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Stellenwert der laparoskopischen Nierenchirurgie in der Urologie

2006, Urologe A

Seit der ersten laparoskopischen Nephrektomie durch Clayman 1990 wurden beinahe alle ablativen und rekonstruktiven operativen Maßnahmen an der Niere auch laparoskopisch durchgeführt. Für die gutartigen Erkrankungen konnte schon früh die Vorteile der Laparoskopie im Vergleich zur offenen Operation nachgewiesen werden. Diese zeigen sich in einem verringerten postoperativen Schmerzmittelkonsum, der kürzeren Hospitalisationsdauer, der kürzeren Rekonvaleszenz und als gut objektivierbare Parameter der geringere Anstieg von Interleukinen und Akute-Phase-Proteinen, als Ausdruck der geringeren Invasivität. In einer Vielzahl von Publikationen ist in den letzten Jahren über die Wertigkeit der Laparoskopie in der Nierenchirurgie bei malignen Erkrankungen berichtet worden. Für die laparoskopische radikale Nephrektomie beim Nierenzellkarzinom und auch aus einigen Zentren für die laparoskopische Nierenteilresektion konnte eine Gleichwertigkeit zu den offen operativen Verfahren bezüglich des onkologischen Outcomes nachgewiesen werden, mit allen Vorteilen der minimal-invasiven Techniken. Neben der ständigen Weiterentwicklung der Technik ist die Verbreitung der Methode eine der wichtigen gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben. Since the first laparoscopic nephrectomy in 1990, most ablative and reconstructive urological kidney surgery has been attempted laparoscopically. The advantages of this method were first demonstrated for benign diseases, with less postoperative pain, shorter hospitalization, faster convalescence and, for the objective evaluation of these findings, with lower serum levels of interleukins and acute phase proteins, and without disadvantages in therapy efficiency. Over the last few years, sufficient data have been published to show the oncological outcome for patients with kidney cancer. For laparoscopic radical nephrectomy, and recently also for partial nephrectomy, oncological equality with open procedures could be demonstrated, with all of the benefits of minimally invasive techniques. The use of laparoscopy was one of the most important steps in the progress of medicine in the 20th century. Our aims include the further improvement of this technique and its distribution to surgical centers.

Leitthema Urologe 2006 · 45:1111–1117 DOI 10.1007/s00120-006-1157-9 Online publiziert: 15. August 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 A. Jurczok · A. Hamza · A. Nill · H.-P. Gerbershagen · P. Fornara Klinik und Poliklinik für Urologie, Medizinische Fakultät, MartinLuther-Universität Halle/Wittenberg, Halle/Saale Redaktion Stellenwert der laparoskopischen Nierenchirurgie in der Urologie J. Rassweiler, Heilbronn In der Urologie haben sich minimalinvasive Verfahren im Gegensatz zu anderen operativen Disziplinen von Anfang an synchron zu den offenoperativen Techniken entwickelt. Überraschenderweise war initial das Interesse der Urologen an der Laparoskopie trotz Vertrautheit mit endoskopischen Operationsverfahren eher gering. Sieht man von frühen Kasuistiken ab, wird der Beginn der laparoskopischen Chirurgie in der Urologie mit der ersten pelvinen Lymphadenektomie gleichgesetzt, die W. Schuessler und T. Vancaillie in San Antonio (Texas, USA) im Oktober 1989 durchführten. Ein weiterer Meilenstein war die erste laparoskopische Nephrektomie, die R.V. Clayman 1990 durchführte. Nach der Einführung und