Der Waldrapp
Historische Quellen
zusammengestellt von
Martin ROLAND
Ornithologisches Tafelwerk (siehe bei nach 1555 und vor ca. 1560)
Version 1/1: 2022 Februar 14
2
Vorwort
Heute ist die Identifizierung von Conrad Gesners „Waldrapp, Corvus sylvaticus“ mit dem
Schopfibis, Geronticus (Comatibis) eremita L., durch W(alter) Rothschild, E(rnst) Hartert, O(tto)
Kleinschmidt, Comatibis eremita (Linn.), A European Bird, in: Novitates Zoologicae 4 (1897), S.
371–377, bes. S. 375, weitgehend unbestrittenen.
Dies war nicht immer so. Die hier vorliegende Quellensammlung hat daher das Ziel, die bisher
bekannten historischen Quellen zusammenzustellen, die den Waldrapp behandeln, diese
gegebenenfalls zu ergänzen und den Quellenkorpus auf historisch-hilfswissenschaftlich
fundierter Basis kritisch zu bewerten.
Dabei kann man den Streit zwischen André Schenker und Armin Landmann nicht ausblenden
(siehe “D: Mehrfach zitierte Literatur“), bei dem es ganz zentral auch darum ging, ob und wie
historische Quellen zu bewerten sind und ob ihnen Beweiskraft, dass der Waldrapp in Europa
heimisch war, zugebilligt werden kann.
Wenn eine Quelle in der Sammlung vorkommt, bedeutet das keineswegs, dass sie die Existenz
von Waldrappen belegt. Bewusst wurden auch Quellen aufgenommen, die von anderen
Autor*InnEn mit dem Waldrapp in Verbindung gebracht wurden, auch wenn der Autor selbst
überzeugt ist, dass ihnen keine bzw. nur geringe Beweiskraft zukommen. Die Abwägung der
Argumente findet sich im jeweiligen Kommentar.
Als in Fragen der Ornithologie Außenstehender kann ich von meinen Fächern – der
Kunstgeschichte bzw. den historischen Hilfswissenschaften – behaupten, dass die Fülle der
Belege und deren Vielfältigkeit, selbst wenn jeder einzelne mit Problemen behaftet sein mag,
ein Beiseiteschieben, wie Landmann, Belege, 2017, passim, bes. S. 2–4, es vorführt, nicht
gerechtfertigt.
Einem Nicht-Ornithologen steht es aber keineswegs zu, aus den hier vorgeführten historischen
Fakten, Schlüsse zu ziehen, die die Gegenwart betreffen.
Auch die Frage, warum der Waldrapp aus Europa verschwand, kann nicht beantwortet werden.
Die Quellen belegen bloß, dass er verschwand.
Dass dieses Verschwinden ein recht differenziertes und sich über einen längeren Zeitraum
hinziehendes Phänomen war, wird auch deutlich. Es ist an den beiden quellenmäßig gut
belegten Brutkolonien in Stadtgebieten (Graz und Salzburg) gut nachzuvollziehen. Dieses
Verschwinden bedingt jedoch keineswegs, dass nicht einzelne Tiere weiterhin in Europa, und
sogar an ungewöhnlichen (weil erstaunlich weit nördlich gelegenen Orten wie Thüringen),
gesichtet bzw. sogar erlegt wurden (siehe bei 1603–1662 (wohl um 1632/33)).
Die Sammlung ist auch deshalb eine Online-Ressource, weil damit eine Erweiterung/Korrektur
jederzeit möglich ist. Der Titel beinhaltet daher auch einen Zeitpunkt, an dem die Versionerstellt
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wurde und eine Versionsnummer. Bei Zitaten wird es sinnvoll sein, diese Versionierung
anzugeben.
Der Autor ist sich bewusst, dass die Zusammenstellung sowohl unvollständig als auch fehlerhaft
ist. Sollten Sie Ergänzungs- und Korrekturvorschläge haben, wenden Sie sich bitte an
[email protected].
Gerade weil mein Blick ganz bewusst einer ist, der von außen auf ein ornithologisches
Phänomen blickt, war ich auf Fachberatung dringend angewiesen. Dafür danke ich Bernhard
Gönner, dessen sehr kritischer Blick jedenfalls jede emotionale Freundschaftszuschreibung
verunmöglichte.
Die Version 1.1 unterscheidet sich von der Vorgängerversion durch ein ornithologisches PeerReviewing, das Swen Renner vom Naturhistorischen Museum in Wien vermittelt hat. Josef
Feldner hat ein Bündel an Verbesserungen initiiert und Hinweise auf bisher vernachlässigte
Quellen gegeben. Die griechischen Begriffe wurden von Edit Anna Lucács dankenswerter
Weise geprüft.
Bei den weiteren Erweitungen ist bei den Bildquellen auf die Siegelstempel aus dem
Zweistromland zu verweisen (siehe bei ca. 6000 vor Christus, nach). Mit einem Portrait eines
einzelnen Waldrapps konnte eine zentrale Quelle der Sammlung hinzugefügt werden (nach
1555 und vor ca. 1560), die zeitgleich mit Conrad Gesners berühmter Publikation entstand und
die bisher in der deutschsprachigen Forschung nicht beachtet wurde. Dieser Waldrapp, der
seinen Weg nach New York gefunden hat, ziert nun das Titelblatt der Sammlung.
Bei den Textquellen konnten neue Belege, unter anderem zur Waldrapp-Kolonie in Graz
hinzugefügt werden. Weiters wurden die lexikalischen Belege neu bearbeitet: 1517 ist der
Begriff „Steinrapp“ erstmals in einem Wörterbuch erwähnt, der heute viel geläufigere Begriff
„Waldrapp“ für den Geronticus eremita tritt hingegen – wenn ich recht sehe – erst 1556 in einem
Wörterbuch erstmals auf.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................................... 2
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................... 4
A: Ordnung der Quellen .......................................................................................................... 9
B: Ornithologische Angaben zum Waldrapp .......................................................................... 11
C-1 – bis zum Ende der Antike ............................................................................................. 13
14,000.000–12,000.000 vor Christus (Mittleres Miozän): Funde aus Sansan .................... 14
ca. 2,500.000 vor Christus (ausgehendes Pliozän/Pleistozän): Funde aus Ahl al Oughlam
bei Casablanca ............................................................................................................. 15
ca. 2,500.000–2,000.000 vor Christus (ausgehendes Pliozän/Pleistozän): Fundkomplex
Almenara 1 ................................................................................................................... 16
ca. 1,850.000 vor Christus (spätes Pliozän): Funde aus Sliwniza ...................................... 17
1,600.000–1,300.000 vor Christus (Ende des frühen Pleistozän): Funde aus der Cave Pirro
..................................................................................................................................... 18
1,300.000–1,000.000 vor Christus (Pleistozän): Funde aus der Sierra de Quibas in Abanilla
..................................................................................................................................... 19
um 500.000 vor Christus (mittleres Pleistozän): Funde aus einer Höhle in Spinagallo ....... 20
70.000–30.000 vor Christus bzw. 12.000–8000 vor Christus: Funde aus Haua Fteah ....... 21
ca. 55.000 vor Christus (Marine isotope stage 3): Funde aus Gorham‘s Cave (Gibraltar).. 22
10.000–9000 vor Christus (frühes Präkeramisches Neolithikum A [PPNA]): Göbekli Tepe,
Flachreliefs ................................................................................................................... 23
10.000–5000 vor Christus (Neolithikum): Benalup, El Tajo de las Figuras, Höhlenmalereien
..................................................................................................................................... 25
9600–7000/6500 vor Christus (frühe Mittelsteinzeit) oder später: Funde bei der Ruine Balm
bei Günsberg ................................................................................................................ 27
ca. 6000 vor Christus, nach: Stempelsiegel aus dem nördlichen Zweistromland ............... 29
ca. 4000–3400 vor Christus: Funde aus Maadi ................................................................. 31
5
ca. 4000 bis 3022 vor Christus (0. Dynastie): Vermeidliche Felsinschriften beim heutigen
Dorf El-Khawy ............................................................................................................... 32
ca. 3500 vor Christus (Naqada I–IIA): Ritzzeichnung auf einer Tonscherbe aus
Hierakonpolis ................................................................................................................ 34
ca. 3300 vor Christus (Naqada IIIA1): "Hieroglyphentäfelchen" aus dem Grab U-j in Abydos
..................................................................................................................................... 36
3100–400 vor Christus: Akh-Hieroglyphe .......................................................................... 38
3100–2700 vor Christus: Stele aus Abydos ....................................................................... 40
nicht nach ca. 2740 vor Christus: Türpfosten von König Chasechemui ............................. 42
ca. 2686–2181 vor Christus: Objekte aus dem Horus-Tempel in Hierakonpolis ................. 44
ca. 2613–2181 vor Christus: Relieffragment mit Vogellauf ................................................ 46
2504–2347 vor Christus (5. Dynastie): Mastaba des Hetepherakhti aus Saqqara ............. 47
um 2430 vor Christus (Mitte 5. Dynastie): Diadem aus Giza .............................................. 49
1991–1802 vor Christus (12. Dynastie): Mastaba des Hesu-wer in Kom el Hisn ............... 51
1295–1069 vor Christus (19./20. Dynastie): Stele aus Medinet Habu ................................ 52
924–890 vor Christus (22. Dynastie): Mumienbrett des Penmaat ...................................... 53
764–406 vor Christus: Funde aus der Grotte Bodine ......................................................... 54
570–526 vor Christus (26. Dynastie, Pharao Amasis II.): Naos aus Sa el-Hagar ............... 55
432–370 vor Christus: Silbermünze aus Stymphalus......................................................... 56
nach 237 vor Christus: Horustempel in Edfu, Hieroglypheninschrift ................................... 57
145–135 vor Christus: Itálica, Haus des Neptun, Mosaikfußboden .................................... 58
um 60/70: Plinius der Ältere, Historia naturalis .................................................................. 62
um 350/400: Funde vom Kaiserstuhl in Sponeck ............................................................... 64
C-2 – Mittelalter (bis ca. 1500) .............................................................................................. 66
um 800/825: Liber viventium aus Kloster Pfäfers ............................................................... 68
um 1135: Kapitell aus Aulnay ............................................................................................ 70
3. Viertel 12. Jahrhundert: Kapitell aus der Wartburg ........................................................ 71
1191 (Überlieferung 1587): Chronikaler Bericht zum Turm von Breisach .......................... 73
um 1238 (Überlieferung nicht vor 1538): Entdeckung der Therme Pfäfers ........................ 74
um 1400 (nicht nach 1415): Funde aus der Alt-Wartburg bei Olten ................................... 76
6
1441: Kloster Baumburg, Ausgabenbuch .......................................................................... 77
um 1455: Stadtbuch von Waidhofen an der Thaya ............................................................ 78
1460, nicht nach: Pier Candido Decembrio, De omnium animantium naturis atque formis 80
1471: Kloster Baumburg, Ausgabenbuch .......................................................................... 83
4. Viertel 15. Jahrhundert: Tafel des Rottenbucher Altars.................................................. 84
4. Viertel 15. Jahrhundert: Tafel mit Katharina und Barbara .............................................. 88
1481 März (Überlieferung 1580): Chronikaler Bericht aus Überlingen ............................... 91
1490: Fresken in der Dreifaltigkeitskirche bei Hrastovlje.................................................... 93
C-3 – ab 1500 bis ins 17. Jahrhundert .................................................................................. 95
1504 März 16: Gedenkbuch Kaiser Maximilians I. ............................................................. 96
1504 Juni 3: Verordnung des Salzburger Erzbischofs ....................................................... 99
Anfang 16. Jahrhundert: Rechnungsbuch des Salzburger Erzbischofs.............................101
vor 1508: Grabstein von Abt Lorenz Gaul von Murrhardt ..................................................102
1517: Ex probatissimis authoribus variarum rerum vocabula ............................................103
1521 (1516/1524): Johann Pinicianus, Promptuarium vocabulorum .................................104
1524: Abteirechnungen des Stiftes St. Peter in Salzburg .................................................106
1528 Jänner 1: Gedenkbuch der Hofkammer ...................................................................108
1528 Februar 10: Instruktion für Thoman Uebler ..............................................................110
1531: Verordnung des Salzburger Erzbischöfe ................................................................111
1531 Oktober 12: Wappenbrief für die Brüder Staininger .................................................113
1532: Abteirechnungen des Stiftes St. Peter in Salzburg .................................................118
1535 Juli 15: Rat- und Richtebücher der Stadt Zürich ......................................................119
1536 Oktober 8: Adels- und Wappenbrief für Johann Weißenfelder .................................120
1538 Mai 27: Hans Heglinger, Mautinstruktion von Burghausen.......................................122
nicht nach 1544: Valerius Cordus, Sylva observationum variarum ...................................124
1544: Abteirechnungen des Stiftes St. Peter in Salzburg .................................................125
1544: William Turner, Avium praecipuarum historia..........................................................126
1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31): Adels- und Wappenbrief für Brüder Höckenstaller ........128
1548: Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft ...........................................130
1550: Sebastian Münster, Cosmographei .........................................................................132
7
1550: Fekete tar varjú ......................................................................................................133
1553 Jänner 1: Instruktion an den Fischmeister Leonhard Peysser ..................................134
1554 Juli 9: Ansuchen um Verleihung eines Wappens an Andreas Gigler ........................135
1555/1557: Conrad Gesner, Liber avium / Vogelbůch ......................................................138
1555: Conrad Gesner, Icones avium ................................................................................144
1555 November 28: Instruktion an Eramus Ellender, Fischmeister in der Steiermark .......145
1556: Johannes Frisius, Nomenclator latinogermanicus novus ........................................146
1557: Conrad Gesner, Vogelbůch ....................................................................................147
1558 März 11: Verordnung des Salzburger Erzbischofs ...................................................148
nach 1555 und vor ca. 1560: Ornithologisches Tafelwerk.................................................150
um 1560: Jacques Dalechamps, Des oyseaux .................................................................156
1560 April 24: Wappensiegel des Andreas Gigler ............................................................158
1561 (recte wohl nicht nach 1544): Valerius Cordus, Annotationes ..................................160
1561: Jagdrechte in der Herrschaft in St. Jakob am Thurn ...............................................162
1561: Peter Mèlius, Predigten ..........................................................................................163
1561: Gábor Pesti, Nomenclatura sex linguarum..............................................................165
1562: Manfred Barbarini Lupus, Vierstimmige Gesänge ...................................................167
1564 (Abschrift 1612 redigiert): Tagebuch des Felix Platter .............................................169
wohl nach 1564 (3. Drittel 16. Jahrhundert): Gebetbuch (der Philippine Welser?) ............171
1567 August 22: Instruktion an Hans Piber, Fischmeister in Untersteier ...........................175
1571 Juni 15: Brief des Sebald Hochenkyrcher ................................................................177
1573: Robert Constantin, Supplementum linguae latinae .................................................179
1573: Ulrich Campell, Rhaetiae alpestris topographica descriptio ....................................180
ca. 1575/80: Joris Hoefnagel, Animalia volatilia et Amphibia ............................................182
1577–1612: Naturstudien aus dem Museum Kaiser Rudolfs II. ........................................184
1578 März 28: Verordnung des Salzburger Erzbischofs ...................................................185
1579: Theophilus Golius, Onomasticon latino-germanicum ..............................................187
1580–1620: Freskenreste im Refektorium des Klosters Murrhardt ...................................188
1581: Marx Rumpolt, Ein new Kochbuch ..........................................................................189
1581/1590: Missale für Kardinal Andreas, Sohn von Erzherzog Ferdinands.....................190
8
1584 April 10: Verordnung des Salzburger Erzbischofs ....................................................192
1586: Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft ...........................................194
1586: Martin Ruland, Dictionariolum et nomenclatur ........................................................195
1590: Fabricius Balázs, Nomenclatura seu dictionarium...................................................196
1590/1600: Randillustrationen zu: Pier Candido Decembrio, De omnium animantium naturis
atque formis .................................................................................................................197
1591: Simon Ostermann, Vocabularium analyticum .........................................................199
1592: Helfrich Emmel, Sylva quinquelinguis vocabulorum ................................................201
1592: Gergely Diosi, Cisio ................................................................................................202
1593: Ladislaus Welenus von Zierotin, Itinerarium ...........................................................203
1594: Nicodemus Frischlin, Nomenclator trilinguis ...........................................................205
1598: Johann Decsi, Adagiorum graeco latino ungaricorum Chiliades quinque ................206
1598: Adamus Danielus, Nomenclator quadrilinguis.........................................................208
1600: Christoph Wirsung, Ein newes Artzney Buch oder Lonicers Kräuterbuch (?) ..........209
1601 Dezember 30: Adels- und Wappenbrief für Hans Staininger ....................................210
1603: Ulysus Aldrovandi, De Avibus Historiae Libri XII .....................................................212
1606, nicht nach: Marcus zum Lamm, Thesaurus picturarum ...........................................214
1606: Johann Rudolf Rebmann, Ein neuw, lustig, ernsthafft, poetisch Gastmal ...............215
1606: Stumpf, Schweytzer Chronick .................................................................................216
1608 Oktober 1: Findbuch der Pfleggerichtsakten Golling ................................................217
1603–1662 (wohl um 1632/33): Gothaer Vogelbuch.........................................................219
1600–1700: Aquarelle von Säugetieren, Vögeln, Insekten und Pflanzen samt deutschen
Legenden ....................................................................................................................221
1616: Johann Guler von Weineck, Raetia ........................................................................223
nach 1624: Kleine Salzburgische Chronik ........................................................................224
D: Mehrfach zitierte Literatur ................................................................................................226
9
A: Ordnung der Quellen
Die Quellen sind chronologisch angeordnet und reichen von Knochenfunden aus dem Miozän,
die also über 10 Millionen Jahre alt sind, bis zu Bild- und Textquellen, die der Mensch
geschaffen hat.
