Einsatz Variothermer Temperiersysteme Im Aluminiumdruckguss Frank Schmidt
Einsatz Variothermer Temperiersysteme Im Aluminiumdruckguss Frank Schmidt
Einsatz Variothermer Temperiersysteme Im Aluminiumdruckguss Frank Schmidt
Variothermie im Aluminiumdruckguss
Aluminiumdruckguss
Frank Schmidt
Frank Schmidt
Band 26
ISBN 978-3-944601-15-1 (E-Book) Ergebnisse aus Forschung und
Entwicklung
Herausgeber:
Prof. Dr.-Ing. A. Bührig-Polaczek
„Einsatz variothermer Temperiersysteme im Aluminiumdruckguss“
genehmigte Dissertation
vorgelegt von M.Sc.
Frank Schmidt
aus Meschede
Dieses Werk bzw. Inhalt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine
Bearbeitung 3.0 Unported Lizenz (Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Un-
ported License)
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RWTH Aachen University
Templergraben 61
52062 Aachen
www.ub.rwth-aachen.de
Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher
Mitarbeiter des Gießerei-Institutes der RWTH Aachen und wurde durch die Deut-
sche Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrative
Produktionstechnologie für Hochlohnländer“ gefördert.
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. Bührig-Polaczek für die Betreuung meiner Dis-
sertation und das Vertrauen sowie die Freiheiten zur Weiterentwicklung, welche
mir während meiner Zeit am Institut zu Teil wurden. Des Weiteren danke ich Prof.
Dr.-Ing. Martin Fehlbier für das Interesse an meiner Arbeit und die Übernahme des
Koreferates. Herrn Dr. Uwe Vroomen möchte ich für die Begleitung der Arbeit und
meines Werdegangs am Institut ebenfalls ausdrücklich meinen Dank aussprechen.
Ein besonderer Dank gilt den Kollegen und Freunden, welche mich teils schon seit
dem Studium durch meine Zeit in Aachen begleitet haben: Hierzu zählen zunächst
meine langjährigen Freunden und Kollegen Johannes Brachmann, Philipp Weiß,
Friederike Feikus sowie den Kollegen aus der Dauerformgussgruppe. Darüber hin-
aus danke ich Herrn Andreas Gruzka für die gute Zusammenarbeit rund um neue
und alte Gießmaschinen, stellvertretend für die Mitarbeiter des Hauses. Nicht zu-
letzt gebührt mein Dank meinen Mitstreitern aus der AGIFA-Geschäftsführung für
den Zusammenhalt durch Kolloquien, Exkursionen und Jahresabschlüsse hindurch.
Ein weiterer Dank geht an die Magma Gießereitechnik GmbH für die Unterstützung
der Arbeit über die Software hinaus. Für Rat und Tat möchte ich besonders meinem
Freund Tristan Kotthoff sowie den Herren Andreas Heitmann, Dr. Horst Bramann
und Dr. Jörg Sturm danken. Ebenso danke ich Marcel Müller, Maren Engelbrecht,
Ruth Klein und Maximilian Rudack in Vertretung für alle Abschlussarbeiter und Hi-
wis, die zum Gelingen des Projektes und der Arbeit beigetragen haben.
Mein größter Dank gilt meinen Eltern Rita und Peter Schmidt und meiner zukünfti-
gen Frau Jule Pape. Meinen Eltern für all die Jahre der Unterstützung und Förde-
rung, ohne die diese Arbeit niemals möglich gewesen wäre und ich nicht der wäre,
der ich bin. Meiner lieben Partnerin Jule Pape für ihre tatkräftige Unterstützung und
Geduld während der Entstehung dieser Arbeit. Ich danke euch, dass ihr für mich da
wart und seid.
Hildesheim, 28.05.2019
Frank Schmidt
Inhaltsverzeichnis
0. Kurzfassung ................................................................................................................. I
0.1. Einleitung und Motivation .................................................................................. I
0.2. Adaption der Variothermie für den Druckgießprozess ..................................... II
0.2.1. Eignung konventioneller Druckgießwerkzeuge für die Variothermie ....... III
0.2.2. Optimierungspotenzial im Aufbau von Druckgießwerkzeugen ................ IV
0.3. Potenzialstudie Kokillenguss ........................................................................... VIII
0.4. Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................... XII
1. Einleitung ................................................................................................................... 1
2. Problemstellung und Lösungsansatz ......................................................................... 3
3. Grundlagen und Stand der Technik ........................................................................... 6
3.1. Der Druckgießprozess ........................................................................................ 6
3.2. Aufbau und Funktionsweise von Druckgießwerkzeugen ................................ 11
3.3. Temperierung von Druckgießwerkzeugen....................................................... 14
3.3.1. Konventionelle Temperierungen .............................................................. 18
3.3.2. Alternative Temperier- und Werkzeug-Konzepte .................................... 28
3.3.3. Variotherme Temperierungen.................................................................. 37
3.4. Grundlagen der Wärmeübertragung ............................................................... 44
3.4.1. Grundlegende Größen .............................................................................. 44
3.4.2. Wärmeübertragungsphänomene ............................................................. 46
3.4.3. Thermische Widerstände ......................................................................... 50
3.4.4. Das Wärmetransportproblem Gussteil-Werkzeug ................................... 54
3.5. Schädigungsmechanismen bei Druckgießwerkzeugen .................................... 58
3.5.1. Chemische und tribologische Beanspruchung ......................................... 59
3.5.2. Mechanische und thermische Beanspruchung ........................................ 61
4. Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte ............... 66
4.1. Versuchswerkzeug und Messaufbau ............................................................... 66
4.2. Vorstellung der Prüfmethodik ......................................................................... 76
4.3. Untersuchungen zum Prozessparametereinfluss ............................................ 82
4.3.1. Thermischer Haushalt ............................................................................... 82
4.3.2. Porosität ................................................................................................... 89
4.3.3. Mikrostruktur............................................................................................ 92
4.3.4. Mechanische Eigenschaften ..................................................................... 94
4.3.5. Konturtreue .............................................................................................. 96
4.4. Bewertung der Ausgangslage hinsichtlich Variothermie ................................. 98
4.4.1. Grundlagenuntersuchungen zur Variothermie ........................................ 99
4.4.2. Bewertung der Variothermie-Eignung des Ausgangszustandes ............ 101
4.5. Zwischenfazit.................................................................................................. 111
5. Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen .......... 114
5.1. Adaption der Temperierkanalgeometrie ....................................................... 115
5.1.1. Konventionelle Gestaltungsrichtlinien ................................................... 116
5.1.2. Konturnahe Kühlung ............................................................................... 129
5.2. Reduktion der thermischen Masse ................................................................ 131
5.2.1. Einsatz von Topologieoptimierung ......................................................... 132
5.2.2. Einsatz von Isolationsstrategien ............................................................. 136
5.3. Potentialbetrachtung der untersuchten Maßnahmen .................................. 152
5.3.1. Beeinflussung der Heiz- und Kühlperformance ..................................... 153
5.3.2. Beeinflussung hinsichtlich der Zykluszeit ............................................... 163
5.3.3. Beeinflussung hinsichtlich der Werkzeugstandzeit ................................ 175
5.4. Fazit ................................................................................................................ 182
6. Transferstudie Kokillenguss ................................................................................... 185
6.1. Grundlegende Betrachtung thermischer Verhältnisse .................................. 185
6.1.1. Modell zur Bestimmung des Anwendungsbereiches ............................. 186
6.1.2. Berechnungsergebnisse und Diskussion ................................................ 188
6.2. Studie zur Anwendbarkeit der Variothermie im Kokillenguss....................... 196
6.2.1. Versuchswerkzeug und Messaufbau ...................................................... 196
6.2.2. Numerische Studie ................................................................................. 198
6.3. Fazit ................................................................................................................ 209
7. Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................ 211
8. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... 216
9. Literaturverzeichnis................................................................................................ 217
10. Anhang ................................................................................................................... 236
11. Lebenslauf .............................................................................................................. 254
12. Wissenschaftliche Veröffentlichungen .................................................................. 256
Kurzfassung
0. Kurzfassung
Hauptfragestellungen
1. Inwiefern beeinflusst eine variotherme Temperierung den Druckgießpro-
zess?
2. Wie wirkt sich eine variotherme Temperierung auf das Werkzeug und seine
Standzeit aus?
3. Wie kann der Werkzeugbau angepasst werden, um eine variotherme Tempe-
rierung ideal zu unterstützten?
Das Ziel der Arbeit ist es herauszufinden unter welchen Bedingungen die Vario-
thermie geeignet ist, qualitativ höherwertige oder neuartige Produkte herstellen
und die kostenintensiven Werkzeuge länger im Betrieb halten zu können. Abschlie-
ßend wird mit dem Kokillenguss ein weiteres Gießverfahren betrachtet, um einen
Ausblick auf weitere mögliche Anwendungsbereiche zu geben.
I
Kurzfassung
II
Kurzfassung
III
Kurzfassung
eine Öltemperatur von 250 °C und für die variotherme Temperierung eine Tempe-
ratur von 300 °C bzw. 100 °C zugrunde. Die Zykluszeit beruht in diesem Fall darauf,
dass vor dem Beginn des jeweils nächsten Formfüllvorgangs ein Temperaturunter-
schied von 20 °C zwischen beiden Temperierarten erreicht worden sein muss.
Es ist festzuhalten, dass das Volumen des Wärmetransports durch die Variother-
mie bereits an einem konventionellen Werkzeug vergrößert werden kann. Die ge-
ringen Temperaturunterschiede über einen Zyklus zeigen aber die erwartete Träg-
heit des vorliegenden Systems. Während somit die Gussqualität nicht nennenswert
beeinflusst werden kann, so ist doch bereits für ein konventionelles Werkzeug ein
Eingriff in Temperaturhaushalt des Werkzeugs möglich.
IV
Kurzfassung
Für das Versuchswerkzeug wurden für diese Strategien konkrete Lösungen ent-
wickelt und einzeln sowie miteinander kombiniert mit Hilfe der numerischen Simu-
lation auf ihre Eignung hin überprüft. Die Temperaturentwicklung für einen Zyklus,
bei welchem das Werkzeug von 200 °C ausgehend zunächst 500 s mit einer Medi-
entemperatur von 300 °C geheizt und anschließend mit einer Medientemperatur
von 100 °C für die jeweils gleiche Zeitspanne gekühlt und dann wieder geheizt wird,
ist in Abbildung 0-4 dargestellt. Die Maßnahme mit der größten Auswirkung ist die
Umstellung auf eine konturnahe Temperierkanalgeometrie. Hier kann der mit Ab-
stand größte Effekt erzielt werden, wohingegen die thermische Entkopplung und
die Massereduktion der Werkzeugeinsätze kaum eine Wirkung auf die Variother-
mie-Eignung zeigen.
V
Kurzfassung
Weiter verbessern lässt sich die Performance eines Werkzeugs durch den Einsatz
von Materialien mit höherer Wärmeleitfähigkeit, hier dargestellt durch den HTCS-
Stahl der Firma Rovalma, sowie dem Wolframwerkstoff Anviloy der Firma Welds-
tone. Als ideale Kombination wurde unter den untersuchten Varianten ein kontur-
nah temperierter, thermisch entkoppelter und massereduzierter Einsatz aus einem
Wolfram-Werkstoff identifiziert. Betrachtet man nun einen analog zu Abbildung 0-3
definierten Gießzyklus vergleichend für einen derart optimierten, variotherm tem-
perierten Einsatz mit einem konventionell temperierten, nach heutigem Stand der
Technik gestalteten Einsatz, so ergibt sich das in Abbildung 0-5 gezeigte Bild. Wird
für beide Varianten die gleiche Zykluszeit zugrunde gelegt, so kann mit Hilfe der
variothermen Temperierung eine zunehmende Überhitzung der Werkzeughälfte ef-
fektiv vermieden werden, während die stationär temperierte Seite eine schnell an-
steigende Grundtemperatur aufweist.
VI
Kurzfassung
VII
Kurzfassung
VIII
Kurzfassung
IX
Kurzfassung
X
Kurzfassung
Abbildung 0-7: Simulierter Vergleich des SDAS bei stationärer und variothermer
Temperierung mit Temperieröl bzw. Wasser.
Als Ausblick für eine mögliche Adaption wurde zudem Wasser als Temperierme-
dium mit Temperaturen von 180 °C bzw. 30 °C simuliert. Die dabei erzielten Ergeb-
nisse sind ebenfalls in Abbildung 0-7 zu sehen. Der erzielte Effekt fällt hier insge-
samt deutlich stärker aus, die Differenz zwischen stationär und variotherm tempe-
rierter Variante ist hinsichtlich des erreichten DAS größer. Beachtet werden muss
dabei allerdings, dass die anfängliche Temperaturverteilung im Werkzeug durch die
verringerte Medientemperatur für Wasser anders ist als für ein Temperieröl. Sofern
die mit Wasser erzielbaren Temperaturen aber ausreichend sind, ist der erzielbare
Effekt bei Verwendung der Variothermie als positiv zu werten. Die Ausführungen
XI
Kurzfassung
zeigen auf, dass es im Bereich der numerischen Simulation möglich ist, eine Beein-
flussung des Dendritenarmabstandes im Gussteil zu erreichen. Dies ist bereits für
den mit Temperieröl betriebenen Stahlaufbau der Fall. Durch den Einsatz von
Werkstoffen mit höherer Leitfähigkeit und Wasser als Temperiermedium kann der
Unterschied darüber hinaus weiter gesteigert werden.
XII
Einleitung
1. Einleitung
Die Verarbeitung von Aluminium im Druckgussverfahren ist in der deutschen Gie-
ßereiindustrie von großer Bedeutung. Weltweit ist der Druckguss das, bezogen auf
die erzeugte Tonnage, wichtigste Gießverfahren, welches für Aluminium eingesetzt
wird. Das Spektrum der zu fertigenden Bauteile hat sich dabei im Laufe der Zeit im-
mer wieder verändert, womit neue Herausforderungen an den Prozess, die Maschi-
nen und die eingesetzten Werkzeuge einhergingen. Seit einigen Jahren nimmt etwa
der Anteil von Strukturguss im Produktspektrum immer weiter zu. Damit verbun-
den ist ein Wandel von kompakten Gussteilen wie etwa Zylinderkurbelgehäusen hin
zu ausladenden, dünnwandigen Komponenten. Lange Fließwege, dünne Bauteilpar-
tien und hohe Qualitätsanforderungen stellen deutlich höhere Ansprüche an be-
stimmte Aspekte des Verfahrens, als dies zuvor der Fall war. Das Bauteilportfolio,
welches derzeit durch die Elektromobilität Eingang in die Fertigungen findet, lässt
erwarten, dass diese Herausforderungen auch in Zukunft relevant sein werden. Ein
konkretes Beispiel sind in diesem Fall die Batteriewannen, welche durch ihre Größe
und Gestalt in ähnlicher Hinsicht anspruchsvoll sind.
Die eingesetzte Werkzeugtechnologie ist ein Baustein, welcher mit entscheidend
dafür ist, ob eine wirtschaftliche Fertigung von qualitativ hochwertigem Guss in die-
sem Kontext gelingen kann. Aufgrund der Gestalt der Gussteile nimmt hier auch die
Temperierung der Werkzeuge eine zunehmend wichtige Stellung ein. Komplexe
Systeme sind nötig, um die großen Gießwerkzeuge auf ein stabiles, homogenes
Temperaturniveau zu bringen und zu halten, damit ein konstant qualitativ hoch-
wertiger Guss erzeugt werden kann. Das Aufkommen der generativen Fertigung im
Werkzeugbau ist dabei ein hilfreiches neues Werkzeug. Ein Blick in Richtung des
artverwandten Kunststoffspritzguss kann darüber hinaus hinsichtlich Optimie-
rungspotenzialen lohnend sein. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden
Arbeit die aus dem Spritzguss bekannte Technologie der fluidvariothermen Tempe-
rierung auf ihre Eignung für den Aluminiumdruckguss hin untersucht. Basierend auf
aktuellen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen werden zunächst die Grund-
lagen für einen Einsatz der Variothermie im Druckguss erarbeitet. Im Anschluss
wird zunächst die Eignung des Temperierverfahrens bei Verwendung eines kon-
ventionellen Druckgießwerkzeugs überprüft. Folgend werden, basierend auf den
Erkenntnissen aus dem Spritzguss, Optimierungsmaßnahmen für Druckgießwerk-
zeuge erarbeitet, welche auf eine gesteigerte Flexibilität der Temperatursteuerung
ausgerichtet sind. Das Ziel der Arbeit ist es herauszufinden unter welchen Bedin-
gungen die Variothermie geeignet ist, qualitativ hochwertigere oder neuartige Pro-
dukte herstellen und die kostenintensiven Werkzeuge länger im Betrieb halten zu
1
Einleitung
können. Abschließend wird mit dem Kokillenguss ein weiteres Gießverfahren be-
trachtet, um einen Ausblick auf weitere mögliche Anwendungsbereiche zu geben.
2
Problemstellung und Lösungsansatz
Hauptfragestellungen
1. Inwiefern beeinflusst eine variotherme Temperierung den Druckgießpro-
zess?
2. Wie wirkt sich eine variotherme Temperierung auf das Werkzeug und seine
Standzeit aus?
3. Wie kann der Werkzeugbau angepasst werden, um eine variotherme Tempe-
rierung ideal zu unterstützten?
Aus diesen Fragestellungen leiten sich die Ausgangshypothesen her, welche im Zuge
der Arbeit bestätigt oder falsifiziert werden sollen.
Hypothesen
1. Der Druckgießprozess kann durch den Einsatz von variothermer Temperier-
technik im Hinblick auf Temperierpräzision verbessert und die Zykluszeit
verkürzt werden.
2. Eine variotherme Temperierung kann dazu beitragen, die Werkzeugstand-
zeit zu erhöhen, indem die Temperaturen im Werkzeug besser an die Gege-
benheiten im Prozess angepasst werden.
3
Problemstellung und Lösungsansatz
3. Der Werkzeugbau in der aktuellen Form ist für eine variotherme Temperie-
rung nicht ideal, Verbesserungsmaßnahmen können hier Abhilfe schaffen
und bergen gleichzeitig Potential für konventionelle. stationäre Fluid-Tem-
perierungen.
4. Variotherme Temperierungen können die Grenzen des Prozesses im Hin-
blick auf die Fertigung hybrider Bauteile aus Aluminium und Kunststoff im
Druckgussverfahren erweitern und neue Produktgruppen erschließen.
Lösungsansatz
Um die für den Druckgießprozess neuartige Technologie und ihre Auswirkungen
möglichst genau beleuchten zu können, wird zunächst der Stand der Technik dar-
gelegt. In diesem Zusammenhang gilt es neben den verfahrenstechnischen Grund-
lagen des Prozesses und der verwendeten Gießwerkzeuge vor allem die existieren-
den Ansätze zur Temperierung der Werkzeuge näher zu beleuchten. Neben der kon-
ventionellen, stationären fluidbasierten Temperierung sollen daher auch alterna-
tive Ansätze wie die variotherme Prozessführung aus dem Kunststoffspritzguss be-
trachtet werden. Um die der Temperierung zugrundeliegenden Phänomene und de-
ren Abbildung in der numerischen Simulation nachvollziehen zu können, werden
die physikalischen Grundlagen des Transportphänomens Wärmeübergang detail-
liert betrachtet. Abschließend ist die Werkzeugschädigung bzw. deren Vermeidung
ein entscheidender Aspekt bei der Betrachtung der neuen Temperierungsansätze,
weshalb zunächst die zugrundeliegenden Mechanismen entsprechend erläutert
werden.
Im Bereich der experimentellen Arbeiten sollen zunächst die Gegebenheiten in
Bezug auf das zur Verfügung stehende Versuchswerkzeug betrachtet werden. Mit
Hilfe von Parameterstudien sowie umfangreicher Temperatur-Messtechnik soll zu-
nächst ein detailliertes Bild der Realität geschaffen werden, um das Modell für die
numerische Simulation entsprechend verfeinern zu können. Auf Basis des auf diese
Weise verfeinerten Modells soll anschließend die Eignung des bestehenden Werk-
zeugs für den Einsatz einer Öl-basierten, variothermen Temperierung simulativ be-
leuchtet werden. Das derart angepasste Modell dient darüber hinaus als Grundlage
für weitere simulative Untersuchungen.
Werkzeuge für eine variotherme Prozessführung werden im Kunststoffspritzguss
in der Regel dezidiert auf eine derartige Temperierung hin ausgelegt. Damit einher
geht etwa die Reduktion der zu temperierenden Masse der Werkzeuge. Das beste-
hende Werkzeug, welches als Grundlage dieser Arbeit dient, ist hingegen auf den
konventionellen Druckguss ausgelegt und damit auf eine stationäre Temperierung.
Das Ansprechverhalten des Werkzeugs auf eine dynamische Temperierung kann
4
Problemstellung und Lösungsansatz
daher im ersten Schritt als eher träge angenommen werden. Infolgedessen soll im
Anschluss an die detaillierte Betrachtung des Ausgangszustandes eine detaillierte
Studie zu möglichen Werkzeug-Modifikationen durchgeführt werden, welche die
Adaptivität von Temperiersystemen verbessern können. Zu nennen ist auch hier
vornehmlich die Reduzierung der zu temperierenden Massen auf verschiedenen
Wegen. In diesem Zusammenhang sollen neben einer genaueren Betrachtung beste-
hender Gestaltungsrichtlinien für konventionell hergestellte Temperierungen auch
der Einsatz von Isolierungen, einer Topologieoptimierung (bzw. Reduktion der
Werkzeuggesamtmasse), und konturnaher Temperierungen näher beleuchtet wer-
den. Die Aspekte werden dabei mittels numerischer Simulation betrachtet und be-
wertet. Wann immer möglich kommen ergänzende Versuche an Druckgießwerk-
zeugen und Prüfständen zum Einsatz, um die Ergebnisse der Simulation zu validie-
ren oder die Simulationsmodelle entsprechend zu trimmen.
Abschließend sollen zunächst die Auswirkungen der betrachteten Maßnahmen
auf den Wärmehaushalt und die prognostizierte Standzeit des Versuchswerkzeugs
untersucht werden. Um die Eignung der Temperiermethodik für die Praxis besser
bewerten zu können, sollen neben der detaillierten Analyse des akademischen Ver-
suchswerkzeugs Potentialstudien anhand praxisrelevanter Bauteilgeometrien
durchgeführt werden. Zum Ende sollte auf Basis der Ergebnisse dieser Arbeit eine
Abschätzung zur Eignung der variothermen Prozessführung für den Druckguss
möglich sein. Zusätzlich sollen die betrachteten Maßnahmen zur Steigerung der
Adaptivität hinsichtlich ihrer Eignung für diese, aber auch andere Temperier-Ver-
fahren abgeschätzt werden.
5
Grundlagen und Stand der Technik
6
Grundlagen und Stand der Technik
7
Grundlagen und Stand der Technik
Abbildung 3-2 Prozessablauf für den Kaltkammer Druckguss, beginnend mit einem
gießbereiten Werkzeug (a), gefolgt von der Formfüllung (b), der Erstarrung des
Gussteils (c), der Gussteil-Entformung (d), dem Trennstoffsprühen und Ausblasen
(e) sowie dem Schließen des Werkzeugs (f) bevor der Zyklus erneut beginnt.
8
Grundlagen und Stand der Technik
Ausgehend von einem für das Gießen vorbereiteten Werkzeug beginnt der Druck-
gießprozess mit dem Schließen der beiden Werkzeughälften. Sobald das Werkzeug
geschlossen ist, kann das Befüllen der Gießkammer beginnen. Dies erfolgt entweder
über Gießöfen, Manipulatoren oder den Gießer selbst, abhängig vom Automatisie-
rungsgrad und Qualitätsanspruch an das resultierende Gussteil. Angestrebt wird
dabei ein Gießkammerfüllgrad von 50-80 % [6]. Nach Abschluss der Befüllung be-
ginnt der eigentliche Gießzyklus, welcher sich in drei Phasen gliedern lässt:
1. Vorlaufphase
Der Gießkolben wird langsam auf ein konstantes, niedriges Geschwindig-
keitsniveau beschleunigt und die Schmelze in Richtung des Gießlaufes bzw.
der Anschnitte transportiert. Idealerweise wird dabei schnellstmöglich
eine bis an die Gießkammerdecke aufsteigende Wellenfront eingestellt. Ein
Ablösen der Welle vom Kolben aufgrund zu geringer Geschwindigkeiten
sowie ein Brechen der Welle durch zu hohe Geschwindigkeiten sind dabei
im Interesse der Vermeidung von Luft- und Oxideinschlüssen zu vermei-
den. In dieser Phase sind vor allem die Gießparameter von Bedeutung. So-
bald die Schmelze auf einen Füllgrad von 100% zusammengeschoben ist,
wird die zweite Phase des Gießzyklus eingeleitet.
2. Füllhubphase
In dieser Phase des Prozesses wird der Gießkolben auf eine deutlich er-
höhte Geschwindigkeit beschleunigt. Das Gießmetall wird dabei durch die
Anschnitte innerhalb kürzester Zeit in den Formholraum gepresst. Die dort
noch vorhandene Luft wird idealerweise durch die einströmende Schmelze
verdrängt und vollständig über ein Entlüftungssystem aus dem Werkzeug
abgeführt. Die Füllhubphase wird ähnlich wie die Vorlaufphase stark durch
Gießparameter beeinflusst, darüber hinaus besteht hier allerdings auch ein
großer Einfluss der Geometrie von Gießsystem und Gussteil. Ist der Form-
hohlraum vollständig gefüllt, beginnt die dritte und letzte Phase des Gieß-
zyklus.
3. Nachdruckphase
Nach der vollständigen Füllung des Formhohlraums wird der Gießkolben
schlagartig abgebremst, der Druck wird jedoch weiterhin aufrechterhalten.
Dies dient der Verdichtung des Gussteils bzw. dem Ausgleich der erstar-
rungsbedingten Volumenkontraktion. Dies ist notwendig, da das klassische
Dichtspeisen mittels Speisern für den Druckguss nicht möglich ist. Diese
9
Grundlagen und Stand der Technik
Aus den drei Phasen des Gießzyklus ergeben sich für die Kolbengeschwindigkeit,
den Kolbenweg und den Gießdruck die für den Druckgießprozess typischen Gieß-
kurven, welche exemplarisch für einen Schuss in Abbildung 3-3 dargestellt sind. Die
drei Phasen des Gießzyklus sind hier deutlich zu erkennen.
Weg [mm]
250 1,25 250
50 0,25 50
0 0,00 0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0
Zeit [s]
Druck Kolbengeschwindigkeit Kolbenweg
Nach Ablauf des Gießzyklus und nachdem das Gussteil vollständig erstarrt ist,
wird das Werkzeug wieder geöffnet. Mit Hilfe der Auswerfer in der beweglichen
Formhälfte (siehe Kapitel 3.2) wird das Gussteil entformt und aus dem Werkzeug
entnommen. Im letzten Schritt wird das Werkzeug dann für den nächsten Gießvor-
gang vorbereitet. Die Werkzeughälften werden dazu mit Hilfe eines Sprühers mit
einem Wasser-Trennstoff-Gemisch benetzt, welches ein Anhaften des Gießmetalls
10
Grundlagen und Stand der Technik
an der Form verhindern soll und gleichzeitig zu einem Kühlen der Formkontur bei-
trägt. In Kombination mit dem Wärmeeintrag durch das Gießmetall, welches im
Falle von Aluminium mit rund 700 °C auf die Formoberfläche trifft, führt das Trenn-
stoffsprühen zu einer starken Belastung der Form durch Thermoschock. Dieser und
weitere Mechanismen führen auf lange Sicht zum Ausfall von Druckgießwerkzeu-
gen (siehe dazu auch Kapitel 3.5). Daher werden zunehmend Varianten wie das Mi-
nimalmengen- oder das Pulver-Sprühen eingesetzt, was den Thermoschock verrin-
gert, aber dabei die Anforderungen an die Werkzeugtemperierungen erhöht. Ist das
Sprühen abgeschlossen, folgt oftmals noch ein Ausblasen des Werkzeugs mittels
Druckluft, um Rückstände aus dem Formhohlraum zu entfernen. Das Werkzeug ist
nun anschließend bereit für den nächsten Abguss.
Im Zusammenhang mit dem Druckgießprozess gibt es zahlreiche Einflussfakto-
ren, welche sich auf die Qualität der gefertigten Gussteile auswirken [3; 9; 10]. Der
Geschwindigkeit des Gießkolbens etwa wird, wenn auch kontrovers diskutiert, ein
deutlicher Einfluss auf die resultierende Porosität attestiert [10-14]. Der Einfluss
des Nachdrucks auf dieses für den Druckguss höchst wichtige Qualitätsmerkmal
wird im Allgemeinen sogar als noch größer eingeschätzt [3; 4; 10-12]. Wie stark
dieser Einfluss jeweils ausgeprägt ist, hängt oftmals auch direkt mit dem verwende-
ten Gießwerkzeug zusammen. Auch das Gießwerkzeug als solches bringt weitere
Einflussgrößen in den Prozess ein, welche die Gussteilqualität maßgeblich beein-
flussen, und ist damit von zentraler Bedeutung. Der grundsätzliche Aufbau dieser
Gießwerkzeuge sowie deren Funktionsweise werden im folgenden Abschnitt detail-
liert vorgestellt.
11
Grundlagen und Stand der Technik
In einem ersten Schritt lassen sich alle Druckgießwerkzeuge in zwei Hälften auf-
teilen. Im geschlossenen Zustand formen beide Hälften gemeinsam das Negativ des
Gussteils, den Formhohlraum bzw. die Kavität. Beide Werkzeughälften beherbergen
unterschiedliche Komponenten, welche an der Gussteilherstellung mitwirken und
im Prozessverlauf unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Die Bezeichnung der
Komponenten kann der Norm DIN ISO 12165 [17] entnommen werden und ist in
Abbildung 3-4 in Auszügen zu sehen. Die Komponenten eines Werkzeugs werden
vor allem im Hinblick darauf unterschieden, ob sie mit der Schmelze in Kontakt
kommen (hochbelastete Komponenten) oder nicht. Beiden Werkzeughälften ge-
mein ist der sogenannte Formrahmen, an welchen die weiteren Komponenten an-
gebaut werden, sowie das Führungssystem. Die Bestandteile des Rahmens müssen
den Belastungen durch den Metalldruck und den durch die Maschine aufgebrachten
Lasten widerstehen können und sind daher oft sehr massiv ausgeführt. Aufgrund
des Lastkollektivs kommen für den Formrahmen nur Werkzeugstähle in Frage. Da
kein direkter Kontakt mit der Schmelze besteht, wird oft auf weniger hochwertige
bzw. hochlegierte Sorten gesetzt wie etwa die Stahlsorte 1.1730. Um den Herstel-
lungsaufwand und die Kosten möglichst gering zu halten, wird für den Formrahmen
ein Standardaufbau bevorzugt, welcher mit Hilfe von Normalien realisiert werden
kann.
Seinen drei Aufgaben entsprechend ist der Formrahmen der festen Formhälfte
vergleichsweise simpel aufgebaut. Die Aufgaben liegen in der (1) Aufnahme der
Hälfte der formgebenden Komponenten, der (2) Aufnahme der Gießkammer und er
muss darüber hinaus eine (3) Aufspannmöglichkeit zur Anbindung an die Gießma-
schine bieten. Der Aufbau der beweglichen Formhälfte fällt im Vergleich deutlich
12
Grundlagen und Stand der Technik
13
Grundlagen und Stand der Technik
14
Grundlagen und Stand der Technik
dem Werkzeug abgeführt werden muss. Wenn dies nicht geschieht, würde die Tem-
peratur des Gießwerkzeugs immer weiter steigen und stabile Fertigungsbedingun-
gen ließen sich nicht einstellen. Die Temperaturführung im Werkzeug ist daher von
großer Bedeutung, nicht nur für das Gussteil, welches es zu fertigen gilt, sondern
auch für das Werkzeug selbst. Neben der Bauteilqualität und der Formstandzeit
wird auch die Zykluszeit entscheidend durch die Wärmeabfuhr aus dem Gussteil
und letztlich aus dem Werkzeug beeinflusst. Die Temperierung ist damit ein maß-
geblicher Faktor im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit des Gießprozesses. Für eine
optimale Gestaltung des Temperiersystems ist es zunächst unerlässlich, die Wärme-
bilanz des gesamten Werkzeugs zu betrachten. Sind Wärme Ein- und Austrag für ein
untemperiertes Werkzeug bekannt, kann das zu gestaltende Temperiersystem be-
darfsgerecht ausgelegt werden.
Um die gewünschte Erstarrung der vergossenen Schmelze herbeizuführen, muss
das Gießwerkzeug eine große Wärmemenge aufnehmen und abführen können [23].
