Inhalt
Basierend auf der Biografie von Rudolf Höß, dem berüchtigten Kommandanten des KZs Auschwitz, erzählt der Film die fiktive Lebensgeschichte des Franz Lang. Bereits im Ersten Weltkrieg führt er als Soldat gewissenhaft seine Befehle aus. Auch im zivilen Leben gehört Lang zu jener Sorte Mensch, für die der Auftrag eines Vorgesetzten ohne wenn und aber durchzuführen ist. Nach der Machtergreifung der Nazis erkennen die Militärs sehr schnell, dass sie in Lang einen idealen Schergen vor sich haben: Er hinterfragt nicht, er gehorcht, was immer man ihm befiehlt. So steigt er zum Lagerkommandanten von Auschwitz auf. In diesem KZ wurden Millionen von Menschen, vor allem Juden, ermordet – für Lang keine moralische Frage, sondern die simple Ausführung eines Befehls.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Nachdem Franz Lang, übrigens der Deckname, unter dem sich Rudolf Höß nach Kriegsende auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein versteckte bis zu seiner Verhaftung durch britische Besatzungstruppen im Frühjahr 1946, das Konzentrationslager Dachau geplant und aufgebaut hat, ernennt ihn Himmler persönlich zum Lagerkommandanten von Auschwitz. Wo ihm, an Polen ausgeliefert, der Prozess gemacht wird, an dessen Ende das Urteil „Tod durch den Strang“ lautet, vollzogen am 16. April 1947.
Der mit 145 Minuten überlange dritte Langfilm des Kritikers Theodor Kotulla fußt auf der 1957 erschienenen Biographie „La mort est mon métier“ („Der Tod ist mein Beruf“) des in Algerien geborenen französischen Romanciers Robert Merle, geschrieben auf der Grundlage der Verhörprotokolle von Rudolf Höß als Zeuge im ersten Nürnberger Kriegsverbrecherprozess sowie auf Aufzeichnungen, die Höß in der polnischen Todeszelle verfasste. Kotulla, der als erster deutscher Spielfilmregisseur am Originalschauplatz drehen durfte, verzichtete nicht nur auf historische Archivaufnahmen, sondern überhaupt auf eine Rekonstruktion des Lageralltags. Und baute völlig zu Recht auf das geradezu lakonische Unterstatement eines Götz George ohne jede Effekthascherei.
Sein Interesse galt auch nicht einer historisch belegbaren Biographie des Rudolf Höß, sondern Theodor Kotulla, 1928 geboren und aufgewachsen im oberschlesischen Königshütte, kaum 50 Kilometer von Auschwitz entfernt, wollte in nüchterner Analyse den ideal-typischen Lebensweg eines jungen, desillusioniert aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrten Mannes aufzeigen, der sich wie Zigtausende seiner Altersgenossen zum technokratischen Schreibtischtäter und damit zum so bedeutsamen kleinen Rädchen im Getriebe des verbrecherischen Regimes entwickelt, bevor der musisch gebildete Familienvater am Ende zum Schlächter von Auschwitz wird.
In bewusstem Gegensatz etwa zu Ingmar Bergmans „Schlangenei“, Louis Malles „Lacombe Lucien“ oder gar der melodramatischen Hollywood-Produktion „Holocaust“ geht es Kotulla – in Anlehnung an Hannah Arendt und ihrem Bericht über den Eichmann-Prozess - um die Banalität des Bösen, um den Biedermann als Massenmörder von vier Millionen „Einheiten“. Dass sein halbdokumentarischer Spielfilm am 4. Februar 1979 in der ARD erstausgestrahlt wurde, nur wenige Tage nach der vierteiligen US-Serie „Holocaust“, hat ihm sehr geschadet. Von einem „emotionsarmen Bilderbogen“ schrieb Michael Schwarze in der „FAZ“ (vom 6. Februar 1979) und verstieg sich zu folgendem Urteil: „Nicht wenige werden sich gefragt haben: Ist dieser Film in all seiner Langatmigkeit, seiner pedantischen Dramaturgie nicht typisch für die Tradition des deutschen Fernsehfilms? Er ist es nicht. Aus der künstlerischen Unfähigkeit eines seit eh und je nur mittelmäßigen Regisseurs können keine generalisierenden Schlüsse gezogen werden.“ Nach dem Kinostart hatte Hans C. Blumenberg in der „Zeit“ (vom 25. November 1977) noch gelobt: „Kotulla lehrt uns das Fürchten: vor den ganz alltäglichen Perversionen der Franz Langs, die so monströs sind, dass man sie kaum noch wahrnimmt. Schrecklich normal.“
Theodor Kotulla im FdA-Presseheft: „Es wäre also nicht sehr viel damit gewonnen, wenn man die Figur des Franz Lang so präsentieren würde, dass nichts weiter als blinde Gefühle gegen sie mobilisiert würden; was übrigens ein leichtes ist angesichts der unmenschlichen Taten, die der Mann verübt hat.“
Pitt Herrmann