Der Fokus liegt auf Quellen vom Mittelalter bis zum Jahr 1600. Frühere Quellen sind zwar
aufgenommen, der Autor kann aber keine eigene wissenschaftliche Kompetenz bei deren
Beurteilung beanspruchen.
Belege des 17. Jahrhunderts wurden nur dann aufgenommen, wenn ein Kontakt mit realen
Waldrappen angenommen werden kann. Das – oft auch verfälschende oder verunklärende –
Weitertragen von Buchwissen wurde bewusst ausgeklammert.
Die Quellen gliedern sich zudem nach ihrer Beschaffenheit:
Bei den ältesten Belegen handelt es sich um Knochenfunde. Diese können dem Waldrapp
zumeist sicher zugeschrieben werden. Die Probleme dieser Quellengattung liegen in der
mitunter unsicheren Funddokumentation.
Bildquellen sind bei den alt-ägyptischen Beispielen der Frühzeit und ab dem späten
15. Jahrhundert in vielen Fällen ausreichend klar. Nicht wenige Darstellungen sind jedoch
ungenau und erlauben keine eindeutige Zuordnung.
Bildquellen bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts haben jedoch den Vorteil, keine Absicht in
Bezug auf die Darstellung eines spezifischen Vogels zu verfolgen. Sie sind also unbefangen
und können daher auch bei ungenügend präzisen Angaben wertvolle Hinweise geben.
Quellen, die Bild- und Text kombinieren, sind naturgemäß besonders wertvoll. Die erste
Quelle, die in diese Richtung weist, ist die Akh-Hieroglyphe (siehe bei 3100–400 vor Christus).
Ein Bedeutungsgehalt und ein Abbild eines Vogels sind kombiniert.
Freilich, der Fokus liegt auf Quellen des 16. Jahrhunderts. Bisher blieben in der dem Waldrapp
gewidmeten Forschung Wappenbriefe vollkommen unberücksichtigt, bei denen das verliehene
Wappen sowohl blasoniert als auch in einer Wappenminiatur dargestellt wird (das erste Beispiel
von 1531 Oktober 12).
Die 1548 von Johannes Stumpf verfasste Landesbeschreibung der Schweiz ist mit
Holzschnitten illustriert. Auf fol. 292r des zweiten Bandes wird der Waldrapp beschrieben und
ein Holzschnitt illustriert den Text. Das Abbild ist freilich, verglichen zur Illustration bei Gesner
(siehe unten) dem Naturvorbild nur wenig ähnlich.
Die zentrale Quelle ist, trotz durchaus berechtigter Kritik, zweifellos Conrad Gesner (siehe bei
1555/1557). Er verfolgt ab 1555 das Ziel, alle Vögel sowohl ins Bild zu setzen als auch alle ihm
zur Verfügung stehenden Informationen zu kompilieren. Wenn er nicht über ausreichend
Material verfügt, verzichtet er trotzdem weder auf die Text- noch auf die Bildbotschaft. In seinem
10
Fall und bei anderen Bildquellen, die ausdrücklich einen Waldrapp darstellen wollen, ist eine
sehr sorgfältige Quellenkritik angebracht.
Bei Textquellen, die aus ornithologischem Interesse verfasst wurden, ist das oben Gesagte zu
berücksichtigen. Viele andere Textquellen fokussieren gar nicht auf den Waldrapp, sondern
erzählen aus einer ganz anderen Perspektive. Wenn etwa besondere Ereignisse, die sich an
einen Ort zugetragen haben, berichtet werden, und in diesem Zusammenhang von Waldrappen
die Rede ist, kommt der Quelle hohe Glaubwürdigkeit zu, wie der Bericht des Conrad Zetler
über einen späten Wintereinbruch in Überlingen im März 1481 erstmals belegt (siehe bei 1481
März (Überlieferung 1580). Dasselbe gilt für Abrechnungen (erstmals wohl 1441, sicher 1471),
deren Fokus auf den Zahlen und nicht darauf liegt, ob ein bestimmter Vogel vorkommt oder
eben nicht.
Textquellen haben freilich mit lexikalischen Problemen zu kämpfen, denn – da Bilder fehlen –
muss erst erwiesen werden, ob tatsächlich der uns interessierende Vogel gemeint ist. Die
Quellen sind in unterschiedlichen Sprachen abgefasst und verwenden ein breites Spektrum an
Begriffen: Steinrabe ([1441] / 1471 Kloster Baumburg, 1517 Augsburg, …); Waldrapp (1481
März (Überlieferung 1580) Überlingen, 1535 Juli 15 Zürich, 1544 Turner, …), Klausrabe (1504
März 16 Graz und Salzburg, …), Porphyr (1517 Augsburg).
Bei Gesner (ab 1555) werden die drei deutschen Bezeichnungen (Waldrapp, Steinrapp,
Klausrapp) zusammengeführt und neu Corneille de mer (Cornix marinus / Meerkrähe) als in
Lothringen (also Frankreich) übliche Bezeichnung genannt, während er am Lago maggiore
Meerrabe (Corvus marinus) genannt werde. Für Italien wird auch noch die Bezeichnungen
Corvo spilato (Corvo depilis / Kahlrabe) genannt. Die entspricht dem auch im ungarischen
bezeugten (fekete) tarvarjú (schwarzer Kahl- oder Bunt-Rabe – siehe bei 1561). Dass sich hier
viele Zuordnungsprobleme auftun, ist Gesner durchaus bewusst, eine definitive Lösung kann er
jedoch nicht anbieten.
11
B: Ornithologische Angaben zum Waldrapp
Die folgenden Angaben folgen primär Pegoraro, Waldrapp, 1996, S. 11–14, und Böhm,
Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 12–18.
Geronticus eremita
Der Waldrapp gehört zur Ordnung der Schreitvögel (Ciconiiformes) und innerhalb dieser zur
Unterordnung der Störche (Ciconiae). Innerhalb der Störche gehört der hier behandelte Vogel
der Familie der Ibisse und Löffler (Threskiornithidae) an, innerhalb dieser nicht den Löfflern
sondern den Ibissen. Innerhalb der Gattung Geronticus gibt es zwei Arten, den Waldrapp und
den Glattnackenrapp (Geronticus calvus), der in Südafrika beheimatet ist. Er konnte daher in
der für die Quellensammlung relevanten Epoche keine Rolle spielen. Sie sind jedoch sowohl
genetisch nahe verwandt als auch durch die Tatsache verbunden, dass sie Felsen und Klippen
bewohnen.
Die historischen Waldrappe Mitteleuropas waren Zugvögel. Dies verbindet sie mit der heutigen
„Ostpopulation“ und unterscheidet sie von den Tieren, die in Marokko überlebt haben. Zentrum
der Ostpopulation war Birecik / Bêrecûk (Bêrecûg), im Osten des heutigen türkischen
Staatsgebiets. Auf Türkisch heißt der Waldrapp Kelaynak, auf Kurdisch Kêlhenek (Keçelaynak).
Erwachsene Vögel sind ca. 75 cm groß. Das Gefieder ist schwarz mit metallisch grünem und
purpurfarbenem Glanz. Der Kopf und die Kehle sind unbefiedert. Die Nackenfedern (Schopf)
sind lanzettförmig und stark verlängert. Die Augen haben eine orangerote, zur Pupille hin heller
werdende Iris. Der Augenliederrand leuchtet kirschrot. Der Schnabel ist lang, sanft nach unten
gebogen und hat korallenrote Farbe. Die Beine sind für Schreitvögel relativ kurz und schmutzig
12
rot. Es gibt keine spezifischen Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Tieren, die
männlichen sind etwas größer.
Bei jugendlichen Vögel sind Kopf und Kehle noch stark befiedert. Diese Federn sind zuerst
bräunlich-cremeweiß gestreift, später einfarbig dunkel grün-grau. Die Nackenfedern sind noch
nicht stark ausgeprägt. Die Gestalt gleicht sich den Erwachsenen im zweiten bis dritten
Lebensjahr an.
Im Flug strecken die Waldrappe den Hals nach vorne. Die Füße ragen, anders als beim Sichler,
nicht über das Schwanzende hinaus. Sowohl Einzel- als auch Formationsflug (V-Form) können
beobachtet werden (Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 23f.).
Nestbau, Brutplätze
Die Nester werden aus Gras, Reisern und Stroh in Höhlungen und Nischen unzugänglicher
Felswände der Gebirge und Steilküsten gebaut (Pfannhauser, Tierknochenfunde, 1986, S. 89f.).
Nahrungssuche und Nahrung
Waldrappe suchen ihre Nahrung in Steppen, Stränden, Wiesen und Sümpfen. Sie besteht aus
Würmern, Insekten, Lurchen und kleinen Reptilien (Pfannhauser, Tierknochenfunde, 1986, S.
90).
13
C-1 – bis zum Ende der Antike
Am weitesten zurückverfolgen lassen sich Knochenfunde, eine Quellengattung, die in letzter
Zeit verstärkt in den Fokus rückte. Die ältesten Bildzeugnisse, in der Zeit nach 10.000 vor
Christus entstanden, sind umstritten.
Ein bemerkenswerter Schwerpunkt bildet die alt-ägyptische Kultur. Der älteste Beleg, bei dem
die Darstellung mit großer Wahrscheinlichkeit als Waldrapp zu deuten ist, ist eine akzidentelle
Ritzzeichnung auf einem Tonscherben (siehe bei ca. 3500 vor Christus (Naqada I–IIA)). Erst
später wird der Vogel metaphysisch ‚aufgeladen‘ und diente als Vorbild für die Hieroglyphe für
„Akh“ (siehe bei 3100–400 vor Christus).
In Bezug auf Textquellen ist auf zwei Stellen aus Plinius’ Historia naturalis zu verweisen, deren
Beurteilung freilich sehr umstritten ist (siehe bei um 60/70). Schon im 15. Jahrhundert wurde
auch auf die Historia animalium des Aristoteles verwiesen. Der griechische Philosoph
unterscheidet weiße Ibisse und schwarze, die in Pelusium, einem Ort im Nildelta, leben würden
(siehe bei 1460, nicht nach und 1591). Aus heutiger Sicht sind diese Gleichsetzungen freilich
kaum als stichhaltig zu bezeichnen.
Anders als bei mittelalterlichen Quellen kann bei den Knochenfunden und den Quellen aus
Ägypten nur eine Auswahl geboten werden.
14
14,000.000–12,000.000 vor Christus (Mittleres Miozän): Funde aus Sansan
Knochenfund
Funde aus Sansan (Département Gers, Südwestfrankreich)
Der bisher als ältester
Knochenfund eines Vogels der
Gattung Geronticus stammt aus
Südwestfrankreich und wird als
Geronticus perplexus geführt.
Alphonse Milne-Edwards,
Recherches anatomiques et
paléontologiques pour servir à
l’histoiredes oiseaux fossiles de
la France, Bd. 2, S. 108f., und
Tafelband 1, pl. 96, 1–3;
Jacques Cheneval, L'avifaune
de Sansan, in: Léonard
Ginsburg (Hg.), La faune miocène de Sansan (Gers) et son environment = Mémoires du
Muséum National d'Histoire Naturelle (Paris) 183 (2000), S. 321–388;
Jiři Mlíkovský, Cenozoic Birds of the World (Part 1: Europe), Prag 2002, S. 93f.
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
15
ca. 2,500.000 vor Christus (ausgehendes Pliozän/Pleistozän): Funde aus
Ahl al Oughlam bei Casablanca
Knochenfund
Rabat (Marokko), Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine:
Funde aus Ahl al Oughlam bei Casablanca (Marokko)
Die Knochenfunde aus dem
aufgelassenen Sandsteinbruch
am südöstlichen Stadtrand von
Casablanca können der
Gattung Geronticus zugeordnet
werden. Auf Grund der bis
heute existierenden Population
in Marokko sind Beziehungen
zum Waldrapp wahrscheinlich.
Der als Geronticus olsoni n. sp.
neu bezeichnete fossile Fund
stimmt zwar mit den heute
lebenden Verwandten
weitgehend überein ist jedoch
um mehr als 10% größer.
Die Datierung beruht auf biochronologischen Argumenten (Mourer-Chauviré, Geraads, S. 157f.).
Cécile Mourer-Chauviré, Denis Geraads, The Upper Pliocene Avifauna of Ahl al Oughlam,
Morocco. Systematics and Biogeography, in: Records of the Australian Museum 62
(2010), S. 157–184, bes. S. 165–167 mit Abbildung auf S. 170;
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
16
ca. 2,500.000–2,000.000 vor Christus (ausgehendes Pliozän/Pleistozän):
Fundkomplex Almenara 1
Knochenfund
Fundkomplex „Almenara 1“ („Casablanca 1“) in der Provinz Castellón (Spanien)
Bei Grabungen zwischen 1999 und 2005 wurden über 50 Waldrappknochen gefunden, was auf
eine andauernde und dichte Besiedlung deutet.
