Der Rauber Hotzenplotz

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Der Räuber Hotzenplotz

Eine Kasperlgeschichte von Otfried Preußler

K. Thienemanns Verlag Stuttgart


Ausgezeichnet durch die Aufnahme in die Auswahlliste

DEUTSCHER JUGENDBUCHPREIS

Die gleichnamige CD/MC ist bei


Universal Family Entertainment, Hamburg, erschienen
und überall im Handel erhältlich.

Dieses Buch wurde in folgende Fremdsprachen übersetzt:


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Serbokroatisch, Slowenisch, Spanisch, Surselvisch, Türkisch, Ukrainisch.

Gesamtausstattung: F. J. Tripp
Satz: KCS GmbH in Buchholz/Hamburg
Klischees: Klischee-Herzog
Umschlagreproduktion: Friedrich Beck, beide in Stuttgart
Druck und Bindung: Friedrich Pustet in Regensburg
© 1962 by K. Thienemanns Verlag, Stuttgart – Wien
Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 3 511 T0590 7
51 50 49* 01 02 03

Thienemann im Internet: www.thienemann.de


Scan, Korrektur und Layout
2004 by madraxx

Dieses E-Book ist


nicht
für den Verkauf bestimmt!
Dieses Buch

widme ich meinen drei Töchtern

RENATE

REGINE

SUSANNE

und allen Kindern,

die Freude an Kasperlgeschichten haben


Der Mann mit
den sieben Messern

Einmal saß Kasperls Großmutter auf der Bank vor ihrem


Häuschen in der Sonne und mahlte Kaffee. Kasperl und sein
Freund Seppel hatten ihr zum Geburtstag eine neue
Kaffeemühle geschenkt, die hatten sie selbst erfunden. Wenn
man daran kurbelte, spielte sie »Alles neu macht der Mai«, das
war Großmutters Lieblingslied.
Seit Großmutter die neue Kaffeemühle hatte, machte ihr das
Kaffeemahlen solchen Spaß, dass sie doppelt so viel Kaffee
trank wie früher.
Auch heute hatte sie die Kaffeemühle schon zum zweiten
Mal aufgefüllt und eben wollte sie weitermahlen – da rauschte
und knackte es plötzlich in den Gartensträuchern und eine
barsche Stimme rief:
»Her mit dem Ding da!«
Großmutter blickte verwundert auf und rückte an ihrem
Zwicker.
Vor ihr stand ein fremder Mann mit einem struppigen
schwarzen Bart und einer schrecklichen Hakennase im Gesicht.
Auf dem Kopf trug er einen Schlapphut, an dem eine krumme
Feder steckte, und in der rechten Hand hielt er eine Pistole. Mit
der Linken zeigte er auf Großmutters Kaffeemühle.
»Her damit, sage ich!«
Aber Großmutter ließ sich nicht Bange machen.
»Erlauben Sie mal!«, rief sie entrüstet. »Wie kommen Sie da
herein – und was fällt Ihnen ein, mich so anzuschreien? Wer
sind Sie denn eigentlich?«
Da lachte der fremde Mann, dass die Feder an seinem Hut
nur so wackelte.
»Sie lesen wohl keine Zeitung, Großmutter? Denken Sie
mal scharf nach!«
Jetzt erst sah Großmutter, dass in dem breiten Ledergürtel
des Mannes ein Säbel und sieben Messer steckten. Da wurde
sie blass und mit ängstlicher Stimme fragte sie:
»Sind Sie etwa – der Räuber Hotzenplotz?«
»Der bin ich!«, sagte der Mann mit den sieben Messern.
»Machen Sie keine Geschichten, das mag ich nicht. Geben Sie
mir sofort die Kaffeemühle!«
»Aber die gehört Ihnen doch gar nicht!«
»Papperlapapp!«, rief der Räuber Hotzenplotz. »Tun Sie
gefälligst, was ich von Ihnen verlange! Ich zähle bis drei . . .«
Und er hob die Pistole.
»Bitte nein!«, sagte Großmutter. »Die Kaffeemühle dürfen
Sie mir nicht wegnehmen! Ich habe sie zum Geburtstag
bekommen. Wenn man dran kurbelt, spielt sie mein
Lieblingslied.«
»Eben deshalb!«, knurrte der Räuber Hotzenplotz. »Ich will
auch eine solche Kaffeemühle haben, die ein Lied spielt, wenn
man dran kurbelt. Geben Sie sie schon her!«
Da tat Großmutter einen tiefen Seufzer und gab sie ihm.
Was hätte sie sonst auch tun sollen?
Jeden Tag konnte man in der Zeitung lesen, was für ein
böser Mensch dieser Hotzenplotz war. Alle Leute hatten
entsetzliche Angst vor ihm, sogar der Herr Wachtmeister
Dimpfelmoser, und der war immerhin von der Polizei.
»Na also, warum nicht gleich?«
Mit zufriedenem Grunzen ließ Hotzenplotz Großmutters
Kaffeemühle in seinem Schnappsack verschwinden. Dann kniff
er das linke Auge zu, schaute Großmutter mit dem rechten
Auge scharf an und sagte:
»So – und nun passen Sie mal gut auf! Sie bleiben jetzt auf
der Bank hier sitzen und rühren sich nicht vom Fleck. Dabei
zählen Sie leise bis neunhundertneunundneunzig.«
»Warum?«, fragte Großmutter.
»Darum!«, entgegnete Hotzenplotz. »Wenn Sie bis
neunhundertneunundneunzig gezählt haben, dürfen Sie
meinetwegen um Hilfe rufen. Aber nicht einen Augenblick
früher, das sage ich Ihnen! Sonst können Sie was erleben!
Verstanden?«
»Verstanden«, lispelte Großmutter.
»Und versuchen Sie nicht zu mogeln!«
Der Räuber Hotzenplotz hielt ihr zum Abschied ein letztes
Mal die Pistole unter die Nase. Dann schwang er sich über den
Gartenzaun und verschwand.
Kasperls Großmutter saß kreidebleich auf der Bank vor dem
Häuschen und zitterte. Der Räuber war fort und die
Kaffeemühle war auch fort.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Großmutter endlich mit
dem Zählen beginnen konnte.
Sie zählte gehorsam bis neunhundertneunundneunzig.
Eins, zwei, drei, vier . . . Nicht zu schnell, nicht zu langsam.
Aber in der Aufregung verzählte sie sich so oft, dass sie
mindestens ein Dutzend Mal wieder von vorne anfangen
musste.
Als sie schließlich doch bei neunhundertneunundneunzig
angelangt war, stieß sie einen gellenden Hilfeschrei aus.

Und dann fiel sie in Ohnmacht


Der Polizei kann
geholfen werden

Kasperl und sein Freund Seppel waren beim Bäcker


gewesen und hatten eingekauft: eine Tüte Mehl, etwas Hefe
und zwei Pfund Zucker. Nun wollten sie noch in den
Milchladen, süßen Rahm holen. Morgen war Sonntag und
sonntags gab es bei Großmutter Pflaumenkuchen mit
Schlagsahne. Darauf freuten sich Kasperl und Seppel die ganze
Woche im Voraus.
»Weißt du was?«, sagte Kasperl. »Ich wünschte mir, dass
ich der Kaiser von Konstantinopel wäre!«
»Wieso?«, fragte Seppel.
»Weil ich dann jeden Tag Pflaumenkuchen mit Schlagsahne
essen könnte!«
»Isst denn der Kaiser von Konstantinopel jeden Tag
Pflaumenkuchen mit Schlagsahne?«
Kasperl zuckte die Achseln.
»Das weiß ich nicht. Aber ich – wenn ich Kaiser von
Konstantinopel wäre – ich würde es ganz gewiss tun!«
»Ich auch!«, seufzte Seppel.
»Du auch?«, fragte Kasperl. »Ich fürchte, das geht nicht!«
»Warum denn nicht?«
»Weil es nur einen Kaiser von Konstantinopel gibt und nicht
zwei! Und wenn ich schon der Kaiser von Konstantinopel bin,
kannst du nicht auch der Kaiser von Konstantinopel sein. Das
musst du doch einsehen!«
»Hm«, machte Seppel, »dann müssten wir eben abwechseln.
Du eine Woche – und ich eine Woche!«
»Nicht schlecht!«, meinte Kasperl. »Nicht schlecht!« Doch
da hörten sie plötzlich, wie in der Ferne jemand um Hilfe rief.
»Horch!«, fragte Seppel erschrocken, »war das nicht
Großmutter?«
»Ja, das war Großmutter!«, sagte Kasperl. »Was mag da
passiert sein?«
»Ich weiß nicht – vielleicht ein Unglück . . .?«
»Rasch, lass uns nachsehen!«
Kasperl und Seppel machten auf der Stelle kehrt und
rannten nach Hause. An Großmutters Gartentür wären sie fast
mit dem Wachtmeister Dimpfelmoser zusammengerumpelt.
Auch er kam herbeigeeilt, weil er jemanden um Hilfe rufen
gehört hatte.
»Könnt ihr nicht aufpassen?«, schimpfte er. »Ihr behindert
mich in der Ausübung meines Dienstes, und das ist strafbar!«
Mit langen Schritten folgte er Kasperl und Seppel nach. Im
Garten fanden sie Großmutter vor der Bank auf dem Rasen
liegen. Stocksteif lag sie da.
»Ist es schlimm?«, fragte Seppel und hielt sich mit beiden
Händen die Augen zu.
»Nein«, sagte Kasperl, »ich glaube, sie ist bloß
ohnmächtig.«
Vorsichtig trugen sie Großmutter in die Wohnstube auf das
Sofa.
Kasperl bespritzte ihr das Gesicht und die Hände mit kaltem
Wasser, davon erwachte sie.
»Stellt euch vor, was geschehen ist!«, sagte Großmutter.
»Was?«, fragten Kasperl und Seppel.
»Ich bin beraubt worden!«
»Was Sie nicht sagen!«, rief Wachtmeister Dimpfelmoser
dazwischen. »Beraubt worden sind Sie? Von wem denn?«
»Vom Räuber Hotzenplotz!«
»Augenblick mal, das muss ich zu Protokoll nehmen!«
Eifrig zückte der Wachtmeister seinen Bleistift und schlug
das Notizbuch auf.
»Berichten Sie alles der Reihe nach, Großmutter! Aber
bleiben Sie streng bei der Wahrheit und sprechen Sie deutlich
und nicht zu schnell, dass ich mitschreiben kann. – Und ihr
beiden«, er wandte sich Kasperl und Seppel zu, »ihr verhaltet
euch mäuschenstill, bis wir fertig sind mit dem Protokoll, denn
das ist eine Amtshandlung! Ist das klar?«
Nun erzählte die Großmutter alles, was zu erzählen war, und
der Wachtmeister Dimpfelmoser schrieb es mit wichtiger
Miene in sein Notizbuch.
»Werde ich nun meine schöne neue Kaffeemühle
wiederbekommen?«, fragte die Großmutter, als er endlich mit
Schreiben fertig war und das Notizbuch zuklappte.
»Selbstverständlich«, sagte der Wachtmeister.
»Und wie lang kann das dauern?«
»Tja – das ist schwer zu sagen. Wir müssen natürlich den
Räuber Hotzenplotz erst mal fangen. Vorläufig kennen wir
leider noch nicht einmal seinen Unterschlupf. Der Kerl ist ja so
gerissen. Seit zweieinhalb Jahren führt er die Polizei an der
Nase herum. Aber auch ihm wird man eines Tages das
Handwerk legen! Dabei hoffen wir nicht zuletzt auf die rege
Mithilfe der Bevölkerung.«
»Auf die rege – was?«, fragte Kasperl.
Wachtmeister Dimpfelmoser blickte ihn tadelnd an.
»Mir scheint, du bist schwerhörig, Kasperl! Ich sagte: Wir
hoffen auf rege Mit-hil-fe der Be-völ-ke-rung!«
»Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass uns die Leute helfen sollen, dem Kerl
auf die Spur zu kommen!«
»Aha!«, meinte Kasperl. »Und wäre der Polizei auch
geholfen, wenn jemand ihn – fangen würde?«
»Das wäre natürlich das Allerbeste«, versicherte
Wachtmeister Dimpfelmoser und strich sich den Schnurrbart.
»Aber was meinst du wohl, wer sich auf diese gefährliche
Sache einlässt?«
»Wir zwei!«, sagte Kasperl, »der Seppel und ich! – Machst
du mit, Seppel?«
»Klar!«, sagte Seppel. »Der Polizei muss geholfen werden:
Wir fangen den Räuber Hotzenplotz!«

Aber so mirnichts-dirnichts lassen Räuber sich nicht fangen


Vorsicht, Gold !

Großmutter hatte ein bisschen Sorge, aber Kasperl und


Seppel blieben bei ihrem Entschluss. Sie wollten den Räuber
Hotzenplotz fangen und Großmutter wieder zu ihrer
Kaffeemühle verhelfen. Nur schade, dass sie nicht wussten, wo
Hotzenplotz sein Versteck hatte.
»Wir werden es schon herauskriegen!«, meinte Kasperl und
nachdem sie bis Sonntagmittag angestrengt nachgedacht
hatten, fing er auf einmal zu lachen an.
»Warum lachst du denn?«, fragte Seppel.
»Weil ich nun weiß, was wir tun müssen!«
»Und was ist das?«
»Du wirst es gleich merken.«
Kasperl und Seppel holten die leere alte Kartoffelkiste aus
Großmutters Keller und trugen sie in den Garten. Dann
schaufelten sie die Kiste mit feinem weißen Sand voll.
»Und nun?«
»Nun den Deckel drauf!«
Sie legten den Deckel auf die Kartoffelkiste und Kasperl
holte ein Dutzend Nägel und einen Hammer.
»Da – zunageln, Seppel! Aber so fest du kannst!«
Seppel nickte und ging an die Arbeit. Gleich mit dem ersten
Hammerschlag drosch er sich auf den Daumen. Verflixt noch
mal, das tat weh! Aber er biss die Zähne zusammen und
nagelte tapfer weiter, als sei er ein staatlich geprüfter
Kartoffelkistendeckelzunagler.
In der Zwischenzeit holte Kasperl den dicken Malerpinsel
vom Speicher und rührte in einem Topf rote Farbe an. Als er
mit Farbtopf und Pinsel zurückkehrte, hatte sich Seppel gerade
zum siebenundfünfzigsten Mal auf den Daumen geklopft: Der
Deckel war festgenagelt.
»So – nun lass mich mal ran!«, sagte Kasperl.
Er tunkte den Pinsel tief in die rote Farbe ein, dann schrieb
er zu Seppels grenzenlosem Erstaunen mit großen, weithin
leuchtenden Buchstaben an die Kartoffelkiste:

Vorsicht,
Gold !!
Was bedeutete das nun wieder? Seppel zerbrach sich den
Kopf darüber, aber er konnte es nicht herausbringen.
»Weißt du was?«, meinte Kasperl. »Anstatt hier
herumzuglotzen und Daumen zu lutschen, könntest du lieber
den Handwagen aus dem Schuppen holen!«
Seppel lief in den Schuppen und brachte den Handwagen.
Dann musste er Kasperl die Kiste hinaufheben helfen. Das war
keine leichte Arbeit, sie schwitzten und keuchten dabei wie
zwei Nilpferde.
»Uff!«, stöhnte Seppel, »und das am Sonntag!«
Nicht genug, dass es heute bei Großmutter keinen
Pflaumenkuchen mit Schlagsahne gab (denn Großmutter hatte
aus Kummer um ihre Kaffeemühle nicht gebacken): Nun
mussten sie auch noch schwer arbeiten!
Aber sie schafften es schließlich doch.
»Und was nun?«, fragte Seppel.
»Nun kommt die Hauptsache!«
Kasperl zog einen Bohrer aus der Hosentasche und bohrte
ein kleines Loch in den Kistenboden. Als er den Bohrer
absetzte, rieselte Sand heraus.
»So«, sagte Kasperl zufrieden, »das hätten wir!«
Er spitzte mit seinem Taschenmesser ein Streichholz an,
steckte es in das eben gebohrte Loch und verschloss es wieder.
Seppel hatte ihm kopfschüttelnd zugesehen.
»Entschuldige«, sagte er, »aber da komme ich nicht mehr
mit!«
»Nein?«, sagte Kasperl und lachte. »Es ist doch ganz
einfach! Wir zwei fahren morgen früh mit dem Handwagen
und der Kiste hinaus zum Wald. Dort liegt Hotzenplotz auf der
Lauer. Wenn er uns kommen sieht, liest er die Aufschrift auf
unserer Kiste und denkt, es ist Gold drin.«
»Aha«, meinte Seppel. »Und dann?«
»Dann will er die Kiste natürlich haben. Wir lassen uns
überfallen und laufen davon. Hotzenplotz schnappt sich die
Kiste und schleppt sie – wohin wohl?«
»Wie kann ich das wissen, Kasperl? Ich bin nicht der
Räuber Hotzenplotz!«
»Aber das lässt sich doch leicht erraten, Seppel! Er wird sie
nach Hause schleppen, in seinen Schlupfwinkel. Unterwegs
aber läuft durch das Loch in der Kiste der Sand aus. Das gibt
auf dem Waldboden eine feine Sandspur. Wenn wir nun wissen
wollen, wo Hotzenplotz sein Versteck hat, brauchen wir dieser
Spur nur zu folgen, sie führt uns hin. – Wie gefällt dir das?«
»Das ist großartig«, sagte Seppel, »das machen wir! Aber
vergiss nicht das Streichholz herauszuziehen, bevor wir
weglaufen!«
»Keine Sorge!«, rief Kasperl, »du kannst dich auf mich
verlassen, ich denke daran!«
Und er machte sich einen großen Knoten ins Taschentuch.

