Konjunktur in Deutschland mit Tiefstart in das Jahr 2005
Hohe Gewinne und günstige Finanzierungsbedingungen stützen die internationale Konjunktur
Die Weltwirtschaft bleibt im Winter 2004/2005 auf
Expansionskurs. In den USA setzt sich der Aufschwung in kaum verändertem, hohem Tempo fort,
und auch in dem zweiten Wachstumszentrum, in
China, scheint der gesamtwirtschaftliche Nachfrageanstieg trotz der Dämpfungsmaßnahmen im vergangenen Jahr unvermindert anzuhalten. Andernorts schwächelt freilich die Konjunktur: in Japan
seit dem Sommer, im Euroraum seit dem Herbst
des Jahres 2004.
Bemerkenswert ist, dass die Gewinne nicht nur
in den USA, sondern trotz der Nachfrageschwäche
auch in Japan und im Euroraum hoch geblieben
sind. Offensichtlich war der Konsolidierungskurs
vieler Unternehmen in den vergangenen Jahren erfolgreich. Den Kostensenkungsprogrammen kamen
die Entwicklungen auf den Märkten für Arbeit und
Kapital entgegen: Einerseits blieben die Lohnzuwächse in den Industrieländern gering, auch angesichts der verschärften Konkurrenz seitens billiger
und gut qualifizierter Arbeitskräfte aus den Schwellen- und ehemaligen Transformationsländern. Zudem sind die Kapitalkosten nominal wie real fast
überall ausgesprochen niedrig; in Deutschland befanden sich die nominalen Kapitalmarktzinsen im
Januar gar auf einem Allzeittief seit Bestehen der
Bundesrepublik. Die wesentliche Ursache für die
augenblicklich äußerst günstigen Finanzierungsmöglichkeiten dürfte in der seit Jahren weltweit
expansiven Geldpolitik liegen. Die hohe Liquiditätsausstattung hat die Anleger zu Umschichtungen
ihres Portfolios in Richtung längerfristiger Vermögenstitel veranlasst. Das hat nicht nur die Kurse für
Rentenpapiere, sondern auch die Aktienkurse und
vielerorts die Immobilienpreise (letztere allerdings
nicht in Deutschland) getrieben.
Der Anstieg der Vermögenspreise hat wohl wesentlich zur kräftigen Expansion der weltwirtschaftlichen Nachfrage im vergangenen Jahr beigetragen. Die Preise für gewerbliche Güter sind
bei all dem bis zuletzt recht stabil geblieben, auch
dank der jüngsten Effizienzgewinne im Zuge der
industriellen Globalisierungsprozesse. Wenig elastisch hat dagegen die Förderung von Rohstoffen
70
und speziell von Erdöl reagiert; die Preise sind im
Februar erneut auf über 50 Dollar (Brent) gestiegen. Die Notierungen werden wohl aufgrund des
Rückgangs der Nachfrage nach Heizstoffen im
Frühjahr wieder ein wenig nachgeben. Die Chancen stehen alles in allem gut, dass die USA und
China weiter auf Wachstumskurs bleiben und dass
die positiven Impulse, die auch noch im Jahr 2005
weltweit von den Kapitalmärkten auf die Realwirtschaft ausgehen, im Frühjahr die Konjunkturen in
Japan und in der Euroraum wieder beleben werden.