Mit der Zielgröße eines thermisch stabilen Zustandes muss innerhalb eines Gieß-
zyklus genau die Wärmemenge abgeführt werden, welche mit der Schmelze in das
Werkzeug eintritt und während der Abkühlung und Erstarrung an das Werkzeug
abgegeben wird. Die zugeführte Wärmemenge 𝑄 steht daher in einem stabilen Zu-
stand im Gleichgewicht mit der abgeführten Wärme, welche sich wiederum weiter
unterteilen lässt. Soll etwa die Werkzeugtemperieung genauer betrachtet werden,
so bietet sich die folgende Formulierung des Gleichgewichtszustandes an:
𝑄 = 𝑄𝑈 + 𝑄𝑇𝑆 (3.1)
Die durch die Schmelze ins Werkzeug eingebrachte Wärmemenge hängt vor allem
vom vergossenen Werkstoffvolumen und der Liquidustemperatur des Werkstoffes
ab. Die am Warmhalteofen (WHO) vorzugebende Gießtemperatur ist hingegen
kaum von Bedeutung, da die Schmelze ihre Überhitzung in der Gießkammer bereits
nahezu vollständig wieder verliert [3]. Eigene Untersuchungen zu diesem Phäno-
men führten zu vergleichbaren Ergebnissen. In Tabelle 3-1 wird die Überhitzung
über den Schmelzpunkt von 660 °C im Warmhalteofen gegen die Überhitzung in der
Gießkammer nach einer Verweildauer von 1,5 Sekunden aufgezeigt. Die Verweil-
dauer wurde dabei in Anlehnung an eine prozessübliche Zeit gewählt.
15
Grundlagen und Stand der Technik
Tabelle 3-1: Vergleich der Überhitzung im Warmhalteofen und nach 1,5 Sekunden
Verweildauer in der Gießkammer.
Es wird deutlich, dass erst bei sehr starker Überhitzung ein Effekt zu beobachten
ist. Für prozessübliche Temperaturbereiche ist daher tatsächlich kein Einfluss zu
erwarten. Der Wärmeeintrag über die Schmelze kann daher nach Nogowizin [3] ge-
mäß der folgenden Formel berechnet werden:
𝑄 = 𝑉𝐴𝑙 ∗ 𝜌𝐿,𝐴𝑙 ∗ [ℎ𝑙,𝐴𝑙 + 𝑐𝑙,𝐴𝑙 ∗ (𝑇𝐿,𝐴𝑙 − 𝑇𝑆,𝐴𝑙 ) + 𝑐𝑚,𝐴𝑙 ∗ (𝑇𝑆,𝐴𝑙 − 𝑇𝑒,𝐴𝑙 )] (3.2)
16
Grundlagen und Stand der Technik
abgeführt. Zuletzt führt auch das Entformen des Gussteils aus der Form zu einem
Wärmeaustrag. Abbildung 3-5 zeigt exemplarisch die Wärmebilanz für ein Druck-
gusswerkzeug.
𝑄𝑃𝑙 = 𝛼𝐾 ∗ 𝜏𝑍
∗ [𝐴𝑃𝑙,𝑓𝑒𝑠𝑡 ∗ (𝑇𝐹𝑜,𝑓𝑒𝑠𝑡 − 𝑇𝑀𝑎,𝑓𝑒𝑠𝑡 ) + 𝐴𝑃𝑙,𝑏𝑒𝑤 (3.3)
∗ (𝑇𝐹𝑜,𝑏𝑒𝑤 − 𝑇𝑀𝑎,𝑏𝑒𝑤 )]
17
Grundlagen und Stand der Technik
𝜆𝐿𝑢𝑓𝑡
𝛼𝐾 = (3.4)
𝛿𝐾
Die Anteile der jeweiligen Wärmeströme an der Gesamtheit sind dabei werkzeug-
spezifisch und können nicht allgemeingültig veranschlagt werden. Tendenzen sind
in der Literatur jedoch gerade im Hinblick auf die Bedeutung des Temperiersystems
zu erkennen: Während Breitinger [24] 1983 dem Temperiersystem nur ca. 20 % des
gesamten Wärmeabtransports zuschrieb, geht Nogowizin [25] 30 Jahre später von
40-60 % aus. Mit der auf dem Vormarsch befindlichen Technologie des Minimal-
mengensprühens dürfte dieser Anteil nochmals steigen, da der Anteil der über das
Trennstoffsprühen abgeführten Wärme bei diesem Verfahren gegen Null geht. In
diesem Kontext ist es zunehmend wichtiger, ein präzises Temperaturmanagement
in den Gießwerkzeugen zu etablieren. In Abschnitt 3.3.1 werden folgend zunächst
Aspekte der konventionellen Werkzeugtemperierung beleuchtet. Anschließend sol-
len in Abschnitt 3.3.2 auch alternative Konzepte aus dem Druck- und Spritzguss be-
trachtet werden, während sich Abschnitt 3.3.3 konkret mit den Besonderheiten und
Verfahrensvarianten variothermer Temperierungen beschäftigt.
18
Grundlagen und Stand der Technik
Temperiergeräte dieser Art werden bereits seit den sechziger Jahren in Druckgie-
ßereien verwendet und sind dort auch heute noch weit verbreitet [23; 27]. Die Ge-
räte unterscheiden sich heute etwa durch die bereitgestellte Heiz- und Kühlleistung
sowie durch die Förderleistung der verwendeten Pumpe. Der wesentliche Unter-
schied der Geräte findet sich aber im Bereich der Regelung und hier vor allem in
Bezug auf die Referenztemperaturmessung, welche für die Steuerung des Gerätes
von entscheidender Bedeutung ist. Seidel [28] schlägt zur Gliederung der Rege-
lungsart die drei folgenden Kategorien vor:
19
Grundlagen und Stand der Technik
20
Grundlagen und Stand der Technik
𝑚
2
𝑙 𝑇𝐾 𝜌𝑊𝑇𝑀 ∗ 𝑤𝑊𝑇𝑀
∆𝑝𝑔𝑒𝑠 = (𝜆 𝑇𝐾 ∗ + ∑ 𝜉𝑖 ) ∗ (3.5)
𝑑 𝑇𝐾 2
𝑖=1
Der entstehende Gegendruck muss entweder bei der Gestaltung der Temperier-
kanäle, spätestens aber bei der Auswahl des Temperiergerätes berücksichtigt wer-
den. Bei komplexen Werkzeugen oder wenn mehr als ein Formnest temperiert wer-
den muss, kommen an einem Werkzeug oftmals mehrere Temperiergeräte zum Ein-
satz, welche auch unterschiedliche Medien verwenden können. [3; 29; 30]
Für die konventionelle Temperierung von Gießwerkzeugen stehen zwei Medien-
Arten zur Auswahl: Wasser und Öle, welche entweder auf Mineralölbasis oder voll-
ständig synthetisch hergestellt werden. Das Temperiermedium wird dabei häufig in
Abhängigkeit von der erforderlichen Kühlwirkung bzw. Werkzeugtemperatur ge-
wählt [31]. Liegt der Hauptfokus für die Werkzeugtemperierung auf der Abfuhr ei-
ner großen Wärmemenge, so wird in der Regel Wasser eingesetzt, muss weniger
Wärme abgeführt und eine Unterkühlung vermieden werden, so kommen oft Öle
zum Einsatz. Der Wärmeübergangskoeffizient zwischen Medium und Werkzeug, so-
wie die maximale Einsatztemperatur des jeweiligen Mediums sind letztendlich die
zugrundeliegenden Parameter. Der Wärmeübergangskoeffizient für Wasser wird
mit 2.300-3.500 W/m²K angegeben, der für Temperieröle mit 1.100-1.700 W/m²K,
womit er nur etwa halb so groß ausfällt [26; 32]. Der Wärmeübergangskoeffizient
wird des Weiteren etwa über die Temperatur des Mediums und den Volumenstrom
beeinflusst, weshalb die Wertebereiche nur als Richtwerte dienen können [31; 32].
Während die Wärmeübertragung bei der Verwendung von Wasser besser ist, de-
cken Temperieröle die Temperaturspanne, welche typischerweise in Druckguss-
werkzeugen vorherrschen, besser ab. Sofern keine Druckbeaufschlagung des Tem-
periersystems vorgesehen bzw. möglich ist, ist die Temperierung mit Wasser auf
21
Grundlagen und Stand der Technik
22
Grundlagen und Stand der Technik
Die Art der vorliegenden Strömung beeinflusst dabei wesentlich den Wärmeüber-
gang zwischen Medium und Werkzeug. Für eine möglichst effektive Temperierung
ist stets eine turbulente Strömung (Reynoldszahl ≥ 104) anzustreben, da der Wär-
meübergang für laminare Strömungen deutlich geringer ist. Im Hinblick auf den
Wärmeübergangskoeffizienten bedeutet dies für den Bereich 2300 ≤ Re ≤ 104:
λWTM
αWTM = 0,012 ∗ ∗ (Re0,87 − 280) ∗ Pr 0,4 (3.7)
dTK
23
Grundlagen und Stand der Technik
Ausgangspunkt für die Auslegung der Kanäle sollte für ideale Prozessbedingun-
gen stets die Betrachtung des Wärmeflusses sein. Das durch die Temperierkanäle
strömende Medium erzeugt ein Temperaturgefälle im Gießwerkzeug. Da die hier
betrachteten, konventionell über Bohrungen eingebrachten Kanäle in der Regel zy-
lindrisch sind, ist die Annahme zulässig, dass die Isothermen konzentrisch rund um
die Kanäle verlaufen. Verlaufen die Isothermen weitestgehend parallel zur Oberflä-
che der Kavität, so liegt eine gleichmäßige Temperierung und damit Abkühlung des
Gussteils vor [3]. Abbildung 3-7 zeigt beispielhaft den Verlauf der Isothermen bei
einer gelungenen Anordnung der Kanäle, welche zu einer homogenen Temperatur-
verteilung an der Kavitätsoberfläche führt.
Abbildung 3-7: Verlauf der Isothermen bei günstiger Anordnung der Kanäle mit ho-
mogener Temperaturverteilung an der Kavitätsoberfläche.
Neben den Isothermen wird auch der Wärmestrom durch die Positionierung der
Kanäle beeinflusst. Mit zunehmender Entfernung zu den Kanälen nimmt dieser ab
und führt in der Folge zu einem wellenförmigen Temperaturprofil an der Werk-
zeugoberfläche. Der Abstand der Kanäle zueinander sollte daher nicht zu groß ge-
wählt werden, was wiederum für eine hohe Anzahl einzubringender Temperierka-
näle spricht. Der steigende Fertigungsaufwand muss für den wirtschaftlichen Be-
trieb der Formen jedoch berücksichtigt werden. Das ideale Szenario aus Sicht der
Wärmeabfuhr stellt sich somit als eine Vielzahl kleiner Kanäle, welche nah beieinan-
der und nah zur Formoberfläche platziert sind. [28-30; 32]
Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden zusammen mit empirischen Erhe-
bungen Gestaltungsrichtlinien für konventionell gefertigte Temperierkanäle entwi-
ckelt. Diese beziehen sich auf den Durchmesser der Kanäle, deren Abstand zueinan-
der, sowie auf den Abstand der Kanäle zur Kavitätsoberfläche. Der Durchmesser der
zumeist durch Bohren eingebrachten Kanäle hat bei einer konstanten Durchfluss-
menge einen direkten Einfluss auf die Strömungsgeschwindigkeit und damit den
24
Grundlagen und Stand der Technik
Ähnliche Angaben finden sich auch bei Rockenschaub et al. [34], wobei sie einen
Abstand von lediglich 1,5d zur Formkavität bei einem Abstand von 3-5d zueinander
empfehlen. Neben dem Druckgussverfahren selbst liefert auch das artverwandte
Spritzgussverfahren Anhaltspunkte. Hier liegen die Empfehlungen bei 1-5d Abstand
zur Formkavität bzw. bei 2-5d Abstand zueinander, abhängig von Gussteildicke und
Kanaldurchmesser [30]. Tabelle 3-2 enthält detailliertere Informationen über die
25
Grundlagen und Stand der Technik
Empfehlungen für den Spritzguss. Zwischen den Empfehlungen existieren somit ge-
wisse Abweichungen, welche sich auf Basis der Literaturlage nicht erklären lassen.
Alle vorgestellten Herangehensweisen stellen jeweils den für am geeignetsten emp-
fundenen Kompromiss zwischen den erwähnten Kriterien Homogenität der Tem-
peraturverteilung, Betriebssicherheit und Kostenintensivität dar.
Neben Lage und Durchmesser der Kanäle gilt es letztlich die geeignete Länge der
Kanäle festzulegen. Beschränkt wird die mögliche Länge eines Temperierkanals
durch den entstehenden Gegendruck (Formel (3.5)) sowie die maximal zulässige
Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf. Soll nun die minimal benötigte
Temperierkanal-Länge überschlägig ermittelt werden, wird die Berechnung über
die benötigte Temperierkanal-Oberfläche, über welche letztlich die Wärmeübertra-
gung erfolgt, empfohlen [23]. Diese sollte mindestens so groß sein wie die Spreng-
fläche des zu gießenden Bauteils 𝐴𝑆 . Die minimale Temperierkanal-Länge 𝑙 𝑇𝐾,𝑚𝑖𝑛 bei
gegebenem Durchmesser kann dann wie folgt berechnet werden.
𝐴𝑆
lTK,min = (3.11)
𝑑 𝑇𝐾 ∗ 𝜋
Sofern diese Länge in einem einzigen Kanal aufgrund eines zu hohen resultieren-
den Gegendruckes nicht realisierbar ist, müssen mehrere Temperierkreise parallel
betrieben werden. Enthält ein Werkzeug mehr als eine Kavität, so empfiehlt sich
ohnehin der Betrieb des Werkzeugs mit mehreren Temperierkreisen.
26
Grundlagen und Stand der Technik
27
Grundlagen und Stand der Technik
Stoßen die bisher in Abschnitt 3.3.1 skizzierten Lösungen an ihre Grenzen, so exis-
tieren sowohl für die Temperierung großer Werkzeugpartien als auch für die Tem-
perierung filigraner Kerne weitere Entwicklungen, welche zum Einsatz gebracht
werden können. Diese sollen in den beiden folgenden Abschnitten näher erläutert
werden.
28
Grundlagen und Stand der Technik
Jet Cooling
Das Jet Cooling ist eine bereits recht weit verbreitete Technologie, welche vornehm-
lich zur Kühlung von sehr dünnen Kernen bis zu einem Mindestdurchmesser von
4 mm eingesetzt wird. In dieser Anordnung wird das Jet Cooling dann oft als Ergän-
zung bzw. zur Unterstützung eines konventionellen Systems eingesetzt. Es ist dar-
über hinaus aber auch möglich ganze Werkzeuge mit Hilfe dieser Technologie zu
temperieren. Zur Kühlung wird beim Jet Cooling Wasser genutzt, in diesem Fall wird
jedoch gezielt die Verdampfung des Wassers genutzt. Diese findet im Inneren des
Kerns statt und entzieht diesem auf diese Weise Energie in Form von Wärme. Zu
diesem Zweck wird Wasser bei Raumtemperatur durch eine feine Kanüle in die
Kernbohrung geleitet, bei einem Druck zwischen 15 und 20 bar [39]. Abbildung
3-10 zeigt schematisch den Ablauf des Verfahrens beginnend mit einem leeren Jet
Cooler (Schritt 1) und dem nachfolgenden Kühlschritt (Schritt 2). Sobald keine Küh-
lung mehr erforderlich ist, wird der Jet Cooler mit Druckluft ausgeblasen (Schritt 3)
und anschließend eine Kernbruchkontrolle mittels Druckluftspülung durchgeführt
(Schritt 4).
29
Grundlagen und Stand der Technik
Kerne, wie sie mit dem Jet Cooling temperiert werden, stellen in der Regel einen
Hot Spot im Werkzeug und in der den Kern umgebenden Gussteilpartie dar. Diese
Hot Spots können durch die vorgestellte Temperiermethodik gezielt reduziert wer-
den. Werkzeugseitig lassen sich auf diese Weise ein Überhitzen des Kerns sowie die
starke Bildung von Anhaftungen vermeiden. Im Vergleich zu untemperierten Ker-
nen kann so die Standzeit deutlich erhöht werden [40]. Darüber hinaus ist es mög-
lich die Sprühdauer und -menge für diese Bereiche zu reduzieren, was neben der
Standzeit auch die Zykluszeit positiv beeinflusst. Hinsichtlich der Qualität der resul-
tierenden Gussteile konnte festgestellt werden, dass derart temperierte Kerne die
30
Grundlagen und Stand der Technik
Bildung einer porenfreien Randschicht rund um die Kerne begünstigen [39]. Im Hin-
blick auf die Kühlleistung übertrifft das Jet Cooling konkurrierende Verfahren wie
die CO2-Kühlung deutlich um 5-10 K/s an der betroffenen Formwand, je nach Ab-
stand des Kanals von der Oberfläche [38]. Auch die CO2-Kühlung beruht auf der Än-
derung des Aggregatszustandes des Temperiermediums. In diesem Fall handelt es
sich um CO2, welches durch Expansion und Energieaufnahme gasförmig wird und
dabei Energie aufnimmt, welche anschließend abtransportiert werden kann.
Impulskühlung
Herkömmliche Temperierungen fördern kontinuierlich das gewählte Temperier-
medium durch die Temperierkanäle der Form. Die führt bei Öl-, vor allem aber bei
wasserbasierten Temperierungen dazu, dass unter Umständen mehr Wärme abge-
führt wird als nötig. Dem Werkzeug wird ggf. auch dann noch weiter Wärme entzo-
gen, wenn die Erstarrung des Gussteils bereits abgeschlossen und die überschüssige
Wärme abgeführt ist. Im Falle einer Impulskühlung wird immer nur dann ein Küh-
limpuls gestartet, wenn dieser für den Temperaturhaushalt der Form auch benötigt
wird. Über die Form- oder die Rücklauftemperatur des Mediums wird der Kühlim-
puls an die eingebrachte Wärmemenge angepasst. Die Kühlung setzt außerdem erst
mit Abschluss der Formfüllung ein, was es ermöglicht, möglichst ideale Füllbedin-
gungen in Form von erhöhten Werkzeugtemperaturen zu gewährleisten. So lassen
sich die Vorteile einer hohen Kühlwirkung durch den Einsatz von Wasser realisie-
ren, ohne dabei auf erhöhte Formtemperaturen verzichten zu müssen. Die Haupt-
motivation für die Verwendung mehrerer unabhängiger Impuls-Kühlkreise liegt in
einer möglichst homogenen Temperaturverteilung im Werkzeug. Da eine echte Re-
gelung der Kühlung basierend auf Echtzeit-Daten erfolgt, ist das System grundsätz-
lich zudem in der Lage, Schwankungen durch Störungen in der Produktion oder der
Temperierung in gewissen Grenzen auszugleichen. Ähnliches gilt für das Abmildern
von Defiziten resultierend aus einem nicht idealen Temperierkanal-Layout. Die Vor-
teile dieser Methodik gegenüber konventionellen Verfahren werden aber zumin-
dest im Spritzgussbereich kontrovers diskutiert. [41-44]
31
Grundlagen und Stand der Technik
Konturnahe Kühlung
Die konturnahe Kühlung, im Englischen Conformal Cooling, ist eine Auslegungsphi-
losophie für Temperierkanäle in Werkzeugen, insbesondere Gießwerkzeugen. Zu-
grunde liegt hier die Idee, die Temperierung möglichst konform zum Gussteil bzw.
zur Kontur der Kavität auszulegen. Das Layout derartiger Strukturen erfolgt heute,
wie auch bei konventionellen Geometrien, oftmals noch nicht systematisch, sondern
basiert wesentlich auf den Erfahrungen des Konstrukteurs [45; 46]. Während der
englische Begriff des Conformal Cooling den Konformitäts-Aspekt im Namen trägt,
verdeutlicht der deutsche Begriff der konturnahen Kühlung, dass die Nähe der Tem-
perierung zur Kavität eine wichtige Rolle spielt. Dieser Sachverhalt lässt sich an-
hand Tabelle 3-3 nachvollziehen.
32
Grundlagen und Stand der Technik
geschaffen, die Aufgabe des Layouts ist jedoch durch die gesteigerte Gestaltungs-
freiheit noch komplexer geworden. Im Kunststoffspritzguss ist die Verwendung
konturnaher Kühlung bereits weit verbreitet. Konturnahe Kühlung kann hier einen
starken Einfluss auf die Zykluszeit und damit die Produktivität haben, darüber hin-
aus kann eine korrekte Auslegung den Bauteilverzug deutlich verringern und innere
Spannungen reduzieren [47]. Vergleichbare Resultate sind auch im Druckguss zu
erwarten, wobei hier auch der Einfluss auf die Werkzeugstandzeit und den Bedarf
an Sprühmittelmenge einen entscheidenden Einfluss hat [45]. Xu [48] und Lin [46]
haben eine auf Kriterien basierte Auslegungsmethodik entwickelt, anhand derer
sich die verschiedenen Aspekte der konturnahen Kühlung verdeutlichen lassen. Die
Kriterien sind:
Konturkonforme Abkühlbedingungen
Kontrollierbarer Druckverlust im Temperierkanal
Uniforme Temperiermedien-Temperatur
Hinreichende Bauteilkühlung
Uniforme Abkühlbedingungen
Stabilität des Gießwerkzeugs
Beachtung von Design Fenstern (eingeschränkt bspw. durch Auswerfer)
Minimierung der Zykluszeit
Für die Bewertung der Konformität schlagen Sachs et al. [49] ein Distanzkriterium
vor, mit dessen Hilfe eine gleichmäßige Distanz von Kavitätsoberfläche und Tempe-
rierkanal gewährleistet werden soll. Diese Betrachtung alleine reicht aber nicht aus,
da auch bei generativer Fertigung etwa die Länge des Kanals nicht beliebig groß
sein kann, da der Druckverlust im Kanal nicht zu groß werden darf. Zwar wird die-
ser durch verrundete Übergänge potenziell reduziert, trotzdem können die Wand-
reibung im Kanal und Umlenkungen hier zu einem kritischen Druckverlust führen
[50]. Anschließend muss, auch wenn der Druckverlust pro Längeneinheit im Schnitt
sinken sollte, die Länge der Kanäle hinsichtlich der Medientemperatur hinterfragt
werden. Dies hängt damit zusammen, dass die Medientemperatur über den Kanal-
verlauf, vor allem wenn dieser nah an der Kavität verläuft, nicht zu stark schwanken
darf, um eine ausreichende Bauteilkühlung bei möglichst uniformen Abkühlbedin-
gungen zu gewährleisten. Die Einbringung konturnaher Kühlkanäle stellt einen
drastischen Eingriff in die thermischen Verhältnisse in einem Werkzeug dar. Nicht
minder groß ist aber auch die Beeinflussung der Stabilität der Werkzeuge. Bei der
Arbeit mit derartigen Kühlstrategien muss daher zwingend berücksichtigt werden,
dass die kavitätsnahen Kanäle direkten Einfluss auf die Festigkeit nehmen, da nahe
33
Grundlagen und Stand der Technik
34
Grundlagen und Stand der Technik
𝑀 = ρ ∗ V ∗ 𝑐𝑃 (3.12)
𝐸 = ρ ∗ V ∗ 𝑐𝑃 ∗ Δ𝑇 (3.13)
Mit: 𝐸: Energie [ J ]
Δ𝑇: Temperaturdifferenz [ K ]
35
Grundlagen und Stand der Technik
Isolierungen
Die zuvor vorgestellten Konzepte zielen ausschließlich auf die Reduktion der ther-
mischen Masse und sind oftmals technisch nur sehr schwer zu realisieren. Wie in
Abschnitt 3.3 gezeigt wurde, ignoriert ein solcher Ansatz allein jedoch die Tatsache,
dass der Formrahmen und auch die Druckgießmaschine Teil des thermischen Ge-
samtsystems sind und den Wärmehaushalt wesentlich prägen. Hinzu kommt, dass
es aufgrund der Gegebenheiten schwierig ist, den Wärmeaustrag auf diesem Weg
präzise zu bestimmen und zu beschreiben. Daher ist es für einen konsequenten, ho-
listischen Ansatz erforderlich, mit Hilfe von Isolierungsmaßnahmen den Wärmeab-
fluss in den Formrahmen zu unterbinden und so die zu temperierende Masse mög-
lichst gering zu halten.
Das Potenzial, welches am Markt erhältliche Isolations-Normalien in dieser Hin-
sicht aufweisen, zeigt Queudeville [15] anhand von Aufheiz-Simulationen für ein
isoliertes Werkzeug, wodurch die Aufheizzeit um bis zu 50 % reduziert werden
konnte. Bei den simulierten Isolierungen handelt es sich um mittels Harz gebundene
Glasfaserplatten. Weitere Berichte über die Anwendung etwa von Dämmplatten fin-
den sich bei Giessauf und Hofmann [70; 71]. In ähnlicher Form berichtet Hein [72;
73] von einem umfassenden Isolationskonzept für den Kunststoffspritzguss, bei
dem konsequent auf keramische Einsätze und Luftspalte zur Isolation gesetzt wird.
Der Einsatz von zusätzlichen Werkzeugkomponenten und Fremdmaterialien in
Druckgießwerkzeugen macht es erforderlich, Themen wie die unterschiedliche
Wärmeausdehnung zu betrachten. Auch wenn die Druckfestigkeit dieser Materia-
lien oft im Bereich derer von Stählen liegt, sind die mechanischen Eigenschaften der
eingesetzten Isolationswerkstoffe bei erhöhten Temperaturen und ihre Eignung für
den dauerhaften Einsatz unter den anspruchsvollen Prozessbedingungen ein wei-
terer kritischer Punkt. Dass sich auf diese Weise ein Energiesparpotenzial realisie-
ren lässt und Werkzeuge für eine dynamischere Temperaturführung ertüchtigt
werden können, konnte aber bereits gezeigt werden [15; 72].
Da der Formrahmen bei konsequenter Isolierung als Wärmesenke und Puffer ent-
fällt, gilt es im Druckguss der Auslegung des Temperiersystems eine zentrale Rolle
36
Grundlagen und Stand der Technik
37
Grundlagen und Stand der Technik
Berichten von industriellem Einsatz aber erst in den 90er Jahren ausmachen [75-
77]. Ihren Ursprung hat die Technologie im Kunststoffspritzguss, um ein für die
Kunststoffverarbeitung typisches Dilemma aufzulösen. Für eine optimale Formfül-
lung ist hier oft eine hohe Werkzeugtemperatur erforderlich, diese kann je nach ver-
wendetem Kunststoff auch oberhalb der Massetemperatur des Kunststoffes liegen.
Da die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen im Vergleich zu metallischen Werkstof-
fen oftmals eher niedrig ausfällt, führt eine derartige Temperaturerhöhung zu einer
drastischen Verlängerung der Zykluszeit, da die Abkühlung des Bauteils bis zur Ent-
formungstemperatur sehr viel langsamer erfolgt. Um diesen Konflikt zwischen Bau-
teilqualität und Produktivität zu lösen, wurde das Konzept der Variothermie entwi-
ckelt um zum Zeitpunkt des Einspritzens eine möglichst hohe Werkzeugtemperatur
zu ermöglichen, welche direkt im Anschluss wieder aktiv gesenkt werden kann, um
ein möglichst schnelles Ausformen zu erreichen.
Im Hinblick auf die Bauteilqualität werden vor allem die Oberflächenqualität ver-
bessert und innere Spannungen sowie Verformungen reduziert. Die Reduktion von
Spannungen und Verformungen ist dabei darauf zurückzuführen, dass die Polymere
beim ersten Wandkontakt keine Schreckschale bilden, sondern kontrolliert als Ge-
samtheit abkühlen und erstarren [66; 74]. Die Oberflächenqualität wird durch die
Vermeidung von Einfallstellen, Lunkern und vor allem Bindenahtkerben verbessert
[78; 79]. Das Haupteinsatzgebiet für variotherme Temperierungen ist heute das
Mikrospritzgießen, bei dem in kleinen Werkzeugen sehr filigrane Strukturen gefüllt
werden müssen [30]. Ergänzend dazu wird das Verfahren auch für die Herstellung
von optischen Präzisionsbauteilen und Sichtteilen mit hochwertigen Oberflächen
verwendet [70; 79-82]. Die Art der Beheizung und Kühlung kann dabei sehr unter-
schiedlich sein. Im Folgenden sollen die verschiedenen Optionen vorgestellt wer-
den.
38
Grundlagen und Stand der Technik
39
Grundlagen und Stand der Technik
Alternativ können für das Heizen und Kühlen unterschiedliche Kanäle verwendet
werden, dies erfordert allerdings einen höheren Aufwand im Werkzeugbau. Kanäle
zur Kühlung werden dabei bevorzugt kavitätsnah eingebracht und nur bei Bedarf
durchströmt, während die zur Heizung genutzten, weiter hinten liegenden Kanäle
durchgehend aktiv sind, um ein schnelles Wiederherstellen der Ausgangstempera-
40
Grundlagen und Stand der Technik
tur zu gewährleisten. In dieser Ausführung ist auch die Nutzung verschiedener Me-
dien, wie etwa Wasser zur Kühlung und Öl für die Beheizung, denkbar. Die charak-
teristischen Merkmale der Medien wurden bereits in Abschnitt 3.3.1 erläutert.
Entscheidend für die Medienwahl ist auch im Falle der Variothermie oft das ange-
strebte Temperaturintervall. Im Spritzguss ist Wasser am weitesten verbreitet, für
Hochtemperaturanwendungen wird aber auf Öl zurückgegriffen [86; 87]. Eine
Quantifizierung des Unterschiedes in der Dynamik der Systeme ist kaum möglich,
da die untersuchten Bauteil- und Werkzeug-Geometrien sich stark voneinander un-
terscheiden [76; 86; 88-91]. Grundsätzlich gilt: Der Temperaturwechsel erfolgt
umso schneller, je größer der Unterschied zwischen Medien- und Zieltemperatur
ist. Die Zykluszeit dagegen steigt mit wachsender Werkzeugmasse an. Der Haupt-
vorteil fluidvariothermer Systeme ist der, dass auf bekannte Komponenten zurück-
gegriffen werden kann und sich der Prozess daher gut in bestehende Systeme integ-
rieren lässt. Der wesentliche Nachteil ist in der Erhöhung der Zykluszeiten und des
Energieverbrauchs (verglichen mit konventionellen Systemen) zu sehen. Maßnah-
men, welche in diesen Punkten Abhilfe schaffen können, wurden in Abschnitt 3.3.2
diskutiert.
41
Grundlagen und Stand der Technik
Schichten sehr genau abgestimmt werden muss. Auch rein mechanisch betrachtet
sind derartige Schichtsysteme anfällig [74; 94]. Die Heizdynamik ist zudem durch
vergleichsweise beschränkte Flächenleistungsdichten begrenzt. Abhilfe können in
dieser Hinsicht keramische Elemente schaffen, welche ihrerseits mit den Heraus-
forderungen eines spröden Materials einhergehen [82]. Rapid Heating Ceramics
(RHC) weisen eine hohe Effizienz auf und können der Kavität angepasst werden,
woraus ein hohes Potenzial für hochdynamische Temperierungen ergibt [80; 82].
Tabelle 3-4 zeigt am Beispiel einer 16 cm² großen Kavitätsfläche die jeweils benö-
tigte Aufheizzeit und Heizenergie für verschiedene Verfahren.
Tabelle 3-4: Vergleich von Heizenergie und Aufheizzeit für verschiedene Verfahren
(nach [80]).
Innerhalb der Gruppe der Widerstandsheizungen ist die genaue Bewertung aus
ähnlichen Gründen wie für fluidbasierte Systeme kaum möglich, wenngleich ein-
zelne Studien auch hier existieren [94-96]. Im Gegensatz zu den vorgestellten, indi-
rekten Verfahren können Werkzeuge auch direkt mit Hilfe von Induktion erwärmt
werden. Dies kann entweder durch einen externen Induktor erfolgen, welcher vor
dem Schließen des Werkzeugs ein- und ausgefahren wird, oder aber durch einen in
das Werkzeug integrierten Induktor [97]. Weiter verbreitet sind externe In-
duktoren, da sie leicht nachgerüstet werden können [75]. Nachteilig ist, dass eine
Erwärmung nur in einem begrenzten Zeitfenster erfolgen kann. Zudem sind stark
zerklüftete Kavitäten problematisch [4; 78]. Durch integrierte Induktoren können
diese Herausforderungen bewältigt werden, wobei der höhere konstruktive Auf-
wand zu berücksichtigen ist, welcher durch die Unterbringung von Induktoren und
Kühlung sowie der benötigten Anschlüsse zustande kommt. Durch beide Baufor-
men können schnelle, vergleichsweise robuste Heizsysteme realisiert werden [98;
99].
42
Grundlagen und Stand der Technik
Variothermie im Druckguss
Wie bereits beschrieben ist die Variothermie im Kunststoffspritzguss in diversen
Varianten bereits im industriellen Einsatz etabliert. Im artverwandten Leichtmetall-
druckguss ist sie dagegen nicht im Einsatz. Für einen solchen Einsatz im Druckguss
ist zunächst grundsätzlich festzuhalten, dass sich die Prozessbedingungen, vor al-
lem hinsichtlich der Temperaturen, deutlich vom Spritzguss unterscheiden. Prakti-
sche Studien zur Variothermie im Druckguss existieren bislang nicht, simulativ sind
variotherme Temperierungen aber in geringem Umfang betrachtet worden [102;
103]. Eine Studie von Hartmann et al. [103] nutzt die Induktionstechnologie in Form
eines in den Werkzeugeinsatz integrierten Induktors für die Beheizung des Werk-
zeugs. Die Kühlung erfolgt über das Temperiermedium Wasser, welches durch se-
parate Kanäle unterhalb der Induktionsspule geführt wird. Grund für diese Verfah-
renskombination sind die hohen Heiz- und Abkühlraten. Die Autoren berichten von
den theoretischen Möglichkeiten, welche sich im Hinblick auf den Prozess ergeben.
