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Mischwesen in Babylonien und Assyrien

»Er hatte den Kopf eines Löwen, die Hände eines Menschen und die Füße eines Vogels…«* Mischwesen in Babylonien und Assyrien Andreas Gräff – Nils C. Ritter Die mesopotamischen Kulturen zwischen Euphrat und Tigris haben, bedingt durch die historische Entwicklung des 1. Jt. v. Chr., Kontakte zu vielfältigen, ihnen benachbarten Regionen gehabt1. Dies führte immer wieder zu neuen Entwicklungen, insbesondere im Bereich der religiösen Vorstellungswelt, die sich uns in Form keilschriftlicher Texte, archäologischer Denkmäler sowie Bildern offenbart. Die beiden mesopotamischen Staaten, die im 1. Jt. v. Chr. die größte Bedeutung erlangten, waren das neuassyrische und das neubabylonische Reich. Seit dem Beginn der Expansion kontrollierte das neuassyrische Reich zunehmend sehr große Territorien, bis es zum Höhepunkt seiner Macht selbst Ägypten erobert hatte. Unter Assurbanipal (668–632 v. Chr.) waren scheinbar alle Feinde niedergerungen und eine bis dato unbekannte Machtstellung erreicht. Der assyrische Herrschaftsbereich erstreckte sich ausgehend vom Zentrum Assyriens im heutigen Nordirak auf den Süden der Türkei, Nordwestiran, Syrien, die Levante, bis nach Ägypten2. Da es zu den Herrschaftsmitteln der Assyrer gehörte, Teile der Bevölkerung eroberter Gebiete innerhalb des Reiches zu deportieren, um den Widerstand lokaler Eliten zu brechen, vermischten sich im Laufe der historischen Entwicklung Mitglieder unterschiedlicher Völker mit ihren jeweils eigenen religiösen Konzepten. Dies blieb nicht ohne Einluss auf die Entwicklung religiöser Vorstellungen. Nach dem Untergang des neuassyrischen Reiches, das durch eine Koalition unterschiedlicher Gegner – allen voran den Herrschern Babylons – besiegt worden war, änderte sich das Gesicht des Orients grundlegend. Assyrien war als unabhängiger Staat für immer von der Bildläche verschwunden, während nun das neubabylonische Reich die politische Bühne dominierte. Dieses Reich ist vornehmlich durch seine bedeutenden Könige, besonders Nebukadnezar II. bekannt, der 589 v. Chr. Jerusalem zum zweiten Mal eroberte und die Eliten Israels in die ›babylonische Gefangenschaft‹ führte. Das babylonische Reich wurde allerdings schon 539 v. Chr. zerschlagen. Der persische König Kyros II.3 nahm Babylon ein und machte es zu einem Teil des sich formierenden Persischen Reiches. Von nun an waren die alten Metropolen Mesopotamiens nicht mehr das Zentrum Vorderasiens, auch wenn sie weiterhin kulturell wie wirtschaftlich prosperierend blieben. Sie teilten sich ihre Bedeutung mit den Städten des persischen Hochlandes. In dieser Phase ereigneten sich einige größere Auseinandersetzungen zwischen Persern und Mesopotamiern, in deren Verlauf auch der Tempel des Hauptgottes der Stadt Babylon, Marduk, in Mitleidenschaft gezogen wurde4. Im Ganzen aber scheint die Herrschaft der Perser über Babylonien und ganz Mesopotamien im Verlaufe der Geschichte relativ stabil gewesen zu sein, bis sie mit dem Zug Alexanders des Großen ein jähes Ende nahm5. Aber auch in der Folgezeit lebte die mesopotamische Kultur gerade im Bereich der Tempel noch recht lange in Texten und Bildern weiter. Erst als die Keilschrift als eines der konstituierenden Merkmale mesopotamischer Kultur relativ kurz nach der Zeitenwende an Bedeutung verliert, schwinden unsere Möglichkeiten, religiöse Strukturen des Alten Mesopotamien zu rekonstruieren, ohne dass dies zugleich auf ein abruptes Ende dieser Vorstellungswelt hinweisen würde6. Die mesopotamische Religion Die altorientalischen Religionen sind gewachsene Religionen. Im Glauben der Menschen existierten die Götter schon immer, sie schufen die Welt und die Menschen. Eine gemeinsame Religion, deren Pantheon für die Kulturen Mesopotamiens – Sumerer, Akkader, Assyrer oder Babylonier – gleichermaßen Gültigkeit besessen hätte, hat es in der langen Zeit, in der wir textlich über diesen Bereich informiert sind, niemals gegeben, ebenso wenig gemeinsame theologische Konzeptionen oder systematische Ausformulierungen der Welt und ihrer Gesetzmäßigkeiten. Wohl aber gab es verbindende Grundelemente in den urbanen Zentren Mesopotamiens von Assur im Norden bis Uruk im Süden, auf deren Grundlage gemeinsame Kulthandlungen, vergleichbare Götterkonzeptionen sowie Jenseitsvorstellungen standen. Alle Texte und auch die bildlichen Zeugnisse, die sich mit Religion und Kult auseinandersetzen, deuten darauf hin, dass die Menschen Mesopotamiens in allen Zeiten und Regionen ein gemeinsames Konzept in der Erfahrung und im Umgang mit der Welt der Götter, Monster und Dämonen hatten7. Grundsätzlich handelte es sich bei der mesopotamischen Religion um ein polytheistisches System. Hierbei waren die Götter in der Vorstellungswelt der damaligen Menschen anthropomorph – also menschengestaltig – imaginiert, wobei