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Dr.

Stefan Recksiegel

Mathematischer Vorkurs für Physiker 2020


Vorlesung 9: Zylinder- und Kugelkoordinaten /
Origin/QtiPlot/SciDAVis
Zylinderkoordinaten
Bei der Berechnung von Volumenintegralen sind kartesische Koordinaten nicht immer nützlich. Wir haben für
zweidimensionale Probleme bereits die Polarkoordinaten kennengelernt. Wenn die Symmetrie des Problems
zumindest stückweise einem Zylinder entspricht, ist es praktisch, sog. Zylinderkoordinaten zu wählen:
x = r cos φ
y = r sin φ
z = z
Man stellt also die Ebene in Polarkoordinaten dar, belässt aber die kartesische Koordinate entlang der Zylin-
derachse. Für das Volumenintegral gelten folgende Transformationsregeln
y
f (x, y, z) dx dy dz
V
y
= f (r cos φ, r sin φ, z) r dr dφ dz
V

Unser Beispiel mit dem Rotationsparaboloid aus der letzten Vorlesung ist in diesen Koordinaten fast trivial:
Z 1 Z 2π Z 1−r2 Z 1  2 1
r r4 π
V = r dr dφ dz = 2π r · (1 − r2 ) dr = 2π − =
0 0 0 0 2 4 0 2

Kugelkoordinaten
Wenn ein Problem kugelsymmetrisch ist, beschreibt man die Oberfläche
einer Kugel durch 2 Winkel: einen Azimutwinkel φ ∈ [0, 2π[ und einen
Polarwinkel θ ∈ [0, π], sowie einen Radius r ∈ [0, ∞[ ,
x = r sin θ cos φ
y = r sin θ sin φ
z = r cos θ,
und es gelten die Transformationsregeln
y
f (x, y, z) dx dy dz
V
y
= g(r, φ, θ) r2 sin θ dr dφ dθ
V

Beispiel:
Das Trägheitsmoment einer Kugel vom Radius R mit homogener Dichte
ρ = 1 beträgt um die z-Achse
y
Θ = (x2 + y 2 ) dx dy dz
V
Z π Z 2π Z R
= r2 sin2 θ · r2 sin θ dr dφ dθ
θ=0 φ=0 0
Z π Z R
3
= 2π sin θ dθ r4 dr
0 0
4 1 5
= 2π · · R
3 5
2
= M R2 .
5

1
Das Integral über sin3 θ dθ berechnet man mit der Substitution u = cos θ, dann ist du = − sin θ dθ, das Vor-
zeichen verschwindet wieder durch die Vertauschung der Grenzen [cos 0 = 1, cos π = −1] → [−1, 1]. Aus dem
verbliebenen sin2 θ macht man ein 1 − cos2 θ = 1 − u2 :
Z π Z 1 1
u3

3 2 2 4
sin θ dθ = (1 − u )du = u − =2− =
0 −1 3 −1 3 3

Origin/QtiPlot/SciDAVis
Sie werden häufig — z.B. im Praktikum — Daten auswerten müssen. Mit den Programmen Origin (Windows,
kommerziell, Fakultätslizenz) / QtiPlot/SciDAVis (verschiedene Betriebssysteme, freie Software) können Sie
Daten plotten, fitten, etc. Wir zeigen hier Origin, aber die Bedienung von QtiPlot/SciDAVis ist praktisch iden-
tisch. Auf die Beispieldateien können Sie auch über https://webdisk.ads.mwn.de, →TUPH, →FPH, →public
zugreifen.

Starten Sie Origin lokal oder verbinden Sie sich über RemoteDesktop (Windows) / rdesktop (Linux) mit dem
Applikationsserver des Physikdepartments, appserver.ph.tum.de, melden Sie sich mit Ihrer TUM-Kennung
(ADS\gu12xyz) an und doppelklicken Sie auf das Origin–Icon.