Durch die gesteigerte Werkzeugtemperatur zum Zeitpunkt des Schusses wird eine
potenzielle Verlängerung der tolerierbaren Füllzeit auf bis zu 1 s vorhergesagt,
wodurch eine beruhigtere Formfüllung erreicht werden kann. Im gleichen Zuge
kann die Temperatur der Schmelze abgesenkt werden, was wiederum energetische
Vorteile bringt. Die Zykluszeit verändert sich dabei im Vergleich zur konventionel-
len Prozessführung marginal. Als weiterer positiver Effekt wird die Verlängerung
der Formlebensdauer angeführt, welche auf die geringeren Temperaturgradienten
43
Grundlagen und Stand der Technik
zwischen Schmelze und Werkzeug bei der Formfüllung bzw. zwischen Trennmittel
und Werkzeug beim Trennmittelauftrag zurückzuführen ist. Die Grundlagen zu die-
sem thermischen Formschädigungsmechanismus wird in Abschnitt 3.5 näher erläu-
tert werden. Dass eine positive Beeinflussung der Werkzeugstandzeit und damit der
Produktivität des Verfahrens auch mit einer weniger dynamischen variothermen
Temperierung möglich ist, zeigt Müller [102]. In seiner Studie weist der Autor eine
standzeitsteigernde Wirkung nach, ohne konstruktive Eingriffe am Werkzeug vor-
zunehmen, da eine entsprechende fluidvariotherme Prozessvariante gewählt wor-
den ist. Weitere Ergebnisse aus dem Druckguss, sowohl simulativer als auch prak-
tischer Natur, liegen nicht vor.
Δ𝑄
𝑐= (3.14)
𝑚 ∗ Δ𝑇
44
Grundlagen und Stand der Technik
Vor allem bei der Betrachtung von Gasen ist darauf zu achten, inwiefern die Wär-
mekapazität bei einem konstanten Druck (isobare Wärmekapazität c𝑝 ) oder für ein
konstantes Volumen (isochore Wärmekapazität c𝑉 ) angegeben ist. Dies gilt zwar
auch für die Betrachtung von Flüssigkeiten und Festkörpern, während für Gase
c𝑝 > c𝑉 gilt, sind die Größen für diese beiden Aggregatzustände nahezu identisch
und können als gleichwertig angesehen werden. Die Wärmeleitfähigkeit 𝜆 wiede-
rum beschreibt die Eignung eines Materials für die Transferierung thermischer
Energie. Diese thermische Transportgröße ist über das Wiedmann-Franzsche Ge-
setz (Gleichung (3.15)) eng mit der elektrischen Leitfähigkeit des Materials verbun-
den. Grund dafür ist die Abhängigkeit vom Vorhandensein freier Elektronen für
beide Vorgänge. Gute elektrische Leiter wie Metalle sind daher auch gute thermi-
sche Leiter, wobei die spezifische Leitfähigkeit wiederum von Materialeigenschaf-
ten wie der Menge vorliegender Kristallbaufehler abhängt. Je reiner und fehlerfreier
ein Körper ist, desto besser leitet er.
𝜆 = L𝐿𝑜𝑟 ∗ 𝜅 ∗ 𝑇 (3.15)
Sind beide Stoffgrößen bekannt, so lässt sich unter Hinzunahme der Dichte des
Werkstoffs die Temperaturleitfähigkeit 𝑎 berechnen. Diese Größe beschreibt, wie
sich die Temperaturverteilung in einem Werkstoff über die Zeit verändert. Sie lässt
sich wie folgt berechnen:
𝜆
𝑎= (3.16)
𝜌 ∗ 𝑐𝑝
45
Grundlagen und Stand der Technik
𝜌: Dichte [ kg/m³ ]
𝑐𝑝 : Spezifische isobare Wärmekapazität [ J/kgK ]
𝑏 = √𝜆 ∗ 𝑐𝑝 ∗ 𝜌 (3.17)
Mit Hilfe dieser vier Kenngrößen lassen sich die wichtigsten thermischen Trans-
portphänomene berechnen und quantifizieren.
3.4.2. Wärmeübertragungsphänomene
Innerhalb eines Druckgießwerkzeugs wird Wärme über verschiedene Mechanis-
men transportiert. Die in Abbildung 3-5 aufgezeigten Wärmeströme kommen auf
unterschiedlichen Wegen zustande. Die zugrundeliegenden thermischen Trans-
portphänomene werden im Folgenden näher erläutert.
Konduktion
Die Wärmeleitung, auch als Konduktion bezeichnet, meint eine Wärmeübertragung,
welche ohne den Transport von Materie von statten geht [104]. Der Wärmestrom 𝑞
ist im Falle der Konduktion direkt proportional zum vorliegenden negativen Tem-
peraturgradienten. Für die Betrachtung thermischer Transportvorgänge ist neben
dem Wärmestrom vor allem der Bezugspunkt wichtig, welcher eine Fläche oder ein
Volumen sein kann. Bezogen auf eine Fläche spricht man von der Wär-
mestromdichte 𝑞′′ . Durch die Proportionalität von Wärmestrom und Temperatur-
gradient lässt sich die Wärmestromdichte mit dem Fourierschen Gesetz wie folgt
beschreiben:
𝑞𝑥 𝑑𝑇
𝑞𝑥′′ = = −𝜆 (3.18)
𝐴 𝑑𝑥
46
Grundlagen und Stand der Technik
𝐴: Wirkfläche von q𝑥 [ m² ]
T: Temperatur [ K ]
x: Koordinate [ m ]
dT
: Thermischer Gradient [ K/m ]
𝑑𝑥
Nimmt man eine isotrope Wärmeleitfähigkeit an, so lässt sich die Wär-
mestromdichte in ihrer vektoriellen Form wie folgt formulieren [105]:
𝑑𝑇 𝑑𝑇 𝑑𝑇
q′′ = −𝜆𝑖 − 𝜆𝑗 − 𝜆𝑘 = −𝜆𝛻𝑇 = −𝜆𝑔𝑟𝑎𝑑𝑇 (3.19)
𝑑𝑥 𝑑𝑦 𝑑𝑧
Mit dieser Form des Fourierschen Gesetzes können stationäre Probleme berech-
net werden. Stationäre Probleme sind dadurch gekennzeichnet, dass die thermi-
schen Gradienten und Wärmeströme zeitlich konstant sind. Im Gegensatz dazu fin-
det bei instationären Problemen eine Änderung des Energiezustandes im Kontroll-
volumen statt, da Wärmeströme durch die Grenzflächen hindurch existieren. Be-
reits innerhalb eines Werkzeugeinsatzes liegen sowohl stationäre, als auch instati-
onäre Wärmeleitungsphänomene vor. So ist der Wärmestrom zwischen Kavität und
Temperierkanal als instationär anzusehen, hinter den Temperierkanälen hingegen
ist das Temperaturfeld im eingeschwungenen Zustand annähernd konstant und
kann als stationär angesehen werden. Um instationäre, also örtlich und zeitlich auf-
gelöste, Phänomene in Abhängigkeit von Anfangs- und Randbedingungen beschrei-
ben zu können muss Gleichung (3.19) in eine andere Form überführt werden. Diese
Form, die sogenannte Fouriersche Differenzialgleichung in ihrer allgemeinen Form,
kann wie folgt beschrieben werden:
𝜕 𝜕𝑇 𝜕 𝜕𝑇 𝜕 𝜕𝑇 𝜕𝑇
(𝜆 ) + (𝜆 ) + (𝜆 ) + 𝑞𝑔′′′ = ρ𝑐𝑉 (3.20)
𝜕𝑥 𝜕𝑥 𝜕𝑦 𝜕𝑦 𝜕𝑧 𝜕𝑧 𝜕𝑡
In der hier dargestellten Form ist sie auch für Problemstellungen mit Quellen und
Senken sowie temperaturabhängigen Stoffdaten anwendbar [106]. Die Gleichung
ist für die numerische Simulation von Temperaturfeldern zwingend erforderlich, da
47
Grundlagen und Stand der Technik
sie in dieser Form rechnergestützt mit Hilfe numerischer Verfahren gelöst werden
kann. Ist eine initiale Temperaturverteilung bekannt, kann somit grundsätzlich die
Temperatur zu jedem Zeitpunkt an jedem Punkt des betrachteten Raumes ermittelt
werden [105; 106]. Existieren weder Quellen noch Senken und liegt ein stationäres
Problem vor, entfallen sowohl der volumenbezogene Gesamt-Wärmestrom als auch
die rechte Seite der Gleichung. Während die Wärmeleitfähigkeit, also sowohl für sta-
tionäre, als auch für instationäre Probleme von Belang ist, hat die Wärmekapazität
einzig für instationäre Problemstellungen eine Bedeutung. Dieser Zusammenhang
ist wichtig, will man etwa den Wärmehaushalt eines Druckgießwerkzeugs gezielt
verändern.
Konvektion
Die Konvektion meint einen Wärmestrom, welcher mit einem Stofftransport einher-
geht. Das bewegte Fluid oder Gas trägt dabei Wärme von einem wärmeren Ort oder
Körper mit sich hin zu einem kälteren Ort oder Körper. Dabei wird zwischen der
freien bzw. natürlichen Konvektion und der erzwungenen Konvektion unterschie-
den. Während die freie Konvektion aufgrund lokaler Dichteunterschiede zustande
kommt, wird im Falle der erzwungenen Konvektion eine Druckdifferenz von außen
aufgeprägt. Freie Konvektion liegt etwa an den Außenseiten von Druckgießwerk-
zeugen vor, während innerhalb der Temperierkanäle die erzwungene Konvektion
der dominierende Mechanismus des Wärmetransportes ist. Die Wärmestromdichte
lässt sich in beiden Fällen wie folgt beschreiben [107]:
48
Grundlagen und Stand der Technik
Länge und der Strömungsgeschwindigkeit sowie aus Stoffdaten wie der kinemati-
schen Viskosität, der Dichte, der Wärmekapazität und der Wärmeleitfähigkeit des
strömenden Mediums berechnen. Die präzise Bestimmung des Wärmeübergangs-
koeffizienten ist für die konvektive Wärmeübertragung, aufgrund der zahlreichen
Einflussfaktoren, die größte Herausforderung [107; 108]. Eine der Problemstellun-
gen, welche über den Wärmeübergangskoeffizienten modelliert werden muss, ist
beispielsweise die Ausbildung der Temperaturverteilung innerhalb eines Mediums,
welches an einer ebenen Wand vorbeiströmt. Dabei bildet sich im Medium eine la-
minare Grenzschicht aus. Innerhalb dieser Grenzschicht steigt die Medientempera-
tur bis auf die Wandtemperatur an, gleichzeitig geht die Strömungsgeschwindigkeit
in direkter Wandnähe gegen Null und der Wärmetransport wird durch die Wärme-
leitung im Fluid dominiert. Derartige Phänomene sind etwa für die numerische Si-
mulation der Vorgänge im Inneren von Temperierkanälen von Bedeutung.
Strahlung
Der Wärmetransport über Strahlung und damit auch der ungewollte Verlust von
Wärme aus einem System durch Strahlung sind für metallurgische Prozesse im Hin-
blick auf die Energiebilanz von großer Bedeutung. Dies hängt mit den hohen Tem-
peraturen zusammen, welche wiederrum mit der vierten Potenz in die Wär-
mestrombetrachtung einfließt. Anders als bei der Konduktion und der Konvektion
ist für den Wärmetransport über Strahlung keine Materie einer bestimmten Form
von Nöten:Der Transport erfolgt über Photonen bzw. elektromagnetische Wellen
und kann damit auch im Vakuum auftreten. Neben den auftretenden Temperaturen,
geht auch die Beschaffenheit des emittierenden und des absorbierenden Körpers in
die Betrachtung ein. Diese Eigenschaften werden über den temperaturabhängigen
Emissionsgrad 𝜀 abgebildet, welcher in die Berechnung der auftretenden Wärme-
ströme über das Stefan-Boltzmann-Gesetz einfließt:
Mit: ε: Emissionsgrad [ - ]
σ: Stefan-Boltzmann-Konstante [ W/m²K4 ]
T: Absolute Temperatur [ K ]
Für einen idealen Strahler, den sogenannten schwarzen Strahler, nimmt der Emis-
sionsgrad einen Wert von eins an. Schwarze Strahler sind gleichzeitig auch ideale
Absorber. Für technisch relevante Vorgänge wird dieses Ideal nicht erreicht, der
49
Grundlagen und Stand der Technik
Emissionsgrad liegt hier zwischen den Werten null und eins. In Tabelle 3-5 sind
exemplarisch die Emissionsgrade für verschiedene, häufig anzutreffende Bearbei-
tungszustände von Stählen bei unterschiedlichen Temperaturen angegeben.
Die Bestimmung des Vorfaktors ist ein komplexes Problem, welches in der Fach-
literatur ausführlich diskutiert wird [105; 106; 110]. Der Vorfaktor kann eine Funk-
tion von hoher Komplexität sein und enthält neben den Emissionsgraden und der
Stefan-Boltzmann-Konstante sämtliche Informationen über Sichtfaktoren, die
Größe der Flächen und deren Orientierung.
50
Grundlagen und Stand der Technik
aus, dass die treibende Kraft äquivalent ist zum Strom, multipliziert mit dem elektri-
schen Widerstand. Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf thermische Widerstände,
welche multipliziert mit dem Wärmestrom dem thermischen Gradienten ∆𝑇 gegen-
überstehen. Der thermische Widerstand wird daher vereinfacht wie folgt ausge-
drückt:
∆T
𝑊= (3.24)
𝑞
Der Kehrwert eines thermischen Widerstands ist wiederum stets ein Wärme-
übergangskoeffizient, welcher in Abschnitt 3.4.2 bereits kurz erläutert wurde:
q′′ 𝑞
𝛼= = (3.25)
∆𝑇 𝐴∆𝑇
Sowohl der elektrische als auch der thermische Widerstand werden über die Lei-
tungslänge und den Leitungsquerschnitt definiert. Unter Berücksichtigung der ther-
mischen Leitfähigkeit lässt sich der konduktive thermische Widerstand wie folgt de-
finieren:
T1 − 𝑇2 𝑙
𝑊𝑐𝑜𝑛𝑑 = = (3.26)
𝑞𝑐𝑜𝑛𝑑 𝜆𝐴
Analog dazu kann auch auf den konvektiven Widerstand geschlossen werden:
T𝑆 − 𝑇∞ 1
𝑊𝑐𝑜𝑛𝑣 = = (3.27)
𝑞𝑐𝑜𝑛𝑣 𝛼𝑐𝑜𝑛𝑣 𝐴
51
Grundlagen und Stand der Technik
T𝑆 − 𝑇∞ 𝑙
𝑊𝑟𝑎𝑑 = = (3.28)
𝑞𝑟𝑎𝑑 𝛼𝑟𝑎𝑑 𝐴
Für ein komplexes Problem, wie etwa die Strahlungsverluste an den Außenberei-
chen eines Druckgießwerkzeugs oder im Bereich der geöffneten Kavität, greift eine
solch vereinfachte Darstellung allerdings zu kurz. Vielmehr gilt hier wie für die
meisten technischen Systemen, dass sich oft viele thermische Transportphänomene
überlagern oder voneinander abhängen. Auch derart gekoppelte Phänomene kön-
nen durch einen einzelnen Widerstand beschrieben werden, indem die einzelnen
Widerstände entsprechend aufsummiert werden. Die Art der Verschaltung der Wi-
derstände beeinflusst dabei die Berechnungsweise. Die Reihenschaltung thermi-
scher Widerstände, welche auch als Wärmedurchgang bezeichnet wird, ist etwa bei
Wärmetauschern wichtig, da hier konduktive Leitungsphänomene und damit auch
Widerstände mit konvektiven Transportphänomenen kombiniert werden. Für die
mathematische Beschreibung dieser Schaltung werden die einzelnen thermischen
Widerstände direkt aufaddiert. Anders verhält es sich bei der parallelen Verschal-
tung von Widerständen. In diesem Fall werden die Kehrwerte der Widerstände auf-
addiert, das resultierende Ergebnis ist der Kehrwert des Gesamtwärmewiderstan-
des. Ausgehend von einem solchen System kann der Gesamtwärmestrom auf Basis
der leitenden Querschnittsfläche und der individuellen Widerstände bestimmt wer-
den. Die Wärme wird dabei dem Weg des geringsten Widerstandes folgen, der Wär-
mestrom sich also anteilig stärker in Richtung des besseren Leiters verlagern. Die
Art der Verschaltung der einzelnen Komponenten hat somit wesentlichen Einfluss
auf die Gesamt-Leitfähigkeit eines Systems. Während in Reihe geschaltete Wider-
stände die Gesamt-Leitfähigkeit zwingend herabsetzen, muss dies für gleiche Kom-
ponenten, welche parallel verschaltet werden, nur bedingt der Fall sein.
Wie aus Abbildung 3-5 ersichtlich wird, treten am Gesamtsystem Druckgießwerk-
zeug alle drei beschriebenen Transportphänomene auf und haben einen deutlichen
Einfluss auf den Wärmehaushalt. Im Falle der Konduktion kommt bei einem solchen
System ein weiteres Phänomen zum Tragen, welches den Wärmeabfluss stark be-
einflussen kann. Während bei den bisherigen Betrachtungen stets vereinfacht von
einem idealen Kontakt der Körper, also prinzipiell einem Kontinuum, ausgegangen
wurde, ist dies in der Realität nicht der Fall. Es kommt zu Verlusten an der Grenz-
fläche, welche durch den Kontaktwärmewiderstand modelliert werden. Dieses Phä-
nomen kommt dadurch zustande, dass die reale Kontaktfläche zweier Körper we-
sentlich kleiner ist als bei einem idealisierten Kontakt. Auch für hohe Kontaktdrücke
von etwa 10 MPa liegt die reale Kontaktfläche nur bei etwa 1-2 % der geometrisch
52
Grundlagen und Stand der Technik
möglichen Kontaktfläche [111]. Der Kontakt kommt lediglich über die Rauhig-
keitsspitzen zustande, folglich kann auch nur an dieser reduzierten Fläche konduk-
tive Wärmeleitung erfolgen [112]. Im Bereich der Zwischenräume kann die Wärme
nur über Strahlung transportiert werden. Für konvektiven Wärmetransport sind
die oft nur wenige µm großen Hohlräume zu klein. Die Strahlung kann jedoch für
Temperaturen unterhalb von 300 °C, also dem typischen Temperaturfenster für die
Bereiche in der Peripherie der Werkzeugeinsätze, vernachlässigt werden. Ein lei-
tendes Zwischenmedium wie etwa Wärmeleitpasten kann den Widerstand über das
Prinzip der Parallelschaltung verringern [113]. Die korrekte Bestimmung des Kon-
taktwärmewiderstandes ist komplex und verschiedene theoretische Modelle wer-
den in der Literatur diskutiert [112; 114-120]. In aktuellen Publikationen wird bei
der Diskussion des Widerstands vorzugsweise auf den spezifischen Kontaktwärme-
widerstand abgestellt, welcher wie folgt definiert ist:
A∆T ∆𝑇
𝑊𝑠𝑝𝑒𝑧,𝑐𝑜𝑛𝑡 = = ′′ (3.29)
𝑞 𝑞
λm 𝑝 0,94
𝛼𝑐𝑜𝑛𝑡 = 1,13 ∗ ( )∗( ) (3.30)
𝑅𝑞 𝐻𝑉 + 𝑝
Mit: R𝑞 : Oberflächenrauigkeit [ m ]
𝑝: Kontaktdruck [ MPa ]
H𝑉 Mikrohärte nach Vickers [ MPa ]
𝑚: Oberflächenkrümmung [ - ]
Die Krümmung 𝑚 kann dabei für viele Flächen mit 0,1 angenommen werden
[121]. Für die Härte ist in diesem Modell der weichere Körper ausschlaggebend und
53
Grundlagen und Stand der Technik
54
Grundlagen und Stand der Technik
Im Hinblick auf die hohen Belastungen, welche im Inneren einer Kavität im Druck-
guss vorherrschen, empfehlen sich für die zyklische Betrachtung ausschließlich sol-
che Ansätze, die keine Messungen in der Kavität benötigen. In der Literatur domi-
nieren folgerichtig die Ansätze zwei und drei. Die erste Erwähnung von Experimen-
ten zur Bestimmung des Wärmeübergangs im Druckguss finden sich bereits im Jahr
1972 und gehen auf C. W. Nelson [125] zurück. Dieser ließ fünf Thermoelemente in
unterschiedlichem Abstand zur Kavität in einen Werkzeugeinsatz einbauen, um den
Wärmestrom und den Wärmeübergangskoeffizienten bestimmen zu können. Dazu
bildet er die Differenz zwischen der aufgenommenen Formwandtemperatur und ei-
ner eingetragenen, an anderer Stelle ermittelten Abkühlkurve. Anstelle eines konti-
nuierlichen Verlaufs definierte er drei markante Intervalle, für welche je ein Koeffi-
zient bestimmt wird. Exemplarisch sind in Tabelle 3-6 die jeweiligen Koeffizienten
für die drei Phasen einer druckgegossenen AZ91-Legierung angegeben.
Intervall Wärmeübergangskoeffizient
[-] [W/m²K]
Überhitzte Schmelze - Formwand 63.000
Erstarrendes Matrixmetall - Formwand 61.500
Erstarrtes Gussstück - Formwand 19.300
55
Grundlagen und Stand der Technik
56
Grundlagen und Stand der Technik
Abbildung 3-13: Einfluss der Parameter auf den Verlauf des Wärmeübergangskoef-
fizienten über den Gießzyklus in den Phasen Formfüllung (1), Erstarrungsbe-
ginn (2), vollständige Erstarrung (3) und der stationären Phase (4) der Abkühlung
des erstarrten Gusses.
57
Grundlagen und Stand der Technik
wird. Eine explizite Betrachtung der Bildung eines Luftspalts erfolgte bei den vor-
gestellten Studien nicht. Der Effekt des Wegschrumpfens von der Formwand wird
aber als mögliche Ursache für das Abflachen der Wärmeübergangskoeffizienten-
Kurve angeführt.
Alternativ zu den messtechnischen Bemühungen führten Long et al. [137] Arbei-
ten nach Ansatz 3 durch. Die Gießsimulation wurde dabei so lange iterativ gefittet,
bis sie dem Realprozess entsprach. Validierungsversuche mit einer alternativen
Gussteilgeometrie mit dem auf diese Weise gewonnenen Verlauf des Wärmeüber-
gangskoeffizienten verliefen erfolgreich. Die Art und Weise, wie das Gießmetall mit
dem Werkzeug interagiert, ist neben dem thermischen Haushalt auch für die Stand-
zeit der verwendeten Werkzeuge wichtig. Die resultierenden Schädigungsmecha-
nismen werden im folgenden Kapitel näher erläutert.
58
Grundlagen und Stand der Technik
Zugspannung hin- und herwechselt. Abbildung 3-14 zeigt schematisch die verschie-
denen Belastungsarten und den damit einhergehenden, dominierenden Spannungs-
zustand auf.
Abbildung 3-14: Lastkollektiv während des Gießzyklus mit den resultierenden, do-
minierenden Spannungen im Werkzeug.
In den folgenden Abschnitten sollen nun die auftretenden Belastungen näher be-
leuchtet und, sofern nicht bereits geschehen, potenzielle Lösungsstrategien zur Er-
höhung der Werkzeugstandzeit vorgestellt werden.
59
Grundlagen und Stand der Technik
60
Grundlagen und Stand der Technik
gibt es diverse Studien, einen Überblick über gängige Systeme findet sich etwa bei
Terek et al. [147]. Die aufgetragenen Hartstoffschichten sollen dabei sowohl den ab-
rasiven Verschleiß als auch Diffusionsprozesse unterbinden. Die Weiterentwick-
lung von Beschichtungssystemen ist darüber hinaus für einen trennmittelfreien
Druckgießprozess, wie ihn Wang et al. [148] postulieren, ein elementarer Grund-
baustein. Aufgrund der erwähnten Bedeutung der Werkzeugstandzeit, des nachge-
wiesen positiven Einflusses von geeigneten Beschichtungssystemen und des hohen
zeitlichen Aufwandes der Erprobung von Schichten im Gießbetrieb wurde eine Viel-
zahl von Prüfverfahren entwickelt und vorgestellt, eine entsprechende Übersicht
liefern bspw. Terek et al. [147]. Neben Verfahren, welche flüssiges Aluminium nut-
zen, existieren dabei auch Verfahren, bei denen Beschichtungen gezielt mit einem
Aluminiumgranulat beschossen werden [149], um neben der chemischen auch die
physikalische Komponente des Werkzeugverschleißes abzubilden.
61
Grundlagen und Stand der Technik
Weitaus häufiger und in der Regel gravierender als rein mechanische Belastungen
und damit einhergehende Ausfälle sind im Leichtmetall-Druckguss thermisch bzw.
thermomechanisch bedingte Ausfälle. Die Schwankung der Temperaturen im Werk-
zeug über den Gießzyklus, aber auch über die Formlebensdauer ist bereits in Ansät-
zen diskutiert worden. Wenn die Wechsel über das gesamte Werkzeug homogen er-
folgen und keine Behinderung von Expansion und Schwindung vorläge, würde die
damit einhergehende Dehnung keine Veränderungen hervorrufen. Aufgrund der in-
homogenen Temperaturverteilung innerhalb des Werkzeugs und der konstruktiven
Behinderungen treten allerdings Spannungen auf [152]. Die resultierenden Span-
nungen lassen sich wie folgt berechnen:
62
Grundlagen und Stand der Technik
Bereiche dehnen sich diese stärker aus als darunter liegende Bereiche, wodurch
Druckspannungen in der Werkzeugoberfläche entstehen. Über einen Zyklus hinweg
kann der Spannungszustand der Werkzeugoberfläche zwischen Zug- und
Druckspannungen hin und her schwanken, was eine zyklische Belastung des Werk-
zeugstahls zur Folge hat. Im Laufe der Lebensdauer eines Werkzeugs verschiebt
sich der mittlere Spannungszustand zunehmend von Druck- zu Zugspannungen. Es
wird vermutet, dass dies durch den Umstand hervorgerufen wird, dass im Betrieb
lokal immer wieder geringfügige plastische Verformungen auftreten. Auf dieser Ba-
sis verbleiben Restzugspannungen im Werkzeug, welche sich zunehmend aufsum-
mieren [20; 153]. Übersteigt die Spannungsamplitude schließlich die Dehngrenze
des verwendeten Formwerkstoffes, kann es zum Gewaltbruch des Werkzeugs kom-
men.
Derartige Schäden sind die häufigste Ausfallursache für Druckgießwerkzeuge. Bei
der thermomechanischen Ermüdung gilt es aber zwei unterschiedliche Fehlerbilder
zu unterscheiden, welche hinsichtlich ihrer Entstehung, dem Entstehungszeitpunkt,
der Phänomenologie und möglichen Abhilfemaßnahmen differieren. Die beiden da-
raus erwachsenden Hauptschadensbilder, der Spannungsriss und der Brandriss,
werden im Folgenden einzeln näher behandelt.
Spannungsrisse
Risse dieser Art treten vornehmlich in Bereichen auf, welche durch die Kontur der
Kavität oder aber durch die Beschaffenheit der Oberfläche eine gewisse Kerbwir-
kung geometrischer Art mit sich bringen. Spannungsrisse entstehen folglich bevor-
zugt an kerbanfälligen Bereichen wie etwa Auswerferbohrungen und scharfkanti-
gen Übergängen in der Kavität [3]. Spannungsrisse treten oft als Einzelriss auf, da
die Rissbildung hier eine deutliche Entspannung der Rissumgebung mit sich bringt.
Risse dieser Art können schnell zu einem katastrophalen Versagen des Werkzeugs
führen, da das Wachstum vergleichsweise schnell erfolgt und die Risse tief in den
Werkzeugeinsatz vordringen können. Nach der Rissinitiierung und einem ersten
Risswachstum tritt bei wiederholter Belastung ein Gewaltbruch auf, welcher auf-
grund des nun verminderten Querschnittes auch bei Spannungen unterhalb der sta-
tischen Festigkeit des Werkstoffes auftreten kann. Spannungsrisse treten ggf. be-
reits sehr früh, im Bereich der Kurzzeitfestkeit unterhalb von 10 4 Lastzyklen auf
[154].
Um Spannungsrisse zu verhindern, muss zunächst die Geometrie des Gussteils
bzw. der Kavität derart angepasst werden, dass die beschriebenen geometrisch
kerbbehafteten Strukturen möglichst nicht ihren Weg in das finale Werkzeugdesign
63
Grundlagen und Stand der Technik
finden. Darüber hinaus kann die Bildung von Spannungsrissen über den verwende-
ten Stahl und seine Verarbeitung, aber auch über eine angepasste Prozessführung
positiv beeinflusst werden [155-157]. Wichtige Eigenschaften für einen Formstahl
sind beispielsweise ein gleichmäßiges, defektfreies Gefüge, eine gute Wärmeleitfä-
higkeit, ein hoher E-Modul bei gleichzeitig guter Zähigkeit und Warmfestigkeit.
Auch der Ausdehnungskoeffizient sollte zur Minimierung der auftretenden Span-
nungen (vgl. Formel (3.31)) möglichst gering ausfallen. Es ist darauf zu achten, dass
die Eigenschaften nachträglich nicht durch eine fehlerhafte Wärmebehandlung be-
einträchtigt werden. Auch die anschließende Bearbeitung kann sich negativ auswir-
ken. Auch kleine, aus der mechanischen Bearbeitung resultierende Kerben sind ty-
pische Orte der Rissinitiierung [155]. Im Prozess ist es vor allem die Werkzeugtem-
peratur, welche das Riss-Verhalten beeinflussen kann. Kritisch sind dabei wie be-
reits gezeigt die Temperaturgradienten während der Formfüllung und des Trenn-
stoffsprühens. Eine möglichst hohe Formtemperatur bei gleichzeitig gering zu wäh-
lender Gießtemperatur ist für eine lange Formlebensdauer förderlich [23]. Eine der-
artige Prozessführung kann jedoch unter anderen Gesichtspunkten problematisch
sein. Grundsätzlich ist für die Spannungsrisse wie auch für Brandrisse festzuhalten,
dass die auftretenden Temperaturgradienten möglichst gering gehalten werden
sollten, was neben einer angepassten Werkzeugtemperatur etwa über den Einsatz
des Minimalmengensprühens oder über eine variotherme Temperaturführung
möglich ist [102].
Brandrisse
Anders als Spannungsrisse entstehen Brandrisse in der Regel an nicht rissanfälligen
Stellen, sondern finden sich vornehmlich an ebenen Flächen im Werkzeug. Brand-
risse zeichnen sich durch ein stark verzweigtes, flaches Rissnetzwerk aus. Erste An-
risse treten im Übergangsbereich zwischen Kurzzeitfestigkeit und Zeitfestigkeit,
also jenseits von 104 Lastzyklen auf [20]. Grund dafür ist das tiefere Belastungsni-
veau und die geringere, initiale Kerbwirkung. Im Verlauf der Rissausbreitung in der
Ebene treffen immer mehr Risse aufeinander, was im Extremfall zu sogenannten
Ausbröckelungen führen kann [158]. Dabei werden einzelne Bestandteile der Werk-
zeugoberfläche vollständig vom Grundwerkstoff abgelöst. Brandrisse führen im
Normalfall nicht zu einem katastrophalen Werkzeugversagen bzw. Werkzeugbruch,
wie dies bei Spannungsrissen der Fall ist. Für die Standzeitbetrachtung sind Brand-
risse dennoch wichtig. Mit zunehmender Brandrissbildung steigt etwa der Nachbe-
arbeitungsaufwand für die Gussteile, da die resultierenden, feinen Grate oftmals
entfernt werden müssen. Besonders problematisch ist die Ausbildung von Brand-
rissen in solchen Bereichen des Werkzeugs, welche eine Funktions- oder Sichtfläche
64
Grundlagen und Stand der Technik
65
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
66
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Das Versuchswerkzeug
Das Werkzeugkonzept, welches um das Gussteil herum gestaltet wurde, ist im Zuge
der Arbeiten von Queudeville [15] entstanden und basiert auf dem postulierten Mo-
dularisierungsansatz. Der Schwerpunkt liegt dabei bei einem hoch variablen und
modularen Aufbau, der darüber hinaus auf möglichst viele Standardkomponenten
zurückgreift. Das für diese Arbeit verwendete Werkzeug verfügt in der beweglichen
Formhälfte über fünf und in der festen Formhälfte über vier individuell austausch-
bare Einsätze (siehe Abbildung 4-2). Die Geometrie des Ambosses und des Gießlau-
fes können auf diese Weise unabhängig voneinander und unabhängig vom Gussteil
modifiziert bzw. ausgetauscht werden. Über das integrierte Vakuumventil vom Typ
Supervac Medio der Firma Fondarex ist zusätzlich ein vakuumunterstützter Druck-
gießprozess realisierbar.