schrittweisen Etablierung laparoskopischer Operationstechniken in der Urologie mit reproduzierbaren Ergebnissen bei benignen Erkrankungen entwickelte sich die laparoskopische Technik zur Behandlung uroonkologischer Krankheitsbilder zunächst eher zögerlich. Neben der pelvinen Lymphadenektomie beim Borderlineprostatakarzinom und der retroperitonealen laparoskopischen Lymphadenektomie beim nicht-seminomatösen Hodentumor nahm die Anzahl laparoskopisch durchgeführter Tumornephrektomien sowie die Anzahl radikaler Prosta- tektomien weltweit, so auch in Deutschland, rasch zu. Das Indikationsspektrum wurde zunächst für die benignen Indikationen exakt definiert. Zu den Standardindikationen, die mittlerweile das offen operative Vorgehen verdrängt haben, gehört die Nephrektomie bzw. Nephroureterektomie einer oder beider funktionsloser Nieren/ Harnleiter, die plastische Korrektur bei Ureterabgangsenge, Nierenzystenmarsupialisation sowie die Nephropexie bei Ren mobilis. Bezüglich des Stellenwertes laparoskopischer Verfahren bei der Diagnose und Behandlung urologischer Malignome ist die Datenlage mittlerweile ebenfalls gefestigt. Diese zeigt für radikale Tumornephrektomie beim Nierenzellkarzinom mindestens eine Gleichwertigkeit bezüglich des onkologischen Outcomes und eine Überlegenheit des klinischen Outcomes [2]. Für die Nierenteilresektion zeichnet sich bei zunehmender technischer Perfektionierung die gleiche Tendenz ab, wobei hier technikimmanente Grenzen die Anwendbarkeit immer noch limitieren [8]. Anästhesie und Lagerung des Patienten Die laparoskopischen Operationen in der Urologie erfolgen grundsätzlich unter allgemeinästhesiologischen Bedingungen (Intubationsnarkose). Regionalanästhesi- ologische Methoden haben sich nicht bewährt. Bei Eingriffen im Bereich der Niere, des Harnleiters und der retroperitonealen Gefäßstrukturen (RLA) wird die thorakoabdominelle Lagerung, seltener eine klassische Flankenlagerung verwendet. Eine standardisierte Positionierung der Trokare erweist sich als vorteilhaft (. Abb. 1), [26]. Nephrektomie und radikale Tumornephrektomie Die Indikationen zur Nephrektomie stellen funktionslose Nieren dar bzw. das Nierenzellkarzinom (. Tab. 1), [2]. Die laparoskopische Tumornephrektomie ist indiziert, wenn es sich entweder um kleinere bis mittelgroße Tumoren (T1- bis T2Befunde) handelt, welche aufgrund ihTab. 1 Indikationen zur laparoskopischen Nephrektomie Nierenzellkarzinom (T1–2) Funktionslose Niere wegen Chronischer Pyelonephritis Refluxnephropathie (Nephroureterektomie) Maligne renale arterielle Hypertonie Maligne Nephrosklerose Renale Dysplasie Nierenarterienembolie Chronische Hydronephrose Nierenbeckenabgangsstenose oder Ureterstenose Nephrolithiasis Der Urologe 9 · 2006 | 1111 Zusammenfassung · Abstract Urologe 2006 · 45:1111–1117 DOI 10.1007/s00120-006-1157-9 © Springer Medizin Verlag 2006 A. Jurczok · A. Hamza · A. Nill · H.-P. Gerbershagen · P. Fornara Stellenwert der laparoskopischen Nierenchirurgie in der Urologie Zusammenfassung Seit der ersten laparoskopischen Nephrektomie durch Clayman 1990 wurden beinahe alle ablativen und rekonstruktiven operativen Maßnahmen an der Niere auch laparoskopisch durchgeführt. Für die gutartigen Erkrankungen konnte schon früh die Vorteile der Laparoskopie im Vergleich zur offenen Operation nachgewiesen werden. Diese zeigen sich in einem verringerten postoperativen Schmerzmittelkonsum, der kürzeren Hospitalisationsdauer, der kürzeren Rekonvaleszenz und als gut objektivierbare Parameter der geringere Anstieg