Tabelle 1:
Gesamtwirtschaftliche Eckdaten der Prognose des
IWH für Deutschland in den Jahren 2005 und 2006
Private Konsumausgaben
Staatskonsum
Anlageinvestitionen
Ausrüstungen und
sonstige Anlagen
Bauten
Inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
Nachrichtlich: USA
Euroraum
Tariflöhne je Stunde
Effektivlöhne je Stunde
Lohnstückkostena
Verbraucherpreisindex
Erwerbstätige (Inland)b
Arbeitslosec
Arbeitslosenquoted
Finanzierungssaldo
des Staates
a
2004
2005
2006
reale Veränderung
gegenüber dem Vorjahr in %
-0,4
0,7
1,3
0,4
-0,1
0,4
-0,9
1,2
1,7
1,2
4,5
4,2
-2,6
-1,8
-0,6
0,4
1,2
1,5
8,6
4,8
4,5
6,4
5,7
4,5
1,6
1,1
1,7
4,4
3,4
2,9
1,8
1,6
1,9
Veränderung gegenüber
dem Vorjahr in %
1,4
1,4
1,3
0,5
1,0
1,0
-0,7
-0,4
-0,5
1,6
1,5
1,2
in 1 000 Personen
38 442 38 663 38 893
4 381
4 747
4 341
10,2
10,9
10,0
in % zum nominalen BIP
-3,7
-3,5
-2,8
b
Berechnungen des IWH auf Stundenbasis. – Einschließlich der geförderten Personen in Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen. – c Nationale Definition. – d Arbeitslose in % der Erwerbspersonen (Inland).
Quellen: Statistisches Bundesamt (Fachserie 18, Reihe 3, Februar
2005); Eurostat; Bureau of Economic Analysis; Prognose des IWH (Stand: 09. März 2005).
Wirtschaft im Wandel 3/2005
Deutsche Wirtschaft lässt Konjunkturdelle
hinter sich
gen. Im kommenden Jahr bleiben die Impulse von
der Weltkonjunktur stark.
Die deutsche Wirtschaft startete in das Jahr 2005
von einem niedrigeren Ausgangsniveau der Produktion als noch im Dezember erwartet worden war.
Die Nachfrage aus dem Ausland war im Schlussquartal 2004 zwar wieder gestiegen, im Inland dagegen gesunken. Ausschlaggebend für diesen Rückgang war jedoch nicht die Nachfrage der Konsumenten und Investoren, sondern der Abbau von
Vorräten. Die Anlageinvestitionen und die Konsumausgaben der privaten Haushalte nahmen leicht
zu. Die Unternehmen haben die konjunkturellen
Impulse per saldo aus den Lagerbeständen bedient
und die Lager nicht wieder – wie in den Quartalen
davor über Importe – aufgestockt. Die Einfuhren
waren leicht rückläufig, und bei gestiegenen Exporten nahm der Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt zu. Der Anstieg des Außenbeitrags wurde
allerdings durch die gesunkene Inlandsnachfrage
überkompensiert.
Die auch im Schlussquartal 2004 nicht unterbrochene Erholung der Nachfrage von Investoren
und Konsumenten sowie die unverändert günstigen
externen wie internen Rahmenbedingungen des
Wirtschaftens sprechen für das Ende der Konjunkturdelle. In der vorliegenden Aktualisierung der
Prognose wurde zudem für das erste Vierteljahr
ein Ausgleich des vermutlich im Schlussquartal
2004 zu hoch veranschlagten Arbeitstageeffekts
vorgenommen.
Die Exporte sind nach dem Einbruch im dritten
Quartal des vergangenen Jahres auf Expansionskurs zurückgekehrt, allerdings in deutlich langsamerer Gangart als in der ersten Jahreshälfte 2004.
