt ihrer Siedlung?
• Risiken und Gefahren? Gelegenheiten und Chancen?
• Wenn dieses Szenario Wirklichkeit werden sollte, inwieweit
könnte Ihre Organisation dazu beigetragen haben?
Die Ergebnisse der Diskussionen hat das Forschungsteam dokumentiert
mit dem Ziel aufzuzeigen, wie und mit welchen Stellschrauben seitens
der Verwaltungen reagiert werden könnte, um vorhandene Potenziale
nachhaltiger Lebensweise und Wohnqualität in den Siedlungen vor Ort zu
unterstützen.
Dabei wurden mögliche Handlungsfelder in den Bereichen «Betriebskonzept und Hausordnung», «Vermietung und Verwaltung» und «Haus und
Quartier» zusammengefasst. Diese wurden dann in Bezug gesetzt zu den
aus Sicht der Bewohnenden wichtigsten Aspekten eines zukunftsfähigen,
nachhaltigen und qualitätvollen Wohnens. Entstanden ist das Umdenkarium, das als Diskussionsgrundlage und Orientierungshilfe dienen kann,
wie in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen und Ressourcenknappheit
nachhaltige Wohnqualitäten ganz konkret in der Alltagsrealität angesetzt
werden könnten.
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Sicht der Verwaltung Fuchsloch
Szenario «Die Konsumentin als Produzentin»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
• Bedeutender Mehraufwand betreffend Kosten,
Investition und Arbeit, da die Eigenverantwortung
aus diversen Erfahrungen höchstens kurzfristig
funktioniert.
• Umsetzung von Bring- und Abholtagen funktioniert nur, wenn die Verwaltung/Eigentümerschaft
alles organisiert und auf eigene Kosten entsorgt.
• Wenn wir an die meisten unserer Mieterkühlschränke denken, dann werden wir keinesfalls ein
zentrales Kühlhaus aufstellen.
• Seewasserwärme nutzen? Wie soll die den Berg
hoch?
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• Die Velounterstände werden gut genutzt. Auch um
alte Gegenstände, auch Velos gratis zu entsorgen
• Mieter-Eigentümer-Verwaltungs-Versammlungen
hatten wir die ersten paar Jahre. Aufgrund auftretender Unzufriedenheiten bis zu Streitigkeiten inkl.
Beleidigungen an Eigentümerschaft/Verwaltung
(weil die Wünsche teilweise utopisch, baugesetzwidrig und bei denjenigen, die umgesetzt wurden,
meist nach kurzer Zeit das zugesicherte Mieterengagement ausgeblieben ist), wurden diese abgeschafft und auch nicht mehr eingeführt.
• Wer hegt, pflegt und putzt die Quartiersau?
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Sicht der Verwaltung Fuchsloch
Szenario «Mobilität à la Carte»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
• Photovoltaik auf den Dächern, eventuell auch Fassade ist in Abklärung.
• Unser Mobility-Auto in der Liegenschaft (Eigentümerschaft hatte die Einkaufskosten übernommen)
wurde nahezu kaum genutzt und der Standort
durch die Mobility aufgelöst
• Private Zufahrt ist stark eingeschränkt. Funktioniert nur so gut, wie sich die Mieterschaft inklusive deren Besucher daran hält (FFZ-Zufahrt muss
nämlich jederzeit gewährleistet sein.) Mobile Poller/Schranken wurden mehrfach durch Mieter abgetrennt.
118
• Busverbindung Mo – Fr tagsüber von 06.00 Uhr –
21.45 Uhr im Viertel-Stunden-Takt vorhanden.
• Tiefgarage an E-Mobilität anzupassen ist zurzeit
nur mit sehr hohen Kosten möglich.
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Sicht der Verwaltung Fuchsloch
Szenario «Summer in the City»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
• Kühlung über Erdsonde – an dieser Lage unmöglich, weil nicht erlaubt!
• Fassadenbegrünung bei unserer aktuellen Eternitplatten nicht möglich. Zudem gibt es viele Mieter,
die das Ungeziefer scheuen.
• Energetische Sanierung (in Bearbeitung/Planung
ist der Heizersatz)
• Nutzung der Seewasserwärme nicht möglich, da
nicht erschlossen.
• Sämtliches Regenwasser versickert in Retensionsbecken und Natur.
• Dachbegrünung ist im Mindestmass vorhanden.