von Interleukinen und Akute-Phase-Proteinen, als Ausdruck der geringeren Invasivität. In einer Vielzahl von Publikationen ist in den letzten Jahren über die Wertigkeit der Laparoskopie in der Nierenchirurgie bei ma- lignen Erkrankungen berichtet worden. Für die laparoskopische radikale Nephrektomie beim Nierenzellkarzinom und auch aus einigen Zentren für die laparoskopische Nierenteilresektion konnte eine Gleichwertigkeit zu den offen operativen Verfahren bezüglich des onkologischen Outcomes nachgewiesen werden, mit allen Vorteilen der minimal-invasiven Techniken. Neben der ständigen Weiterentwicklung der Technik ist die Verbreitung der Methode eine der wichtigen gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben. Schlüsselwörter Laparoskopische Nierenchirurgie · Nierenzellkarzinom · Nierenteilresektion · Onkologisches Outcome The value of laparoscopic kidney surgery in urology Abstract Since the first laparoscopic nephrectomy in 1990, most ablative and reconstructive urological kidney surgery has been attempted laparoscopically. The advantages of this method were first demonstrated for benign diseases, with less postoperative pain, shorter hospitalization, faster convalescence and, for the objective evaluation of these findings, with lower serum levels of interleukins and acute phase proteins, and without disadvantages in therapy efficiency. Over the last few years, sufficient data have been published to show the oncological outcome for patients with kidney cancer. For laparoscopic radical nephrectomy, and re- 1112 | Der Urologe 9 · 2006 cently also for partial nephrectomy, oncological equality with open procedures could be demonstrated, with all of the benefits of minimally invasive techniques. The use of laparoscopy was one of the most important steps in the progress of medicine in the 20th century. Our aims include the further improvement of this technique and its distribution to surgical centers. Keywords Laparoscopic kidney surgery · Renal cell carcinoma · Partial kidney resection · Oncological outcome rer zentralen Lokalisation nicht einer organerhaltenden Maßnahme zugeführt werden können, oder wenn es sich um T1Befunde handelt, welche >4 cm (<10 cm T1b–T2) sind und damit gleichermaßen nicht organerhaltend chirurgisch versorgt werden sollten [2]. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Indikation zur organerhaltenden Therapie im Wandel begriffen ist und Daten vorliegen, die eine onkologische Sicherheit bei der Nierenteilresektion bei Tumoren ≤7 cm möglich erscheinen lassen [29]. Technik (transperitoneal) Die Etablierung des Pneumoperitoneums erfolgt mittels einer Veress-Nadel. Der Eingriff wird in thorakoabdominaler Lagerung durchgeführt. Normalerweise werden vier 12-mm-Arbeitstrokare inklusive Kameraport benötigt, wobei der 1. Trokar für die Kamera supraumbilikal in der Medianlinie platziert wird. Zwei Trokare befinden sich auf der zu operierenden Seite, pararektal in Verlängerung der Medioklavikularlinie unterhalb des Rippenbogens, sodass ein gleichschenkliges Dreieck mit dem Bauchnabel entsteht. Ein Trokar befindet sich unmittelbar subxyphoidal zur Einbringung des Retraktors, der zum Halten der Leber bzw. der Milz bzw. des Colon ascendens oder descendens nach medial genutzt wird. Zunächst erfolgt die Inzision des Peritoneums laterokolisch auf der zu operierenden Seite mit Inzision der avaskulären Toldt-Linie (. Abb. 2). Bei der Tumornephrektomie wird die Niere inklusive Fettkapsel präpariert, der proximale Ureter entsprechend