es innerhalb der Götterwelt Generationen und Hierarchien gab. Dies können wir gut anhand unterschiedlicher Textgattungen rekonstruieren. Schon seit frühester Zeit wurden Erscheinungen der Welt in sog. lexikalischen Listen geordnet und hierarchisiert. So gab Mischwesen in Babylonien und Assyrien Mesopotamien im 1. Jahrtausend v. Chr. 51 es neben Listen, die Gegenstände ordneten, auch Götterlisten. Ein besonders bedeutendes Exemplar ist die sog. Liste AN = Anum8, in der die Götter mit ihren Ehegatten, Kindern und ihrem Hofstaat aufgelistet sind. Die mesopotamische Götterwelt entsprach nach dieser Ansicht also letztlich den Zuständen in den großen Haushalten auf der Erde9. Mischwesen in Babylonien und Assyrien Darüber hinaus sind wir durch Epen und Mythen über die religiöse Vorstellungswelt Mesopotamiens gut unterrichtet. Dabei wird hier natürlich in erster Linie die Weltsicht einer gesellschaftlichen Elite erfasst, während sich die Vorstellungen der breiten Schichten der Bevölkerung von diesen mitunter deutlich unterschieden haben können10. 52 Alles Geschehen auf der Erde ordnete man den Göttern zu, persönliches Leid und Schicksalsschläge wie Krankheiten, Missgeburten, Dürren und Ernteausfall wurden als Strafe für ein bewusstes oder unbewusstes Vergehen betrachtet. Alles Handeln war Belohnung oder Schuld im Angesicht der Götter. Die Menschen in Babylonien und Assyrien waren den Launen der Götter aber nicht völlig hillos ausgeliefert. Um nicht handlungsunfähig vor dem Willen der Götter und den ihnen assoziierten Wesen zu kapitulieren, konnte man mittels Ritualen Kontakt zu den Göttern herstellen und versuchen, sie zu beeinlussen. Rituale gehören zu den Fundamenten mesopotamischer Kultur. In Ritualhandlungen drücken die Menschen das aus, was sie am meisten bewegt. Mit Hilfe von magischen Ritualen und Beschwörungspriestern versuchten die Menschen das ihnen nicht verständliche Geschehen, etwa Krankheiten, Unfruchtbarkeit oder Missernten, zu beeinlussen und zu ihren Gunsten zu ändern. Mit Hilfe von Omina indes versuchte man sich durch Vorhersagen dem Ablauf zukünftiger Ereignisse zu versichern, die als eine bevorstehende Entscheidung der Götter angesehen wurden. Religiosität durchdrang also den Alltag der Menschen, religiöse Handlungen erstreckten sich von Gebeten und magischen Praktiken an Krankenbetten, über individuelle Ritualhandlungen zu verschiedenen Anlässen, die häuig nachts auf den Dächern der Wohnhäuser zelebriert wurden. Dort fühlte man sich den Sternen und damit der nächtlichen Gestalt der Götter besonders nahe. Aber auch die jährlich organisierten Prozessionen und staatlichen Massenspektakel, etwa das babylonische Neujahrsfest gehören in dieses Spektrum. Innerhalb dieser im Leben der Menschen sehr präsenten Vorstellungswelt spielten Mischwesen eine große Rolle, etwa als Verkörperung von Naturgewalten11, in Gestalt von Dämonen, z. B. als Verursacher von Krankheiten, aber auch als Teil des Gefolges vieler prominenter Götter und als beschützende Wesen. Zahlreiche Mischwesen wurden auch bildlich dargestellt, wobei sich allerdings das Verständnis von Bildern im Alten Orient eklatant von dem heutigen unterscheidet: Bilder zeigten nicht nur solche Wesen, in ihnen waren sie präsent und konnten handeln. Lebendige Bilder – Zum Bildbegriff im Alten Orient Neben den keilschriftlichen Texten sind die zahlreichen erhaltenen Bildwerke der wichtigste Zugang zu Kenntnis und Verständnis der Welt der Götter und Mischwesen im Alten Orient. Bilder zeigen nicht nur, wie sich die Menschen das Aussehen ihrer Götter und Monster gedacht haben, sie geben uns auch einen tiefen Einblick in die religiös geprägte Vorstellungswelt der Menschen und zugleich in ihren Umgang mit und ihr Verständnis von Bildern. Denn »was Kulturen mit Bildern machen und wie sie die Welt in Bilder fassen, führt zum Zentrum ihrer Denkweise«, wie der bekannte Bildwissenschaftler H. Belting formuliert12. Die Bilderwelt der Assyrer und Babylonier ist uns in erster Linie auf Rollsiegeln, den ältesten Massenmedien in Vorderasien, erhalten. Rollsiegel sind 1–5 cm hohe zylinderförmige Walzen zumeist aus Stein. Sie waren ein wichtiges Instrument in der Wirtschaft und Verwaltung Mesopotamiens vom späten 4. Jt. bis zur Mitte des 1. Jt. Die Außenseite erlaubte die Anbringung von umfangreichen erzählenden Bildern und Inschriften. Diese im Negativ angebrachten Darstellungen ergaben abgerollt auf weichem Ton, etwa auf Tontafeln oder Tonsiegelungen, ein erhabenes Relief. (Abb. 1) Ohne Unterbrechung überliefern uns Rollsiegel das gesamte Bilderspektrum Mesopotamiens, darunter Bilder von Gottheiten, Genien, Abb. 1 Moderne Abrollung eines akkadzeitlichen Rollsiegels. Mischwesen und Tieren, rituellen Handlungen sowie Umwelt und Alltag der Menschen13. Die Bilder auf den Siegeln geben nicht nur Einblick in die religiöse Vorstellungswelt