Denn Knoten im Taschentuch sind oft schon recht nützlich


gewesen
Künstlerpech

Der Räuber Hotzenplotz nahm es mit seinem Beruf sehr


genau. Im Sommer stand er wochentags immer pünktlich um
sechs Uhr auf und spätestens um halb acht verließ er die
Räuberhöhle und ging an die Arbeit. Auch heute lag er seit acht
Uhr morgens hinter den Ginsterbüschen am Waldrand auf der
Lauer und beobachtete durch sein Fernrohr die Landstraße.
Aber inzwischen war es halb zehn geworden und noch immer
hatte er keine Beute gemacht.
»Schlechte Zeiten!«, schimpfte der Räuber Hotzenplotz.
»Wenn das so weitergeht, muss ich mich allmählich nach
einem anderen Beruf umsehen. Die Räuberei bringt auf die
Dauer zu wenig ein und anstrengend ist sie außerdem!«
Er wollte sich eben – was er sonst während der Arbeitszeit
nur höchst selten tat – eine Prise Schnupftabak genehmigen:
Da hörte er auf der Landstraße einen Handwagen knarren.
»Nanu!«, dachte Hotzenplotz, »liege ich etwa doch nicht
umsonst auf der Lauer?« Und er griff statt zur
Schnupftabaksdose wieder nach seinem Fernrohr.
Draußen auf der Landstraße bogen zwei Leute mit einem
Handwagen um die Waldecke. Auf dem Handwagen lag eine
große Kiste. Die Kiste schien schwer zu sein. Die beiden
mussten sich mit dem Wagen ganz schön abmühen.
Der eine war übrigens dieser Kasperl, ihn erkannte man ja
von weitem an seiner Zipfelmütze.
Und der andere?
Nun, wenn der eine von beiden der Kasperl war, konnte der
andere nur sein Freund Seppel sein: Das wusste sogar der
Räuber Hotzenplotz.
»Lieber wüsste ich freilich, was in der Kiste ist!«, dachte er.
Aber halt, trug die Kiste nicht eine Aufschrift? Was stand da
mit roten leuchtenden Buchstaben draufgemalt . . .?
»Vorsicht Gold!«, las der Räuber Hotzenplotz; und er
musste es gleich noch ein zweites und drittes Mal lesen, bevor
er sicher war, dass er sich nicht getäuscht hatte.
Nein, er hatte sich nicht getäuscht! Endlich lachte ihm
wieder das Räuberglück! Vielleicht sollte er seinen Beruf lieber
doch nicht aufgeben?
Hastig riss Hotzenplotz seine Pistole aus dem Gürtel und
spannte sie. Er ließ Kasperl und Seppel mit ihrem Wagen auf
wenige Schritte herankommen. Dann sprang er mit einem
Riesensatz auf die Straße hinaus.
»Hände hoch!«, brüllte Hotzenplotz, »oder ich schieße!«
Es wunderte ihn kein bisschen, dass Kasperl und Seppel
sofort Reißaus nahmen.
»Lauft nur, ihr beiden Helden!«, rief er ihnen nach.
»Hauptsache, dass mir die Kiste nicht wegläuft! Hö-hö-hö-
höö!«
Er brach in ein schallendes Gelächter aus, schob die Pistole
in den Gürtel zurück und machte sich daran, die Kiste
gründlich von allen Seiten zu beschnüffeln.
»Hm – sie ist zugenagelt . . . Natürlich! Es ist ja Gold drin!
– Ob ich sie wohl mal aufmache und hineinschaue? Lieber
nicht . . . Ich muss sehen, dass ich hier wegkomme! Sicher sind
Kasperl und Seppel zur Polizei gerannt. Nicht etwa, dass ich
Angst hätte vor der Polizei! Nein, bestimmt nicht, ich bin ja der
Räuber Hotzenplotz! Aber sicher ist sicher . . .«
Hotzenplotz lud sich die schwere Kiste kurzerhand auf den
Rücken. Den Handwagen konnte er auf dem Weg durch den
Wald nicht gebrauchen. Er stieß ihn mit einem Tritt in den
Straßengraben. Prustend und schnaufend schleppte er seinen
Raub durch das Dickicht in seine Höhle.
Er hatte es mit dem Heimkommen so eilig, dass er gar nicht
merkte, wie die Kiste auf seinem Rücken mit der Zeit immer
leichter und leichter wurde. Denn Kasperl hatte im letzten
Augenblick doch noch daran gedacht, das Streichholz
herauszuziehen und nun rieselte der feine weiße Sand ohne
Unterlass durch das Loch im Kistenboden und bildete hinter
dem Räuber Hotzenplotz eine dünne Spur.
Daheim angekommen stellte Hotzenplotz die Kiste auf den
Tisch und nachdem er den Eingang zur Räuberhöhle von innen
verriegelt hatte, holte er Hammer und Zange aus dem
Werkzeugkasten und machte sich daran, die Kiste zu öffnen.
Da er ein sehr erfahrener Räuber war, der sein Handwerk von
Grund aus verstand, dauerte es nicht lange, bis er den Deckel
aufklappen konnte.
Er beugte sich über die Kiste und blickte hinein.
Da erstarrte er.
War es zu fassen? In der Kiste lag nichts als ein Häuflein
Sand! Ganz gewöhnlicher, schäbiger weißer Sand!
»Ha!«, schrie der Räuber Hotzenplotz zornig, »man hat
mich betrogen, man hat mich zum Narren gehalten!«
Er packte mit beiden Fäusten seinen krummen Räubersäbel,
stürzte sich auf die arme Kartoffelkiste und hackte sie kurz und
klein. Auch den Tisch, der aus starken Eichenbohlen
gezimmert war, schlug er in Stücke. Dann rannte er vor die
Tür, weil er frische Luft brauchte.
Aber was war das?
Da führte doch eine feine Sandspur am Boden hin . . . Sie
kam aus dem Dickicht und führte genau auf die Höhle zu!
Hotzenplotz hätte kein so gerissener Räuber sein dürfen, um
nicht sofort zu wissen, was er davon zu halten hatte.
Er stieß einen gräulichen Fluch aus.
»Der Kasperl und dieser Seppel wollten mich hinters Licht
führen!«, knurrte er. »Aber jetzt drehen wir den Spieß um, jetzt
können sich die zwei Burschen auf etwas gefasst machen!
Rache! Rache!«
Hauptsache –
gut verkleidet !

Kasperl und Seppel waren nicht zur Polizei gelaufen,


sondern nur hinter die nächste Waldecke. Dort schlüpften sie in
die Büsche und warteten. Als sie sahen, dass Hotzenplotz die
Kartoffelkiste davonschleppte, waren sie sehr zufrieden.
»Eigentlich kann er einem ja Leid tun, der gute Mann«,
sagte Seppel.
»Wieso?«, fragte Kasperl.
»Weil er die schwere Kiste ganz allein so weit schleppen
muss. Hoffentlich holt er sich keine Plattfüße!«
»Der?«, brummte Kasperl. »Von mir aus kann er sich
krumm und dumm schleppen an dem Ding! Vergiss nicht, dass
er ein Räuber ist und Großmutters Kaffeemühle geraubt hat!«
Zur Sicherheit blieben sie eine Weile in ihrem Versteck an
der Waldecke liegen. Dann kehrten sie vorsichtig an die Stelle
zurück, wo Hotzenplotz sie überfallen hatte. Der leere
Handwagen lag mit den Rädern nach oben im Straßengraben.
»Da liegt er gut«, sagte Kasperl, »da bleibt er, bis wir
zurückkommen.«
Und wo war nun die Sandspur?
Sie brauchten nicht lang zu suchen: Dort führte sie in den
Wald hinein! Kasperl wollte ihr eilends folgen, doch Seppel
hielt ihn am Rockzipfel fest.
»Warte! Wir müssen uns erst verkleiden!«
»Verkleiden?«
»Gewiss doch! Der Räuber Hotzenplotz darf uns auf keinen
Fall wiedererkennen!«
»Hm – das ist richtig. Aber wo nehmen wir in der Eile eine
Verkleidung her?«
»Furchtbar einfach: Ich leihe dir meinen Hut und bekomme
dafür deine Zipfelmütze!«
»Und was soll ich mit deinem Seppelhut?«
»Dumme Frage, du sollst ihn aufsetzen! Passt er dir?«
»Schlecht«, sagte Kasperl.
Der Seppelhut war ihm viel zu weit, er sah darin wie eine
Vogelscheuche auf Urlaub aus. Aber Seppel fand das gerade
richtig.
»Großartig!«, sagte er, »nicht zum Wiedererkennen! Und
ich mit der Zipfelmütze?«
»Zum Schieflachen!«, sagte Kasperl. »Großmutter fiele
gleich wieder in Ohnmacht, wenn sie dich sehen könnte!«
»Dann bin ich beruhigt. Nun wird uns der Räuber
Hotzenplotz ganz gewiss nicht erkennen. Komm, gehen wir!«

Aber Räuber sind oft gar nicht so dumm, wie sie manchmal
ausschauen

Kasperl und Seppel folgten der feinen Sandspur, die


Hotzenplotz auf dem Waldboden hinterlassen hatte. Die Spur
war schön deutlich zu sehen, der Wald aber wurde mit der Zeit
immer dichter und finsterer.
»Huch!«, dachte Seppe!, »ein richtiger Räuberwald! Nur ein
Glück, dass wir gut verkleidet sind!«
So mochten sie bald eine Stunde gelaufen sein, da blieb
Kasperl, der vorneweg ging, auf einmal stehen.
»Was ist?«, fragte Seppel.
Die Spur auf dem Waldboden teilte sich! War das möglich?
Statt einer Spur gab es plötzlich zwei Spuren! Die eine führte
nach rechts und die andere nach links.
»Kannst du dir das erklären, Seppel?«
»Ja, Kasperl. Eine von beiden muss falsch sein.«
»Das fürchte ich auch. Aber welche ist nun die Richtige?«
»Schwer zu sagen, wir müssen es ausprobieren. Am besten,
wir trennen uns.«
»Gut, Seppel. Willst du rechts oder links gehen?«
»Losen wir!«
»Einverstanden!«
Kasperl und Seppel losten mit einem Geldstück. Seppel
warf zweimal Adler und einmal Zahl. Das bedeutete, dass er
nach links gehen musste
»Mach's gut – und sei vorsichtig, Seppel!«
»Ja, Kasperl, ich werde mir Mühe geben. Mach's selber
gut!«
Ein Schuss aus der
Pfefferpistole

Der Räuber Hotzenplotz strich sich grinsend den schwarzen


Bart. Es freute ihn, dass er den guten Einfall gehabt hatte, von
dem Rest des Sandes, der in der Kiste übrig geblieben war,
eine zweite Spur zu streuen. Hoffentlich waren Kasperl und
Seppel so unvorsichtig und trennten sich! Am Ende der Spur
sollte jeder von beiden sein blaues Wunder erleben, dafür hatte
Hotzenplotz vorgesorgt.
Die linke Spur war die richtige, denn sie führte zur
Räuberhöhle. Das Schlimme war nur, dass der Räuber
Hotzenplotz kurz vor dem Höhleneingang mit schussbereiter
Pistole hinter dem Stamm einer knorrigen alten Eiche stand. Im
Pistolenlauf steckte zwar keine Kugel, dafür aber eine Ladung
gemahlenen Pfeffers. Und ein Schuss aus der Pfefferpistole,
das wusste der Räuber Hotzenplotz, war in diesem Falle genau
das Richtige.
»Ob der Bursche noch lang auf sich warten lässt?«, dachte
Hotzenplotz. – Aber nein, wenn ihn nicht alles täuschte, kam
da schon wer durch den Wald getappt . . .
Richtig, dort tauchte er zwischen den Bäumen auf! Er trug
eine knallrote Zipfelmütze: der Kasperl also!
Hotzenplotz konnte nicht wissen, dass das Seppel mit
Kasperls Mütze war. Kaltblütig hob er die Pfefferpistole und
zielte.
Er zielte sehr sorgfältig, machte langsam den Finger krumm
. . . Rrrrumsdich – ein Blitz, ein Knall und ein Wölkchen
Pulverdampf.
Armer Seppel! Er hatte den Schuss aus der Pfefferpistole
mitten ins Gesicht bekommen. Hören und Sehen verging ihm,
er nieste und spuckte und hustete ohne Unterlass. Wie das
brannte und kratzte und in die Augen biss! Schrecklich,
schrecklich!
Jetzt hatte der Räuber Hotzenplotz leichtes Spiel mit ihm.
Hohn lachend band er ihm Arme und Beine mit einem
Kälberstrick, lud ihn sich auf den Rücken und trug ihn in seine
Räuberhöhle. Dort warf er ihn in die Ecke.
»Da!«, rief er, »jetzt kannst du dich ausniesen, wohl
bekomm's dir!«
Er wartete, bis sich Seppel ein wenig erholt hatte. Als er sah,
dass die Wirkung des Pfeffers nachließ, gab er ihm einen
Fußtritt und spottete:
»Guten Tag, Kasperl! Schön willkommen in meiner Höhle,
gefällt sie dir? Tut mir Leid, dass du Schnupfen hast. Aber das
lasst sich nicht ändern, das kommt davon! Was musst du auch
deine Nase in Dinge stecken, die dich nichts angehen.«
Seppel konnte nicht antworten, Seppel nieste. »Zum
Wohlsein, Kasperl!«, sagte der Räuber Hotzenplotz. Hatte er
»Kasperl« gesagt?
»Ich bin nicht der Kasperl!«, rief Seppel und musste schon
wieder niesen.
»Nein, nein«, meinte Hotzenplotz grinsend, »ich weiß, dass
du nicht der Kasperl bist, sondern der Kaiser von
Konstantinopel.«
»Nein doch, ich bin der Seppel!«
»Natürlich, natürlich – und ich bin der Wachtmeister
Dimpfelmoser, falls dir das neu sein sollte.«
»Ich bin aber wirklich der Seppel!«
»Maul halten!«, brüllte der Räuber Hotzenplotz. »Wenn du
mich anschwindelst, werde ich grob und versohle dich mit dem
Schürhaken! – Aber horch mal . . .«
Bim – bim – bim – bim.
Ein Glöckchen, das neben dem Höhleneingang am Türstock
hing, bimmelte.
»Weißt du, was das bedeutet?«, fragte der Räuber
Hotzenplotz. »Nein, das kannst du nicht wissen, ich muss es dir
also erklären. Das Bimmeln bedeutet, dass eben jetzt dein
Freund Seppel in eine Grube geplumpst ist, genauer: in eine
Fallgrube! Ja, da staunst du wohl, das verschlägt dir die
Sprache, wie? Aber tröste dich, mit dem Hotzenplotz sind
schon ganz andere Leute nicht fertig geworden!«
Hotzenplotz lachte dröhnend und patschte sich auf die
Schenkel. Dann kramte er unter dem Bett ein paar Stricke und
einen Sack hervor.
»Ich gehe nun deinen Freund Seppel holen, damit es dir hier
nicht zu einsam wird«, sagte er. »Überlege dir unterdessen, ob
du nicht doch der Kasperl bist! Viel Vergnügen einstweilen!«
Trübe Aussichten

Und was hatte Kasperl inzwischen erlebt?


