Kernos
Revue internationale et pluridisciplinaire de religion
grecque antique
22 | 2009
Varia
Apollo Agyeus in Mesembria
Ligia Ruscu
Édition électronique
URL : http://journals.openedition.org/kernos/1777
DOI : 10.4000/kernos.1777
ISSN : 2034-7871
Éditeur
Centre international d'étude de la religion grecque antique
Édition imprimée
Date de publication : 1 janvier 2009
Pagination : 125-132
ISSN : 0776-3824
Référence électronique
Ligia Ruscu, « Apollo Agyeus in Mesembria », Kernos [En ligne], 22 | 2009, mis en ligne le 26 octobre
2012, consulté le 29 avril 2019. URL : http://journals.openedition.org/kernos/1777 ; DOI : 10.4000/
kernos.1777
Kernos
Kernos 22 (2009), p. 125 132.
Apollo Agyeus in Mesembria*
Zusammenfassung: Die Schutzgottheit der Stadt Mesambria war Apollon, dessen
Epiklesen hier jedoch unbekannt sind. Ich bringe hier eine Argumentation zur Identifizie
rung einer solchen Epiklese. Apollon Agyeus, der Torhüter und Übelabwehrer, gilt als
dorischer Gott der Einwanderung, Eroberung und Inbesitznahme. Der Agyeus wird auch
mittels Steinsymbolen desselben Namens dargestellt (Spitzsäulen oder Spitzpfeiler). In
Mesambria fehlt die unmittelbare Bezeugung des Agyeuskultes, es kommen aber Funde aus
der Stadt Anchialos zur Hilfe. Diese, ursprünglich ein phrurion der ionischen Nachbarstadt
Apollonia, wurde von Mesambria erobert und blieb in der hellenistischen Zeit unter deren
Herrschaft oder zumindest Einfluß. Die Kulte in Anchialos wiederspiegeln jene von
Mesambria, wie angesichts des Kultes der Demeter Malophoros und jenem der ägyptischen
Gottheiten gezeigt werden kann. Aus Anchialos sind Münzen mit der Darstellung des agyeus
Pfeilers bekannt. Das Vorkommen von Symbolen eines ausgesprochen dorischen Kultes
läßt sich durch den Einfluß Mesambrias erklären, woraus hervorgeht, daß es den Kult des
Apollon Agyeus auch dort gab.
Abstract: The main god of Mesambria was Apollo, whose cult epithets are however
unknown here. I bring here arguments for the identification of one such epithet. Apollo
Agyeus, the guardian of gates and repeller of evil, was also the Dorian god of immigration,
conquest and occupation. The Agyeus was also represented by means of stone symbols of
the same name (pointed columns, pointed pillars). At Mesambria, the direct attestation of
the Agyeus cult is lacking, but we can use discoveries from the city of Anchialos. This was
initially a phrurion of the Ionian neighbour city of Apollonia; it was conquered by Mesambria
and during the Hellenistic epoch it remained under Mesambrian rule or at least influence.
The cults of Anchialos mirror those of Mesambria, as can be shown based on the cults of
Demeter Malophoros and on the cult of the Egyptian gods. From Anchialos come coins
with the image of the agyeus pillar. The appearence of symbols of an explicitly Dorian cult
can only be explained by the influence of Mesambria, which means that the cult of Apollo
Agyeus was also present there.
* Arbeit an dem vorliegenden Aufsatz wurde mir durch einen Aufenthalt an der Kommission
für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts in München
ermöglicht, wofür ich mich bei Herrn PD Dr. Rudolf Haensch bedanke. Mein besonderer Dank
gilt Herrn Professor Heinz Heinen (Universität Trier), der eine erste Fassung dieses Aufsatzes
durchlas und mir wertvolle Hinweise gab. Dank gebührt auch den Kollegen Dr. L. Vagalinski
und Dr. Hr. Prezhlenov für ihre Hilfe. – Es wurden folgende Abkürzungen benutzt: CCET I:
Z. GOČEVA, M. OPPERMANN, Corpus cultus equitis Thracii I. Monumenta orae Ponti Euxini Bulgariae,
Leiden, 1979 (EPRO, 74); IGB: G. MIHAILOV, Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae I V, Sofia,
1958 1997; IGRR: R. CAGNAT et al., Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes, Paris, 1906 1927;
ISM I: D.M. PIPPIDI, InscripŃiile din Scythia Minor I. Histria wi împrejurimile, București, 1983; ISM II:
I. STOIAN, InscripŃiile din Scythia Minor II. Tomis wi teritoriul său, București, 1987; ISM III: Al. AVRAM,
Inscriptions de Scythie Mineure III. Callatis et son territoire, Bucarest/Paris, 1999; RICIS: L. BRICAULT,
Recueil des inscriptions concernant les cultes isiaques I III, Paris, 2005; SIRIS: L. VIDMAN, Sylloge
inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae, Berlin, 1969 (RGVV, 28).