der Menschen, sie sollten zudem die Siegelinhaber im Akt des Siegelns von Dokumenten oder Handelswaren autorisieren und legitimieren, ähnlich wie dies heute bei Unterschriften der Fall ist. Daneben ist die altorientalische Bilderwelt aber noch durch andere visuelle Medien erhalten, etwa in Rundbildern, Reliefs, Wandmalereien, auf Metallobjekten, in kleinen Terrakotten oder auf monumentalen Felsreliefs. Weder im Sumerischen noch im Akkadischen gibt es unterscheidende Begriffe für Bilder. Die vielen Gestalten visueller Medien (Rund- und Flachbilder, Siegel, Malereien etc.) werden sprachlich genauso wenig unterschieden wie die Funktionsbereiche von Bildern14. Lediglich die Unterscheidung von Bildern und Bildträgern ist in einigen Texten und Inschriften auf Denkmälern des 1. Jt. v. Chr. überliefert15. Die sumerische Sprache bezeichnet ein Bild als ALAM, wie wir aus den archaischen Texten des frühen 3. Jt. v. Chr. aus Städten wie Ur, Jemdet-Nasr, Fara oder Emar wissen16. Das akkadische Äquivalent seit Mitte des 3. Jt. v. Chr. dazu lautet »Salmu«, mit dem Bilder aller Art . bezeichnet werden können17. Götter, Menschen, Helden, Dämonen, Monster und andere Wesen der mesopotamischen Vorstellungswelt auf Siegeln, Reliefs, Fresken oder Statuen können als »Salmu« bezeichnet werden18. Und . im übertragenen Sinne steht der Terminus auch für Sternenbilder und allgemein für Gestalt, Abbildung, Darstelkann also das visuelle Medium, etwa lung19. Ein Salmu . ein Felsrelief oder ein Siegel sowie die darauf beindliche Darstellung sein, also zum Beispiel eine Tierkampfszene oder eine schreitende Sphinx. Dieser Tatsache kommt eine besondere Bedeutung zu, denn »Salmu« ist kein ästhetischer oder technischer, son. dern ein zutiefst religiöser Begriff. Ein Salmu beschreibt . eine eigene Bildqualität, bei der der Aspekt der Ähnlichkeit Abb. 2 Bei den Ausgrabungen der Wohnhäuser in Assur wurden unter den Fußböden Tonkapseln gefunden, in denen magische Figuren deponiert waren. keine Rolle spielt und die auch nicht in erster Linie der Wirkung auf den Betrachter dient, sondern stattdessen eine konkrete Funktion besitzt, die zu erfüllen ist. Ein Salmu war stets in einen bestimmten Handlungsrahmen . und einen speziischen räumlichen und sozialen Kontext eingebunden, »es besaß eine Lebensqualität, ein Wesen zum Kommunizieren, weshalb es beseelt, geplegt und beschützt, umgekehrt aber auch misshandelt und getötet wurde«20. Diese besondere Qualität altorientalischer Bilder kann anhand zweier typischer Aspekte verdeutlicht werden: dem beschützenden und dem kommunikativen Bild. Prophylaktische Rituale waren in vielen Regionen Altvorderasiens üblich, um Böses abzuwehren und sich zu schützen. Apotropäische, also Übel abwehrende Figuren spielten hierbei eine große Rolle. Meist waren solche Figuren aus organischen Materialien oder Ton gefertigt, hatten das Aussehen von Tieren (v. a. Hunden), Dämonen oder gelügelten Mischwesen und wurden unter dem Fußbodenniveau eines Gebäudes, dort zumeist an den Eingängen, unter dem Bett und an den Ecken vergraben und deponiert (Abb. 2)21. Diesen Figuren wurde die Wirkkraft zugesprochen, negative Elemente zu vertreiben und dauerhaft bannen zu können. In den Ritualtexten werden sie als »Salmu« bezeichnet, womit wie gesagt eine Qualität . des Bildes beschrieben wird. Infolge eines komplexen, rituell begleiteten Herstellungs- und Animationsprozesses Mischwesen in Babylonien und Assyrien Mit ihren Bildern verbanden die Menschen ganz spezielle Vorstellungen und Erwartungen, gerade Bilder mit religiösen Darstellungen erfüllten in der Gesellschaft Mesopotamiens bestimmte Funktionen. Die Menschen in Altvorderasien hatten einen ganz eigenen Begriff und eine ganz speziische Wahrnehmung von Bildern, die sich in vielerlei Hinsicht stark von unserem heutigen Verständnis und Umgang mit Bildern unterscheiden. Bilder wurden von den Menschen mitunter als lebensähnliche Formen betrachtet und auch so behandelt. 53 Abb. 3 Die in einem Tempel in Tell Asmar gefundenen Figuren dienten als Stellvertreter und sollten Mischwesen in Babylonien und Assyrien beständig für das Wohlergehen ihres Stifters mit den Göttern kommunizieren. 