Jens Crueger
Potsdam University, Faculty of Health Sciences Brandenburg, Assoziierter Wissenschaftler an der Juniorprofessur für Medizinische Ethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung
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Talks by Jens Crueger
Immerhin ist festzustellen, dass Museen auch in Zeiten erodierenden Expertentums weiterhin als Instanzen glaubwürdiger Informationen gelten. Aber wen erreichen sie tatsächlich mit ihren Botschaften? Sind nicht ausgerechnet diejenigen Menschen, die nicht in Museen gehen und sich auch anderer kultureller Bildung entziehen, die eigentlich relevante Zielgruppe in Zeiten des Postfaktischen? Jene Menschen also, die sich überwiegend in den Sozialen Medien informieren, mit allen damit verbundenen Nebenwirkungen (Filterblasen, dubiose Informationsquellen, Falschmeldungen, postfaktische Diskurse in den Social Media etc.). Sollten Museen im Hinblick auf diese wachsende Gruppe nicht noch einen Schritt weiter gehen als bislang? Nämlich hinein gehen in die Social Media und sich dort selber aktiv in die postfaktischen Diskurse einmischen?
Die Aktivitäten von Museen in den Sozialen Medien nur als zeitgemäße PR- und MarketingMaßnahmen zu definieren, erscheint daher als zu kurz gedacht. In den Sozialen Netzwerken werden tagtäglich jene strittigen Themen und Fragestellungen verhandelt, zu denen Museen ein Wort mitreden sollten. Themen, bei denen Museen über die nötige Expertise und Vermittlungserfahrung verfügen. Die Debatten im postfaktischen Zeitalter berühren eine Vielzahl wissenschaftlicher Gebiete, sei es die Evolutionsbiologie (vs. „Intelligent Design“), die Physik (vs. „Chemtrails“) oder die Hygiene (vs. Impfskeptizismus). Genau an diesen Stellen wären naturkundliche Museen gefragt. Kulturhistorische Museen ihrerseits können die gesellschaftlichen Debatten zu Geschichtsbildern und Wertefragen mit ihrer Expertise und ihrem besonderen Blickwinkel deutlich bereichern. Warum also die Meinungshoheit in den Social Media denen überlassen, die mit wirren Argumenten und unseriösen Quellen arbeiten? Warum nicht den Schritt aus der digitalen Komfortzone hinaus wagen und dort online agieren, wo sonst nur fern jeglichen Fachwissens mit Behauptungen und Empfindungen argumentiert wird? Haltung zeigen, wo der eigene Bildungsauftrag ganz besonders gefordert ist!
Wenn Museen sich in den Social Media gezielt einmischen, kann der erste Schritt zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung gelingen. Dies bedarf konzeptioneller Vorüberlegungen, personeller Ressourcen, geeigneter Digitalisate und Texte, kurzum einer ausgefeilten inhaltlichen Strategie. Diesem Aufwand steht aber ein möglicher Ertrag gegenüber, der die Mühen lohnen kann. Denn es ließen sich dadurch nicht nur die Außenwahrnehmung der Museen steigern und neue Zielgruppen ansprechen. Vor allem wäre es ein aktiver Beitrag für mehr Expertise in postfaktischen Zeiten. Der Versuch, dies zu erreichen, lohnt allemal.
Im Workshop soll daher darüber diskutiert werden, welche Ansätze es geben kann, um diese Ungleichheit aufzulösen und kreative Ressourcen für die Allgemeinheit besser zugänglich zu machen. Dabei sollen folgende Aspekte diskutiert werden:
1.) Welchen Stellenwert sollen Urheber-, Nutzungs- und Verwertungsrechte im digitalen Raum haben und welcher Stellenwert soll im Vergleich dazu der kreativen Entfaltung und dem Recht auf Remix zukommen?
2.) Sind die Creative Commons-Lizenzen ein guter Lösungsansatz und welche anderen Modelle wären denkbar?
3.) Wäre eine digitale Kreativallmende ein erstrebenswertes Modell und falls ja, wie sollte sie ausgestaltet sein?