mobilisiert und zum Halten eleviert. Zur Präparation wird ein Endodissektor und eine an die Elektrokoagulation angeschlossene Endoschere genutzt. Der fächerförmige Retraktor wird zum Halten der Leber und Milz genutzt. Die hilären Gefäßstrukturen der Niere werden freipräpariert. Die Nierenarterie wird durch mehrere Clips gesichert (. Abb. 3), um sie schließlich gegebenenfalls unter Nutzung eines Endogias zu durchtrennen. Die Nierenvene wird entweder in gleicher Weise oder nur mit dem Gia abgesetzt (. Abb. 4). Kleinere akzessorische oder aberrierende Gefäße werden mit Clips versorgt und durchtrennt. Leitthema Abb. 2 8 Zugang zum Retroperitoneum durch Inzision der Toldt-Linie Abb. 1 8 Standardisierte Trokarpositionierung für Eingriffe an der Niere Abb. 3 8 Unterbindung der Nierenarterie durch Endoclips Abb. 4 8 Unterbindung und Absetzten der Nierenvene durch einen Endogia Abb. 5 8 Unterbindung des Harnleiters durch Endoclips und Absetzten Abb. 6 8 Entfernung des Präparats mit dem Endobag Am oberen Pol muss ggf. die Nebenniere mit der Niere mobilisiert werden. Nach Durchtrennung des Ureters ( . Abb. 5) erfolgt die Bergung des Organs in einem Organbergebeutel (. Abb. 6). Hierbei wird vorzugsweise der Kameraport verwendet, der zur Organbergung auf 30–50 mm erweitert wird. Dieser supraumbilikale Längsschnitt verursacht die geringste Traumatisierung, da hier kein weiteres Muskelgewebe verletzt werden muss. Ein Morcellement ist bei der Tumornephrektomie kontraindiziert und auch bei der Nephrektomie bei benignen Erkrankungen nicht notwendig. Alle Ports werden unter Sicht entfernt. Es erfolgt der schichtweise Wundverschluss von extrakorporal. Bei stark entzündlich veränderten Organen kann ein lokales Antibiotikum nach Wundspülung in die Nierenloge eingebracht werden. Gegebenenfalls können auch lokale Hämostyptika in die Nierenloge implantiert werden. re offen-operative Eingriffe typischen katabolen Stoffwechsellage [12]. Die Vorteile für die laparoskopisch operierten Patienten ergeben sich aus dem geringeren postoperativen Analgetikaverbrauch bei reduzierter stationärer Verweildauer und der kürzeren Rekonvaleszenz [13, 30]. Über die Ergebnisse der transperitonealen und auch retroperitonealen laparoskopischen Tumornephrektomie existiert heute eine Vielzahl von Daten, welche belegen, dass sie hinsichtlich der Operationszeit (2–6 h), der Komplikationsrate (1– 45%), der perioperativen Morbidität und der onkologischen Resultate vergleichbare Ergebnisse erreicht wie die konventionelle 1114 | Der Urologe 9 · 2006 Outcome Hinsichtlich der Operationszeit und der Komplikationsrate werden durch die laparoskopische Nephrektomie in Gegenüberstellung mit der offenen Nephrektomie vergleichbare Ergebnisse erzielt. Im Vordergrund steht die deutlich geringere Invasivität der Laparoskopie vor dem Hintergrund des Wegfalls der für größe- Abb. 7 8 Präparat nach bilateraler Nephrektomie Tumornephrektomie. Die Konversionsrate liegt zwischen 4–10%. Die Operation kann transperitoneal oder retroperitoneal durchgeführt werden und hat hinsichtlich des postoperativen Analgetikaverbrauchs, der stationären Verweildauer, der Rekonvaleszenz und auch der Kompromittierung des Immunsystems deutliche Vorteile gegenüber der offenen transperitonealen Tumornephrektomie, was sich u. U. auch positiv auf das onkologische Outcome auswirkt [15, 31, 34]. Nierentumorexzision und -destruktion Die Nierentumorexzision ist ein technisch anspruchsvoller laparoskopischer Eingriff, welcher unter der gleichen