Hier dämpften wohl die Aufwertung des Euro sowie die schwache Konjunktur auf dem Hauptabsatzmarkt deutscher Produkte im Ausland, dem
Euroraum. Die Ausfuhren in die neuen EU-Mitgliedsländer sind wieder gestiegen wie auch die
Lieferungen in die USA und nach Asien. Die Exporteure haben trotz Dollarschwäche ihre Marktposition wohl durch Preisnachlässe und Gewinneinbußen halten können. Mit der Kräftigung der
Konjunktur im Euroraum werden die Exporte in
diesem Jahr deutlicher als im vergangenen Halbjahr anziehen. Dafür sprechen auch die in den
jüngsten Monaten gestiegenen Auslandsbestellun-
Tabelle 2:
Deutsche Exporte 2004 nach Regionen
Wirtschaft im Wandel 3/2005
- Spezialhandel in jeweiligen Preisen LänderGruppe
Veränderung gegenüber
Vorjahreszeitraum in %
Jahr
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
EU 25
Neue EULändera
9,9
7,9
13,8
9,0
9,0
8,4
16,8
10,8
-1,4
8,5
NAFTAb
USA
4,4
5,1
-3,4
-2,4
9,0
9,8
3,7
4,3
8,9
9,2
Ostasienc
China
10,8
15,0
18,0
25,9
17,0
27,2
4,1
-1,5
5,3
11,4
Übrige Länder
15,8
13,7
16,3
11,6
21,6
Insgesamt
10,4
8,4
13,9
8,5
10,8
in % des nominalen BIP
in Deutschland
Jahr
EU 25
Neue EULändera
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
21,5
21,6
21,8
20,7
22,0
2,8
2,9
2,9
2,6
2,8
b
NAFTA
USA
3,4
3,0
3,4
3,0
3,5
3,1
3,4
2,9
3,4
3,0
Ostasienc
China
2,8
1,0
2,8
1,0
2,9
1,1
2,8
0,9
2,6
0,9
Übrige Länder
6,0
5,7
6,0
6,0
6,2
33,7
33,5
34,2
32,8
34,3
Insgesamt
a
Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland,
Litauen, Malta, Zypern. – b USA, Kanada, Mexiko. – c Japan, China,
Hongkong, Taiwan, Singapur, Thailand, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Südkorea. Abweichungen in den Summen durch Runden der
Zahlen.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
Die Investitionskonjunktur hat bei Ausrüstungen
nach deutlicher Belebung im Frühjahr und Sommer im Schlussquartal 2004 nachgelassen. Maschinen und Fahrzeuge wurden von den Unternehmen
in etwas geringerem Umfang gekauft als im Quartal zuvor. Allerdings trübten sich die Finanzierungsbedingungen für Investitionen nicht ein. Die
Unternehmensgewinne nahmen weiterhin mit hohen Raten zu, und die Beschaffung von Fremdkapital auf den Kapitalmärkten blieb billig. Die langfristigen Zinsen befinden sich in Deutschland inzwischen auf einem historisch niedrigen Niveau.
Die Erholung der Investitionsaktivitäten wird sich
71
in diesem Jahr fortsetzen, auch weil die Unternehmen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen werden
und der Wettbewerb sie zwingt, weitere Ersatzinvestitionen jetzt vorzunehmen.
Bei den Bauinvestitionen ist das Bild differenzierter. Während die Investitionen in Wohnbauten
und gewerbliche Bauten im letzten Quartal 2004
etwas zulegten, gingen sie im öffentlichen Bereich
zurück. Von den vorgezogenen Plänen zum Eigenheimbau wurde bislang wohl nur ein Teil realisiert. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Baugenehmigungen ist wohl auf „Vorrat“ gestellt worden und dürfte angesichts nach wie vor verbreiteter Arbeitsplatz- und Einkommensrisiken nur allmählich oder gar nicht realisiert werden. Die Vorzieheffekte werden deshalb etwas schwächer ausfallen als in vorangegangenen Prognosen geschätzt
wurde und sich über den gesamten Prognosezeitraum verteilen. Im Wirtschaftsbau zeichnet sich
angesichts des nur allmählichen Abbaus des Leerstandes auf den Büroimmobilienmärkten noch
keine Tendenzwende ab.