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Der Kult des Apollon, des bedeutendsten Gottes der Kolonisation, ist an der
westlichen Schwarzmeerküste gut bezeugt und wohlbekannt. Es handelt sich
dabei hauptsächlich um Apollon Ietros, den Gott der milesischen Schwarzmeer
kolonisten; aber auch die hiesigen dorischen Apoikien wenden sich an den
Orakelgott, allerdings unter anderen Kultbeinamen.
In Mesambria wird der Kult des Apollon mehrfach bezeugt. Ein Tempel des
Apollon wird in mehreren Inschriften erwähnt; er diente mindestens seit dem
frühen 3. Jh. v. Chr. als Aufstellungsort für öffentliche Urkunden1. Die imago
clipeata des Arztes Γλαυκ}ας °θανα}ωνος aus dem 1. Jh. v. Chr., eventuell vom
Ende des Jahrhunderts2, ist die einzige mesambrianische Inschrift, die nach dem
Namen des Apollon einen Kultbeinamen enthielt; leider ist dieser nicht erhalten.
Der von diesen Inschriften belegte Tempel war zweifellos das bedeutendste
Heiligtum der Stadt, obwohl unter bestimmten Umständen auch andere
Tempel3 als Aufstellungsorte für Dekrete dienten. Er ist wahrscheinlich mit
dem Heiligtum auf der Agora zu identifizieren4. Ein weiterer Tempel stand
vermutlich in der Nähe des Südhafens; von hier stammt ein Fragment einer
Kolossalstatue des Gottes, mit langem Haar, fließendem Gewand und einer
Kithara im linken Arm, so wie er auch auf mesambrianischen Münzen darge
stellt wird; sie läßt sich vielleicht noch in das 4. Jh. v. Chr. datieren5. Leider gibt
es noch keine archäologisch stratigraphischen Hinweise für die Datierung des
Tempels selbst6. Angesichts des Vorhandenseins zweier Tempel für dieselbe
Gottheit wäre zu erwarten, daß die Aufstellungsbestimmungen der Inschriften
1 Proxeniedekret für und der Vertrag mit dem Thrakerfürsten Sadala, erste Hälfte oder um
die Mitte des 3. Jh. v. Chr. (IGB I², 307 = ISE 123. Siehe zur Datierung G. MIHAILOV, „La
Thrace aux IVe et IIIe siècles avant notre ère“, Athenaeum 39 (1961), S. 40 42 (zwischen 281 und
277 v. Chr.); L. MORETTI, ad ISE 123 (Mitte des 3. Jh. v. Chr. oder danach); vgl. L. RUSCU,
RelaŃiile externe ale orawelor grecewti de pe litoralul românesc al Mării Negre, Cluj, 2002, S. 312 313;
M. OPPERMANN, Die westpontischen Poleis und ihr indigenes Umfeld in vorrömischer Zeit, Langen
weißbach, 2004 (ZAKS, 2), S. 143. Der Text nennt noch vier Vorgänger des Sadalas, denen am
selben Ort Stelen errichtet wurden. Proxeniedekret für den Lehrer (Γ)λ(α)υκ}ας °ριστοxwνειος aus
Kallatis (IGB I², 307bis = SEG 45, 870 = V. VELKOV (Hrsg.), Nessèbre III, Burgas, 2005, S. 159
160, Nr. 1) und Ehrendekret für Εªφαxος Παυσαν}α (IGB I², 308bis), beide aus der zweiten Hälfte
des 3. Jh. v. Chr. Ehrendekret aus dem 3. Jh. v. Chr. (IGB I², 308undecies). Proxeniedekret für den
Asten ¶ε…. ¶ηζου aus dem 2. (3.?) Jh. v. Chr. (IGB I², 312).