Indikationsstellung wie die offene Nierentumorexzision (kleiner Tumor <4 cm, T1a, günstige Lokalisation, imperative Indikation) durchgeführt wird. Alle technischen Methoden zur Blutstillung (Hiluskontrolle, Hämostyptika, Argonbeamer, Nahttechniken) sowie zur Protektion der Nierenfunktion (intra-, extrarenale Kaltischämie) haben auch in der Laparoskopie Einzug gehalten [9, 20]. Die bisherigen Ergebnisse zeigen anhand einer ausreichenden Datenlage ein kumulatives tumorfreies Überleben nach 3 Jahren bei fast 100% der operierten Patienten, Operationszeit und Komplikationen sind mit den Ergebnissen der offenen Operationen vergleichbar [1, 3, 5, 16]. Laparoskopische Verfahren zur lokalen Tumordestruktion wie Kryoablation oder Mikrowellentherapie befinden sich noch im experimentellen Stadium mit je- Abb. 8 8 Wundverhältnisse an 3. Tag nach bilateraler Nephrektomie doch z. T. schon ermutigenden Ergebnissen [6, 17] Transperitoneale laparoskopische bilaterale Nephrektomie Nephroureterektomie Nach einem von der Deutschen Liga zur Bekämpfung der Hypertonie validierten Score wird die Indikation für diesen Eingriff nach Ausschluss verschiedener Faktoren, die für die Entwicklung der arteriellen Hypertonie nach Nierentransplantation verantwortlich sein können (z. B. toxische Spiegel der immunsuppressiven Medikamente, eine Nierenarterienstenose), bei medikamentös nicht einstellbarem Hypertonus gestellt. In Ausnahmefällen kann eine bilaterale laparoskopische Nephrektomie bei Patienten durchgeführt werden, bei denen ein maligner Hypertonus bei terminaler Niereninsuffizienz schon vor einer geplanten Nierentransplantation bekannt ist und dieser ebenfalls therapierefraktär unter Einnahme der notwendigen Mehrfachkombination an antihypertensiven Medikamenten ist. Der Patient wird im Gegensatz zur einseitigen Nephrektomie oder Nephroureterektomie in Rückenlagerung operiert, sodass nur die entsprechende Rotation des Operationstisches für die Verbesserung des Operationsfeldes genutzt werden kann und lagerungsbedingt ungünstige Winkel im Gegensatz zur unilateralen Nephrektomie den Eingriff erschweren. Die Operation wird wie in den vorherigen Absätzen beschrieben durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Ansprechrate (75%) für das entsprechende Patientenkollektiv mit einer signifikanten Senkung des systolischen, diastolischen und mittleren arteriellen Blutdruckes, respektive in einer Verringerung der einzu- Indikation für diesen Eingriff ist eine Refluxnephropathie mit einem Funktionsverlust der Niere. Für das Urothelkarzinom des Nierenbeckens bzw. des Harnleiters attestiert die verfügbare Datenlage der Methode eine Vergleichbarkeit mit der offen-operativen Nephroureterektomie [4] und den bekannten Vorteilen der minimal-invasiven Operationstechnik. In einigen Serien werden sogar kürzere Operationszeiten bei deutlichem postoperativen Vorteil für den Patienten angegeben [22, 31]. Auf der anderen Seite ist das technische Problem des distalen Harnleiterabsetzungsrandes mit Blasenmanschette und der potentiellen Gefahr der Tumorzellverschleppung noch in der Diskussion [32]. Technik Den ersten Schritt dieser Operation stellt die Nephrektomie dar (s. oben). Anschließend wird der Ureter bis ins kleine Becken verfolgt. Die Vasa ureterica wird mit Miniclips versorgt, um sie dann nach Freipräparieren der Waldeyer-Scheide von extravesikal den Ureter mit einem 10-mmClip oder einem Stapler unter Mitnahme des gesamtem intramuralen Anteils zu durchtrennen (oder durch erweiterte Exzision mit einer