Die privaten Haushalte haben Ende 2004 ihre
Kaufzurückhaltung etwas gelockert. Die Unsicherheit über die Einkommensperspektiven hat zwar
nach dem Rekordergebnis bei der registrierten Arbeitslosigkeit vorübergehend neue Nahrung erhalten. Da die Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen auf die Haushaltsbudgets nun aber transparent
geworden sind, dürfte die Unsicherheit jedoch inzwischen geschwunden sein. Gleichzeitig wurden
die Privaten steuerlich entlastet. Dies hat die Konsumausgaben angeregt. Mitte des Jahres werden
die Haushalte hingegen durch höhere Beiträge zur
Finanzierung von Zahnersatz belastet. Allerdings
werden sich im Jahresverlauf die Beschäftigungsaussichten bessern. Alles in allem werden die privaten Haushalte ihre Kaufzurückhaltung weiter
aufgeben. Die privaten Konsumausgaben dürften
in diesem Jahr erstmals seit drei Jahren wieder steigen. Im nächsten Jahr wird der Konsum bei
weiter verbesserter Beschäftigungslage zulegen.
Der Anstieg der Verbraucherpreise bleibt moderat, obwohl die Preise für Rohöl und andere Energieträger in den Wintermonaten wieder Höchststände erreicht haben. Zusätzliche Preiseffekte
können sich auch aus der Erhebung der Maut ergeben, wenn es den Transportunternehmen gelingt,
diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Im
72
Jahresdurchschnitt 2005 dürfte jedoch die Teuerungsrate mit 1,5% auf dem bisher prognostizierten Niveau liegen.
Mit der Belebung der Nachfrage setzt sich die
von der Konjunkturdelle in der zweiten Hälfte des
vergangenen Jahres unterbrochene wirtschaftliche
Erholung fort. Zu Beginn des Jahres 2005 legt die
gesamtwirtschaftliche Produktion im Zusammenhang mit dem Impuls vom Konsum und der steigenden Auslandsnachfrage kräftig zu. Im zweiten
Vierteljahr dürfte sich das Tempo des Produktionswachstums verlangsamen. Wegen des niedrigen Startniveaus zum Jahresanfang ist nur noch ein
Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem
Vorjahr von 1,1% wahrscheinlich. Im Jahr 2006
wird sich die konjunkturelle Beschleunigung fortsetzen, und das Bruttoinlandsprodukt wird im Jahresdurchschnitt um 1,7% zunehmen. Die Beschäftigung wird in beiden Prognosejahren etwas langsamer steigen, als bislang vom IWH erwartet.
Abbildung :
Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland
- Saison- und arbeitstäglich bereinigt Mrd. Euro
%
6
530
Prognosezeitraum
520
4
1,1
510
1,6
0,8
500
0,1
-0,1
2
2,9
490
0
480
-2
470
I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
2000
2001
2002
2003
2004
2005
laufende Jahresrate¹ (rechte Skala)
Mrd. Euro (linke Skala)
Jahresdurchschnitt²
IWH
1
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet. – 2 Ursprungswerte: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr in %.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH; ab
1. Quartal 2005: Prognose des IWH.
Arbeitsmarktreformen im Praxistest
Die Zahl der registrierten Arbeitslosen hat in den
ersten Monaten dieses Jahres die Fünf-MillionenMarke überschritten. Dies hat die Experten nicht
Wirtschaft im Wandel 3/2005
überrascht; der Anstieg war infolge der Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe für Erwerbsfähige (Hartz IV) erwartet worden. Er vermittelt auch keine qualitativ neuen Einblicke in die
Misere am Arbeitsmarkt. Die große Mehrzahl der
neu als arbeitslos gemeldeten Personen hat nicht
im Januar oder Februar den Job verloren, sondern
war auch vorher ohne Arbeit, nur nicht in der Statistik registriert.
Der Sprung über die fünf Millionen hat den Ruf
nach sofortigen Gegenmaßnahmen bis zur Auflage
von Konjunkturprogrammen oder gar nach dem
Abbruch der letzten Stufe der Arbeitsmarktreform
ausgelöst. Solche Reaktionen lassen erkennen, dass
die Zielsetzung der Reform nicht ernst genommen
wird. Mit der letzten Stufe der Arbeitsmarktreformen soll dem Kernproblem der Arbeitslosigkeit in
Deutschland auf den Leib gerückt werden: der hohen und noch steigenden Sockelarbeitslosigkeit.