2 IGB I², 315 = SEG 45, 2265.
3 Tempel des Dionysos: Ehrendekret, Bekränzung gelegentlich der Dionysia, 3. Jh. v. Chr.
(IGB I², 308ter = CCET I 155 = V. VELKOV [Anm. 1], S. 160 162, Nr. 2); Tempel des Sarapis:
Proxeniedekret, 2. 1. Jh. v. Chr. (IGB V 5094 = M. TACHEVA HITOVA, Eastern Cults in Moesia
Inferior and Thracia (5th century BC – 4th century AD), Leiden, 1983 (EPRO, 95), S. 26 27, Nr. 45).
4 Hr. PREZHLENOV, „Mesambria“, in D.V. GRAMMENOS, E.K. PETROPOULOS (Hrsg.), Ancient
Greek Colonies in the Black Sea, Thessaloniki, 2003, S. 162 163.
5 L. OGNENOVA MARINOVA, „Mesambria Pontica”, in V. VELKOV, L. OGNENOVA MARINOVA,
Zh. CHIMBULEVA, Mesambria – Mesemvria – Nesebăr, Sofia, 1986, S. 34 35, 48 49; PREZHLENOV
(Anm. 4), S. 162.
6 Siehe dafür neuestens D. SASSELOV, „Secteur du mur d’enceinte sud de Messémvria
médiévale”, in VELKOV (Anm. 1), S. 127 158, besonders 136.
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angeben, um welchen davon es sich handelt. Dies ist aber nur bei der letzten
der Fall, bei der Ehreninschrift für den Arzt Glaukias Sohn des Athanaion: Nur
dieser Text enthielt ursprünglich eine Epiklese des Apollon. Da diese Inschrift
(1. Jh. v. Chr.) erheblich später als die anderen (3. Jh. v. Chr.) ist, darf wohl
angenommen werden, daß der Hafentempel des Apollon in dieser Zwischenzeit
errichtet wurde und daß die Statue eventuell ursprünglich von woandersher
stammte.
Es ist nicht bezeugt, welches die Kultepiklesen des Apollon in dieser Stadt
waren. Der Zweck der vorliegenden Zeilen ist es, einen Vorschlag für eine der
möglichen Epiklesen zu bringen und die Hinweise vorzustellen, die den
Vorschlag untermauern.
Betrachten wir zunächst die Mutterstadt Mesambrias, Megara. Hier war
Apollon Pythios der erste Gott der Stadt und diese überragende Bedeutung
seines Kultes wurde auch auf die megarischen Kolonien übertragen7. Deswegen
wurde es oft als naheliegend betrachtet, diese Epiklese auch in Mesambria
vorauszusetzen8; es wurde sogar vorgeschlagen, diese Epiklese in der Lücke
nach dem Namen des Gottes im oben genannten Ehrendekret für den Arzt
Glaukias zu ergänzen9. Allerdings stützt sich diese Annahme, außer dem
Vorkommen mancher von Pythios abgeleiteter Eigennamen10, die es auch in
ionischen Städten gibt, auf keinerlei Belege. Auch ist dies kein vereinzelter
Sachverhalt an der westpontischen Küste. Die andere Stadt megarischen
Ursprungs, Kallatis, ist von allen Schwarzmeerkolonien Megaras jene, die die
meisten und deutlichsten Beziehungen zum delphischen Orakel aufweist11. Sie
wurde κατ• χρησxnν gegründet, infolge eines Spruchs höchstwahrscheinlich
7 K. HANELL, Megarische Studien, Lund, 1934, S. 84 88, 164 174; Cl. ANTONETTI, „Le culte
d’Apollon entre Mégare et ses colonies du Pont“, in A. FRAYSSE, É. GÉNY (Hrsg.), Religions du Pont
Euxin. Actes du VIIIe Symposium de Vani – Colchide (1997), Paris, 1999, S. 17 24, besonders 17 19.
8 L. ROBERT, „Les inscriptions grecques de Bulgarie”, RPh 33 (1959), S. 216; R.F. HODDI
NOTT, Bulgaria in Antiquity, London, 1975, S. 43 45; Al. AVRAM, ISM III, S. 93 94.
9 Z. GOČEVA, „Le culte d’Apollon dans les colonies grecques de la côte ouest pontique“,
Kernos 11 (1998), S. 233 234.