1. Beispiel: Funktion erzeugen und analysieren



Wir erzeugen die Funktionen f (x) = exp(−x2 /1000) und f (x) = exp(−x/ 1000) mit 100 Stützpunkten zwis-
chen x=0 und x=150:
1. Spalte A(x) links klicken → Spalte markiert
2. Rechts klicken auf A(x) → Dropdownmenü → “Spaltenwerte errechnen” (engl.: “Set column values”)
3. In “Zeile (i): Ab” . . . “Bis” die beiden AUTO-Werte durch 1 und 100 ersetzen
4. Im großen Fenster: “(i-1)*150/99” eintragen. Damit erhalten wir die Formel “Col(A)=(i-1)*150/99” →
“OK” klicken
5. Spalte B(y) links klicken → Spalte markiert
6. Rechts klicken auf B(y) → Dropdownmenü → “Spaltenwerte errechnen”
7. Im großen Fenster: “exp(-Col(A)^2/1000)” eintragen. Damit erhalten wir die Formel “Col(B)= exp(-
Col(A)^2/1000)” “OK” klicken
8. Rechtsklicken auf grauen Bereich neben den Spalten → neue Spalte
9. Spalte C(y) links klicken → Spalte markiert
10. Rechts klicken auf C(y) → Dropdownmenü → “Spaltenwerte errechnen”
11. Im großen Fenster: “exp(-Col(A)/sqrt(1000))” eintragen → “OK” klicken

Datensatz plotten
1. Spalten B(y) und C(y) markieren
(die Spalte A(x) wird automatisch als x-Achse verwendet, weil nur eine da ist)
2. Zeichnen → Linie → Liniendiagramm
3. Doppelklick auf die Skala öffnet ein Menü zu vielen Darstellungsoptionen, z.B. Ändern des Darstellungs-
bereichs:
(a) Doppelklick auf x-Skala
(b) Reiter “Skalierung”

2
(c) Von “0” Bis “150”, Inkrement “50”; OK
(d) Nochmal auf Skala klicken. In oberer Menüzeile auf das große A^ mehrmals klicken um die Schrift
zu vergrößern
(e) Nun die x-Achsenbeschriftung (Buchstabe A) doppel-klicken, alles auswählen und tippen: ctrl-g L,
dann im Menü “x2 ” klicken und a tippen.

Graphen differenzieren und integrieren



Wir differenzieren die Funktion f (x) = exp(−x/ 1000) und integrieren die Funktion f (x) = exp(−x2 /1000).
1. Rechtsklick auf “1” (links oben im Graphen)→ Kontextmenü: Der Haken im unteren Abschnitt zeigt an,
welcher Datensatz (B oder C) ausgewählt ist.

2. Klicke auf Zeile mit “C(Y)” → Haken bei Zeile mit C


3. Klicke auf “Analyse” → “Mathematik” → “Differenzieren” (→ “Dialog öffnen”)
4. Haken bei “Ableitungskurve des Diagramms” setzen → OK. Die Ableitung ist nun als weitere Spalte in
unserem Datensatz und ein weiterer Graph öffnet sich.

5. Rechtsklick auf “1” (links oben im Graph)→ Kontextmenü: Der Haken im unteren Abschnitt zeigt an,
welcher Datensatz (B oder C) ausgewählt ist.
6. Klicke auf Zeile mit “B(Y)” → Haken bei Zeile mit B
7. Klicke auf “Analyse” → “Mathematik” → “Integrieren” (→ “Dialog öffnen”)

8. Klicke auf “Integralkurve zeichnen”: “Neues Diagramm” → OK. Das Integral ist nun als weitere Spalte
in unserem Datensatzund ein weiterer Graph öffnet sich.

2. Beispiel: Einfache Daten fitten


Eine ASCII-Datei einlesen und die Daten linear fitten
• Erstellen Sie ein neues Projekt und importieren Sie die gewünschte Datei:
1. “Datei” → “Neu” → “Projekt”
2. “Datei” → “Import” → “Importassistent”
3. Datentyp: ASCII
4. Datenquelle: Datei \\nas.ads.mwn.de\tuph\fph\public\Uebung_Origin\linear_curve.dat
5. Fertigstellen
• Plotten und Fitten

1. Ziehen Sie die rechte Spalte mit gedrückter Maus etwas breiter, so dass Sie die Zahlen lesen können
2. “Zeichnen” → “Linie” → “Liniendiagramm”, bei X↔A und Y↔B Haken machen.
3. “Analyse” → “Anpassen” → “Linearer Fit” (→ “Dialog öffnen”) → OK
4. Linearer Fit wird ausgegeben
5. Daten der Fitkurven finden Sie im ursprünglichen “Book”
6. Entfernen Sie die überlagerten Fit-Details aus dem Liniendiagramm