67
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
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Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
69
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Das Messkonzept
Die Gestaltung des Messkonzeptes zielt in erster Linie darauf ab, den Einfluss des
Prozesses auf das Werkzeug, dessen Temperaturhaushalt und die Temperierung zu
ermitteln. Gleichzeitig soll eine umfassende Überwachung des Temperiersystems
gewährleistet werden, um wiederum den Einfluss der Temperierung quantifizieren
zu können. Als Messinstrument werden Thermoelemente vom Typ K (NiCr-Ni) ein-
gesetzt. Dieser im Gießereiumfeld bewährte Thermoelemententyp eignet sich hier-
für aufgrund des erfassbaren Temperaturspektrums für den Leichtmetallguss [160;
161]. Das Thermopaar verfügt darüber hinaus über eine mit 370 mV/K vergleichs-
weise hohe Thermoempfindlichkeit, wodurch ihr Messverhalten positiv beeinflusst
wird [162]. Für die Erfassung der Temperaturverteilung in der Ebene sind in den
Kavitätseinsätzen der festen Formhälfte je vier Thermoelemente untergebracht.
Aufgrund der in Abschnitt 3.4.4 geschilderten Problematik von Messungen in der
70
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
71
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
72
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
abweichen kann. Dieser Umstand hängt mit der Länge der Zuleitungen vom Tempe-
riergerät zur Form zusammen und hat einen deutlichen Einfluss auf den Wär-
metransport im Werkzeug.
Insgesamt besteht das Messkonzept aus 28 Messpunkten, welche anhand des fol-
genden Schemas benannt sind:
73
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
74
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Als Datenlogger wird das modulare Messsystem iNET-400 der Firma Omega ver-
wendet. Die Aufzeichnung und Auswertung der Signale erfolgt über die Software
DASYLab.
Die Gießeinrichtung
Für die Versuche ohne variotherme Werkzeugtemperierung wird eine echtzeitge-
steuerte Druckgießanlage der Firma Bühler vom Typ H 630-SC mit einer Schließ-
kraft von 7.000 kN eingesetzt. Die Dosierung wird über einen automatischen Gieß-
löffel der Firma Wollin realisiert. Der Trennmittelauftrag erfolgt ebenfalls über ein
konventionelles Aggregat der Firma Wollin. Das Sprühprogramm wird zur besseren
Vergleichbarkeit der Ergebnisse konstant gehalten. Zur Temperierung werden
Zwei-Kreis-Geräte vom Typ 1602 der Firma Thermobiehl mit einem Fördervolu-
men von 16 l/min genutzt. Als Temperiermedium dient Transtherm 617. Die Ver-
suche zur Variothermie werden auf der zweiten Kaltkammer-Druckgießanlage des
Gießerei-Institutes in Aachen, einer Frech DAK 450-40 mit einer Schließkraft von
5.000 kN durchgeführt. Die Schmelze wird in diesem Fall mittels Meltec-Dosierpi-
pette dosiert, gesprüht wird auch an dieser Anlage mit einem konventionellen
Wollin Sprühaggregat, vergleichbar zur Vorrichtung der Bühler Anlage. Die vario-
therme Öl-Temperierung wird durch ein Aggregat der Firma Single realisiert. Das
Temperiergerät aus der Alternating Temperature Technology (ATT) Reihe wurde
passend für diese Anwendung aufgebaut. Das in Abbildung 4-8 gezeigte Aggregat
verfügt über eine Heizleistung von 36 kW und eine Kühlleistung von 116 kW. Die
Fördermenge hängt stark von den Widerständen im Temperierkanalsystem ab und
kann nicht allgemein angegeben werden, das Gerät verfügt zum Zwecke der Erfas-
75
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
sung über eine integrierte Durchflussmessung. Genutzt wird das Temperieröl Mar-
lotherm SH. Das Funktionsprinzip entspricht dem in Abschnitt 3.3.3 erläuterten
Aufbau, welcher in Abbildung 3-12 schematisch dargestellt wurde.
76
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Der Versuchsplan
Der Druckgießprozess ist hinsichtlich der Vielzahl möglicher Einflussfaktoren als
sehr komplex anzusehen, was sich etwa bei der Betrachtung des Verfahrens unter
dem Gesichtspunkt Industrie 4.0 und der damit einhergehenden Datenanalyse zeigt
[163]. Einen Überblick über die verschiedenen Einflüsse geben Tsoukalas et al. [10],
wenngleich ihre Zusammenstellung nur als grobe Übersicht der potenziellen Quel-
len für Einflüsse gesehen werden kann und weniger als eine konkrete Auflistung der
wichtigsten Stellgrößen. Als Zielgrößen sind, wie bereits dargelegt, Aspekte des
Wärmehaushalts des Werkzeugs und der Bauteilqualität geplant. Im Hinblick auf
diese Zielgrößen existieren diverse Studien, welche den Einfluss bestimmter Pro-
zessparameter zu ergründen suchen [10-12; 164]. Zwar wird der Einfluss der Para-
meter oft kontrovers diskutiert, die offenbar signifikante Bedeutung einiger Fakto-
ren ist unter den Autoren aber oft Konsens. Für die grundlegenden Versuche wer-
den aus dieser Gruppe vier Faktoren zur näheren Betrachtung ausgewählt: die
Schmelzetemperatur im Ofen (𝑇𝑀 ), die Geschwindigkeit des Gießkolbens während
der Formfüllphase (𝑣𝐹 ), die am Temperiergerät eingestellte Zieltemperatur für das
Temperiermedium (𝑇𝑀𝑒𝑑𝑖𝑢𝑚 ) und der Druck (𝑝𝑁 ), welcher während der Nachdruck-
phase appliziert wird. Jeder dieser Faktoren wird auf vier Stufen variiert, die Abstu-
fung erfolgt dabei in regelmäßigen Abständen. Die Minima und Maxima werden ent-
weder in Anlehnung an die Kapazitäten der Gießanlage oder auf der Basis von Be-
rechnungsgrundlagen, wie sie etwa Nogowizin [3] schildert, gewählt. Tabelle 4-2
zeigt die resultierende Matrix der Stufenausprägungen der Faktoren. In den folgen-
den Kapiteln wird die Versuchsbezeichnung analog zur Tabelle in der Form
(𝑇𝑀 | 𝑣𝐹 | 𝑇𝑀𝑒𝑑𝑖𝑢𝑚 | 𝑝𝑁 ) ohne die Angabe der zugehörigen Einheiten erfolgen.
𝑻𝑴 𝒗𝑭 𝑻𝑴𝒆𝒅𝒊𝒖𝒎 𝒑𝑵
Stufe
[°C] [m/s] [°C] [bar]
1 690 0,7 150 100
2 720 1,3 180 250
3 750 1,9 210 400
4 770 2,5 250 600
Um die Versuchszahl, welche bei einem vollfaktoriellen Design bei 256 liegen
würde, zu reduzieren, wird auf ein Versuchsplandesign nach Taguchi zurückgegrif-
fen. Mit einem derartigen Versuchsplan wird zwar die Aussagekraft begrenzt, die
Haupteffekte, um welche es vornehmlich gehen soll, können auf diese Weise aber
77
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
betrachtet werden. Ergänzend dazu werden die Faktoren Nachdruck und Medien-
temperatur auch vollfaktoriell betrachtet, da Ihnen der größte Einfluss auf die Tem-
perierungsthematik, welche im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, bescheinigt wird.
Die Faktoren Schmelzetemperatur und Kolbengeschwindigkeit werden dabei auf
der zweiten Ausprägungsstufe belassen. Als Gusslegierung wird mit der
AlSi9Cu3(Fe) eine typische Druckgusslegierung genutzt. Die übrigen Prozessgrö-
ßen werden möglichst konstant gehalten und finden sich mitsamt den detaillierten
Versuchsplänen im Anhang (Tabelle 10-1 bis Tabelle 10-3). Im Folgenden werden
die anzuwendenden Analysemethoden zur Bestimmung der Gussteilqualität vorge-
stellt.
78
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Abbildung 4-9: Probenentnahmestelle und Probenform für die Bestimmung der me-
chanischen Eigenschaften nach DIN EN ISO 6892-1 [165].
Auf eine Bestimmung der Härte in Abhängigkeit der Prozessführung wird auf Ba-
sis der Ergebnisse von Vorversuchen verzichtet. Zwar konnte eine geringfügige
Schwankung der Härte in Abhängigkeit von der Wandstärke bestimmt werden, eine
Abhängigkeit von Prozessparametern ließ sich jedoch nicht feststellen. Insgesamt
lagen die Schwankungen der ermittelten Werte im Bereich der Messungenauigkeit
des verwendeten Messverfahrens.
79
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Abbildung 4-10: Anfahrpunkte für die Definition der zu messenden Ebene (1-4)
sowie der Ausrichtung der Platte im Raum (5-7) und Messraster für die
Ebenheitsmessung mittels Koordinatenmessmaschine.
Die auf dem Raster erhobenen Messwerte bzw. ihre Abweichung von der aufge-
spannten Soll-Ebene werden in Form des arithmetischen Mittels zusammengefasst
und als Ebenheitswert in die Einflussbetrachtung einbezogen. Der Bauteilverzug
wird ergänzend zu dieser Messung mit Hilfe der Weißlichtstreifenprojektion und
dem Abgleich mit der CAD-Geometrie ermittelt. Zum Einsatz kommt ein System der
Steinbichler Optotechnik GmbH, ein COMET 5 Eco. Zur Verbesserung der Mess-
genauigkeit werden die Proben vor der Messung mit CaO-Spray vorbehandelt. Nach
dem Scan des Real-Gussteils erfolgt mit Hilfe der Software Polyworks ein Abgleich
mit der Soll-Geometrie. Dabei wird zum einen an ausgewählten Referenzpunkten
der Absolutwert der Abweichungen bestimmt, zum anderen wird die Abweichung
auch ganzflächig dargestellt. Aufgrund des sehr hohen Prüfaufwandes kann dieses
80
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Verfahren nur ergänzend verwendet und nicht vollumfänglich auf den Versuchs-
plan angewandt bzw. zur quantitativen Bewertung der Einflüsse genutzt werden.
81
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
82
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Werkzeug entstehen, kann somit gefolgert werden, dass die eingestellte Tempera-
tur auch am Werkzeug ankommt.
Dieses Bild ergibt sich analog auch für die anderen als stabil zu bewertenden Ka-
näle. In Abbildung 4-11 sind zudem die Zeitpunkte der durchgeführten Abgüsse in-
nerhalb des Betrachtungszeitraums aufgetragen. Erkennbar ist in diesem Zusam-
menhang eine leichte Drift der mittleren Medientemperatur, welche mit der Wär-
mezufuhr durch den Gießvorgang im Einklang steht. Da die Drift innerhalb der Re-
gelgrenzen und auch in einem auf 5 K festgelegten Temperaturfenster bleibt, ist da-
von auszugehen, dass die für die Simulation zu treffende Annahme einer konstan-
ten, vom Prozess unbeeinflussten Medientemperatur zulässig ist. Umgekehrt kann
bei starken Schwankungen der Medientemperatur, den bereits erläuterten Instabi-
litäten, ein deutlicher Einfluss auf die Temperaturen im Werkzeug nachgewiesen
werden. Abbildung 4-12 zeigt ergänzend zu Abbildung 4-11 die eingehende Medi-
entemperatur des in dieser Versuchsreihe instabilen Kanals auf der rechten Seite
der festen Formhälfte (maximale Schwingungstiefe 23 K) sowie die resultierende
Temperatur im Werkzeugeinsatz. Die stabile Seite wird dabei durch die schwarze
83
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Zwischen linker und rechter Werkzeugseite konnte für die stabilen Versuche eine
geringfügig höhere Medientemperatur auf der jeweils linken Werkzeugseite festge-
stellt werden. Deutlicher sind die Unterschiede, welche zwischen beweglicher und
fester Formhälfte feststellbar sind: Die feste Formhälfte weist eine im Schnitt 5 K
höhere Eingangstemperatur auf. Es ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass
84
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
85
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Die Homogenität des Temperaturfeldes bzw. inwiefern diese durch den Prozess
beeinflusst wird, lässt sich durch die Temperaturdifferenzen zwischen den einzel-
nen Messpunkten ermitteln. Auf Basis dieser Werte lässt sich aus dem Versuchsplan
heraus die Bedeutung der Parameter anhand des zu errechnenden p-Wertes beur-
teilen. Liegt dieser bei ≤ 5 %, so wird der entsprechende Einfluss des betrachteten
Faktors als signifikant angesehen. Tabelle 4-4 zeigt die Ergebnisse dieser Analyse
für je vier Differenzen pro Werkzeugseite. Die Ergebnisse zeigen einen direkten Zu-
sammenhang der eingestellten Medientemperatur und der Homogenität der Tem-
peraturverteilung auf. Das Minimum der Differenzen wurde bei einer Medientem-
peratur von 210 °C erreicht.
86
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Tabelle 4-4: Ermittelte p-Werte zur Beurteilung des Prozesseinflusses auf die
Homogenität der Temperaturverteilung.
Der nicht vorhandene Einfluss der übrigen Einflussgrößen war in dieser Form zu
erwarten. In Abschnitt 3.4.4 wurde der Einfluss der Füllgeschwindigkeit und des
Nachdruckes hinsichtlich des Wärmeüberganges bereits diskutiert und für Guss-
teile ähnlich dem untersuchten als vernachlässigbar bewertet. Das vergleichbare
Ergebnis der Studie lässt sich daher auf der Basis dieser Erkenntnisse erklären. Die
Zusammenhänge zwischen Überhitzung im Ofen und Schmelzetemperatur beim
Schuss wurden ebenfalls bereits in Abschnitt 3.3 erläutert und die fehlenden Wech-
selwirkungen erklärt. Eine ähnliche Ergebnislage wie für die Homogenität ergibt
sich auch für die Temperaturspitzen, welche am besten anhand der Messwerte an
FLTf1 und FRTf1 beurteilt werden können. Diese Messstellen liegen maximal dicht
unter der Formoberfläche (Abstand 1 mm), die Ansprechzeit der verwendeten
Thermoelemente ist aufgrund ihrer geringen Dicke minimal. Für beide Messstellen
kann mit einem p-Wert von 0,009 (FLTf1) bzw. 0,007 (FRTf1) von einem signifikan-
ten Einfluss der voreingestellten Medientemperatur ausgegangen werden. Im Hin-
blick auf die restlichen Faktoren kann der nicht festzustellende Einfluss analog zur
Temperaturhomogenität erklärt werden. Besonders deutlich wird der Einfluss bei
der Betrachtung der maximalen gemessenen Temperaturen im Abstand von 1, 3
und 6 mm von der Kavitätsoberfläche an der Messstelle FLTf (Abbildung 4-14).
87
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Der Gradient zwischen den Messwerten nimmt dabei von der maximalen zur mi-
nimalen Einstellung von 24,7 K/mm auf 20,8 K/mm zwischen 1 und 3 mm bzw. von
12,9 K/mm auf 12,2 K/mm zwischen 3 und 6 mm leicht ab. Der deutlich größere
Gradient in der Nähe der Kavität deckt sich dabei mit den Ausführungen in Ab-
schnitt 3.3.2. Wichtig für die korrekte Modellierung des Sprühprozesses ist die zu-
sätzliche Erkenntnis, dass sich das für die Versuche gewählte Sprühprogramm vor
allem in den tieferen Schichten kaum noch auf die Temperatur auswirkt (siehe Ab-
bildung 4-15)
88
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
4.3.2. Porosität
Die Ergebnisse der Dichtemessung nach dem archimedischen Prinzip zeigen eine
durchschnittliche Gussteilporosität von 5,5 % für die durchgeführten Versuche auf.
Dieser relativ hohe Wert ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Abschaltung des
Vakuumventils während der Versuche zurückzuführen. Die Abschaltung des Ventils
war aufgrund der Störanfälligkeit notwendig geworden. In Kombination mit einem
Entlüftungssystem, welches für den vakuumunterstützten Guss gestaltet worden
ist, erhöht sich auf diese Weise die Menge der eingeschlossenen Luft überdurch-
schnittlich. Abbildung 4-16 zeigt das Haupteffektdiagramm für die Auswirkung der
untersuchten Faktoren auf die Gesamtporosität bzw. die Gussteildichte.
89
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Abbildung 4-16: Haupteffektdiagramm zum Einfluss der Faktoren auf die Gussteil-
porosität.
90
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
eine repräsentative Auswahl von jeweils 2 geröntgten Proben. Der abgetrennte An-
guss wird durch die ergänzten Pfeile repräsentiert.
Gut zu erkennen ist die bei allen Parametereinstellungen ähnliche Verteilung der
Poren im Bauteil. Die Reduktion des Porenvolumens durch die Erhöhung des Nach-
drucks ist auch in dieser Untersuchung deutlich zu erkennen. Diese Verteilung war
auf der Basis von vorab durchgeführten Simulationen zu erwarten [166]. Da der
Nachdruck besonders stark auf nicht schrumpfungsbedingte Porosität wirkt, wel-
che durch verstärkten Gas- bzw. Lufteinschluss hervorgerufen wird, ist davon aus-
zugehen, dass die starke Wirkung des Nachdrucks auf die hohe Gesamtporosität an-
dere Effekte während der durchgeführten Versuche überdeckt.
91
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
4.3.3. Mikrostruktur
Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben, soll auch die Analyse des Gefüges vorwiegend
quantitativ erfolgen, damit eine quantitative Auswertung und die Ermittlung statis-
tischer Kenngrößen möglich werden. Aufgrund der verwendeten Legierung ist in
diesem Zusammenhang zunächst die Klärung darüber wichtig, inwiefern die Korn-
größenbestimmung nach einer Barker-Ätzung sinnvoll durchgeführt werden kann.
Abbildung 4-18 zeigt deutlich, dass ein Unterschied zwischen den Kristallorientie-
rungen im eingesetzten Vormaterial möglich ist. Die aus den Gussteilen entnom-
mene Probe zeigt dagegen ein anderes Bild: In Kombination mit der raschen Abküh-
lung der Schmelze im Werkzeug zeigt sich hier der hohe Anteil eutektischer Körner
als kritisch für diese Art der Analyse. Auf der Basis dieser Erkenntnis wurde die
Korngrößenbestimmung für die Generierung von Kennwerten für die statistische
Analyse verworfen. Für die weiteren Untersuchungen wurde dementsprechend auf
eine Ätzung der Proben verzichtet.
Abbildung 4-18: Ergebnisvergleich der Ätzung nach Barker für das Ausgangsmate-
rial (links) und die hergestellten Proben (rechts).
Mit Blick auf Abbildung 4-19 wird schnell deutlich, dass das resultierende Gefüge
auch eine Beschreibung über den DAS nicht zulässt. Infolgedessen erfolgt die Beur-
teilung der Ergebnisse qualitativ. Festzustellen ist die typische Ausbildung einer
Randschicht mit einem vergleichsweise feinen Gefüge, was auf die Abkühlbedingun-
gen bei direktem Werkzeugkontakt zurückzuführen ist. Die primären α-Dendriten
und das fein ausgebildete, korallenförmige Eutektikum sind charakteristisch für
den schnell erstarrenden Randbereich von Druckgussbauteilen. Mit zunehmender
Dicke des Gussteils wird dieser Effekt in der betrachteten Bildreihe geringer, der
Unterschied zur Plattenmitte nimmt ab und auch das Gefüge der Randzone verän-
dert sich. In der Probenmitte zeichnet sich besonders deutlich die Veränderung der
92
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Gestalt des Eutektikums ab: So tritt in den dünnen Bereichen vornehmlich eine fein-
gliederige Korallenform auf, wohingegen in den dickeren Plattenbereichen ein eher
grobes, plattenförmiges Gefüge zu erkennen ist. Eine solche Vergröberung des eu-
tektischen Siliziums kann die mechanischen Eigenschaften der Proben negativ be-
einflussen, da die Kerbwirkung plattenförmiger Strukturen als höher zu bewerten
ist als die korallenförmiger Strukturen [167]. Dieser Aspekt der Studie wird im fol-
genden Abschnitt näher beleuchtet werden.
Abbildung 4-19: Ausbildung des Gefüges in Bereichen der Probengeometrie mit un-
terschiedlicher Dicke aus Versuch (720 | 1,3 | 250 | 600).
Neben der Gussteildicke beeinflussen auch die Überhitzung der Schmelze sowie
die voreingestellte Medientemperatur die Ausbildung des Gefüges. Abbildung 4-20
zeigt beispielhaft das Gefüge für eine Probe mit geringen Werten für beide Größen
(links) bzw. mit hohen Werten (rechts). Beide Aufnahmen wurden im Bereich der
Probenmitte aufgenommen.
93
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
94
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
dessen über die Versuche hinweg konstant. Proben, welche die in der Norm festge-
legten Grenzwerte erreichen, konnten nur mit einem Nachdruck von 400 bar auf-
wärts sicher hergestellt werden. Bei geringeren Nachdrücken wurden die geforder-
ten Werte nur in Ausnahmefällen erreicht. Abbildung 4-21 zeigt den Einfluss der
Porosität auf die Zugfestigkeit und die Bruchdehnung auf. Der aufgebrachte Nach-
druck sinkt dabei von 600 bar auf der linken Seite gemäß der definierten Versuchs-
stufen auf 400 bar, 250 bar und schließlich 100 bar auf der rechten Seite des Dia-
gramms ab. Die detektierte, festigkeitssteigernde Wirkung kann recht eindeutig auf
die Reduktion der Porosität aufgrund des erhöhten Nachdruckes zurückgeführt
werden. Ein ähnlicher Mechanismus wäre auch hier, analog zu den Ausführungen
in Abschnitt 4.3.2, für die Kolbengeschwindigkeit zu erwarten gewesen, aufgrund
des fehlenden Einflusses auf die Porosität kann aber auch ein Einfluss auf die me-
chanischen Eigenschaften nicht detektiert werden.
In vergleichbarer Weise ist auch eine Beeinflussung durch die Faktoren 𝑇𝑀 und
𝑇𝑀𝑒𝑑𝑖𝑢𝑚 über den Mechanismus der Gefüge-Modifikation zu erwarten. Im vorange-
gangenen Abschnitt wurde bereits dargelegt, wie die Ausprägung des Gefüges durch
95
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
4.3.5. Konturtreue
Inwiefern gefertigte Gussteile der angestrebten Soll-Geometrie entsprechen, kann
auf verschiedenen Wegen überprüft werden. Im Folgenden sollen die Ergebnisse
der in Abschnitt 4.2 vorgestellten Prüfverfahren vorgestellt werden. Grundsätzlich
konnte im Zuge der taktilen Ebenheitsmessung eine charakteristische Vertiefung an
den Platten im Bereich des Anschnitts festgestellt werden (vgl. Abbildung 4-22;
Links). Des Weiteren muss festgehalten werden, dass die Art der Messung und die
damit einhergehende Aufspannung der Referenzoberfläche zu Problemen führen
kann, falls die gewählten Anfahrpunkte in Vertiefungen oder Löchern, also Gussde-
fekten, des Bauteils ansetzen. In diesen Fällen wird die Ebene nicht korrekt aufge-
spannt, was fehlerhafte Ergebnisse, wie sie in Abbildung 4-22 zu sehen sind, zur
Folge hat. Derart fehlerbehaftete Messergebnisse wurden in der weiteren Betrach-
tung nicht mehr berücksichtigt.
96
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Die statistische Auswertung der Ergebnisse führt zu der Erkenntnis, dass kein
Faktor die Ebenheit signifikant beeinflussen kann. Ein tendenziell stärkerer Einfluss
ist erneut im Hinblick auf die Medien- bzw. Werkzeugtemperatur (p-Wert = 0,479)
und den Nachdruck (p-Wert = 0,213) festzustellen. Beide Werte wirken auf die
Ebenheit mit steigenden Stufenwerten positiv und können die Ebenheit um
0,02 mm bzw. 0,04 mm vermindern, bei einer durchschnittlichen Ebenheit von
0,016 mm bei der jeweils minimalen Stufen-Ausprägung. Hinsichtlich des Verzuges
konnte aufgrund des erwähnt hohen Prüfaufwandes und der damit einhergehenden
geringen Probenanzahl keine statistische Auswertung der Messergebnisse erfolgen.
Die im Folgenden beschriebenen Ergebnisse sollen daher vielmehr einen Einblick
in die generelle Verzugscharakteristik des Bauteils geben. Aus Abbildung 4-23 wird
deutlich, dass sich die Ecken der Platten nach oben wölben, wohingegen in der Plat-
tenmitte eine negative Abweichung von der Soll-Geometrie zu verzeichnen war.
Während das Bild gerade für die Platten-Diagonale konstanter Dicke in ihrer Cha-
rakteristik über alle untersuchten Parameterkombinationen sehr ähnlich ist, kann
dennoch keine Aussage zum Einfluss einzelner Parameter getroffen werden.
97
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Hinsichtlich der möglichen Einflüsse auf die Konturtreue der Gussteile sei an die-
ser Stelle erwähnt, dass die im Rahmen der Studie detektierten Abweichungen als
gering einzustufen sind. In diesem Zusammenhang ist eine Betrachtung des Bauteil-
verzugs als Kriterium in Frage zu stellen, da durch den Versuchsaufbau nicht zu ver-
meidende Störgrößen auftreten können, welche in diesem Bereich die systematisch
untersuchten Effekte vollständig egalisieren könnten. Zu nennen ist hier etwa die
manuelle und damit nur bedingt reproduzierbare Entnahme der Gussteile und das
manuelle Abtrennen des Gießsystems nach dem Erkalten des Gusses.
98
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
99
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Zuleitungen tritt hier stets ein Delta von 4 °C auf. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des
Umschaltens sei erwähnt, dass es von der Umschaltung bis zum völligen Austausch
des Mediums im Temperierkreis 12 s dauert. Dieser Umstand spielt für die Model-
lierung kaum eine Rolle, da der Temperaturwechsel im Werkzeug binnen 2 s voll-
zogen ist. Für den praktischen Einsatz bzw. eine automatische Steuerung der Um-
schaltung muss dieser zeitliche Versatz aber berücksichtigt werden, damit der Tem-
peraturwechsel im Werkzeug zum gewünschten Zeitpunkt erfolgt.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Temperatur auch während der Kühlzyk-
len nicht direkt auf den eingestellten Sollwert abfällt bzw. dieser nicht ad hoc auf
Dauer gehalten werden kann. Bei Betrachtung der Werkzeugtemperatur ist ein kor-
respondierendes Abflachen der Kurve nicht zu beobachten. Die deutlichste zu be-
obachtende Abweichung zum Sollwert weist die minimale Öltemperatur auf. Die an-
gestrebten 30 °C konnten hier zu keinem Zeitpunkt annähernd erreicht werden. Zu-
rückzuführen ist dieser Umstand mutmaßlich auf die nicht ausreichend niedrige
Kühlwassertemperatur, welche dem Temperiergerät durch die angeschlossene
Rückkühlanlage zur Verfügung gestellt wird. In der Realität liegt die minimale Tem-
peratur daher bei 50 °C und damit rund 20 °C höher als vermutet. Anders als bei
den vorgestellten, konventionellen Temperiergeräten kann für das verwendete Sin-
100
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
gle Aggregat nicht pauschal ein gewisser Durchfluss angegeben werden, da Wider-
stände im Temperiersystem hier deutliche Auswirkungen haben. Anhand des ein-
gebauten Durchflussmessers konnte aber der real auftretende Volumenstrom von
konstant 15 l/min gemessen werden.
Vergleicht man die praktisch ermittelten Temperaturkurven mit simulativ für die-
sen Aufbau bestimmten Werten, so zeigt sich, dass mit den eingestellten Material-
parametern für das Temperiermedium die Kühlwirkung bei einer Öl-Temperatur
von 50 °C deutlich unterschätzt wird. Die Kühlwirkung fällt in der Simulation deut-
lich geringer aus als bei den durchgeführten Versuchen. Dies hängt mutmaßlich mit
der Modellierung der stark steigenden Viskosität bei geringeren Temperaturen in
den verwendeten Datensätzen zusammen. Deutlich besser kann die Realität bei ei-
ner minimalen Öl-Temperatur von 100 °C abgebildet werden. Diese Einstellung
führt dazu, dass die Ergebnisse der Simulation, denen der korrespondierenden Ver-
suche sehr gut entsprechen, vor allem in den für dem Prozess relevantesten Bereich
der ersten 100 Sekunden. Da die ermittelten Werte stets innerhalb des durch die
Versuche aufgespannten Intervalls liegen, wird im Folgenden nur mehr bei der nu-
merischen Bewertung des Prozesses auf diese Parametereinstellung zurückgegrif-
fen. Als Temperaturminimum für das Temperiermedium wird daher im Folgenden
stets von 100 °C ausgegangen.
In Abschnitt 4.4.2 soll anhand von verschiedenen Prozessszenarien die Eignung
des bestehenden Werkzeugkonzeptes für die variotherme Temperierung betrach-
tet werden. Dazu werden Simulationen genutzt, deren Randbedingungen im Hin-
blick auf die in den Abschnitten 4.3.1 und 4.4.1 formulierten Erkenntnisse angepasst
worden sind (siehe Tabelle 10-15).
101
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
otherm temperierten Seite für 500 s aufgeheizt, anschließend für den gleichen Zeit-
raum abgekühlt und anschließend wieder aufgeheizt. Die Öltemperaturen für die
variothermen Temperierkreise liegen dabei basierend auf den Ausführungen in Ab-
schnitt 4.4.1 bei 300 °C für den Heiz- und bei 100 °C für den Kühlschritt. Dieser Ab-
lauf wird in Abbildung 4-25 verdeutlicht.
Im zweiten Szenario wird ein Kühlzyklus simuliert. Dabei wird ein homogen auf
250 °C temperiertes Werkzeug für 500 s auf der variothermen Seite mit einer Öl-
102
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Temperatur von 100 °C temperiert während auf der stationär temperierten Seite
wie im zuvor genannten Szenario eine konstante Öl-Temperatur von 250 °C simu-
liert wird. Das Schema dieses Zyklus zeigt.
Abbildung 4-26: Schematische Darstellung des Kühlen Zyklus für das Zwillingsplat-
ten-Versuchswerkzeug, welcher zur Bewertung der Eignung eines Werkzeugmo-
dells für die Variothermie genutzt wird.
103
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
300
270
Temperatur [°C]
240
210
180
150
120
Zum Ende des Zyklus wird eine Werkzeugtemperatur von 262 °C erreicht, die va-
riotherme Temperierung ist somit bei den gewählten Randbedingungen in der Lage,
aufgeprägte Temperaturänderungen in einem ähnlichen Zeitraum zu egalisieren.
Korrespondierend zu der anhand von Abbildung 4-27 gezeigten Entwicklung zeigt
Abbildung 4-28 die Entwicklung der Temperaturverteilung zu den Umschaltzeit-
punkten der variothermen Temperierung, sowohl für die variotherm als auch für
die stationär temperierte Werkzeugseite im direkten Vergleich.
104
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Für die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens ist letztlich die resultierende Zykluszeit
ein entscheidendes Maß. Im Kunststoffspritzguss sind das Erreichen der Schmelz-
und der Entformungstemperatur die Kriterien, nach denen die Umschaltpunkte de-
finiert werden. Ein ähnliches Vorgehen ist für den Leichtmetall-Druckguss aufgrund
der bereits geschilderten Unterschiede nicht möglich. Zur Definition eines Zyklus
gibt es daher unterschiedliche Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist es, die Dauer der
105
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Heiz- und Kühlschritte anhand der ab- bzw. zugeführten Wärmeenergie im Ver-
gleich zu einer stationären Temperierung zu definieren. Eine Weitere ist der Ansatz
eines Temperaturdifferenz-Kriteriums. Innerhalb eines Zyklus werden die Um-
schaltzeitpunkte dabei anhand des Erreichens eines bestimmten Temperaturdeltas
zwischen stationär und variotherm temperierter Werkzeugseite festgelegt. Wäh-
rend der erste Ansatz nur für eine reine Zykluszeitoptimierung durch die Variothe-
rmie geeignet ist, kann über den zweiten Ansatz neben einer Untersuchung und Op-
timierung der Zykluszeit auch die gezielte Beeinflussung der thermischen Werk-
zeugschädigung mit betrachtet werden. Der kürzest mögliche Zyklus wird dabei im-
mer auch unter dem Gesichtspunkt der Reduktion des Thermoschocks bewertet.
Aufgrund der besseren Übereinstimmung mit den in Kapitel 2 formulierten Hypo-
thesen und Fragestellungen, wird dieser Ansatz in der vorliegenden Arbeit verfolgt.
Die Festsetzung des Kriteriums auf einen Temperaturunterschied von 20 °C zwi-
schen den entsprechenden Messstellen FLTf1 und FRTf1 wurde basierend auf simu-
lativen Voruntersuchungen zur Realisierbarkeit von Temperaturdifferenzen im
vorgestellten Zwillingsplatten-Versuchswerkzeug festgelegt. Aus den in den in Ab-
bildung 4-25 und Abbildung 4-26 dargestellten Zyklen ermittelten Temperaturver-
läufen wird daher die Dauer ermittelt, welche erforderlich ist, damit ein Unter-
schied von 20 °C zwischen variotherm und stationär temperierter Seite an den ent-
sprechenden Messstellen FLTf1 und FRTf1 erreicht wird. Nach dem Heizen, also
zum Zeitpunkt der Formfüllung, sollte das Werkzeug dementsprechend heißer, und
zum Zeitpunkt des Trennstoffsprühens entsprechend kälter sein. Im vorliegenden
Fall ergibt sich die benötigte Heiz-Zeit zu 118,5 s.