10 Στ•ττιον Πυθοδ—ρου in einer Grabinschrift des 4. Jh. v. Chr. (in Odessos gefunden, aber
wahrscheinlich aus Mesambria stammend), IGB I², 102; die Tochter des Πυθ}ων in einer
Grabinschrift des 3. Jh. v. Chr., IGB I², 335quater; Πυθοδωρο in einer Ehreninschrift des 3. Jh. v.
Chr., IGB I², 308septies, wahrscheinlich derselbe auch in IGB I², 308quater; Βnτρυς Πυθοδ—ρου
und sein Sohn Πυθnδωρος Βnτρυος in einer Grabinschrift des 3. Jh. v. Chr., IGB I², 337bis; der
Stratege ³πικρ•της Πυθαγγwλου in einer Votivinschrift des späten 2. frühen 1. Jh. v. Chr., IGB V
5103; der Stratege °ντ}ανδρος Πυθοδ—ρου. in einer Votivinschrift des 1. Jh. v. Chr., IGB I², 324;
der Stratege Πυθ}ων Πολυν}κου in einer Votivinschrift des 1. Jh. v. Chr., IGB I², 326.
11 Siehe dazu Al. AVRAM, „Un règlement sacré de Callatis“, BCH 119 (1995), S. 235 252;
Al. AVRAM, F. LEFÈVRE, „Les cultes de Callatis et l’oracle de Delphes“, REG 108 (1995), S. 7 23.
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eben dieses Orakels12. Es ist also etwas befremdend, dass die Epiklese Pythios
in Kallatis ebensowenig wie in Mesambria belegt ist13.
Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß es einen Apollonkult gibt, der sich
für Apoikien noch besser eignet als der Pythios. Apollon Agyeus, der Torhüter
und Übelabwehrer14, gilt auch als dorischer Gott der Einwanderung, Eroberung
und Inbesitznahme und ist als solcher besonders für Koloniegründungen geeig
net. Ohne ein ausschließlich dorischer Kult zu sein, erscheint Agyeus vorwiegend
in dorischen Städten (Argos, Tegea15, Megalopolis, Troizen, Ambrakia, Halikar
nassos, Apollonia in Illyrien, aber auch Athen oder Orikos)16. Für Megara wird er
vom Lokalhistoriker Dieuchidas, dem Verfasser der Megarika, als Wahrzeichen
des Dorertums bezeugt17.
An der westlichen Schwarzmeerküste sind die Zeugnisse für seinen Kult nicht
zahlreich und sie lassen sich alle, direkt oder indirekt, mit einem megarischen
Ursprung in Verbindung bringen. Apollon Agyeus erscheint in Kallatis: Um die
Zeitenwende wurde ein Ehrendekret in ein Jahr mit dem Eponymat des Apollon
Agyeus datiert18. Dies ist nur eine unter mehreren Epiklesen des Apollon in
dieser Stadt19. In Tomis wurde dem Apollon Agyeus gemäß eines Orakelspruches
nach 170 n. Chr., in der Statthalterschaft des Legaten Niedermoesiens M. Macri
nius Avitus Catonius Vindex20 und in der Amtszeit des Dispontarchen P. Flavius
Theodorus, ein Altar errichtet21. Die Epiklese Agyeus ist die einzig erhaltene
12
Ps. Skymnos, 761 763; vgl. Al. AVRAM, ISM III, S. 9 11.
Siehe dazu Al. AVRAM, ISM III, S. 93 94, 110.
14 Siehe zu ihm M.P. NILSSON, Geschichte der griechischen Religion I. Die Religion Griechenlands bis
auf die griechische Weltherrschaft, München, 1957, S. 544, 562 563.
15 Siehe dazu M. JOST, „Quelques épiclèses divines en Arcadie : typologie et cas particuliers“,
in N. BELAYCHE et al. (Hrsg.), Nommer les dieux. Théonymes, épithètes, épiclèses dans l’Antiquité, Turn
hout, 2005, S. 396 397.
16 G. WENTZEL, s.v. „Agyieus“, RE I1 (1893), 909 910; K. WERNICKE, s.v. „Apollon“, RE II1
(1895), 41 42.
