Der Geheimbund der Hexen: Dunkles Erwachen
Von Zefiiel Feather
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Über dieses E-Book
Klappentext:
Nojell lebt mit ihrer Mutter am Rande der Kleinstadt Holychester und freut sich auf ihren achtzehnten Geburtstag. Kjell hat währenddessen geheimnisvolle Visionen und recherchiert heimlich in der Lilthorpe Academy.
Durch den Angriff eines Dämonen landen beide bei HOBDA - und erfahren, dass sie Zwillinge sind. Ihre Familien haben sie belogen und sie müssen ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In der hexischen Organisation zur Beobachtung dämonischer Aktivitäten müssen sie lernen, ihre Fähigkeiten einzusetzen und am Ende nicht weniger als die Welt der Menschen und Hexenden retten.
Zefiiel Feather
Zefiiel Feather ist 1987 in Iserlohn geboren. Da Lesen schon immer zu ihren Hobbys gehört hat, formte sich im Alter von fünfzehn Jahren der Wunsch, irgendwann selbst ein Buch zu schreiben und dieses zu veröffentlichen. Ihr Debüt "Der Geheimbund der Hexen - Dunkles Erwachen" begann sie 2019 zu schreiben, während einer Umschulung zur Fachinformatikerin im Bereich Systemintegration. Derzeit arbeitet sie Vollzeit in der IT. Neben dem Schreiben und Lesen von Büchern streamt Zefi auf Twitch in den Bereichen Autorenleben und Gaming, dazu ist sie Content Creatorin auf Youtube und zeigt mit der Vlog-Reihe "Schreibgestöber" ihren Weg zur Veröffentlichung und ein wenig aus ihrem Alltag.
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Buchvorschau
Der Geheimbund der Hexen - Zefiiel Feather
An mein 15-jähriges Ich: Du hast es geschafft!
INHALTSNOTIZEN
Die nachfolgenden Inhaltsnotizen sind für die Menschen, die diese benötigen. Solltet ihr nicht dazugehören, viel Spaß beim Lesen.
Familiäre Probleme
Trennung
Flucht
Verfolgung
Körperliche Gewalt
Verletzungen
Militärszenario
Ein Glossar befindet sich hinten im Buch!
Inhaltsverzeichnis
PROLOG
NOJELL
KJELL
NOJELL
KJELL
NOJELL
KJELL
NOJELL
KJELL
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NOJELL
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KJELL
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NOJELL
KJELL
KJELL
KJELL
NOJELL
EPILOG
PROLOG
Hektisch riss ich die Tür des Kleiderschranks auf und zog die erstbesten Sachen heraus. Ohne hinzusehen, schmiss ich sie über meine Schulter in den Koffer, der auf dem Bett stand.
»Solltest du dich nicht lieber ausruhen?«, fragte meine Schwester. Ihre haselnussbraunen Augen verfolgten wachsam jede meiner Bewegungen.
»Dein Trank hat geholfen.« Ich hoffte, dass sie sich dadurch beruhigen ließ. Der Stärkungs- und Heiltrank, den sie mir vor zwei Stunden gegeben hatte, wirkte Wunder. Ich konnte wieder stehen und hatte keine Schmerzen mehr, zumindest im Moment. Dass ich mich so kurz nach der Geburt der Zwillinge wieder so schnell bewegen konnte, war erstaunlich. Die Zwillinge … Ich musste mich beeilen.
Meine Schwester seufzte und drückte mich vorsichtig aufs Bett. Seelenruhig begann sie, die Kleidung mit ihrer Magie aus dem Schrank zu holen und gefaltet in den Koffer zu legen. Sie war eine Windhexe und hatte Levitation schon als Kind beherrscht. Auch meine wahllos herausgezogenen Stücke waren nun gefaltet und ordentlich im Koffer gestapelt. Doch der Zeitdruck war immer noch da und es kam mir so vor, als würde alles sehr viel länger dauern als sonst. Dabei war es wahrscheinlich sogar schneller. Wäre die Geburt nach Plan verlaufen, hätten wir erst in vier Tagen packen müssen. Denn bald würden meine Eltern hier auftauchen und ihren Enkel sehen wollen. Von dem Mädchen wussten sie nichts, und das war auch besser so.
Unruhig wippte ich mit dem Fuß. »Schlafen die beiden?« Ich blickte auf meine Hände und strich die schweißnassen Innenflächen an meiner Hose ab.
»Sie sind sehr ruhig, was seltsam ist. Sie müssten merken, dass wir alle sehr gestresst sind. Sie sind wirklich außergewöhnlich.« Meine Schwester schloss den Koffer sorgfältig, hob ihn vom Bett und stellte ihn neben die Tür.
Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und sah mich eindringlich an. »Geld habe ich dir in einen Umschlag gepackt, zusammen mit Papieren für euch zwei. Alles ist unten im Rucksack. Damit solltest du auskommen, bis du einen Job und eine Wohnung hast.«
Ich schluchzte. Die ganze Situation zerrte an meinen Nerven, es war zu viel. Besonders als ich von den Papieren hörte, überwältigte mich meine Lage. Ich stand auf.
»Danke … einfach danke, dass du uns so hilfst. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde.«
Sie nahm mich in den Arm und drückte mich an sich.
»Ich würde alles für dich tun. Du bist meine kleine Schwester, wir halten immer zusammen! Natürlich bin ich hier, und helfe dir auch jetzt.« Nun kamen auch ihr die Tränen. »Ich werde dich so vermissen.«
Sie war, genau wie ich, keine Freundin von Abschieden. Es würde vielleicht das letzte Mal sein, dass ich sie sah. Meine große Schwester, die mir all die Jahre zur Seite gestanden hatte und die gerade in den letzten Monaten neben meinem Mann die größte Stütze gewesen war. Einen Augenblick genehmigten wir uns, dann lösten wir die Umarmung und wischten die Tränen weg. Wir hatten keine Zeit, nicht für so etwas, nicht jetzt, auch wenn es uns das Herz zerriss.
Gemeinsam gingen wir nach unten ins Wohnzimmer. Meine Schwester ließ den Koffer zum Rucksack schweben, der dort schon auf mich wartete. Mein Blick wanderte zu meinen kleinen süßen Babys, die entspannt in ihren Tragetaschen lagen.
»Es ist alles gut, beide schlafen«, sagte mein geliebter Mann und Vater der beiden Kinder. Er lächelte sanft.
»Sie sind wunderschön«, sagte ich, mehr zu mir selbst. Wie gebannt sah ich auf meine kleinen Lieblinge und erschrak, als mich mein Mann umarmte. Ich lehnte mich verzweifelt an ihn und versank in seinen grünen Augen.
»Ich liebe dich«, flüsterte ich.
»Ich liebe dich auch.«
Meine Schwester wischte sich verstohlen über das Gesicht. Mir kamen wieder die Tränen und ich schmiegte mich an meinen Liebsten. Ein letztes Mal.
»Wir bereiten hier alles vor, in der Zeit kannst du fliehen«, erklärte meine Schwester und zerstörte damit unseren Moment inniger Zweisamkeit.
Mein Mann sah mich eindringlich an. »Pass auf die Kleine auf. Wenn du einen Wohnsitz hast, schick uns eine Notfallnummer. Unsere hast du ja. Wenn etwas schiefläuft, melde dich!« Er küsste mich. Ein letztes Mal.
»Mach ich.« Ich löste mich von ihm und schulterte den Rucksack. Mein neues Leben befand sich darin, und ich konnte nur hoffen, dass alles gut ging.
»Lebt wohl, meine Lieben.« Ich blickte meinen Mann und meine Schwester an. Dann beugte ich mich zu den beiden Babytragetaschen hinab und gab dem Jungen einen Kuss auf die Stirn. Eine Träne tropfte auf seine Wange und ließ ihn unruhig werden. Sanft wischte ich sie weg.
»Leb wohl, mein kleiner Engel.«
Ich hob die zweite Tragetasche an. In ihr lag mein Mädchen und schlief in aller Ruhe. Dann hörte ich eine Windböe hinter mir, ohne dass ein Luftzug zu spüren war. Meine Schwester öffnete ein Portal, das als kleiner Wirbelsturm an der Wand begann und immer größer wurde, damit ich hindurchschlüpfen und flüchten konnte. Denn nichts anderes war das hier: eine Flucht. Ein Sprung ins Ungewisse.
Ich ergriff den Koffer und ging auf das Portal zu. Je größer die Öffnung wurde, desto lauter wurde das Rauschen des Windes.
»Das Portal bringt dich zum Bahnhof. Leg am besten erst mal einen Schleier auf dich, wir bereiten dein Double vor.« Meine Schwester schien sich sehr stark konzentrieren zu müssen, um den Zauber aufrechtzuerhalten, denn sie sprach sehr langsam.
»Danke.« Ich straffte meine Schultern und ging durch das Portal. Ein kühler Lufthauch streifte mein Gesicht. Dann war alles still. Ich stand auf dem Bahnsteig und war allein.