Seit er sich von Seppel getrennt hatte, war er auf »seiner«
Spur immer tiefer ins Dickicht geraten. Im Stillen verwünschte
er nicht nur den Räuber Hotzenplotz und den elenden Weg
voller Wurzeln und Dornenranken, auf dem er ihn da verfolgen
musste, sondern auch – Seppels Hut.
Seppels Seppelhut rutschte ihm fortwährend ins Gesicht. Er
konnte ihn in den Nacken schieben so oft er wollte: Spätestens
nach dem übernächsten Schritt saß er ihm wieder auf der Nase!
»Vielleicht wird es besser, wenn ich ihn umdrehe?«, dachte
Kasperl und setzte den Hut verkehrt auf.
Das half aber auch nichts.
Noch oft musste Kasperl den dummen Hut in den Nacken
schieben und noch oft rutschte ihm Seppels grüner Seppelhut
wieder in die Stirn – bis es plötzlich ein furchtbares Knacken
und Prasseln gab und Kasperl samt Seppels Hut in eine der
vielen, mit Reisig bedeckten Fallgruben stürzte, von denen die
Räuberhöhle umgeben war.
Da saß er nun unversehens ein Stockwerk tiefer, der gute
Kasperl, und rieb sich das Hinterteil. Ein Glück nur, dass er
sich nichts gebrochen hatte! Das hätte leicht sein können bei
dem tiefen Fall und dem harten Aufprall.
»Zu dumm!«, dachte Kasperl und schaute sich in der Grube
um. »Vier senkrechte glatte Wände und weiter nichts. Wie soll
ich da jemals wieder hinauskommen?«
Aber da war ja noch Seppel! Der würde ihn sicher finden
und hier herausholen. Schließlich war ja der Seppel sein bester
Freund.
Ob er bald aufkreuzte? – Kasperl spitzte die Ohren. Es war
ihm, als höre er jemanden kommen. Aber der Jemand war
leider nicht sein Freund Seppel, sondern der Räuber
Hotzenplotz! Kasperl bekam keinen schlechten Schreck, als am
Rand der Fallgrube das Gesicht mit dem struppigen schwarzen
Räuberbart auftauchte.
»Holla, Seppel!«, rief Hotzenplotz. »Hoffentlich hast du dir
nicht das Genick gebrochen! Magst du dem lieben Onkel nicht
guten Tag sagen? Denk mal, der Onkel Hotzenplotz ist
gekommen, um dir hier wieder herauszuhelfen. Du willst doch
heraus hier?«
Kasperl nickte. Natürlich wollte er hier heraus. War er erst
draußen, so konnte er weitersehen. Vielleicht fand er dann eine
Gelegenheit zum Davonlaufen.
»Pass auf!«, sagte Hotzenplotz, »tu genau, was ich sage! Ich
lasse dir hier an dem Strick einen Sack hinunter – so, siehst du
. . . Und nun steig hinein, Seppel!«
»In den Sack?«, fragte Kasperl zögernd.
»Ja, in den Sack«, sagte Hotzenplotz. »Ich will dich darin
heraufziehen, anders geht es nicht. – Na, nun mach schon, zum
Donnerwetter! Und vergiss deinen Hut nicht da unten!«
Ach richtig, der Seppelhut!
Kasperl hob ihn vom Boden auf und setzte ihn auf den
Kopf. Dann stieg er in den Sack und der Räuber Hotzenplotz
zog ihn daran aus der Fallgrube herauf wie in einem Aufzug.
Aber als er ihn glücklich oben hatte, tat er das, was Kasperl an
seiner Stelle auch getan hätte: Er band den Sack zu. Jetzt war
Kasperl erst recht gefangen.
Da half alles Zappeln und Schreien nichts, Hotzenplotz warf
ihn sich über die Schulter – und ab in die Räuberhöhle!
»So, da wären wir!«
Hotzenplotz ließ den Sack neben Seppel zu Boden
plumpsen.
»Nun wird es sich wohl herausstellen, wer von euch beiden
der Seppel und wer der Kasperl ist!«
Er öffnete den Sack ein wenig, aber nur so weit, dass
Kasperl den Kopf hervorstrecken konnte: den Kopf mit dem
Seppelhut. Weiter ließ ihn der Räuber Hotzenplotz nicht
heraus.
»Willst du nun endlich zugeben, dass du der Kasperl bist?«,
schnauzte er Seppel an.
Seppel wollte auch diesmal entgegnen, dass er der Seppel
sei. Aber Kasperl kam ihm zuvor und zwinkerte mit den
Augen. Vielleicht war es ganz nützlich, wenn sie der Räuber
miteinander verwechselte.
»Warum gibst du mir keine Antwort, Kerl.«
»Was soll er Ihnen denn antworten?«, sagte Kasperl an
Seppels Stelle. »Sie wissen es ja viel besser, Herr
Plotzenhotz!«
»Plotzenhotz?! – Hotzenplotz heiße ich!«
»Oh, Verzeihung, Herr Lotzenpotz.«
»Dummkopf!«
»Wieso?«
»Weil ich Hotzenplotz heiße, zum Donnerwetter! Kannst du
dir nicht mal die einfachsten Namen merken?«
»Aber natürlich, Herr Potzenlotz!«
Hotzenplotz nahm eine Prise Schnupftabak.
Er sah ein, dass es keinen Zweck hatte, sich zu ärgern. Der
Bursche da, dieser Seppel, war offenbar wirklich so dumm, wie
er aussah mit seinem Seppelhut.
Umständlich entfaltete der Räuber ein großes kariertes
Schnupftuch.
Er nieste und schnauzte sich.
Dann, nachdem er sich gründlich die Nase geputzt und das
Taschentuch wieder weggesteckt hatte, trat er vor Kasperl und
Seppel hin, hakte die Daumen in den Gürtel und hielt ihnen
eine Ansprache.
»Ihr wolltet mich ausspionieren und seid nun in meiner
Hand«, sagte Hotzenplotz, »das ist gut so. Ihr verdient zwar
kein Mitleid. Ich könnte euch, wenn ich wollte, den Bauch
aufschlitzen oder den Kragen umdrehen – aber es passt mir
nicht. Und warum nicht?«
Er nahm eine weitere Prise aus seiner Tabaksdose und
nieste, bevor er fortfuhr:
»Weil ich mir etwas Besseres ausgedacht habe für euch!
Dich, Kasperl« – er zeigte auf Seppel – »lege ich an die Kette,
du bleibst in der Räuberhöhle und wirst für mich arbeiten, bis
du schwarz wirst! – Und dich, Seppel« – Hotzenplotz zeigte
auf Kasperl – »verkaufe ich!«
»Ach herrje!«, stöhnte Kasperl, »an wen denn?«
»An wen?«, sagte Hotzenplotz. »An den großen und bösen
Zauberer Petrosilius Zwackelmann, meinen alten Freund!«
Petrosilius Zwackelmann

Der große und böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann


hockte verdrossen in der Küche seines Zauberschlosses und
schälte Kartoffeln.
Er war zwar ein großer Zauberer, der mit Leichtigkeit einen
Menschen in jedes beliebige Tier verwandeln und aus Dreck
Gold machen konnte – aber Kartoffeln die Schale
herunterzuzaubern, das war ihm trotz vieler Mühe noch nie
gelungen. Wenn er also nicht immer bloß Nudeln und Graupen
essen wollte, musste er sich wohl oder übel von Zeit zu Zeit die
Küchenschürze umbinden und das lästige Geschäft des
Kartoffelschälens selbst besorgen.
»Alles bloß, weil ich keinen Dienstboten habe!«, seufzte der
große Zauberer Petrosilius Zwackelmann.
Und warum hatte er keinen Dienstboten?
»Weil ich noch keinen gefunden habe, der mir gepasst
hätte«, dachte er. »Solch ein Dienstbote müsste nämlich vor
allem dumm sein. Nur einen Dummkopf könnte ich in mein
Zauberschloss aufnehmen, ohne dass er mir auf die Schliche
kommt. In diesem Punkt kann man als Zauberer gar nicht
scharf genug aufpassen. Bevor ich mir da eine Laus in den Pelz
setze, ist es viel besser, ich schäle mir die Kartoffeln selber,
auch wenn es mir lästig fällt.«
Petrosilius Zwackelmann hatte während des Nachdenkens
mit der Arbeit ausgesetzt. Nun wollte er weiterschälen – da
schellte die Hausglocke.
»Augenblick!«, rief der große Zauberer Petrosilius
Zwackelmann, »komme gleich!«
Er lief in den Flur hinaus, griff nach dem schweren Riegel
und wollte das Schlosstor öffnen. Aber in letzter Sekunde
besann er sich, dass er noch die Küchenschürze vor dem Bauch
hatte! Ach du liebe Zeit, Petrosilius Zwackelmann in der
Küchenschürze: Das fehlte gerade noch, dass ihn jemand in
diesem unwürdigen Aufzug zu Gesicht bekam!
Abermals schellte die Hausglocke.
»Ja doch, ich komme!«, rief Zwackelmann. Er riss sich die
Küchenschürze herunter – aber wohin mit ihr?
»Hokuspokus!«
Der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann schnackelte
mit den Fingern. Da schwebte die Küchenschürze von selbst in
die Küche hinaus und hängte sich im Geschirrschrank an ihren
Haken.
Die Hausglocke schellte zum dritten Mal.
Petrosilius Zwackelmann schob den Riegel zurück und
öffnete. Draußen stand, einen Sack auf dem Rücken, der
Räuber Hotzenplotz.
»Ei, sieh da!«, rief der große Zauberer freudig aus. »Alter
Freund, lebst du auch noch? Willkommen bei mir,
willkommen! Magst du nicht eintreten?«
»Gern«, sagte Hotzenplotz.
Petrosilius Zwackelmann führte ihn in sein Studierzimmer.
Das war eine hohe Ehre für Hotzenplotz. Hierher führte der
große Zauberer nur seine besten Freunde. Gewöhnliche Gäste
empfing er (wenn er sie überhaupt empfing) in der
Schlosshalle.
Im Studierzimmer Zwackelmanns stand ein mächtiger
Bücherschrank, der mit dicken, in Leder eingebundenen
Büchern gefüllt war. Stöße von dicken, in Leder
eingebundenen Büchern lagen auch auf dem Schreibtisch, der
Fensterbank und dem Fußboden. Über dem Schreibtisch hing
an der Zimmerdecke ein Krokodil, das war ausgestopft, und im
Hintergrund lehnte in einem Winkel ein Totengerippe, das in
der knöchernen rechten Hand eine brennende Kerze hielt.
Petrosilius Zwackelmann ließ sich in seinem Sessel hinter
dem Schreibtisch nieder und zeigte auf einen Lehnstuhl, der
ihm gegenüber stand.
»Willst du nicht Platz nehmen, alter Knabe?«
Hotzenplotz nickte und setzte sich.
»Prise gefällig?«, fragte der große Zauberer.
»Immer her damit!«
Zwackelmann schnackelte mit den Fingern und griff in die
leere Luft. Er zauberte aus dem Nichts eine silberne
Schnupftabaksdose hervor und reichte sie Hotzenplotz.
»Bitte – bediene dich!«
Hotzenplotz nahm eine kräftige Prise und schnupfte. Er
musste so schrecklich niesen, dass er um Haaresbreite das
Krokodil von der Decke heruntergeniest hätte.
»Teufel, Teufel, mein Lieber, das nenne ich einen Tabak!
Der ist dreimal so scharf wie gestoßene Glasscherben! Wo
kriegt man den?«
»Eigenbau«, sagte der große Zauberer Zwackelmann,
»meine Spezialmischung, Marke ›Nasentrost‹. – Da, nimm dir
noch eine!«
Hotzenplotz strahlte, ihm war ein Gedanke gekommen. Er
schnupfte und nieste. Dann sagte er:
»Könnten wir nicht ein Geschäft machen?«
»Ein Geschäft?«, fragte Zwackelmann.
»Ja«, sagte Hotzenplotz, »ein Geschäft mit dem
Schnupftabak.«
Zwackelmann rümpfte die Nase.
»Was könntest du mir schon bieten?«, fragte er. »Weißt du
nicht, dass ich Geld wie Mist habe?«
»Wer spricht denn von Geld!«, sagte Hotzenplotz. »Ich biete
dir etwas viel Besseres. Rate mal!«
Petrosilius Zwackelmann legte die Stirn in Falten und
dachte nach. Hotzenplotz wartete eine Weile, dann meinte er:
»Soll ich dir draufhelfen? Es ist etwas, wonach du seit
langem vergeblich suchst . . .«
»Etwas, wonach ich seit langem vergeblich suche?« Der
große Zauberer horchte auf. »Ist es etwa . . . ein neues
Zauberbuch?«
»Nein, ein Dienstbote!«
»Ha!«, rief der große Zauberer Zwackelmann, »wirklich?
Ein Dienstbote? Ist er aber auch dumm genug?«
»Dümmer geht's nicht mehr«, sagte der Räuber Hotzenplotz.
»Und wo hast du ihn?«
»Hier im Sack steckt er!«
Hotzenplotz knüpfte die Schnur auf, mit der er das obere
Ende des Sackes zugeschnürt hatte. Der Sack glitt herunter,
zum Vorschein kam Kasperl mit Seppels Hut auf dem Kopf.
Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern und
zauberte seine Brille herbei. Er setzte sie auf die Nase und
musterte Kasperl durchdringend. Kasperl machte das dümmste
Gesicht, das er machen konnte.
»Ist er so dumm wie er aussieht?«, fragte der große
Zauberer Zwackelmann.
»Mindestens«, sagte Hotzenplotz.
»Das ist gut«, sagte Zwackelmann, »das ist sehr gut! Wie
heißt er denn?«
»Seppel.«
»Aha. – Also, Seppel, ich nehme dich. Kannst du Kartoffeln
schälen?«
»Natürlich, Herr Schnackelmann!«
Petrosilius Zwackelmann brauste auf.
»Du verdrehst meinen Namen, Kerl?«, rief er zornig. »Ich
bin auch nicht einfach ein Herr, ich verlange von dir die
Anrede ›Großer Zauberer Petrosilius Zwackelmann‹! Merk dir
das ein für allemal!«
»Sehr wohl, großer Zauberer Zeprodilius Wackelzahn!«,
sagte Kasperl ganz unschuldig.
»Pech und Schwefel!«
Der große Zauberer packte Kasperl am Kragen und beutelte
ihn gewaltig durch.
»Glaubst du, ich dulde es, dass du dich über mich lustig
machst? Soll ich dich auf der Stelle in einen Affen verzaubern
oder in einen Regenwurm?«
Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern – und
schwuppdich!, hielt er den Zauberstab in der Hand. Aber
Hotzenplotz ließ es nicht zu, dass er Kasperl verzauberte. Er
fiel Zwackelmann in den Arm und beschwichtigte ihn.
»Seppel verdreht deinen Namen nicht absichtlich, alter
Freund! Er merkt sich ihn nicht, er ist einfach zu dumm dazu!«
»Ach so?«, meinte Petrosilius Zwackelmann und dann
lachte er.
»Hotzenplotz!«, rief er, »ich kann gar nicht sagen, wie froh
ich bin! Dieser Seppel gefällt mir, er ist wie geschaffen für
meinen Haushalt! Ich bringe ihn rasch in die Küche, dort mag
er Kartoffeln schälen. Dann wollen wir beide in aller Ruhe
über den Preis reden.«
»Reden wir lieber gleich darüber!«, sagte der Räuber
Hotzenplotz.
»Auch gut! Ich biete dir – sagen wir: einen halben Sack
Schnupftabak!«
»Einen halben?«, entgegnete Hotzenplotz, »ist das nicht
etwas wenig für einen ganzen Dienstboten?«
»Schön«, sagte Petrosilius Zwackelmann, »du bekommst
einen ganzen Sack. Topp?«
Damit streckte er Hotzenplotz seine rechte Hand hin.
»Topp!«, sagte Hotzenplotz und schlug ein. »Von jetzt an
kannst du mit Seppel tun, was du willst, er gehört dir nun!«

Wohl bekomm's!
Ein nächtliches Abenteuer

Den Rest des Tages verbrachte Kasperl in Zauberer


Zwackelmanns Schlossküche beim Kartoffelschälen. Der große
und böse Zauberer konnte von diesen ersten Kartoffeln, die er
nicht selbst zu schälen brauchte, gar nicht genug kriegen. Zu
Mittag vertilgte er sieben Schüsseln Kartoffelbrei und zum
Abendbrot sechseinhalb Dutzend Kartoffelklöße in
Zwiebeltunke. Kein Wunder, dass er an diesem Abend bei
bester Laune war!
Endlich erhob er sich von der Tafel, klopfte Kasperl
leutselig auf die Schulter und sagte:
»Genug für heute! Nun will ich dir deinen Schlafplatz
zeigen. Komm mit, Seppel!«
Kasperl folgte dem großen Zauberer Petrosilius
Zwackelmann über den Flur in ein kleines Zimmer. Dort
standen ein leeres Bettgestell und ein Waschtisch.
»Dies ist deine Kammer, Seppel, hier wirst du schlafen.«
»Hier? Auf dem leeren Bettgestell?«, fragte Kasperl.
»Geduld!«, sagte Petrosilius Zwackelmann.
Er schnackelte mit den Fingern: Da lag auf dem eisernen
Bettgestell – wie er dahingekommen war, konnte Kasperl nicht
sagen – ein dicker Strohsack. Dann schnackelte Zwackelmann
gleich noch ein zweites, ein drittes und viertes Mal: Auf dem
Strohsack lagen nun auch ein Leintuch, ein Federbett und ein
Kopfkissen.
»So, das wird reichen!«, sagte der große Zauberer. »Ich
begebe mich nun zu Bett. Gute Nacht, Seppel!«
»Gute Nacht, großer Zauberer Eprolisius Dackelschwanz!«
Zwackelmann schritt von dannen. Er hatte sein
Schlafgemach droben im Schlossturm, im fünften Stock. Aber
Kasperls Kammer lag ebenso wie die Küche im Erdgeschoss.
Wenn man zum Fenster hinausschaute, blickte man in den
Kräutergarten. Dahinter begann der Wald.
Und das Fenster –?
Das Fenster war nicht vergittert und ließ sich von innen
öffnen!
»Nicht schlecht!«, dachte Kasperl. »Ich fürchte, von morgen
an muss der große Zauberer wieder selber Kartoffeln schälen . .