120
• Spielplätze: Neubeschattung wird umgesetzt
• Grössere Balkone – momentan nicht umsetzbar
• Nachhaltige Heizung in Planung
121
Sicht der Verwaltung Hinterkappelen
Szenario «Die Konsumentin als Produzentin»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
• Aufhebung Wohnung im EG für gemeinschaftliche
Räume bedeutet Rückgang Mieterträge
• Allenfalls könnte die Eingangssituation angepasst
werden
• Ertragsausfall kompensieren mit Buchung der
gemeinschaftlichen Räume
• Ausbaukosten
• Aufwand Facility Manager
• Regelung Zuständigkeiten Siedlungscoach
• Erstellung Betriebskonzept
122
Risiko:
• wird nicht genutzt
• Kosten/Nutzen
• interne Konflikte (Nutzung/Hinterlassung/Lärm)
Chancen:
•
•
•
•
•
•
Entwicklung einer Siedlungsidentität
höhere Mieterzufriedenheit
Verminderung Fluktuation, da Mehrwert erschaffen
Vertrauensbildung resp. Bindung der Mietenden
Generationenverbindendes Wohnen
Umgang mit Littering
soziale Nachhaltigkeit
Partizipative Mitentwicklung von Nutzungsmöglichkeiten (Raumbedürfnisse)
123
Sicht der Verwaltung Hinterkappelen
Szenario «Summer in the City»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
Auswirkung:
• Investitionskosten für Solaranlage und Heizungsersatz bereits in Prüfung
• Investitionskosten für gedeckte Aussenräume
• Aufwand Facility Manager
• Regelung Zuständigkeiten (wer ist verantwortlich)
• Erstellung Betriebskonzept
Risiko:
• wird nicht genutzt
• Kosten/Nutzen
• interne Konflikte
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Chancen:
• Soziale Nachhaltigkeit
• ökologische Nachhaltigkeit
• Entwicklung einer Siedlungsidentität
• höhere Mieterzufriedenheit
• Verminderung Fluktuation
• Umgang mit Littering
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Sicht der Verwaltung Saumackerstrasse
Szenario «Die Konsumentin als Produzentin»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
• Gewerbe statt Büro/Laden Lärm, Lagerfläche,
Zufahrt
• Gewerbe statt Restaurant fehlender Treffpunkt,
Vernetzung, Verpflegung, Veranstaltungen, keine
Abendbelebung, Aussennutzung, weniger Investitions-/Unterhaltskosten Eigentümer
• Frage: Durchmischung Haus gut, welchen Einfluss
hat EG-Nutzung, wie wird Vernetzung besser?
• Nutzung Dachfläche unklar (Giebeldach)
126
Sicht der Verwaltung Saumackerstrasse
Szenario «Summer in the City»
Fragenimpuls:
• Was bedeutet dieses Szenario für Ihre Organisation/Baugenossenschaft/Firma?
• Welche Auswirkungen hätte das Szenario auf Verwaltung, Betriebskonzept und Unterhalt Ihrer Siedlung?
Stichworte:
• Zusätzliche Kontrollen, allenfalls verbunden mit
Reinigungsarbeiten
• Mehrkosten für Gartenpflege
• zeitliche Einschränkungen bei der Nutzung, falls
Lärmimmissionen
• betr. schattiger Hof und Wasserspiel: 2017/2018
neu gestaltet mit Baum, Büschen. Erschwernis:
Tiefgarage mit Rampe und Zufahrt
• Beim Wasserspiel fragt es sich, ob das in trockenem Sommer (wie dieses Jahr) überhaupt zu vertreten ist
• Atelier Richtung Hof: Wie lösen? Nutzungskonflikt
mit Wohnungsmieter (ruhiger Hof vs. Hauptstrasse)
127
Stichworte (Fortsetzung):
• Zusätzliche Kontrollen, allenfalls verbunden mit
Reinigungsarbeiten
• Mehrkosten für Gartenpflege
• zeitliche Einschränkungen bei der Nutzung, falls
Lärmimmissionen
• betr. schattiger Hof und Wasserspiel: 2017/18 neu
gestaltet mit Baum, Büschen. Erschwernis: Tiefgarage mit Rampe und Zufahrt
• Beim Wasserspiel fragt es sich, ob das in trockenem
Sommer (wie dieses Jahr) überhaupt zu vertreten
ist
• Atelier Richtung Hof: Wie lösen? Nutzungskonflikt
mit Wohnungsmieter (ruhiger Hof vs. Hauptstrasse)
• Durchwegung mit Nachbarparzellen: Reinigung,
unerwünschte Personen, kaum Wegverkürzung,
Kostenteiler?
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• Frage, wie und ob Personen, die nicht Mietendende (bzw. deren Gäste) sind, weggewiesen
werden sollen?
• Treppenhäuser umnutzen??? Wie???
• Dachterrasse – wie realisieren? Unterhalt,
Betrieb, Reinigung, Kontrolle
• Solaranlage – sinnvoll, Fläche wegen Ausrichtung beschränkt
• öffentl. Strassenraum stärker begrünen – Platzverhältnisse prüfen
• Gentrifizierung: abhängig vom Vermieter
129
130
ARBEITSPAKET 05
Auf der Suche nach
neuen Wohnqualitäten:
ein «Umdenkarium».