Es sollen im Zuge des Diskussionsprozesses eigene – auch utopische – Ideen entwickelt werden, wie die ungleiche Verteilung kreativer Ressourcen aufgelöst werden könnte.
Für viele heutige Wissenschaftshistoriker gilt, dass sie sozialwissenschaftlicher Methodik und Theoriebildung skeptisch gegenüberstehen und diese als nomologisch kritisieren. Ebenso evident ist der Befund, dass sich die deutschsprachige Soziologie mit der Untersuchung von Historie grundsätzlich schwer tut, man betrachte hierzu etwa das Schicksal der Historischen Soziologie.
In meinem Vortrag zeige ich, wie eine moderne Historische Wissenschaftsforschung Methoden und Theorien aus Soziologie und Geschichtswissenschaft produktiv kombinieren kann. Veranschaulichen will ich dies anhand meiner Untersuchungen über den Entstehungsprozess einer neuen akademischen Disziplin, der Prähistorischen Archäologie (auch Ur- und Frühgeschichte) an deutschen Universitäten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Prozess der Etablierung und Institutionalisierung dieses neuen Faches lässt sich mit historisch-kritischer Quellenanalyse zwar fassen und belegen, aber nur mittels soziologischer Theorien kann er zutreffend beschrieben und interpretiert werden. So ermöglicht es erst der wissenschaftssoziologische Zugang, ein wissenschaftshistorisches Phänomen greifbar werden zu lassen. Gleichzeitig lassen sich an dem konkreten historischen Fallbeispiel die soziologischen Annahmen hinsichtlich ihrer Zeit- und Kulturgebundenheit überprüfen. In meinem Vortrag werde ich dies an der wissenschaftssoziologischen Hypothese der „Invisible Colleges“ exemplifizieren.
Bibliographie
Lepenies, Wolf: Wissenschaftsgeschichte und Disziplingeschichte, in: GG 4 (1978), 437-451.
Papers by Jens Crueger
Immerhin ist festzustellen, dass Museen auch in Zeiten erodierenden Expertentums weiterhin als Instanzen glaubwürdiger Informationen gelten. Aber wen erreichen sie tatsächlich mit ihren Botschaften? Sind nicht ausgerechnet diejenigen Menschen, die nicht in Museen gehen und sich auch anderer kultureller Bildung entziehen, die eigentlich relevante Zielgruppe in Zeiten des Postfaktischen? Jene Menschen also, die sich überwiegend in den Sozialen Medien informieren, mit allen damit verbundenen Nebenwirkungen (Filterblasen, dubiose Informationsquellen, Falschmeldungen, postfaktische Diskurse in den Social Media etc.). Sollten Museen im Hinblick auf diese wachsende Gruppe nicht noch einen Schritt weiter gehen als bislang? Nämlich hinein gehen in die Social Media und sich dort selber aktiv in die postfaktischen Diskurse einmischen?
Die Aktivitäten von Museen in den Sozialen Medien nur als zeitgemäße PR- und MarketingMaßnahmen zu definieren, erscheint daher als zu kurz gedacht. In den Sozialen Netzwerken werden tagtäglich jene strittigen Themen und Fragestellungen verhandelt, zu denen Museen ein Wort mitreden sollten. Themen, bei denen Museen über die nötige Expertise und Vermittlungserfahrung verfügen. Die Debatten im postfaktischen Zeitalter berühren eine Vielzahl wissenschaftlicher Gebiete, sei es die Evolutionsbiologie (vs. „Intelligent Design“), die Physik (vs. „Chemtrails“) oder die Hygiene (vs. Impfskeptizismus). Genau an diesen Stellen wären naturkundliche Museen gefragt. Kulturhistorische Museen ihrerseits können die gesellschaftlichen Debatten zu Geschichtsbildern und Wertefragen mit ihrer Expertise und ihrem besonderen Blickwinkel deutlich bereichern. Warum also die Meinungshoheit in den Social Media denen überlassen, die mit wirren Argumenten und unseriösen Quellen arbeiten? Warum nicht den Schritt aus der digitalen Komfortzone hinaus wagen und dort online agieren, wo sonst nur fern jeglichen Fachwissens mit Behauptungen und Empfindungen argumentiert wird? Haltung zeigen, wo der eigene Bildungsauftrag ganz besonders gefordert ist!