Kasperl wartete, bis es draußen ganz dunkel geworden war.
Wenn er hier freikam, wollte er schleunigst auch seinen Freund
Seppel befreien. Wie das zu machen war, würde ihm schon
noch einfallen. Erst mal weg hier!
Ob Petrosilius Zwackelmann wohl schon schlief?
Vorsichtig schlüpfte Kasperl zum Fenster hinaus in den
Kräutergarten! Er spähte am Schloss empor. Alles war finster
und totenstill. Gut so!
Der Gartenzaun war nicht besonders hoch. Doch als Kasperl
darüber hinwegsteigen wollte, geschah etwas Unerwartetes:
Jemand ergriff ihn von hinten am Rockzipfel und beim Kragen
und riss ihn zurück! Ziemlich unsanft landete Kasperl auf
seinen vier Buchstaben.
Wer hatte ihn da gepackt? Etwa der große und böse
Zauberer Petrosilius Zwackelmann höchstpersönlich?
Ängstlich blickte sich Kasperl um – aber nanu, es war weit
und breit niemand zu sehen im Kräutergarten!
»Ich glaube, es hat mir was vorgemacht«, dachte Kasperl.
»Ich will es noch mal versuchen, diesmal an einer anderen
Stelle!«
Gedacht – getan.
Kasperl erhob sich und trat ein paar Schritte zurück. Dann
rannte er auf den Gartenzaun los. Er wollte mit Schwung
hinüber: Aber es glückte ihm wieder nicht! Diesmal erwischte
ihn wer beim Schlafittchen und schleuderte ihn zurück, dass er
hinplumpste wie ein Mehlsack.
Kasperl blieb eine Zeit lang liegen, wo er gerade lag,
nämlich mitten in Zauberer Zwackelmanns Petersilienbeet. Er
spitzte die Ohren, aber nichts rührte sich.
»Pst!«, machte Kasperl, »ist jemand da?«
Keine Antwort.
»Wenn jemand da ist, soll er es sagen!«
Alles blieb totenstill. Nur der Wald rauschte draußen,
jenseits des Zaunes.
»Ich muss mich getäuscht haben«, dachte Kasperl,
»versuchen wir's also ein drittes Mal . . . Aber zum
Drübersteigen habe ich keine Lust mehr, jetzt krieche ich
drunterweg!«
Auf allen vieren kroch Kasperl den Zaun entlang und suchte
nach einem Durchschlupf. Hier war eine Latte locker! Sie ließ
sich zur Seite schieben, die Lücke war groß genug für ihn.
»Fein!«, dachte Kasperl und wollte hinauskriechen. Doch er
hatte auch diesmal Pech, denn man packte ihn an den Füßen
und zerrte ihn kurzerhand weg vom Zaun!
Aber damit noch nicht genug!
Plötzlich machte es klatsch und Kasperl bekam eine solche
Ohrfeige, dass er vor Schreck laut aufschrie.
Davon erwachte der große Zauberer Petrosilius
Zwackelmann, machte Licht an und beugte sich, eine
Nachtmütze auf dem Kopf, aus dem Fenster des
Schlafgemaches im fünften Stock.
»Ei, was höre und sehe ich?«, rief er. »Der Seppel will
ausreißen! Aber, aber, wer wird denn so dumm sein, Seppel?
Aus meinem Zauberschloss gibt es für dich keinen Weg
hinaus! Wenn du das Schloss verlassen willst, dann entweder
mit meiner Erlaubnis (die ich dir aber niemals erteilen werde),
oder es geht dir um kein Haar besser als eben jetzt. Leg dich
nun schlafen, Seppel, und störe mich künftig nie mehr in
meiner Nachtruhe – sonst . . .«
Ein Blitz fuhr hernieder und schlug eine knappe Handbreit
vor Kasperls Fußspitzen in den Erdboden. Kasperl bekam
einen Riesenschrecken und droben, im fünften Stock seines
Schlossturmes knallte der große Zauberer Petrosilius
Zwackelmann unter Hohngelächter das Fenster zu.

Was kann man von so einem Bösewicht auch anderes erwarten


?
So dumm wie möglich

Am nächsten Morgen musste Kasperl dem großen Zauberer


einen ganzen Waschkessel voll Kartoffelmus kochen und
Zwackelmann legte den Löffel erst aus der Hand, als der
Kessel leer war. Dann wischte er sich zufrieden mit einem
Zipfel des Zaubermantels den Mund ab.
»Und ich?«, fragte Kasperl enttäuscht, denn er hatte gehofft,
dass ihm Zwackelmann etwas übrig ließ.
»Keine Sorge, mein Lieber!«
Der Zauberer schnackelte mit den Fingern und zauberte
einen Laib Brot herbei, dazu Butter und Käse.
»Dies ist für dich, Seppel«, sagte er. »Aber warte noch mit
dem Essen, ich habe dir etwas zu sagen . . .«
Er räusperte sich und begann:
»Heute muss ich dich hier allein lassen, denn ich reise zu
einem Kollegen in Buxtehude und werde erst in den späten
Abendstunden zurückkehren. Wenn du hungrig bist, geh in die
Speisekammer und hole dir, was du magst. Im Übrigen wirst
du arbeiten. Merke dir, was du tun sollst! Erstens sechs Eimer
Kartoffeln schälen und klein schnippeln für das Abendbrot;
zweitens drei Klafter Holz zersägen, spalten und aufstapeln;
drittens den Fußboden in der Küche schrubben; und viertens im
Kräutergarten die leeren Beete umstechen. Wiederhole es!«
»Wie du befiehlst, großer Zauberer Spektrofilius
Zaschelschwan!«, sagte Kasperl. Er hatte sich vorgenommen,
in Zukunft alles so dumm wie möglich zu machen. Damit
wollte er Petrosilius Zwackelmann zur Verzweiflung bringen.
Vielleicht wurde der große Zauberer dann so wütend, dass er
ihn aus dem Schloss jagte.
Jetzt tat Kasperl, als müsse er angestrengt nachdenken. Er
verdrehte die Augen und kratzte sich im Genick. Petrosilius
Zwackelmann sah sich das eine Weile an, dann wurde er
ungeduldig.
»Los, los!«, rief er. »Siehst du nicht, dass ich wegmöchte?
Mach den Mund auf und sage mir, was du sollst!«
»Was ich soll?«, fragte Kasperl. »Ich soll . . . – Ja zum
Kuckuck, was soll ich denn? Eben habe ich's noch genau
gewusst. Aber jetzt . . . – Augenblick mal, ich glaube, jetzt ist
es mir wieder eingefallen!«
Kasperl schob sich den Seppelhut aus der Stirn.
»Ich soll erstens sechs Eimer Kartoffeln zersägen, spalten
und aufstapeln, zweitens drei Klafter Holz schrubben, drittens
den Fußboden in der Küche schälen und klein schnippeln für
das Abendbrot, viertens . . .«
»Halt ein!«, rief der große Zauberer Zwackelmann.
»Aufhören mit dem Quatsch, auf der Stelle aufhören!«
Kasperl machte ein überraschtes Gesicht.
»Wieso aufhören?«, fragte er.
»Weil du alles verwechselst und durcheinander bringst!
Fang noch einmal von vorn an!«
»Sehr gern, großer Zauberer Reprozilius Fackelspan! Ich
soll erstens sechs Eimer Kartoffeln umstechen, zweitens den
Fußboden in der Küche zersägen, spalten und aufstapeln,
drittens im Kräutergarten die leeren Beete schrubben und
viertens . . . Was war doch das Vierte gleich?«
»Blödsinn!«, schrie Petrosilius Zwackelmann, »Blödsinn,
Blödsinn!«
»Wieso?«, fragte Kasperl.
»Wieso?«, Petrosilius Zwackelmann tippte sich an die Stirn.
»Weil du dumm bist! Strohdumm bist du! Nicht mal die
einfachsten Arbeiten kannst du dir merken! Es ist zum
Verzweifeln mit dir! Zum Ver-zwei-feln!«
Zornig stampfte der große Zauberer mit dem Fuß auf.
»Jetzt passiert's!«, dachte Kasperl, »jetzt jagt er mich gleich
davon!«
Aber leider!
Der große Zauberer Zwackelmann jagte ihn nicht davon,
denn er brauchte ihn. Er schnackelte mit den Fingern und
zauberte aus der Luft eine Flasche Doppelkümmel herbei.
Damit spülte er seinen Ärger hinunter, dann sagte er:
»Dass du ein Dummkopf bist, Seppel, ist zwar in mancher
Beziehung sehr ärgerlich, hat aber unbestreitbar seine gewissen
Vorteile! Kurz und gut: Es genügt mir, wenn du bis heute
Abend sechs Eimer Kartoffeln schälst – schälst und klein
schnippelst, wohlgemerkt, denn ich wünsche zum Abendbrot
Bratkartoffeln zu speisen. Die anderen Arbeiten seien dir
dummheitshalber erlassen. So – und nun muss ich mich sputen,
sonst denkt mein Kollege in Buxtehude, ich habe ihn
vergessen!«
Der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann eilte empor
auf die oberste Plattform des Schlossturmes. Dort breitete er
seinen weiten, mit roten und gelben Zeichen bestickten
Zaubermantel auf den Fußboden, setzte sich mitten darauf und
sprach einen Zauberspruch. Da erhob sich der Mantel mit ihm
in die Lüfte und trug ihn nach Buxtehude.
Und Kasperl?
Nachdem er das Butterbrot und den Käse verdrückt hatte,
ging er an seine Arbeit. Er saß in der Schlossküche, schälte
Kartoffeln und dachte nach.
Er musste vor allem an Seppel denken.
Gestern beim Aufbruch hatte ihn Hotzenplotz mit dem
linken Fuß an die Wand seiner Räuberhöhle gekettet, im
finstersten Winkel hinten, zwischen dem Pulverfass und der
Pfeffertonne.
Ob er noch immer dort an der Kette lag, auf dem kalten
Steinboden?
»Wenn er ihm wenigstens eine Hand voll Stroh oder eine
Decke gegeben hätte, der Hotzenplotz!«, dachte Kasperl.
Und je länger er sich um Seppel Gedanken machte, desto
sehnlicher wurde sein Wunsch zu erfahren, wie es ihm seither
in der Räuberhöhle ergangen war . . .
Armer Seppel !

Viele Stunden lang hatte Seppel allein in der finsteren


Räuberhöhle gelegen und wäre die Kette um seinen Fuß nicht
gewesen, hätte er fortlaufen können, wohin er wollte. Aber die
Kette ließ sich nicht abstreifen. So verzweifelt er auch daran
zerrte und rüttelte: Sie saß fest, es war zwecklos.
Gegen Abend kam Hotzenplotz wieder angepoltert. Er
kippte den Sack mit dem Schnupftabak von der Schulter, dann
schmiss er den Hut und den Mantel in eine Ecke und zündete
eine Kerze an.
»So, alter Kasper, nun hat es sich ausgefaulenzt, jetzt wird
gearbeitet!«
Zunächst musste Seppel dem Räuber Hotzenplotz aus den
schmutzigen Stiefeln helfen, dann wurde er losgekettet.
»Marsch an den Herd und mach Feuer! Ich habe mir
unterwegs eine fette Gans besorgt. Wenn du Feuer hast, rupfe
sie und dann rasch an den Bratspieß. Ich mag sie schön
knusprig von allen Seiten, aber pass auf, dass sie dir nicht
anbrennt! Einstweilen will ich es mir bequem machen und den
Hausrock anziehen.«
Seppel rupfte die Gans und briet sie. Während er brav den
Spieß drehte, stieg ihm der Bratenduft in die Nase. Er hatte seit
heute Morgen nichts mehr gegessen, ihm wurde ganz schwach
davon. Ob ihm der Räuber Hotzenplotz einen Happen abließ?
Aber der Räuber Hotzenplotz dachte gar nicht daran! Als
der Gansbraten fertig war, rief er: »Mahlzeit!« Dann aß er den
leckeren Vogel ratzeputz auf und Seppel ging leer aus. Er
bekam nicht einmal einen schäbigen Knochen zum Abnagen!
»Hmmm – das hat gut geschmeckt!«, sagte Hotzenplotz
nach dem Essen und stieß einen Rülps aus. »Nun könnte ich
einen Kaffee vertragen . . .«
Er ging an die Truhe und kramte die Kaffeemühle hervor.
Großmutters Kaffeemühle! Die füllte er mit Kaffeebohnen.
»Da!«, rief er Seppel zu, »mahle!«
Und Seppel musste auf Großmutters Kaffeemühle für
Hotzenplotz den Kaffee mahlen. Dazu spielte die Kaffeemühle
»Alles neu macht der Mai . . .« Das war schlimm für ihn –
schlimmer als alles andere, was er an diesem Unglückstag
erlebt hatte.
»Was ist los mit dir?«, fragte der Räuber Hotzenplotz, als er
sah, wie dem guten Seppel die Tränen kamen. »Du siehst mir
so traurig aus, Kasperl, das mag ich nicht! Warte, ich will dich
ein bisschen aufheitern!«
Er riss Seppel die Zipfelmütze vom Kopf.
»Du gefällst mir nicht in der blöden Mütze! Sie passt nicht
zu deinem Gesicht – also weg damit!«
Kurzerhand warf er die Zipfelmütze ins Feuer und ließ sie
verbrennen.
»Ist das nicht lustig?«, rief er. »Ich finde, es ist zum
Totlachen!«
Hotzenplotz lachte und Seppel weinte. Weinend mahlte er
den Kaffee zu Ende und Großmutters Kaffeemühle spielte ihr
Lied dazu.
Danach musste Seppel dem Räuber die Stiefel putzen und
blank wichsen. Hinterher wurde er wieder angekettet und
Hotzenplotz legte sich nieder und blies das Licht aus.
Die halbe Nacht konnte Seppel vor Kummer und Heimweh
kein Auge schließen. Er lag auf dem kalten Steinboden
zwischen dem Pulverfass und der Pfeffertonne und dachte an
Kasperl. Was Kasperl wohl sagen würde, wenn er erfuhr, dass
der Räuber Hotzenplotz seine Zipfelmütze verbrannt hatte?
Aber – ob er das überhaupt jemals erfuhr, der Kasperl?
»Ach Gott«, seufzte Seppel, »in was für ein böses
Schlamassel sind wir da bloß hineingeraten, wir beiden
Pechvögel!«
Aber zu guter Letzt überkam ihn dann doch der Schlaf. Und
er träumte von Kasperl und seiner Großmutter, wie sie in
Großmutters Stube bei Kaffee und Kuchen saßen – bei
Pflaumenkuchen mit Schlagsahne selbstverständlich! –, und
Kasperl trug seine Kasperlmütze und alles war gut und in
schönster Ordnung. Es gab keine Kette mehr um den Fuß,
keine Räuberhöhle und keinen Hotzenplotz.
Hätte doch dieser Traum nie ein Ende genommen!
Aber das Ende kam viel zu früh für den armen Seppel:
Pünktlich um sechs Uhr morgens hatte der Räuber
Hotzenplotz ausgeschlafen und weckte ihn.
»He, du Schlafmütze! Aufstehen, an die Arbeit!« Kaffee
mahlen, Holz hacken, Feuer machen. Dann frühstückte
Hotzenplotz ausgiebig, während Seppel dabeistand und
zuschauen durfte. Abräumen, Wasser holen, Geschirr waschen.
Hernach musste Seppel den Schleifstein drehen und
Hotzenplotz schliff seinen krummen Räubersäbel darauf und
die sieben Messer.
»He, mach schon, du Bummelkasper! Ein Schleifstein ist
keine Drehorgel! Schneller, schneller!«
Als auch das siebente Messer geschliffen war, durfte Seppel
wieder in seinen Winkel kriechen und kam an die Kette. Dann
warf ihm der Räuber Hotzenplotz einen Kanten
verschimmeltes Brot vor.
»Da – iss, dass du nicht verhungerst, Kasperl! Ich gehe nun
meinem Beruf nach wie alle Tage. Du aber darfst auf der
faulen Haut liegen und dich ausruhen. Dafür wirst du heute
Abend, wenn ich wieder zu Hause bin, umso fleißiger für mich
arbeiten! Warum soll es dir besser ergehen als deinem Freund
Seppel beim großen und bösen Zauberer Petrosilius
Zwackelmann?«
Damit verließ er die Räuberhöhle und schloss hinter sich die
Tür zu.
So ein Schuft !
Drei Türen
im Keller