131
«Umdenkarium»
«Die Logik der Erneuerung und Entwicklung blickt allzu oft über das Hier
und Jetzt hinaus und sieht nur das, was sein könnte. Die eigentliche
Kunst besteht darin, sowohl das Bestehende als auch das Mögliche zu
sehen und sie beide genau, klar und mit Sorgfalt zu betrachten.»1
Wie sollten wir angesichts ökologischer und sozialer Herausforderungen
wohnen? Und was sind dabei mögliche Gestaltungsspielräume? Diese
Fragen bildeten die Basis für die Auseinandersetzung mit den Bewohnerschaften und den Verwaltungen. Dabei ging es ganz gezielt darum,
die grossen Themen des Wandels auf den Massstab der Alltagsrealität
herunterzubrechen und konkrete Handlungsfelder abzustecken. Während
der Untersuchung stellte sich zunehmend heraus, dass die Betriebsphase
die eigentliche Schlüsselphase ist. Wie bereits Lucius Burckhardt in seiner
Hypothese zur Kontraproduktivität formuliert hat, bewirkt «Jeder neue
Entwurf (…) im Gebrauch Änderungen, und diese Änderungen ziehen
die Notwendigkeit neuer Entwürfe nach sich.»2 In diesem Sinne entspricht
Wohnqualität weniger einem idealen Endzustand. Vielmehr entsteht
Wohnqualität durch vielfältige Austausch- und Interaktionsprozesse mit
der Wohnumgebung und mit dem Wohnumfeld. Die Suche nach «neuen» Wohnqualitäten – so der Untertitel der vorliegenden Studie – ist in
diesem Sinne nie abgeschlossen und gerade darin, nämlich in diesem
Suchen, liegt eine spezifische Qualität. Voraussetzung hierfür sind baulich-räumliche sowie organisatorische Rahmenbedingungen, die ein
solches «Suchen» nicht als Störfaktor, sondern als ganz grundsätzliches
Bedürfnis unterstützen. Kurz und gut: Solange die Wohnenden suchen,
identifizieren sie sich mit dem Wohnumfeld und möchten darin etwas
verändern und bewirken. Das Gegenteil wäre Resignation oder eine vermeintliche Zufriedenheit mit der Wohnsituation.3
132
Gerade in Zeiten grosser Unsicherheiten steht Wohnqualität in direktem
Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach positiver Veränderung und
Selbstwirksamkeit. Die Qualität und Anpassbarkeit des gebauten Lebensraums an veränderte Bedingungen und die jeweiligen Organisations- und
Entscheidungsstrukturen bedingen sich also unmittelbar.
So drängt sich gerade bei der Schaffung neuer Wohnqualitäten im Bestand neben der baulich räumlichen Frage ein Re-Design traditioneller
Rollen von Mieterschaft, Verwaltung und Eigentümerschaft auf. Gerade
auch die moderierende Rolle bei anstehenden Veränderungen während
der Betriebsphase durch Siedlungscoaches oder soziokulturellen Animatorinnen dürfte in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen. Planung
und Verwaltung gehen dabei zunehmend taktisch vor, indem während der
Betriebsphase die Spielregeln und Spielräume immer wieder von Neuem
definiert werden. Im Idealfall geschieht dies in Absprache mit der Bewohnerschaft und mit der Unterstützung einer professionellen Moderation.
Drei Anregungen zum Umdenken: «Von den eigenen vier Wänden zum
Habitat» soll dazu anregen, das Beziehungsspektrum über die Wohnung
hinaus zu erweitern. Während der Szenarienworkshops wurde immer wieder die Wichtigkeit parzellenübergreifender Gestaltungs- und Aushandlungsprozesse betont. Es geht hier also nicht bloss um die Versorgung mit
Infrastrukturleistungen im Quartier, sondern um das Erfahren von Selbstwirksamkeit und Mitverantwortung im Wohnumfeld angesichts ökologischer und gesellschaftlicher Veränderungen.
Bei der Selbstwirksamkeit setzt im Besonderen die zweite Anregung an:
Vom «Hier-wohne-ich» zum «Hier-gestalte-ich-mit» plädiert für einen
Rollenwechsel von der blossen Mietkonsumentenschaft hin zu einer
Quartierbewohnerschaft, die ihre eigene Wirksamkeit in ihrem Lebensumfeld wahrnimmt. Dass Quartier und Wohnumfeld solche Erfahrungen
unterstützen, bedingt eine Gestaltbarkeit und Formbarkeit. Hierfür ist
nicht zuletzt auch ein gewisser Kulturwandel auf Seiten der Verwaltungen,
Behörden und der Bewohnerschaft nötig. In diese Richtung zielt die dritte
Anregung: «Vom Immer-so-weiter zum Immer-wieder-neu» ist Anregung
und Fazit zugleich.
133
134
© Jan Rothuizen
Umdenkanregung 1:
Von den eigenen vier Wänden zum Habitat!
«Wir sind nicht isolierte Punkte in einem neutralen Raum, sondern nehmen Plätze und Orte ein, folgen Orientierungen und erfahren Situationen
in einem durch eine Vielzahl von Bedeutungslinien durchzogenen Beziehungsgefüge, dem wir eben dadurch zugehören, dass wir es bewohnen.»4
Die Qualität von Austausch- und Interaktionsprozessen der Bewohnenden
mit ihrer Wohnumwelt bestimmen die emotionale Verknüpfung mit dem
eigenen Umfeld und somit auch die Wohnqualität ganz wesentlich mit.