NOJELL
Die Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht. Ich konnte nicht anders und schloss die Augen. Dieser Samstag war wunderschön. Ich war mit meiner besten Freundin Beth in die Stadt gegangen, ein wenig bummeln, und jetzt schleckten wir auf dem Heimweg unser Eis. Es war sehr warm, doch gerade das sorgte dafür, dass wir noch öfter unterwegs waren. Wer wusste, wann das Wetter umschlagen würde? Immerhin war April, der machte bekanntlich, was er wollte.
Da ich mich noch gar nicht an diese Temperaturen gewöhnt hatte, hatte ich meine langen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Mein schräger Pony schirmte meine Augen zumindest ein wenig vor der Sonne ab. Wobei ich meine helle Haut hätte eincremen müssen. Hoffentlich bekam ich keinen Sonnenbrand.
Beth hatte damit gar keine Probleme. Mit ihren kurzen Haaren und ihrer hellbraunen Haut war sie perfekt für das Wetter gerüstet. Sie fragte mich immer wieder, ob ich mir nicht einen feschen Pixie zulegen wollte. Aber darauf konnte sie lange warten.
Wenn ich so an das warme Wetter dachte, war ich wieder aufgeregt. In fünf Tagen war endlich mein achtzehnter Geburtstag. Ein Meilenstein im Leben eines jeden Teenagers, zumindest hier in England, weil ich dann endlich volljährig war.
Vor Beths Haus nahmen wir uns in den Arm und verabschiedeten uns voneinander. Ich musste noch ein Stück weiter und winkte ihr zum Abschied.
Summend verließ ich die Neubausiedlung. Holychester war nur eine Kleinstadt, doch gab es mittlerweile zwei dieser Neubaugebiete. Die Stadt wuchs und wuchs. Das Haus, in dem ich lebte, war ein Stück außerhalb. Zumindest noch. Eine leicht zu übersehende Ausfahrt an einer Nebenstraße. Früher hatte ich das geliebt: abgeschieden von der Welt. Ich konnte spielen, so laut und viel ich wollte, und es hatte niemanden gestört. Inzwischen fand ich es nervig, weil kein Bus fuhr und ich laufen musste.
Gedankenversunken ging ich durch das Eingangstor. Ich verstand immer noch nicht, warum meine Mum diese zwei Meter hohe Mauer hatte bauen lassen. Wir waren mitten im Wald, hierher würden sich nur Rehe verlaufen. Doch sie empfand es als wichtig, das eigene Heim zu schützen. Vor wem oder was auch immer.
Ich schloss die Haustür auf und hörte meine Mum in der Küche hantieren.
»Ich bin zu Hause«, rief ich.
»Perfektes Timing, mein Schatz, das Essen ist gerade fertig!«
Ich zog die Schuhe aus, stellte meinen Rucksack an den Treppenabsatz und folgte dem verführerischen Duft der besten Käsesuppe der Welt. Meine Mum stellte gerade die Teller auf den Esstisch und mir lief das Wasser im Mund zusammen.
»Hast du alle für nächste Woche eingeladen?«, fragte sie und setzte sich zu mir an den Tisch.
»Ja, es haben auch schon alle zugesagt. Ich kann’s kaum erwarten.«
Ich freute mich wirklich sehr auf die Feier. Meine erste Hausparty! Grinsend fing ich an zu essen.
Doch bereits nach wenigen Löffeln wurde mir schummrig. Ich legte das Besteck beiseite, um mich am Tisch festzuhalten. Was war denn nun los?
»Alles okay?«, fragte Mum besorgt.
Ich nickte, musste dann aber den Kopf schütteln. Es wurde nicht besser. »Ich … weiß nicht.« Ich blinzelte ein paar Mal in der Hoffnung, dass meine Sicht sich bessern würde. »Mir ist schwindelig.«
Mum half mir ins Wohnzimmer auf die Couch. Vorsichtig legte ich mich hin und schloss die Augen. »Ich hole dir was zu trinken. Ruh dich aus. Ist dir schlecht? Oder nur schwindelig? Soll ich einen Eimer holen?«
So war sie immer, sobald es mir schlecht ging. Es dauerte einen Moment, bis ich alle Fragen verarbeitet hatte, und ich schüttelte den Kopf. Okay, das war eine schlechte Idee gewesen.
»Nur schwindelig.« Meine Stimme war leise.
Sie ging zurück in die Küche, um einen Tee aus frischen Kräutern zu brauen. Das war ihre Lösung für alles.