Nachdem Kasperl drei Eimer Kartoffeln geschält hatte,


machte er eine Pause. Er legte das Messer weg, wischte sich
die nassen Hände an den Hosen ab und ging nachsehen, was es
in Zauberer Zwackelmanns Speisekammer zu essen gab. Denn
es musste bald Mittag sein und er hatte Hunger.
Gleich vorn in der Speisekammer fand er ein Fässchen mit
Salzgurken.
»Sauer macht lustig!«, dachte er, »also ist das die richtige
Medizin für mich!«
Er verzehrte drei Salzgurken. Danach fühlte er sich
bedeutend leichter und kostete nacheinander von den
verschiedenen Marmeladen, die Topf an Topf im Regal
standen. Dann trank er ein Gläschen Buttermilch und
schließlich schnitt er sich eine Scheibe Salami ab. Denn auch
Würste und Schinken gab es in Zwackelmanns Speisekammer,
vielerlei Würste in jeder Länge und Dicke. Sie baumelten von
der Decke herab, er brauchte bloß zuzugreifen.
»Wie im Schlaraffenland!«, dachte Kasperl.
Aber wie er so dastand und zu den Würsten emporschaute,
hörte er plötzlich ein dumpfes Schluchzen:
»Uh-chuchu-chuuuh!«
Der Schreck fuhr ihm in die Glieder. War er denn nicht
allein im Zauberschloss? Gab es hier außer ihm noch jemanden
– und wer war das?
»Ach was!«, dachte Kasperl, »es kann mir gleich sein!«
Er säbelte ein Stück Pfefferwurst ab und steckte es in den
Mund. Da vernahm er von neuem das Schluchzen:
»Uh-chuchu-chuuuh!«
Es klang schauerlich dumpf und traurig – so traurig, dass
Kasperl vom bloßen Hören der Appetit verging. Da war
wirklich jemand! Jemand, der schrecklichen Kummer zu haben
schien.
»Ob ich ihm helfen kann?«, überlegte Kasperl. »Ich muss
herauskriegen, was da los ist! Das kann ich mir auf die Dauer
nicht anhören, davon wird man ja trübsinnig!«
Kasperl lauschte, aus welcher Richtung das Schluchzen
kam. Er folgte ihm aus der Speisekammer zurück in die Küche,
von dort auf den Flur hinaus und dann weiter zur Kellertür.
»Uh-chuchu-chuuuh!«, hörte Kasperl. Es drang aus der
Tiefe des Kellers zu ihm herauf. Sollte er sich ein Herz fassen
und hinabsteigen?
»Ich komme gleich!«, rief er hinunter, »ich hole mir bloß
ein Licht!«
Er lief in die Küche und nahm die Laterne vom Haken über
dem Spültisch. Ein Streichholz her – ritsch! –, an den Docht
gehalten und fertig!
Vorsichtig stieg er die glitschige Kellertreppe hinab. Es war
feucht hier und modrig, ihn fröstelte. Dicke Wassertropfen
fielen von der Decke und klatschten ihm auf den Hut. Nun
stand er in einem langen niedrigen Gang und nach zehn oder
zwanzig Schritten stieß er auf eine Tür.
Die Tür war mit Eisen beschlagen, sie trug ein von
schwarzen Strichen umrahmtes Schild:

EINTRITT
STRENG VERBOTEN !

Einen Augenblick zögerte Kasperl. Dann hörte er wieder


das Schluchzen und es stand fest für ihn, dass er weiter musste.
Er drückte die Klinke nieder und öffnete.
Aber was war das? Gleich hinter der ersten Tür kam er an
eine zweite! Auch sie war mit Eisen beschlagen, auch sie trug
ein großes Schild, das mit schwarzen Strichen umrahmt war. Er
hob die Laterne und las:

EINTRITT
STRENGSTENS VERBOTEN !!

»Au weh!«, dachte Kasperl. »Mir scheint, das wird immer


verbotener!«
Aber er fasste auch diesmal Mut und als sich bald wieder
das klägliche Schluchzen vernehmen ließ, öffnete Kasperl auch
diese Tür.
Doch zum Kuckuck, sie war nicht die letzte auf seinem
Weg! Schon nach wenigen Schritten stand er vor einer dritten
Tür. Auch sie trug ein großes, von schwarzen Strichen
umrahmtes Schild, das mit einer Aufschrift versehen war:

EINTRITT
ALLERSTRENGSTENS
VERBOTEN !!!
Kasperl spürte ein Zwicken und Zwacken im Bauch. War
das Angst – oder waren es nur die Salzgurken und die
Buttermilch?
»Ob ich nicht lieber umkehre?«, dachte er.
Da machte es hinter der dritten Tür abermals »Uh-chuchu-
chuuuh!« Das klang diesmal so schaurig und jammervoll, dass
es dem guten Kasperl durch Mark und Bein ging. Er vergaß
alles Bauchweh und alle Angst.
Ein Schritt, dann ein Griff nach der Klinke – und knarrend
und quietschend (sehr hässlich quietschend) öffnete sich auch
diese Tür.

Und wenn Türen quietschen, dann wird es meistens sehr


spannend
Das Geheimnis der Unke

»Halt, stehen bleiben! Keinen Schritt weiter!«


Kasperl hatte kaum den Fuß über die Schwelle gesetzt, da
empfing ihn eine scheußlich quakende Stimme mit diesem Ruf.
Wenn ihn nicht alles täuschte, war es dieselbe Stimme, die
vorhin geschluchzt hatte.
Er gehorchte ihr und blieb stehen.
Im Scheine der Laterne sah er, dass er in ein kleines,
dunkles Gewölbe geraten war. Aber dieses unterirdische
Gewölbe hatte keinen Fußboden! Eine Handbreit vor Kasperls
Schuhspitze tat sich ein tiefer, mit schwarzem Wasser gefüllter
Abgrund auf.
Unwillkürlich wich Kasperl ein Stück zurück und stemmte
sich mit dem Rücken gegen den Türpfosten.
»Ist da wer?«, fragte er. Seine Stimme klang dumpf und
hohl, er erkannte sie gar nicht wieder.
Ein Plätschern und Glucksen ließ sich vernehmen, es drang
aus der Tiefe zu ihm herauf.
»Ja, hier ist jemand«, quakte es. »Wenn du dich flach auf
den Boden legst und herunterschaust, siehst du mich.«
Kasperl gehorchte auch diesmal.
Auf dem Bauch liegend, schob er sich Zoll um Zoll an den
Abgrund heran. Die Laterne in der ausgestreckten Hand
haltend, blickte er über den Rand hinunter.
»Wo bist du? Ich kann dich nicht sehen.«
»Hier unten im Wasser bin ich. Du musst die Laterne ein
wenig tiefer halten.«
Es schwamm etwas unten, im schwarzen Wasser, etwas mit
großen Glotzaugen und einem breiten Schlappmaul.
»Nun?«, quakte das Etwas, »jetzt siehst du mich aber!«
»Jetzt schon«, sagte Kasperl.
»Und wofür hältst du mich?«
»Wenn du ein bisschen kleiner wärst, würde ich sagen: für
eine Kröte. Oder für einen Frosch.«
»Du irrst dich. Ich bin eine Unke.«
»Aha«, sagte Kasperl und dachte: »Aber für eine Unke bist
du mir auch zu groß . . .« Dann fügte er laut hinzu: »Und was
tust du da unten?«
»Ich warte.«
»Worauf denn?«
»Auf meine Erlösung. Du musst nämlich wissen, dass ich in
Wirklichkeit gar keine Unke bin, sondern . . .«
»Nun – was?«, fragte Kasperl.
»Ich weiß nicht, ob ich dir trauen darf«, quakte die Unke,
die angeblich keine war. »Schickt dich der Zwackelmann?«
»Nein«, sagte Kasperl, »der weiß gar nicht, dass ich hier
bin. Er ist heute bei einem Kollegen in Buxtehude.«
Die Unke stieß einen tiefen Seufzer aus. »Stimmt das
auch?«, fragte sie.
»Ja, es stimmt«, sagte Kasperl, »drei Finger aufs Herz! Und
nun sage mir, wer du bist, wenn du keine Unke bist!«
»Ich war einmal – eine gute Fee.«
»Eine Fee?«
»Ja, die Fee Amaryllis. Aber ich sitze seit sieben Jahren als
Unke in diesem Unkenpfuhl, uh-chuchu-chuuuh! Der
Zwackelmann hat mich verzaubert und eingesperrt.«
»Sieben Jahre?«, rief Kasperl. »Entsetzlich! Warum hat der
Zwackelmann das getan?«
»Weil er böse ist, schrecklich böse! Er kann mich nicht
leiden, weil ich ihm manchmal ein bisschen
dazwischengezaubert habe. Ich bin ihm zu gut gewesen, da hat
er mich überlistet und eine Unke aus mir gemacht. Eine – uh-
chu-chu-chuuuh – eine Unke!«
Die verzauberte Fee weinte bitterlich. Dicke Tränen rannen
ihr über das Unkengesicht. Kasperl hätte sie gern getröstet, sie
tat ihm sehr Leid. Doch was war da zu machen?
»Kann ich dir helfen?«, fragte er.
»Ja, das kannst du!«, schluchzte die Unke und wischte sich
mit der Pfote die Tränen ab. »Du brauchst mir nur ein gewisses
Kraut zu verschaffen, das Feenkraut. Es wächst ein paar
Stunden von hier auf der Hohen Heide. Wenn du mir etwas von
diesem Kraut bringst und mich damit berührst, bin ich frei. Es
macht allen bösen Zauber sogleich zunichte. Holst du es mir?
Warum schweigst du?«
»Weil . . .«, sagte Kasperl und stockte.
»Ja? Weil . . .?«
»Weil ich hier nicht wegkann. Auch ich bin gefangen in
diesem Zauberschloss. Lass dir erzählen . . .«
Und Kasperl erzählte der Unke sein Abenteuer von gestern
Nacht: Wie er versucht hatte auszureißen und wie es ihm
dreimal missglückt war. »Wenn du mir raten kannst, wie ich
hier wegkomme«, schloss er, »dann hole ich dir das Feenkraut.
Aber ich fürchte, du kannst es nicht.«
»Woher weißt du das?«, quakte die Unke. »Bedenke: Ich
bin eine Fee gewesen und kenne mich einigermaßen aus in der
Zauberei. Dass du das Schloss nicht verlassen konntest, liegt
daran, dass Zwackelmann ringsherum einen Bannkreis gezogen
hat. Aber wenn du ein Stück deiner Kleidung im Schloss
zurücklässt – ein Stück, das du unmittelbar auf dem Körper
trägst –, dann bist du frei und kannst gehen, wohin du magst.«
»Ist das wahr?«, fragte Kasperl.
»Versuche es!«, quakte die Unke. »Dann wirst du schon
merken, dass ich dich nicht belogen habe. Am besten lässt du
dein Hemd hier. Es kann aber auch ein Strumpf sein oder dein
Hut.«
»Auch der Hut?«, meinte Kasperl. »Er ist aber nur geborgt,
er gehört nicht mir, sondern meinem Freund.«
»Das spielt keine Rolle, er tut es genauso.«
»Dann lasse ich selbstverständlich den Hut zurück«, sagte
Kasperl. »Er wird mir nicht fehlen, weil er mir sowieso nicht
passt. Und nun sage mir, wo ich das Feenkraut finde und wie es
aussieht, dann will ich es dir herbeischaffen.«
Auf nach der
Hohen Heide

Kasperl ließ sich den Weg nach der Hohen Heide genau
beschreiben.
»Wenn du am Ziel bist«, sagte die Unke, »dann setze dich
unter die alte Wetterfichte, die einsam neben dem schwarzen
Teich in der Heide steht. Dort warte den Aufgang des Mondes
ab. Das Feenkraut findet man nämlich nur, wenn der Mond
scheint. Im Mondlicht beginnt es zu leuchten, man sieht seine
kleinen silbernen Blütendolden unter den Wurzeln der
Wetterfichte hervorschimmern. Wenn du ein Büschel davon
gepflückt hast, ist alles gut. Dann kann dir auch Zwackelmann
keinen Schaden mehr zufügen: Wer das Feenkraut in der Hand
hält, der ist für ihn unsichtbar.«
»Meinst du, dass er mich suchen wird, wenn er heimkommt
und merkt, dass ich weg bin?«
»Das glaube ich ganz bestimmt. Darum musst du versuchen
das Feenkraut möglichst bald in die Hand zu bekommen. Doch
nun geh, denn du hast einen weiten Weg vor dir. Alles Gute –
und viel, viel Glück!«
Kasperl erhob sich und winkte mit seiner Laterne der Unke
im Unkenpfuhl einen Gruß zu.
»Auf Wiedersehen!«
»Auf Wiedersehen! Aber vergiss nicht die Türen hinter dir
zuzumachen! Zwackelmann braucht nicht zu merken, dass du
mit mir gesprochen hast.«
Ach richtig, die Türen! An die hatte Kasperl nicht mehr
gedacht. Er schloss sie und stieg dann die Kellertreppe hinauf.
Auch die Kellertür klinkte er wieder zu. Dann nahm er aus
Zauberer Zwackelmanns Speisekammer ein Brot und zwei
Würste mit und brach auf.
Er kletterte durch das Kammerfenster hinaus in den
Kräutergarten. Draußen nahm er den Hut ab. Es fiel ihm nicht
schwer, sich von ihm zu trennen. Er legte ihn unweit vom Zaun
in das Petersilienbeet.
Ob er es diesmal schaffte? Ihm war nicht besonders wohl
zumute. Er dachte an gestern Abend und an die Ohrfeigen, die
er bekommen hatte.
»Ach was, ich versuche es! Mehr als Pech haben kann ich
nicht . . .«
Aber diesmal ging alles glatt: Keine Geisterhand nahm ihn
beim Kragen und riss ihn zurück, es setzte auch keine
Ohrfeigen. Aufatmend ließ er sich jenseits des Zaunes ins Gras
fallen.
»Uff!«, sagte Kasperl, »man sollte es nicht für möglich
halten, wozu so ein Seppelhut gut ist...«
Er wanderte eine Stunde und zwei Stunden, immer dem
Weg folgend, den ihm die Unke beschrieben hatte. Erst durch
den Wald, dann ein Stück auf der Landstraße, dann einen Bach
entlang, bis er wieder an einen Wald kam. Hier mussten drei
Birken stehen, von denen die mittlere einen gespaltenen Stamm
hatte.
Richtig, da standen sie! – und genau wie die Unke gesagt
hatte, führte an dieser Stelle ein Fußpfad ins Waldesdickicht.
Von ihm durfte Kasperl jetzt nicht mehr abweichen. Aber es
dauerte nochmals zwei Stunden, bevor er die Hohe Heide
erreichte, und als er dort ankam, wurde es langsam Abend.
Kasperl war froh, dass er endlich am Ziel war. Er setzte sich
unter die Wetterfichte am Ufer des schwarzen Teiches, zog
Schuhe und Strümpfe aus, ließ seine müden Beine ins Wasser
baumeln und wartete auf den Mond. Zum Zeitvertreib aß er das
Brot und die beiden Würste auf.
Er bemühte sich, nicht an den großen Zauberer Petrosilius
Zwackelmann zu denken, doch das gelang ihm nicht. Je länger
er dasaß und warten musste, desto unbehaglicher fühlte er sich.
Ob Zwackelmann schon zurück war aus Buxtehude? Was
würde er anstellen, wenn er merkte, dass Kasperl
verschwunden war?
»Lieber Mond«, seufzte Kasperl, »wo bleibst du bloß?
Willst du nicht endlich aufgehen? Wenn mich Zwackelmann
findet, bevor ich das Feenkraut pflücken konnte, ist alles aus.
Hörst du mich, alter Mond? Du sollst aufgehen!«
Aber der Mond ließ sich sehr viel Zeit. Er kam und kam
nicht zum Vorschein und Kasperl saß wie auf Nadeln und
dachte an Petrosilius Zwackelmann.
»Des Hutes Besitzer«