Die grosse Bedeutung von Kooperation und Vernetzung mit dem Quartier
bringt auch die Philosophin Ute Guzzoni auf den Punkt, wenn sie feststellt, dass wir eben keine «isolierten Punkte in einem neutralen Raum»
seien. An den Szenarienwerkstätten betonten die Bewohnenden sehr oft
die Bedeutung von gelingenden Austausch- und Interaktionsprozessen
mit der Wohnumwelt und mit dem Umfeld als Basis für weitere Veränderungsprozesse. Die Bedeutung des Aussenraumes als kollektiver Aneignungsraum liegt auf der Hand. Und doch: In der Praxis ist die Verwaltung
in der Regel die einzige verantwortliche Instanz, resp. weitere beauftragte
Hauswartungen oder Planende. Berücksichtigt man, dass das Wohnen im
Grunde aus nichts anderem als auch Aneignungsprozessen besteht, wird
die emotionale Verknüpfung und Ortsverbundenheit mit dem Wohnumfeld damit erschwert. Diese ist wiederum die Voraussetzung dafür, dass
Bewohnende ein Verantwortungsgefühl für ihr Wohnumfeld entwickeln
und Veränderungen aktiv mitgestalten. Im Szenario «Summer in the City»
wurde in allen drei Szenarienwerkstätten intensiv über die zunehmende
Bedeutung des Aussenraums als parzellenübergreifender Aktionsraum
diskutiert, in welchem für das gesamte Quartier Massnahmen zur Verbesserung des Hitzeproblems umgesetzt werden können. Es scheint also
eine Art kritische Masse zu brauchen, damit Veränderungen durch lokale
Akteurinnen und Akteure umgesetzt oder initiiert werden können. Auch
in den Szenarien «Mobilität à la Carte» und «Von der Konsumentin zur
Produzentin» plädierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Szenarienwerkstätten dafür, vermehrt mit unterschiedlichen Akteurinnen und
Akteuren im Quartier zu kooperieren. Dies, um Nutzungsangebote im
135
Quartier besser mit dem nahen Wohnumfeld zu verknüpfen, aber auch
um lokales Wissen und Angebote insgesamt besser nutzbar zu machen.
Alles Massnahmen, die durch Vernetzung und Dezentralisierung den
Alltag wieder lokaler verankern. Somit wird ein Beitrag an einen ressourcenschonenden Umgang geleistet und gleichzeitig die Wohnqualität im
Quartier verbessert.
Wie wichtig die gelingende Vernetzung über die eigene Wohnung für eine
hohe Wohnzufriedenheit unter zukünftig veränderten Bedingungen ist,
zeigt letztlich auch die Diskussion des Szenarios «Die Konsumentin als
Produzentin». Gerade wenn kollektive Verhaltensänderungen notwendig
werden, sind gemeinsam gemachte Lern- und Erfahrungsprozesse zunehmend bedeutungsvoll. Indem der Austausch von Wissen, Kompetenzen
und Erfahrungen rund um gemeinsame Probleme und Anliegen gefördert
wird, wird das bestehende Potenzial der Bewohnerschaft, aber auch der
Verwaltungen aktiviert. Neue Perspektiven und Denkprozesse können
durch diese Aktivierung von Ressourcen angeregt und kreative Netzwerke
unterstützt werden.
Die zunehmenden Ansprüche an Vernetzung und Aneignungsmöglichkeiten über die eigenen Wände hinaus sind mit ganz konkreten Fragestellungen verbunden. Allen voran: Welche Anpassungen in Gestalt und Betrieb
sind notwendig, um verschiedene Nutzungsmöglichkeiten im Aussenraum zu ermöglichen und dem Bedürfnis nach einer Erweiterung des
Wohnalltags ins Wohnumfeld entgegen zukommen? Wie wird man den
unterschiedlichen Aktivitäts- und Ruhebedürfnissen der verschiedenen
Akteurinnen und Akteure gerecht? Hier sind nicht nur baulich-räumliche
Massnahmen gefragt, wie zum Beispiel die Einführung eines Info-Bretts
im Treppenhaus, der Ausbau von Mitnahmeposten im Quartier oder
grössere Massnahmen wie das Anbringen einer zusätzlichen Fassadenschicht, sondern vielmehr auch betriebliche Reglemente oder organisatorische Instrumente. Diese reichen von einfachsten Vorschlägen, wie beispielsweise Tauschbörsen im nahen Umfeld, Repair-Cafés, Mittagstische,
136
Handreichungen im Alltag, also Massnahmen, um das Wohnen für neue
Synergien zwischen Wohnung und Wohnumfeld empfänglich zu machen.