Was war nur los? Ja, mir war gestern auch schon schwindelig gewesen, aber nur kurz, und ich war davon überzeugt, dass ich zu wenig getrunken hatte. Immerhin war es sehr schnell warm geworden und da vergaß ich den Flüssigkeitshaushalt schon mal.
Es dauerte nicht lange und Mum kam mit der Tasse Tee wieder. Ich setzte mich langsam auf und nahm einen Schluck. Er war trinkfertig und ich fühlte mich gleich besser. Sie ging wieder in die Küche. Ich nahm noch einen Schluck, stellte die Tasse auf dem Tisch ab und lehnte mich wieder zurück. Leises Klappern deutete darauf hin, dass sie die Küche aufräumte.
Ich atmete konzentriert auf den Schwindel. Dann öffnete ich die Augen und sah mich im Wohnzimmer um. Hatte die Oberfläche des Birkenholzschrankes gerade … geflackert? Ich blinzelte mehrfach, doch es passierte nicht noch mal. Ich hätte schwören können, dass sich das Holz gerade verändert hatte. Es hatte kurzzeitig dunkler ausgesehen. Doch wenn ich es so anstarrte … Nichts. Es war wieder das helle Birkenholz. Ich trank den Tee aus und beobachtete den Schrank, doch er blieb unverändert. Fantasierte ich nun komplett?
Der Schwindel flaute ab, ich stand vorsichtig auf und ging leicht schwankend wieder in die Küche und setzte mich. Ich wollte nicht die ganze Zeit liegen. Jetzt, da das Schlimmste vorbei war, wollte ich etwas essen, vielleicht half das schon.
Mum musterte mich. »Geht’s wieder besser?«
Ich nickte, doch war mir nicht ganz sicher. Ich musste definitiv mehr trinken.
Mum wärmte unser Essen in der Mikrowelle auf und wir aßen weiter.
»Ich … ich weiß, es klingt seltsam. Aber ich glaube, der Schrank hat gerade geflackert, und es sah so aus, als wären dort Zeichen drauf.« Schon beim Aussprechen hatte ich das Gefühl, Unsinn zu erzählen. »Ich weiß, das klingt total seltsam.«
Meine Mum sah mich skeptisch an. Doch nicht die Art von Skepsis, dass ihr Kind fantasierte, sondern eher die, in der echte Sorge mitschwang.
»Ja, das klingt seltsam. Vielleicht lag’s wirklich am Schwindel. Geht’s dir besser?«
Wieder nickte ich. »Ja, der Tee hat geholfen. Danke.«
»Die richtigen Kräuter haben schon immer geholfen«, sagte sie und schmunzelte.
Irgendwann musste sie mir mal ihre Zusammensetzungen der Tees erklären, die alle in einem speziellen Verhältnis gemischt waren. Ich selbst kannte nur einzelne Kräuter.
Ich nahm meinen Rucksack und ging nach oben in mein Zimmer. Nachdem ich das Licht eingeschaltet hatte, sah ich mich misstrauisch um. Alles wirkte wie immer. Das breite Bett zu meiner Rechten, der Schreibtisch am Fußende, das Doppelfenster mir gegenüber und der Kleiderschrank und der Bücherschrank zu meiner Linken. Die Möbel hatten den warmen Ton des Akazienholzes. Keine Zeichen, nichts Ungewöhnliches.
Ich stellte den Rucksack ab, zog eine bequeme Jogginghose an und setzte mich an den Schreibtisch. Normalerweise hörte ich bei meinen Hausaufgaben Rockmusik, aber gerade war ich zu aufgewühlt. Es hatte so real ausgesehen. Das Holz hatte dunkel, fast schwarz gewirkt und überall auf den Schranktüren hatten helle Zeichen geglüht. Das konnte schlecht Einbildung gewesen sein. Materialien veränderten ihre Oberfläche nicht. So etwas passierte nicht.
KJELL
Blau wie das Meer. So schön und klar strahlte mich ein Augenpaar an. Nicht irgendeines. Ein bestimmtes. Haselnussbraunes Haar umspielte das schmale Gesicht. Eine Hand tauchte auf, klein, zierlich. Sie strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Ein Lächeln, so sanft und voller Ehrlichkeit und Liebe, blickte mir in die Seele.
Ich schreckte hoch und sah mich um. Niemand war hier: keine Augen, kein Mädchen. Mein Blick schweifte durch mein Zimmer und fiel auf die Unterlagen, die sich vor mir auftürmten. Seufzend strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich trug sie am Oberkopf länger als an den Seiten und hatte mir diese Geste angewöhnt.