17 F. JACOBY, FGrHist III (Leiden 1950) B 485 (S. 449) fr. 2; vgl. HANELL (Anm. 7), S. 169;
L. PICCIRILLI, ΜΕΓΑΡΙΚΑ. Testimonianze e frammenti, Pisa, 1975, S. 13 50, besonders 20 22.
18 ISM III, 30 = IGRR I, 656.
19 Apollon (?) Nomios (delphischer Orakelspruch aus dem 2. Jh. v. Chr., ISM III, 48B);
Apollon Apotropaios (delphischer Orakelspruch aus dem 2. Jh. v. Chr. (ISM III, 49 = SEG 47,
2335); weitere Epiklesen lassen sich mittels des aus Megara übernommenen Kalenders von
Kallatis erschließen: Πεταγε}τνιος, Λzκειος, °πελλα‘ος und Λατο‘ος. Siehe zum Kalender in
Megara und seinen Kolonien zuletzt Al. AVRAM, „Les calendriers de Mégare et de ses colonies
pontiques“, in FRAYSSE – GÉNY (Anm. 7), S. 25 31, mit weiterer Literatur.
20 Die genaue Datierung hängt von der Festlegung der Statthalterschaft des Catonius Vindex
ab; diese wurde unterschiedlich zwischen 169 172 n. Chr. (E. DORUTIU BOILA, „Der Status von
Moesia Superior unter Marcus Aurelius“, ZPE 68 [1987], S. 254 255), kurz nach 170 n. Chr.
(A. STEIN, Die Legaten von Moesien, Budapest, 1940, S. 48 49, 79), vor 177 n. Chr. (PIR V1, M22)
und zwischen 180 182 n. Chr. (J. FITZ, Die Laufbahn der Statthalter in der römischen Provinz Moesia
Inferior, Weimar, 1966) angesetzt.
21 ISM II, 116 = SEG 37, 633.
13
Apollo Agyeus in Mesembria
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dieser Stadt; sie kommt in Milet und seinen Kolonien sonst nicht vor22. Es
handelt sich hier wohl um eine Übernahme aus dem benachbarten Kallatis23,
vielleicht bedingt durch die Zusammenhänge der römischen Zeit, als beide Städte
zum κοιν¤ν τοv Ε|ξε}νου Πnντου gehörten: Ebenso setzte das euboische Orikos
im Kontext der gemeinsamen Selbständigkeitsbestrebungen von Apollonia,
Ambrakia, Epidamnos und Orikos gegen Philipp V. den aus Apollonia über
nommenen Agyeus auf seine Münzen24.
Welche Hinweise erlauben uns, die Epiklese Agyeus mit dem Apollonkult in
Mesambria in Verbindung zu bringen? Man muß hier zu einer anderen Gattung
von Zeugnissen greifen. Allgemein haben in der griechischen Welt größere
Verbreitung die ebenfalls agyeus genannten Steinsymbole des Apollon in der
Form einer Spitzsäule oder eines Spitzpfeilers25. Das Vorkommen des Apollon
pfeilers als Emblem auf Revers von Münzen wurde als propagandistische
Wiederbelebung des Bewußtseins dorischer Zugehörigkeit gedeutet26.
Dieser Apollonpfeiler erscheint in Megara und einigen seiner Kolonien. In
Megara tragen Münzprägungen sein Bild27. Auch bezeugt Pausanias28 ein
pyramidenförmiges Mal für Apollon Karinos, der die gleichen Merkmale wie
Apollon Agyeus hat; dieser Stein erscheint vielleicht auch auf megarischen
Münzen29. In Byzantion tritt der Agyeus auf der Rückseite von Münzen auf, die
auf der Vorderseite den Apollonkopf tragen30.
Aus Mesambria selbst wurden bisher keine Münzen mit dem Agyeus ent
deckt, man kann aber auf Belege aus dem benachbarten Anchialos zurückgreifen.
Im Folgenden sollen die Beziehungen zwischen Mesambria und Anchialos
untersucht werden, um zu prüfen, inwiefern der Sachverhalt in dieser letzteren
Stadt auch für Mesambria relevant ist.
Anchialos wurde als ein Phrurion von Apollonia Pontica31 gegründet32 und
wurde im frühen 2. Jh. v. Chr. von Mesambria erobert. Mit histrianischer Hilfe
22 N. EHRHARDT, Milet und seine Kolonien. Vergleichende Untersuchung der kultischen und politischen
Einrichtungen, Frankfurt/Main, 1983, S. 138 mit Anm. 471.