106
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
durch Modifikationen des Werkzeugs, wie etwa das Einbringen einer anderen Tem-
perierkanalgeometrie oder der Einsatz alternativer Materialien, das Aufheizverhal-
ten und damit die Temperaturverteilung zu Beginn der Kühlphase im ersten Szena-
rio voneinander abweichen können, wird der Kühlen-Zyklus zur Bewertung der
Kühlwirkung herangezogen. Abbildung 4-29 zeigt den entsprechenden Tempera-
turverlauf für das bestehende Werkzeug in diesem Szenario. Innerhalb von 500 s
fällt die Temperatur um 113,2 °C mit einer durchschnittlichen Kühlrate von
0,21 K/s und einer maximalen Rate von 0,38 K/s zu Beginn des Zyklus. Die Kühlzeit
zur Erfüllung des 20 °C Kriteriums lag bei 86 s. Für beide Zyklen zeigt sich, dass das
bestehende Werkzeug eine gewisse Trägheit hinsichtlich Temperaturwechseln auf-
weist. In der vorliegenden Form dauert es 27,3 s, bis eine Temperaturänderung im
Temperierkreis eine Temperaturänderung von 1 °C an der Werkzeugoberfläche
hervorruft.
260
240
Temperatur [°C]
220
200
180
160
140
120
100
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Zeit [s]
Basierend auf den Ergebnissen der ersten zwei Szenarien ergibt sich die Zyklus-
zeit näherungsweise aus der Addition der benötigten Kühl- und Heizzeit, in diesem
Fall 204,5 s. Die Umschaltung erfolgt dabei um die Reaktionszeit, hier 27,3 s, ver-
setzt, damit die Temperaturänderung genau zum Zeitpunkt die Werkzeugoberflä-
che erreichen kann, an dem sie dort benötigt wird. Die anlagenspezifische Verzöge-
rung, welche in Abschnitt 4.4.1 beschrieben wurde, muss dabei in der Simulation
nicht mit in die Betrachtung einbezogen werden. Ausgangspunkt ist eine homogene
Temperatur von 100 °C im Formrahmen und 200 °C in den Werkzeugeinsätzen
107
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
(siehe auch Tabelle 10-15). Auf der stationär temperierten Seite bleibt die Öl-Tem-
peratur konstant bei 250 °C, die Temperaturführung für die variotherm temperierte
Seite wird in Abbildung 4-30 erläutert.
108
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Im vorliegenden Szenario wird deutlich, dass legt man sowohl für die stationäre,
als auch für die variotherme Temperierung die gleiche Zykluszeit zu Grunde, ein
deutlich größerer Wärmeein- und -austrag durch den Einsatz von Variothermie
möglich ist. Deutlich wird dies durch das Über- bzw. Unterschreiten der Tempera-
turkurve am Messpunkt FRTf1 (Blaue Kurve in Abbildung 4-31) durch die Tempe-
raturkurve am Messpunkt FLTf1 (Rote Kurve in Abbildung 4-31). Wird jedoch das
oben definierte 20 °C-Kriterium als Maßstab für die Prozesssteuerung angelegt,
muss die Zykluszeit aufgrund des über die vier Zyklen geringer werdenden Abstan-
des der Temperaturkurven weiter verlängert werden, um den 20 °C Temperaturun-
terschied aufrecht erhalten zu können. In der vorliegenden Zykluslänge kann aber
bereits ein deutlicher Unterschied im Wärmeein- und -austrag realisiert werden.
Durch die höhere realisierbare Abkühlrate der variothermen Temperierung kön-
nen jedoch ggf. weitere Änderungen am Prozess ermöglicht werden, welche die
109
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Werkzeugstandzeit positiv beeinflussen. Ein mögliches Szenario ist etwa die An-
wendung des Minimalmengensprühens, welches den Wärmeentzug in diesem Pro-
zessschritt weitestgehend ausschließt. Die Auswirkungen eines solchen Vorgehens
auf die Werkzeugtemperatur sind in Abbildung 4-32 dargestellt: Während die
Werkzeugtemperatur auf der stationär temperierten Seite kontinuierlich ansteigt
und über dem Temperaturniveau liegt, welches mit dem Wärmeentzug durch Sprü-
hen einhergeht, bleibt das Temperaturniveau der variotherm temperierten Seite
konstanter und könnte, sofern eine entsprechende Zyklen-Steuerung umsetzbar ist,
auf dem Niveau ohne Trennstoffsprühen gehalten werden.
110
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
4.5. Zwischenfazit
Die vorgestellten Ergebnisse geben einen umfassenden Eindruck von den Charak-
teristika des zu untersuchenden Werkzeugs und der zur Verfügung stehenden Prüf-
und Messtechnik. Die Ergebnisse der Parameterstudie im Hinblick auf den thermi-
schen Haushalt, die Gussteilqualität und die Überprüfung der Eignung des Werk-
zeugs für den variothermen Betrieb zeigen bereits deutliche Tendenzen im Hinblick
auf die in Kapitel 2 formulierten Fragestellungen und Grundhypothesen auf (siehe
auch Tabelle 4-5). Unter Betrachtung der Ergebnisse zum Parametereinfluss und
zur Variothermie wird deutlich, dass eine Auswirkung der Variothermie auf die un-
tersuchten Qualitätsmerkmale am Gussteil im Druckguss nicht zu erwarten ist. Da-
für sprechen zum einen der geringe Einfluss des Faktors Werkzeugtemperatur und
die langsame Ansprechzeit der variothermen Temperierung für den betrachteten
Werkzeugaufbau. Eine Verbesserung der Temperierpräzision ist aufgrund des trä-
gen Ansprechverhaltens des für eine stationäre Temperierung ausgelegten Werk-
zeugs nicht festzustellen. Unter Anwendung des 20 °C-Kriteriums konnte auch eine
Verbesserung der Zykluszeiten nicht erreicht werden. Anhand des variothermen
Heizen-Kühlen-Heizen- und des Kühlen-Zyklus konnte jedoch gezeigt werden, dass
eine Beschleunigung der Wärmezu- und abfuhr durch eine variotherme Tempera-
turführung im Vergleich zu einer stationären auch bereits für dieses Werkzeugmo-
dell möglich ist. Die Tatsache, dass das untersuchte Werkzeug rein für eine statio-
näre Temperierung entworfen worden ist, macht es erforderlich zu ergründen, in-
wiefern in diesem Bereich Verbesserungen möglich sind. Sofern sich der Transport
von Wärme zwischen Werkzeug und Temperiermedium weiter verbessern lässt, ist
auch eine Verkürzung der Zykluszeiten unter Anwendung des definierten 20 °C-Kri-
teriums möglich. Die Ausführungen in Kapitel 3 bezüglich der Optimierungsmaß-
nahmen rund um die Variothermie im Kunststoff Spritzguss lassen hier auf umfang-
reiche Möglichkeiten schließen.
111
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
Grundhypothesen Status
Grundhypothese 1:
Der Druckgießprozess kann durch den Einsatz von variothermer Tem- Falsifiziert
periertechnik im Hinblick auf Temperierpräzision verbessert und die
Zykluszeit verkürzt werden.
Grundhypothese 2:
Eine variotherme Temperierung kann dazu beitragen, die Werkzeug- Offen
standzeit zu erhöhen, indem die Temperaturen im Werkzeug besser an
die Gegebenheiten im Prozess angepasst werden.
Grundhypothese 3:
Der Werkzeugbau in der aktuellen Form ist für eine variotherme Tem- Teilweise
perierung nicht ideal, Verbesserungsmaßnahmen können hier Abhilfe Verifiziert
schaffen und bergen gleichzeitig Potential für konventionelle Fluid-Tem-
perierungen.
Grundhypothese 4:
Variotherme Temperierungen können die Grenzen des Prozesses im
Hinblick auf die Fertigung hybrider Bauteile aus Aluminium und Kunst- Offen
stoff im Druckgussverfahren erweitern und neue Produktgruppen er-
schließen.
Wichtige Schlussfolgerungen lassen sich für die Bewertungsroutine und die nu-
merische Betrachtung des Problems ziehen. Da der Einfluss auf das Gussteil durch
die Temperierung auf den einzelnen Zyklus bezogen als sehr gering zu bewerten ist,
kann eine explizite Betrachtung des Gusses zunächst entfallen, da die Änderungen
im Temperaturhaushalt des Werkzeugs selbst in diesem Kontext die eindeutig
wichtigere Beobachtungsgröße sind. In Abschnitt 4.3 wurde für einzelne Aspekte
bereits auf die Bedeutung für die numerische Simulation hingewiesen. Zusammen-
fassend kann festgehalten werden, dass eine experimentelle Prozess-Parameterstu-
die bei der Betrachtung der Temperierung in diesem Stadium nicht notwendig ist,
da der Einfluss des restlichen Prozesses auf die Temperierung als gering einzuord-
nen ist. Erhobene Messwerte ergänzen und verfeinern zudem die Randbedingungen
für das Simulationsmodell und erlauben eine simulativ begründete Argumentation.
Im folgenden Kapitel soll auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse die Frage nach
Optimierungspotenzialen in der Werkzeuggestaltung im Hinblick auf die variothe-
rme Prozessführung anhand des vorgestellten Werkzeugs im Mittelpunkt stehen.
Die verlängerte Zykluszeit, welche bisher für eine variotherme Prozessführung an-
hand eines 20 °C-Temperaturdifferenzkriteriums benötigt wird (vgl. Abschnitt 4.4),
112
Grundlegende Untersuchungen zum Versuchswerkzeug Zwillingsplatte
zeigt deutlich, dass in diesem Bereich ein wichtiges Arbeitsfeld im Hinblick auf fle-
xible Temperierungen liegt.
113
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
114
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Die Definition bzw. Erläuterung, welche Geometrie bspw. mit der Temperier-Ge-
ometrie Konturnah gemeint ist, erfolgt in den Unterkapiteln, in welchen das ent-
sprechende Werkzeugmodell entwickelt wird.
115
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
ditiven Fertigung bzw. der konturnahen Kühlung im Hinblick auf das bereits umfas-
send vorgestellte Zwillingsplatten-Werkzeug analysiert. Auf diese Weise werden im
Vergleich zu den möglichen Anpassungen in Bezug auf die konventionelle Fertigung
weitere Freiheiten bei der Gestaltung genutzt.
Der Versuchsaufbau
Das für die folgende Studie verwendete Werkzeug wird ebenfalls für die Herstellung
einer Plattengeometrie eingesetzt. Die Platte hat in diesem Fall eine konstante
Wandstärke von 3 mm, ist 280 mm lang und 200 mm breit. Das Anforderungsprofil
an die Gestaltung des Temperiersystems ist somit sehr ähnlich zum bisher unter-
suchten Zwillingsplatten-Werkzeug. Aufgrund der konstanten Wandstärke stellt es
aber eine weitere Vereinfachung dar, welche sich gut zur Überprüfung der Gestal-
tungsrichtlinien eignet. Tatsächlich entspricht die gewählte Geometrie fast zur
Gänze der für die Veranschaulichung der Abstände genutzten Grafiken (vgl. Abbil-
dung 3-8). Die Einsätze des Werkzeugs sind 80 mm stark bei einer Länge von
390 mm und einer Breite von 346 mm. Die Einsätze verfügen über vier Kanäle, wel-
che durch eine Verschlauchung miteinander zu einem durchgehenden Temperier-
kanal verbunden werden. Der Abstand von Kanalmitte zu Kavitätsoberfläche 𝑎 liegt
bei 42 mm. Die Kanäle verfügen über einen Durchmesser von 15 mm und sind in
einem Abstand 𝑏 von 90 mm zueinander angeordnet. Beide Werkzeughälften sind
in Abbildung 5-1 zu sehen. Die Aussparungen im Bereich des Formrahmens, je vier
116
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
auf beiden Seiten pro Werkzeughälfte, dienen der Medienzuführung. Die restlichen
Komponenten dieses Versuchswerkzeugs entsprechen dem allgemein üblichen Auf-
bau, wie er in Abschnitt 3.2 beschrieben wurde.
117
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
118
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Auffällig ist die Tatsache, dass die maximal erreichbare Temperatur der Werk-
zeugoberfläche deutlich unterhalb der eingestellten Medien-Temperatur liegt, was
auch durch eine Aufheizzeit von mehr als fünf Stunden nicht beeinflusst wird. Da
die Temperaturen innerhalb der letzten zwei Messstunden in der Mitte der Kavität
lediglich um 2,8 °C angestiegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass dieser
Umstand nicht mit einer zu früh unterbrochenen Aufheizung in Verbindung zu brin-
gen ist. Vielmehr sind die auftretenden Temperaturverluste am Werkzeug gravie-
rend. Mögliche Ursachen sind die mit acht Metern übermäßig langen Zuleitungen,
aber auch die Aufstellung der Werkzeughälfte auf einer freien Fläche, welche zu
Gunsten einer idealen Positionierung der Wärmebildkamera gewählt worden war.
Die Wärmeverluste dürften im eingebauten und geschlossenen Zustand geringer
ausfallen. Die Messwerte legen aber die Vermutung nahe, dass der Abstand der
119
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Temperierkanäle von der zu temperierenden Oberfläche zu groß ist. Dass auch die
Abstände der Kanäle zueinander Verbesserungspotenzial aufweisen, legen die Be-
reiche tieferer Temperaturen zwischen den Temperierkanälen an der Oberfläche
nahe, welche in der Wärmebildaufnahme zu sehen sind.
Der Durchmesser der Kanäle d wird auf dem aktuellen Stand bei konstant 15 mm
gehalten. Zur Bezeichnung der Parameter siehe auch Abbildungen 3-8 und 5-5. Pa-
rameter a wird vom Ausgangszustand in 5 bzw. 10 mm Schritten bis zur Unter-
grenze von 15 mm (1*d) variiert. Für b liegt der Ausgangszustand deutlich außer-
120
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
halb der Empfehlungen (6*d), dieser Zustand ist angesichts der Messergebnisse er-
kennbar nicht ideal. Da mit der Annäherung der Kanäle an die Kavität ein eher ge-
ringer Abstand zwischen den Kanälen als ideal anzunehmen ist, wird b von 60 mm
(4*d) bis auf 22,5 mm (1,5*d) variiert. Die Einstellung für b=4*d ist dabei wie der
Ausgangszustand außerhalb der Empfehlungen und dient als äußerer Grenzwert
der Betrachtung. Für die Studie werden zunächst immer vier Kanäle entsprechend
der Parameter zueinander angeordnet. Diese Anzahl reicht aus, um lokal aufgelöst
die Effekte und Phänomene anhand der beiden mittleren Kanäle zu beurteilen. Ab-
bildung 5-4 zeigt die Resultate der Simulationsstudie hinsichtlich der Temperatur-
verteilung.
121
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
122
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Abbildung 5-5: Lage der Messpositionen relativ zur Lage der Temperierkanäle für
die simulative Studie zu konventionellen Gestaltungsrichtlinien für Temperierka-
näle anhand des Einzelplattenwerkzeugs.
Die Ergebnisse für die Entwicklung der Maximaltemperatur zeigt Abbildung 5-6.
123
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
124
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
10
8
Temperaturdifferenz [°C]
0
10 15 20 25 30 35 40 45 50
-2
Abstand a [mm]
b = 22,5 mm b = 30 mm b = 45 mm
b = 60 mm b = 75 mm b = 90 mm
Die höchste Temperatur wurde mit 245,2 °C bei der Kombination a=12,5 mm und
b=22,5 mm ermittelt. Dies ist aufgrund der in diesem Fall maximalen Nähe der Ka-
näle zur Kavität und der maximalen Nähe der Kanäle zueinander auch erwartbar.
Schon an diesem einfachen Beispiel zeigt sich jedoch, dass eine Auslegung allein an-
hand dieses Kriteriums als kritisch zu sehen ist: zum einen wäre die resultierende
Anzahl der Temperierkanal-Bohrungen in diesem Fall sehr groß, zum anderen
würde es im Falle der beweglichen Formhälfte zu einer Kollision der Kanäle mit den
tiefer ausfallenden Kavitätsbereichen der Überlaufbohnen kommen. Die geringste
Temperaturdifferenz entfällt auf die Kombinationen a=17,5 mm und b=30 mm, so-
wie a=27,5 mm und b=45 mm und a=37,5 mm und b=60 mm. Es zeigt sich, dass es
für jeden Abstand a einen korrespondierenden Idealabstand b gibt, für den die Tem-
peraturverteilung ihr höchstes Maß an Homogenität erreicht und der Unterschied
zwischen Maximal- und Referenztemperatur nahe Null liegt. Für a > 60 mm liegt
dieser jedoch außerhalb des Versuchsbereichs. Die Kombination, welche bei siche-
rer Umsetzbarkeit eine maximale Temperatur mit einer maximalen Homogenität
gewährleistet, ist folglich für a=17,5 mm und b=30 mm gegeben. Dies berücksichtigt
125
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
jedoch nicht die tiefer liegenden Bereiche der Kavität, in welchen sich die Überlauf-
bohnen befinden. Um hier eine Kollision zu vermeiden, muss für ein realisierbares
Modell auf a=27,5 mm und b=30 mm zurückgegriffen werden, was eine geringfü-
gige Verschlechterung der Homogenität hervorruft. Bereits hier wird die Problema-
tik einer allgemeingültigen Auslegungsmethodik für kavitätsnahe Kanäle deutlich.
Für ein Bauteil dieser Gestalt liegen die Empfehlungen bei a von 2*d bis 3*d und
für b bei maximal 3*d. Die durchgeführte Studie legt nahe, dass diese Empfehlungen
auch aus rein thermischen Gesichtspunkten sinnvoll sind, wenngleich a nach Mög-
lichkeit am unteren Ende des Spektrums liegen sollte, um Medien- und Oberflächen-
temperatur näher zusammen zu bringen und so die Effizienz des Temperiersystems
zu steigern. Als am treffendsten hat sich die Empfehlung erwiesen, a und b ungefähr
gleich groß zu wählen. Die größere Kavitätsnähe bringt jedoch auch Hindernisse mit
sich, welche im folgenden Abschnitt verdeutlicht werden sollen.
126
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Ein weiterer Konflikt lässt sich für dieses Versuchswerkzeug ebenfalls nicht sinn-
voll auflösen: die Positionierung der Anschlüsse für die Temperierung. Die reale
Umsetzung der Geometrie, wie sie hier vorgestellt wurde, ist aufgrund der Gegeben-
heiten im Formrahmen nicht möglich. Hier werden die entstehenden Anschluss-
punkte im Einsatz nämlich durch den Formrahmen verdeckt. Die weitere Betrach-
tung muss daher simulativer Natur sein. Hinsichtlich der Variothermie wurden die
127
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Es wird deutlich, dass die auf Basis einer Optimierung für konventionelles, statio-
näres temperieren gewonnen Erkenntnisse und Schlüsse sich auch positiv auf die
Eignung für die variotherme Temperierung auswirken. Die minimale Temperatur
sinkt von 155,2 °C auf 106,98 °C, wobei sich die Abkühlrate in der Spitze von
0,32 K/s auf 0,94 K/s erhöht. Durch konventionelle Fertigung bzw. Anpassung der
Gestaltungsrichtlinien ist also eine Verbesserung der Adaptivität möglich. Da für
das zu Variothermie-Studien genutzte Zwillingsplatten-Werkzeug noch größere
Restriktionen hinsichtlich der Anschlüsse vorliegen, bietet sich eine Anwendung
der Erkenntnisse für diesen Fall aber nicht an. Zudem entspricht die bestehende
Temperierung ohnehin bereits deutlich eher den Empfehlungen, welche durch die
Studie verifiziert worden sind, als dies für das Einzelplattenwerkzeug der Fall war.
Im folgenden Abschnitt soll daher im Hinblick auf die Zwillingsplatte direkt der
Schritt hin zur konturnahen Temperierkanalgeometrie gemacht werden.
128
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Der Kanal weist analog zum Ausgansdesign einen Durchmesser von 10 mm auf.
Es kann in diesem Zusammenhang davon ausgegangen werden, dass der ursprüng-
lich erreichte Durchfluss von 15 l/min auch für dieses Design erreicht werden kann.
129
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
300
270
Temperatur [°C]
240
210
180
150
120
Die Maximaltemperatur kann in diesem Zyklus von 265 °C auf 283 °C gesteigert
werden, was 94 % der Öltemperatur entspricht. Die Heizzeit zum Erreichen des
20 °C-Kriteriums verkürzt sich von 118,5 s auf nunmehr 34,9 s, eine Reduktion auf
130
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
30 % der ursprünglichen Zeit. Dies wird durch eine maximale Heizrate von 1,1 K/s
(statt 0,33 K/s) bzw. eine durchschnittliche Rate von 0,16 K/s (statt 0,11 K/s) über
den Zeitraum von 500 s möglich. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Kühlzyklus,
welcher in Abbildung 5-12 dargestellt ist: Statt einer minimalen Temperatur von
136,8 °C werden nun sogar 117,3 °C erreicht. Das Kriterium wird mit 25,2 s gut
60,8 s schneller erreicht, eine Zeitersparnis von 70 %. Die Raten verschieben sich in
der Spitze von -0,38 K/s zu -1,14 K/s bzw. im Mittel von -0,21 K/s zu -0,25 K/s an
der Messstelle.
260
240
Temperatur [°C]
220
200
180
160
140
120
100
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Zeit [s]
Konventionell (Modell 4) Konturnah (Modell 7)
Hinsichtlich der projizierten Zykluszeit kann eine Reduktion auf 60,1 s erreicht
werden. Zurückzuführen ist dies auf den stärkeren Wärmefluss von der Kavität zum
Temperierkanal (vgl. Tabelle 3-3) bei einer konturnahen Temperierkanalgeomet-
rie. Diese Zykluszeit liegt zwar nur noch bei etwa 29 % der ursprünglichen für die
Variothermie angenommenen Zykluszeit. Allerdings sind weitere Maßnahmen, wie
sie etwa in Abschnitt 5.2 vorgestellt werden, erforderlich, um die Zykluszeit weiter
zu verringern. Mit der konturnahen Temperierung konnte aber zweifelsfrei eine
deutliche Steigerung der Adaptivität erreicht werden.
131
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Kapitel soll nun die Reduktion der gesamten thermischen Masse des zu temperie-
renden Systems im Vordergrund stehen. Zu diesem Zweck werden zwei Ansätze
verfolgt: die Reduktion der Masse des Einsatzes selbst sowie die thermische Ent-
kopplung des Einsatzes vom restlichen Werkzeug und der Gießmaschine. Für beide
Ansätze werden zunächst unterschiedliche Ausführungsvarianten betrachtet, ana-
lysiert und anschließend auf ihre Eignung hin überprüft.
132
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Abbildung 5-13: Werkzeugmodelle für die generative (links) und die subtraktive
(rechts) Massenreduktion für das Zwillingsplatten-Werkzeug.
133
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
134
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
300
280
Temperatur [°C]
260
240
220
200
180
160
140
120
100
0 250 500 750 1000 1250 1500
Zeit [s]
Vollmaterial (Modell 7)
Topologieoptimiert (Modell 10)
Durch die Reduktion der Masse kann die Dynamik innerhalb der ersten 60 s kaum
beeinflusst werden. Lediglich die Spitzentemperatur kann gesteigert werden, da
nun die gleiche Menge Energie für weniger Werkzeugmasse bereitgestellt wird. Hin-
sichtlich des 20 °C-Kriteriums verschlechtert sich die Dynamik sogar minimal um
2,3 s auf 37,2 s. Dabei ist zu beachten, dass der Abgleich mit einem ebenfalls topolo-
gieoptimierten Einsatz erfolgt, welcher stationär mit 250 °C temperiert wird,
wodurch auch diese Seite von der Massenreduktion profitiert. Die Performance ge-
genüber dem Ausgangsmodell (Modell 4) aus Abschnitt 4.4 wird in Abschnitt 5.3
näher beleuchtet werden. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für den Kühlzyklus,
welcher in Abbildung 5-15 dargestellt ist.
135
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
260
240
Temperatur [°C]
220
200
180
160
140
120
100
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Zeit [s]
Vollmaterial (Modell 7)
Topologieoptimiert (Modell 10)
Die minimal erreichte Temperatur ist mit 109,9 °C gut 7,4 °C geringer als für den
Vollmaterialeinsatz. Auch hier nehmen die ermittelten Raten minimal zu, genauso
wie die Zeit für das Erreichen des 20 °C-Kriteriums. Hinsichtlich der theoretischen,
projizierten Zykluszeit resultiert dies in insgesamt 63,2 s und ist damit geringfügig
langsamer als ohne die Massenreduktion. Aufgrund der grundsätzlich leicht verbes-
serten Raten muss aber der finale Abgleich in Abschnitt 5.3 abgewartet werden, um
die Topologieoptimierung und ihren Nutzen abschließend zu bewerten. Der Um-
stand, dass die Raten positiv beeinflusst werden, spricht dafür, dass unter gewissen
Voraussetzungen eine Verbesserung der Adaptivität erreicht werden kann. Fest
steht, der Nutzen ist weit weniger stark zu erwarten, als dies für die konturnahe
Temperierkanalgeometrie der Fall ist. Da die Massenreduktion aber mögliche Vor-
teile für die Temperierung birgt und darüber hinaus für die Wirtschaftlichkeit der
generativen Fertigung interessant ist, sollte sie nicht verworfen werden.
136
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Masse kommt ihnen aber eine große Rolle zu, wenngleich sie für die Bemühungen
zur Steigerung der Adaptivität eher eine unterstützende Funktion haben dürften, da
ihre Wirkweise grundsätzlich mit den im vorangegangen Abschnitt vorgestellten
Ansätzen zu vergleichen ist. Bezüglich der thermischen Masse werden Isolationen
gezielt dazu eingesetzt, die Werkzeuge von der Gießmaschine bzw. die Einsätze ge-
gen den Formrahmen abzuschirmen. Während die bisher vorgestellten Maßnah-
men eher die Geschehnisse von Zyklus zu Zyklus beeinflussen, kommt bei den Iso-
lierungen vor allem die Langzeitwirkung zum Tragen. Isolationen können dabei
dazu beitragen, den schwer kontrollierbaren Wärmeabfluss in Richtung Formrah-
men und Gießmaschine (vgl. Abbildung 3-5) nahezu komplett zu eliminieren, und
vereinfachen auf diese Weise die Temperier-Aufgabe. Die bisherigen Ausführungen
hinsichtlich des Zwillingsplatten-Werkzeugs beruhten allesamt auf einem isolierten
Werkzeug. Neben den hier eingesetzten Dämmplatten sind jedoch auch andere An-
sätze zur Isolation denkbar, welche es auf ihre Funktionalität hin zu prüfen gilt. Im
folgenden Abschnitt wird daher zunächst ein Versuchsaufbau vorgestellt, welcher
für grundlegende Untersuchungen konzipiert, gebaut und eingesetzt worden ist.
Darauf folgend werden die gewonnenen Ergebnisse für die verschiedenen Strate-
gien vorgestellt und diskutiert. Abschließend erfolgt die Bewertung von Isolationen
bzw. deren Fehlen mit Bezug zu den Variothermie-Prüfszenarien.
137
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
138
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Heizplatte,
Distanzplatte,
Isolations- / Strukturplatte,
Messplatte,
Kühlplatte.
Die Heizplatte simuliert die eintreffende Gießwärme im Prozess und sorgt zusam-
men mit der Senken- bzw. Kühlplatte für den benötigten Wärmestrom im Versuchs-
stand. Grundkörper für die Wärmequelle ist eine 36 mm starke Kupferplatte, wel-
che wie alle weiteren Plattenkomponenten des Aufbaus eine Kantenlänge von
156 mm aufweist. Das unlegierte Kupfer sorgt mit einer Leitfähigkeit von rund
390 W/mK für eine gleichmäßige Homogenisierung des Temperaturfeldes, welches
über vier Heizpatronen eingebracht wird. Die vier verwendeten Heizpatronen ha-
ben einen Durchmesser von 16 mm, sind 130 mm lang und wurden in gleichmäßig
über die Plattenbreite verteilten Bohrungen untergebracht. Maximal können so
Temperaturen von 1000 °C erreicht werden bei einer Heizleistung von bis zu 1 kW
pro Patrone. Die Regelung erfolgt über einen Regler vom Typ Elotech R4004,
wodurch eine konstante Heizleistung oder ein zyklisches Muster vorgegeben wer-
den können. Zur Regelung und Überwachung der Heizung sind vier Thermoele-
mentbohrungen mit einem Durchmesser von 2 mm vorhanden, welche im Betrieb
mit Typ K NiCr-Ni Thermoelementen bestückt werden. Messpunkte in dieser Platte
sind mit einem H gekennzeichnet und in Kombination mit einer fortlaufenden Num-
mer eindeutig benannt. Für die durchzuführenden Messreihen sind diese Messpo-
sitionen allerdings nur für die Steuerung der Heizpatronen und nicht für die Bewer-
tung der Isolationen relevant. Für die Kühlplatte wurde eine 36 mm dicke Platte aus
139
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
1.2343 mit einem Kühlkanal, ähnlich dem in Abbildung 4-3 für das Versuchswerk-
zeug gezeigten, ausgestattet. Material und Art der Wärmeabfuhr wurden bewusst
an die Gegebenheiten im realen Versuchswerkzeug angepasst. Für die Temperie-
rung werden die in Abschnitt 4.1 beschriebenen Thermobiehl Aggregate eingesetzt.
Entlang der Plattenmitte sind erneut drei Messpunkte eingebracht, welche gleich-
mäßig über die Plattendicke verteilt sind. Auch hier kommen, wie auch bei allen fol-
genden Messpunkten, NiCr-Ni Elemente mit einem Durchmesser von 2 mm zum
Einsatz. Die Messpunkte in dieser Platte sind mit einem K gekennzeichnet.
Neben den für den Wärmefluss benötigten Komponenten gibt es noch zwei wei-
tere Platten, welche für die Versuchskonfiguration benötigt werden. Die Distanz-
platte (Messstellenkennzeichnung D) verfügt über drei entlang der Plattendicke in
der Plattenmitte angeordnete Messstellen und repräsentiert die Masse des Werk-
zeugeinsatzes. Die 22 mm dicke Platte ist im Gegensatz zu den restlichen Platten
längsgeschliffen, was die Oberflächenrauheit von 1,6 µm auf 0,8 µm verringert und
so einen möglichst verlustarmen Wärmeübergang zum Kupfer bzw. zur Isolations-
platte ermöglicht. Der Formrahmen als Wärmesenke wird im Versuchsaufbau über
eine 46 mm dicke Messplatte (Kennzeichnung M) abgebildet. Sämtliche für die Aus-
wertung verwendeten Messpunkte des Versuchsstandes sind schematisch in Abbil-
dung 5-17 dargestellt. Die Messstellen liegen dabei jeweils in der Mitte der Platte
140
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Kernpunkt der Betrachtung während der Versuche sind die Isolations- bzw.
Strukturplatten und ihre Wirkung auf den thermischen Haushalt des Versuchsauf-
baus respektive eines Gießwerkzeugs. Die grundsätzliche Wirkung von Isolations-
materialien konnte für das Zwillingsplattenwerkzeug bereits von Queudeville [15]
gezeigt werden. Hinsichtlich der erreichbaren Druckfestigkeiten bei erhöhten Tem-
peraturen kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die verfügbaren Materi-
alien ausreichend stabil sind und bei Temperaturen von bis zu 200 °C in der Region
der verwendeten Stähle liegen. Unter rein mechanischen Gesichtspunkten ist der
Einsatz daher realisierbar. Mögliche Deformationen oder Probleme aufgrund der
141
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
λStrukt. = (1 − β) ∗ λ (5.1)
Entscheidend ist daher aus thermischer Sicht weniger die genaue Struktur der
Aussparungen als vielmehr das Ausmaß der Reduktion der Kontaktfläche, weshalb
aus den genannten Gründen auch in diesem Fall auf die Taschengeometrie zurück-
gegriffen werden sollte. Untersucht werden dabei Taschen-Typen mit einer Ta-
schentiefe von 8 bzw. 16 mm und einer verbleibenden Restkontaktfläche von 25
bzw. 50 % im Vergleich zur Vollmaterial-Referenzplatte. Dies führt gemäß Formel
(5.1) zu einer Verringerung der Leitfähigkeit von 27 W/mK im Vollmaterial auf
13,5 W/mK bei 50 % und auf 6,75 W/mK bei 25 % Restoberfläche. Die Benennung
der Taschenstrukturen erfolgt dabei nach dem Schema Restkontaktfläche-Taschen-
tiefe-Platte, also bspw. 50-16-Platte für eine Restkontaktfläche von 50 % bei 16 mm
Taschentiefe. Alternativ wird auch eine drastische Reduktion der Kontaktfläche auf
unter 1 % der Ausgangsfläche bei annähernd gleichbleibendem Plattenvolumen un-
tersucht. Dies wird durch die Positionierung von 100 Kalotten auf der Platte er-
reicht. Aufgrund dieser Gestaltung verringert sich der leitende Querschnitt auf ein
142
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Minimum, was den thermischen Widerstand aufgrund der Einschnürung (vgl. Ab-
schnitt 3.4.3) deutlich erhöht. In Kontakt mit der benachbarten Platte treten in die-
ser in Abbildung 5-18 dargestellten Konfiguration nur die Spitzen der auf der Platte
untergebrachten Kalotten.