54 wird eine Figur aus geweihtem Ton zu einem Salmu, einem . aktiv handelnden und beseelten Bild, dessen Aufgabe es ist, die Bewohner eines Hauses vor Unheil und Krankheit zu schützen, was sich die Menschen Mesopotamiens ebenfalls oft in Form von Dämonen und Mischwesen, wie Lamaštu, Pazuzu (Kat. 11) oder Lilith vorstellten22. Der kommunikative Aspekt altorientalischer Bilder wird in den ›Beteriguren‹ aus der sog. frühdynastischen Zeit im 3. Jt. v. Chr. deutlich. Die vielen erhaltenen Weihiguren sehen allesamt recht ähnlich aus und zeigen aufrecht stehende männliche wie weibliche Menschen in konzentrierter und zugleich andächtiger Haltung (Abb. 3). Diese Figuren waren von ihren Stiftern in Tempeln aufgestellt worden und sollten dort als Stellvertreter, nicht aber als Abbilder oder Porträts für den Stifter den Kontakt mit den Göttern dauerhaft aufrechterhalten und mit ihnen kommunizieren. Laut Inschrift weiht der Stifter damit sein Bild einem Gott für das eigene Leben. Den Statuen des neusumerischen Stadtfürsten Gudea (ca. 2122–2102 v. Chr.) wurde sogar die Eigenschaft zum Sprechen zugeschrieben, und Gudea selbst fordert in einer Inschrift seine Statue auf, vor ihm mit dem Gott zu sprechen23. Das Bild wird hier also wiederum als beseelt betrachtet und erhält einen konkreten Handlungsauftrag: Es soll kommunizieren. Ein Salmu war also ein von Menschen geschaffenes Ob. jekt, welches eine konkrete Stellvertreterfunktion einzunehmen hatte. Hierin lag seine primäre Aufgabe. Wie die Beispiele zeigen, wurden Bildern also Attribute eines Lebewesens zugesprochen und sie waren Ausgangspunkt für verschiedene Handlungsprozesse24. Bilder wurden von den Menschen anders wahrgenommen und konnten zu einem ebenbürtigen, ja sogar zu einer übergeordneten Entität werden. Damit trug das Bild wesentlich zur Erfüllung und Instandhaltung religiöser, gesellschaftlicher, politischer und nicht zuletzt individueller Ordnung und Verhaltenssicherheit im Alten Orient bei. Der Bildgebrauch, das Handeln mit und in altorientalischen Bildern spiegelt einen Teil der stark religiös geprägten Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Lebenswelt der Menschen Mesopotamiens wider. Hiermit ist eine grundsätzliche Funktion und Aufgabe von Bildern erfasst, Bilder gehören zu den wichtigsten Agenten von Religion und Glauben25. In den Gesellschaften des Alten Orients spielten im Gegensatz dazu ästhetische Eigenschaften von Bildern keine große Rolle, auch waren eventuelle Betrachter von Bildern nur von untergeordneter Bedeutung. Vor diesem Hintergrund lassen sich viele altorientalische Bildwerke aus ganz neuen Blickwinkeln betrachten und verstehen. In der mesopotamischen Literatur werden Mischwesen relativ häuig beschrieben. Da die Keilschrift hierfür Begriffe verwendet, die nicht in jedem Fall sicher übersetzt werden können, und bildliche Entsprechungen meist nicht eindeutig zugeordnet werden können, ist die Deutung betreffender Textstellen schwierig. Relativ genau tritt uns jedoch die Beschreibung der Tiamat entgegen, dem weiblich gedachten Ozean, die am Beginn der Erschaffung der Welt steht. Sie ist im babylonischen Weltschöpfungsepos Enuma eliš – der Titel des Epos wird nach der ersten Zeile zitiert, diese lautet in der deutschen Übersetzung »als droben« –, die Gegenspielerin des Stadtgottes von Babylon, Marduk, der sie im Kampf überwinden muss und dafür die Herrschaft über die Götter erhält26. Der Text schildert dabei auch die Armee, die Tiamat erschafft, um gegen die Götter in den Kampf zu ziehen: »Mutter Chubur, die alles erschafft, lieferte unwiderstehliche Waffen und gebar Riesenschlangen. Sie hatten scharfe Zähne, waren gnadenlos… Mit Gift anstelle von Blut füllte sie ihre Körper. Sie bekleidete die fürchterlichen Drachen mit Furcht, belud sie mit Glanz und machte sie gottgleich. ›Wer sie sieht, soll jämmerlich zugrundegehen, mögen sie dauernd vorwärts anspringen und nie sich zurückziehen!‹ Sie erschuf die Hydra, den Drachen, den Haarigen Held, den Großen Dämon, den Wilden Hund und den Skorpion-Mensch, grimmige Dämonen, den Fisch-Mensch und den Stier-Mensch, die schonungslose Waffen tragen und die Schlacht nicht fürchten.« (EE Tafel III, Z. 23-34)27. Dieser Textausschnitt gibt uns nicht nur einen sehr lebendigen Einblick in die Erschaffung von Tiamats Armee, sondern illustriert darüber hinaus das Problem bei der Wiedergabe altorientalischer Monsternamen in deutscher Übersetzung. So ist der Begriff, der in der angegebenen Übersetzung mit »Hydra« wiedergegeben wird, nicht mit dem bekannten Wesen der griechischen Mythologie gleichzusetzen, das einschlägige deutsche Wörterbuch übersetzt den Begriff »bašmu« neutraler mit »(mythische) Giftschlange«28. Es bleibt also schwierig, die Begriffe angemessen zu übersetzen. Mitunter bieten die keilschriftlichen Texte aber sehr gute Schilderungen von Mischwesen, um eine genauere Vorstellung vom Aussehen der genannten Tiere zu entwickeln. Hierzu gehört die ›Unterweltsvision eines assyrischen Kronprinzen‹. Dieser Text ist nur auf einer einzigen Tontafel erhalten, die leider in größeren Passagen Zerstörungen aufweist, so dass der genaue Inhalt und der Sinn nicht zweifelsfrei rekonstruiert werden können. Ebenso ist unklar, ob den im Text genannten Protagonisten reale Personen zugrunde lagen oder nicht29. In diesem Text werden Wesen in der Unterwelt folgendermaßen beschrieben: »[2] Ich sah Namtar, den Wesir der Unterwelt, der Anweisungen verteilt (lit.: schafft); vor ihm stand ein Mann, sein Haupthaar hielt er in seiner linken (Hand), in seiner