Gleichzeitig stellen sie eine Herausforderung an den Betrieb und an die
Verwaltungen dar. Gilt es doch, Verantwortlichkeiten jenseits der «eigenen vier Wände» neu zu denken und zu moderieren, wobei gerade auch
der Austausch mit angrenzenden Nachbarschaften und Gemeindevertreter*innen immer wichtiger wird und auf geeignete Gefässe angewiesen
ist. Auch Eigentümerschaften und Verwaltungen werden also zunehmend
über «isolierte Problemlösungen» hinausdenken müssen, indem sie sich
fragen: Was ist bereits da? Welche Angebote bestehen, respektive fehlen?
Welche Qualität haben diese Angebote und wie kann die eigene Siedlung
einen ergänzenden Beitrag zum Quartier leisten? Inwiefern kann die Siedlung von der bestehenden Infrastruktur profitieren?
Kurz und gut: Die sorgfältige Analyse des Vorgefundenen und die Vernetzung mit verschiedensten Wissensträgern im Umfeld – wie beispielsweise
Quartiersvereinen und weiteren bestehenden Netzwerken – erweitern den
Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich von Eigentümerschaften und Verwaltungen.
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© Jan Rothuizen
Umdenkanregung 2:
Vom Hier-wohne-ich zum Hier-gestalte-ich!
«Damit die Welt erkennbar wird, muss sie zu einem Laboratorium
werden.»5
Während der Szenarienwerkstätten wurde von den Bewohnenden immer
wieder die folgende Fragen in den Raum gestellt: «Wo können wir unsere
Anliegen platzieren und wie können wir etwas bewirken?»
Gerade in Zeiten grosser Veränderungen scheint die Förderung von
Selbstwirksamkeit durch baulich-räumliche und/oder organisatorische
Massnahmen eine wichtige Voraussetzung für ein «resonantes» Wohnen
zu sein. Resonanz beschreibt Hartmut Rosa als «eine Art und Weise des
Verbundenseins mit der Welt, bei der tatsächlich in uns so was zu schwingen beginnt. (…) wo wir auch das Gefühl haben, wir können da draussen
sozusagen Klänge erzeugen, also Dinge in Schwingung bringen.»6 Das
Bedürfnis, etwas zu bewirken und das Bedürfnis nach Verbundenheit und
Verwurzelung gehen also Hand in Hand. Dabei spielt gerade das Wohnumfeld, also der Raum «vor den eigenen vier Wänden» eine wichtige
Rolle für die Wohnqualität. Identifikation mit dem Wohnumfeld findet
also dann statt, wenn dieses Umfeld auf meine Anliegen und Bedürfnisse
«antwortet». Fehlen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und geben die
Verwaltung als auch die Wohnbaustruktur keine Antwort auf mein Selbstbestimmungsbedürfnis, so kann das zu Resignation führen. Damit ein
Wohnumfeld zu einem Resonanzraum werden kann, sind Veränderungsund Gestaltpotenziale auf baulich-räumlicher, organisatorischer oder
programmatischer Ebene gefragt.
In den Szenarienwerkstätten hat sich für alle drei Szenarien deutlich
herausgestellt, dass die Aussicht auf Verbesserung der Wohnsituation
in der Siedlung und im Quartier an einen gelungenen Austausch mit
der Verwaltung oder Eigentümerschaft geknüpft ist. Eine gestörte oder
unzureichende Kommunikation mit der Verwaltung resultiert in ein Gefühl der Hilflosigkeit und einem abnehmenden Verantwortungsgefühl für
die Wohnumgebung. Ausgehend von der Erkenntnis, dass in allen drei
139
Szenarien ein erhöhter Grad an Selbstwirksamkeit und Mitbestimmung
Voraussetzung zur Schaffung neuer Wohnqualitäten ist, stellen sich den
Verwaltungen die folgenden Fragen: Wie können also Bewohnende auch
im Mietwohnungsbau ihre Ideen zum Gebrauch der Innen- und Aussenräume ihrer Siedlung einbringen? Und welche Beteiligungsstrukturen
existieren, die Bewohnenden als Mitgestaltende ihrer eigenen Lebensräume anzuerkennen?
Gerade in den Diskussionen zum Szenario «Summer in the City» zeigte
sich, dass die Veränderungen, die mit dem Klimawandel und seinen Folgen verbunden sind, die Bewohnenden stark beschäftigen. Es zeigte sich,
dass die Bewohnenden bereits Lösungs- und Handlungsansätze überlegt
hatten, um in ihrem Alltag konkret auf eine Verbesserung der Situation
hinzuwirken. Jedoch ist ihnen unklar, wo sie diese Ideen platzieren können
und ob diese Anliegen überhaupt Gehör finden.