Fragen der Datierung spielen im hier behandelten Kontext bloß eine untergeordnete Rolle.
Sánchez Marco ordnen den Fund in „MN 17“ (Mammal Neogene Zonation) ein, die von 2,5 bis 2
Millionen Jahren datiert wird. Mitunter werden die Funde auch deutlich später angesetzt:
1,800.000 vor Christus (Registre fossile).
Sánchez Marco, Presence, 1996, S. 560–561;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 54 (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69;
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
17
ca. 1,850.000 vor Christus (spätes Pliozän): Funde aus Sliwniza
Knochenfund
Sofia / София, Национален природонаучен музей / National Museum of Natural
History:
Funde aus Sliwniza / Сливница (Bulgarien)
1993 wurde ein Knochen (Proximal
carpometacarpus sinistra) eines erwachsenen
Vogels bei Sliwniza (nordwestlich von Sofia –
42.48 N, 23.05 E) in einer eingestürzten Höhle
eines felsigen Hügels (jetzt ein Steinbruch)
gefunden. Auf Grund des Fundkontexts ergibt sich
eine Datierung in die Spätphase des mittleren
Villafranchium (MN 17 – vgl. Mammal Neogene
Zonation), wie Nikolay Spassov mitteilte (Bloev, S.
49).
Die Merkmale des fossilen Fundes (Geronticus
balcanicus sp. n.) zeigen große
Übereinstimmungen aber auch Abweichungen zu
den heute lebenden Verwandten. Unbestreitbar ist,
dass ein dem Waldrapp nahe artverwandtes Tier
damals in Bulgarien lebte.
Fragen der Datierung spielen in dem hier relevanten Zusammenhang keine zentrale Rolle.
Zlatozar Bloev, Presence of the Bald Ibises (Geronticus Wagler, 1832) (Threskionithidae-Aves)
in the Late Pliocene of Bulgaria, in: Geologica Balcanica 28 (1998), S. 45–52, bes. S. 47–
51;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 8 (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
18
1,600.000–1,300.000 vor Christus (Ende des frühen Pleistozän): Funde aus
der Cave Pirro
Knochenfund
Florenz / Firenze, Università di Studi, Dipartimento di Scienze della Terra, und Turin
Torino, Università di Studi, Museo di Geologia e Paleontologia:
Funde aus der Cave Pirro (Cava Dell’Erba) in Apricena (Provinz Puglia – Italien)
Die Materialien wurden 1969 entdeckt. Im Fundkomplex wurden auch Steinwerkzeuge
festgestellt, die nach den AutorInnEn die ältesten Spuren des Menschen in Europa darstellen
(Bedetti, Pavia, S. 31f.).
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 96 (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Claudia Bedetti, Marco Pavia, Early Pleistocene birds from Pirro Nord (Puglia, southern Italy), in:
Palaeontographica, Abteilung A: Palaeozoology –Stratigraphy 298 (2013), S. 31–53, bes.
S. 33.
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html
19
1,300.000–1,000.000 vor Christus (Pleistozän): Funde aus der Sierra de
Quibas in Abanilla
Knochenfund
Funde aus der Sierra de Quibas in Abanilla (Murcia, Spanien)
Einer der 22 Vogelknochen, die in der Karsthöhle gefunden
wurden, kann – wie A. Sánchez in seinem den Vögeln
gewidmeten Abschnitt der Publikation von 1999 dargelegt hat
(S. 139) – dem Waldrapp (Geronticus eremita) zugeordnet
werden.
Die Datierung beruht auf den detaillierten Angaben des
Artikels von 1999.
P. Montoya, M. T. Alberdi, A. M. Blázquez, L. J. Barbadillo, P.
Fumanal, J. van der Made, J. M. Marín, A. Molina, J. Morales,
X. Murelaga, E. Peñalver, F. Robles, A. Ruiz Bustos, A.
Sánchez, B. Sanchiz, D. Soria, Z. Szyndlar, La fauna del
Pleistoceno Inferior de la Sierra de Quibas (Abanilla, Murcia),
in: Estudios geológicos 55 (1999), S. 127–161, bes. S. 139–
141;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 126 (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
20
um 500.000 vor Christus (mittleres Pleistozän): Funde aus einer Höhle in
Spinagallo
Knochenfund
Rom / Roma, Università La Sapienza, Dipartimento di Scienze della Terra, Museo:
Funde aus einer Höhle in Spinagallo (bei Syracus / Sizilien)
Die Datierung der Knochenfunde in der in felsiger Umgebung gelegenen Höhle beruht auf der
Bestimmung von Mammutknochen. Es konnte im Fundkontext kein menschliches Einwirken
festgestellt werden. Knochen von 61 verschiedenen Vögeln konnten festgestellt werden.
Marco Pavia, The Middle Pleistocene Avifauna of Spinagallo Cave (Sicily, Italy): Preliminary
Report, in: S. L. Olson, P. Wellnhofer, C. Mourer-Chauvire, D. W. Steadman, L. D. Martin,
(Hgg.), Avian Paleontology at the close of the 20th Century. Proceedings of the Fourth
International Meeting of the Society of Avian Paleontology and Evolution, Smithsonian
Contribution to Paleobiology 89 (1999), S. 125–127;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 35 (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
21
70.000–30.000 vor Christus bzw. 12.000–8000 vor Christus: Funde aus Haua
Fteah
Knochenfund
Funde aus Haua Fteah (Cyrenaica – Libyen)
Knochen des Geronticus eremita stammen aus Schicht XXXVIII–XXV (70.000–30.000 vor
Christus) bzw. aus Schicht XV–XI (Phase D: 12.000–8000 vor Christus) in der Karsthöhle. Die
dem Menschen zugeordneten Funde werden der Kultur der „Ibéromaurusien“ zugeordnet
(25.000–10.000 vor Christus).
K(evin) C. MacDonald, The Avifauna of the Haua Fteah (Libya), in: ArcheoZoologia 9 (1998), S.
83–101;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 100f. (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Katerina Douka, Zenobia Jacobs, Christine Lane, Rainer Grün, Lucy Farr, Chris Hunt, Robyn H.
Inglis, Tim Reynolds, Paul Albert, Maxime Aubert, Victoria Cullen, Evan Hill, Leslie
Kinsley, Richard G. Roberts, Emma L. Tomlinson, Sabine Wulf, Graeme Barker, The
chronostratigraphy of the Haua Fteah cave (Cyrenaica, northeast Libya), in: Journal of
Human Evolution 66 (2014), S. 30–63 (zur Datierung);
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
22
ca. 55.000 vor Christus (Marine isotope stage 3): Funde aus Gorham‘s Cave
(Gibraltar)
Knochenfund
Funde aus Gorham‘s Cave (Gibraltar)
In der Höhle Gorham's Cave in Gibraltar wurden neben dem späten Nachweis von
Neandertalern auch Knochen von Waldrappen gefunden (Schicht IV).
Fragen der Datierung (jedenfalls letzte Eiszeit/Kaltzeit) spielen für den hier relevanten
Zusammenhang keine übergeordnete Rolle. Auch deutlich jüngere Ansetzungen wurden
vorgeschlagen. Tyberg datiert etwa 23.780–32.560 vor Christus.
Clive Finlayson, Francisco Giles Pacheco, Joaqiín Rodríguez-Vidal, Darren A. Fa, José María
Gutierrez López, Antonio Santiago Pérez, Geraldine Finlayson, Ethel Allue, Javier Baena
Preysler, Isabel Cáceres, José S. Carrión, Yolanda Fernández Jalvo, Christopher P.
Gleed-Owen, Francisco J. Jimenez Espejo, Pilar López, José Antonio López Sáez, José
Antonio Riquelme Cantal, Antonio Sánchez Marco, Francisco Giles Guzman, Kimberly
Brown, Noemí Fuentes, Claire A. Valarino, Antonio Villalpando, Christopher B. Stringer,
Francisca Martinez Ruiz, Tatsuhiko Sakamoto, Late survival of Neanderthals at the
southernmost extreme of Europe, in: Nature 443 (2006), S. 850–853 (zum Fund);
Sánchez, Evidence, 2006, S. 105–110, bes. S. 106;
Tyrberg, Pleistocene Birds, 2008, S. 59–61 (siehe stattdessen:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocen
e.pdf);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69;
Joaquín Rodríguez-Vidala, Geraldine Finlayson, Clive Finlayson, Juan J. Negro, Luis M.
Cáceres, Darren A. Fa, José S. Carrión, Undrowning a lost world – The Marine Isotope
Stage 3 landscape of Gibraltar, in: Geomorphology 2013, S. 105–114, bes. S. 110f.
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
23
10.000–9000 vor Christus (frühes Präkeramisches Neolithikum A [PPNA]):
Göbekli Tepe, Flachreliefs
Bildquelle
Göbekli Tepe / Xirabreşk (Südosttürkei), Flachreliefs am Pfeiler 43 der Anlage D des
Fundkomplexes
Die archäologische Fundstätte, bei der es sich jedenfalls nicht um eine Siedlung handelt,
sondern um ein Bergheiligtum, liegt etwa 15 Kilometer nordöstlich der südostanatolischen Stadt
Urfa (Şanlıurfa). Die Anlage des Heiligtums erfolgte im 10. Jahrhundert vor Christus (frühes
Präkeramisches Neolithikum A [PPNA]) also mit dem Ende der Eiszeit. So monumentale Reste
müssen von Menschen stammen, die über eine ortsgebundene und verlässliche
Nahrungsversorgung (Ackerbau?) verfügten. Zur Anlage und späteren Nutzungen siehe auch
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6bekli_Tepe.
Der Dekor der Kultstätte ist stark von Tierdarstellungen geprägt. Ibis-artige Vögel treten
an verschiedenen Stellen auf. Die Darstellungen von Pfeiler 43, der der Anlage D des
Grundbestandes angehört, zeigen neben einem zentralen Geier mit Ei, der Tod aber auch
Leben bringt, und einem sehr großen Skorpion, auch „Ibis-artige Vögel“, die die Verbindung zu
einer Darstellung eines Knochens bilden (rechts oben), was in Bezug zur Funktion des Ortes als
Gedenkstätte gebracht wird.
24
Vergleichbare Vögel finden sich auf Pfeiler 12 der Anlage C, die ebenfalls dem Grundbestand
angehört und dessen Hauptmotiv ein Wildschwein ist.
Eine mögliche ornithologische Bestimmung als Waldrapp bzw. Akh-Vogel (siehe die
metaphysische Bedeutung des Waldrapps im Alten Ägypten) ist freilich auf Grund der
schematischen Darstellung, die charakteristische Details (Schopf bzw. schmaler gebogener
Schnabel) weitgehend ausspart, nicht möglich. Vergleiche zu diesem Befund auch die folgende
Quelle aus Spanien.
Dass die archäologische Fundstätte jedoch bloß 100 Kilometer von Birecik entfernt liegt, jenem
Ort, dessen Waldrapp-Kolonie berühmt ist/war, ist andererseits doch bemerkenswert, zumal die
zweite zeitnahe Bildquelle (siehe unten: 10.000–5000 vor Christus (Neolithikum)) in Südspanien
sich ebenfalls in vergleichsweiser Nähe zu einer bis heute bestehenden Population des
Waldrapps befindet, die in Marokko überlebte.
Klaus Schmidt, Von besonderen und heiligen Vögeln, in: Frank Falkenstein, Sabine SchadeLindig, Andrea Zeeb-Lanz (Hgg.), Kumpf, Kalotte, Pfeilschaftglätter. Zwei Leben für die
Archäologie. Gedenkschrift für Annemarie Häuser und Helmut Spatz (Studia Honoria 27]),
Rahden 2008, S. 253–260;
Klaus Schmidt, Göbekli Tepe – the Stone Age Sanctuaries. New results of ongoing excavations
with a special focus on sculptures and high reliefs, in: Documenta Praehistorica 37 (2010),
S. 239–256;
Lee Claire, Oliver Dietrich, Julia Gresky, Jens Notroff, Joris Peters. Nadja Pöllath, Ritual
Practices and Conflict Migration at Early Neolithic Körtik Tepe and Göbekli Tepe, Upper
Mesopotamia: A Mimetic Theoretical Approach, in: Ian Hoddler (Hg.), Violence and the
Sacred in the Ancient Near East, Cambridge 2019, S. 96–128, ab S. 105 zu Göbekli Tepe,
S. 114 zum Waldrapp (Geronticus eremita).
25
10.000–5000 vor Christus (Neolithikum): Benalup, El Tajo de las Figuras,
Höhlenmalereien
Bildquelle
Benalup (Cádiz), Höhle von El Tajo de las Figuras
Die Felsenmalereien in der
Höhle von El Tajo de las Figuras
in Benalup aus neolithischer
bzw. chalkolitischer Zeit zeigen
eine reiche Vogelwelt.
Die vier Darstellungen von als
Ibis-Vögel identifizierten
Malereien sind jedoch (trotz des
mitunter dargestellten schmalen
und leicht gebogenen
Schnabels) nicht spezifisch
genug, um sie als Waldrappe
identifizieren zu können.
Vergleiche zu diesem Befund
auch die vorherige Quelle aus
der Südosttürkei.
Dieser Befund wird auch
dadurch nicht aufgehoben, dass
Knochenfunde belegen, dass Waldrappe
auf der Iberischen Halbinsel vorkamen.
Dass die archäologische Fundstätte jedoch
in vergleichsweiser Nähe zu einer bis heute
bestehenden Population des Waldrapps
befindet, die in Marokko überlebte, ist
deswegen bemerkenswert, da die
erwähnten Vergleiche aus der Südosttürkei
ebenfalls in der Nähe einer bis heute
bestehenden Brutkolonie liegen.
Henri Breuil, M(Iiles) C(rawford) Burkitt,
Rock paintings of Southern Andalusia. A
26
description of a Neolithic and
Copper Age art group, Oxford
1929, S. 17, S. 21, Fig. 17/8,
Fig. 20/5;
Sánchez Marco, Presence,
1996, S. 560–561;
Sánchez, Evidence, 2006, S.
106f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp,
2011, S. 69f.
John Cantello, Bald Ibises in
Spain: the Historical Context:
Online-Publikation 2015:
https://birdingcadizprovince.weebly.com/cadiz-birding-blog-page/bald-ibises-in-spain-thehistorical-context;
Daniel Rojas Pichardo, Fauna extincta en la Provincia de Cádiz, Editorial Circulo Rojo 2019
(Link), S. 31f., 133–135.
27
9600–7000/6500 vor Christus (frühe Mittelsteinzeit) oder später: Funde bei
der Ruine Balm bei Günsberg
Knochenfund
Solothurn, Städtische Museum:
Funde bei der Ruine Balm bei Günsberg (Kanton Solothurn – Schweiz)
120–150 Meter östlich der Ruine
Balm bei Günsberg unter einer
mächtigen, überhängenden
Felswand („Balmfluh“) wurden
Knochen mehrerer WaldrappIndividuen gefunden. Es handelt
sich um drei Oberschnäbel, ein
Unterschnabel, eine
Gehirnschädelbasis, zwei Paare
von Coracoiden, ein Humerus und
andere Teile.
Beim Ort des Fundes handelt es
sich um eine frühmesolithische
Azilien-Station. Viele spätere
Verunklärungen der Fundsituation
durch Dachs und ähnliche
Einwirkungen machen eine
definitive Zuordnung der Waldrapp-Fundknochen in den ursprünglichen Fundzusammenhang
jedoch unmöglich.