rechten (Hand) [hielt – – – –] er ein Schw[er]t. [3] Auf [N]amtartu, seiner Gefährtin, saß der Kopf einer kurïbu-Statuette, (doch) Hände und Füße (waren die) eines Menschen. Auf dem Tod saß der Kopf eines Schlangendrachen, seine Hände (waren die) von Menschen, seine Füße –[– –]. [4] Der böse Geist (hatte) den Kopf und die Hände eines Menschen, sein Kopf war bedeckt von einer ›Krone‹, seine Füße waren die eines Adlers, mit seinem linken Fuß trat er auf ein Krokodil. Alluhappu (hatte) den Kopf eines Löwen, vier menschliche ˉ ˉ Hände und zwei Füße. [5] Mukıl-reš-lemutti (›Der, welcher Böses unterstützt‹) (hatte) den Kopf eines Vogels, seine Flügel waren geöffnet, er log hin und her, Hände und Füße waren menschlich. Humut-tabal (›Nimm schnell weg‹), der Fährmann . ˘ der Unterwelt, hatte den Kopf des Anzu-Vogels, Hände und Fü[ße – – ]. [6] Ein Totengeist (hatte) den Kopf eines Ochsen, vier Hände und Füße (wie die) von Menschen. Ein böser Dämon (hatte) den Kopf eines Löwen (und) Hände und Füße des Anzu-Vogels. Šulak (war) ein normaler Löwe, der auf ˉ ˉ (hatte) seinen Hinterbeinen stand. [7] Mamıtu einen Ziegenkopf und Hände und Füße eines Menschen. Nedu, der Pförtner der Unterwelt, (hatte) den Kopf eines Löwen, die Hände eines Menschen und die Füße eines Vogels. Mimma-lemnu (›Alles Böse‹) (hatte) zwei Kopfe: einen Löwenkopf und einen [– – – –]- Kopf [8] Muhraˉ (›Schau in beide Richtungen!‹) (hatte) drei Füße, die beiden vorderen waren die eines Vogels, der hintere der eines Rindes (und) er war mit einem furchterregenden Schreckensglanz ausgestattet. Zwei Götter, deren Namen ich nicht kenne, der erste (hatte) Kopf, Hände und Füße des Anzu-Vogels. In seiner Linken H[and ? – – – –] [9] Der andere (hatte) einen menschlichen Kopf (und) war mit einer ›Krone‹ bekrönt. In seiner Mischwesen in Babylonien und Assyrien Monster in der mesopotamischen Literatur 55 Rechten hielt er das Schwert, in seiner Linken, v[or i]hm [– –]?. Es standen 15 Götter da, ich sah sie und betete zu ihnen.«30 Der hier zitierte Text illustriert in einmaliger Dichte die große Bandbreite und die unterschiedlichen Qualitäten an verschiedenen Mischwesen in der mesopotamischen Vorstellungswelt. Der assyrische Prinz, der in einem Traum die Unterwelt besuchte, schildert in dieser Passage zudem, wie es in der Unterwelt aussah. So gut auch die Beschreibung dieser Wesen erfolgte, so schwierig bleibt es doch, diese in der mesopotamischen Bilderwelt zweifelsfrei zu identiizieren. Umgekehrt erscheinen auch auf verschiedenen visuellen Medien Figuren über einen längeren Zeitraum hinweg, deren Bezeichnung uns (noch) nicht bekannt ist. Dies wird im Folgenden an einem populären Beispiel illustriert: der Sphinx. Abb. 4 Akkadzeitliches Rollsiegel mit Darstellung des Sonnengottes in seinem Boot. Eine Sphinx davor wird von einem Gott mit Dompteurstab geführt, 3. Jt. v. Chr. Mischwesen in Babylonien und Assyrien Monster ohne Namen – Eine kurze Bildgeschichte der Sphinx in Mesopotamien 56 Im Gegensatz zur Sphinx in Ägypten, deren Bedeutung und Funktion klar benennbar ist und die auch stets in souveräner, beinahe majestätischer Ruhe in Erscheinung tritt, sind Sphingen in Mesopotamien und den angrenzenden Regionen weder auf bestimmte Orte noch auf bestimmte Zusammenhänge festgelegt31. Sphingen erscheinen im bunten Kanon der mesopotamischen Mischwesen wie Flügelpferde und -stiere, Greifen, gelügelte Dämonen, Schlangendrachen und vielen weiteren Monstern. Die frühesten Belege einer Sphinx stammen bereits aus dem 3. Jt. v. Chr., am häuigsten erscheint dieses Mischwesen jedoch im späten 2. und dann im 1. Jt. v. Chr.32. Eine sumerische oder akkadische Bezeichnung dieses aus dem Körper eines Löwen, den Flügeln eines Raubvogels und einem menschlichen Kopf bestehenden Wesens ist nicht überliefert33. Einen speziellen Sphinx-Begriff, wie später in Griechenland, scheint es im alten Vorderasien nie gegeben zu haben. Daher kann die mesopotamische Sphinx pars pro toto für das Auftreten und Funktionieren von vielen gelügelten Mischwesen in Vorderasien stehen. Sphingen sind in dem riesigen Kulturraum Vorderasien auch nie einheitlich gestaltet worden. Die syrische Sphinx wird meistens mit Löwenleib, Menschenkopf mit Haar, das vorne auf die Schultern fällt, manchmal auch mit einer Locke am Hinterkopf, sowie mit oder ohne Flügel wiedergegeben34. Ganz ähnlich erscheint die Sphinx in Anatolien und auch in Iran ist die Sphinx ein bekanntes Mischwesen. Abb. 5 Akkadzeitliches Rollsiegel mit mythologischer Szene. Der Sonnengott Šamaš thront im Götterboot, vor ihm steht eine lügellose und angeleinte Sphinx, 3. Jt. v. Chr. Abb. 6 Prozession von Vegetationsgottheiten und dem Sonnengott Šamaš, angeführt von einer schreitenden Sphinx. Akkkadische Siegelabrollung, 3. Jt. v. Chr. In Mesopotamien erscheinen Sphingen zunächst als Löwen mit bärtigen Menschenköpfen, wie uns