23 Ebd.
24 FEHRENTZ (Anm. 26), S. 143.
25 E. REISCH, s.v. „Agyieus“, RE I 1 (1893), 910 912; NILSSON (Anm. 14), S. 203 204;
D. DOEPNER, Steine und Pfeiler für die Götter. Weihgeschenkgattungen in westgriechischen Stadtheiligtümern,
Wiesbaden, 2002, S. 183 184. Siehe zum Agyeus auch E. DI FILIPPO BALESTRAZZI, „L’Agyieus e
la città“, Centro ricerche e documentazione sull’antichità classica. Atti 11 (1980 1981), S. 93 108.
26 Siehe dazu V. FEHRENTZ, „Der antike Agyieus“, JDAI 108 (1993), S. 123 196, besonders
138 154.
27 HANELL (Anm. 7), S. 168 169.
28 I, 44, 2.
29 Siehe dazu FEHRENTZ (Anm. 26), S. 137 mit Anm. 152 154.
30 Siehe zu den Belegen FEHRENTZ (Anm. 26), S. 125 Anm. 14, 145 146.
31 Und nicht des illyrischen Apollonia, wie dies aus FEHRENTZ (Anm. 26), S. 142 hervor
zugehen scheint.
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konnten die Apolloniaten ihre Festung zwar zurückerobern, sie zogen es aber
vor, sie zu schleifen statt sie zu bemannen, vermutlich weil sie fürchteten, sie
nicht behalten zu können33. Es ist allerdings wahrscheinlich, daß Anchialos
nach dem Schleifen der Festung erneut unter die Herrschaft/Kontrolle Mesam
brias gelangte34. Dies geschah noch während der hellenistischen Zeit: Plinius d.
Ä.35 beschreibt Anchialos als nunc in ora Mesembria. Im 1. Jh. n. Chr. gehörte es
zu einer der strategiae, in die das Thrakerreich eingeteilt war; mehrere Inschriften
erwähnen Apollonios Eptaikenthou, der entweder den Titel eines στρατηγ¤ς
°νχι•λου36 oder eines στρατηγ¤ς τ•ν περt °νχι•λου τnπων trug37. Trajan verlieh
dem Ort den Polisstatus und die Stadt nannte sich fortan Ulpia Anchialos38;
zwischen Antoninus Pius und Gordian prägte sie Münzen.
Die Kulte in Anchialos weisen Einflüsse aus Mesambria auf. In erster Reihe
geht es dabei um die Einführung des Kultes der Demeter Malophoros, der durch
eine Votivinschrift der Φιλ‹τη. für die θε• Μαλοφnρος vom Anfang des 3. Jh. n.
Chr.39 belegt wird. Der Kult der Malophoros40 ist sonst eigentlich auf Megara und
seine Kolonien beschränkt41. Es gibt ihn weder in Apollonia (wo der Kult der
Demeter allgemein bloß durch Terrakottastatuetten der Göttin42 belegt ist), noch
in deren Mutterstadt Milet (die didymaische Epiklese der Demeter war, wie an
32
EHRHARDT (Anm. 22), S. 62 64.
Die Ereignisse werden in der apolloniatischen Ehreninschrift für den histrianische Admiral
Hegesagoras Sohn des Monimos beschrieben: ISM I 64 = IGB I², 388bis. Siehe dazu D.M.
PIPPIDI, EM. POPESCU, „Les relations d’Istros et d’Apollonie du Pont à l’époque hellénistique. À
propos d’une inscription inédite“, Dacia n.s. 3 (1959), S. 235 258; J. & L. ROBERT, BÉ 1961, 419;
H. BENGTSON, „Bemerkungen zu einer Ehreninschrift der Stadt Apollonia am Pontos“, Historia
12 (1963), S. 96 104. Siehe auch O. BOUNEGRU, „L’expedition navale de l’amiral histrien
Hegesagoras et la guerre sacrée d’Apollonie Pontique“, Pontica 40 (2007), S. 85 92.
34 J. & L. ROBERT, BÉ 1962, 202; H. SCHWABL, „Tradition und Neuerung in antiken Götter
kulten im thrakischen Gebiet“, in R. PILLINGER (Hrsg.), Spätantike und frühbyzantinische Kultur
Bulgariens zwischen Orient und Okzident, Wien, 1986, S. 17.
35 N.h. IV, 11, 45.
36 IGB I², 378; II, 743.
37 R.M. DAWKINS, F.W. HASLUCK, „Inscriptions from Bizye“, ABSA 12 (1905 1906), S. 175
177, Nr. 1.