143
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Für die Versuche wird der Versuchsstand mit Hilfe der Kühlplatte zunächst stets
auf eine homogene Temperatur von 50 °C gebracht. Anschließend wird die Heiz-
platte eingeschaltet, wobei eine konstante Gesamtleistung von 1 kW vorgegeben
wird. Die Fluidtemperatur wird währenddessen auf 55 °C eingestellt. Als Vorspan-
nung wird eine Last von 100 kg aufgebracht. Aufgrund der thermischen Ausdeh-
nung der Platten steigt dieser Wert dann im Laufe der Messungen an. Wenn sich
nach zwei Stunden ein stabiles Temperaturprofil eingestellt hat, werden anhand
dieses Profils die Auswertungen vorgenommen. Den schematischen Ablauf des Auf-
heizzyklus zeigen Abbildung 5-20 und Tabelle 10-18.
Jede Messung wird dabei zur Absicherung der Ergebnislage zweimal durchge-
führt. Begleitet werden die Versuche durch Abaqus Simulationen, um Wärme-
ströme und resultierende Kenngrößen ermitteln zu können, welche nicht direkt ge-
messen werden können, wie etwa Wärmeströme.
144
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Auswertung der Performance einzelner Strukturen wird später das erwähnte Tem-
peraturprofil zum Ende des Heizzyklus verwendet. Daher erfolgt auch die Beurtei-
lung anhand dieses nach zwei Stunden aufgenommenen Temperaturprofils. Die re-
lative Standardabweichung, welche bei diesen Messungen festgestellt wurde, lag im
Schnitt unter 1 % und schwankte Absolut um nicht mehr als 2 °C. Der Messaufbau
kann daher grundsätzlich als stabil angesehen werden, weshalb die zweifache Mes-
sung jeder Struktur für eine ausreichende Datenlage sorgen sollte. Neben der guten
Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bei konstanten Randbedingungen konnten drei
mögliche Hauptfehlerquellen im Hinblick auf die weiteren Versuche identifiziert
werden, welche es daher zu überwachen und möglichst zu meiden gilt. Zunächst
muss die äußere Silikat-Wolle-Isolation bei jeder Neuanordnung des Plattenpaketes
möglichst vergleichbar wieder angebracht werden. Des Weiteren sind vor allem die
Vorlauftemperatur des Temperieröls und die eingestellte Vorspannkraft sorgfältig
zu prüfen.
Die isolierende Wirkung der strukturierten Platten führt zu einer Erhöhung vor
und einer Verminderung der Temperaturen hinter der Struktur. Dieses Phänomen
kann am besten durch die Messstellen I1, direkt vor der Struktur, in der Isolations-
platte und M1, direkt hinter der Strukturplatte, nachvollzogen werden. Abbildung
5-21 zeigt exemplarisch die Temperaturverläufe an diesen Messstellen für die Re-
ferenzplatte mit Kreuzschliff (Rq = 1,6 µm) sowie die beiden effektivsten Strukturen,
die Kalottenplatte und die Taschenstruktur mit einer Taschentiefe von 16 mm bei
einer Restkontaktfläche von 25 % (Kürzel 25-16-Platte). Die Abweichungen von der
Referenz für die nicht aufgezeigten Strukturen fielen entsprechend geringer aus.
Vor der Struktur nimmt die Temperatur von rund 190 °C bei der Referenzplatte um
mehr als 90 °C für die 25-16-Platte und um rund 170 °C für die Kalottenplatte zu.
Auffällig ist der vergleichsweise starke Anstieg im Falle der 25-16-Platte, welcher
erst nach ca. 1.800 s von der Kalottenplatte aufgeholt bzw. übertroffen werden
kann. Dieses Phänomen ist darauf zurückzuführen, dass die Wärmekapazität der
25-16-Platte aufgrund der entfernten Menge an Stahl deutlich verringert ist, was
eine anfangs schnellere Erwärmung begünstigt. Die zu erwärmende Masse der Ka-
lottenplatte ist im Vergleich deutlich größer. Dies zeigt sich auch in der mit
7,9 K/min höchsten Aufheizrate in der 25-16-Platte (vgl. Kalottenplatte mit maxi-
mal 7 K/min). In der Referenzmessung wurden maximal 5 K/min erreicht. Nach der
initialen Aufheizung gewinnt aber die offenkundig stärkere Isolationswirkung der
Kalottenplatte – insbesondere aufgrund der geringen Kontaktfläche - an Bedeutung,
wodurch die erreichbare Maximaltemperatur gesteigert werden kann.
145
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Bereits nach 900 s übersteigt die Heizrate der Kalottenplatte die der 25-16-Platte
und bleibt anschließend auch oberhalb dieser Struktur, wodurch sich auch im Be-
reich der Heizrate die gleiche Rangfolge der Strukturen hinsichtlich der Isolations-
wirkung einstellt. Mit der 50-16-Platte wurde nur mehr eine Rate von 6,5 K/min
erreicht. Die Werte der Strukturen mit einer Taschentiefe von 8 mm liegen jeweils
leicht unterhalb ihres Gegenstücks mit größerer Tiefe, so werden 6,7 K/min (25-8-
Platte) respektive 5,7 K/min (50-8-Platte) erreicht. Die Betrachtung des Tempera-
turprofils nach der zweistündigen Heizphase über den gesamten Messaufbau zeigt
ein vergleichbares Bild. Abbildung 5-22 zeigt neben dem Temperaturprofil für die
Referenzplatte das Profil für die Struktur mit der geringsten Isolationswirkung (50-
8-Platte) sowie mit der 25-16-Platte und der Kalottenplatte die effektivsten, metal-
lischen Strukturen. Auffallend ist, dass die Temperaturen vor der Struktur sich deut-
lich stärker unterscheiden, als dies hinter der Struktur in Richtung der Kühlplatte
der Fall ist. Aber auch hier zeigt sich das gleiche Bild hinsichtlich der Isolationswir-
kung: Durch den Einsatz der Kalottenplatte etwa kann die Temperatur hinter der
Struktur am Messpunkt M1 um 17,4 °C abgesenkt werden. Bezogen auf die Refe-
renzplatte entspricht dies einer Reduktion um 11 %. Direkt vor der Struktur kann
146
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
die Temperatur gar um 178,6 °C, gut 93 %, gesteigert werden. An dieser Stelle wird
der Unterschied zwischen der Kalottenstruktur mit drastisch verringerter Kontakt-
fläche und den Taschenstrukturen besonders deutlich. Für diese fallen die Tempe-
ratursteigerungen mit 48 % (25-16-Platte), 27 % (25-8-Platte), 16 % (50-16-Platte)
und 9 % (50-8-Platte) durchweg deutlich niedriger aus. Dies lässt bereits vermuten,
dass ähnlich zur Massenreduktion durch Taschen (vgl. Abschnitt 5.2.1), auch eine
damit einhergehende Isolationswirkung kaum effektiv eingesetzt werden kann.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass mit einer steigenden isolierenden
Wirkung in diesem Aufbau auch das Ausmaß der Unterschätzung des Effektes zu-
nimmt. Dies hängt mit der Vorlast bzw. der durch die unterschiedliche thermische
Ausdehnung verschiedene Endlast zusammen. Während die Referenzplatte einen
Anstieg von 100 kg auf rund 2.200 kg nach der zweistündigen Heizung mit sich
bringt, erzeugt die 25-16-Platte einen Anstieg auf rund 3.200 kg. Der stärkere Tem-
peraturanstieg vor der Struktur, welcher durch die deutlich geringere Verringerung
der Temperatur hinter der Struktur nicht kompensiert werden kann, ruft also eine
147
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
deutlich größere Ausdehnung des Plattenpaketes und damit eine Steigerung der Be-
lastung hervor. Für die Kalottenplatte war die Zunahme derart groß, dass während
der Messung zweimal manuell von 3.000 kg auf 1.000 kg entlastet werden musste,
um die Lastzelle nicht zu zerstören. Durch den steigenden Druck wird allerdings der
thermische Widerstand an den Grenzflächen verringert (vgl. Abschnitt 3.4.3),
wodurch die isolierende Wirkung reduziert wird. Hier kommt der anfangs erwähnte
Kompromiss hinsichtlich der Spannvorrichtung zum Tragen.
Um die resultierenden Kontaktwärmeüberganskoeffizienten näherungsweise be-
stimmen zu können, wurde der Versuchsstand ergänzend in Abaqus 6.14-1 model-
liert. Für die Wärmequelle und die Wärmesenke konnte für die Simulation auf be-
währte Modelle und Randbedingungen zurückgegriffen werden. Die Modellierung
des Kontaktwärmeübergangs erwies sich als wesentliche Stellgröße für die Anpas-
sung der Simulation an das reale Messregime, vor allem hinsichtlich der eingebrach-
ten Strukturen. Legt man das in Gleichung (3.30) formulierte Mikic-Modell für die
Referenzmessung mit Rq = 1,6 µm und einer Last von 2000 kg an, so liegt der be-
rechnete Wärmeübergangskoeffizient bei 1.067 W/m²K. Mit diesem Wert weichen
die simulierten Temperaturprofile jedoch deutlich von den realen Messwerten ab.
Der Koeffizient wurde in der Folge iterativ angepasst, um die Simulationsergebnisse
in Richtung der Messwerte zu fitten. Die beste Übereinstimmung konnte für einen
Koeffizienten von 8.000 W/m²K erreicht werden, ein Wert der deutlich oberhalb
der Berechnung nach Mikic liegt. Abbildung 5-23 zeigt die resultierenden Tempera-
turverläufe für beide Koeffizienten auf, wobei die Messkurve aufgrund der Überde-
ckung mit der iterativ angepassten Simulation nicht zusätzlich aufgeführt ist. Dieser
Wert ergibt auch für die Strukturen mit 50 % Restkontaktfläche eine gute Deckung.
Für die Platten mit 25 % Restkontaktfläche weichen die Ergebnisse ebenfalls nur
wenig ab, die Ergebnisse legen aber die Verwendung eines Koeffizienten von
10.000 W/m²K nahe.
148
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Für die Kalottenplatte weichen auch hier die Werte deutlich ab, sodass erst mit
einem Koeffizienten von 40.000 W/m²K eine gute Überdeckung erreicht wird. Es
sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass diese Werte keinesfalls als Abso-
lutwert gesehen werden sollten. Sie verdeutlichen lediglich die Größenordnung, in
welcher sich der reale Koeffizient bewegt. Dies gilt vor allem für die Kalottenplatte,
was durch den starken Einfluss der Netzweite auf die Ergebnisse klar wird. Ände-
rungen hier können schnell zu großen Abweichungen im ermittelten Koeffizienten
führen, wenngleich sich die Werte für feine Netze stabilisieren. Aufgrund der gerin-
gen Größe der Strukturelemente haben an dieser Position Veränderungen in der
Vernetzung einen besonders großen Einfluss. Auch wenn die ermittelten Koeffizien-
ten nur einen Eindruck der Wirksamkeit vermitteln können, so können doch die
auftretenden Phänomene anhand der Simulation gut nachvollzogen werden. Allen
Strukturen gemein ist eine unterschiedlich stark ausgeprägte Inhomogenisierung
der Wärmeströme vor und hinter der Struktur. Die Phänomene, welche zu dieser
Ausprägung führen, sind jedoch für Rippen bzw. Taschen und Kalotten unterschied-
lich. Die Flächenreduktion auf 50 % zeigt kaum eine Wirkung auf die Wärmeströme,
ebenso ist die Reduktion auf 25 % nur von untergeordneter Bedeutung. Die damit
149
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
einhergehende Verschlankung der Rippen wirkt sich hier deutlich stärker aus. Die
Temperaturdifferenz, welche sich durch die dünnen Rippen einstellt ist aufgrund
des erhöhten konduktiven Widerstandes größer, als die an der Grenzfläche er-
reichte Differenz, welche aus der Reduktion der Kontaktfläche herrührt. Als Idealfall
ist aus thermischer Sicht eine dünne, im Verhältnis zur Plattendicke lange Rippe an-
zusehen. Diese Form ist aus mechanischer Sicht im Hinblick auf die hohen Drücke
nachteilig. Anders verhält es sich für eine Struktur, wie sie für die Kalottenplatte
verwendet wurde. Durch die drastisch verringerte Kontaktfläche und die starke
Einschnürung der Geometrie steigert sich die simulierte Wärmestromdichte im Be-
reich der Kalotte um den Faktor 100. Dies bedingt allerdings gleichzeitig eine Erhö-
hung des Wärmeübergangskoeffizienten (vgl. Formel (3.25)) um das Fünffache,
wodurch dieser Umstand letztlich eine Widerstandserhöhung um den Faktor 20
hervorruft. Die resultierende isolierende Wirkung ist also trotz der Reduktion noch
eindeutig vorhanden. Weiter unterstützt wird die isolierende Wirkung durch den
konduktiven Widerstand, welcher sich durch den geringen leitenden Querschnitt
erhöht. Die Folge ist eine hohe Temperaturdifferenz innerhalb der Kalottenele-
mente, mit ca. 90 °C ist sie fast doppelt so hoch wie die in den Stegen der Taschen
erreichte. Für Kalottenstrukturen ist es daher sinnvoll, die Strukturen mit möglichst
kleinen Elementen aufzubauen und auf geringer Länge eine maximale Einschnü-
rung zu erzeugen, um den resultierenden Widerstand maximal werden zu lassen.
Auch wenn im Vergleich zum Vollmaterial deutliche Unterschiede erreicht wer-
den konnten, ist die Größenordnung der Verbesserungen für die technische An-
wendbarkeit als kritisch zu sehen. Der Widerstand kann etwa mit der 25-16-Platte
vervierfacht werden, einem Isolationsmaterial kommt sie damit dennoch nicht nahe
genug. Materialien, wie die im Werkzeug eingesetzten Dämmplatten, erhöhen den
Widerstand um etwa den Faktor 90 und senken die Wärmeleitfähigkeit der Kon-
taktschicht auf 0,3 W/mK ab. Zwar bringen strukturierte Metallkomponenten mit
Luft einen sehr guten Isolator mit einer Leitfähigkeit von nur 0,038 W/mK in das
System ein, diese kommt aufgrund der hohen Leitfähigkeit des Metalls aber kaum
zum Tragen. Für eine effektive Dämmung müssten die Widerstände in Reihe ge-
schaltet sein und nicht, wie hier geschehen, parallel. Dass speziell die Taschenstruk-
tur keine Wirksamkeit zeigt, konnte bereits in Abschnitt 5.2.1 unter einer anderen
Zielgröße beobachtet werden. Aufgrund der erwartbar geringen Performance wer-
den die metallischen Strukturen für die Variothermie-Betrachtungen nicht weiter
berücksichtigt. Stattdessen soll der Einfluss der eingesetzten Isolationen bzw. ihr
Fehlen überprüft werden.
150
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
300
270
Temperatur [°C]
240
210
180
150
120
Die auftretenden Unterschiede über den Zyklus fallen insgesamt eher gering aus,
zeigen aber eine durch das Fehlen der Isolation verschlechterte Dynamik auf. Die
maximal erreichte Temperatur nimmt um 8,3 C auf 257 °C ab und liegt damit nur
noch bei 85,6 % der Öltemperatur. Dies war auf Basis der bisherigen Erkenntnisse
zu erwarten. Es sei aber darauf hingewiesen, dass sich der Hauptvorteil erst über
mehrere Gießzyklen hinweg voll entfalten kann, wenn eine größere Wärmemenge
in Richtung des Formrahmens abfließen kann oder eben nicht. Auf diese Weise lässt
151
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
sich erklären, warum der Effekt in der entsprechenden Literatur als stärker darge-
stellt wird, als er in diesem Szenario nachgewiesen werden kann. Die Auswirkungen
auf den Kühlzyklus zeigt Abbildung 5-25.
260
240
Temperatur [°C]
220
200
180
160
140
120
100
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Zeit [s]
Nicht Isoliert (Modell 1) Isoliert (Modell 4)
Der Kühlzyklus profitiert im Gegensatz zum ersten Szenario von einer fehlenden
Isolation. Die minimale Temperatur kann hier um 5,6 °C auf 131,2 °C gesenkt wer-
den, was mit dem stärkeren Wärmeabfluss in den vergleichsweise kalten Formrah-
men zusammenhängt. Wenngleich in diesem Fall der Einsatz von Isolationen zu-
nächst negativ erscheint, ist er insgesamt eher positiv zu bewerten. Im Zuge der bis-
her durchgeführten Studien war stets die Heizperiode als kritisch für die Zielerrei-
chung anzusehen. An dieser Stelle hilft die Isolation des Werkzeugeinsatzes direkt.
Hinsichtlich des Kühlzyklus wird die Performance so zwar zunächst verschlechtert,
auf lange Sicht ist sie aber auch hier insofern von Vorteil, dass der andernfalls kaum
kontrollierbare Wärmefluss in den Formrahmen vermindert wird.
152
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Optionen bei der Wahl des Werkzeugmaterials beleuchtet. Mit dem HTCS-130 der
Firma Rovalma (entspricht Tabelle 5-1: Material HTCS) und dem Anviloy 1350
Werkstoff der Firma Weldstone (entspricht Tabelle 5-1: Material Anviloy) werden
zwei Materialien betrachtet, welche eine höhere Wärmeleitfähigkeit aufweisen als
der bisher ausschließlich betrachtete 1.2343-Stahl (entspricht Tabelle 5-1: Material
1.2343). Auf diese Weise soll mittels realer Konstruktionswerkstoffe untersucht
werden, inwiefern die vorgestellten Maßnahmen noch weiter verbessert werden
können. Die Bewertung anhand der bereits eingeführten Zielgrößen soll letztlich
zusammenfassend darlegen, welche Maßnahmen sich am besten für die Unterstüt-
zung der variothermen Prozessführung eignen. Die zentrale abschließende Frage,
welche es im folgenden Abschnitt zu beantworten gilt, ist, inwiefern die Variother-
mie unter Berücksichtigung der vorgestellten Maßnahmen für den Druckgusspro-
zess vorteilhaft eingesetzt werden kann.
153
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
300
270
Temperatur [°C]
240
210
180
150
120
Hinsichtlich des Einsatzes von Isolationen kann für alle betrachteten Varianten
ein positiver Einfluss hinsichtlich der maximal erreichbaren Temperaturen im
Werkzeug festgestellt werden: Die maximale Temperatur steigt für einen Einsatz
aus 1.2343 von 257 °C um 8,3 °C auf 265,3 °C an (vgl. Tabelle 5-2). Die Zugewinne
liegen für den HTCS-Einsatz mit 9,1 °C und den Anviloy-Einsatz mit 9 °C in einer
ähnlichen Größenordnung. Im gleichen Zug nehmen auch die maximalen und im
Durchschnitt erreichten Heizraten zu, wenngleich die Zugewinne hier nur im Be-
reich von 0,01 bis 0,04 K/s liegen. Hinsichtlich der maximalen Heizleistung eines
Systems kann die Isolation entsprechend, vor allem aufgrund der erhöhten Endtem-
peraturen, als positiv gewertet werden. Auch beim Einsatz von konturnahen Tem-
perierungen können hier Verbesserungen erreicht werden, wenngleich diese etwa
für 1.2343 mit nur 5 °C geringer ausfallen als bei konventionellen Varianten. Grund
dafür ist die im konturnahen Modell größere Distanz zwischen Isolationsplatte und
Temperierung, wodurch die Heizleistung weniger stark durch Maßnahmen auf der
Rückseite des Einsatzes beeinflusst werden. Zudem ist das Temperatur-Grundni-
veau bzw. die Temperaturdifferenz zwischen Temperiermedium und Einsatzober-
fläche geringer. Die Ergebnisse für den Einsatz konturnaher Temperierungen wer-
den an späterer Stelle ausführlicher diskutiert. Hinsichtlich der Dynamik der Tem-
154
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
perierung zeigt sich über den betrachteten Zyklus ein geringfügig negativer Ein-
fluss: So steigt die Zeit für das Erreichen des 20 °C-Kriteriums für den 1.2343-Ein-
satz durch eine Isolation von 116 auf 118,5 s an (vgl. Tabelle 5-2). Für den HTCS-
(+1,5 s) und den Anviloy-Einsatz (+1,2 s) ist dieses Phänomen ebenfalls zu beobach-
ten. Zurückzuführen ist dieses Phänomen darauf, das auch die stationär temperierte
Seite von der Isolation profitiert und es daher länger dauert, ein bestimmtes Tem-
peraturdelta zwischen beiden Einsätzen an den Messstellen FLTf1 und FRTf1 zu er-
zeugen.
Im Vergleich dazu ist der Einsatz von Formwerkstoffen mit höherer Wärmeleitfä-
higkeit als durchweg positiv zu beurteilen. Die Steigerung von 27 W/mK (1.2343)
auf 60 W/mK (HTCS) bzw. 90 W/mK (Anviloy) führt sowohl hinsichtlich der Dyna-
mik als auch der erreichten Endtemperaturen zu einer Verbesserung. Während die
Gewinne im Bereich der Endtemperatur für die isolierten Varianten mit 2,2 °C bzw.
1,7 °C und damit bei weniger als 1 % liegen, ist es vor allem die Dynamik des Tem-
periersystems die profitiert. Die maximale Heizrate kann von 0,33 K/s auf 0,49 K/s
(+48 %) bzw. 0,65 K/s (+97 %) gesteigert werden. Damit einhergehend sinkt die
zum Erreichen des 20 °C-Kriteriums benötigte Heizzeit von 118,5 s auf nur noch
74 s für den HTCS-Einsatz respektive 52 s für den Anviloy-Einsatz. Allein durch die
Anpassung des Materials kann somit eine Zeitersparnis von 56,2 % erreicht wer-
den. Einen Aufschluss über die Effizienz des Systems gibt die Nähe der erreichten
Maximaltemperatur des Einsatzes zur gewählten Medien-Temperatur. Für das be-
stehende Werkzeug liegt dieses Verhältnis bei 88 % und kann durch den Einsatz der
vorgestellten Werkstoffe auf 89 % erhöht werden. Die beschriebenen Auswirkun-
gen der unterschiedlichen Werkzeugmaterialien lassen sich auch auf die Modelle
mit konturnaher Temperierung übertragen. Abbildung 5-27 zeigt die Temperatur-
verläufe für die konturnah temperierten Werkzeugeinsätze. Zur besseren Ver-
gleichbarkeit ist auch der Temperaturverlauf für das Referenzmodell mit aufgetra-
gen.
155
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
300
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Temperatur [°C]
240
210
180
150
120
Vergleicht man Abbildung 5-26 und Abbildung 5-27 miteinander, wird schnell
deutlich, dass der Einsatz einer konturnahen Temperierung sowohl die Maximal-
werte als auch die Dynamik in starkem Maße positiv beeinflusst. Die prozentualen
Verbesserungen, welche für die unterschiedlichen Werkzeugmaterialien erreicht
werden können, sind auch für diese Kanalgeometrie mit jenen für konventionelle
Temperierungen vergleichbar. Im vorliegenden Fall wird durch die konturnahe
Temperierung die Werkzeugmasse zwischen Kavität und Temperierung, die effek-
tive thermische Masse (vgl. Abschnitt 3.3.2), halbiert. Dies führt im Umkehrschluss
zu einer Verdopplung der erreichbaren Heizraten. Die deutliche Gewichtszunahme
durch den Einsatz von Wolfram (vgl. Gleichung (3.12)) wird dabei durch die in ver-
gleichbarem Ausmaß reduzierte Wärmekapazität aus thermischer Sicht fast gänz-
lich egalisiert. Aufgrund dieser Tatsache verhält sich der Einfluss der drei unter-
schiedlichen Materialien analog zur jeweiligen Wärmeleitfähigkeit. Wird zum Refe-
renzmodell einzig die Temperierkanalgeometrie variiert, so kann die erreichbare
Endtemperatur um 17,9 °C auf 283,2 °C und damit auf ca. 94 % der Öltemperatur
156
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
gesteigert werden. In Bezug auf die maximale Heizrate kommt es zu einer Steige-
rung um etwas mehr als 100 % auf 1,1 K/s. Die Heizzeit sinkt gleichzeitig auf 34,9 s
und kann somit auf ein Drittel der ursprünglichen Zeit gesenkt werden. Unter Ver-
wendung von HTCS kann diese sogar auf 22,2 s und bei Anviloy auf 17,3 s gesenkt
werden. Der Einfluss einer Massenreduktion, bezogen auf den Gesamteinsatz, wirkt
sich im Vergleich zur Reduktion der effektiven thermischen Masse durch die Ände-
rung der Kanalgeometrie deutlich schwächer aus. Diese Entwicklung hatte sich be-
reits in den Ausführungen in Abschnitt 5.2.1 abgezeichnet. Grund dafür ist, dass die
gewählte Massenreduktion hinter der Temperierung erfolgt, wodurch der Wärme-
fluss zunächst nicht beeinflusst wird. Erst mit voranschreitender Heizzeit kommt
die Wirkung dieser Maßnahme zum Tragen. Da die Gesamtmasse des Einsatzes ver-
ringert ist, führt ein gleichbleibender Wärmeeintrag an dieser Stelle zu einer stär-
keren Erwärmung des Einsatzes. Während daher die Aufheizraten und Aufheizzei-
ten kaum beeinflusst werden, kann die Gesamteffizienz hinsichtlich der erreichba-
ren Maximaltemperaturen noch einmal um durchschnittlich 7 °C auf rund 290 °C
und damit auf 96,6 % der Medien-Temperatur gesteigert werden.
157
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Der Einfluss der untersuchten Maßnahmen auf die Kühlleistung des Systems ist
bereits auf Basis der Aufführungen zu Abbildung 5-26 und Abbildung 5-27 zu erah-
nen. Abbildung 5-28 zeigt nun die Auswirkungen auf die Temperaturverläufe wäh-
rend des Külen-Zyklus, welche aufgrund der vergleichbaren Startbedingungen für
eine Beurteilung der jeweiligen Maßnahmen besser geeignet sind. Bei der Betrach-
tung der Ergebnisse zeigt sich, dass der Einsatz von Isolationen, unabhängig vom
verwendeten Werkzeugmaterial, während eines Kühlzyklus über 500 s einen nega-
tiven Einfluss auf die Performance hat. Für einen Einsatz aus 1.2343 kann die mini-
mal erreichbare Temperatur durch das Weglassen der Isolation um 5,6 °C auf
131,2 °C gesenkt werden. Ebenso verringert sich die Kühlzeit zum Erreichen des
20 °C-Kriteriums minimal auf 85 s, während die Kühlrate in der Spitze um 0,05 K/s
auf 0,43 K/s ansteigt. Diese Tendenz findet sich in leicht abgeschwächter Form auch
für die zwei zusätzlich betrachteten Materialien (siehe Tabelle 5-3). Grund für das
stärkere Abkühlen bei fehlender Isolierung ist der direkte Kontakt zwischen Werk-
zeugeinsatz und Formrahmen. Im gewählten Szenario führt der mit 100 °C im Ver-
gleich zum Einsatz relativ kalte Formrahmen zu einem merklichen Abfluss der Wär-
meenergie in Richtung des Rahmens. Eine durchweg negative Bewertung von Isola-
tionen in diesem Kontext ist auf dieser Grundlage aber nicht sinnvoll: Zum einen
wird der Gradient zum Formrahmen aufgrund der schnelleren Erwärmung des Rah-
mens bei fehlender Isolation schneller kleiner als beim Einsatz von Isolierungen,
wodurch der Wärmeabfluss eingeschränkt wird. Zum anderen wird bei der Betrach-
tung der Abkühlkurven in Abbildung 5-28 schnell deutlich, dass der vermeintlich
positive Effekt der fehlenden Isolation erst außerhalb des für die Variothermie re-
levanten Zeitfensters greift. Für das Referenzmodell (Modell 4) bspw. nach 100 s,
wobei das Kriterium wie bereits erwähnt schon nach 86 s erreicht wird (siehe Ta-
belle 5-3).
158
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
260
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Temperatur [°C]
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0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Zeit [s]
1.2343 ohne Isolation (Modell 1) 1.2343 mit Isolation (Modell 4)
HTCS ohne Isolation (Modell 2) HTCS mit Isolation (Modell 5)
Anviloy ohne Isolation (Modell 3) Anviloy mit Isolation (Modell 6)
Auch für den Kühlen-Zyklus ist es aber letztlich die Geometrie des Temperierka-
nals, welche die stärkste Wirkung auf die Performance des Gesamtsystems aufweist.
Abbildung 5-29 zeigt die Abkühlkurven für die konturnah temperierten Einsätze im
Vergleich zum Referenzmodell mit einer konventionellen Kanalgeometrie in einem
Einsatz aus 1.2343 und einer Isolation. Durch die konturnahe Temperierung steigen
die Abkühlraten in der Spitze um den Faktor drei auf 1,14 K/s für 1.2343 bzw.
1,43 K/s und 1,66 K/s für die Materialien mit höherer Leitfähigkeit. Dies führt ge-
rade im besonders relevanten Anfangsstadium des Zyklus zu einer deutlich stärke-
ren Abkühlung, wodurch die benötigte Kühlzeit auf 25,2 s bzw. auf 19,1 s und 15,4 s
gesenkt werden kann. Ebenfalls, wenn auch weniger stark, wird die Minimaltempe-
ratur positiv beeinflusst. Sie sinkt etwa bei der Verwendung von 1.2343 nochmals
auf rund 118 °C ab.
159
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
260
240
Temperatur [°C]
220
200
180
160
140
120
100
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Zeit [s]
Konventionell 1.2343 ohne Isolation (Modell 1)
1.2343 Vollmaterial (Modell 7)
HTCS Vollmaterial (Modell 8)
Anviloy Vollmaterial (Modell 9)
1.2343 mit Massenreduktion (Modell 10)
HTCS mit Massenreduktion (Modell 11)
Anviloy mit Massenreduktion (Modell 12)
160
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Tabelle 5-3: Kennwerte für den simulierten Kühlen-Zyklus basierend auf den in
Tabelle 5-1 beschriebenen Modellen.
Einen Überblick über den Einfluss der untersuchten Maßnahmen auf die verschie-
denen Aspekte der variothermen Temperierung gibt Tabelle 5-4, welche die Ergeb-
nisse zusammenfasst. Wesentlich sind dabei die benötigten Zeiten, die erreichten
Endtemperaturen und die Dynamik des aufgeprägten Temperaturwechsels. Ein
sehr starker positiver Einfluss kann der konturnahen Temperierung attestiert wer-
den. Der Einsatz konturnaher Temperierungen bringt in allen vier Kategorien die
größten Zugewinne im Hinblick auf die variotherme Temperierperformance. Dies
hängt mit der Reduktion der effektiven thermischen Masse zusammen, welche
durch die größere Nähe der Temperierung zur Formoberfläche erreicht wird. Durch
die Halbierung dieser Distanz wird auch die effektive thermische Masse annähernd
halbiert, während die thermische Masse (vgl. Gleichung (3.12)) in diesem Fall gleich
bleibt. Resultat dieser Annäherung ist zudem ein gesteigerter Wärmefluss bzw. eine
gesteigerte Wärmestromdichte, welche mit zunehmender Kavitätsnähe bei ansons-
ten gleichen Randbedingungen immer weiter ansteigt (vgl. Tabelle 3-3). Sowohl für
die dynamischen als auch für die statischen Kenngrößen ist die Verbesserung daher
deutlich (siehe Tabelle 5-4). Ebenfalls positiv, wenngleich weniger deutlich ausge-
prägt, sind die Auswirkungen von Materialien mit erhöhter Wärmeleitfähigkeit.
161
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Diese verbessern vor allem das Ansprechverhalten der Werkzeugeinsätze auf Än-
derungen der Temperatur des Temperiermediums. Im Hinblick auf erreichbare
Temperaturen ist die Tendenz ebenfalls positiv, allerdings deutlich schwächer als
beim Einsatz konturnaher Temperierkanalgeometrien. Zu erklären ist dieser Um-
stand durch die Tatsache, dass die höhere Leitfähigkeit zu einer schnelleren Vertei-
lung der eingebrachten Wärmemenge im Einsatz führt. Dies hat wiederum zur
Folge, dass auch der mit dem kälteren Formrahmen in Verbindung stehenden Rück-
seite der Einsätze mehr Wärme zufließen kann, was wiederum die maximal erreich-
baren Temperaturen begrenzt.