Der große und böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann


brachte einen Bärenhunger mit, als er zwischen acht und halb
neun Uhr abends auf seinem Zaubermantel aus Buxtehude
zurückkehrte. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich,
aber nun war er ja wieder daheim und konnte sich satt essen.
Hoffentlich waren die Bratkartoffeln schon fertig – und
hoffentlich reichten sie!
Vom Schlossturm, wo er gelandet war, begab sich der große
Zauberer schnurstracks hinab in den Speisesaal. Er nahm an
der Tafel Platz, band sich eine Serviette um, klatschte dann in
die Hände und rief: »Seppel, auftragen!«
Es verging eine ganze Weile, aber nichts rührte sich.
»Seppel!«, rief Zwackelmann. »Auftragen! Hörst du nicht,
dass ich dich rufe? Wo bleibst du denn?«
Auch diesmal geschah nichts dergleichen.
»Na warte, du Schlafmütze!«, schimpfte der große Zauberer.
»Soll ich dir Beine machen? Jetzt reicht's mir aber!«
Er schnackelte mit den Fingern und wünschte sich einen
Ochsenziemer herbei. Dann rannte er in die Küche und
wetterte:
»Her da, du Satansbraten! Ich prügle dich grün und blau!
Was erlaubst du dir, elende Kröte von einem Dienstboten?
Willst du den großen Zauberer Zwackelmann warten lassen?
Her mit dir, Faulpelz! Ich dresche dich windelweich! Ich
verhaue dich, bis du krumm und lahm bist!«
In seinem Zorn schlug der große Zauberer Zwackelmann
mit dem Ochsenziemer ein paarmal wild auf den Küchentisch.
Dann erst merkte er, dass da noch immer drei Eimer Kartoffeln
standen, die nicht geschält waren.
»Was?«, rief er, »wie? Du bist weggelaufen von deiner
Arbeit? Potz Schwefel und Höllenfeuer, das sollst du mir nicht
noch einmal tun! Komm herzu und zwar augenblicklich!«
Aber was half alles Schimpfen und Rufen und Auf-den-
Tisch-Schlagen? Es half gar nichts! Da knurrte der große
Zauberer:
»Ha, ich weiß schon, der Bursche wird sich versteckt haben.
Aber ich finde ihn! Ja, zum Teufel, ich finde ihn – und dann
soll er mich kennen lernen!«
Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern: Da
verwandelte sich der Ochsenziemer in eine brennende Fackel.
Die Fackel über dem Kopf schwenkend, rannte er kreuz und
quer durch das ganze Schloss. Er suchte in allen Sälen und
Kammern, er stieg in den Keller und kletterte auf den
Dachboden, leuchtete jeden Winkel ab, schaute in alle Nischen
und Ecken, unter die Möbel und hinter die Vorhänge. Doch so
viel er auch suchte und suchte und weitersuchte: Er fand nichts.
Mit einem Mal kam dem großen Zauberer ein Gedanke. Er
eilte, so schnell ihn die Beine trugen, hinaus in den
Kräutergarten. Tatsächlich – da lag, ein paar Schritte vom Zaun
entfernt, in der Mitte des Petersilienbeetes, der Seppelhut.
»Pest und Hölle!«
Der große Zauberer Zwackelmann ballte die Fäuste und
spuckte aus. Auf den ersten Blick war ihm klar, was geschehen
war. Dieser Bursche, der Seppel, so dumm er auch sein
mochte, hatte es also geschafft: Er war ausgerissen!
Woher wusste er, wie das zu machen war?
»Wie dem auch sei«, dachte Petrosilius Zwackelmann, »ich
muss handeln! Der Kerl soll sich wundern, wie rasch ich ihn
wieder in meine Gewalt bekomme, ich habe ja seinen Hut!«
Man muss wissen, dass Petrosilius Zwackelmann jeden
Menschen, von dem er ein Kleidungsstück bei der Hand hatte,
ohne Mühe herbeizaubern konnte.
»Ans Werk!«, rief der große Zauberer grimmig und warf die
Fackel weg.
Mit beiden Händen ergriff er den Seppelhut und rannte in
sein Studierzimmer. Her mit der Zauberkreide! Nun rasch auf
dem Fußboden einen magischen Kreis gezogen und quer durch
den Kreis ein paar Striche . . .
»So – es kann losgehen!«
Petrosilius Zwackelmann legte den Hut in die Mitte des
Zauberkreises, genau auf die Stelle, wo sich die Striche
kreuzten. Dann trat er zurück, hob die Hände und fuchtelte in
der Luft herum. Den Blick auf den Hut geheftet, rief er mit
Donnerstimme:

»Herbei, herbei,
Wo auch immer er sei!
Des Hutes Besitzer,
Er stelle sich ein:
Wo der Hut ist,
Da soll er auch selber sein!
Hokuspokus – so sei es!«

Kaum hatte der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann


die Beschwörung ausgesprochen, da gab es einen gewaltigen
Krach. Aus dem Fußboden des Studierzimmers schlug eine
grelle Flamme empor, und inmitten des Zauberkreises, genau
auf der Stelle, wo sich die Striche kreuzten, stand – Seppel.
Der richtige Seppel.
Der, dem der Hut gehörte.
Er hielt in der linken Hand einen schwarzen Lederstiefel, er
hielt in der rechten Hand eine Schuhbürste.
Alles in schönster Ordnung – »des Hutes Besitzer« hatte
sich eingestellt.
Und doch ist es schwer zu sagen, wer von den beiden im
Augenblick dümmer dreinschaute: Kasperls Freund Seppel
oder der große und böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann.
Ein Mann, ein Wort

Eben noch hatte Seppel dem Räuber Hotzenplotz die Stiefel


geputzt – und nun sah er sich plötzlich dem großen Zauberer
Petrosilius Zwackelmann gegenüber. Wie um alles in der Welt
kam er denn aus der Räuberhöhle auf einmal hierher? Und wo
war er da hingeraten? Seppel war so verdattert, als sei er vom
Mond gefallen.
Aber auch Petrosilius Zwackelmann blickte ziemlich
belämmert drein. Was wollte der wildfremde Mensch da in
seinem Zauberkreis? Das konnte unmöglich mit rechten
Dingen zugehen! Seit er sich mit der Zauberei abgab (und
immerhin tat er das nun schon seit fünfzig Jahren), war ihm so
etwas noch nicht vorgekommen.
»Wer bist du, zum Henker?«, schnaubte der große Zauberer.
»Ich?«, fragte Seppel.
»Ja, du!«, fauchte Zwackelmann. »Und wie kommst du
hierher?«
»Wie ich hierher komme, weiß ich selber nicht. Aber ich bin
der Seppel.«
»Der Seppel bist du? Das stimmt nicht!«
»Wieso?«, fragte Seppel.
»Wieso?«, knurrte Petrosilius Zwackelmann. »Weil der
Seppel ganz anders aussieht! Ich kenne ihn nämlich, er war bei
mir Dienstbote. Dieser Hut da« – er zeigte auf Seppels Hut, der
im Zauberkreis auf dem Boden lag – »dieser Hut ist von ihm.«
»Dieser Hut?«, fragte Seppel. Und plötzlich ging ihm ein
Licht auf, er musste lachen.
»Du lachst?«, rief der große Zauberer. »Warum lachst du?«
»Weil ich mir nun erklären kann, wen Sie meinen. Sie
meinen den Kasperl! Genau wie der Räuber Hotzenplotz! Auch
der hat den Kasperl und mich verwechselt.«
Petrosilius Zwackelmann horchte auf. Er ließ sich von
Seppel erzählen, wie er mit Kasperl den Hut und die Mütze
getauscht hatte. Langsam begriff er, wie alles zusammenhing.
Hotzenplotz hatte ihm also den Kasperl verkauft, weil er
gedacht hatte, dass er der Seppel sei. Eine schöne Geschichte!
Dann war es kein Wunder, wenn er mit Hilfe von Seppels Hut
nur den richtigen Seppel herbeizaubern konnte und nicht den
falschen.
»Pfui Schwefel und Schusterpech!«
Der große Zauberer spuckte Gift und Galle. Was hatte der
Räuber Hotzenplotz ihm da eingebrockt! Aber noch gab es ja
einen Ausweg aus dieser Patsche. Er brauchte nur Kasperls
Zipfelmütze, dann konnte er auch den Kasperl herbeizaubern.
Auf keinen Fall durfte Seppel Verdacht schöpfen, deshalb
bediente sich Petrosilius Zwackelmann einer List.
»Wenn ich dir glauben soll, dass du wirklich der Seppel bist,
dann beweise es!«
»Aber gern«, meinte Seppel. »Sie brauchen mir nur zu
sagen, wie ich das machen soll.«
»Nun – ganz einfach, indem du mir Kasperls Mütze gibst.«
»Kasperls Mütze? Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil sie der Räuber Hotzenplotz doch verbrannt hat!«
»Verbrannt?«, fragte Zwackelmann.
»Ja«, sagte Seppe!. »Er hat sie vor meinen Augen ins Feuer
geworfen. Aus purer Bosheit!«
»Aus Bosheit?« Der große Zauberer schlug mit der Faust
auf den Tisch, dass es nur so krachte. »Aus Dummheit! Aus
Unverstand! Oh, dieser Hotzenplotz, dieser verdammte
Blödian! Es ist zum Die-Wände-Hochlaufen!«
Petrosilius Zwackelmann rannte ein paarmal laut
schimpfend in seinem Studierzimmer auf und ab. Dann blieb er
vor Seppel stehen und fragte ihn:
»Wem gehört dieser Stiefel in deiner Hand? Gehört er dem
Hotzenplotz?«
»Ja«, sagte Seppel.
»Dann her damit, her damit! Diesen Unglückswurm will ich
mir gleich mal vorknöpfen!«
Eilends zog Petrosilius Zwackelmann einen neuen
Zauberkreis. Genau auf die Stelle, wo sich die Striche kreuzten,
stellte er diesmal den Stiefel des Räubers Hotzenplotz. Wieder
hob er die Arme und fuchtelte in der Luft herum; dazu rief er
mit Donnerstimme:

»Herbei, herbei,
Wo auch immer er sei!
Des Stiefels Besitzer,
Er stelle sich ein:
Wo der Stiefel ist,
Soll er auch selber sein!
Hokuspokus – so sei es!«

Auch diesmal verfehlte der Zauberspruch seine Wirkung


nicht. Es gab einen Krach, eine Stichflamme – und inmitten des
Zauberkreises stand wie aus dem Boden gewachsen der Räuber
Hotzenplotz. Er trug seinen warmen Hausrock und war in
Strumpfsocken. Im ersten Augenblick machte auch er ein
unbeschreiblich verdutztes Gesicht, dann fing er zu lachen an.
»Zwackelmann!«, rief er, »ha-ha, alter Spaßvogel, du
gefällst mir! Das nenne ich einen Zauberer! Zaubert mich
einfach aus meiner Höhle in sein Studierzimmer! – Sieh mal
an, und der Kasperl ist auch hier! Ich hatte mir schon den Kopf
zerbrochen, wohin er verschwunden war . . .«
»Schweig!«, unterbrach ihn der große Zauberer Petrosilius
Zwackelmann. »Erstens ist das der Seppel und nicht der
Kasperl – und zweitens hörst du sofort mit dem blöden Lachen
auf, sonst vergesse ich mich!«
»Aber Zwackelmann, alter Freund, was ist los mit dir?«,
fragte der Räuber Hotzenplotz. »Warum bist du so schrecklich
grantig?«
»Ich werde dir sagen, was los ist! Der Bursche, den du mir
gestern verkauft hast, ist ausgerissen. Er war nicht der dumme
Seppel, sondern der Kasperl!«
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte Hotzenplotz. »Aber du
bist ja ein großer Zauberer! Warum zauberst du dir den
Ausreißer nicht herbei?«
»Das hätte ich längst getan, wenn ich könnte. Aber ich kann
es nicht!«
»Nein?«, fragte Hotzenplotz.
»Nein!«, sagte Petrosilius Zwackelmann. »Und warum
nicht? Weil du die Zipfelmütze verbrannt hast! Es ist zum
Verrücktwerden! Oh, du Gimpel von einem Räuber, du
Obergimpel!«
Hotzenplotz zuckte zusammen.
»Zwackelmann!«, rief er, »das lasse ich mir nicht bieten, das
geht zu weit! Ich – ein Gimpel?! Das wirst du gefälligst
zurücknehmen!«
»Meinst du?« Der große Zauberer fletschte die Zähne und
schnackelte mit den Fingern nach seinem Zauberstab. »Wenn
ich dich einen Gimpel genannt habe, stimmt das. Ein Mann, ein
Wort! – Abrakadabra . . .«
Er brabbelte einen Zauberspruch und aus Hotzenplotz wurde
ein Gimpel: ein richtiger kleiner Gimpel, der ängstlich
piepsend und mit den Flügeln schlagend von einem Bein auf
das andere hüpfte.
»Das hast du dir wohl nicht träumen lassen?«, spottete
Zwackelmann. »Aber warte, es kommt noch besser!«
Er schnackelte aus der Luft einen Vogelkäfig herbei. Dann
ergriff er den Gimpel und sperrte ihn darin ein.
»So, mein Bester, da kannst du nun sitzen und drüber
nachdenken, was aus dir werden soll. – Jetzt zu dir, Seppel!«
Seppel hatte mit Zittern und Beben bei der Verwandlung des
Räubers Hotzenplotz zugeschaut. Als sich der große Zauberer
nun an ihn wandte, fiel ihm das Herz in die Hosen. Gewiss
wollte Petrosilius Zwackelmann jetzt auch ihn verzaubern . . .
Aber er täuschte sich.
»Kannst du Kartoffeln schalen?«, fragte der große Zauberer.
»Ja«, sagte Seppel und konnte sich nicht erklären, worauf er
mit seiner Frage hinauswollte.
»Gut so – dann marsch in die Schlossküche! Morgen früh,
wenn ich heimkomme, wünsche ich Bratkartoffeln zu speisen.
Den Vogelkäfig kannst du dir in der Küche aufhangen, lass dir
von Hotzenplotz etwas vorzwitschern bei der Arbeit. Wenn du
zwölf Eimer Kartoffeln geschält und klein geschnippelt hast,
darfst du dich schlafen legen, aber nicht früher.«
»Und Sie?«, fragte Seppel.
»Ich fliege auf meinem Zaubermantel den Kasperl suchen.
Der Kerl soll mir nicht durch die Lappen gehen! Ich werde ihn
finden, so wahr ich der große Zauberer Petrosilius
Zwackelmann bin – und dann mache ich kurzen Prozess mit
ihm!«
Zauberer Zwackelmanns Ende