38 Vgl. IGB I², 369, 369bis, 370.
39 IGB I², 370bis = SEG 36, 1578.
40 Die einzige literarische Quelle dazu ist Pausanias I, 44, 3. Zur Deutung des Epithets siehe
auch E. MANTZOULINOU RICHARDS, „Demeter Malophoros: The Divine Sheep Bringer“, AncW
13 (1986), S. 15 21.
41 Siehe dazu HANELL (Anm. 7), S. 174 177; V. VELKOV, „Demeter Malophoros“, in Roman
Cities in Bulgaria. Collected Studies, Amsterdam, 1980, S. 117 124; SCHWABL (Anm. 34), S. 17.
42 Terrakottastatuette der Demeter und Persephone, frühes 5. Jh. v. Chr. (I. VENEDIKOV et al.
[Hrsg.], Apollonia I. Les fouilles dans la nécropole d’Apollonia en 1947 1949, Sofia, 1963, S. 803; vgl.
OPPERMANN [Anm. 1] 98); Terrakottastatuette der Demeter, drittes Viertel des 5. Jh. v. Chr.
(VENEDIKOV, ebd., S. 801).
33
Apollo Agyeus in Mesembria
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vielen Orten sonst, Karpophoros / Karpotrophos43), noch sonstwo an der west
pontischen Küste oder allgemein im Schwarzmeerbereich. Es ist also naheliegend
anzunehmen, daß das Vorkommen der Malophoros in Anchialos auf mesambri
schen Einfluß oder direkte Kontrolle zurückzuführen ist.
In dieselbe Richtung weisen auch die Zeugnisse für den Kult der ägypti
schen Götter. Dieser war bereits in hellenistischer Zeit an der westpontischen
Küste vorhanden und wurde in römischer Zeit fortgesetzt. Allerdings sind die
Zeugnisse für den Kult der ägyptischen Götter in den westpontischen Städten,
mit zwei Ausnahmen, eher spät, sie beginnen erst mit dem 1. Jh. v. Chr.44.
Allein zwei Städte stechen hier heraus: das sind eben Mesambria und Anchialos.
Der Sarapiskult in Mesambria hat die solidesten und reichhaltigsten Zeug
nisse unter den Städten der westlichen Schwarzmeerküste. Es handelt sich hier
um einen regelrechten öffentlichen Kult mit eigenem Tempel45, der auch als
Aufstellungsort für Urkunden diente46. Die Anzahl der Belege weist Mesambria
als eines der wichtigsten Zentren dieses Kultes für diese Zeit im Bereich des
Schwarzen Meeres und der Meerengen aus47. Die frühesten Zeugnisse stammen
hier aus dem 3. 2. Jh. v. Chr.48.
In Anchialos weihte im 2. Jh. v. Chr. Πασ}ξενος °ντιφ}λου an Sarapis und
Isis nach seiner Genesung49. Dieses Zeugnis für die frühe Gegenwart des
Sarapiskultes ist in dieser Stadt (in der die übrigen Belege des Kultes aus römi
scher Zeit stammen) so auffallend, daß angenommen wurde, der Stein (der in
ein römerzeitliches Gebäude verbaut wurde) wäre aus Mesambria oder Apol
43 Siehe J.E. FONTENROSE, Didyma: Apollo’s Oracle, Cult and Companions, Berkeley/London,
1988, S. 147 149.
44 Wenn man von Histria absieht, von wo eine Anfrage (ISM I, 5 = SEG 24, 1091 = SIRIS
709a = M. TACHEVA HITOVA [Anm. 3], S. 15 16, Nr. 22 = RICIS 618/1101) an das Apollon
orakel von Kalchedon über die Einführung des Kultes des Sarapis in die Stadt schon aus dem 3.
Jh. v. Chr. bekannt ist, woher aber danach kein einziges weiteres Zeugnis für den Kult stammt,
sind die ältesten Belege wie folgt: Tomis um ca. 100 v. Chr. (ISM II, 152 = SIRIS 706 =
TACHEVA HITOVA [Anm. 3], S. 11, Nr. 15 = RICIS 618/1003); Dionysopolis Mitte des 1. Jh. v.