Bei dem Knochenfund aus der Schweiz handelt es sich um den ältesten Beleg des Waldrapps
aus Mitteleuropa.
Th. Schweizer, Prähistorisch-archäologische Statistik des Kantons Solothurn 13. Folge, 1939,
in: Jahrbuch für solothurnische Geschichte 13 (1940), S. 210–218 (zur Fundsituation);
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 85f. (mit Abb.);
René Wyss, Betrachtungen zum Mesolithikum der Schweiz, in: G. Bersu, W. Dehn (Hg.), Bericht
über den V. Internationalen Kongress für Vor- und Frühgeschichte, Hamburg vom 24. bis
30. August 1958, Berlin 1961, S. 865–869, bes. S. 868;
Gerhard Geiger, Die Umwelt späteiszeitlicher Kulturen des südlichen Ober- und Hochrheins, in:
Das Markgräflerland 26 (1964), S. 65–85, bes. S. 75;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 14f.;
28
Hölzinger, Waldrapp, 1988, S. 57–67, bes. S. 57 (Bezug auf den Waldrapp);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 60f.
29
ca. 6000 vor Christus, nach: Stempelsiegel aus dem nördlichen
Zweistromland
Bildquelle
Verbleib unbekannt:
Stempelsiegel aus dem nördlichen Zweistromland
Stempelsiegel wurden um 6000
vor Christus erstmals breiter
verwendet und waren im 5. und
4. Jahrtausend vor Christus
verbreitet. In weiterer Folge
wurden sie von den Rollsiegeln
weitgehend verdrängt. Zu
Stempelsiegeln vergleiche etwa
Hildi Keel-Leu, Vorderasiatische
Stempelsiegel: Die Sammlung
des Biblischen Instituts der
Universität Freiburg Schweiz,
Freiburg/Schweiz, Göttingen
1991, passim.
Ragnar Kinzelbach schildert, wie er (unvollständige) Kenntnis von den hier behandelten Stücken
durch Abgüsse erhielt, die ihm K(laus) J. Müller aus Bonn übersandte.
Die Vorlagen der hier vorgestellten Abdrücke sind auf Grund dieser Umstände derzeit (noch)
unbekannt.
In seiner kurzen Notiz äußert sich Kinzelbach weder zur Lokalisierung noch zur Datierung, was
verständlich ist, da solche Aussagen nicht in sein Fachgebiet fallen. Er vermeidet freilich auch
Aussagen, zu den physiognomischen Besonderheiten der dargestellten Vögel und man kann
bloß aus der Überschrift der Notiz schließen, dass er sie mit dem Waldrapp in Verbindung
bringt.
Die Darstellung ist jedenfalls – ganz zeittypisch – nicht eindeutig. Der schmale, lange und
gebogene (jedoch vielleicht zu spitze) Schnabel ist einerseits zu nennen, andererseits die
Schmuckfedern am Hinterkopf. Der Körperbau und die dreieckig dargestellten Schwanzfedern
irritieren hingegen.
30
Die Objekte stammen aus einer Region, die durchaus (bis heute) Nachweise zum Vorkommen
von Waldrappen vorweisen kann. Die Funde aus Göbekli Tepe / Xirabreşk (siehe bei 10.000–
9000 vor Christus (frühes Präkeramisches Neolithikum A [PPNA])) belegen dies exemplarisch.
Aus demselben Zeitfenster sind auch die Bildquellen aus El-Khawy (siehe bei ca. 4000 bis 3022
vor Christus (0. Dynastie)) und die vom Trägermaterial (Ton) vergleichbare Ritzzeichnung aus
Hierakonpolis (siehe bei ca. 3500 vor Christus (Naqada I–IIA)) zu nennen. Letztere übertrifft,
meiner bescheidenen Meinung nach, beim Wahrscheinlichkeitsgrad der Identifikation die hier
behandelten Beispiele.
Weitere Forschungen sind dringend notwendig.
Ragnar Kinzelbach, Historische Biodiversität. Der Waldrapp (Geronticus eremita) auf
altmesopotamischen Stempelsiegel, in: Gesellschaft für Biologische Systematik (GfBS),
news 28 (2013). S. 40f.
Kinzelbach erwähnt auch eine weitere Bildquelle: „In Samosata (Samsat, TR) am Euphrat
wurde vor wenigen Jahren ein prachtvolles Mosaik aus der römischen Kaiserzeit
geborgen, welches die Art im natürlichen Habitat zeigt.“ Die Stadt Samsat / Samîsad
wurde durch den Atatürk-Staudamm überflutet und an anderer Stelle wierdererrichtet. Ein
altes Photo, das ein Mosaik zeigt, erlaubt keine Rückschlüsse: https://collections.standrews.ac.uk/item/roman-mosaic-samsat-turkey/740727. Erhaltenes zeigt, soweit ich
sehe, keine Vögel.
31
ca. 4000–3400 vor Christus: Funde aus Maadi
Knochenfund
Maadi (südlich von Kairo)
Die Fundstädte ist der Maadi-Kultur zuzurechnen. Der Knochenfund lässt sich nicht ganz
eindeutig bestimmen, es bleibt also – wie beim Fund aus Balm (siehe bei 9600–7000/6500 vor
Christus (frühe Mittelsteinzeit) oder später) – eine Unsicherheit. Der Waldrapp (Akh-Vogel /
Hieroglyphe – siehe bei 3100–400 vor Christus) wurde nicht, wie etwa der heilige Ibis,
mumifiziert, daher gibt es in Ägypten aus späterer Zeit (bisher noch) keine Funde von
Überresten, sondern bloß Darstellungen.
Joachim Boessneck, Vogelknochenfunde aus dem alten Ägypten, in: Annalen des
Naturhistorischen Museums in Wien, Serie B, 88/89 (1986), S. 323–344, bes. S. 331,
337f.;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.17–31, bes. S. 21;
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 10.
32
ca. 4000 bis 3022 vor Christus (0. Dynastie): Vermeidliche Felsinschriften
beim heutigen Dorf El-Khawy
Bildquelle
Vermeidliche Felsinschriften beim heutigen Dorf El-Khawy
John Coleman Darnell
veröffentlichte 2017 die
„Felsinschriften“ beim heutigen
Dorf El-Khawy (60 km südlich
von Luxor), die in die Frühphase
der „Dynastie 0“ (ca. 4000–3022
vor Christus) datiert werden.
Auf Grund der Monumentalität
und der damit verbundenen
Sichtbarkeit sind die
Darstellungen als frühe
Schriftzeugnisse jedoch höchst
ungewöhnlich.
Im mittleren Bereich sind drei
Vögel dargestellt. Der mittlere
zeigt vielleicht einen Schopf,
freilich ist der Schnabel kurz, was
eine Identifikation mit dem
Waldrapp bzw. mit dem AkhVogel, der späteren Hieroglyphe
(Gardiner, G25),
unwahrscheinlich macht. Zudem
ist unklar, ob der vermeintliche
Schopf nicht (wie bei den
benachbarten
Vogeldarstellungen) als hintere
Kontur des Halses zu
interpretieren ist.
Darnell, S. 58, diskutiert die Frage, ob die Vogel-Bilder eine Aussage haben oder bloß Natur
darstellen, und neigt zu ersterer These, denn der Storch (die beiden Vögel, die den angeblichen
„Crested Ibis“ flankieren, einsprächen der Ba-Hieroglyphe: vgl. Jiří Janák, Saddle-Billed Stork
33
[Ba-Bird], 2014: LINK –
Identifikation mit Gardiner, G29)
habe ebenso wie das AkhZeichen eine Bedeutung im
Jenseits-Glauben der alten
Ägypter. Die Argumentation
erscheint freilich nicht
zwingend.
Überzeugender ist der
Vergleich mit den Hieroglyphentäfelchen aus dem Grab U-j in Abydos, bei denen sich – auf
vergleichbar stark stilisiertem Niveau – Vögel finden (siehe bei ca. 3300 vor Christus (Naqada
IIIA1)).
Insgesamt erscheint die Identifikation der hier behandelten Vogeldarstellungen mit dem
Waldrapp (Akh-Vogel) unwahrscheinlich.
Darnell, Inscriptions, 2017, S. 49–64, bes. S. 52–54, 56f.
34
ca. 3500 vor Christus (Naqada I–IIA): Ritzzeichnung auf einer Tonscherbe
aus Hierakonpolis
Bildquelle
Hierakonkopis, Grabungshaus, Magazin:
Ritzzeichnung auf einer Tonscherbe aus Hierakonpolis, Grabungsabschnitt HK25
Bei der Fundstelle in
Hierakonpolis handelt es sich
nach Hikade, Pyke, OʾNeill, S.
175–177, um Abfall aus einem
Lebensmittel erzeugenden
Betrieb (Brauerei?) aus der
Periode Naquada I–IIA. Park, S.
103, datiert ca. 3500 vor
Christus.
Der Vogel wurde nachträglich
auf die bereits zerbrochene
Keramik geritzt (Pyke, Colman,
Bird, 2006, S. 6; Hikade,
Origins, S. 103 [S. 23]). Als
stichhaltiges Argument dafür
wird angeführt, dass die Darstellung vollständig ist und nicht durch das Zerbrechen der bereits
dekorierten Keramik fragmentiert wurde (Ostrakon). Dies wird bei der Konturlinie der
Schwanzfeder besonders deutlich, die der Bruchlinie folgt.
Pyke und Coleman weisen auf weitere derartige Funde in Hierakonpolis hin, wobei Rinder,
Antilopen aber auch das Zeichen der Göttin Bat dargestellt sind.
Der Vogel steht nicht allein auf der Scherbe, sondern rechts oberhalb seines Rückens wurden
auf einer Fläche, die der Vogel nicht beansprucht, zwei von einem Punkt ausgehende Linien
(eine V-Form) eingeritzt. Pyke und Coleman betonen sehr zu recht, dass dies keineswegs
zufällig passierte, sondern absichtlich geschah. Sie können aber keinen Grund benennen,
weder für das „V“ noch für das Hauptmotiv.
Die Ritzzeichnung wurde, wie bereits betont, auf einem Abfallprodukt angebracht. Der
Kunstbegriff der alten Ägypter (vgl. Klaus Heinrich Meyer, Kunst, in: Lexikon der Ägyptologie 3
[1980], Sp. 872–881) passt hier nur bedingt, denn ob hier tatsächlich „allgemeine
Formvorstellungen gegenüber seiner besonderen Verwirklichung“ (vgl. Sp. 873) dominieren,
erscheint unsicher. Es erscheint fraglich, ob überhaupt ein „Kunstwollen“ die Ritzzeichnung
35
bestimmte, wenn doch, dann ein unbewusstes. Die von Meyer stark betonte metaphysische
Prägung von Kunst (ab Sp. 875) spielt in der hier vorliegenden Vogeldarstellung wohl kaum eine
Rolle auch die Propaganda bestehender gesellschaftlicher Strukturen (Sp. 877) muss im
vorliegenden Fall kaum eine Bedeutung beigemessen werden. (Ich danke Thomas Hikade, der
mich in einem Mailverkehr auf diese grundsätzlichen Fragen aufmerksam gemacht hat.)
Zur Frage der Deutung der Darstellung
Der lange, vorne gebogene schmale Schnabel des dargestellten Vogels, der trotz der
Flüchtigkeit der Darstellung klar zu erkennende Schopf und die allgemeine Physionomie lassen
die Identifikation mit einem Waldrapp durchaus möglich erscheinen (so schon Pyke und
Coleman). Die Zuordnung ist jedenfalls wesentlich klarer als bei den Felsinschriften aus El
Khawy (siehe bei ca. 4000 bis 3022 vor Christus (0. Dynastie)) und den Täfelchen aus dem
Grab U-j in Abydos (siehe bei ca. 3300 vor Christus (Naqada IIIA1)).
Anders als Pyke und Coleman zieht Rosalind Park aus der Darstellung sehr weitreichende
Schlüsse, die auf Bedeutungen beruhen, die dann der Hieroglyphe G25 zugeordnet sind (siehe
bei 3100–400 vor Christus).
Solch weitreichende Deutungen sind mit Bestimmtheit auszuschließen. Auch die Verbindung mit
dem Bedeutungsgehalt der Hieroglyphe G25 ist keineswegs sicher, denn die Schrift war ja erst
im Entstehen begriffen. Da sich auch andere Tiere auf Scherben aus Hierakonpolis finden und
es sich bei der Fundstelle um Abfälle eines Gewerbebetriebes zu handeln scheint, bedarf es
deutlicherer Hinweise für eine inhaltliche Bedeutung als bisher bekannt wurden.
Unabhängig von der Frage, ob der Zeichnung eine Deutung unterlegt werden kann, ist, dass es
sich bei dieser Ritzzeichnung vielleicht um die älteste Bildquelle zum Waldrapp handelt, die das
Naturvorbild so darstellt, dass eine Identifizierung zumindest wahrscheinlich ist.
Pyke, Colman, Bird, 2006, S. 6;
Thomas Hikade, Gillian Pyke, DʼArne OʾNeill, Excavations at Hierakonpolis HK29B and HK25 –
The campaigns of 2005/06, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts
Abteilung Kairo 64 (2008), S. 153–188, bes. S. 175–177;
Park, Decan, 2008, passim;
Thomas Hikade, Origins of monumental architecture. Recent excavations at Hierakonpolis
HK29B and HK 25, in: Renée F. Friedman, Peter N. Fiske (Hgg.), Proceedings of the
Third International Conference „Origin of the State. Predynastic and Early Dynastic Egypt,
London, 27th July–1st August 2008“, Löwen [u. a.] 2011, S. 81–107, bes. S. 103f. (S.
23f.).
36
ca. 3300 vor Christus (Naqada IIIA1): "Hieroglyphentäfelchen" aus dem
Grab U-j in Abydos
Bildquelle
Abydos, Grab U-j, angebliche Hieroglyphentäfelchen
Dreyer, S. 17f., datiert das Grab U-j in die
Periode Naqada IIIa2 bzw. „um 3320“ vor
Christus. Zuletzt datierte Diane Leeman,
S. 3, „c. 3300 (+/- 50 years“.
Die über 150 Täfelchen aus dem (Königs-)
Grab U-j bestehen aus Bein bzw. Elfenbein
und sind 1,5 x 1,5/2 cm groß und zwei bis
drei Millimeter dick. Wegen der immer
auftretenden Bohrungen werden sie als
Anhängetäfelchen identifiziert. Sie
scheinen nicht zu den zahlreichen im Grab
gelagerten Tongefäßen zu gehören,
sondern, Dreyer, S. 136, vermutet, sie
könnten zu anderen Grabbeigaben, die
sich vor allem in der Kammer U-j-II
befanden, gehört haben.
Neben eindeutig als
Zahlzeichen zu bestimmenden
Zeichen, finden sich noch
andere, die größtenteils (aber
keineswegs durchgehend) mit
später als Hieroglyphen
bekannten Bildzeichen
übereinstimmen (Dreyer, S.
139). Dreyer, S. 139, schlägt als
Bedeutungsgehalt hypothetisch
„Herkunftsbezeichnungen oder
Kontrollangaben von
verschiedenen
Verwaltungsinstanzen“ vor. Wenn die Zeichen tatsächlich „Schrift“ sind, gehören sie zu den
ältesten Schriftzeugnissen aus Ägypten.
