Der Rauber Hotzenplotz
Der Rauber Hotzenplotz
Der Rauber Hotzenplotz
DEUTSCHER JUGENDBUCHPREIS
Gesamtausstattung: F. J. Tripp
Satz: KCS GmbH in Buchholz/Hamburg
Klischees: Klischee-Herzog
Umschlagreproduktion: Friedrich Beck, beide in Stuttgart
Druck und Bindung: Friedrich Pustet in Regensburg
© 1962 by K. Thienemanns Verlag, Stuttgart – Wien
Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 3 511 T0590 7
51 50 49* 01 02 03
RENATE
REGINE
SUSANNE
Vorsicht,
Gold !!
Was bedeutete das nun wieder? Seppel zerbrach sich den
Kopf darüber, aber er konnte es nicht herausbringen.
»Weißt du was?«, meinte Kasperl. »Anstatt hier
herumzuglotzen und Daumen zu lutschen, könntest du lieber
den Handwagen aus dem Schuppen holen!«
Seppel lief in den Schuppen und brachte den Handwagen.
Dann musste er Kasperl die Kiste hinaufheben helfen. Das war
keine leichte Arbeit, sie schwitzten und keuchten dabei wie
zwei Nilpferde.
»Uff!«, stöhnte Seppel, »und das am Sonntag!«
Nicht genug, dass es heute bei Großmutter keinen
Pflaumenkuchen mit Schlagsahne gab (denn Großmutter hatte
aus Kummer um ihre Kaffeemühle nicht gebacken): Nun
mussten sie auch noch schwer arbeiten!
Aber sie schafften es schließlich doch.
»Und was nun?«, fragte Seppel.
»Nun kommt die Hauptsache!«
Kasperl zog einen Bohrer aus der Hosentasche und bohrte
ein kleines Loch in den Kistenboden. Als er den Bohrer
absetzte, rieselte Sand heraus.
»So«, sagte Kasperl zufrieden, »das hätten wir!«
Er spitzte mit seinem Taschenmesser ein Streichholz an,
steckte es in das eben gebohrte Loch und verschloss es wieder.
Seppel hatte ihm kopfschüttelnd zugesehen.
»Entschuldige«, sagte er, »aber da komme ich nicht mehr
mit!«
»Nein?«, sagte Kasperl und lachte. »Es ist doch ganz
einfach! Wir zwei fahren morgen früh mit dem Handwagen
und der Kiste hinaus zum Wald. Dort liegt Hotzenplotz auf der
Lauer. Wenn er uns kommen sieht, liest er die Aufschrift auf
unserer Kiste und denkt, es ist Gold drin.«
»Aha«, meinte Seppel. »Und dann?«
»Dann will er die Kiste natürlich haben. Wir lassen uns
überfallen und laufen davon. Hotzenplotz schnappt sich die
Kiste und schleppt sie – wohin wohl?«
»Wie kann ich das wissen, Kasperl? Ich bin nicht der
Räuber Hotzenplotz!«
»Aber das lässt sich doch leicht erraten, Seppel! Er wird sie
nach Hause schleppen, in seinen Schlupfwinkel. Unterwegs
aber läuft durch das Loch in der Kiste der Sand aus. Das gibt
auf dem Waldboden eine feine Sandspur. Wenn wir nun wissen
wollen, wo Hotzenplotz sein Versteck hat, brauchen wir dieser
Spur nur zu folgen, sie führt uns hin. – Wie gefällt dir das?«
»Das ist großartig«, sagte Seppel, »das machen wir! Aber
vergiss nicht das Streichholz herauszuziehen, bevor wir
weglaufen!«
»Keine Sorge!«, rief Kasperl, »du kannst dich auf mich
verlassen, ich denke daran!«
Und er machte sich einen großen Knoten ins Taschentuch.
Aber Räuber sind oft gar nicht so dumm, wie sie manchmal
ausschauen
Wohl bekomm's!
Ein nächtliches Abenteuer
EINTRITT
STRENG VERBOTEN !
EINTRITT
STRENGSTENS VERBOTEN !!
EINTRITT
ALLERSTRENGSTENS
VERBOTEN !!!
Kasperl spürte ein Zwicken und Zwacken im Bauch. War
das Angst – oder waren es nur die Salzgurken und die
Buttermilch?
»Ob ich nicht lieber umkehre?«, dachte er.
Da machte es hinter der dritten Tür abermals »Uh-chuchu-
chuuuh!« Das klang diesmal so schaurig und jammervoll, dass
es dem guten Kasperl durch Mark und Bein ging. Er vergaß
alles Bauchweh und alle Angst.
Ein Schritt, dann ein Griff nach der Klinke – und knarrend
und quietschend (sehr hässlich quietschend) öffnete sich auch
diese Tür.
Kasperl ließ sich den Weg nach der Hohen Heide genau
beschreiben.