Aus der Architekturpsychologie ist bekannt, dass in jedem Menschen
Handlungs- und Bewegungsbedürfnisse auf der einen Seite und Entspannungs- und Ruhebedürfnisse auf der anderen Seite existieren. Interessant
ist zu beobachten, dass seit der Industrialisierung die Aktivitätsbedürfnisse immer weniger dem Wohnumfeld zugeschrieben wurden. Bis heute
überwiegt die Auffassung, dass die Wohnung einzig und allein sogenannte Passivitätsbedürfnisse zu erfüllen habe. Das Bedürfnis nach Aktivität
und Aktion steht grundsätzlich für das Bedürfnis nach geistigen und
körperlichen Tätigkeiten unterschiedlichster Art. Je nach Lebensphase
sind diese beiden Bedürfnisse stark vorhanden. Indessen zeigte sich in
allen Szenarienwerkstätten, dass unabhängig vom Alter und der Art der
Erwerbstätigkeit vermehrt Möglichkeiten gesucht werden, aktiv zu sein.
Spätestens im Szenario «Die Konsumentin als Produzentin» wurde die
Bedeutung von Räumen und Angeboten, die über die reine Wohnnutzung
hinausgehen, vertieft diskutiert. Oft gingen solche Bedürfnisse mit dem
Wunsch nach körperlicher Betätigung und Naturverbundenheit einher.
Hierzu gehörten verschiedene Formen des Gärtnerns. Immer wieder
wurden aber auch Tätigkeiten genannt, die in der Wohnung keinen Platz
140
haben, wie das Reparieren von Gegenständen, das Werken und Basteln
bis hin zu kollektiven Ereignissen, wie Mittagstischen, Angeboten für
Spiel- und Freizeit. Auch die Nähe professioneller Erwerbsarbeit, sei dies
Gewerbe oder Dienstleistung, wurden als Beitrag an eine Stadt der kurzen
Wege und einer Kultur des Reparierens und Pflegens geschätzt.
Die Umdeutung und Umnutzung bestehender Verkehrsräume, wie Tiefgaragen, Innenhöfe, Strassenräume und Trottoirs bewerteten die Teilnehmenden im Szenario «Mobilität à la Carte» unterschiedlich. Einerseits wird
die Chance erkannt, die Aufenthaltsqualität im Quartier zu verbessern,
andererseits weisen die Bewohner auf mögliche Gentrifizierungsgefahren
hin, die auch beim klimagerechten Stadtumbau nicht haltmachen werden. In diesem Sinne gälte es Nachhaltigkeit umfassend zu verstehen und
nicht nur Teilaspekte zu fokussieren.
Die Verwaltungen sind sich dieser Verantwortung auch bewusst. Es dürfe
nicht sein, dass der Umbau in eine klimagerechte und nutzungsdurchmischte Stadt der kurzen Wege im Widerspruch zu Bezahlbarkeit und sozialer
Nachhaltigkeit steht.
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© Jan Rothuizen
Umdenkanregung 3:
Vom Immer-so-weiter zum Immer-wieder-neu!
«Unsichtbares Design. Damit ist heute gemeint: das konventionelle
Design, das seine Sozialfunktion selber nicht bemerkt. Damit könnte aber
auch gemeint sein: ein Design von morgen, das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen,
bewusst zu berücksichtigen imstande ist.»7
An allen Szenarienwerkstätten und Workshops wurde von den Bewohnerschaften und den Verwaltungen die Notwendigkeit zur Verhaltensänderung betont. Ein Weiter-so wurde angesichts der ökologischen und gesellschaftlichen Veränderungen eher kritisch betrachtet.
Dass Verhaltensänderungen mitgetragen werden, ist daran geknüpft,
dass die Sinnhaftigkeit und die positiven Konsequenzen im konkreten
Wohnumfeld und im Alltag spürbar werden. Dies bedingt positive Erfahrungen, die wiederum dadurch ermöglicht werden können, dass das
Wohnumfeld solche Verhaltensänderungen reflektiert. Kurz gesagt: Jede
Verhaltensänderung wird nach einer gewissen Zeit als wirkungslos wahrgenommen, wenn das Wohnumfeld nicht darauf reagiert, sei dies baulichräumlich oder organisatorisch. Verhaltensänderungen werden hingegen
dann als sinnvoll und als Mehrwert betrachtet, wenn das Wohnumfeld
darauf positiv reagiert und die eigene Wirksamkeit auf eine positive Weise konkret erfahrbar wird. Hierfür braucht es baulich-räumliche Strukturen, die eine solche Verhaltensänderung «beantworten» – also Innen- und
Aussenräume, die umgedeutet, umgeformt oder an veränderte Bedingungen angepasst werden können.
Wie könnte das Leben und Wohnen in unserer Siedlung sein? Diese
Frage weist darauf hin, wie bedeutungsvoll Strukturen sind, die Raum
für Reaktion, Improvisation und Spekulation geben. Dabei handelt es
sich eben nicht nur um bauliche Strukturen, sondern vielmehr auch um
die scheinbar nicht sichtbaren organisatorischen und betrieblichen Systeme, wie Organisations- und Nutzungskonzepte, Hausordnungen und
Entscheidungsstrukturen, die gerade in der Betriebsphase eine entschei-
143
dende gestaltende Rolle spielen. Wie können Anliegen der Bewohnerschaft platziert werden? Wie sind die Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten geregelt? Wer spielt welche Rolle im Gestaltungs- und
Transformationsprozess? Fragen, die die These von der Betriebsphase als
Gestaltungsphase unterstützen und zugleich darlegen, dass Eigentümerschaften, Verwaltungen und Bewohnerschaften im moderierten Zusammenspiel «ihren Wandel» gestalten können.