Blasenmanschette unter zystoskopischer Kontrolle), [23]. Der Urologe 9 · 2006 | 1115 Leitthema nehmenden Antihypertensiva [14]. Das Präparat nach bilateraler Nephrektomie sowie die Wundverhältnisse am 3. postoperativen Tag nach bilateraler Nephrektomie sind in . Abb. 7 und 8 dargestellt. Nierenzystenmarsupialisation Die laparoskopische Resektion und Entfernung von größeren symptomatischen Nierenzysten (Flankenschmerz, Harnabflussstörung, arterielle Hypertonie) kann heute als Alternative zur offen-operativen Versorgung und zur perkutanen Nierenzystenpunktion und -verödung beschrieben werden. Die Vorteile des Eingriffs liegen erstens in der minimalen Invasivität, sowie in der Möglichkeit, einen zytologischen Befund zu erheben und hauptsächlich in der Möglichkeit, die Nierenzystenwand zu resezieren. Grundsätzlich sollte die Indikation wenigen gesicherten Fällen vorbehalten bleiben [10, 27]. Pyeloplastik Die laparoskopische Pyeloplastik hat sich als Alternative zur offenen Operation etabliert. Eine gute endoskopische Nahtund Knotentechnik ist erforderlich. Die meisten Daten existieren zur laparoskopischen Anderson-Hynes-Plastik, welche transperitoneal und zunehmend retroperitoneal realisiert wird [11]. Hier zeigen sich Erfolgsraten bis >90%, vergleichbar zum offenen Vorgehen mit allen Vorteilen der minimal-invasiven Operationstechnik [28]. Bei geringer Dilatation des Nierenbeckens wird teilweisen die laparoskopische Fenger-Plastik favorisiert, die ohne Durchtrennung des pyeloureteralen Übergangs (Non-dismembered-Technik) gute Langzeitergebnisse aufweist, wobei die Erfolgsraten überwiegend für die „Dimembered-Technik“ sprechen [7, 21]. Nephropexie Die laparoskopische Nephropexie ist bei einer symptomatischen Nephroptose die Therapieoption der Wahl. Eine strenge und restriktive Indikationsstellung ist zu fordern, wobei das gleichzeitige Vorkommen einer über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten objektivierbaren Schmerzsymptomatik, eines urogra- 1116 | Der Urologe 9 · 2006 phischen Korrelats und insbesondere einer in Orthostase nachweisbaren Perfusionsstörung der Niere zur Diagnosestellung obligat sind. Hierzu ist die Durchführung einer szintigraphischen Perfusionsstudie im Sitzen und im Liegen unter kontrollierten und standardisierten Bedingungen erforderlich. Durch den minimal-invasiven Zugang und durch die geringe Traumatisierung des Gewebes kommt es zu keiner Ausbildung eines postoperativen Beschwerdebildes, wie dies teilweise nach dem offen operativen Vorgehen der Fall war [24]. Adrenalektomie Die laparoskopische Adrenalektomie bei benignen adrenalen symptomatischen Tumoren kann heute als Standard alternativ zur offenen Entfernung adrenaler Raumforderungen bis 10 cm angesehen werden. Als Indikationen für eine laparoskopische Adrenalektomie sind aldosteronsezernierende Adenome, unilaterale kortikale Dysplasien (Conn-Syndrome), adrenale Cushing-Syndrome, Nebennierenhyperplasien und -zysten, Phäochromozytome und Inzidentalome (>4 cm) definiert [18]. Der Eingriff wird transperitoneal durchgeführt, kann aber auch retroperitoneal realisiert werden [25]. Das Vorliegen eines primären Nebennierenrindenkarzinoms ist eine allgemein anerkannte Kontraindikation für den Einsatz der Laparoskopie bei der Behandlung maligner adrenaler Raumforderungen und ist nur in Ausnahmefällen und bei kleinen und organbegrenzten Befunden indiziert [33]. Handelt es sich um eine adrenale Metastase, so kann eine sog. sekundäre laparoskopische Adrenalektomie unter der