akkadische Rollsiegel aus dem 3. Viertel des 3. Jt. v. Chr. offenbaren (Abb. 4). Die Bedeutung der Sphinx im Alten Orient ist bislang nicht überzeugend dargelegt worden, was aber vor allem an den zahlreichen unterschiedlichen Kontexten liegen mag, in denen Sphingen in den altorientalischen Bilderwelten auftreten. Im Gegensatz dazu sind die Bedeutung und die Funktion der Sphinx in Ägypten, wie gesagt, klar zu umschreiben: Diese ist die Verkörperung der königlichen, pharaonischen Macht, weshalb sie auch das Symbol dafür, den Uräus, an ihrer Stirn trägt. Im Alten Orient hingegen dient die Sphinx als Begleittier in religiösen Szenen, erscheint gemeinsam mit anderen Mischwesen, trägt mit einem Tier einen Kampf aus (Kat. 14) oder wird von Helden, Genien und Dämonen im Kampfe bezwungen (Kat. 15). Die Sphinx könnte vielleicht ähnlich wie Löwen oder Greifen ein Verweis auf die alle Feinde vernichtende Macht sein35. Durch das Bezwingen und Unterwerfen dieser Wesen wird die wilde Natur, das Unberechenbare beherrscht und somit berechenbar, die Zivilisation kann wachsen und das Land gedeihen. In der Akkadzeit im 3. Jt. v. Chr. tritt uns die Sphinx als ein gebändigtes Wesen entgegen, das im Dienste der Götter steht. Siegelbilder zeigen Sphingen an der Leine im Boot des Sonnengottes Šamaš (Abb. 5), von einem nicht näher benannten Gott mit einem Dompteurstab wiederum vor dem thronenden Šamaš geführt (Abb. 4) oder eine Prozession von Vegetationsgöttern und dem Sonnengott anführend (Abb. 6). Bei allen Siegeln erscheint die Sphinx gemeinsam mit Šamaš, der in seinem Götterschiff durch die Gewässer der Unterwelt fährt und anhand der Sonnenstrahlen, die aus seinen Schultern emporwachsen, zu erkennen ist36. Die Darstellungen dieser mythologischen Szene belegen, dass die Sphinx zumindest im 3. Jt. v. Chr. mit dem Sonnengott Šamaš verbunden war. Nach 2000 v. Chr. erscheinen Sphingen in Vorderasien mit Flügeln. Zu den frühesten Belegen gehören die gelügelten Sphingen der sog. Investiturszene, ein Wandgemälde im altbabylonischen Palast von Mari in Syrien aus dem 18. Jh. v. Chr. (Abb. 7). Im Zentrum des Freskos beindet sich ein mehrfach gerahmtes, in zwei Friese unterteiltes Bild, das unten zwei Göttinnen mit wassersprudelnden Gefäßen und oben die Göttin Ištar und den ehrfurchtsvoll vor ihr stehenden König Zimrilim zeigt. Das zentrale Bildfeld wird von Dattelpalmen gerahmt, an denen sich Mischwesen beinden, darunter Greifen, menschenköpige Stiere und gelügelte Sphingen. Die Sphinx erscheint hier also in einer rituellen Umgebung. Ganz ähnliche Darstellungen inden sich auf kassitischen und mittelassyrischen Mischwesen in Babylonien und Assyrien Abb. 7 ›Investiturszene‹. Wandmalerei aus dem Palast des Königs Zimrilim in Mari/Syrien, frühes 2. Jt. v. Chr. 57 Rollsiegeln aus der 2. Hälfte des 2. Jt. Dort erscheinen gelügelte Sphingen oftmals in antithetischer Anordnung und lankieren ein sich zwischen ihnen beindliches Tier oder einen sog. Lebensbaum (Abb. 8). Zudem werden Sphingen alleine schreitend oder sitzend, einen Thron lankierend, dargestellt. Während diese Wiedergaben durchaus mit der Würde und Ruhe der ägyptischen Sphinx vergleichbar sind, treten in Mesopotamien ebenso viele Bilder auf, die eine bewegte und aggressiv agierende Sphinx bei der Jagd, im Kampf und in bezwungener Position zeigen. Auf neuassyrischen und neubabylonischen Rollsiegeln (9.–6. Jh. v. Chr.) ist die Bezwingung oder vielleicht auch Zähmung der Sphinx ein beliebtes Motiv (Abb. 9). Ein Held hat eine Sphinx an einem Vorderbein gepackt und hält sie empor, mit der Waffe in der anderen Hand holt er aus, um das Wesen zu erschlagen. Mit einem Bein steht der Held auf einer weiteren, vor ihm kauernden kleinen Sphinx. Schließlich dient die Sphinx als Begleittier in religiösen Szenen: Gelügelte assyrische Schutzgenien namens Apkallu und später dann der königliche persische Held stehen auf dem Rücken der Sphinx und führen rituelle Handlungen aus (Abb. 10; vgl. Kat. 16). Hier schließt sich wieder der Kreis zu den frühen Sphinxbildern in der Akkadzeit im 3. Jt. Die Sphinx ist ein Wesen, das den Göttern und Genien dient, und seine Kraft in den Dienst der positiven Mächte stellt. Zugleich erzeugt es einen engen Bezug zur wilden Natur, als deren Teil es überwunden wird. Abb. 8 Neben einem Helden im Typus des Herrn der Tiere lankieren eine Sphinx und ein Greif einen stilisierten Baum. Umzeichnung eines syrischen Rollsiegels des 14. Jh. v. Chr. Abb. 9 Ein Held bezwingt zwei Sphingen. neubabylonisches Mischwesen in Babylonien und Assyrien Rollsiegel, 7./6. Jh. v. Chr. Der kurze Überblick zeigt, dass die Darstellungen von Sphingen und die Orte ihres Erscheinens weitaus dynamischer waren als in Ägypten, wo die einmal gefundenen Formen bis in die Spätantike tradiert wurden. In den politisch wie ethnisch heterogenen Regionen Vorderasiens bildeten sich Variationen der Sphinx heraus, die wiederum eigene Bildtraditionen entwickelten und über Jahrhunderte geplegt wurden. 