37
Die Täfelchen 130–135 und X 189 (aus einer älteren Grabung) zeigen Vögel, die als Waldrappe
(bei Dreyer „Schopfibis“ / Northern Bald Ibis / Crested Ibis) erkannt wurden. Dreyer, S. 142,
nimmt an, dass sie als Zeichen für „Osten“ interpretiert werden können und damit als Vorform
von „Schrift“ gelten können. Die Deutung ist freilich umstritten.
Die Vogel-Darstellungen der Täfelchen gehören mit den monumentalen „Inschriften“ von ElKhawy (siehe bei ca. 4000 bis 3022 vor Christus (0. Dynastie)) und der Ritzzeichnung auf einer
Tonscherbe (siehe bei ca. 3500 vor Christus (Naqada I–IIA)) zu einer Gruppe von
Darstellungen, die vielleicht die ältesten von Menschen geschaffenen Darstellungen des
Waldrapps beinhalten könnten. Die (über-)deutlichen Nackenfedern, die langen Beine
zusammen mit der (freilich bloß in drei Fällen) deutlich verlängerten (schmalen) Form der
Schnäbel und der Tradition der Akh-Hieroglyphe (siehe bei 3100–400 vor Christus) ergeben ein
Geflecht an Indizien, das für eine Identifikation als Waldrapp spricht. Janák deutet die Vögel
hingegen als „Secretary bird“ (Sagittarius serpentarius), einem Vogel mit kurzem Schnabel, der
nicht als Hieroglyphe Verwendung fand. Zuletzt identifizierte Leeman die Vögel wieder als
„Crested ibis“.
Günter Dreyer, Umm el-Qaab 1: Das prädynastische Königsgrab U-j und seine frühen
Schriftzeugnisse (= Archäologische Veröffentlichungen des Deutschen Archäologischen
Instituts Kairo 86), Mainz 1998, passim, S. 128f. und 142 (zu den Täfelchen 130–135),
134 (zu X 189), 136–145 (zur Einordnung und Bewertung der Täfelchen), 184 (Tabelle)
sowie Tafel 33 (130–135) und Tafel 35 (X 189);
Ray, Understanding, 1999, S. 16f.;
Jochen Kahl, Die frühen Schriftzeugnisse aus dem Grab U-j in Ummel-Qaab, in: Chronique
d’Égypte 78 (2003), S. 112–135 (ohne Erwähnung der Akh-Hieroglyphe);
Pyke, Colman, Bird, 2006, S. 6;
Park, Decan, 2008, passim (mit sehr weitreichenden Spekulationen);
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.17–31, bes. S. 22;
Ilona Regulski, The Origins and Early Development of Writing in Egypt, Online-Publikation 2015:
Link (ohne Erwähnung der Akh-Hieroglyphe);
Darnell, Inscriptions, 2017, S. 49–64, bes. S. 53f., 57f.
Diane Leeman, Abydos Tomb U-j of Predynastic Egypt, Online-Publikation 2018: Link, S. 9, 23.
https://www.historyofinformation.com/detail.php?id=3428.
38
3100–400 vor Christus: Akh-Hieroglyphe
Akh-Hieroglyphe (Gardiner G25)
Zur Entwicklung der
Hieroglyphenschrift siehe die
frühen Täfelchen aus dem Grab
U-j in Abydos (siehe bei ca.
3300 vor Christus (Naqada
IIIA1)), bei denen Zeichen, die
der späteren Akh-Hieroglyphe
ähnlich sind, bereits
vorkommen. In der
Hieroglyphenliste von Alan
Gardiner (LINK) als G25
geführt, wobei „G“ Vogelmotive
bezeichnet.
Der im alten Ägypten verehrte Ibis (Heiliger Ibis) hat, wie Kumerloeve zu Recht betont, keinen
Schopf (keine Nackenfedern). Kumerloeve weist aber auf Darstellungen von Ibis-artigen Vögeln
hin, die Nackenfedern / Nackenkamm eindeutig zeigen (S. 210–214 [Abb. 11–20]) und
identifiziert diese mit dem in Europa Waldrapp genannten Vogel (Northern Bald Ibis / Crested
Ibis). Der Federschmuck auf Kopf/Nacken sowie der lange schmale und gebogene Schnabel
ermöglichen die Unterscheidung von anderen Vogeldarstellungen / -hieroglyphen (für eine
Übersicht der Vogel-Hieroglyphen siehe hier). Zu Bildbeispielen der Hieroglyphe siehe zum
Beispiel https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Ibis-crested_(hieroglyph).
Das metallisch-glänzende des Gefieders des Waldrapps spielt durchaus eine Rolle, die
Hieroglyphe bedeutet (unter anderem auch) „scheinend“ (Kumerloeve, S. 211, Abb. 15). Als Teil
der „Seele“ gehört Akh (Ach – Link / Link) zentral zur altägyptischen Jenseitsvorstellung. Er
spielt daher in den sogenannten Pyramiden-Texten eine durchaus bedeutende Rolle (vgl.
James P. Allen, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, Atlanta 2005: LINK). Die entsprechende
Hieroglyphe kommt daher auch häufig vor. Warum ein real existierender Vogel als
Schriftzeichen / Hieroglyphe für diese Vorstellung diente, ist – trotz verschiedener Vermutungen
– unklar.
Bemerkenswert ist, dass es zwei unterschiedliche Ausformungen des Bildzeichens gibt: mit
einem Nackenkamm und mit vom Hinterkopf abstehenden Federn.
39
Zur Hieroglyphe und ihrer Bedeutung
Keimer, Interprétation, 1954, S. 237–250;
Florence Dunn Friedman, On the Meaning of Akh (3H) in Egyptian Mortuary Texts, Dissertation
Walham 1981, passim, bes. S. 26–28, 60–63;
Kumerloeve, Kenntnis, 1983, S. 197–234;
Patrick F. Houlihan, The Birds of the Ancient Egypt, Warminster 1986 (auch: Kairo 1988), S. 26–
32;
Ray, Understanding, 1999, S. 97;
Janák, Waldrapp, 2007, S. 129–132;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 38;
Hoda Abd allah Kandil, The Function and Symbolism of the Akh in Ancient Egypt, in: Faculty of
Arts Journal 49 (2012), S. 1–14;
Janák, Northern Bald Ibis, 2013, S. 1–9;
Janák, Akh, 2013, S. 1–9.
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 3f., 6–14, 21f.
40
3100–2700 vor Christus: Stele aus Abydos
Bildquelle
Paris, Louvre, Département des Antiquités égyptiennes, E 21717:
Stele aus Abydos
Die Datierung der Stele folgt
den Angaben der
Museumsdatenbank.
Diese Stele steht als
Beispiel für eine große
Gruppe von FuneralMonumenten für Frauen,
deren Titel die Hieroglyphe
G25 (Akh) in der Form eines
mehrere Hieroglyphen
vereinenden Monogramms
beinhalten. Im hier
vorgestellten Fall „spirit
seeker“.
Der Federschopf ist deutlich
dargestellt, die Verwendung als
Hieroglyphe sichert zudem – trotz
der summarischen Darstellung – die
Bedeutung des Dargestellten ab.
Damit werden die hier vorgestellten
Zeugnisse zu frühen Belegen, dass
der Waldrapp eindeutig als
Hieroglyphe verwendet wird.
Kelly nennt zahlreiche weitere
Beispiele. Besonders klar
erkennbare Darstellungen bei Stela
20 (Bd. 2, S. 1), 137 (Bd. 2, S. 79),
139 (Bd. 2, S. 80), 161f. (Bd. 2, S.
86f.], 211 (Bd. 2, S. 98) und 218
(Bd. 2, S. 102).
41
Susan A. Kelly, Identifying the Women of Early Dynastic Egypt: An Analysis if the Wonmen’s
Funerary Stelae/Slabs from Abu Rawash, Helwan, and Abydos, Sidney, Macquarie
University 2016 (Link), Bd. 1, S. 71f., Bd. 2, S. 93 (Stela 193).
https://collections.louvre.fr/en/ark:/53355/cl010005783
42
nicht nach ca. 2740 vor Christus: Türpfosten von König Chasechemui
Bildquelle
Kairo, Ägyptisches Museum, JdE 33.895 [CG 57.107]:
Türpfosten von König Chasechemui (Khasekhemwy) aus dem Horus-Tempel in
Hierakonpolis / Nekhen (Oberägypten)
Der Pfosten von König Chasechemui
(Khasekhemwy) besteht aus grünem Quarzstein
und stammt aus dem südöstlichen Teil des
Tempels. Die zeitliche Ansetzung ist durch die
inschriftliche Nennung des Königs, der bis um
2740 vor Christus regierte, abgesichert.
Der inschriftliche Text enthält, wenn ich recht
sehe, auch eine Akh-Hieroglyphe (G25). Der
Vogel zeigt den zu einem kompakten
Nackenkamm zusammengefassten Schopffedern,
die häufig bei der Verwendung als Schriftzeichen
auftreten.
Wenn die Identifikation der Hieroglyphe stimmt,
dann ist der hier vorgestellte Stein ein frühes
Zeugnis für deren Auftreten.
Die Inschrift ist etwas älter als
die im folgenden Eintrag
behandelten Darstellungen des
Waldrapps, die ebenfalls aus
Hierakonpolis stammen und
offensichtlich nicht als
Schriftzeichen (Hieroglyphen)
zu deuten sind.
Aus Hierakonpolis sind somit
beide Bedeutungsebenen, die
Waldrapp-Darstellungen im
Alten Ägypten haben können –
als Bild eines Naturdings und
als Hieroglyphe, die zudem eine
43
metaphysische Bedeutungsebene hat – erhalten.
Quibell, Green, Hierakonpolis, 1900/1902, Bd. 2, S. 47f. und Taf. 58;
Bussmann, Provinztempel, 2010, Bd. 1, S. 163, Bd. 2, Abb. 4.24.
44
ca. 2686–2181 vor Christus: Objekte aus dem Horus-Tempel in
Hierakonpolis
Bildquelle
Kairo, Ägyptisches Museum, CG 14.706, und London, Petrie Museum, UC 14.864:
Objekte aus dem Horus-Tempel in Hierakonpolis / Nekhen (Oberägypten):
„Zaubermesser“:
Scheibe (Paneel): London, Petrie Museum, UC 14.863
Im Kontext von Tier- und
Vogeldarstellungen auf den
Elfenbeinobjekten aus
Hierakonpolis ist auch der
Waldrapp dargestellt. Die
Darstellungen sind
vergleichsweise naturnah.
Obacht ist jedoch darauf zu
legen, dass der Waldrapp von
Vögeln unterschieden wird, die
ähnlichen Kopfschmuck zeigen,
jedoch bloß über einen kurzen
Schnabel verfügen (Sagittarius
serpentarius, Secretary bird).
Die Darstellungen auf dem
Hauptstück des
„Zaubermessers“ (aus Nilpferd) (in Kairo) bzw. auf dem Paneel (aus Elephant) (3. Reihe von
oben, Mitte) scheinen am ehesten für den Waldrapp zu sprechen (vgl. Pyke und Colman, Park
sowie Janák). Es ist auf den Kopfschmuck und auf den langen und gebogenen Schnabel
hinzuweisen. Bussmann identifiziert den Vogel des „Zaubermessers“ jedoch als „Kranich (?)“,
die Vögel des Paneels differenziert er nicht.
Der Waldrapp hat in den hier
vorliegenden Darstellungen
keine Verbindung zu den
metaphysischen Konnotationen,
die mit der Akh-Hieroglyphe
verbunden sind.
45
Der zweite Teil des TierDefilées des „Zaubermessers“
wird unter derselben Signatur
UC 14.864 (Quibell, Bd. 2, Tafel
32, 5 [links unten]) verwahrt und
zeigt (neben anderen Tieren)
ebenfalls einen Vogel mit
Kopfschmuck. Dessen Schnabel ist jedoch kurz, es
wird sich um einen „secratary bird“ handeln.
Quibell, Green, Hierakonpolis, 1900/1902, Bd. 1,
Tafel 6 (Fig. 6: Photo), Tafel 16 (Fig. 1 und 4:
Nachzeichnungen); Bd. 2, S. 36 (zu pl. VI,6) und S.
37 (zu pl. XVI,1), Tafel 32;
Pyke, Colman, Bird, 2006, S. 6;
Park, Decan, 2008 (LINK), bes. S. 103–111;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.17–31, bes. S. 22.
Bussmann, Provinztempel, 2010, zum
„Zaubermesser“ Bd. 1, S. XXXIX, 245, 527, Bd. 2, S.
96 (Abb. 5.76 [H2146]); zum Paneel Bd. 1, S. XL, S.
248, 530, Bd. 2, S. 102 (Abb. 5.105 [H 2183]);
Darnell, Inscriptions, 2017, S. 49–64, bes. S. 57f.
http://petriecat.museums.ucl.ac.uk/dispatcher.aspx?action=search&database=ChoiceUCLPC&s
earch=accession_number=%20%27UC14863%27&limit=10&SRT0=&TYP0=&SEQ0=&position=
1: (Petrie-Museum, UC 14.863)
http://petriecat.museums.ucl.ac.uk/dispatcher.aspx?action=search&database=ChoiceUCLPC&s
earch=accession_number=%20%27UC14864%27&limit=10&SRT0=&TYP0=&SEQ0=&position=
1: (Petrie-Museum, UC 14.864)
46
ca. 2613–2181 vor Christus: Relieffragment mit Vogellauf
Bildquelle
Kairo, Ägyptisches Museum, Relieffragment:
Vogellauf mit Akh-Vogel
Das Fragment eines Kalksteinreliefs könnte einen
Waldrapp (Akh-Vogel) zeigen, der von einem
Menschen (König) in der Hand gehalten wird. (Der
Konjunktiv ist notwendig, da der Schnabel, der für
eine Bestimmung unabdingbar berücksichtigt
werden muss, bloß in minimalen Spuren erhalten
ist.)
Dargestellt ist der sogenannte „Vogellauf“ eine
rituelle Handlung bei der der König mit dem AkhVogel (der Figur eines solchen) zu einer Gottheit
läuft.
Die vom Ägyptischen Museum angegebene
Datierung widerspricht den Angaben, die älteste
Darstellung des Vogellaufes stelle Königin
Hatschepsut (1479–1458 vor Christus) in der
Hathor-Kapelle ihres Totentempels in Deir elBahari (nördlich von Theben) dar.
Janák, 2020, S. 92f., geht davon aus, dass beim Vogellauf nicht ein realer Vogel gehalten
wurde, sondern ein Abbild des (wie Janák meint damals vielleicht gar nicht mehr in Ägypten
heimischen) Waldrapps.
