BRZ BZL Rheinwiesenlager Nr.63 Web
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T T LAND
ER
Nr. 63
Kriegsgefangenschaft in den
Rheinwiesenlagern (1945 bis 1948)
In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs im Mrz, April und Mai 1945 gerieten Millionen deutscher Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Die alliierten Streitkrfte
waren auf eine solch groe Zahl von Kriegsgefangenen in einer so kurzen Zeitspanne
nicht ausreichend vorbereitet. Daher wurden
die Soldaten sowie uniformierte oder verdchtige Zivilisten zunchst in proviso-
Soldaten, der DPs und der deutschen Zivilisten gesichert werden den Kriegsgefangenen
konnten und wollten die US-Truppen keine
Sonderrechte einrumen.
Die gescheiterte deutsche Ardennenoffensive,
die berquerung des Rheins bei Remagen
durch amerikanische Streitkrfte am 7. Mrz
1945 und die Kapitulation im sogenannten
Ruhrkessel lieen die Zahl der deutschen Soldaten in westalliierter Kriegsgefangenschaft
explosionsartig ansteigen. Alleine bei der
Kapitulation im Ruhrgebiet gerieten Mitte
April 1945 ca. 325.000 deutsche Soldaten in
Gefangenschaft. Als Deutschland schlielich
im Mai 1945 kapitulierte, wuchs diese Zahl
weiter: Whrend zu Beginn des Jahres 1945
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NordrheinWestfalen
Belgien
Hessen
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RheinlandPfalz
Luxemburg
Saarland
Frankreich
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1617
1918
BadenWrttemberg
Gefangenenstruktur
In den Rheinwiesenlagern wurden vorwiegend
deutsche Soldaten aus der Wehrmacht und
der Waffen-SS gefangen gehalten. Ehemalige
militrische Kampfeinheiten oder Gruppen,
die gemeinsam in ein Lager gebracht worden
waren, wurden zumeist aufgeteilt und getrennt untergebracht. Die deutschen Offiziere
wurden ebenfalls von den gewhnlichen
Soldaten separiert und waren besser gestellt,
so erhielten sie beispielsweise Zelte, was
den Vorgaben der Genfer Konventionen entsprach. Viele der Gefangenen waren durch die
Rckzugsgefechte, die schlechte Versorgung
US-amerikanisches Flugblatt
Quelle: Christiane Weber.
Zeichnung Wilhelm Gtting, Bad Kreuznach, Bretzenheim April 1945, VG Bild-Kunst, Bonn 2014,
Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim.
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Alltag im Lager
Die meisten Kriegsgefangenen abgesehen
von jenen mit Funktionen innerhalb des Lagers mussten nicht arbeiten. Nur vereinzelt
wurden Arbeitstransporte zu auswrtigen
Einsatzorten zusammengestellt, die das Lager
tagsber verlieen. So war der Alltag meist
von Langeweile und Eintnigkeit bestimmt.
Um dem Abhilfe zu schaffen, entwickelten
die Kriegsgefangenen schnell ein improvisiertes Freizeitangebot. So wird beispielsweise
berichtet, dass Theaterstcke aus dem Gedchtnis vorgetragen wurden und ein Opernsnger fr seine Mitgefangenen sang. War es
einem Gefangenen gelungen, ein Buch in das
Lager zu schmuggeln, wurde daraus vorgelesen, oder man lauschte den Berichten und
Erzhlungen Einzelner ber die verschiedensten Themen. Die Gefangenen organisierten
sich immer mehr, so bastelten sie sich in
manchen Lagern Schachbretter und -figuren
oder auch Spielkarten. Religise Gefangene
nahmen an evangelischen oder katholischen
Gottesdiensten teil und es gab Beichtgelegenheiten sowie Bibelstunden.
Hierbei stand das Mutmachen auf eine baldige
Zukunft auerhalb der Lager im Vordergrund.
Andere vertrieben sich die Zeit beim Lesen,
Zeichnen, Schreiben oder mit Sport, wenn dies
ihr Zustand erlaubte. Je lnger die Lager bestanden, desto mehr bildeten sich auch Chre
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Lebensbedingungen im
Kriegsgefangenenlager Bretzenheim
Alle Gefangenen in Bretzenheim litten wie
in den anderen Rheinwiesenlagern unter den
katastrophalen Bedingungen. Krperlich und
seelisch erschpft versuchten sie, die Zeit zu
berstehen. Die Versorgung mit Lebensmitteln
war nicht ausreichend, erst Mitte Mai wurde
zum Beispiel das erste Brot in Bretzenheim ausgegeben. Die Internierten wurden krank, da sie
unter freiem Himmel schutzlos der Witterung
ausgesetzt waren. Als Toiletten standen ihnen
nur Gruben (Latrinengrben) zur Verfgung.
Wasser zum Trinken und Waschen erhielten sie
in den ersten Wochen mit einem Tankwagen
aus den nahen Flssen, nachdem es stark gechlort worden war.
Die Gefangenen mussten lange anstehen, um
ihren Durst stillen zu knnen. Besonders in den
heien Sommermonaten war dies eine Qual.
Offiziell herrschte
Postsperre, die in
Bretzenheim allerdings durch den
Briefschmuggel eines
ortansssigen Bauern
gelegentlich umgangen wurde. Der Mann durfte in das Lager
kommen, um Gras fr seine Tiere zu mhen,
und nahm dabei Schreiben der Gefangenen
an. Generell gab es in Bretzenheim offenbar
mehr Kontakt zu der Bevlkerung in der nahen
Umgebung als in anderen, strenger abgeriegelten Lagern. So sind auch weitere Interaktionen mit Bauern an den Lagergrenzen belegt.