Chr. (IGB I², 13 = SIRIS 703 = TACHEVA HITOVA [Anm. 3], S. 6 7, Nr. 9 = RICIS 618/0801);
Kallatis (ISM III, 183 = SEG 47, 1132; TACHEVA HITOVA [Anm. 3], S. 8, Nr. 12) und Odessos
(P. GEORGIEV, „Plastique en bronze des Thermes romains à Varna“, Arheologija 20 [1978], 2,
S. 35 36, Nr. 4; TACHEVA HITOVA [Anm. 3], S. 19, Nr. 33) Römerzeit.
45 V. VELKOV, „Antike Tempel in Mesambria Pontica“, Klio 52 (1970), S. 465 471.
46 IGB V, 5094 = TACHEVA HITOVA (Anm. 3), S. 26 27, Nr. 45 = RICIS 114/1403, 2. 1. Jh.
v. Chr.
47 VELKOV (Anm. 45), S. 465 471; ders., „Zum Kult der ägyptischen Gottheiten in Mesam
bria Pontica (2. 1. Jh.)“, in Hommages à Maarten J. Vermaseren III, Leiden, 1978 (EPRO, 68),
S. 1293 1295; TACHEVA HITOVA (Anm. 3), S. 25 26; RICIS 618/1101.
48 IGB I², 322ter = SIRIS 131a = TACHEVA HITOVA (Anm. 3), S. 25, Nr. 42 = RICIS
114/1402 (Votivinschrift eines Vereins (?) an Sarapis, Isis, Anubis und Aphrodite); VELKOV
(Anm. 1), S. 173 174, Nr. 22 (fragmentarisch).
49 IGB V, 5133 = SEG 29, 660 = RICIS 114/1301.
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L. RUSCU
lonia hierher verschleppt worden50. In Apollonia gibt es aber keine Belege für
den Kult der ägyptischen Gottheiten; die Annahme, die Herkunft des Steines
sei Mesambria, bestätigt nur die Ähnlichkeit des Bildes der späthellenistischen
Kulte in diesen beiden Städten. Es ist also denkbar, daß es sich hier um eine
Übertragung aus dem benachbarten Mesambria handelt.
Die Kulte in Anchialos sind zwar unvollständig bekannt, die bestehenden
Hinweise erlauben aber, sie als Wiederspiegelung der Lage in Mesambria zu
betrachten, was der Herrschaft, der Kontrolle über oder dem Einfluss Mesam
brias auf Anchialos in späthellenistischer Zeit zu verdanken ist. Dies bringt uns
zurück zum Apollonkult.
Aus Anchialos stammen kaiserzeitliche Münzen mit der Darstellung des
Pfeilers des Apollon Agyeus51. Dies läßt sich nicht über die Gründerstadt
Apollonia erklären, in der es weder den Kult des Apollon Agyeus noch Darstel
lungen des Agyeuspfeilers gibt. Es ist anzunehmen, dass der Agyeus auf dieselbe
Weise von Mesambria nach Anchialos gelangte wie die Kulte der Malophoros
oder des Sarapis und dass sein Vorkommen auf den Münzen von Anchialos
einen Hinweis für sein Vorkommen auch in Mesambria darstellt.
Somit erscheint also der Apollon Agyeus als ein spezifisch dorischer Kult,
der von Megara in seine Schwarzmeerkolonien Byzantion und Kallatis, aber
auch Mesambria wahrscheinlich bei deren Gründung als übelabwehrender und
erobernder Gott übertragen wurde und der später als Wahrzeichen des Dorer
tums in der Form des Apollonpfeilers auf Münzen geprägt wurde. In diesem
Zusammenhang ist anzunehmen, dass die nicht erhaltene Epiklese des Apollon
in der Inschrift IGB I2, 315 von Mesambria eben Agyeus war. Dies wäre dann
der Kultbeiname, unter dem Apollon in dem wichtigsten Tempel der Stadt
verehrt wurde.
Ligia RUSCU
Universitatea Babeș Bolyai Cluj Napoca
Catedra de istorie antică
Str. C. Daicoviciu 2
RO – 400020 CLUJ
E mail:
[email protected]
50 OPPERMANN (Anm. 1), S. 281, Anm. 2886, gefolgt von Al. AVRAM, „L’Égypte lagide et la
mer Noire : approche prosopographique“, in A. LARONDE, J. LECLANT (Hrsg.), La Méditerranée
d’une rive à l’autre. Culture classique et cultures périphériques, Paris, 2007, S. 129, Anm. 9.
51 Zu den Belegen siehe FEHRENTZ (Anm. 26), S. 140, Anm. 170.