Wenn Museen sich in den Social Media gezielt einmischen, kann der erste Schritt zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung gelingen. Dies bedarf konzeptioneller Vorüberlegungen, personeller Ressourcen, geeigneter Digitalisate und Texte, kurzum einer ausgefeilten inhaltlichen Strategie. Diesem Aufwand steht aber ein möglicher Ertrag gegenüber, der die Mühen lohnen kann. Denn es ließen sich dadurch nicht nur die Außenwahrnehmung der Museen steigern und neue Zielgruppen ansprechen. Vor allem wäre es ein aktiver Beitrag für mehr Expertise in postfaktischen Zeiten. Der Versuch, dies zu erreichen, lohnt allemal.
Im Workshop soll daher darüber diskutiert werden, welche Ansätze es geben kann, um diese Ungleichheit aufzulösen und kreative Ressourcen für die Allgemeinheit besser zugänglich zu machen. Dabei sollen folgende Aspekte diskutiert werden:
1.) Welchen Stellenwert sollen Urheber-, Nutzungs- und Verwertungsrechte im digitalen Raum haben und welcher Stellenwert soll im Vergleich dazu der kreativen Entfaltung und dem Recht auf Remix zukommen?
2.) Sind die Creative Commons-Lizenzen ein guter Lösungsansatz und welche anderen Modelle wären denkbar?
3.) Wäre eine digitale Kreativallmende ein erstrebenswertes Modell und falls ja, wie sollte sie ausgestaltet sein?
Es sollen im Zuge des Diskussionsprozesses eigene – auch utopische – Ideen entwickelt werden, wie die ungleiche Verteilung kreativer Ressourcen aufgelöst werden könnte.
Für viele heutige Wissenschaftshistoriker gilt, dass sie sozialwissenschaftlicher Methodik und Theoriebildung skeptisch gegenüberstehen und diese als nomologisch kritisieren. Ebenso evident ist der Befund, dass sich die deutschsprachige Soziologie mit der Untersuchung von Historie grundsätzlich schwer tut, man betrachte hierzu etwa das Schicksal der Historischen Soziologie.
In meinem Vortrag zeige ich, wie eine moderne Historische Wissenschaftsforschung Methoden und Theorien aus Soziologie und Geschichtswissenschaft produktiv kombinieren kann. Veranschaulichen will ich dies anhand meiner Untersuchungen über den Entstehungsprozess einer neuen akademischen Disziplin, der Prähistorischen Archäologie (auch Ur- und Frühgeschichte) an deutschen Universitäten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Prozess der Etablierung und Institutionalisierung dieses neuen Faches lässt sich mit historisch-kritischer Quellenanalyse zwar fassen und belegen, aber nur mittels soziologischer Theorien kann er zutreffend beschrieben und interpretiert werden. So ermöglicht es erst der wissenschaftssoziologische Zugang, ein wissenschaftshistorisches Phänomen greifbar werden zu lassen. Gleichzeitig lassen sich an dem konkreten historischen Fallbeispiel die soziologischen Annahmen hinsichtlich ihrer Zeit- und Kulturgebundenheit überprüfen. In meinem Vortrag werde ich dies an der wissenschaftssoziologischen Hypothese der „Invisible Colleges“ exemplifizieren.
Bibliographie
Lepenies, Wolf: Wissenschaftsgeschichte und Disziplingeschichte, in: GG 4 (1978), 437-451.
Am 6. und 7. November 2015 veranstalten FkA, TidA und FAiG einen Workshop, auf dem Studierende und Lehrende archäologischer Fächer ihre Interessen, Meinungen und Standpunkte einbringen können. Verschiedene Themen und Perspektiven zu Ethik werden in Gruppen besprochen und gemeinsam offen diskutiert. Die Ergebnisse des Workshops können in die Fächer weitergetragen werden und sollen zu weiterer anhaltender Diskussion anregen.