Gerade den Verwaltungen kommt in diesem System eine wichtige Rolle
zu, um ein fein ausbalanciertes System von Ressourcen, erweitertem Netzwerk und Spielräumen zu gestalten und moderieren zu lassen. Ganz im
Sinne von Lucius Burckhardt wäre also ein verändertes Gestaltungs- oder
Designverständnis hilfreich, dass das «unsichtbare Gesamtsystem, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewusst
zu berücksichtigen imstande ist».
144
Endnoten
1
2
3
4
5
6
7
Dall, A. (2020). Das Problem mit der Zukunft. In O. Bahner, M.B. & L. Holzberg (Hrsg.),
Sorge um den Bestand. Zehn Strategien für die Architektur. (S. 37 – 47). Jovis.
Burckhardt, L. (2004). Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch, Hrsg. Jesko
Fezer u. Martin Schmitz, Berlin S.194. Martin Schmitz Verlag.
Aus der Architekturpsychologie ist bekannt, dass Bewohnende, welche ihre suboptimale
Wohnsituation auf absehbare Zeit nicht ändern können, entweder resignieren oder sich
mit der Situation arrangieren, indem sie ihre Erwartungen heruntersetzen. In Umfragen,
äussern sich diese Personen paradoxerweise als Zufrieden mit ihrer Wohnsituation, wes
halb man auch vom «Zufriedenheitsparadoxon» spricht.
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Lucius Burckhardt: Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch, hrsg. von
Jesko Fezer u. Martin Schmitz, Berlin 2004, S.199 Martin Schmitz Verlag.
145
Handlungsanregungen Fallbeispiele
Betriebskonzept und Hausordnung
VON DEN EIGENEN VIER WÄNDEN ZUM HABITAT
Fuchsloch, Oberwil
Siedlungsübergreifende Nutzungsangebote wie etwa
Tauschbörsen, Repair-Café oder mobile Werkstoffsammelstellen, Informationskanäle schaffen und pflegen.
Kappelenring, Hinterkappelen
Nutzungskonzept für den Aussenraum in Zusammenarbeit mit den Nachbarseigentümer*innen und den
Bewohnerschaften der einzelnen Liegenschaften
entwickeln und während der Anfangsphase begleiten,
Verantwortlichkeiten an einzelne Schlüsselpersonen aus
der Bewohnerschaft übertragen.
Saumackerstrasse, Zürich
Betriebskonzept über die Parzelle hinaus denken, indem
Zusatzräume im Innen- und Aussenraum vermittelt
werden.
VOM «HIER-WOHNE-ICH» ZUM «HIER GESTALTE-ICH-MIT»
Fuchsloch, Oberwil
Mitsprache der Bewohnerschaft durch geeignete
Gefässe fördern. Beispielsweise durch die Bildung eines
Bewohner*innenvereins, welcher die einzelnen Anliegen
in strukturierter und abgestimmter Form an die Verwaltung weiterleitet. Einführen einer Siedlungsverfassung
zur Klärung der Zuständigkeiten. Das Know-how der
Bewohnerschaft z. B. durch die Bildung von Arbeitsgruppen zu auserwählten Themen nutzen.
Kappelenring, Hinterkappelen
Betriebskonzept für die Nutzung und Finanzierung der
Zusatzräume im Erdgeschoss. Kleine Handreichungen
im Alltag, sich treffen und besuchen sind Dinge, die
bereits im Kleinen stattfinden und die durch Massnahmen wie ein gut sichtbares Infobrett im Eingangsbereich, Nachbarschaftskaffee, etc. gefördert werden
könnten und würden gerade in der Typologie des
Hochhauses dem Klischee des Anonymen entgegenwirken.
Saumackerstrasse, Zürich
Bilden von informierten und interessierten Nachbarschaften durch verschiedene Massnahmen und Aktionen, wie etwa Infotafel im Treppenhaus, Hoffest,
Tauschbörse, kleine Projekte im Aussenraum, etc.
VOM «IMMER-SO-WEITER» ZUM «IMMER-WIEDER-ANDERS»
146
Fuchsloch, Oberwil
Anstehende Veränderungsprozesse als Teil der gelebten
Siedlungskultur verstehen und engagierte Bewohnerinnen und Bewohner in ihren Anliegen wenn immer
möglich unterstützen.
Kappelenring, Hinterkappelen
Siedlungsverfassung, welche die Zuständigkeiten
zwischen Hausverein, Siedlungscoach und Verwaltung
klärt. Aufstellen eines jährlichen Budgets für die
Moderation und Begleitung von nachbarschaftsfördernden Prozessen durch einen Siedlungscoach (zumindest
während der Anfangsphase).