»Wenn du am Ziel bist«, sagte die Unke, »dann setze dich
unter die alte Wetterfichte, die einsam neben dem schwarzen
Teich in der Heide steht. Dort warte den Aufgang des Mondes
ab. Das Feenkraut findet man nämlich nur, wenn der Mond
scheint. Im Mondlicht beginnt es zu leuchten, man sieht seine
kleinen silbernen Blütendolden unter den Wurzeln der
Wetterfichte hervorschimmern. Wenn du ein Büschel davon
gepflückt hast, ist alles gut. Dann kann dir auch Zwackelmann
keinen Schaden mehr zufügen: Wer das Feenkraut in der Hand
hält, der ist für ihn unsichtbar.«
»Meinst du, dass er mich suchen wird, wenn er heimkommt
und merkt, dass ich weg bin?«
»Das glaube ich ganz bestimmt. Darum musst du versuchen
das Feenkraut möglichst bald in die Hand zu bekommen. Doch
nun geh, denn du hast einen weiten Weg vor dir. Alles Gute –
und viel, viel Glück!«
Kasperl erhob sich und winkte mit seiner Laterne der Unke
im Unkenpfuhl einen Gruß zu.
»Auf Wiedersehen!«
»Auf Wiedersehen! Aber vergiss nicht die Türen hinter dir
zuzumachen! Zwackelmann braucht nicht zu merken, dass du
mit mir gesprochen hast.«
Ach richtig, die Türen! An die hatte Kasperl nicht mehr
gedacht. Er schloss sie und stieg dann die Kellertreppe hinauf.
Auch die Kellertür klinkte er wieder zu. Dann nahm er aus
Zauberer Zwackelmanns Speisekammer ein Brot und zwei
Würste mit und brach auf.
Er kletterte durch das Kammerfenster hinaus in den
Kräutergarten. Draußen nahm er den Hut ab. Es fiel ihm nicht
schwer, sich von ihm zu trennen. Er legte ihn unweit vom Zaun
in das Petersilienbeet.
Ob er es diesmal schaffte? Ihm war nicht besonders wohl
zumute. Er dachte an gestern Abend und an die Ohrfeigen, die
er bekommen hatte.
»Ach was, ich versuche es! Mehr als Pech haben kann ich
nicht . . .«
Aber diesmal ging alles glatt: Keine Geisterhand nahm ihn
beim Kragen und riss ihn zurück, es setzte auch keine
Ohrfeigen. Aufatmend ließ er sich jenseits des Zaunes ins Gras
fallen.
»Uff!«, sagte Kasperl, »man sollte es nicht für möglich
halten, wozu so ein Seppelhut gut ist...«
Er wanderte eine Stunde und zwei Stunden, immer dem
Weg folgend, den ihm die Unke beschrieben hatte. Erst durch
den Wald, dann ein Stück auf der Landstraße, dann einen Bach
entlang, bis er wieder an einen Wald kam. Hier mussten drei
Birken stehen, von denen die mittlere einen gespaltenen Stamm
hatte.
Richtig, da standen sie! – und genau wie die Unke gesagt
hatte, führte an dieser Stelle ein Fußpfad ins Waldesdickicht.
Von ihm durfte Kasperl jetzt nicht mehr abweichen. Aber es
dauerte nochmals zwei Stunden, bevor er die Hohe Heide
erreichte, und als er dort ankam, wurde es langsam Abend.
Kasperl war froh, dass er endlich am Ziel war. Er setzte sich
unter die Wetterfichte am Ufer des schwarzen Teiches, zog
Schuhe und Strümpfe aus, ließ seine müden Beine ins Wasser
baumeln und wartete auf den Mond. Zum Zeitvertreib aß er das
Brot und die beiden Würste auf.
Er bemühte sich, nicht an den großen Zauberer Petrosilius
Zwackelmann zu denken, doch das gelang ihm nicht. Je länger
er dasaß und warten musste, desto unbehaglicher fühlte er sich.
Ob Zwackelmann schon zurück war aus Buxtehude? Was
würde er anstellen, wenn er merkte, dass Kasperl
verschwunden war?
»Lieber Mond«, seufzte Kasperl, »wo bleibst du bloß?
Willst du nicht endlich aufgehen? Wenn mich Zwackelmann
findet, bevor ich das Feenkraut pflücken konnte, ist alles aus.
Hörst du mich, alter Mond? Du sollst aufgehen!«
Aber der Mond ließ sich sehr viel Zeit. Er kam und kam
nicht zum Vorschein und Kasperl saß wie auf Nadeln und
dachte an Petrosilius Zwackelmann.
»Des Hutes Besitzer«
»Herbei, herbei,
Wo auch immer er sei!
Des Hutes Besitzer,
Er stelle sich ein:
Wo der Hut ist,
Da soll er auch selber sein!
Hokuspokus – so sei es!«
»Herbei, herbei,
Wo auch immer er sei!
Des Stiefels Besitzer,
Er stelle sich ein:
Wo der Stiefel ist,
Soll er auch selber sein!
Hokuspokus – so sei es!«
Da sieht man wie nützlich es sein kann, wenn man sich gut mit
Feen versteht
Öffentliche Bekanntmachung!
Gesucht werden Kasperl und Sepperl.
Besondere Kennzeichen:
rote Kasperlmütze und grüner Seppelhut.
polizeiliche Aufforderung