Als deutlich weniger förderlich für die variotherme Temperierung des Werkzeugs
haben sich bei den durchgeführten Studien die gewählte Massenreduktion und der
Einsatz von Isolierungen erwiesen. Durch die Reduktion der Masse wird auch die
thermische Masse in gleicher Weise reduziert. Die effektive thermische Masse hin-
gegen wird von dieser Maßnahme nicht beeinflusst, was wiederum zu der fehlenden
Wirkung im Bereich der Dynamik führt. An diesem Umstand ließe sich nur durch
eine Massenreduktion zwischen Temperierkanal und Kavität etwas ändern, was aus
den in Abschnitt 5.2.1 genannten Gründen als kritisch zu bewerten ist. Dennoch
birgt die Reduktion der Masse insofern einen Vorteil, dass durch den gleichen Ener-
gieeinsatz eine höhere bzw. niedrigere Temperatur erreicht werden kann. Die Effi-
zienz des Systems hinsichtlich der Realisierung von möglichst der Medientempera-
tur entsprechenden Oberflächentemperaturen wird somit verbessert. Bezüglich der
Dynamik von Temperierungen ist auch durch Isolation der Einsätze gegen den
Formrahmen keine Verbesserung zu erzielen. Grund dafür ist ebenfalls die kon-
stante, effektive thermische Masse. Die gezielte Reduktion der Einsatztemperatur
wird durch Isolationen sogar erschwert, was auf die Entkopplung vom eher kalten
Formrahmen zurückzuführen ist. Somit ist die ohne Isolation verbesserte Kühlleis-
162
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
tung eher eine Begleiterscheinung und weniger eine effektive, steuerbare Verbes-
serung. Vorteilhaft beim Einsatz von Isolationen ist, dass durch den verminderten
Wärmeabfluss eine höhere Effizienz im Sinne einer höheren Endtemperatur beim
Heizen erreicht werden kann. Insgesamt ist die Auswirkung des Einsatzes von Iso-
lierungen auf die Adaptivität des Systems aber nur sehr gering. Aufgrund der in Ab-
schnitt 3.3.2 und Abschnitt 5.2.2 aufgezeigten Vorteile bei einem Werkzeugbetrieb
über mehrere Zyklen, wie er in der Praxis üblich ist, ist die Verwendung von Isola-
tionen aber dennoch zu befürworten.
163
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
konturnaher Temperierungen aus, deren Einfluss bereits in Abschnitt 5.3.1 als sehr
groß klassifiziert wurde. Ausgehend von der Referenz kann die Zykluszeit allein
durch diese Maßnahme um 71 % auf 60,1 s gesenkt werden. Der Einsatz konturna-
her Temperierungen stellt damit die effizienteste Maßnahme zur Steigerung der
Adaptivität des Gesamtsystems dar. In Kombination mit Materialien mit erhöhter
Leitfähigkeit kann die Performance noch weiter gesteigert werden. Das Optimum
wird schließlich durch den Einsatz einer konturnahen Temperierung in Kombina-
tion mit einer Massenreduktion in einem Anviloy-Einsatz erreicht. Mit 31,2 s, ent-
spricht 15 % der Referenzmodell-Zykluszeit, liegt nun die Zykluszeit unter Berück-
sichtigung des 20 °C-Kriteriums in einer realistischen Größenordnung für die prak-
tische Anwendung.
Prognostizierte
Modell- Temperier- Topologie-
Isoliert Material Zykluszeit
Nr. geometrie Optimiert
[s]
1 Konv. Nein Nein 1.2343 201,0
2 Konv. Nein Nein HTCS 133,0
3 Konv. Nein Nein Anviloy 98,3
4 Konv. Ja Nein 1.2343 205,5
5 Konv. Ja Nein HTCS 134,8
6 Konv. Ja Nein Anviloy 100,0
7 Konturnah Ja Nein 1.2343 60,1
8 Konturnah Ja Nein HTCS 41,3
9 Konturnah Ja Nein Anviloy 32,7
10 Konturnah Ja Ja 1.2343 63,2
11 Konturnah Ja Ja HTCS 42,1
12 Konturnah Ja Ja Anviloy 31,2
164
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
(Modell 7). Zum anderen wird das beschriebene Idealmodell (Modell 12) einer ge-
naueren Analyse unterzogen und hinsichtlich der Prozesseignung analysiert. Abbil-
dung 5-30 zeigt den Temperaturverlauf in der variotherm (FLTf1) und der konven-
tionell (FRTf1) temperierten Seite des Werkzeugs beim Einsatz einer konturnahen
Temperierung. Die Temperaturprofile ähneln in ihrer Gestalt stark denen des Refe-
renzmodells (vgl. Abbildung 4-31), mit Ausnahme der deutlich verkürzten Zyklus-
zeit. Die prägenden Temperaturen kurz vor der Formfüllung und kurz vor dem
Trennstoffsprühen sind aufgrund der Art der Prozessgestaltung vergleichbar. Wird
allein die Temperierungsgeometrie geändert ist daher hinsichtlich der Temperatur-
differenzen an der Werkzeugoberfläche kein deutlicher Unterschied festzustellen.
Zu erkennen ist hinsichtlich der Temperaturdifferenz zwischen den unterschiedlich
temperierten, gleich aufgebauten, Werkzeugseiten eine ähnliche Entwicklung wie
beim Referenzmodell. Während im ersten, gut vorherberechenbaren Zyklus noch
das gewünschte Temperaturdelta erreicht wird, kann dies für die folgenden Zyklen
nicht garantiert werden.
165
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Dieser Umstand ist zum einen der Beschränkungen der Software geschuldet, da
die Zuhaltephase, also die Phase, nachdem das Werkzeug geschlossen, die Schmelze
aber noch nicht dosiert wurde, nur über einen fixen Zeitwert gesteuert werden
kann. Somit kann das gewünschte Delta auf Basis der vorbereitenden Rechnungen
nur für den ersten Zyklus gezielt eingestellt werden. Dies ließe sich nur durch eine
temperaturbezogene Regelung korrigieren. Zum anderen gibt es auch prozesstech-
nische Gründe, welche hier für eine Herausforderung sorgen und selbst durch eine
Software-Adaption nicht zu beheben wären. Grundsätzlich ist für die variotherme
Temperierung eine temperaturbezogene Steuerung über einen Messfühler sinnvoll,
welcher die Drift des Temperaturdeltas potenziell eindämmen könnte. Für eine va-
riotherme Temperaturführung verkompliziert sich die in Abschnitt 3.3 skizzierte
Problematik der korrekten Positionierung des Fühlers aber noch zusätzlich. Grund
166
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
dafür ist die Reaktionszeit, welche von Nöten ist, um durch eine Änderung der Me-
dientemperatur eine Änderung der Oberflächentemperatur zu erreichen. Je nach
Modell schwankte die Reaktionszeit für eine Temperaturänderung von 1 °C an der
Oberfläche zwischen rund 27 s im langsamsten und gut 3 s im schnellsten Fall. Ab-
bildung 5-31 zeigt exemplarisch den Temperaturverlauf in drei unterschiedlichen
Abständen zur Kavität, sowohl bei konventioneller als auch bei variothermer Tem-
peraturführung für das Referenzmodell (Modell 4) mit 27 s Reaktionszeit. Es wird
schnell deutlich, dass die Unterschiede zwischen den Temperaturverläufen in un-
terschiedlichen Tiefen durch die Variothermie über einen Zyklus deutlich komple-
xer voneinander abweichen als für eine konventionelle, stationäre Temperierung.
Die Frage, wo nun ein Fühler idealerweise positioniert werden sollte, wird dadurch
weiter verkompliziert. Wie es das Streuband der Reaktionszeiten vermuten lässt,
gibt es auch hier durch die untersuchten Maßnahmen das Potenzial, die reale, steu-
erungstechnische Umsetzung zu vereinfachen.
Vor allem der Einsatz höher wärmeleitfähiger Materialien kann hier deutlichen
Einfluss nehmen. In Abschnitt 3.2 wurde bereits dargelegt, dass derartige Materia-
lien Gegenstand von Untersuchungen zur Standzeiterhöhung sind, da sie den Tem-
peraturabfluss im Werkzeug, gerade während der Formfüllung, stark beeinflussen
können. Die kurzfristige, starke Erwärmung einer dünnen Randschicht in der Werk-
zeugoberfläche wird hierdurch abgemildert und kann daher zur Reduzierung der
167
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Brandrissbildung beitragen (vgl. Abschnitt 3.5.2). Dies spiegelt sich in den in Abbil-
dung 5-32 dargestellten Temperaturverläufen an der Werkzeugoberfläche für das
Idealmodell wider. Bei der Betrachtung ist darauf zu achten, dass die Zeitachse er-
neut verkürzt ist und nun für alle vier Zyklen zusammen weniger Zeit benötigt wird
als für einen variothermen Zyklus bezogen auf das Referenzmodell. Auffallend ist
die grundsätzlich niedrigere Spitzentemperatur, welche sich für dieses Werkzeug-
modell aufgrund der höheren Leitfähigkeit des Werkzeugmaterials ergibt. Durch
den geänderten Werkstoff und die durch Topologieoptimierung realisierte Massen-
reduktion kann zudem die Temperaturdrift über die Zyklen hin zu höheren Grund-
temperaturen besser kontrolliert werden. Der angestrebte Unterschied zwischen
variotherm und konventionell temperierter Werkzeugseite lässt sich hier erkenn-
bar schneller, innerhalb weniger Sekunden, einstellen.
168
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Bei den bisherigen Ausführungen ist zu beachten, dass es sich stets um einen Ver-
gleich zwischen unterschiedlich temperierte Varianten des gleichen Werkzeugmo-
dels handelt. Dies erklärt die teils relativ geringen Unterschiede zwischen den bei-
den Werkzeugseiten, da stets nicht nur die variotherm temperierte Seite von den
getroffenen Maßnahmen profitiert. Eine schnelle Wärmeabfuhr aus der Werkzeug-
oberfläche und eine geringe thermische Masse sowie eine geringe effektive thermi-
sche Masse helfen auch bei einer konventionellen, stationären Temperaturführung
dabei, etwa eine übermäßige Temperaturdrift zu vermeiden. Um den Unterschied
eines optimierten, variotherm temperierten Einsatzes zum aktuellen Stand der
Technik herauszustellen, ist daher ergänzend zu den bisherigen Ausführungen der
direkte Vergleich unterschiedlicher Modelle erforderlich. Hinsichtlich der in Ab-
schnitt 5.3.1 ausführlich diskutierten Szenarien wirkt sich eine solche Konstellation
direkt auf die Zeit aus, welche zum Erreichen des 20 °C-Kriteriums benötigt wird.
Für das Idealmodell verkürzt sich die Heizzeit nochmals um 3,3 s auf 12,9 s, die
Kühlzeit verringert sich allerdings nur im Bereich von Hundertstelsekunden und
kann als näherungsweise konstant angesehen werden. Die Zykluszeit lässt sich so
auf 27,9 s und damit 13,5 % des Referenzzyklus senken. Wird der auf Basis dieses
Vergleichs ausgelegte Zyklus für beide Konfigurationen zugrunde gelegt, so ergibt
sich der in Abbildung 5-33 gezeigte Temperaturverlauf. Die Unterschiede zwischen
den unterschiedlichen Werkzeugmodellen treten dabei deutlich hervor.
169
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
170
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
einem vertretbaren Bereich stabilisieren. Ähnliches wäre auch durch eine stärkere
Kühlung, etwa durch kaltes Kühlwasser, realisierbar, allerdings würde dies lediglich
zu einer schnelleren Abkühlung führen und das Aufrechterhalten eines hohen Tem-
peraturniveaus vor allem bei Störungen im Prozessablauf wäre nicht möglich. Ab-
bildung 5-34 zeigt auf der Basis des in Abbildung 5-33 gewählten Werkzeugmodells
die Temperaturentwicklung über vier Gießzyklen, wenn die Prozessschritte Trenn-
stoffsprühen und Ausblasen entfallen. Es ist dabei zu beachten, dass eine Anpassung
der Ordinate erforderlich ist, um die steigenden Temperaturen überhaupt noch dar-
stellen zu können. Während für den optimierten, variotherm temperierten Einsatz
relativ schnell ein näherungsweise stabiles Temperaturniveau von 260 °C vor der
Formfüllung eingestellt werden kann, steigt im Referenz-Einsatz die Temperatur
auch im vierten Gießzyklus noch immer deutlich an. Im Schnitt nimmt die Tempe-
ratur hier von Zyklus zwei bis vier um durchschnittlich 25 °C zu. Die Temperatur
verlässt damit sehr schnell den für Aluminiumdruckguss empfohlenen Temperatur-
bereich [6]. Der Verlauf der Temperaturkurve für den variothermen Bereich deutet
zudem auf weiteres Optimierungspotenzial in der Zyklussteuerung hin, da etwa
nach dem dritten Zyklus die Minimaltemperatur vor der Formfüllung bereits sehr
schnell erreicht wird und anschließend für ca. 20 s gehalten wird. Die Vorteil eines
trennstofffreien bzw. eines Minimalmengen-Sprühprozesses und eine entspre-
chende Zyklusoptimierung ist jedoch nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit. Aus-
wirkungen, etwa auf die Standzeit, werden beispielsweise von Müller [102] aus-
führlich diskutiert. Die Ausführungen zeigen aber auf, dass die im Zuge dieser Arbeit
untersuchten Konzepte einen Beitrag in dieser Hinsicht liefern können.
171
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Die Betrachtung der realisierbaren Zykluszeiten zeigt, dass durch passende, kon-
struktive Modifikationen ein bestehendes Werkzeugkonzept in Richtung einer hö-
heren Adaptivität optimiert werden kann. Hinsichtlich der absoluten Zahlen ist aber
zu berücksichtigen, dass die Auslegung des Zyklus und die Bewertung auf einem
20 °C-Kriterium fußen, welches eigens zu diesem Zweck definiert wurde. Sofern ein
kleineres oder größeres Temperaturdelta gewünscht wird, können sich die benö-
tigten Zeiten aber deutlich unterscheiden. Abbildung 5-35 zeigt den Zeitbedarf für
das Erreichen verschiedener Temperaturkriterien für die drei wichtigsten Werk-
zeugmodelle während des Aufheizens. Es sei angemerkt, dass ein 50 °C-Kriterium
für das Referenzmodell auch nach 500 s nicht realisierbar ist. Des Weiteren sind
172
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
auch für die optimierten Modelle keine Differenzen von 60 °C im gleichen Zeitraum
möglich.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für den Kühlzyklus, wobei die erreichbaren
Temperaturunterschiede innerhalb von 500 s hier deutlich größer ausfallen (siehe
Abbildung 5-36). Dies wiederum hängt mit den größeren Temperaturunterschie-
den beim Temperiermedium zusammen: Im Heizzyklus liegen die variotherme
Öltemperatur bei 300 °C und die stationäre bei 250 °C bei einer Einsatz-Start-Tem-
peratur von 200 °C. Im Kühlzyklus ist die Temperatur der stationär temperierten
173
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Seite ebenfalls bei 250 °C, und damit folgerichtig konstant, die variotherme Öltem-
peratur liegt nun mit 100 °C aber deutlich niedriger. Bei einer Einsatz-Start-Tempe-
ratur von 250 °C ist der Unterschied zwischen Einsatz und Medium nun für die va-
riotherm temperierte Seite 150 °C größer.
In beiden Fällen treten vor allem zwischen den optimierten Modellen und dem
Referenzmodell deutliche Unterschiede hervor. Letztlich liegt es im Ermessen des
Gießers, welches Kriterium er für die erfolgreiche Realisierung seines Prozesses be-
nötigt. Die resultierende Zykluszeit kann sich dabei deutlich verlängern, allerdings
ermöglichen die betrachteten Optimierungen hier eine größere Gestaltungsfreiheit.
174
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Dies wird durch den langsameren Anstieg der Zeiten, gerade im Bereich der Küh-
lung, klar. Je nach Kriterium kann somit durch die Optimierung des Werkzeugkon-
zeptes und die Variothermie eine Verbesserung hinsichtlich der Zykluszeit erreicht
werden.
175
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
dehnung pro Zelle. Entscheidend für die Standzeit ist dabei der betragsmäßige Mit-
telwert dieser Größen. Je näher dieser an der Festigkeit des Werkstoffs bei der vor-
herrschenden Temperatur liegt, desto höher ist die Ausfallwahrscheinlichkeit.
Wann ein Werkzeug bricht oder an der Oberfläche derart beschädigt ist, dass es re-
pariert werden muss, kann mit diesem Modul aber in seiner derzeitigen Form nicht
auf den Schuss genau berechnet werden.
Grundlage für die Berechnung ist jeweils der in Abschnitt 5.3.2 vorgestellte Zyk-
lus, welcher auf dem 20 °C-Kriterium beruht. Dabei wird jeweils eine Werkzeugseite
variotherm und eine konventionell, also stationär, temperiert. Der Zyklus für die
variotherm temperierte Seite ist in Abbildung 5-37 dargestellt. Die stationär tempe-
rierte Seite wird abweichend dazu durchgehend mit 250 °C Medientemperatur tem-
periert. Das betrachtete Werkzeugmodell umfasst eine konventionelle Temperier-
kanalgeometrie in einem nicht topologieoptimierten Einsatz aus 1.2343-Stahl, wo-
bei die Einsätze durch Isolierplatten vom Formrahmen getrennt sind (vgl. Modell 4
aus Tabelle 5-1). Der Prozessschritt Trennstoffsprühen wird nach der Entformung
der Bauteile nach deren vollständiger Erstarrung ebenfalls berücksichtigt.
176
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Abbildung 5-37: Zyklus für den simulierten Vergleich der Werkzeugstandzeit mit
konventioneller Temperierkanalgeometrie (Modell 4) für die variotherme Tempe-
rierung des Zwillingsplatten-Werkzeugs (vgl. Tabelle 5-1).
Abbildung 5-38 zeigt die Ergebnisse für das auf beide Arten temperierte Aus-
gangsmodell. Die abgebildete Werkzeugstandzeit - oder Die Lifetime - wird im Fol-
genden nicht als absolutes Kriterium genutzt, sondern dazu Tendenzen aufzuzei-
gen. Grund dafür ist u.a. die Tatsache, dass die Die Lifetime den Zeitpunkt des ersten
Anrisses meint, welcher nicht direkt mit dem Ausfall des Werkzeugs in Verbindung
gebracht werden kann. Das Kriterium ist aber sehr gut geeignet, um aufzuzeigen,
inwiefern Temperierungsmethoden oder Konstruktionsmerkmale die Standzeit po-
sitiv oder negativ beeinflussen.
177
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Auffällig sind im Hinblick auf die Geometrie zwei Phänomene, welche das Ergeb-
nis leicht verfälschen, für die generelle Aussagekraft aber nicht als problematisch
anzusehen sind: Zum einen wird die Die Lifetime an der Position des Temperatur-
feldsensors deutlich zum Negativen hin beeinflusst. Dies hängt mit der Geometrie
des Sensors und der Platzierung im Einsatz zusammen, da diese eine Schwächung
178
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
179
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Abbildung 5-39: Zyklus für den simulierten Vergleich der Werkzeugstandzeit mit
konturnaher Temperierkanalgeometrie (Modell 7) für variotherme und stationäre
Temperierung des Zwillingsplatten-Werkzeugs (vgl. Tabelle 5-1)
180
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
181
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
5.4. Fazit
Die Ausführungen in Kapitel 4 haben bereits früh aufgezeigt, dass eine Beeinflus-
sung für das betrachtete Bauteil durch eine variotherme Temperierung im Druck-
guss ausgeschlossen werden kann. Aufgrund der extrem schnellen, vollständigen
Erstarrung des Gussteils kann selbst eine optimierte Temperierung nicht schnell
genug die durch das Werkzeug dargebotenen Erstarrungsrandbedingungen verän-
dern, um einen Einfluss zu haben. Die geringe Wandstärke des Gussteils mit 2 bis
6 mm und das Fehlen von Masseanhäufungen, etwa in Form von Rippen und Kno-
ten, erschweren dieses Problem noch zusätzlich. Werden aber prozessübliche Er-
starrungszeiten aus der Praxis zugrunde gelegt, so ist auch hier kein nennenswerter
Einfluss zu erwarten, da es sich stets um eher dünnwandigere Komponenten mit
verhältnismäßig großer Oberfläche handelt, welche in rascher Folge hergestellt
werden. Sollen ungeachtet dieser Tatsache aus anderen Gründen Temperaturen an
der Werkzeugoberfläche gezielt verändert werden, so müssen beim Einsatz einer
ölbasierten, fluidvariothermen Temperierung deutlich verlängerte Zykluszeiten be-
rücksichtigt werden. Aufgrund der hohen effektiven thermischen Masse werden
drastische Änderungen der Medientemperatur sehr stark gedämpft. Soll daher auf
dieses in seinen Grundzügen wohlerprobte Temperierverfahren zurückgegriffen
werden, so sind Modifikationen am Werkzeug unabdingbar.
In Kapitel 5 wurden, um diese Herausforderung zu adressieren, verschiedene Op-
tionen der Werkzeugoptimierung für die Variothermie hinsichtlich ihrer Eignung
für den Druckguss betrachtet und, soweit möglich, für das Versuchswerkzeug adap-
tiert. Durch die Optimierungsmaßnahmen konnte die Effizienz und die Adaptivität
des Temperiersystems im Vergleich zum Referenzmodell deutlich gesteigert wer-
den. Zwar kann die Zykluszeit aufgrund der kurzen Erstarrungszeit des Bauteils und
dem beschriebenen, fehlenden Einfluss der Temperierung auf selbige kaum positiv
182
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
183
Untersuchungen zur Steigerung der Adaptivität von Temperiersystemen
Grundhypothesen Status
Grundhypothese 1:
Der Druckgießprozess kann durch den Einsatz von variothermer Tem- Falsifiziert
periertechnik im Hinblick auf Temperierpräzision verbessert und die
Zykluszeit verkürzt werden.
Grundhypothese 2:
Eine variotherme Temperierung kann dazu beitragen, die Werkzeug- Falsifiziert
standzeit zu erhöhen, indem die Temperaturen im Werkzeug besser an
die Gegebenheiten im Prozess angepasst werden.
Grundhypothese 3:
Der Werkzeugbau in der aktuellen Form ist für eine variotherme Tem-
perierung nicht ideal, Verbesserungsmaßnahmen können hier Abhilfe Verifiziert
schaffen und bergen gleichzeitig Potential für konventionelle Fluid-Tem-
perierungen.
Grundhypothese 4:
Variotherme Temperierungen können die Grenzen des Prozesses im
Hinblick auf die Fertigung hybrider Bauteile aus Aluminium und Kunst- Verifiziert
stoff im Druckgussverfahren erweitern und neue Produktgruppen er-
schließen.
184
Transferstudie Kokillenguss
6. Transferstudie Kokillenguss
Der Kokillenguss unterscheidet sich aus prozesstechnischer Sicht vor allem bei der
Formfüllung und Erstarrung deutlich vom Druckgießprozess. Auch die Gestalt der
zu fertigenden Gussteile unterscheidet sich mitunter stark und je nach Gussteil kön-
nen die Zykluszeiten in diesem Prozess sehr viel länger sein als im Druckguss, was
wesentlich mit der benötigten Erstarrungszeit zusammenhängt. In Abschnitt 5.4
wurde bereits dargelegt, warum diese prozessimmanenten Eigenschaften für eine
mögliche variotherme Werkzeugtemperierung von Vorteil sind. Im folgenden Kapi-
tel sollen nun die Erkenntnisse aus dem Druckguss auf den Kokillenguss übertragen
werden, um die Kompatibilität dieser Form der Werkzeugtemperierung mit dem
Kokillenguss zu überprüfen. Zu diesem Zweck soll zunächst erneut grundlegend der
Zusammenhang zwischen erfolgreich einsetzbarer Variothermie, Temperiersys-
tem-Gestaltung und Gussteilgeometrie betrachtet werden (Abschnitt 6.1). Im An-
schluss wird ein bestehender Versuchsstand zum Kokillenguss im Detail vorgestellt,
zusammen mit den vorzunehmenden Adaptionen zur Implementierung der Vario-
thermie basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen. Mit Hilfe der numerischen
Simulation soll anschließend ermittelt werden, unter welchen Randbedingungen
eine variotherme Werkzeugtemperierung im Kokillenguss einen Einfluss auf die re-
sultierende Gussteilqualität haben kann (Abschnitt 6.2).
185
Transferstudie Kokillenguss
Allen Varianten gemein ist eine quadratische Grundfläche von 500 mm, welche
nicht variiert wird. Die Ränder des Modells sind dabei adiabat. Die Höhe des Auf-
baus ist abhängig von der Wandstärke des Gussteils (w) und dem Abstand der Tem-
perierkanäle zur Kavität (a). Dabei entspricht die Dicke des Werkzeugs stets dem
doppelten Abstand der Kanäle, wodurch die Kanäle immer mittig im Werkzeug lie-
gen. Die Anzahl der Kanäle ist immer ungerade und von der Werkzeugmitte ausge-
hend werden links und rechts des Kanals so viele Kanäle untergebracht wie es die
186
Transferstudie Kokillenguss
Grundbedingungen erlauben. Die äußersten Kanäle haben dabei jedes Mal einen Ab-
stand zur Außenseite, der dem halben Abstand der Temperierkanäle zueinander (b)
entspricht. Auf diese Weise wird die Anzahl der Kanäle über den Radius des Kanals
(r) und den Abstand der Kanäle zueinander (b) automatisch festgelegt. Als Guss-
werkstoff wird eine AlSi7Mg0,3-Schmelze verwendet, welche zu Beginn stets eine
Temperatur von 700 °C aufweist. Im Werkzeug liegt zu Beginn eine homogene Tem-
peratur von 250 °C vor, es besteht aus dem bereits bekannten 1.2343-Stahl. Die sta-
tionäre bzw. die variotherme Temperaturführung wird über die Temperatur des
Temperiermediums (TMedium), in diesem Falle Öl, abgebildet. Für eine konventio-
nelle, stationäre Temperierung verbleibt diese durchgehend bei 250 °C. Im Falle der
variothermen Temperaturführung wird die Temperatur mit dem Zustandekommen
eines Kontaktes zwischen Werkzeug und Guss auf 100 °C abgesenkt. Die betrachte-
ten Temperaturen beruhen somit auf den Gegebenheiten und der Erkenntnissen
der Druckgussstudien (siehe Kapitel 4 und 5). Für das virtuelle Versuchsfeld wer-
den die Parameter a, b, r und w gezielt variiert. Die Werte für die Parameter gibt
Tabelle 6-1 wieder, die Randbedingungen der Simulation sind in Tabelle 10-19 und
Tabelle 10-20 zusammengefasst.
Die Grenzen wurden dabei entsprechend so gewählt, dass sowohl sehr filigrane,
konturnahe Lösungen betrachtet werden, aber auch Varianten, welche mit wenigen,
großen Temperierkanälen arbeiten. Dabei werden mit einer Spannweite von 5 mm
bis 50 mm sehr dünnwandige, aber auch verhältnismäßig dicke Gussteilgeometrien
betrachtet. In den Grenzen der Parameter a und b spiegeln sich die Grenzen der in
Abschnitt 5.1.1 näher betrachteten Konstruktionsrichtlinien für Temperierkanäle
wider. Aufgrund der formulierten Restriktionen und der Zusammenhänge zwischen
den Parametern ergeben sich abzüglich der Kombinationen, welche zu unter den
formulierten Randbedingungen unzulässigen Varianten führen, insgesamt 1900
verschiedene Modelle, welche betrachtet werden können. Die größte Reduktion der
187
Transferstudie Kokillenguss
Anzahl findet im Bereich des Parameters b statt, da hier viele Varianten aufgrund
der Randbedingungen und den Kombinationsmöglichkeiten der drei anderen Para-
meter nicht zulässig sind. Der Parameterraum deckt dabei auch Konstellationen ab,
welche den bereits für den Druckguss betrachteten Modellen aus Kapitel 4 und 5
entsprechen. In diesen Fällen ist es vor allem interessant zu bestimmen, wie die
Wanddicke des Gussteils ausfallen muss, um einen Effekt auf das Gussteil bewirken
zu können. Die Ergebnisse der Berechnungen werden im folgenden Abschnitt vor-
gestellt und diskutiert.
188
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-2: Simulierter Einfluss der variothermen Temperierung auf den resul-
tierenden DAS, vollständiges Ergebnisfeld.
Am linken Rand ist über die Medientemperatur, wie es schon in Abschnitt 6.1.1
erklärt wurde, die Auswahl zwischen stationär temperierten Varianten (250 °C)
und variotherm temperierten Varianten (100 °C) möglich. Von links nach rechts fol-
gen anschließend die vier Stellgrößen, welche der Studie zugrunde liegen. Am rech-
ten Abbildungsrand ist mit dem DAS schließlich das Bewertungskriterium aufgetra-
gen. Aus der Gesamtsicht wird deutlich, dass der DAS durch unterschiedliche Para-
meterkombinationen stark beeinflusst werden kann. So werden Werte zwischen
23,6 µm und 87,3 µm erreicht. Anhand der Betrachtung einzelner Parameterkombi-
nationen wird es darüber hinaus möglich, den Einfluss der Variothermie bei einer
bestimmten Temperierkanalanordnung genau zu erfassen. Jeder Gussteilwand-
stärke können bei dieser Eingrenzung genau zwei Ergebnisse zugeordnet werden:
Die obere Linie entspricht dabei der stationär temperierten Variante, die untere
entsprechend der Variothermen. Abbildung 6-3 zeigt exemplarisch die Bewertung
des erzielten DAS-Unterschiedes bei einer Wandstärke von 50 mm auf.
189
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-3: Bewertungsbeispiel für den erzielten Unterschied im DAS durch den
Einsatz einer variothermen bzw. einer stationären Temperierung bei 50 mm Wand-
stärke des Gussteils.
190
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-4: Simulierter Einfluss der variothermen Temperierung auf den resul-
tierenden DAS, für die Temperierkanalanordnung des Referenzmodells basierend
auf dem Zwillingsplattenwerkzeug.
Für den Druckguss konnten die größten Verbesserungen hinsichtlich der Adapti-
vität des Temperiersystems durch den Einsatz einer konturnahen Kühlkanalgeo-
metrie realisiert werden. Der Abstand a wurde dabei auf 20 mm reduziert. Folgt
man bei diesem Abstand den Empfehlungen aus Abschnitt 5.1.1, so ergibt sich ent-
sprechend ein Abstand b von ebenfalls 20 mm, wobei der Durchmesser des Kühlka-
nals unverändert bleibt. Die Ergebnisse des vereinfachten Modells für diese Para-
meterkombination zeigt Abbildung 6-5. Auch für das hier verwendete Modell zeigen
sich deutliche Auswirkungen dieser Anpassung auf das Zielkriterium. Der maximal
erreichte DAS sinkt im Vergleich zu Abbildung 6-4 um 5,9 µm auf nur noch 76,7 µm,
191
Transferstudie Kokillenguss
die Erstarrung wird also auch unabhängig von der Temperaturführung beschleu-
nigt. Dies deckt sich mit den bisherigen Erkenntnissen. Auch im Bereich der Wand-
stärkenabhängigkeit ist der Einfluss klar zu erkennen. Bereits für eine Wandstärke
von 5 mm treten hier Unterschiede zwischen den beiden Arten der Temperierung
auf, welche allerdings unterhalb von 1 µm liegen. Ein vergleichbarer Unterschied
zwischen den resultierenden DAS wird hier aber schon bei einer Wandstärke von
30 mm erreicht. Für die maximalen 50 mm liegt der Unterschied gar bei 8,7 µm,
während die Erstarrungszeit von 404 s auf 293,2 s gesenkt werden kann. Durch die
variotherme Temperierung entsteht somit ein Erstarrungsverlauf, wie er bei stati-
onärer Temperierung für ein um 15 mm dünneres Bauteil zu erwarten wäre. Über
die Variothermie kann in dieser Konstellation also eine Feinung des resultierenden
Gefüges erreicht werden, was wiederum eine positive Beeinflussung der mechani-
schen Eigenschaften der resultierenden Bauteile erwarten lässt. Die erreichten Ver-
besserungen in dieser Hinsicht sind jedoch noch begrenzt, wenngleich die Reduk-
tion der Erstarrungszeit des Bauteils um rund 27 % bereits sehr deutlich ausfällt.
192
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-5: Simulierter Einfluss der variothermen Temperierung auf den resul-
tierenden DAS, für die zuvor im Druckguss untersuchte, konturnahe Temperierka-
nalanordnung.
193
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-6: Simulierter Einfluss der variothermen Temperierung auf den resul-
tierenden DAS, für eine konturnahe Lösung.
194
Transferstudie Kokillenguss
195
Transferstudie Kokillenguss
196
Transferstudie Kokillenguss
des Speisers, welcher noch größere Wandstärken aufweist, wird im Folgenden ver-
zichtet. Grund dafür ist, dass nur im Bereich der Napfgeometrie eine aktive Werk-
zeugtemperierung möglich ist. Der durch einen Sandkern dargestellte Speiser kann
nicht aktiv temperiert werden und scheidet daher für eine Analyse zum Einfluss der
Variothermie auf die Bauteileigenschaften aus.
Der formgebende Kokillen-Teil des Aufbaus besteht aus insgesamt vier separaten
Elementen. Die Außenkontur des Napfes wird dabei durch drei Werkzeugeinsätze
realisiert. Diese sind als Module ausgeführt und können beliebig getauscht werden.