Um bei der Dunkelheit besser sehen zu können, setzte der


große Zauberer Petrosilius Zwackelmann seine Nachtbrille auf.
Dann eilte er auf den Schlossturm, bestieg seinen
Zaubermantel und sauste los. Doch so scharf er auch Ausschau
hielt und so weit er auch flog und umherspähte: Es gelang ihm
nicht, Kasperl zu finden.
Inzwischen war nämlich über der Hohen Heide der Mond
aufgegangen. Sogleich hatte unter den Wurzeln der alten
Wetterfichte das Feenkraut silbern hervorgeleuchtet und rasch
hatte Kasperl ein Büschel davon gepflückt. Nun war er für
Petrosilius Zwackelmann unsichtbar, daran änderte auch die
Nachtbrille auf des großen Zauberers Nase nichts.
Das Feenkraut in der rechten Hand und die Hand in der
Hosentasche, trat Kasperl den Rückweg an. Zwei-, dreimal
geschah es, dass Zwackelmann auf dem Zaubermantel genau
über ihn hinwegrauschte. Dann zog Kasperl erschrocken den
Kopf ein und duckte sich. Aber auch wenn er sich nicht
geduckt hätte, hätte ihn Zwackelmann nicht erspähen können,
obgleich er so niedrig flog, dass Kasperl den Luftzug spürte.
Das Feenkraut machte ihn übrigens nicht nur unsichtbar.
Seit er es in der Tasche trug, war er auch nicht mehr müde!
Seine Beine liefen wie von selbst und im Morgengrauen
erreichte er wohlbehalten das Zauberschloss.
Das Tor war verschlossen. Kasperl berührte es mit dem
Feenkraut, da tat es sich vor ihm auf und er konnte eintreten.
Aber in diesem Augenblick hörte er über sich in der Luft ein
gewaltiges Sausen und Brausen und als er emporschaute, sah
er, dass Zwackelmann eben jetzt auf dem Schlossturm gelandet
war. Hoffentlich hatte er keinen Verdacht geschöpft!
Doch dem großen und bösen Zauberer Petrosilius
Zwackelmann war es nicht entgangen, dass sich vor wenigen
Augenblicken das Tor seines Zauberschlosses geöffnet und
wieder geschlossen hatte.
»Oho!«, rief er aus, »was, bei allen geschwänzten Teufeln,
bedeutet das? Jemand, den ich nicht sehen kann, hat sich Zutritt
zu meinem Schloss verschafft! Aber wer ist es? Und wie, beim
leibhaftigen Satan und seiner Großmutter, hat er das fertig
gebracht?«
Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern nach
seinem Zauberstab.
»Wer es auch immer sei«, rief er zornig. »Ich werde ihn
finden und grässlich für seinen Vorwitz bestrafen! Potz
Schwefel und Marter und Höllenfeuer, das schwöre ich!«
Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rannte der große
Zauberer die Wendeltreppe hinunter ins Erdgeschoss.
Unterdessen war Kasperl schon in den Keller hinabgeeilt und
lief durch den finsteren Gang zu dem Unkenpfuhl. Diesmal
hatte er keine Laterne mit, aber da er das Feenkraut in der Hand
hielt, konnte er sie entbehren: Er sah in der Finsternis wie mit
Katzenaugen.
Die erste Tür – nun die zweite – und jetzt die dritte . . .
»Da bin ich, ich habe es! Sage mir, was ich tun soll!«
»Reich mir die Hand herunter und hilf mir hinauf!«
Kasperl legte sich auf den Boden und streckte der Unke im
Unkenpfuhl seine rechte Hand hin, die Hand mit dem
Feenkraut.
»Nein, die andere!«, quakte die Unke. »Du musst mir zuvor
aus dem Wasser helfen!«
Draußen, am Kellereingang, erscholl nun die laute, zornige
Stimme des Zauberers Zwackelmann. Er hatte bemerkt, dass
die Kellertür offen stand. Da war ihm ein fürchterlicher
Verdacht gekommen. Fluchend und wetternd kam er die
Treppe herabgepoltert. In wenigen Augenblicken musste er
hier sein.
»Mach schnell!«, rief die Unke.
Kasperl packte sie mit der linken Hand und setzte sie neben
sich auf den Fußboden. Mittlerweile war Zwackelmann immer
näher herangekommen. Er brüllte und tobte, dass das Gewölbe
erdröhnte.
»Schnell!«, rief die Unke, »berühre mich mit dem
Feenkraut!«
Kasperl gehorchte.
Im gleichen Augenblick stürmte der große und böse
Zauberer Petrosilius Zwackelmann durch die letzte Tür. Aber
plötzlich erstarrte er und verstummte.

Und wenn große Zauberer erstarren und verstummen, dann


holt sie bald der . . .

Auch Kasper! erschrak – aber nicht vor dem Anblick des


bösen Zauberers! Er erschrak vor dem großen Licht, das den
Keller erfüllte. Es blendete ihn und er musste die Augen
schließen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass neben ihm
eine schöne Frau stand.
Sie leuchtete wie die Sonne. Alles an ihr, das Gesicht und
die Hände, ihr Haar und das lange goldene Kleid war so schön,
dass es nicht zu beschreiben ist.
»Oh!«, dachte Kasperl, »ich glaube, ich werde blind, wenn
ich länger hinsehe . . .«
Aber wegschauen? Wegschauen konnte er auch nicht. So
schaute er vorsichtshalber bloß noch mit einem Auge, das
andere kniff er zu.
Petrosilius Zwackelmann stand wie vom Donner gerührt an
der Kellerwand. Er war käsebleich im Gesicht, seine Knie
schlotterten, dicke Schweißtropfen rannen ihm über die Stirn.
Er versuchte zu sprechen, aber er konnte nicht. Er war so
verdattert, dass ihm sogar der Zauberstab aus der Hand glitt.
Der Zauberstab fiel zu Boden. Die Fee Amaryllis versetzte
ihm mit der Fußspitze einen leichten Stoß. Da kam er ins
Rollen und plumpste mit einem Klatsch in den Unkenpfuhl.
Jetzt endlich ermannte sich Petrosilius Zwackelmann.
»Hol dich der Teufel!«, schrie er.
Er tat einen Satz, wollte zupacken und den Zauberstab
festhalten. Doch zu spät! Seine Finger griffen ins Leere, er
stolperte, überschlug sich – und bevor ihm die Fee Amaryllis
und Kasperl beispringen konnten, stürzte er in die Tiefe. – Ein
grässlicher letzter Schrei! Dann verschlang ihn der Abgrund
und gurgelnd und brodelnd schlugen die schwarzen Wasser des
Unkenpfuhls über ihm zusammen.
Die Dame ist eine Fee

Seppel hatte die halbe Nacht lang Kartoffeln geschält und es


hatte ihn schreckliche Mühe gekostet dabei nicht einzunicken.
Die Angst vor dem großen Zauberer Zwackelmann hatte ihn
wach gehalten. Erst als die letzte Kartoffel geschält und
zerschnippelt war, ließ er sich auf dem Küchenhocker einfach
nach vorn kippen und schlief ein.
Er schlief mit dem Kopf auf der Tischkante, aber im Traum
ging die Arbeit weiter: Vor ihm lag ein Riesenberg von
Kartoffeln; er schälte und schälte und konnte kein Ende finden;
der Berg nahm nicht ab, er wurde im Gegenteil immer breiter
und höher; schließlich trat Zwackelmann in die Schlossküche;
als er sah, dass der arme Seppel noch immer am Schälen war,
fing er zu schimpfen an; er brüllte und tobte so schrecklich,
dass Seppel vom Hocker purzelte und – aufwachte.
Da saß er nun auf dem Fußboden in der Küche und rieb sich
die Augen. Er sah, dass der Morgen gekommen war und es
wurde ihm klar, dass er bloß geträumt hatte. Aber dass
Zwackelmann fürchterlich tobte und wetterte, hatte ihm nicht
geträumt, das war echt! Von seinem Gebrüll widerhallte das
ganze Zauberschloss.
Auch der Gimpel im Vogelkäfig war wach geworden. Er
flatterte auf und nieder und zwitscherte Seppel die Ohren voll.
»Halt den Schnabel!«, rief Seppel.
Er lief an die Küchentür, um zu lauschen. Was mochte dem
großen Zauberer über die Leber gelaufen sein, dass er ein
solches Geschrei machte?
Aber mit einem Schlag hörte Zwackelmann auf damit. Eine
Zeit lang blieb alles still draußen, totenstill. Dann erschallte die
Stimme des großen Zauberers abermals: diesmal besonders
zornig, aber für wenige Augenblicke nur.
»Was er bloß hat?«, dachte Seppel.
Er griff nach der Türklinke, öffnete, trat auf den Flur hinaus.
Niemand zu sehen und nichts zu hören . . .
Doch halt! – auf der Kellertreppe ein Lichtschein und
Schritte. Dort kam jemand heraufgestiegen. Aber das war nicht
der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann – das war
Kasperl!
Seppel stieß einen lauten Juchzer aus. Dann lief er mit
ausgebreiteten Armen auf Kasperl zu.
»Kasperl!«
In seiner Freude hätte er Kasperl am liebsten zu Mus
gequetscht.
»Seppel!«, rief Kasperl. »Ich denke, du bist in der
Räuberhöhle! Was tust du hier?«
»Ich?«, sagte Seppel. »Ich habe Kartoffeln geschält und jetzt
freu ich mich wie ein Schneekönig! – Aber sag mal . . .«
Erst jetzt hatte Seppel die Fee Amaryllis bemerkt. Sie war
hinter Kasperl die Kellertreppe heraufgekommen und Seppel
riss Mund und Augen auf, als er sie sah.
»Wer ist denn die Dame?«, fragte er.
»Die Dame ist eine Fee«, sagte Kasperl, »die Fee
Amaryllis.«
»Was für ein schöner Name, er passt zu ihr!«
»Findest du?«, meinte die Fee Amaryllis und lächelte.
»Aber wer bist denn du?«
»Der?«, sagte Kasperl, weil Seppel vor lauter Staunen nicht
Zeit fand, ihr gleich zu antworten, »das ist mein Freund Seppel.
Der beste Freund auf der ganzen Welt. Aber wie er auf einmal
hierher kommt, das weiß ich selbst nicht, er muss es mir erst
erzählen. Schieß los, Seppel! – Also . . .?«
Die Fee Amaryllis kam Seppel jedoch zuvor.
»Er mag es dir draußen erzählen«, sagte sie. »Kommt jetzt
mit mir ins Freie. Da Zwackelmann tot ist, soll auch sein
Schloss nicht länger bestehen bleiben. Ich werde es . . .«
»Was?«, fragte Kasperl.
»Das sollt ihr gleich sehen.«
Die Fee Amaryllis nahm Kasperl an der einen Hand und
Seppel an der anderen. Sie wollte die beiden Freunde
hinausführen, aber Seppel machte sich von ihr los.
»Augenblick noch, ich muss etwas holen!«
Er lief in die Küche und holte den Vogelkäfig.
»Nanu?«, meinte Kasperl, als Seppel zu ihnen zurückkam,
»ein Piepmatz?«
»Jawohl«, sagte Seppel schmunzelnd, »ein Gimpel – aber
ein ganz besonderer.«
Nun folgten die beiden der Fee Amaryllis hinaus vor das
Schlosstor. Dort hieß sie die Fee ein Stück weiter gehen, bis an
den Waldrand. Sie selbst aber blieb zurück und als Kasperl und
Seppel den Waldrand erreicht hatten, wandte sie sich dem
Schloss zu und hob die Hand. Da stürzte das graue Gemäuer
lautlos in sich zusammen und nichts blieb von Zwackelmanns
Zauberschloss übrig als ein Haufen geborstener Mauersteine
und Dachziegel, und darunter begraben der Unkenpfuhl.
Die Fee Amaryllis ließ rings um den Schutthaufen eine
Dornenhecke emporwachsen. Dann kehrte sie ihr den Rücken
und kam auf die beiden Freunde zu. Sie ging nicht: Sie
schwebte. Und wo sie vorüberschwebte, da neigten sich Laub
und Gras.
»Ich schulde dir großen Dank, Kasperl«, sagte sie. »Sei
gewiss, dass ich niemals vergessen werde, was du an mir getan
hast.«
Sie zog einen schmalen Goldreif von ihrem Finger.
»Nimm diesen Ring und behalte ihn!«, sprach sie. »Doch
wisse, es ist ein Wunschring. Drei Wünsche stehen dir frei.
Wie auch immer sie lauten mögen: Wenn du sie aussprichst
und drehst ihn, erfüllt er sie dir. Und nun gib mir die Hand,
Kasperl!«
Kasperl ließ sich den Ring an den Finger stecken und dankte
der Fee Amaryllis. Aber die Fee Amaryllis entgegnete, wenn
hier jemand zu danken habe, dann sie.
»Ich kehre nun heim in das Feenreich«, fuhr sie fort.
»Darum ade, ihr beiden, lebt wohl und kommt gut nach Hause!
Ich wünsche euch Glück und Gesundheit und frohen Mut,
heute und morgen und immerdar!«
Damit entschwebte sie. Kasperl und Seppel winkten ihr mit
den Schnupftüchern nach. Im Davonschweben wurde sie rasch
immer lichter und luftiger, bis sie sich schließlich ganz auflöste
und verschwand.
Der Wunschring

Kasperl und Seppel brauchten eine ganze Weile, bis sie


imstande waren etwas zu sagen; dann aber fingen beide im
gleichen Augenblick zu erzählen an. Sie redeten eine Zeit lang
laut aufeinander ein: Kasperl auf Seppel und Seppel auf
Kasperl. Jeder erzählte von seinen Erlebnissen, keiner verstand
den anderen. Da wurde es Kasperl zu bunt, er hielt Seppel den
Mund zu.
»Halt, aufhören!«, rief er, »so geht das nicht, es darf immer
nur einer reden!«
»Gut«, sagte Seppel, »wir zählen es an den Knöpfen ab –
einverstanden?«
Nun zählten sie beide, jeder an seinen Rockknöpfen: »Ich –
du – ich . . .«
Der Zufall wollte es aber, dass jeder von ihnen fünf Knöpfe
an seinem Rock hatte. »Ich!«, sagte Seppel beim fünften Knopf
und schon legte er wieder von neuem los. Aber auch Kasperl
hatte beim fünften Knopf »Ich!« gesagt, und so kam es, dass
wiederum beide gleichzeitig redeten.
»Weißt du was?«, meinte Seppel, nachdem sie gemerkt
hatten, dass da etwas nicht stimmen konnte, »wir müssen es
anders machen. Versuchen wir's einmal mit einem Abzählreim
– du wirst sehen, dann klappt es!«
Mit wichtiger Miene spuckte er dreimal auf seinen
Zeigefinger. Abwechselnd Kasperl und sich auf den Bauch
tippend, zählte er:

»Am – dam – dess,


Ene – bene – bess,
Ene – bene – butterwackel,
Am – dam – dess!«
Der dreimal bespuckte Zeigefinger entschied für Kasperl,
die Sache war damit klar. »Also, gib Acht, Seppel . . .«
Kasperl erzählte des Langen und Breiten von seinen
Abenteuern, er redete wie ein Wasserfall.
Seppel bekam vom Zuhören feuerrote Ohren und fing zu
schwitzen an. Vor Aufregung wagte er kaum zu schnaufen. Als
Kasperl von Zwackelmanns traurigem Ende berichtete, schlug
er die Hände über dem Kopf zusammen.
»Mensch, Kasperl!«, rief er. »Das hätte ich ahnen sollen!«
»Wieso?«, fragte Kasperl.
»Weil ich dann ganz gewiss nicht die halbe Nacht lang für
ihn Kartoffeln geschält hätte!«
Nun erzählte auch Seppel. Er schilderte Kasperl, wie
schlecht es ihm in der Räuberhöhle ergangen war – und dass
Hotzenplotz seine Kasperlmütze verbrannt habe.
»Wie? Meine schöne Mütze?«, rief Kasperl empört. »Jetzt
schlägt's aber dreizehn! Der Räuber Hotzenplotz muss hinter
Schloss und Riegel, der Haderlump!«
Seppel fand, dass der Augenblick günstig war.
»Tröste dich«, sagte er seelenruhig, »er sitzt schon.«
»Er – sitzt . . .?«, fragte Kasperl.
»Als Gimpel in diesem Vogelkäfig. – Ja, Kasperl, da staunst
du wohl ? Aber lass dir erzählen, wie es dazu gekommen ist . .