Zum Vogellauf (ohne des hier vorgestellten Reliefs):
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.17–31, bes. S. 27;
Jiří Janák, Running with Images. Ritualised Script in the Vogellauf, Rudderlauf and Vasenlauf,
in: Miroslav Bárta, Jiří Janák (Hgg.), Profane Landscapes, Sacred Spaces, Sheffield 2020,
S. 89–96;
http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=lexikond&id=050703220243
(nennt 16 [andere] Darstellungen des Vogellaufes).
https://egypt-museum.com/post/165192398791/relief-fragment-of-an-akh-bird-limestone (ohne
Angabe einer Inventarnummer – geposted am 10. September 2017 [derzeit nicht mehr
erreichbar; für ein Bild vgl. jedoch HIER])
47
2504–2347 vor Christus (5. Dynastie): Mastaba des Hetepherakhti aus
Saqqara
Bildquelle
Leiden, Rijksmuseum van Oudheden, F 1904/3.1-b:
Mastaba des Hetepherakhti aus Saqqara (südlich von Kairo)
Auf der Mastaba des
Hetepherakhti (Hetepherachet,
Hetepherachty, Hetepherachti,
Hetepherakhet, Hetepherakhty,
Hetep-her-akhti) aus Saqqara
sind vergleichsweise naturnah
gestaltete Akh-Hieroglyphen zu
sehen (Teilansicht 022407;
Detailphoto KE 16609)
Vergleichbar sind, ebenfalls aus
der 5. Dynastie (2504–2347 vor
Christus), die Mastaba des Akhet-hotep (Akhethetep) aus Saqqara (Louvre, E 10958 A: 2453–
2380 vor Christus) oder jene des Seshathotep (Seshathetep) in Giza (Digital Giza, G 5150).
Kumerloeve, Kenntnis, 1983, S. 197–234, bes. S. 210, 212;
48
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.17–31, bes. S. 23f.;
Janák, Northern Bald Ibis, 2013, S. 6.
https://nickyvandebeek.com/projects/hetepherakhty/
49
um 2430 vor Christus (Mitte 5. Dynastie): Diadem aus Giza
Bildquelle
Boston, Museum of Fine Arts, Acc.-Nr. 37.606a:
Diadem aus Giza, Mastaba G 7143 B
Das zerbrochene und stark
beschädigte Diadem aus
vergoldetem Kupfer wurde 1927
im hölzernen Sarkophag der
Grabkammer im Bereich des
Schädels gefunden. Dunham,
S. 24, publiziert ein Photo vor
den Restaurierungsarbeiten.
Das Schmuckstück wird von
zwei einander zugewandten
Waldrappen bekrönt, deren
Schnäbel sich kreuzen.
Pigmentreste erlauben Dunham
eine sehr bunte Rekonstruktion
der beiden Vögel (rot und grün)
(siehe Abb. auf S. 24).
Die Datierung in die Mitte der 5.
Dynastie folgt Dunham, S. 23.
Ein weiteres Diadem befindet
sich im Ägyptischen Museum in
Kairo. Es ist aus massivem
Gold gefertigt und stammt
ebenfalls aus Giza. Es wurde in
der ungestörten Grabkammer
einer Frau gefunden und wird von Dunham an das Ende der 4. oder an den Beginn der 5.
Dynastie datiert (Dunham, S. 26f. mit Abb. und http://giza.fas.harvard.edu/objects/54879/full/).
50
Dunham, S. 27f., geht wegen
der Fragilität der Diademe
davon aus, dass es sich bei den
Stücken nicht um den
Kopfschmuck handelt, den
lebende Personen trugen, sondern um, Funeralobjekte, die also erst für die
Begräbnisfeierlichkeiten hergestellt wurden.
Dows Dunham, An Egyptian Diadem of the Old Kingdom, in: Bulletin of the Museum of Fine Arts
44 (1946), S. 23–29;
Egyptian Art in the Age oft he Pyramids, Jewelery in the Old Kingdom, New York Metropolitan
Museum of Art 1999, S. 304 (Patricia Rigault: die Autorin nennt ein weiteres Beispiel in
Leipzig, Ägyptisches Museum, 2500, aus Mastaba G 208 in Giza [Ende 5. Dynastie]);
Stephanie Joan Harris, Decoding Ancient Egyptian Diadems: Symbolism and iconography as a
means of interpreting feminine identity, University of South Africa 2018 (LINK), S. 135–140
(Diadem in Kairo), S. 140–144 (in Leipzig), S. 144–148 (in Boston);
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 10.
https://collections.mfa.org/objects/147991; http://giza.fas.harvard.edu/objects/16146/full/.
51
1991–1802 vor Christus (12. Dynastie): Mastaba des Hesu-wer in Kom el
Hisn
Bildquelle
Kom el-Hisn (Nildelta), Mastaba des Hesu-wer (Hsw / Khesu-wer)
Die Grabkammer wird in die 12.
Dynastie datiert, Campbell
Cowan Edgar schlägt die
Regierungszeit Amanemhet III.
(1860–1814 vor Christus) vor.
Janák behandelt eine
Darstellung, die viele Vögel
zeigt, die – was er besonders
hervorhebt – eben nicht als
Schriftzeichen sondern als
Darstellung der Vögel zu
verstehen ist.
David P. Silverman, The Tomb
Chamber of Hsw the Elder, Winota Lake 1988, Tafel 31, 34;
Faiza Mahmoud Sakr, New Foundation Deposits of Kom el-Hisn, in: Studien zur
Altägyptischen Kultur 22 (2005), S. 349–355;
Janák, Spotting the Akh, 2010, S.17–31, bes. S. 24–27;
Janák, Northern Bald Ibis, 2013, S. 6.
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 10.
52
1295–1069 vor Christus (19./20. Dynastie): Stele aus Medinet Habu
Bildquelle
Chicago, University, Oriental Institute, Reg.-Nr. E14287:
Stele aus Luxor, Medinet Habu (Oberägypten)
Die Stele, die 1929 ergraben wurde, zeigt nicht
nur beispielhaft eine Akh-Hieroglyphe, sondern
hat auch das Akh-Werden von Verwandten zum
Darstellungsinhalt:
Sethmose bringt seinem (verstorbenen und zu
einem Akh-gewordenen) Bruder Nakht Opfer, um
vor Gefahr und Krankheit geschützt zu werden.
Die Hieroglyphen-Darstellung ist durchaus dem
Naturvorbild ähnlich.
Virginia Rimmer Herrmann, J. David Schloen
(Hgg.), In Remembrance of Me. Feasting
with the Dead in the Ancient Middle East,
Chicago 2014, S. 131 (Emily Teeter).
https://oi-idb.uchicago.edu/id/9c29ecec-a1de417b-b8c8-ee71f24a5e9e (mit
Bibliographie)
53
924–890 vor Christus (22. Dynastie): Mumienbrett des Penmaat
Bildquelle
Brüssel, Musées Royaux d’Art et d’Histoire, E.06.309:
Mumienbrett des Penmaat
Das Mumienbrett in Brüssel
stammt aus Luxor, wohl Deir elBahari.
Die Darstellung ist, abgesehen
von den Farben, durchaus
eindeutig. Der lange gebogene
Schnabel, der Federbusch am
Hinterkopf und die allgemeinen
Proportionen stimmen mit dem
Waldrapp überein. Die
Farbigkeit, vor allem der
orangerote Federbusch kann
mit dem Naturvorbild nicht in
Verbindung gebracht werden.
David Nunn, A Palaeography of Polychrome Hieroglyphs: Online-Publikation 2020:
https://www.phrp.be/Palaeography.php: bei „G25: crested ibis“
https://www.carmentis.be:443/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection
&objectId=82940
54
764–406 vor Christus: Funde aus der Grotte Bodine
Knochenfund
Lyon, Muséum d’Histoire naturelle, no. 20-165965 und 20-165966:
Funde aus der Grotte Bodine in Labastide-de-Virac (Departement of Ardèche –
Frankreich)
Die Knochenfunde aus einer
Kalksteinwand über dem Fluss
Ardèche im Süden Frankreichs
sind die ersten Knochenfunde
eines Waldrapps aus
Frankreich. Sie stammen
wahrscheinlich von einem
Individuum.
Cécile Mourer-Chauviré, Michel
Philippe, Stéphane Guillard,
Marcel Meyssonnier, Presence
of the Northem Bald Ibis
Geronticus eremita (L.) during
the Holocene in the Ardeche
valley, southem France, in: Ibis
148 (2006), S. 820–823;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70;
Registre fossile, 2013: http://ibis-chauve.blogspot.com/2013/07/registre-fossile-des-ibischauves.html.
55
570–526 vor Christus (26. Dynastie, Pharao Amasis II.): Naos aus Sa elHagar
Bildquelle
Leiden, Rijksmuseum van Oudheden, AM 107:
Naos aus Sa el-Hagar / Sais (Unterägypten), linke Seite, II.7
Marco Zecchi, S, 31, betont,
dass nach seiner Ansicht die
hier vorliegende Darstellung
das einzige Beispiel für eine
Darstellung des Waldrapps, der
bei den Alten Ägyptern als AkhVogel auch über die Funktion
als Hieroglyphenzeichen
hinausgehende metaphysische
Bedeutung hatte, aus dieser
späten Periode der ägyptischen
Geschichte sei.
Dem sind unter anderem die
Darstellungen am Horustempel
in Edfu entgegenzustellen (siehe bei
nach 237 vor Christus), die freilich, trotz
der detaillierten Darstellung,
Schriftzeichen sind.
Marco Zecchi, The Naos of Amasis. A
monument for the reawakening of
Osiris (Palma: Papers on
Archeology of the Leiden
Museum of Antiquities 20), Leiden
2019, passim, bes. S. 17
(Seitenansicht), 30f., 52
(Strichzeichnung), 122.
56
432–370 vor Christus: Silbermünze aus Stymphalus
Bildquelle
London, British Museum, 1841,B.2012:
Silbermünze aus Stymphalus (Achaea)
Die Identifikation, die DesFayes
vorschlägt, die legendären
Stymphalídes órnithes der
Münze mit dem Waldrapp
gleichzusetzen, wird durch das
Münzbild nur bedingt gestützt,
das als als Kopf und Nacken
eines „crested water-bird“
beschrieben wird.
Alle in Stymphalus geprägten und im British Museum vorhandenen Münzen, von denen viele
Vogelbüsten zeigen (siehe HIER), machen zwar verständlich, warum DesFayes an den
Waldrapp dachte (mitunter Schopf bzw. Nackenschopf, mitunter schmaler, mitunter gebogener
Schnabel), eine Identifikation erscheint jedoch trotzdem höchst problematisch.
Reginals Stuart Poole (Hg.), Catalogue of Greek Coins: Percy Gardner, Peleonnesus (excluding
Corinth), London 1867, S. 199 und Tafel XXXVII, 1;
Michael DesFayes, Evidence for the ancient presence of Bald Ibis, Geronticus eremita, in
Greece, in: Bulletin of the British Ornithologists' Club 107 (1987), S. 93–94.
https://www.britishmuseum.org/collection/object/C_1841-B-2012 (Museumsdatenbank)
57
nach 237 vor Christus: Horustempel in Edfu, Hieroglypheninschrift
Bildquelle
Edfu, Horustempel, Hieroglypheninschrift
Der dem lokalen Horus-Gott
geweihte Tempel in Edfu
(Oberägypten) wurde 237 vor
Christus gegründet. Die AkhHieroglyphe zeigt die
physischen Merkmale des
Waldrapps sehr klar.
Als Erstinformation zur Tempelanlage in Edfu: https://de.wikipedia.org/wiki/Tempel_von_Edfu;
Serra, Surrounding, 2012, online.
58
145–135 vor Christus: Itálica, Haus des Neptun, Mosaikfußboden
Bildquelle
Mosaikfußboden der Therme des Hauses des Neptun in Itálica (Santiponce bei Sevilla,
Provinz Andalusien)
Die Stadt Itálica wurde 206 vor Christus gegründet. In zahlreichen Häusern finden sich gut
erhaltene Mosaikfußböden.
Die Rahmenleiste des hier
relevanten, 1970/73 freigelegten
Mosaikfeldes zeigt nackte
Krieger mit erigierten Penissen
im Kampf mit Krokodilen und
Waldrappen, wobei die Vögel
offenbar vielfach siegreich sind.
Auch auf Grund der Krokodile
ist ein deutlicher Ägypten-Bezug
bei der Ikonographie der
Ausstattung feststellbar. Dass in
diesem Zusammenhang
Waldrappe so prominent
auftreten, ist bemerkenswert.
Josef Feldner (Mail vom 12.
Jänner 2022) kann der von
Iñigo Sánchez als sicher
angenommenen Identifikation
mit dem Waldrapp (Northern
Bald Ibis) nicht uneingeschränkt
folgen und hält es auch für
möglich, dass Reiher dargestellt
sind.
59
60
In der Casa de los Pájaros
befindet sich ebenfalls ein
Bodenmosaik. Die Felder sind mit
Vogeldarstellungen gefüllt. Auch
dort ist ein Waldrapp abgebildet,
das Mosaikfeld ist freilich stark
beschädigt.
61
Antonio Blanco Freijeiro, José María Luzón Nogué, El mosaico de Neptuno en Itálica, Sevilla
1974;
Sánchez, Evidence, 2006, S. 105–110, bes. S. 107.
https://artsandculture.google.com/asset/mosaico-de-neptuno/hQFBjgC0bA5sSw.
Casa de los Pájaros (https://artsandculture.google.com/asset/mosaico-de-losp%C3%A1jaros/bwHJwjEWClrE8A?hl=es)
62
um 60/70: Plinius der Ältere, Historia naturalis
Textquelle: Naturkundliche (ornithologische) Beobachtungen
Plinius der Ältere, Historia naturalis
Plinius schließt Liber X, cap. 58/134, so ab: „Visam in alpibus ab se peculiarem Aegypti et ibim
Egnatius Calvinus praefectus earum prodidit.“ (online z. B.: Link).
Egnatius Calvinus, Präfekt in den Alpen, hat berichtet, er habe dort sogar den in Ägypten
heimischen Ibis beobachtet (Link; englische Übersetzung: Link).
Die Glaubwürdigkeit des Plinius und der von ihm behaupteten Quelle werden von Strohl, S.
508f., und Faoro, S. 108, mit gewichtigen Argumenten in Frage gestellt. Zudem sind die
Möglichkeiten der Identifikation sehr beschränkt, da über den Vogel, den der Präfekt der Alpen
gesehen haben soll, keine Angaben gemacht werden außer dass er dem ägyptischen Ibis
entspräche.
Schon im Jahr 1555 kannte Gesner diese Stelle (für Details zu Gesner siehe unten unter
1555/1557): Auf S. 546 steht das Kapitel „De avibus quarum nomina incipiunt ab I. littera: De
Ibide.“ (Link), das Zitat folgt auf S. 547. Freilich verband Gesner diesen Hinweis eben nicht mit
dem Waldrapp, den er bei den ab S. 320 behandelten Raben (De corvo) auf S. 370f. beschreibt
(Link).
Die Passage lautet bei Gesner (S. 547) lautet vielmehr:
Visam in alpibus ab se peculiarem Aegypti ibim, M. Egnatius Calvinus praefectus earum
prodidit, Plinius. Scio ego in alpibus reperiri avem, quam nostri ciconiam nigram appellant: quam
tamen ibin esse rostrum rectum non sinit. Ut neque corvus sylvaticus alpina avis nigra ibis esse
mihi videtur, quanquam rostro adunco, quod alia quaedam non respondeant.
Ibes Aegypti duplici genere distinguuntur. Sunt enim aliae candidae, aliae nigrae. Candidae
apud Pelusium tantum non sunt, cum in reliqua tota Aegypto habeantur. Nigrae contra apud
Pelusium tantum, in caetera Aegypto nullae, Aristoteles, Plinius, et Solinus. Rostrum non
rectum, sed aduncum (προσωπον έπίγρυπον, Herodotus) vel obliquum ibidi tribuunt Plinius et
Pausanias. Stymphalides aves magnitudine grues aequant, sed ibibus sunt similes, rostra
tamen habent firmiora, et non ut ibes obliqua, Pausanias in Arcadicis.