»Schon wieder …«
Es war nicht das erste Mal, dass ich sie gesehen hatte. Nicht das erste Mal, dass ich so eine Vision hatte. Seit Tagen kamen sie immer wieder, immer häufiger. Ich kannte das Mädchen nicht, zumindest nicht persönlich. Doch sie war mir vertraut, als wäre ich mit ihr aufgewachsen. Vertrauter als jeder Mensch, der seit Jahren an meiner Seite war. Ihre meerblauen Augen, ihr haselnussbraunes Haar.
Mit einem Kopfschütteln versuchte ich, ihr Bild zu vertreiben. Dann sammelte ich meine Hausaufgaben für Dämonologie zusammen, steckte sie in den Rucksack und sah mich noch einmal um. Die Visionen sorgten dafür, dass ich mich nicht wirklich hier fühlte. Doch ich war zu Hause. In meinem Zimmer. Hier war kein Mädchen. Nur Validris, meine Sperbereule, saß in seiner Voliere und schlief. Der Vogelkäfig nahm fast die ganze Wand ein und war durch eine Klappe mit einer Erweiterung an der Außenwand verbunden. Durch eine Öffnung konnte er jederzeit hinaus und jagen. Dafür war die Tür in mein Zimmer immer offen.
Validris war mein Seelenpartner. Er hatte mich gesucht und gefunden und stand mir bei. Nur Hexenden war dies vergönnt. Sie sahen aus wie Tiere, waren aber eher Geister, die uns im Leben begleiteten. Sie verhielten sich teilweise sehr menschlich, merkten, wenn ihre Hexenden ein Leid plagte. Wenn die hexende Person starb, dann auch der Seelenpartner.
Seufzend stand ich auf, nahm meinen Rucksack und sah noch einmal in den Spiegel. Meine hellbeige Haut hatte eine grünliche Nuance. Die Visionen gingen echt an die Substanz. Mir war danach immer ein wenig schwindelig.
Ich ging zur Treppe. »Dad, ich gehe noch mal zur Akademie. Ich brauch noch ein paar Unterlagen für meine Hausaufgaben!«
»Mach das, bis später!«, rief er von unten zurück.
Ich drehte mich um und ging auf die Wand gegenüber meiner Zimmertür zu. Hell leuchtende Runen waren in die Holzvertäfelung eingelassen. Ich strich über drei der Zeichen und das Rauschen eines Windes ertönte, ohne dass er zu spüren war. Ein Portal entstand und wurde schnell größer. Solche festen Portale waren Standard für Haushalte, die Junghexende an die Lilthorpe Akademie schickten. Immerhin konnten sie noch keine Portale erschaffen. Mal davon abgesehen, dass meistens nur Windhexende dazu in der Lage waren. Wer kein Portal im eigenen Haus wollte, konnte auch in der Akademie leben, die an ein Internat angeschlossen war. Das Portal hier im Haus war auf mich und meinen Vater registriert und nur durch uns zu aktivieren.
Ich durchschritt das Portal und ein kalter Windhauch strich über meine Haut. Es fühlte sich ein wenig eklig an, als würde ich nach einem heißen Sommertag in kaltes Wasser springen. Als Feuerhexer mochte ich es eher warm.
Die große Eingangshalle öffnete sich vor mir. An den dunklen Marmorboden und die holzvertäfelten Wände musste ich mich jedes Mal neu gewöhnen. Auf dem Boden prangte ein Pentagramm mit dem Symbol für ein Element an jeder Spitze. Die Halle wurde von mit Kerzen versehenden Kronleuchtern sowie Kerzenhaltern an den Wänden erhellt, schwere Holztüren führten hinaus. Studierende betraten und verließen schwatzend die Halle. In der Akademie war immer was los. Einige hatten noch Unterricht, andere waren gerade im Selbststudium. Ich nickte dem Lehrhexer zu, der die Obhut über die Halle hatte und von hier aus die Portale zurück öffnete.
Mein Weg führte mich in die Bibliothek. Ich hatte mein Studium der Magie vor elf Jahren an der Lilthorpe Akademie begonnen, ich kannte diesen Ort in- und auswendig.
»Du noch hier?«, fragte mich eine vertraute Stimme. Glenn, mein bester Freund, klappte sein Buch zu und stand von der Bank neben einem Wasserspender auf. In dem dunklen Gang mit der spärlichen Beleuchtung hatte ich ihn gar nicht gesehen.
»Wieder, ich möchte etwas nachlesen«, erklärte ich.
Er folgte mir. »In der Bibliothek sehe ich dich selten.