Seppel fuhr fort zu berichten, und als er mit seiner
Geschichte zu Ende war, schwitzte auch Kasperl.
»Was für ein Glück, dass nun alles in Butter ist!«, rief er
aus. »Und was nun?«
»Nun mit dem Gimpel zu Wachtmeister Dimpfelmoser –
und dann nach Hause!«
Vergnügt schwenkte Seppel den Vogelkäfig und wollte
aufbrechen. Aber Kasperl blieb stehen und rührte sich nicht
von der Stelle.
»Erst brauche ich eine neue Zipfelmütze!«, erklärte er.
»Woher willst du die nehmen?«
»Wir haben ja einen Wunschring, vergiss das nicht!«
Kasperl drehte den Wunschring und sagte:
»Ich wünsche mir eine neue Zipfelmütze – genau wie die
alte war!«
Der Wunsch war kaum ausgesprochen, da wurde er schon
erfüllt:
Eins-zwei saß die neue Zipfelmütze auf Kasperls Kopf. Sie
glich seiner alten Mütze wie ein Ei dem anderen.

Da sieht man wie nützlich es sein kann, wenn man sich gut mit
Feen versteht

»Großartig!«, sagte Seppel. »Wenn ich nicht selber gesehen


hätte, dass Hotzenplotz deine alte Mütze ins Feuer geworfen
hat, würde ich niemals glauben, dass dies eine neue ist! – Doch
nun komm endlich!«
»Ja«, sagte Kasperl, »nun komme ich!«
Sie nahmen den Vogelkäfig zwischen sich und ein lustiges
Lied um das andere pfeifend marschierten sie heimwärts.
»Ich freue mich!«, sagte Kasperl nach einer Weile.
»Ich auch!«, sagte Seppel. »Und Großmutter wird sich auch
freuen!«
»Großmutter?« Kasperl hielt plötzlich an. »Ach du liebe
Zeit, Seppel!«
»Was hast du denn? Warum gehst du nicht weiter?«
»Mir ist etwas eingefallen! Wir hätten das Allerwichtigste
fast vergessen!«
»Das Allerwichtigste?«
»Ja«, sagte Kasperl, »Großmutters Kaffeemühle!«
»Herrje!«, stöhnte Seppel und fasste sich an den Kopf, »du
hast Recht, Kasperl! Großmutters Kaffeemühle muss her, da
hilft alles nichts! Also kehrt – und zurück in die Räuberhöhle!«
»Ach wo!«, meinte Kasperl, »das machen wir einfacher!«
Er drehte zum zweiten Mal seinen Wunschring und sagte:
»Ich wünsche mir Großmutters Kaffeemühle herbei!«
Es gab einen Plumps – und schon lag sie zu seinen Füßen im
Gras.
»Donnerwetter!«, rief Seppel, »das ist aber fix gegangen!
Ob sie auch keinen Schaden genommen hat?«
Er hob die Kaffeemühle auf und probierte sie aus.
Die Kaffeemühle war in Ordnung: Sobald man die Kurbel
drehte, spielte sie »Alles neu macht der Mai . . .« Doch, o
Wunder – sie spielte es zweistimmig!
»Zweistimmig!«, staunte Seppel, »wie schön! Da wird
Großmutter aber horchen . . . – Wie das nur möglich ist?
Kannst du dir das erklären?«
Auch Kasperl fand die Geschichte sehr merkwürdig.
»Ob da die Fee Amaryllis dahinter steckt?«, meinte er.
»Klar!«, sagte Seppel, »natürlich! Sie wollte uns eine
Freude machen damit, uns und Großmutter! Aber was tun wir
nun mit dem dritten Wunsch?«
»Kannst du dir das nicht denken?«, entgegnete Kasperl. »Ich
weiß es schon!«
Wachtmeister Dimpfelmoser
erlebt einen großen Tag

Großmutter war in schrecklicher Sorge. Sie konnte sich


nicht erklären, wo Kasperl und Seppel so lange steckten.
Schon gestern war Großmutter dreimal zur Polizei gelaufen
und hatte mit Wachtmeister Dimpfelmoser gesprochen. Auch
heute versuchte sie wieder ihr Glück bei ihm. Hoffentlich hatte
er endlich eine gute Nachricht für sie!
»Haben Sie etwas von Kasperl und Seppel erfahren können,
Herr Wachtmeister?«, fragte sie.
»Leider nein«, sagte Wachtmeister Dimpfelmoser, der hinter
dem Schreibtisch saß und gerade frühstückte.
»Nein?«, fragte die Großmutter und begann zu weinen.
»Nein«, wiederholte der Wachtmeister. »Tut mir Leid, dass
ich Ihnen nichts anderes sagen kann, Großmutter. Von den
beiden fehlt jede Spur.«
»Wirklich jede?«
Der Wachtmeister zuckte die Achseln.
»Das Einzige, was wir von ihnen gefunden haben, ist dieser
Handwagen dort in der Ecke. Sie kennen ihn?«
»Ja«, schluchzte Großmutter. »Kasperl und Seppel sind
vorgestern früh damit losgezogen. Wo haben Sie ihn
gefunden?«
»Er lag mit den Rädern nach oben am Waldrand im
Straßengraben, wir haben ihn sichergestellt.«
»Und was nun?«, fragte Großmutter.
»Tja – was nun?«, brummte Wachtmeister Dimpfelmoser.
Er legte die Stirn in Falten und dachte nach. Dann haute er
plötzlich mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte, dass
das Frühstücksgeschirr nur so schepperte.
»Großmutter!«, rief er, »mir ist ein Gedanke gekommen!
Wissen Sie, was wir machen? Wir lassen die beiden durch den
Gemeindediener öffentlich ausrufen!«
»Glauben Sie, dass das hilft?«
»Das bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall kann es nicht
schaden.«
Wachtmeister Dimpfelmoser packte sein Frühstück weg. Er
zog einen großen Bogen Kanzleipapier aus der
Schreibtischschublade, tunkte die Feder ins Tintenfass und
begann zu schreiben:

Öffentliche Bekanntmachung!
Gesucht werden Kasperl und Sepperl.
Besondere Kennzeichen:
rote Kasperlmütze und grüner Seppelhut.

An alle Personen, die in der Lage sind, zweckdienliche


Mitteilungen zu machen, ergeht hiermit die

polizeiliche Aufforderung

sich unverzüglich auf der hiesigen Polizeiwache einzufinden.


Sämtliche Aussagen werden auf Wunsch vertraulich behandelt.

»So«, meinte Wachtmeister Dimpfelmoser zufrieden, »fehlt


nur noch die Unterschrift . . .«
Schwungvoll wie immer wollte er seinen Namen unter das
Schriftstück setzen – aber es wurde ein dicker Klecks daraus.
Denn gerade in diesem wichtigen Augenblick flog die Tür auf
und herein stürmten Kasperl und Seppel!
»Hach!«, machte Großmutter und es fehlte nicht viel, dass
sie wieder in Ohnmacht gefallen wäre, diesmal vor Freude.
»Grüß Gott!«, sagten Kasperl und Seppel, »da wären wir.«
Großmutter schloss sie in beide Arme, sie lachte und weinte
gleichzeitig.
»Dass ihr nur wieder da seid! Ich hatte entsetzliche Angst
um euch! Aber seid ihr's auch wirklich? Ich kann es noch gar
nicht glauben! Was sagen Sie bloß zu der Überraschung, Herr
Wachtmeister?«
Wachtmeister Dimpfelmoser war hinter dem Schreibtisch
hervorgekommen und machte ein strenges Amtsgesicht.
»Ich muss sagen, es reicht mir! Nun habe ich ganz umsonst
einen Bogen Kanzleipapier voll geschrieben! Konntet ihr nicht
eine Weile früher kommen?«
»Das war leider nicht möglich, Herr Wachtmeister«, sagte
Kasperl. »Aber wir haben Ihnen dafür etwas mitgebracht, was
Sie freuen wird . . .«
»So?«, fragte Wachtmeister Dimpfelmoser.
»Jawohl«, sagte Kasperl, »den Räuber Hotzenplotz!«
»Sapperlot!«, rief der Wachtmeister überrascht. »Und wo
habt ihr ihn?«
»Hier!«, sagte Kasperl.
Er trat an den Schreibtisch und stellte den Vogelkäfig
darauf. Aber Wachtmeister Dimpfelmoser bekam einen
Wutanfall.
»Was?«, schrie er, »wie? Wofür hältst du mich eigentlich?
Glaubst du, ich lasse mir das gefallen? Ich bin eine
Amtsperson! Mach deine blöden Späße mit wem du magst,
aber nicht mit mir! Wer sich über mich lustig macht, kommt
ins Loch!«
»Sachte, sachte, Herr Wachtmeister«, sagte Kasperl und
drehte den Wunschring.
»Ich wünsche mir, dass aus dem Gimpel im Vogelkäfig
wieder der Räuber Hotzenplotz wird!«
Augenblicklich erfüllte sich auch der dritte und letzte
Wunsch. Wo der Gimpel gesessen hatte, stand nun der Räuber
Hotzenplotz. Er stand mitten auf Wachtmeister Dimpfelmosers
Schreibtisch. In Hausrock und Strumpfsocken stand er da und
sein Kopf steckte bis an die Schultern im Vogelkäfig.
»He, Sie!«, schimpfte Wachtmeister Dimpfelmoser,
»herunter von meinem Schreibtisch! Was fällt Ihnen ein, da
hinaufzusteigen! Wo kommen Sie plötzlich her – und wer sind
Sie denn?«
»Aber, aber, Herr Wachtmeister!«, sagte Kasperl, »das ist
doch der Räuber Hotzenplotz! Wollen Sie ihn nicht
festnehmen?«
Wachtmeister Dimpfelmoser verstand überhaupt nichts
mehr.
»Dies soll der Räuber Hotzenplotz sein?«, rief er. »Unsinn!
Ein Räuber in Strumpfsocken!«
»Doch!«, sagte Großmutter, »ich erkenne ihn wieder, er ist
es wirklich! Sie müssen ihn –«
Aber der Räuber Hotzenplotz unterbrach sie mit einem
wilden Schrei: »Aus dem Weg da!«
Dann sprang er vom Schreibtisch und rannte an
Wachtmeister Dimpfelmoser vorbei zum Fenster. Er stürzte
sich Hals über Kopf durch die Scheibe und wollte das Weite
suchen. Doch Seppel erwischte ihn bei den Füßen und Kasperl,
nicht faul, ließ den eisernen Rolladen niedersausen. Ratsch!,
war der Räuber Hotzenplotz festgeklemmt.
Er zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Seppel, gib Acht, dass er keine Sperenzchen macht!«, sagte
Kasper! und lief mit Wachtmeister Dimpfelmoser hinaus in den
Vorgarten.
Hotzenplotz hing mit dem Kopf und dem Oberkörper im
Freien. Er ruderte mit den Armen wie in der Schwimmschule.
»Hilfe! Es drückt mir die Luft ab, ich kann nicht mehr!«,
japste er. »Wie lang soll ich da hängen bleiben?«
»Das kommt darauf an«, meinte Kasperl. »Wenn du brav
stillhältst, ist es im Nu vorbei.«
»Also gut!«, keuchte Hotzenplotz, der nun einsah, dass
nichts mehr zu machen war.
Er ließ sich von Wachtmeister Dimpfelmoser die Hände mit
einem Strick auf den Rücken binden und tat keinen Mucks
dabei. Dann hob Seppel den Laden ein wenig an. Wachtmeister
Dimpfelmoser und Kasperl zerrten den Räuber Hotzenplotz aus
dem Fenster. Schwer wie ein Sack Kartoffeln plumpste der alte
Bösewicht in den Vorgarten.
»So«, brummte Wachtmeister Dimpfelmoser zufrieden,
»dich hätten wir! Aber nun ab durch die Mitte, dass du auf
Nummer sicher kommst!«
Mühsam erhob sich der Räuber Hotzenplotz.
»Könnten Sie mir den Käfig nicht abnehmen?«, fragte er.
»Nein«, sagte Wachtmeister Dimpfelmoser, »der Käfig
bleibt drauf!«
Er zog seinen Säbel blank. Doch bevor er mit Hotzenplotz
losmarschierte, bedankte er sich geschwind noch bei Kasperl
und Seppel für ihre Hilfe.
»Ich will dafür sorgen«, schloss Wachtmeister
Dimpfelmoser, »dass ihr gleich morgen von unserm Herrn
Bürgermeister eine Belohnung bekommt. Dann müsst ihr mir
auch erzählen, wie alles gekommen ist. Ich möchte das
selbstverständlich zu Protokoll nehmen, klar? Bis dahin – auf
Wiedersehen!«
Wachtmeister Dimpfelmoser führte den Räuber Hotzenplotz
dreimal am Strick durch die ganze Stadt. Die Leute kamen aus
ihren Häusern gelaufen und staunten. Sie freuten sich, dass der
Räuber endlich gefangen war.
»Was geschieht nun mit ihm?«, wollten alle wissen.
»Fürs Erste kommt er im Spritzenhaus hinter Schloss und
Riegel«, sagte der Wachtmeister.
»Und fürs Zweite?«
»Fürs Zweite wird man ihm den Prozess machen.«
Kaffee und Kuchen

Kasperl und Seppel saßen in Großmutters guter Stube und


strahlten. Wie gut, dass sie endlich wieder daheim waren!
Nicht zu fassen, dass nur drei Tage dazwischenlagen, seit sie
das letzte Mal hier beisammengesessen hatten!
Großmutter strahlte auch. Sie deckte geschwind den
Kaffeetisch, dann lief sie hinaus in die Speisekammer und
brachte ein großes Blech mit Pflaumenkuchen
hereingeschleppt. Auch eine Schüssel voll Schlagsahne stellte
sie auf den Tisch.
»Aber Großmutter!«, staunte Kasperl, »ist heute denn
Sonntag?«
»Gewiss!«, sagte Großmutter, »heute ist Sonntag bei uns,
wenn auch anderswo Mittwoch ist!«
Sie trat an den Spiegel und rückte an ihrem Häubchen, dann
eilte sie zu der Tür.
»Du willst weg?«, fragte Kasperl.
»Ach, bloß zu Frau Meier hinüber, ich leihe mir ihre
Kaffeemühle. Ohne Kaffeemühle geht es nicht . . .«
»Nein«, sagte Kasperl und schmunzelte, »ohne Kaffeemühle
geht es wirklich nicht. – Bitte sehr!«
Er zog die Kaffeemühle unter dem Rock hervor, stellte sie
auf den Tisch und war mächtig gespannt, was Großmutter
sagen würde.
Großmutter sagte zunächst überhaupt nichts. Sie nahm die
Kaffeemühle in die Hand und begann zu kurbeln. Und die
Kaffeemühle spielte zweistimmig »Alles neu macht der Mai . .

Kasperl und Seppel verhielten sich mäuschenstill.
»Oh!«, sagte Großmutter endlich, »wie schön! Wisst ihr,
wie ich mir vorkomme?«
»Wie denn?«
»Wie wenn ich Geburtstag hätte – und Weihnachten wäre
außerdem! Doch nun will ich Kaffee kochen . . .«
Großmutter kochte den stärksten Kaffee ihres Lebens. Als
die Kaffeekanne auf dem Tisch stand und alle Tassen gefüllt
waren, mussten Kasperl und Seppel erzählen.
»Haarsträubend!«, sagte Großmutter kopfschüttelnd, immer
wieder nur: »Haarsträubend!«
Zwischendurch nippte sie dann und wann an ihrer
Kaffeetasse. Kasperl und Seppel aßen Pflaumenkuchen mit
Schlagsahne, bis sie Bauchweh bekamen, und sie waren so
glücklich, dass sie mit keinem Menschen getauscht hätten,
selbst mit dem Kaiser von Konstantinopel nicht.
Manchmal werde ich gefragt:
Warum schreiben Sie eigentlich
Kinderbücher, Herr Preußler?
Dann antworte ich ganz einfach:
Weil es mit Spaß macht.
Und genau soviel Spaß, liebe
Kinder, wie ich beim Schreiben
habe, wünsche ich euch beim
Lesen!

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