Saumackerstrasse, Zürich
Hof in seiner Bedeutung als Ort des Rückzugs und des
Austausches stärken durch neue Zonierung und Materialisierung. Offenlassen von «Möglichkeitsräumen» für
nachbarschaftsfördernde Projekte, wie z. B. gemeinsame Gemüsebeete, Spielnachmittage, etc.
Vermietung und Verwaltung
Haus und Quartier
Verändertes Rollenverständnis: Von der Verwaltung hin zur
Vermittlung, welche die Bedürfnisse der Bewohnerschaft in die
Quartiersentwicklung hineinträgt und Kooperationen mit der
Gemeinde eingeht.
Mehr Dienstleistungen und Gewerbe im Quartier.
Kooperation mit den Eigentümerschaften der Nachbarsgebäude und mit der Quartiersentwicklung der Gemeinde. Initiieren
eines Ideenfindungsprozesses mit der Bewohnerschaft der
betreffenden Liegenschaften am Kappenring.
Neugestaltung des im jetzigen Zustand hierarchielos
strukturierten Aussenraumes, sorgfältige Zonierung und
Differenzierung der einzelnen Aussenbereiche für Rückzug
und Austausch. Berücksichtigung unterschiedlicher Altersgruppen und Tätigkeiten.
Vermehrt den Dialog mit der städtischen Quartiersentwicklung
suchen (Gestaltung Erdgeschosszone – Bürgersteig Badenerstrasse) Handlungs- und Gestaltungsspielräume über die
eigenen Parzellengrenzen hinausdenken und Kooperationen
eingehen mit den Verwaltungen der Nachbarschaftsparzellen.
Knappes Aussenraumangebot kompensieren durch räumliche Durchlässigkeit im Quartier, sorgfältige Zonierung des
Aussenraums, damit persönlicher Rückzug der Bewohnerschaft dabei nicht beeinträchtigt wird. Atmosphärische
Qualität der Badenerstrasse durch Begrünung und Umgestaltung des Bürgersteigs erhöhen.
Team um eine Fachperson aus dem Bereich der Moderation/
soziokulturellen Entwicklung ergänzen, welche zwischen den
Anliegen der Bewohnerschaft, der Eigentümerschaft und der
Verwaltung vermittelt.
Architektonisches Konzept setzt bewusst auf die aktive
Bespielung der erweiterten Laubengänge durch die
Bewohnerschaft. Diesen Aspekt könnte man noch weiter
fördern und z. B. auf den günstigen Einfluss einer Begrünung auf das Mikroklima hinweisen.
Initiieren eines Ideenfindungsprozesses mit der Bewohnerschaft betr. der Umnutzung des Erdgeschosses, Begleitung
während der Betriebsphase durch geeignete Person (aus
Bewohnerschaft oder Verwaltung).
Anbieten von wohnungsergänzenden Zusatzräumen für
gemeinschaftliche Veranstaltungen und Tätigkeiten durch
die Aufhebung der Wohnnutzung im EG und/oder durch die
Umgestaltung der Eingangshalle.
Verantwortungsgefühl und Engagement für das Zusammenleben durch geeignete Massnahmen fördern, z. B. Bildung von
Interessengruppen oder Einbezug in anstehende Entwicklungen.
Aufenthaltsqualität im Hof und in den Erschliessungsräumen verbessern, Aneignungsräume im Haus und im
Quartier anbieten.
Trotz knapper finanzieller und personeller Ressourcen, mögliche Handlungsspielräume für die Weiterentwicklung der
Siedlung zusammen mit der Eigentümerschaft identifizieren
und transparent kommunizieren.
Potenzial des architektonischen Konzeptes betr. Flexibilität
und Anpassbarkeit besser nutzen, um auf Bedürfnis nach
veränderten Haushaltsformen und die Nutzung des
Aussenraums zu reagieren.
Zu überprüfen wäre die Einführung eines Hausvereins, der die
Bedürfnisse der Bewohnerschaft in Kooperation mit einem
möglichen Siedlungscoach bespricht und die entsprechenden
Prozesse vorbereitet.
Geeignete Räume als Begegnungs- und konkrete Aktionsorte, die die Aneignung fördern und somit die Ortsbindung
stärken.
Gerade weil es das Anliegen der Verwaltung ist, günstigen
Wohnraum anzubieten, sollte man sich der Herausforderung
stellen, zusammen mit den Bewohnenden eine gute Balance
zwischen Bezahlbarkeit und hoher Wohnqualität zu suchen.
Letztere könnte geschaffen werden, indem die Mitsprachemöglichkeiten im Rahmen konkreter Projekte ausgebaut
würden und das Wohnen in der eigenen Wohnung um
Zusatzangebote wie Gemeinschaftsflächen im Innen- und
Aussenraum ergänzt würde.
Grenze zwischen Innen und Aussen auf der Hofseite neu
denken: Wohnen zum Hof ermöglichen durch neue Fassadenschicht mit grösseren privaten Aussenräumen, die
zugleich den persönlichen Aneignungsspielraum erweitern.
147
148
Anhang
149
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Technik & Architektur
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