3. Beispiel: Komplexe Daten fitten


Eine ASCII-Datei einlesen und Daten mit Gausskurven fitten

• Erstellen Sie ein neues Projekt und importieren Sie die gewünschte Datei:
1. “Datei” → “Neu” → “Projekt”
2. “Datei” → “Import” → “Importassistent”
3. Datenquelle: Datei \\nas.ads.mwn.de\tuph\fph\public\Uebung_Origin\double_peak.dat
4. Fertigstellen

3
• Plotten und Fitten an zwei verschiedene Kurvenformen
1. “Zeichnen” → “Linie” → “Liniendiagramm”, X↔A und Y↔B.
2. Doppelklick auf Kurve → Verbindung B-Spline, Breite 2 → OK
3. Links unten auf Symbol “Punkt-Liniendiagramm” klicken → Messpunkte
4. Kurve wieder zuücksetzen als stückweise Gerade und dünn
5. “Analyse” → “Peaks und Basislinie” →“Mehrere Peaks anpassen” (→ Dialog) → Gauß ist vor-
eingestellt → OK
6. Doppelt auf “Peaks” (also die Maxima) klicken → auf “Fit” klicken
7. Daten der Fitkurven sind wieder im ursprünglichen “Book”.
8. Doppelklick auf Layer 1 links oben → Auf A2(Y1) klicken → Gruppe auflösen auswählen → nochmal
auf A2 (Y1) klicken und Pfeil nach links drücken und damit aus dem Graph entfernen. Ebenso für
A3 (Y1) → OK
9. Farbe des gefitteten Graphen auf Grün setzen
10. Nun nochmal “Analyse” → “Peaks und Basislinie” → Dialog → “Lorentz” auswählen. Ergebnis:
Gausskurve (grün) fällt rascher ab als Lorentzkurve. Unsere Daten werden durch die Lorentzkurve
deutlich besser beschrieben.

4. Beispiel: Daten mit Fehlerbalken analysieren


• Erstellen Sie ein neues Projekt und importieren Sie die gewünschte Datei:
1. “Datei” → “Neu” → “Projekt”
2. “Datei” → “Import” → “Importassistent”
3. Datenquelle: Datei \\nas.ads.mwn.de\tuph\fph\public\Uebung_Origin\exp_IV.dat
4. Fertigstellen
• Plotten und Fitten mit und ohne Berücksichtigung der Fehlerbalken
1. Spalte C auswählen → rechte Maustaste → Setzen als → Y Fehlerbalken
2. In Spalte A eintragen: Langname “Spannung”, Einheit V
3. In Spalte B eintragen: Langname “Strom”, Einheit A
4. Spalten B und C auswählen → Zeichnen → Symbol → Punktdiagramm
5. Von Pfeil auf Lupe (Vergrößern) wechseln, um einen Ausschnitt zu zeigen. Anschliessend mit Symbol
“neu skalieren” (Taskbar rechts oben mit horizont. und vertik. Achse) zurücksetzen
6. Auf Symbol in Legende doppelklicken → Größe auf 3 setzen
7. Analyse → Anpassen → Sigmoidaler Fit (→ Dialog öffnen)
8. Funktion auswählen: Boltzmann
9. “Datenauswahl” → Aufklappen von “Bereich 1” → Aufklappen von “y” → Aufklappen von “Gewich-
tung”: Auswahl “instrumental” → Klick auf “Fit”
10. Fitkurve grün einfärben
11. Noch einmal: Anpassen → ... → Datenauswahl → Aufklappen von “Bereich 1” → Aufklappen von
“y” → Aufklappen von “Gewichtung”: Auswahl “ohne” → Klick auf “Fit”.
12. Ergebnis: ohne Wichtung liegt der Fit tiefer, die größeren Fehler der tieferen Punkte werden ignoriert