58 Abb. 10 Zwei gelügelte Genien, auf Sphingen stehend, lankieren einen stilisierten Baum und Gott in der gelügelten Sonnenscheibe. Assyrisches Rollsiegel, 8. Jh. v. Chr. Anmerkungen photographischen Bildern. Kriterium ist häuig nur die Materialität von * Bildern, also ihre Manifestation in bestimmten Medien, was sie von Nils C. Ritter. Schattenbildern und mentalen Bildern unterscheidet, die nur von 1 Einen guten historischen Überblick bietet Veenhof 2001. Zauberern, Hexen und begabten Bildkünstlern zum sehen gebracht 2 Die Geschichte Assyriens wurde zuletzt gut lesbar zusammenge- werden können, vgl. Wendl – Behrend 1998, 11. fasst in Cancik-Kirschbaum 2003. 18 Bonatz 2002a, 14. 3 19 Berlejung 1998, 63. Erst relativ rezent hat sich in der Forschung die Ansicht durchgesetzt, dass zwischen der Dynastie der Teispiden und jener der 20 Bonatz 2002a, 13. Achaimeniden ab Dareios I. zu unterscheiden ist, weil dieser mit 21 Bonatz 2002b, 58; Ritualtext »Hochzeit des Totengeistes« und seiner Usurpation ein neues Herrscherhaus etablierte. Deshalb muss Rekonstruktion einer Puppe aus Schilf bei Schwemer 1998, 63–65. von zwei persischen Königshäusern ausgegangen werden: erst die Weitere keilschriftliche Ritualtexte zu den prophylaktischen Figuren Teispiden und dann die Achaimeniden. Eine kurze Zusammenfassung bei Wiggermann 1992; zu den apotropäischen Figurinen aus Tempeln der relevanten Argumente bietet Rollinger 2006, 40–53. Ausführli- im 3. und 2. Jt. siehe Braun-Holzinger 1999; einen guten Überblick cher dazu Rollinger 1998a. über die magischen Figurinen in assyrischen Häusern liefern Curtis – 4 Reade 1995, 109–112. Die Überlieferung zu diesem Problem, die sich hauptsächlich auf einen Beleg beim karischen Historiker Herodot stützt, wurde in der 22 Forschung gerade im Vergleich mit der keilschriftlichen Überlieferung 23 Bonatz 2002b, 62. kontrovers diskutiert; s. hierzu Rollinger 1998b; Waerzeggers 24 Bonatz 2002b, 54. 2003–2004 und Baker 2008. 25 Reichle – Siegel 2009, 9. 5 26 Einleitende Bemerkungen zum Text inden sich bei Lambert Einen guten Überblick über den Zug Alexanders III. bietet aktuell Bonatz 2002b, 58–59. Demandt 2009. 1997, 565–569 und Foster 2005, 436–438. 6 Zur Frage des Endes der Keilschriftkultur wurde in den letzten 27 Die Übersetzung richtet sich nach Lambert 1997, 580. Jahren eine lebhafte Debatte geführt. Grundlegend ist immer noch 28 Akkadisches Handwörterbuch (AHw) Bd. 1, 112 s. v. »bašmu(m)«. Oelsner 2002; s. dazu auch Geller 1997 und als Antwort auf dessen 29 s. zum Text die Einführung in Foster 2005, 832–833. Thesen jetzt Westenholz 2007. 30 Die Übersetzung wurde von Frau Nele Diekmann, M.A., Berlin im 7 Groneberg 2004, 35–36. Rahmen ihrer Magisterarbeit am Institut für Altorientalistik der Freien 8 Der Name der Liste kommt daher, dass in diesem Text immer der Universität Berlin im Jahre 2010 angefertigt. sumerische Name einer Gottheit, in diesem Falle AN, mit der 31 akkadischen Übersetzung, in diesem Falle Anum, dem Namen des Vorderasien vom 3. bis zum 1. Jt. bietet Demisch 1977, 40–63. höchsten mesopotamischen Gottes, versehen ist. 32 Collon 2005, 186. 9 33 Landsberger 1934, 88 deutet das sumerische AB-ZA-ZA (akkad. Die Liste AN: Anum enthält insgesamt etwa 1970 Namen von Eine gut strukturierte Sammlung an Belegen zur Sphinx in Göttern, wobei bedeutende Gottheiten mehrere Namen auf sich Apsasu) einerseits als mythologisches Wesen, möglicherweise eine vereinten, so etwa Babylons Stadtgott Marduk 50 und Ea, der Gott Sphinx, andererseits als reales Tier. des unterirdischen Süßwasserozeans apsu, aus dem alle Flüsse ihr 34 Otto 2000, 257. Wasser erhielten und der somit ausgesprochen bedeutend war, 35 Otto 2000, 258. 40 Namen, wie Lambert 1957–1975, 475–476, ausführt. 36 Diese Siegel gehören der frühen akkadischen Glyptik der 10 sog. Tigris-Gruppe an, s. dazu Boehmer 1965, 79–81. Eine allgemeine Einführung in die mesopotamische Religion bietet Groneberg 2004. 11 Ein Beispiel ist »Abubu«, was im Deutschen konventionell mit »Sintlut« übersetzt wird. 12 Belting 2009, 23. 13 Gut lesbare, systematische Einführungen in die Glyptik Vorderasiens bieten Klengel-Brandt 1997 und Collon 2005. 14 Berlejung 1998, 62. 15 Bonatz 2002a, 11. 16 Berlejung 1998, 62. 17 Auch in vielen modernen afrikanischen Sprachen werden Bildbegriffe nicht differenziert. In der westafrikanischen, vornehmlich in Ghana und der Elfenbeinküste vorkommenden Sprache Akan etwa gibt es keine sprachlichen Unterschiede zwischen gemalten und Mischwesen in Babylonien und Assyrien Nach Foster 2005, 832–835; Übers. Andreas Gräff und 59 Literatur Baker 2008 Braun-Holzinger 1999 H. D. Baker, Babylon in 484 BC: The Excavated Archival Tablets as a E. Braun-Holzinger, Apotropaic Figures at Mesopotamian Temples in Source for Urban History, ZA 98, 2008, 100–116. the Third and Second Millennia, in: T. 