Mit der Verkürzung der Dauer des Anspruchs auf
Arbeitslosengeld sowie der Zusammenlegung der
Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurden in der Tat
die Anreize für Arbeitslose erhöht, neue Jobs zu
suchen und niedrigere Einstiegslöhne in Kauf zu
nehmen. Mit dem Näherrücken des Termins für das
Inkrafttreten von Hartz IV verstärkte sich auch
sichtlich die Arbeitssuche vieler Betroffener. Dies
ist jedoch nur ein erster Schritt zu mehr Beschäftigung. Allerdings reicht die damit verbundene Senkung der Lohnkosten für das Entstehen neuer Arbeitsplätze nicht aus. Auch die Absatz- und Ge-
winnerwartungen der Wirtschaft müssen nachhaltig aufwärts gerichtet sein. In der gegenwärtigen
konjunkturellen Situation kommt dieser Prozess
nur langsam in Gang.
Es wäre unter dem Druck der scheinbar ausbleibenden Erfolge von Hartz IV falsch, den Ausweg
aus der Misere in der Schaffung eines neuen staatlich subventionierten Arbeitsmarktes zu suchen. Bereits die Einführung zusätzlicher Arbeitsgelegenheiten, so genannter Ein-Euro-Jobs, läuft Gefahr,
das eigentliche Ziel der Arbeitsmarktreformen aus
den Augen zu verlieren, nämlich Beschäftigungsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn die
Zulassung dieser Jobs auf die private Wirtschaft
ausgedehnt würde. Die Folge wäre ein Verdrängungswettbewerb, in dessen Ergebnis mit staatlicher
Hilfe sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse weiter abgebaut würden. Das kann nicht
im Interesse der Allgemeinheit liegen.
Der Praxistest der Arbeitsmarktreformen läuft
noch. Aktionismus wenige Monate nach Inkrafttreten wäre nur schädlich.
Arbeitskreis Konjunktur
Udo Ludwig (
[email protected])
Marian Berneburg, Hans-Ulrich Brautzsch,
Kristina van Deuverden, Ruth Grunert,
Axel Lindner, Brigitte Loose
Demographische Entwicklung in Ostdeutschland und Länderfinanzausgleich
Fünfzehn Jahre nach der deutschen Vereinigung ist
Ostdeutschland noch immer in hohem Maße von
Transferleistungen aus Westdeutschland abhängig.
Im Jahre 2003 – neuere Angaben liegen nicht vor –
dürften die öffentlichen Finanztransfers von Westnach Ostdeutschland (einschließlich gewährter Kredite und der Zinszahlungen auf Altschulden der
DDR, der Treuhandanstalt und des Fonds Deutsche Einheit) in einer Größenordnung von 80 Mrd.
Euro gelegen haben.1 Dies sind schätzungsweise
22% der ostdeutschen Binnennachfrage und sogar
1 Vgl. IWH-Pressemitteilung 21/2003 vom 27. Oktober 2003.
Wirtschaft im Wandel 3/2005
32% des in den neuen Ländern erwirtschafteten
Bruttoinlandsprodukts. Hieran wird deutlich, dass
das materielle Wohlstandsniveau der ostdeutschen
Bevölkerung derzeit nur durch Zugriff auf das
westdeutsche Produktionspotenzial aufrechterhalten werden kann. Auch die Produktionstätigkeit
wäre ohne diese Unterstützung deutlich niedriger.
Da der größte Teil der Transfers auf gesamtdeutsch einheitlich geregelten Rechtsnormen beruht, steht ein diskretionärer Abbau nicht zur Diskussion. Lediglich die Sonderprogramme im Rahmen der Wirtschaftsförderung sowie der Solidarpakt II sind als ostspezifische Leistungen durch
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