Im Zuge der Untersuchungen des SFB kommen dabei sowohl konventionell gefer-
tigte Einsätze aus Stahl und Kupfer als auch generativ gefertigte Einsätze aus Stahl
zum Einsatz [180]. Für die Untersuchungen werden im Folgenden die konventionell
gefertigten Werkzeugeinsätze aus dem Material 1.2343 verwendet, um eine mög-
lichst hohe Vergleichbarkeit zu den praktischen Versuchen im Bereich Druckguss
zu gewährleisten. Der Kern, welcher die Innenkontur des Napfes trägt, wird im ur-
sprünglichen Aufbau als Vollkörper ausgeführt und besteht entweder ebenfalls aus
1.2343 oder aus einem Sandkern. Für die Berechnungen zur Variothermie wird der
197
Transferstudie Kokillenguss
Für die durchzuführende Studie werden nur Teile aus der Gesamtfunktionalität
des Versuchsaufbaus genutzt. So wird etwa die Temperierkanalgeometrie der Au-
ßenkontur nicht variiert. Die Randbedingungen unterscheiden sich lediglich in der
gewählten Temperierung. Hinsichtlich des Gießprozesses wird der beschriebene
Versuchsstand mit dem in Kapitel 4 vorgestellten, variothermen Temperiergerät
betrieben. Nach einer Vorwärmzeit von 120 Minuten bei einer Öltemperatur von
300 °C wird mit der Formfüllung auch die Öltemperatur auf 100 °C umgeschaltet.
Verwendet wird eine AlSi7Mg0,3-Schmelze, welche mit einer Temperatur von
750 °C vergossen wird. Betrachtet wird vor allem das resultierende Gussgefüge, im
Bereich der in Abbildung 6-7 dargestellten, charakteristischen Wandstärken. An-
hand der DAS-Bestimmung wird, analog zu den Untersuchungen in Abschnitt 6.1,
der Einfluss der variothermen Temperierung auf das Gussgefüge analysiert.
198
Transferstudie Kokillenguss
199
Transferstudie Kokillenguss
Für die charakteristischen Wandstärken 15,5 mm, 20,5 mm, 25,5 mm und 45 mm
nimmt die errechnete Abkühlrate mit zunehmender Wandstärke zu. Werden in der
Bauteilpartie mit einer Dicke von 15,5 mm noch Abkühlraten im Bereich von
9,2 °C/s bei stationärer Temperierung erreicht, betragen diese bei Partien mit einer
Dicke von 45 mm nur noch 1,4 °C/s. Diese Entwicklung ist für beide Temperierungs-
arten vergleichbar. Unterschiede gibt es aber zwischen stationärer und variother-
mer Temperierung in den erreichten Abkühlraten, welche zwischen 1,2 °C/s bei
15,5 mm Wandstärke und 0,3 °C/s bei 45 mm Wandstärke liegen. Dieser Umstand
spiegelt sich auch in der in Abbildung 6-10 dargestellten Erstarrungszeit wider.
200
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-10: Simulierter Vergleich der Erstarrungszeit bei stationärer und vari-
othermer Temperierung mit Temperieröl.
Auch hier findet sich die typische Verteilung von geringeren Erstarrungszeiten in
Bereichen mit geringerer Wandstärke hin zu längeren Erstarrungsintervallen bei
größerer Wandstärke. Konkret steigt die Erstarrungszeit von 51,1 s im Bereich mit
15,5 mm Wandstärke bei stationärer Temperierung auf bis zu 102,7 s bei einer
Wandstärke von 45 mm an. Im Bereich der Erstarrungszeit treten nun auch die Un-
terschiede zwischen stationärer und variothermer Temperierung deutlicher her-
vor: Zum einen nimmt die Erstarrungszeit bei Anwendung von Variothermie über
das gesamte Bauteil hinweg ab, zum anderen nimmt auch die Differenz zwischen
201
Transferstudie Kokillenguss
maximaler und minimaler Erstarrungszeit im Guss ab. Das Delta zwischen stationär
und variotherm beeinflusster Erstarrungszeit liegt zwischen 7,1 s im dünnsten und
20 s im dicksten Bereich. Die in Abschnitt 6.1.2 aufgezeigten Unterschiede in der
Wirksamkeit der Variothermie in Abhängigkeit von der Wandstärke lassen sich also
auch in diesem Anwendungsfall feststellen. Als vorteilhaft für homogenere Eigen-
schaften ist zudem der verringerte Unterschied zwischen minimaler und maximaler
Erstarrungszeit anzusehen: Für das konventionell stationär temperierte Gussteil
liegt dieser bei 51,6 s wohingegen für das variotherm temperierte Gussteil nurmehr
eine Differenz von 39 s vorliegt. Den daraus resultierenden, unterschiedlichen DAS
bzw. SDAS (Secondary Dendrite Arm Spacing) zeigt Abbildung 6-11 auf.
Abbildung 6-11: Simulierter Vergleich des SDAS bei stationärer und variothermer
Temperierung mit Temperieröl.
202
Transferstudie Kokillenguss
203
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-12: Simulierter Vergleich des SDAS bei stationärer und variothermer
Temperierung mit Temperieröl bzw. Wasser.
204
Transferstudie Kokillenguss
muss an dieser Stelle aber festgehalten werden, dass Medientemperaturen von bis
zu 300 °C auf diesem Wege nicht realisierbar sind. Sind diese nicht von Nöten, kann
ein entsprechend auf Wasser basierendes System eingesetzt werden. Da diese Tech-
nologie etwa in der Kunststoffindustrie deutlich verbreiteter ist als ölbasierte Sys-
teme, wäre dies auch anlagenseitig einfacher und weniger kostenintensiv umsetz-
bar. Im Vergleich zur stationären Öltemperierung können in diesem Modell Unter-
schiede von 6,9 μm bis 8,2 μm erreicht werden.
Eine weitere Variante, welche in Kapitel 5 bereits für den Druckguss betrachtet
wurde, ist der Einsatz von Werkzeugmaterialien mit höherer Leitfähigkeit. Wird
statt dem konventionell verwendeten Stahl 1.2343 etwa der bereits vorgestellte
Wolframwerkstoff Anviloy genutzt, zeigt dies auch im Kokillenguss direkte Auswir-
kungen. Abbildung 6-13 zeigt den Vergleich zwischen stationärer und variothermer
Temperierung sowohl für den Standardwerkstoff als auch für einen Werkstoff mit
höherer Wärmeleitfähigkeit.
205
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-13: Simulierter Vergleich des SDAS bei stationärer und variothermer
Temperierung mit Temperieröl bei der Verwendung von Stahl (1.2343) oder Anvi-
loy.
Die Gestalt der Temperaturverteilung ändert sich dabei durch den neuen Werk-
stoff nur geringfügig. Im Schnitt ist der erreichte SDAS um 1,5 μm kleiner, wenn der
Anviloy-Werkstoff verwendet wird. Von den erreichten SDAS-Werten liegt die sta-
tionär temperierte Anviloy-Variante zwischen dem stationär und dem variotherm
temperierten Stahlaufbau. Allein durch den Werkstoff, welcher für die Kokille ge-
nutzt wird, lässt sich hier also eine Feinung des Gefüges simulativ nachweisen. Beim
Einsatz von Anviloy und Variothermie kann gegenüber dem konventionellen, stati-
onäre temperierten Stahlaufbau eine Verringerung des SDAS von 3,1 μm in den
206
Transferstudie Kokillenguss
Die folgende Abbildung 6-14 zeigt auf, wie sich die erreichbaren Veränderungen
darstellen, wenn zusätzlich zu Werkstoffen mit höherer Leitfähigkeit noch ein Tem-
periermedium mit erhöhtem Wärmeübergangskoeffizienten zum Einsatz kommt.
Im Vergleich zur mit Wasser temperierten Stahlvariante kann der SDAS nochmals
um 2,7 μm bis 3 μm verringert werden. Bezogen auf die als Standard definierte Va-
riante (stationäre Öl-Temperierung eines Aufbaus aus Werkzeugstahl) ergibt dies
eine Verringerung von zwischen 9,5 μm und 12,7 μm, wobei diese aufgrund der ge-
ringeren Ausgangstemperatur des Temperiermediums nur zu etwa 60 % der Vari-
othermie zugeschrieben werden kann.
207
Transferstudie Kokillenguss
Abbildung 6-14: Simulierter Vergleich des SDAS bei stationärer und variothermer
Temperierung für ausgewählte Werkzeugmaterial-Temperiermedium-Kombinatio-
nen.
208
Transferstudie Kokillenguss
6.3. Fazit
Es konnte gezeigt werden, dass die Variothermie unter den passenden Gegebenhei-
ten durchaus einen Einfluss auf die erzeugten Gussteile haben kann. Entscheidend
sind hier die Wandstärken der betrachteten Bauteile, die Gestaltung der Temperier-
kanäle sowie der verwendete Werkstoff für das Werkzeug und das verwendete
Temperiermedium. Liegen im Gussteil ausreichend dickwandige Bereiche vor, wird
eine konturnahe Temperierung verwendet und ggf. auf hochwärmeleitfähige Werk-
stoffe für die Herstellung der Werkzeuge zurückgegriffen, kann das Gefüge positiv
beeinflusst werden. Die Variothermie bietet ausgehend von den vorgestellten Er-
gebnissen also in der Tat ein Anwendungsfeld für die Variothermie, welches viel-
versprechendere Ergebnisse zeigt als der Aluminiumdruckguss.
Auch wenn das Gefüge, in den Ausführungen exemplarisch anhand des DAS be-
wertet, unter der Einwirkung der Variothermie gefeint werden konnte und so bes-
sere Eigenschaften der resultierenden Gussteile zu erwarten sind, darf nicht außer
Acht gelassen werden, dass der dafür betriebene Aufwand vergleichsweise groß
ausfällt. Ein Indiz dafür, dass für eine allgemeine Verbesserung der Bauteilqualität
andere Stellgrößen als die Variothermie zielführender sind, zeigt etwa Abbildung
6-12: Das erzielte Ergebnis unterscheidet sich hier zwischen der Verwendung von
einem stationärer, wasserbasierten System zu einem aufwendigen ölbasierten vari-
othermen System kaum bzw. fällt hinsichtlich der Feinung des DAS tendenziell eher
besser bzw. feiner aus. Zudem sind die allgemein erzielbaren Veränderungen als e-
her klein anzusehen, setzt man sie zu den notwendigen Mehraufwänden hinsicht-
lich höherwertiger Werkstoffe, kostenintensiverer Fertigungsverfahren und kom-
plexerer Anlagentechnik ins Verhältnis. Auch für den Kokillenguss lässt sich daher
keine Empfehlung für eine allgemeine Verwendung der Variothermie aussprechen
sofern eine Beeinflussung des Gefüges das Ziel ist.
Die Themenstellung Variothermie sollte im Kokillenguss dennoch nicht verwor-
fen werden. In bestimmten Anwendungsfällen verspricht vor allem ein wasserba-
siertes System mögliche Vorteile zu konventionellen, stationären Temperiersyste-
men. Es bleibt zu untersuchen, inwiefern die Variothermie in Bereichen in denen
eine schnelle Wärmeabfuhr aus Gründen der Taktzeit nötig, gleichzeitig aber eine
hohe Initialtemperatur aufgrund langer Fließwege und damit einhergehenden
Problemen mit nicht komplett gefüllten Formen oder Kaltläufen Abhilfe schaffen
kann. Dort wo lange Fließwege benötigt oder hinsichtlich der Gussqualität der Ein-
fluss von Störungen auf den Temperaturhaushalt minimiert werden muss kann die
Variothermie bei korrekter Auslegung eine Lösungsstrategie darstellen. Fest steht,
dass in jedem Fall mit dem Einsatz der Variothermie auch eine temperaturbezogene
209
Transferstudie Kokillenguss
Steuerung des Prozesses unausweichlich wird. Nur auf diesem Wege können Prob-
leme wie das Beschriebene durch den Einsatz dieser für den Leichtmetallguss neu-
artigen Temperiermethodik adressiert werden.
210
Zusammenfassung und Ausblick
Diese Hypothesen sind dabei jeweils für eine oder mehrere Hauptfragestellungen
von Bedeutung.
211
Zusammenfassung und Ausblick
Einfluss der variothermen Temperierung auf das Gießwerkzeug und seine Standzeit
Hinsichtlich der Auswirkungen auf das Werkzeug selbst stand die Frage nach dem
Einfluss der Variothermie auf die Zykluszeit und die Standzeit im Vordergrund. Da
die Variothermie die Werkzeugtemperatur im Vergleich zur konventionellen, stati-
onären Temperierung an die zyklische Temperaturfolge im Prozess anpasst, wurde
in Hypothese 2 die Vermutung aufgestellt, dass die Variothermie sich positiv auf die
Standzeit auswirkt. Diese Hypothese kann anhand der vorgestellten Ergebnisse
nicht aufrechterhalten werden. Die Standzeit wurde für das Werkzeug im Ausgangs-
zustand und im optimierten Zustand durch die Variothermie negativ beeinflusst.
Die negativen Auswirkungen eines Temperaturwechsels im Werkzeuginneren
überwiegen also offenbar die Vorteile, welche das verringerte Temperaturdelta an
der Grenzfläche Werkzeug-Guss mit sich bringt. Im Vergleich mit anderen Maßnah-
men wie etwa dem Minimalmengensprühen ist der Effekt zudem insgesamt nur
212
Zusammenfassung und Ausblick
schwach ausgeprägt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Standzeit von Werkzeugen
eher unter der Variothermie leidet, als dass sie von dieser profitieren kann. Es bleibt
allerdings genauer zu untersuchen, inwiefern die variotherme Temperaturführung
als Enabler für das Minimalmengensprühen wirken kann. Es konnte gezeigt werden,
dass die Variothermie durchaus einen Einfluss auf die mittlere Werkzeugtempera-
tur haben kann, wenn etwa auf den Wärmeentzug durch Trennstoffsprühen voll-
ständig verzichtet wird. Sofern die variotherme Prozessführung, anders als in der
vorliegenden Arbeit geschehen, anhand der Abfuhr von Energiemengen gesteuert
wird, kann die Technologie möglicherweise dazu dienen, das Minimalmengensprü-
hen zu ermöglichen. Sofern es gelingt durch Variothermie einen ausgeglichenen
Wärmehaushalt der Form auch ohne den Wärmeentzug durch das Trennmittel auf-
recht zu erhalten, könnte auf diesem Wege die Werkzeugstandzeit durch die Vario-
thermie indirekt positiv beeinflusst werden.
213
Zusammenfassung und Ausblick
thermie entsprechend der Hypothese 4 dazu geeignet sein kann, die Fertigung hyb-
rider Aluminium-Kunststoff-Bauteile zu ermöglichen. An dieser Stelle bleibt zu klä-
ren, inwiefern andere variotherme Temperierverfahren als die hier untersuchte, auf
Temperieröl basierende fluidvariotherme Variante möglicherweise geeigneter
sind. Die abschließende Bewertung aller vier Grundhypothesen für eine tempera-
turdifferenzgesteuerte, fluidvariotherme Prozessführung findet sich in Tabelle 7-1.
Grundhypothesen Status
Grundhypothese 1:
Der Druckgießprozess kann durch den Einsatz von variothermer Tem- Falsifiziert
periertechnik im Hinblick auf Temperierpräzision verbessert und die
Zykluszeit verkürzt werden.
Grundhypothese 2:
Eine variotherme Temperierung kann dazu beitragen, die Werkzeug- Falsifiziert
standzeit zu erhöhen, indem die Temperaturen im Werkzeug besser an
die Gegebenheiten im Prozess angepasst werden.
Grundhypothese 3:
Der Werkzeugbau in der aktuellen Form ist für eine variotherme Tem-
perierung nicht ideal, Verbesserungsmaßnahmen können hier Abhilfe Verifiziert
schaffen und bergen gleichzeitig Potential für konventionelle Fluid-Tem-
perierungen.
Grundhypothese 4:
Variotherme Temperierungen können die Grenzen des Prozesses im
Hinblick auf die Fertigung hybrider Bauteile aus Aluminium und Kunst- Verifiziert
stoff im Druckgussverfahren erweitern und neue Produktgruppen er-
schließen.
Letztlich muss aber festgehalten werden, dass für den Einsatz von Variothermie
im Druckguss ein großer Aufwand betrieben werden muss, für den im Bereich des
konventionellen Aluminiumdruckgusses kein entsprechender Vorteil gegenüber
stationärer Temperierung nachgewiesen werden konnte. Die Anwendung von Vari-
othermie in diesem Umfeld ist daher als nicht sinnvoll anzusehen, zumal mit ihrem
Einsatz auch durch den gesteigerten Energiebedarf laufend Mehrkosten anfallen
würden. Die erarbeiteten Optimierungsansätze für Gießwerkzeuge bergen jedoch
das Potenzial in Kombination mit einer konventionellen, stationären Tempe-
rierstrategie einen Vorteil für das Verfahren zu erbringen. Sofern die Variothermie
als solche in Kombination mit den Maßnahmen als Enabler für das Minimalmengen-
sprühen wirken kann, würde auch die Standzeit der Werkzeuge profitieren.
214
Zusammenfassung und Ausblick
Variothermie im Kokillenguss
In Abgrenzung zum Druckguss konnte abschließend für den Kokillenguss ein mög-
licher positiver Einfluss der Variothermie auf die Bauteilqualität aufgezeigt werden.
Sofern die bereits für den Druckguss entwickelten Optimierungen wie etwa kontur-
nahe Temperierkanäle und alternative Werkstoffe zum Einsatz kommen, ist es bei
ausreichend dickwandigen Gussteilen möglich, das Gefüge durch die Temperierung
innerhalb eines Zyklus gezielt zu beeinflussen. Das Ausmaß der möglichen Einfluss-
nahme hängt dabei direkt mit dem Umfang der getroffenen Optimierungen und den
auftretenden Wandstärken zusammen. Im Zuge der durchgeführten Untersuchun-
gen musste ein Aspekt offen bleiben, welcher ein weiteres potenzielles Anwen-
dungsgebiet der Variothermie im Kokillenguss sein könnte, die Beeinflussung des
Erstarrungsverlaufs und der Fließwege im Werkzeug. Um für ein gesamtes Werk-
zeug bzw. Bauteil hinsichtlich Temperaturverteilung und Gefügeausbildung zu be-
einflussen eignet sich die Variothermie aber eher weniger. Vielmehr deuten die Er-
gebnisse auf einen potenziellen Einsatz in problematischen Bereichen hin. Dort, wo
zu Prozessbeginn aufgrund langer Fließwege eine erhöhte Temperatur erforderlich,
im Hinblick auf die Zykluszeit aber ein schneller Wärmeentzug nötig ist, könnte die
Variothermie in Zukunft auch im Leichtmetallguss ihr Einsatzgebiet finden.
215
Abkürzungsverzeichnis
8. Abkürzungsverzeichnis
ATT .................................................................................... Alternating Temperature Technology
DAS ................................................................................................................... Dendritenarmabstand
DG .............................................................................................................................................. Druckguss
DGWKZ ............................................................................................................... Druckgusswerkzeug
DIN................................................................................................ Deutsches Institut für Normung
RHC................................................................................................................ Rapid Heating Ceramics
TK ................................................................................................................................. Temperierkanal
WHO............................................................................................................................... Warmhalteofen
WKZ ........................................................................................................................................... Werkzeug
WTM ................................................................................................................ Wärmeträgermedium
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Literaturverzeichnis
235
Anhang
10. Anhang
Versuchs- 𝑻𝑴 𝒗𝑭 𝑻𝑴𝒆𝒅𝒊𝒖𝒎 𝒑𝑵
Bezeichnung [°C] [m/s] [°C] [bar]
720 | 1,3 | 150 | 100 720 1,3 150 100
236
Anhang
Tabelle 10-2: Teilfaktorieller Versuchsplan mit vier Faktoren und Stufen nach
Taguchi.
Versuchs- 𝑻𝑴 𝒗𝑭 𝑻𝑴𝒆𝒅𝒊𝒖𝒎 𝒑𝑵
Bezeichnung [°C] [m/s] [°C] [bar]
690 | 0,7 | 150 | 100 690 0, 150 100
237
Anhang
238
Anhang
239
Anhang
240
Anhang
241
Anhang
242
Anhang
243
Anhang
720 | 1,3 | 180 | 100 353,84 284,58 247,59 339,01 262,26 237,43
720 | 1,3 | 150 | 600 341,73 269,53 232,26 339,29 254,78 225,56
720 | 1,3 | 210 | 600 373,74 304,68 267,17 362,88 282,90 256,91
720 | 1,3 | 180 | 600 367,68 295,64 258,19 355,99 275,04 249,03
720 | 1,3 | 250 | 400 393,45 330,94 288,90 390,14 316,94 291,41
720 | 1,3 | 180 | 400 366,49 293,83 255,59 355,83 273,11 247,42
720 | 1,3 | 250 | 100 388,09 331,28 297,55 390,78 321,16 296,80
720 | 1,3 | 250 | 250 398,93 333,53 297,20 392,74 319,61 294,50
720 | 1,3 | 250 | 600 400,84 335,56 300,79 394,25 324,97 298,77
720 | 1,3 | 180 | 250 363,54 292,37 256,40 356,20 274,74 249,13
720 | 1,3 | 210 | 400 381,99 313,95 277,55 366,33 292,00 265,67
720 | 1,3 | 150 | 250 349,70 274,44 234,51 335,75 252,26 223,62
720 | 1,3 | 150 | 400 348,31 271,82 232,91 335,14 252,75 225,64
720 | 1,3 | 210 | 250 377,00 309,52 272,88 373,87 295,25 268,56
720 | 1,3 | 210 | 100 371,71 309,46 272,51 368,20 295,18 268,24
244
Anhang
245
Anhang
246
Anhang
Versuchs- Ebenheitswert
Bezeichnung [mm]
690 | 0,7 | 150 | 100 0,1588±0,353
690 | 1,3 | 180 | 250 0,1460±0,0095
690 | 1,9 | 210 | 400 0,1150±0,0097
690 | 2,5 | 250 | 600 0,1178±0,0086
720 | 0,7 | 180 | 400 0,1663±0,0178
720 | 1,3 | 150 | 600 0,1377±0,0139
720 | 1,9 | 250 | 100 0,1304±0,0398
720 | 2,5 | 210 | 250 0,1432±0,0160
750 | 0,7 | 210 | 600 0,1142±0,0113
750 | 1,3 | 250 | 400 0,1284±0,0363
750 | 1,9 | 150 | 250 0,1393±0,0290
750 | 2,5 | 180 | 100 0,1669±0,0135
770 | 0,7 | 250 | 250 0,1440±0,0170
770 | 1,3 | 210 | 100 0,1715±0,0265
770 | 1,9 | 180 | 600 0,1150±0,0250
770 | 2,5 | 150 | 400 0,1415±0,0477
247
Anhang
Versuchs- Rm Rp0,2 A
Bezeichnung [MPa] [MPa] [%]
690 | 0,7 | 150 | 100 179,50±0,71 143,00±2,83 0,55±0,02
690 | 1,3 | 180 | 250 259,67±29,37 149,67±1,53 1,71±1,53
690 | 1,9 | 210 | 400 275,50±6,36 149,00±1,41 2,06±0,16
690 | 2,5 | 250 | 600 264,00±19,97 151,33±1,53 1,92±0,57
720 | 0,7 | 180 | 400 157,00±21,07 133,67±9,87 0,46±9,87
720 | 1,3 | 150 | 600 281,33±4,04 155,33±1,53 2,10±0,16
720 | 1,9 | 250 | 100 100,50±6,36 104,00 0,24±0,08
720 | 2,5 | 210 | 250 253,00 146,00 1,58
750 | 0,7 | 210 | 600 252,33±23,86 152,33±3,06 1,56±0,59
750 | 1,3 | 250 | 400 260,00±21,07 146,67±2,08 1,79±0,54
750 | 1,9 | 150 | 250 176,00±46,51 131,33±8,74 0,77±0,49
750 | 2,5 | 180 | 100 190,50±23,33 143,50±3,54 0,66±0,29
770 | 0,7 | 250 | 250 226,50±0,71 148,00±1,41 0,97±0,04
770 | 1,3 | 210 | 100 234,00±28,28 142,50±3,54 1,27±0,46
770 | 1,9 | 180 | 600 264,00 152,00 1,54
770 | 2,5 | 150 | 400 263,50±9,19 152,00±0,00 1,61±0,19
248
Anhang
Beschreibung /
Dauer Temperierschritte Starttemperaturen
Name
Grundlagenversuch 60 min 0 - 8 min: Kühlen Einsätze 270 °C
Variothermie 8 – 28 min: Heizen Öl (Heizen) 300 °C
Zwillingsplatte 28 – 36 min: Kühlen Öl (1. Kühlen) 100 °C
36 – 56 min: Heizen Öl (2+3. Küh- 30 °C
(siehe auch 56 – 60 min: Kühlen len)
Abbildung 4-24)
Beschreibung
Dauer Temperierschritte Starttemperaturen
/ Name
Heizen-Kühlen- 1500 s 0 - 500 s: Heizen Formrahmen 100 °C
Heizen 500 – 1000 s: Kühlen Einsätze 200 °C
1000 – 1500 s: Heizen Öl (Heizen) 300 °C
(siehe auch Öl (Kühlen) 100 °C
Abbildung 4-25) Öl (Stationär) 250 °C
Kühlen 500 s 0 – 500 s: Kühlen Formrahmen 100 °C
Einsätze 200 °C
(siehe auch Öl (Heizen) 300 °C
Abbildung 4-26) Öl (Kühlen) 100 °C
Öl (Stationär) 250 °C
Gießzyklus Individuell Individuell Formrahmen 100 °C
Einsätze 200 °C
(siehe auch Öl (Heizen) 300 °C
Abbildung 4-30) Öl (Kühlen) 100 °C
Öl (Stationär) 250 °C
249
Anhang
Tabelle 10-16: Übersicht über die in Kapitel 5 verwendeten Versuchsstände und die
untersuchten Zyklen.
Verwendete
Kapitel Betrachtete Zyklen Randbedingungen
Versuchsstände
250
Anhang
Beschreibung
Dauer Temperierschritte Starttemperaturen
/ Name
Aufheizen 5 h 30 min 0 – 5h 30 min: Heizen Formrahmen 20 °C
Einzelplatten- Einsätze 20 °C
Werkzeug Öl (Heizen) 250 °C
(Experiment)
Aufheizen 3 h 30 min 0 – 3 h 30 min: Heizen Formrahmen 20 °C
Einzelplatten- Einsätze 20 °C
Werkzeug Öl (Heizen) 250 °C
(Simulation)
(siehe auch
Abbildung 5-3)
Beschreibung
Dauer Temperierschritte Starttemperaturen
/ Name
Aufheizen 120min 0 - 120min: Heizen Plattenpaket 50 °C
Isolations- Öl (Heizen) 55 °C
Prüfstand Heizleistung 1 kW
(siehe auch
Abbildung 5-20)
251
Anhang
Beschreibung
Dauer Temperierschritte Starttemperaturen
/ Name
Kühlen Individuell 0 – TGuss ≤ TSolidus: Werkzeug 250 °C
Variotherm Kühlen Schmelze 700 °C
Öl (Kühlen) 100 °C
Kühlen Individuell 0 – TGuss ≤ TSolidus: Werkzeug 250 °C
Stationär Kühlen Schmelze 700 °C
Öl (Kühlen) 250 °C
252
Anhang
Beschreibung /
Dauer Temperierschritte Starttemperaturen
Name
Aufheizen 120 min + 0 - 120 min: Heizen Kokille 25 °C
Versuchsstand Kühldauer 120 min – TGuss ≤ 300 °C: Öl (Heizen) 300 °C
Kokillenguss Kühlen Öl (Kühlen) 100 °C
Wasser (Heizen) 180 °C
Wasser (Kühlen) 30 °C
253
Lebenslauf
11. Lebenslauf
Persönlich Daten:
Ausbildung:
Berufliche Tätigkeiten:
10/08 - 10/11 Werksstudent bei der M. Busch GmbH & Co. KG Eisengie-
ßerei Wehrstapel
10/11 – 03/13 Wissenschaftliche Hilfskraft am Gießerei-Institut der
RWTH Aachen University
04/13 - 09/13 Praktikant bei Nemak am Druckguss-Standort
Sheboygan, Wisconsin.
05/14 – 10/17 Wissenschaftlicher Angestellter am Gießerei-Institut der
RWTH Aachen University
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Lebenslauf
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Wissenschaftliche Veröffentlichungen
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Abstract_de
Der Aluminiumdruckguss ist das, bezogen auf die Tonnage, dominierende Gießver-
fahren zur Verarbeitung von Aluminium. Im Zusammenhang mit dem seit Jahren
steigenden Markanteil ausladender Strukturbauteile und dem Aufkommen großfor-
matiger Bauteile, wie etwa Batteriewannen, durch den Ausbau der Elektromobilität,
wachsen die Anforderungen an Prozess, Gießmaschine und Werkzeuge immer wei-
ter. Die in ihren Ausmaßen wachsenden, immer komplexer werdenden Werkzeuge
bedürfen aufgrund der Gestalt der zu fertigenden Bauteile eine präzise Temperie-
rung, um qualitativ hochwertigen Guss erzeugen zu können.
Derzeit werden mit Hilfe subtraktiver Fertigungsverfahren Werkzeuge gefertigt,
welche im Prozess mit einer stationären Temperierung über einen und mehrere
Zyklen hinweg auf einem möglichst stabilen Temperaturniveau gehalten werden.
Die Eingriffsmöglichkeiten sind bei dieser Vorgehensweise nach dem Abschluss der
Gestaltungsphase des Werkzeugs gering. Zudem sind die Freiheitsgrade etwa für
die Temperierkanalgeometrie aufgrund der eingesetzten Herstellungsverfahren
eingeschränkt. Abhilfe können hier zunehmend die generativen Fertigungsverfah-
ren schaffen, welche nahezu unbegrenzte Gestaltungsspielräume mit sich bringen.
In dieser Arbeit wird eine Temperiermethodik vorgestellt und untersucht, welche
im Kunststoffspritzguss bereits breite Anwendung zur Herstellung hochwertiger
Produkte findet. Die Variothermie eignet sich besonders in Form einer auf Tempe-
rieröl basierenden fluidvariothermen Form für den Einsatz im Druckguss, da grund-
sätzlich keine Anpassungen am Werkzeug erforderlich sind, sondern lediglich die
Anlagenperipherie verändert werden muss. Im Zuge der Untersuchungen wird da-
bei die generelle Eignung des konventionellen Werkzeugaufbaus im Druckguss für
die Anwendung der Variothermie betrachtet.
Basierend auf den Erkenntnissen aus dem Einsatz einer variothermen Temperie-
rung in einem konventionell gestalteten Versuchswerkzeug werden zudem Opti-
mierungspotenziale aufgezeigt und Lösungen hinsichtlich angepasster Temperier-
kanalgeometrien, reduzierter Werkzeugmassen und thermischer Entkopplung der
einzelnen Werkzeugkomponenten entwickelt und auf ihr Potenzial hin untersucht.
Diese Maßnahmen werden darüber hinaus auf ihre Vorteile für eine stationäre Tem-
perierung hin betrachtet.
Ergänzend wird mit dem Kokillenguss ein weiteres potenzielles Anwendungsge-
biet für die Variothermie im Leichtmetallguss in die Betrachtung mit einbezogen.
Dabei steht der Einfluss dieser Temperiermethodik auf das resultierende Gussteil
im Vordergrund.
Abstract_en
High Pressure Die Casting is the dominant casting process for processing aluminium
in terms of tonnage. In connection with the increasing market share of large struc-
tural components over many years and the emergence of large-format components,
such as battery trays, due to the expansion of e-mobility, the demands on processes,
casting machines and dies are constantly increasing. Due to the shape of the compo-
nents to be manufactured, the increasingly complex dies, which are growing in size
and complexity, require a precise temperature control in order to be able to produce
high-quality castings.
At present, dies are manufactured with the aid of subtractive manufacturing pro-
cesses. During the process they are kept at the most stable temperature level possi-
ble using a stationary temperature control. The possibilities for intervention in this
procedure are small after completion of the design phase of the die. In addition, the
degree of freedom for the temperature control channel geometry is low due to the
manufacturing processes used. This can increasingly be remedied by generative
manufacturing processes, which bring with them almost unlimited scope for design.
This thesis presents and examines a temperature control method which is already
widely used in plastic injection moulding for the manufacturing of high quality
goods. Variothermal temperature control is particularly suitable in the form of a
fluid-variothermal form based on tempering oil for the use in High Pressure Die
Casting, since no adjustments to the die are generally required, only the system pe-
riphery needs to be changed. In the course of the investigations, the general suita-
bility of conventional die design in High Pressure Die Casting for the application of
a variothermal temperature control is evaluated.
Based on the findings from the use of variothermal temperature control in a con-
ventionally designed test die, optimization potentials are also demonstrated and so-
lutions are developed with regard to adapted temperature control channel geome-
tries, reduced tool masses as well as thermal decoupling of the individual tool com-
ponents and examined for their potential. These measures are also considered with
regard to their advantages for stationary temperature control.
In addition, Gravity Die Casting is another potential application area for variother-
mal temperature control in light metal casting. The influence of this temperature
control method on the resulting casting is in the foreground.