Die entsprechende Passage ist in der deutschen Ausgabe von 1557 auf fol. 160v deutlich
verändert. Unter anderem fehlt das Plinius-Zitat. Gesner bestreitet dort zudem, dass der
behandelte Ibis und der Waldrapp identisch seien:
In Alpen findt man einen vogel, so ein schwartzer Storck genennt, welcher doch von waegen
seines graden schnabels nit ein Ibis kan genennt werden. Wie auch der Waldrapp nit der
schwartz Ibis seyn mag, ob er gleych wol einen krumben schnabel hat, darumb daß er im in
übrigen stucken nit aenlich ist.
63
Die Stelle bei Plinius wirft viele Fragen auf, die hier nicht geklärt werden können. Vor allem
muss offenbleiben, was Gesner genau über das Plinius-Zitat und die Identifizierung ägyptischer
Ibis-Vögel mit dem Waldrapp dachte, und ob er seine Meinung nicht (mehrmals?) änderte.
Davon unabhängig ist jedoch, dass aus Plinius kein Beweis für die Existenz (oder die NichtExistenz) des Waldrapps im 1. Jahrhundert vor Christus in Mitteleuropa (im Gebiet der Alpen)
abgeleitet werden kann.
1591 bringt Simon Ostermann eine andere Stelle von Plinius mit dem Waldrapp in Verbindung:
Lib. 10, Cap. 45: „Ibis circa Pelusium tantum nigra est, ceteris omnibus locis candida.“ Für
weitere Angaben siehe bei 1591.
Zum Text zum Beispiel: Plinius Secundus, Gaius, Historia naturalis, Naturkunde, lateinisch –
deutsch, 10: Zoologie: Vögel, herausgegeben und übersetzt von Roderich König in
Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler, Düsseldorf 2. Aufl. 2007, S. 94f. bzw. 66.
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 544f.;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 507–538, bes. S. 508f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 17;
Hölzinger, Waldrapp, 1988, S. 64–66 (hält Plinius für glaubwürdig);
Davide Faoro, Praefectus, procurator, praeses. Genesi delle cariche presidiali equestri nell'Alto
Impero Romano, Mailand, Florenz 2011 (https://www.academia.edu/1026374), S. 108;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64.
64
um 350/400: Funde vom Kaiserstuhl in Sponeck
Knochenfund
Spätrömische Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl
In den Jahren 1976/79 wurden Grabungen in Sponeck durchgeführt. Eine
Fundmassierung ist in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts festzustellen,
Einzelfunde sind bis ins 6. Jahrhundert dokumentiert. Münzfunde reichen
bis ca. 380/90 (dazu im Detail Overbeck).
Die mittelalterliche Burg wurde (an etwas anderer Stelle) ab
13. Jahrhundert errichtet und störte somit den antiken Bestand nicht. Eine
für die hier behandelte Detailfrage unerhebliche Ergänzung der Bewertung
der Funde wurde von Uwe Gross 2012 vorgenommen.
Die Tierknochenfunde (32.328 Stück; 25.438 bestimmt) wurden von
Reinhard Pfannhauser untersucht. Es handelt sich dabei vor allem um
Küchenabfälle in ungestörtem Fundkontext der zweiten Hälfte des
4. Jahrhunderts. 92,4% davon stammen von Haustieren, 7,4% von
Wildsäugetieren, nur 33 Knochen von wildlebenden Vögeln (Seeadler,
Kranich, Waldrapp: 2 Stück).
Pfannhauser ist sich der Bedeutung des Fundes für die spezifische
Forschungsgeschichte zum Waldrapp durchaus bewusst, kann daher nicht als vollkommen
neutral eingestuft werden. Nicht ganz schlüssig ist die Annahme, der Waldrapp hätte in den
steilen Felspartien unterhalb der Befestigung genistet. Wäre dies der Fall, dann wäre mehr
Fundmaterial zu erwarten. Dass er im 4. Jahrhundert – so wie die anderen Wildvögel – als
gelegentliche Jagdbeute der Ernährung der Soldaten diente, darf aber als gesichert gelten.
Wo sich die Funde jetzt befinden, ist für mich derzeit nicht feststellbar. Eventuell in
Freiburg/Breisgau, Museum für Ur- und Frühgeschichte.
Zu Quellen aus dem nahegelegenen Breisach siehe bei 1191 (Überlieferung 1587) und 1593.
Roksanda M. Swoboda, Gemarkung Jechtingen, Kreis Emmendingen, in: Fundberichte BadenWürttemberg 4 (1979: Link), S. 316–343;
Bernhard Overbeck, Die Fundmünzen der Burg Sponeck, Gemarkung Jechtingen, Kreis
Emmendingen, in: ebendort, S. 204–213;
65
Roksanda M. Swoboda, Die spätrömische Befestigung Sponeck am Kaiserstuhl (Münchner
Beiträge zur Vor- u. Frühgeschichte 36), München 1986 (Eine Rezension hier: Link);
Reinhard Pfannhauser, Tierknochenfunde aus der spätrömischen Anlage auf der Burg Sponeck
bei Jechtingen, Kreis Emmendingen, Dissertation München, Tierärztliche Fakultät LudwigMaximilians-Universität 1980, passim (zum Fund) bzw. S. 10, 33, 89–92, Tafel 4 (zum
Waldrapp: Coracoid in zwei Ansichten);
Hölzinger, Waldrapp, 1988, passim;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64.
Uwe Gross, Zum Fundmaterial der spätrömischen Befestigung Sponeck – einige Ergänzungen
und Korrekturen, in: Niklot Krohn (Hg.), Grosso Modo: Quellen und Funde aus Spätantike
und Mittelalter. Festschrift für Gerhard Fingerlin, Weinstadt 2012, S. 25–37.
66
C-2 – Mittelalter (bis ca. 1500)
Ob der Waldrapp in den beiden zentralen ornithologischen Werken des Mittelalters, bei Kaiser
Friedrich II., De Arte Venandi cum Avibus, und bei Albertus Magnus, De animalibus (in dem 114
fliegende Tiere aufgezählt sind), vorkommt, muss differenzierter als in der Vorgängerversion
dieses Textes behandelt werden.
Bei Friedrich II. nimmt Kinzelbach, Modi auium, 2008, S. 63–135, bes. S. 73f. und 108f. (auch
Kinzelbach, De arte venandi, 2008, S. 268–299, bes. S. 281, 291, 298 [Anm. 89]) an, dass sich
Quedam in capite carent plumis et lanulis ut avis que dicitur caleranus niger campester habens
rostrum et crura nigra (Lib. 1, Cap. 23 – Transkription nach Rom, Città del Vaitcano, Biblioteca
Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1071, fol. 18r) auf den Waldrapp beziehe. In der süditalienischen
Handschrift, die 1258/66 entstand (Katalogisat und Bibliographie [BAV], Katalogisat [UB,
Heidelberg] und Digitalisat), wurde bei crura nigra später am Rand vermerkt (korrigiert) rubra.
Die originalen Randillustrationen bilden den Waldrapp nicht ab (so auch das ikonographische
Tool Heidicon: https://heidicon.ub.uni-heidelberg.de/detail/918339).
Kinzelbach bringt noch eine weitere Stelle (Lib. 1, Cap. 54 – fol. 39r), wo ein galeranus
campestris erwähnt wird, mit dem Waldrapp in Verbindung (https://heidicon.ub.uniheidelberg.de/detail/918369). Diese (durchaus nicht einheitlich vertretene) Identifikation auch
bei Anita Albus, Von seltenen Vögeln, Frankfurt/Main 2005, S. 72–114, und S. 277, zu
Friedrich II. besonders S. 73f. und S. 76.
Bei Albert werden die (in Ägypten lebenden) Ibisse in Buch 23, Kapitel 24 behandelt. Josef
Feldner (siehe Vorwort) bezieht einen Satz in diesem Abschnitt auf den Waldrapp: „Haec avis
(nämlich der Ibis) licet aquatica sit, aquas non ingreditur, sed iuxta aquam colligit pisciclos et
cadavera reiecta et alia animalia quae invenit et maxime serpentes.“ Wahrscheinlicher scheint
es mir freilich zu sein, dass Albert damit keinen vom Ibis zu unterscheidenden Vogel benennt,
sondern bloß eine weitere Eigenschaft des Ibis’ aufzählt.
Viktor Hugo Suolahti, Vogelnamen, 1909, nennt auf S. 376 weitere Belegstellen, die freilich
allesamt problematisch sind. Er nimmt die Interlinearübersetzung von „Ibis“ mit erdhuon (als
ęgyptica avis bezeichnet) im Codex 106 in der Stiftsbibliothek Admont (fol. 146v), eine Abschrift
der Versus de volucribus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (ebenso in Cod. 476, fol.
124r), als Beleg für den Waldrapp, ebenso wie die Begriffe pirchhuen, der im Cod. 759, fol. 55v,
stattdessen verwendet wird, und stainmuck, der im Codex 1325 der Österreichischen
Nationalbibliothek (14. Jh.) auf fol. 106v steht.
67
Abgesehen von den oben behandelten Problemen ist die Quellenlage, wenig verwunderlich,
während dieser Zeitspanne prekär.
Die möglichen Bildquellen sind, ganz der Kunstauffassung der Periode entsprechend, wenig an
einem konkreten Naturvorbild orientiert. Selbst wenn bei einzelnen Motiven Verbindungslinien
zu real existierenden Vögeln evoziert werden sollen, Naturbeobachtung im wissenschaftlichen
Sinn ist nicht das Ziel der Künstler. Erst im späten 15. Jahrhundert ändert sich das Bild. Auf
zwei niederbayerischen Tafelbildern sind Waldrappe eindeutig erkennbar (siehe bei 4. Viertel
15. Jahrhundert).
Die Textquellen sind rar und von ihrem Charakter disparat.
Zwei erzählenden (chronikalen) Quellen (siehe bei 1191 (Überlieferung 1587) und bei um 1238
(Überlieferung nicht vor 1538)) ist, da sie beide erst aus dem 16. Jahrhundert überliefert sind
und wohl damals auch verändert wurden, nur geringe Beweiskraft in Bezug auf die Existenz von
Waldrappen zuzugestehen.
Die archivalischen Textquellen aus Kloster Baumburg (siehe bei 1441 und 1471) sind ganz
anders zu beurteilen. Rechnungsbüchern kommtn – abgesehen von lexikalischen Problemen –
hoher Quellenwert zu.
Wie bei den Bildquellen ändert sich das Bild auch bei den chronikalen Textquellen am Ende des
15. Jahrhunderts grundlegend. Der Bericht des Überlinger Stadtschreibers Conrad Zetler (siehe
bei 1481 März (Überlieferung 1580)) ist, obwohl ebenfalls erst spät überliefert, vollkommen
unverdächtig und belegt die Existenz von Waldrappen – so wie die oben genannten Tafelbilder
– zweifelsfrei.
Knochenfunde sind rar, einem (siehe bei um 1400 (nicht nach 1415)) kommt jedoch hohe
Beweiskraft zu.
68
um 800/825: Liber viventium aus Kloster Pfäfers
Bildquelle
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Fab. 1:
Evangelistar aus Kloster Pfäfers mit Liber viventium
Der Codex ist mit ganzseitigen Zierseiten zu den
Evangelien und gemalten Bogenstellungen reich
ausgestattet und überliefert die
Evangelienperikopen in der Ordnung des
Kirchenjahres. Ab ca. 830 wurden in die
Rahmen Nekrologeintragungen (daher der
Name Liber Viventium) und andere für die Abtei
wichtige Dinge (Verzeichnisse) eingetragen.
Die Bildzierseite zum Markusevangelium (p. 52)
zeigt, wie die anderen derartigen Seiten auch,
als Zwickelfüllung oberhalb von Bogenstellungen
zwei Vögel, die mitunter als Waldrappe
identifiziert wurden.
Der eindeutig „pro-Waldrapp“-geprägte Text von
Tschirky beruft sich auf Prof. Dr. Heini Hediger,
früherer Direktor des Zürcher Zoos, der „beim
ersten Blick (erkannte), dass es sich bei diesen
Vögeln um Waldrappen handelt“. Eine
Begründung bleiben Hedinger und Tschirky
jedoch schuldig.
Die Zierseite zu Matthäus (p. 4) hat an der
Stelle, die auf p. 52 angeblich Waldrappe zeigt,
eindeutig erkennbar Pfaue. Bei Lukas (p. 94)
sind ebenso klar erkennbare Hähne abgebildet.
Die Vögel bei Johannes (p. 144) sind nicht
gleichartig (links wohl eine Ente).
Dass zumindest teilweise erkennbare Vögel
dargestellt werden sollten, kann daher auch für
p. 52 angenommen werden. Der Kopf zeigt
keinerlei Zierrat, der für einen adulten
69
(erwachsenen) Waldrapp typisch ist, und auch die Kahlheit des Kopfes wird nicht mit
darstellerischen Mitteln betont. Der lange Hals könnte für einen Sichler oder eine andere Ibis-Art
sprechen, die freilich nördlich der Alpen nicht heimisch sind. Gegen einen Reiher sprechen die
zu kurzen Beine und die schwarz changierende Farbe. Der rote, recht schmale, erkennbar
gebogene Schnabel verbleibt als einziges charakteristisches Merkmal, das für einen Waldrapp
spricht.
Die Zusammenschau dieser Elemente reichen mit dem Gesamtcharakter der
Vogeldarstellungen in diesem frühmittelalterlichen Codex und der Wahrscheinlichkeit, dass in
der Gegend Waldrappe lebten, um eine Identifizierung zumindest möglich erscheinen zu lassen.
Bernhard Gönner bleibt skeptischer in Bezug auf diese Möglichkeit als der Autor, der die
Möglichkeiten der Zeit, die stark auf Charakteristisches fokussieren, betont. Wenn der Waldrapp
als Nahrungsquelle diente, wie dies vielfach belegt ist, dann könnten dem Maler Jungvögel
(ohne Kopfschmuck) eher vertraut gewesen sein als erwachsene Tiere.
Zur Handschrift: http://e-codices.ch/de/list/one/ssg/fab0001 (Digitalisat und Beschreibung):
Jurot Romain (unter Mitarbeit von Rudolf Gamper), Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers
im Stiftsarchiv St. Gallen, Dietikon-Zürich 2002 (Studia Fabariensia; 3), S. 81–83.
Josef Tschirky, Der Waldrapp im Liber Viventium. Die abenteuerlich-tragische Geschichte des
wundersamen Vogels, in: Terra plana 2005, S. 3–8;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
70
um 1135: Kapitell aus Aulnay
Bildquelle
Aulnay (Département Charente-Maritime), Saint-Pierre, Kapitell im Langhaus
Vergleichbar dem Kapitell aus
der Wartburg – siehe den
folgenden Eintrag – finden sich
in Aulnay Vögel mit langen
verschlungenen Hälsen (Link).
Eine eindeutige Identifikation ist
nicht möglich und, da die
Wiedergabe der Nackenfedern
fehlt, noch unwahrscheinlicher
als im Beispiel aus Thüringen.
Die Datierung beruht auf der Tatsache, dass der romanische Ausbau der Kirche nach der
Besitzübertragung an das Domkapitel von Poitiers, die 1122 erfolgte, begann.
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70.