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Mit Hilfe der Bilder sollten über Rituale Krankheiten und Unheil vertrieben werden. Denn häuig versuchten die Menschen Mesopotamiens, mittels einer rituell animierten Figur sich und ihre Häuser vor diesen Übeln zu schützen, die sie sich in Gestalt von Wesen, wie Lamaštu, Pazuzu oder Lilith vorstellten. Pazuzu ist ein einzigartiges Mischwesen, zusammengesetzt aus Körperteilen von Mensch, Stier, Löwe, Raubvogel und Skorpion. Literatur: Bonatz – Kühne – Mahmoud 1998, Nr. 120; Heeßel 2002. (Autor: Nils C. Ritter) Kat. 12 Relief mit Darstellung eines kriegerischen Gottes auf einem Mischwesen Abguss Berlin 10/30. Original: Berlin, Vorderasiatisches Museum, VA 8750. Gipsstein; Höhe 47 cm, Breite 34 cm. Neuassyrisch, 7. Jh. v. Chr. Aus Assur, Privathaus im Norden der Stadt (Irak). Literatur: Börker-Klähn 1982, 223 Nr. 243; Staatliche Museen zu Berlin 1992, Kat. Nr. 115. (Autor: Nils C. Ritter) Mischwesen in Babylonien und Assyrien Das Relief stammt aus dem Haus eines wohlhabenden Assyrers und nahm dort vielleicht als Wandbild den Platz eines Kultbildes in einer Art Hausschrein oder Privatkapelle ein. Zu sehen ist eine mit Schwert, Köcher und Keule bewaffnete Gestalt, die aufgrund ihrer Hörnerkrone als Gott zu identiizieren ist. Der Gott steht auf einem gelügelten, gehörnten Löwen. Im oberen Bildfeld beinden sich verschiedene Göttersymbole, darunter die Mondsichel des Mondgottes Sın, ˉ das Siebengestirn der kriegerischen Ištar, die Sonnenscheibe des Sonnengottes Šamaš sowie die zumeist dem Reichsgott Assur zugewiesene gelügelte Sonnenscheibe. Wen jedoch die Figur auf dem Mischwesen letztlich darstellt, bleibt unsicher, wahrscheinlich handelt es sich um den Gott Assur oder um einen der obersten Himmelsgötter Anu oder Enlil. Das Bild zeigt exemplarisch ein Mischwesen als Begleittier eines Gottes, wie es charakteristisch für Mesopotamien ist. 63 Kat. 13 Rollsiegel mit bärtiger Sphinx Zeichnung Konrad Eyferth. Original: Berlin, Vorderasiatisches Museum, VA 3257. Achat; Höhe 3 cm. Mittelassyrisch, 13. Jh. v. Chr. Aus dem Kunsthandel. Das Siegel ist teilweise zerstört. Dennoch ist gut zu erkennen, dass das gesamte Bildfeld von einer bärtigen Sphinx mit Hörnerkrone und riesigen, weit ausgebreiteten Flügeln bestimmt wird. Das Mischwesen hat seinen Kopf frontal dem Betrachter zugewandt. Die Darstellung ist besonders sorgfältig und detailliert gearbeitet worden. Dies ist typisch für die mittelassyrische Steinschneidekunst in der späten Bronzezeit. Literatur: Moortgat 1966, Nr. 580; Demisch 1977, Abb. 147. (Autor: Nils C. Ritter) Kat. 14 Mischwesen in Babylonien und Assyrien Rollsiegel mit Sphinx und Ziege Zeichnung Konrad Eyferth. Original: London, British Museum, 89600. Gipsstein; Höhe 2,8 cm. Neuassyrisch, ca. 9.–7. Jh. v. Chr. Aus einer Privatsammlung. Das Rollsiegel zeigt eine männliche Sphinx, die mit erhobener Pranke einen vor ihr kauernden Capriden attackiert. Die Sphinx geht in diesem Bild also auf die Jagd. Das gejagte Tier wendet sich von seinem Angreifer ab, wirft aber den Kopf zurück und blickt die Sphinx an. Im Bildfeld sind die Astralsymbole Stern und Mondsichel sowie weitere Symbole angebracht worden. 64 Literatur: Wiseman 1958, Taf. 86; Demisch 1977, Abb. 155. (Autor: Nils C. Ritter) Kat. 15 Rollsiegel mit Sphinx und Bogenschütze Zeichnung Konrad Eyferth. Original: London, British Museum, WA 108844. Serpentin; Höhe 2,9 cm. Neuassyrisch, ca. 820–740 v. Chr. Aus einer Privatsammlung. Die Abrollung dieses leicht beschädigten Rollsiegels zeigt eine Kampfszene zwischen einem knieenden Bogenschützen im rechten Bildfeld und einem Mischwesen aus Löwenkörper, Flügeln und menschlichem Kopf. Das Wesen hat sich dem Bogenschützen zugewandt und holt mit seiner erhobenen linken Tatze zum Schlag gegen den Angreifer aus. Zwischen den beiden Akteuren beindet sich ein kleiner stilisierter Baum. Literatur: Collon 2001, Nr. 15. (Autor: Nils C. Ritter) Kat. 16 Abguss Berlin 10/31. Original: Berlin, Vorderasiatisches Museum, VA 563. Chalzedon; Höhe 2,7 cm. Achaemenidisch, 6.–4. Jh. v. Chr. Aus einer Privatsammlung. Das qualitätvoll geschnittene Siegel zeigt einen königlichen persischen Helden, der im Typus des ›Herrn der Tiere‹ zwei Löwen bezwingt, indem er sie jeweils an ihren Hinterbeinen emporhält. Der Held trägt das persische Faltengewand sowie eine Zackenkrone. Er steht auf zwei kleinen gelügelten Löwensphingen. Rechts daneben beindet sich eine fruchttragende Palme. Typisch für persische Siegelbilder mit diesem Motiv ist der heraldische Aufbau des Bildes. Literatur: Moortgat 1966, Nr. 762; Klengel-Brandt 1997, 13, Abb. 13. (Autor: Nils C. Ritter) Mischwesen in Babylonien und Assyrien Rollsiegel mit Sphingen, königlichem Held und Löwen 65