Offenbar versuchten unter anderem auch
Familienangehrige der Gefangenen, als Landarbeiter verkleidet, mit ihren Ehemnnern,
Shnen oder Brdern zu sprechen. Bereits
auf dem Fumarsch vom Bahnhof zum Lager
versuchten die Bewohner der umliegenden
Drfer zudem, den Gefangenen Lebensmittel
zuzustecken, obwohl das von amerikanischen
Soldaten unterbunden wurde und von offizieller Seite sogar verboten war. Fr den 6. Mai
1945 berichten dennoch ehemalige Gefangene
etwa von einer Art Vlkerwanderung, bei der
zahlreiche Brger aus der Umgebung Lebens-
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Entscheidung hin wieder in ihre Heimat zurckkehren. Die meisten der arbeitsfhigen
Mnner wurden aber von Bretzenheim aus
nach Frankreich zu Reparationsarbeiten geschickt. Einige hatten sich auch fr die Fremdenlegion gemeldet, die in Bretzenheim ein
Werbungsbro unterhielt. So sank die Zahl
der Gefangenen immer weiter und die franzsische Leitung konnte das Lager von ehemals
ber 20 Cages auf neun verkleinern. Flchen,
die nicht mehr bentigt wurden, konnten an
die Bauern zurckgegeben werden.
Nach der bergabe an die franzsische Militrverwaltung wurde das Lager ausgebaut:
Sanitre Anlagen wurden eingerichtet und
weitere Feldkchen organisiert. Alle Gefangenen erhielten bis Ende September 1945 Zelte
und ab November 1945 wurden Baracken
aufgestellt. Desweiteren entstanden eine Kapelle, ein Versammlungsraum, ein Sportplatz
und ein Schwimmbecken, das 1947 gebaut
wurde. Eine Lagernormalitt setzte langsam
ein, was sich auch am Ausbau des Bildungsangebots in Bretzenheim zeigte. Unterrichtsgruppen wurden gegrndet, die Fortbildungsmglichkeiten in den verschiedensten
Ausgebaute Baracke im Lager Bretzenheim, nach 1946,
Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim.
Bretzenheim als
franzsisches Durchgangslager
Am 10. Juli 1945 bernahmen die franzsischen Streitkrfte die Fhrung des Lagers
und benannten es in Dpt de transit No. 1
(Durchgangslanger Nr. 1) um. Die Amerikaner
bergaben das Lager Bretzenheim und die zu
diesem Zeitpunkt 17.200 Gefangenen zusammen mit den Lagern Sinzig, Siershahn, Andernach, Dietersheim, Koblenz, Hechtsheim und
Diez an die Franzosen. Zahlreiche Gefangene
waren bereits in zwei groen Wellen von der
amerikanischen Lagerverwaltung entlassen
oder in andere Lager verlegt worden; weitere
folgten auf Befehl der franzsischen Lagerleitung. Besonders Jugendliche, Frauen, Alte und
Kriegsversehrte konnten so auf franzsische
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Fr die Versorgung der Kranken und Verletzten der Lager wurden zwei Krankenhuser in
Remagen sowie Linz wieder hergerichtet und
im nahen Kripp wurde in der dortigen Lederfabrik eine Behandlungssttte eingerichtet.
Dort und in den Krankenrevieren in beiden
Lagerteilen bestehend aus mehreren groen
Zelten arbeiteten insgesamt 120 deutsche
rzte und 750 deutsche Sanitter. Man hatte
sie ausgewhlt, da das amerikanische FieldHospital die medizinische Versorgung der
Lager nicht gewhrleisten konnte. Trotz dieser
Bemhungen starben etwa 1200 Menschen
in den Lagern Remagen und Sinzig, was einer
Sterblichkeitsrate von ca. 0,5 Prozent ent-
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Besuchen Sie auch die ausfhrlichere Homepage zu den Rheinwiesenlagern der Landeszentrale fr politische Bildung RheinlandPfalz unter www.rheinwiesen-lager.de.
Gedankt wird dem Dokumentationszentrum Kriegsgefangenenlager Bretzenheim sowie den Regionalhistorikern mit Schwerpunkt Rheinwiesenlager in Remagen
und Sinzig fr wertvolle Hinweise und Untersttzung.
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Weiterfhrende Literatur
(in Auswahl)
Seit 1945 wurden zahlreiche Bcher ber die
Rheinwiesenlager geschrieben von Erlebnisberichten ehemaliger Zeitzeugen ber wissenschaftliche bis hin zu tendenziser Forschungsliteratur. Daher stellen die folgenden Titel eine
Auswahl der zu empfehlenden Literatur dar:
Benz, Wolfgang und Angelika Schardt
(Hg.): Kriegsgefangenschaft. Berichte
ber das Leben in Gefangenenlagern der Alliierten von Otto Engelbert, Hans Jonitz, Kurt
Glaser und Heinz Pust. Mnchen 1991.
Gckelhorn, Wolfgang und Kurt Kleemann:
Die Rheinwiesenlager Remagen und Sinzig.
Fakten zu einem Massenschicksal 1945. Eine
Dokumentation. Aachen 2013.
Landeszentrale fr politische Bildung
Rheinland-Pfalz (Hg.): Kriegsgefangenenlager 1939-1950 Kriegsgefangenschaft als
Thema der Gedenkarbeit (=Gedenkarbeit in
Rheinland-Pfalz Bd. 9). Mainz/ Osthofen 2012.