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Dr. Stefan Recksiegel

Mathematischer Vorkurs für Physiker 2020


Übungsblatt 9
Wichtige Formeln aus der Vorlesung
Zylinderkoordinaten: x = r cos φ, y = r sin φ, z = z (φ ∈ [0, 2π[ ) und
ZZZ ZZZ
f (x, y, z) dx dy dz = f (r cos φ, r sin φ, z) r dr dφ dz

Kugelkoordinaten: x = r sin θ cos φ, y = r sin θ sin φ, z = r cos θ, (φ ∈ [0, 2π[, θ ∈ [0, π] ) und
ZZZ ZZZ
f (x, y, z) dx dy dz = f (r sin θ cos φ, r sin θ sin φ, r cos θ) r2 sin θ dr dφ dθ

Basisaufgaben
Beispiel 1:
Welche Gesamtmasse hat ein Vollzylinder (Radius R, Länge L) mit nur radial variabler Dichte
  r 2 
ρ(r) = ρ0 1 +
R

Die allgemeine Gleichung zur Berechnung der Masse M lautet


Z Z
M = dm = ρ(~r) dV.

r2 dm durch
R
Zeigen Sie, dass sein Trägheitsmoment bezüglich der Zylinderachse I =

5
I= πLρ0 R4
6
gegeben ist.

Beispiel 2:
Gegeben sei ein Paraboloid durch die Gleichung z = 16 − x2 − y 2 . Dies ist ein Rotationskörper um die z-Achse
über der xy-Ebene zwischen z = 0 und z = 16. Er habe eine Massendichte von ρ(x, y, z) = 8 + x + y und gefragt
ist die Masse. ZZZ
M= ρ(x, y, z) dx dy dz.

Hilfe: Verwenden Sie Zylinderkoordinaten.

Beispiel 3:
Die Ladungsdichte eines Elektrons im Grundzustand des Wasserstoffs ist radialsymmetrisch und wird durch ρ =
−c e−2r
R beschrieben, mit r als Abstand vom Proton. Bestimmen Sie die Konstante c so, dass die Gesamtladung
Q = ρ dV gerade −1 wird. Hilfe:
Z  2 
x 2x 2
x2 eαx dx = eαx − 2+ 3 .
α α α

1
Rechneraufgaben
1. Rechnerzugang
• Loggen Sie sich mit Ihrer TUM-Kennung ga12xyz und dem zugehörigen Passwort in einen der Rechner in
den CIP-Räumem im Physik-Department ein.
(Sie können sich auch über SSH einloggen und dann eine VNC-Verbindung öffnen, genaue Anleitung siehe
https://www.cip.ph.tum.de/ bzw. https://wiki.tum.de/display/tuphcip/Remote+Access.)
Probieren Sie verschiedene Programme wie z.B. Browser und OpenOffice aus.

• Loggen Sie sich (entweder von einem der CIP-Rechner oder von einem beliebigen anderen Rechner inner-
halb des Münchner Wissenschaftsnetzes MWN aus — ggf. via VPN) auf dem Windows-Applikationsserver
des Physikdepartments ein. Sie müssen hierzu eine RemoteDesktop-Verbindung zu dem Rechner
appserver.ph.tum.de aufbauen, Ihr Benutzername ist hier Ihre TUM-Kennung mit einem vorangestellten
ADS\ (Active Directory Service). Probieren Sie verschiedene Programme aus.

2. Datenauswertung
Verwenden Sie qtiplot auf einem der CIP-Rechner oder Origin auf dem Applikationsserver (oder installieren
Sie eines dieser Programma auf Ihrem eigenen Rechner) und vollziehen Sie die in der Vorlesung gezeigten
Auswertungen nach.

3. Mathematica
Falls Sie dies noch nicht gemacht haben: Bearbeiten Sie die mit M.x gekennzeichneten Mathematica-Aufgaben
der vorigen Übungsblätter. Sie können Mathematica auf den CIP-Rechnern, auf dem Applikationsserver oder
auf Ihrem eigenen Rechner (vgl. https://www.ph.tum.de/about/services/it/software/) verwenden.

“Einmal-im-Leben”aufgabe
“Ein Physiker muss drei Dinge im Leben tun:
1. Ein Haus bauen, 2. Einen Baum pflanzen, 3. Den Laplace-Operator in Kugelkoordinaten ausrechnen.”
(Alte Physikerweisheit)

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