Voraussetzung durchgeführt werden, dass es sich um einen symptomatischen und solitären Befund handelt, bei dem die Dignität des Primärbefunds vorliegt [19]. Fazit für die Praxis Der Stellenwert der laparoskopischen Nierenchirurgie definiert sich aus der therapeutischen Gleichwertigkeit bzw. Überlegenheit im Vergleich zu offenoperativen Verfahren und aus technikspezifischen Vorteilen aufgrund der minima- len Invasivität. Für alle benignen Indikationen findet hier ein Paradigmenwechsel hin zur Laparoskopie statt. Gleiches gilt für die laparoskopische Tumornephrektomie. Bei der Nierenteilresektion wird es auf absehbare Zeit noch ein nebeneinander von offener und laparoskopischer Technik geben, da die schnelle und weite Verbreitung dieser doch sehr anspruchvollen laparoskopischen Methode naturgemäß längere Zeit in Anspruch nimmt. Die Wertigkeit der laparoskopischen Therapie des Urothelkarzinoms des oberen Harntrakts wird zzt. noch unterschiedlich beurteilt, wobei die Datenlage die Machbarkeit attestiert. Auch hier wird jedoch in absehbarer Zeit die Laparoskopie das offen operative Vorgehen nicht verdrängen. Neben der ständigen Weiterentwicklung der Operationstechnik ist die Verbreitung der Methode eine der wichtigsten gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben der laparoskopisch aktiven Zentren. Korrespondierender Autor Dr. A. Jurczok Klinik und Poliklinik für Urologie, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, Ernst-Grube-Straße 40, 06112 Halle/Saale [email protected] Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral. Literatur 1. Abukora F, Nambirajan T, Albqami N et al. (2005) Laparoscopic nephron sparing surgery: evolution in a decade. Eur Urol 47: 488–493 2. Albqami N, Janetschek G (2006) Indications and contraindications for the use of laparoscopic surgery for renal cell carcinoma. Nat Clin Pract Urol 3: 32–37 3. Allaf ME, Bhayani SB, Rogers C et al. (2004) Laparoscopic partial nephrectomy: evaluation of longterm oncological outcome. J Urol 172: 871–873 4. Bariol SV, Stewart GD, McNeill SA, Tolley DA (2004) Oncological control following laparoscopic nephroureterectomy: 7-year outcome. J Urol 172: 1805–1808 5. Beasley KA, Al OM, Shaikh A et al. (2004) Laparoscopic versus open partial nephrectomy. 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Dieses bescheiden formulierte Ziel wird durch die klare Strukturierung der Themen und die große Anzahl qualitativ hochwertiger Beiträge mehr als erreicht, was bei der Auswahl der Autoren, deren Auflistung sich wie das Who-is-who der deutschen Gesundheitsökonomie und -politik liest, nicht verwunderlich ist. Die abgehandelten Themen sind in vier Hauptkapitel untergliedert. Im ersten Kapitel wird die Verknüpfung von Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik beschrieben, bevor die makro- und mikroökonomischen Zusammenhänge des Gesundheitssystems dargelegt werden. Abschließend werden konkrete ökonomischen Anreize und Optionen v.a. für Krankenhäuser und Krankenkassen besprochen. Das Buch schafft es, die Brücke zwischen theoretischer Diskussion und der Abhandlung aktueller, praxisrelevanter Themen wie Bürgerversicherung versus Pauschalprämie oder der aktuellen Entwicklung der DRGs zu schlagen. Dieser hilfreiche Mix aus Kompendium und sehr konkreten Lösungsvorschlägen zu den wichtigen aktuellen Themen des Gesundheitssystems macht die Beiträge zu einer Pflichtlektüre für alle am Gesundheitssystem interessierten und beteiligten. Ulrich Ahrens (München) Der Urologe 9 · 2006 | 1117