71
3. Viertel 12. Jahrhundert: Kapitell aus der Wartburg
Bildquelle
Eisenach, Wartburg, Landgrafenhaus, Erdgeschoß, Kapitell der Mittelstütze im Rittersaal
(ehem. Küche)
Das Kapitell wurde 1902 erneuert, Voss, S. 27,
publiziert neben den Nachzeichnungen auch ein
Photo des Zustandes vor der Erneuerung. Es belegt,
dass die Nachbildung für unsere (nicht
stilgeschichtlich, sondern ikonographisch orientierten)
Interessen ausreichend ähnlich mit dem
ursprünglichen Stein ist.
May weist bei den Vögeln mit den langen
verschlungenen Hälsen auf den angedeuteten
Nackenschopf, auf den bis auf den Nacken kahlen
Kopf, auf den relativ langen, nach unten gekrümmten
Schnabel, auf den kurzen Schwanz und auf die relativ
langen (angewinkelten) Läufe hin. Er ordnet diese
Merkmale einem Ibis zu und weist darauf hin, dass als
einziger Vertreter dieser
Familie der Waldrapp in Frage
käme. Anders als beim oben
behandelten Liber viventium
aus Pfäfers (siehe bei um
800/825) finden sich auf der
Wartburg allerding keine
anderen, mit realen Vögeln
identifizierbaren Darstellungen.
Bernhard Gönner verweist
darauf, dass der Steinmetz die
Oberfläche des Kopfes (kahl)
von jener des Halses unterschieden hat. Auch der gebogene Schnabel könnte als Indiz für eine
Identifizierung als Waldrapp gewertet werden, ebenso wie die Tatsache, dass noch im
17. Jahrhundert in Thüringen Waldrappe nachweisbar sind (siehe bei 1603–1662 (wohl um
1632/33)). Man könne auch negativ argumentieren: Die Identifikation mit Kranich, Storch und
72
Reiher ist wegen der geraden Schnäbel dieser Vögel auszuschließen, für einen Schwan ist der
Schnabel jedenfalls zu lang.
Trotzdem bleibt kaum mehr als eine vage Möglichkeit, dass hier dem Künstler ein Waldrapp vor
Augen gestanden sein könnte. Für die „Kommentierte Artenliste der Vögel Thüringens“ von Fred
Rost und Herbert Grimm reichte das 2004 freilich aus, den Waldrapp aufzunehmen.
Georg Voss, Die Wartburg (Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Großherzogtum SachsenWeimar-Eisenach, Amtsgerichtsbezirk Eisenach), Jena 1917 (online), S. 27–29 (ohne
Bezug zum Waldrapp);
Karl Nothnagel, Adlerkapitell, in Reallexikon deutscher Kunst, Bd. 1 (1933), Sp. 180–187
(online) (ohne Bezug zum Waldrapp);
Pegoraro, Waldrapp, 1996, S. 26 (Hinweis von Helmut Pechlarner);
Mey, Zeugnisse, 1997, S. 3–17;
Fred Rost, Herbert Grimm, Kommentierte Artenliste der Vögel Thüringens, in: Anzeiger des
Vereins Thüringer Ornithologen 5 (2004), Sonderheft, S. 3–78, bes. S. 25;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 66.
Eine gute Abbildung des Kapitels in seinem heutigen (erneuerten) Zustand:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wartburg_Rittersaal__Mittels%C3%A4ule_2_Kapitell.jpg.
73
1191 (Überlieferung 1587): Chronikaler Bericht zum Turm von Breisach
Textquelle (chronikal)
Straßburg / Strasbourg, Stadtarchiv Archives de la Ville:
Daniel Specklin, Collectaneen (Specklini collectanea in usum Chronici Argentinensis)
Auf fol. 73 (S. 218 der Edition) steht:
Anno 1191 baute herr Berthold V. von Zäringen zu Breisach, nachdem er die kirche vollendet
hatte, den grossen thurm im schloss. Denn als kaiser Friedrich starb, nahm er solches zu seinen
handen, baut es vest, wie andere orte mehr: denn sie stets krieg hatten ums herzogthum
Schwaben, auch wider die Burgunder. In diesem thurm halten sich die waldrappen. Daran
steht gehauen: Hanc dux Bertoldus portam struxisse notatur / A quo pro fraude Burgundia
depopulatur. Er liess auch den tiefen brunnen durch den felsen machen.
Die Nachricht ist in den Collectaneen des in Straßburg lebenden Festungsbaumeisters Daniel
Specklin (1536–1589) überliefert, die 1587 gedruckt hätten werden sollen, was jedoch
unterblieb. Weder die Quellen des Manuskripts des 16. Jahrhunderts sind bekannt, noch ist
dieses selbst erhalten.
Andererseits ist die genannte Inschrift, wenn auch nur bruchstückhaft, erhalten. Sie kann jedoch
keinesfalls 1191 entstanden sein, sondern erst nach 1198; vergleiche Gabriele Weber, „Hanc
Dux Berchtoldus …“ Zur Wiederauffindung eines zähringischen Inschriftenfragments von der
Breisacher Burg, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 21 1992, S. 52–54; zur historischen
Situation Thomas Zotz, Eine kurze Geschichte der Zähringer, in: Mittelalter. Zeitschrift des
Schweizerischen Burgenvereins 23 (2018), S. 110–118, bes. S. 115–117.
In Breisach sind im späten 16. Jahrhundert Waldrappen nachweisbar (siehe bei 1593). So wie
die Formulierung bei Specklin klingt, könnte sie sich auf in Gefangenschaft lebende Waldrappe
beziehen, die nicht um 1200 lebten, sondern zur Lebenszeit des Kompilators.
Rodolphe Reuss, Les collectanées de Daniel Specklin, architecte de la Ville de Strassbourg, in:
Bulletin de la Société pour la conservation des monuments historiques d'Alsace 13 (1888),
S. 157–360, bes. S. 218.
74
um 1238 (Überlieferung nicht vor 1538): Entdeckung der Therme Pfäfers
Textquelle (chronikal)
Entdeckung der Therme Pfäfers bei Bad Ragaz
Zur Entdeckung der Therme Pfäfers in der Taminaschlucht bei Bad Ragaz wird von einem Jäger
berichtet, der in das Tobel gestiegen sei, um Waldrappe auszunehmen.
Die Überlieferung dieses Ereignisses taucht zuerst bei Tschudi im Jahr 1538 auf: S. 60:
Porrò thermae Favarianae intra trecentos annos [also um 1238] repertae sunt per venatorem
quendam, qui ex familia sua Vogler vocatus fuit; hic insecutus pullos corvorum sylvestrium,
pervenit in invium desertum, descendensque in profundum montium hiatum, invenit aquas
calidas. Est aut dominium illarum thermarum abbatis Favariani.
Der Text ist auch in der ebenfalls 1538 erschienenen deutschen Fassung auf fol. hIVvf.
enthalten:
Das warm bad zuo Pfaevers ist erst innert drühundert jaren durch einen jaeger erfunden, hat von
geschlecht der Vogler geheyssen, der was jungen Waldrappen in das ruch unwandelbar tobel
nachgestigen etc.
Werner Vogler stellte die Quellen zur Geschichte des Bades 1986 umfassend zusammen.
Neben für uns unerheblichen archivalischen Quellen aus dem 14. und 15. Jahrhundert ist als
älteste erzählende Quelle zum Bad Felix Hemmerlis (Malleolus) Traktat De balneis naturalibus
hic et alibi constitutis (vor 1459) zu nennen (vgl. Vogler, S. 519f.), in dem freilich weder Jäger
noch Waldrappe erwähnt werden.
Die Waldrappe treten zuerst bei Tschudi auf. Zehn Jahre nach Tschudi wird der Bericht, leicht
modifiziert bei Stumpf (siehe bei 1548) wiederholt (foll. 322v–323r: 10. Buch, 23. Kapitel).
Bei Gesner (siehe bei 1555/1557), S. 337, steht der Bericht erstmals im ornithologischen
Zusammenhang: „[die Waldrappen] Fabarias thermas repertas aiunt.“
Die Episode von den Waldrappen und der Entdeckung der Quellen auch bei Johann Guler von
Weineck, Raetia (siehe bei 1616) erwähnt.
Die Gründungserzählung wird bei Augustin Stöcklin ausgebaut, der 1630 erstmals Jäger des
Abtes nennt, welche den Familien Vils und Thuli aus Vilters entstammten würden.
Der geschilderte Vorgang deutet auf die Erfahrungen des 16. Jahrhunderts. Da es keinerlei
historische Absicherung der Entstehung des Bades in Pfäfers im 13. Jahrhundert gibt, ist der
Quellenwert für diese Zeit gering (nicht vorhanden).
Text mit Erwähnung der Waldrappe:
Aegidius Tschudi, De prisca ac vera Alpina Rhaetia, cum caetero Alpinarum gentium tractu,
nobilis ac erudita ex optimis quibusque ac probatissimis autoribus descriptio, Basel 1538
75
(VD 16 T 2155), S. 60;
Gilg Tschudi, Die uralt varhafftig alpisch Rhetia sampt dem tract der anderen alpgebirgen nach
Plinii Ptolemei Strabonis auch anderen welt- unf gschichtscheybern warer anzeygung,
Basel 1538 (VD 16, T 2153), fol. hIVvf.; detto VD 16, T2154, Basel 1560, fol. h IVvf.
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 539;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 510–512;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Vogler, Geschichte, 1986, S. 515–517;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
76
um 1400 (nicht nach 1415): Funde aus der Alt-Wartburg bei Olten
Knochenfund
Brugg, Archäologische Sammlung des Kantons Aargau (ehem. Olten, Historisches
Museum):
Archäologische Funde aus der Alt-Wartburg bei Olten
Die Knochen wurden 1966 in der Südostecke innerhalb des Wohnturms, Schicht K, gefunden.
Der Ausgräber Werner Meyer datierte diese Schicht um 1400. Als spätestes Datum steht 1415
fest, damals wurde die Burg zerstört und der Boden mit einer dicken Schuttschicht bedeckt. Zur
heutigen Situation vgl.
https://www.ag.ch/de/bks/kultur/archaeologie_denkmalpflege/archaeologie/sehenswuerdigkeiten
/sehenswuerdigkeiten_details/dynamische_detailseite_46601.jsp.
Die Tierknochen des Fundkomplexes sind als Speisereste zu interpretieren. Die darunter
befindlichen Waldrapp-Knochen stammen alle von einem Individuum. Häsler gibt die
Schnabellänge mit mindestens 15 cm an.
Dieser Knochenfund gilt zu Recht als der entscheidende Beleg für die Existenz des Waldrapps
im 15. Jahrhundert im mitteleuropäischen Raum. Er bildet gleichsam die reale Grundlage, die
schriftlichen Quellen und die uneindeutigen Bildquellen zu bewerten.
Stephan Häsler, Erster sicher datierbarer Skelettfund des Waldrapps Geronticus eremita aus
der Schweiz, in: Ornithologischer Beobachter 74 (1977), S. 30;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
Online-Inventar der Kantonalen Denkmalpflege Aargau:
http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=24954.
Herzlichen Dank an Frau Regine Fellmann von der Archäologischen Sammlung des Kantons
Aargau für die Suche nach den Waldrapp-Knochen aus Alt-Wartburg.
77
1441: Kloster Baumburg, Ausgabenbuch
Textquelle (archivalische)
München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, KL Baumburg 42:
Rechnungsbuch (Ausgabenbuch) des Klosters Baumburg 1441–1453
Zwei Netzquellen behaupten, der Waldrapp sei in einem Rechnungsbuch des Klosters
Baumburg zum Jahr 1441 nachweisbar. Die Angaben sind jedoch zu ungenau, um in der Quelle
den Ort, an dem der Waldrapp genannt sein soll, zu finden (siehe den Brief von Frau
Weinberger). Bei einem grundsätzlich ähnlichen Fall aus Baumburg (siehe bei 1471) sind die
Angaben präziser und haben sich als korrekt erwiesen. Dort wird von einem Steinraben
berichtet.
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Waldrapp;
https://beutelwolf-blog.de/portrait-waldrapp;
Brief von Elisabeth Weinberger, München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv vom 8. Dezember
2020.
78
um 1455: Stadtbuch von Waidhofen an der Thaya
Bildquelle
Waidhofen an der Thaya (Niederösterreich), Stadtarchiv, Cod. 1: Stadtbuch
Das Stadtbuch von Waidhofen an der
Thaya enthält Aufzeichnungen, die für die
Stadt wichtige Rechtsgeschäfte festhalten
und so der Rechtssicherheit dienen sollen.
Die Erstanlage eines derartigen Corpus
muss noch im späten 14. Jahrhundert
erfolgt sein, das hier vorliegende Buch
wurde um 1455 angelegt und einige Jahre
weitergeführt.
Das Stadtbuch beginnt auf fol. 2r mit einer
großen Initiale H(ie), die aus einem Schaft
besteht, dessen Form an Notarssignete
erinnert, und einem Bogen, der als Vogel
gestaltet ist.
Seit dem Jahr 1971 wird der dargestellte
Vogel mit dem Waldrapp in Verbindung
gebracht. Wie bei einigen anderen mittelalterlichen Bildquellen – Liber viventium aus Pfäfers
(siehe bei um 800/825), Kapitelle aus Aulnay (siehe bei um 1135) und von der Wartburg (siehe
bei 3. Viertel 12. Jahrhundert) sind die Hälse extrem verlängert. Dies ist offensichtlich dem
gestalterischen Wollen geschuldet, eine Naturähnlichkeit wird nicht angestrebt.
Der lange gebogene Schnabel und der Kopfschmuck belegen freilich, dass der Künstler nicht
bloß irgendeinen beliebigen Vogel wiedergeben wollte, sondern dass er charakteristische
Motive in seine Darstellung einbaute: Der Kopfschmuck mit seinen „Augen“ erinnert stark an
einen Pfau. Der lange, dünne, im vorderen Bereich gebogene Schnabel ist jedoch keineswegs
mit einem Pfau zu verbinden. Vielmehr fehlt das zentrale und charakteristische Merkmal, das
bei Darstellungen von Pfauen im Mittelalter immer vorkommt, die langen Schwanzfedern, die
der Vogel zu einem Rad anordnen kann.
Dieses Beispiel verdeutlicht auf exemplarischer Weise wie vielschichtig die Interpretation
mittelalterlicher Bildquellen sein kann.
79
Otto H. Stowasser, Das Stadtbuch von Waidhofen an der Thaya. Mit einer Einleitung über die
privatrechtlichen Stadtbücher des Wiener Rechtskreises, in: Jahrbuch für Landeskunde
von Niederösterreich N. F. 15/16 (1916/17); S. 1–116;
Eduard Führer, 600 Jahre Waidhofner Stadtbuch (1383–1484), in: Das Waldviertel 32 = 43
(1983), Folge 7/8/9, S. 160–169;
Helmut Hutter, Wie kam der Waldrapp nach Waidhofen?, in: Museum für alle 7 (2004), S. 8–11;
Franz Fischer, Schätze aus dem Waidhofner Stadtarchiv, in: Online-Fassung der
Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN), 24. April 2019 (Ausgabe Waidhofen an der
Thaya): LINK;
Martin Roland, Das Stadtbuch von Waidhofen an der Thaya. Verwaltungsschrifttum als Mittel
städtischer Repräsentation, in: Das Waldviertel 70 (2021), S. 361–388.
https://manuscripta.at/?ID=45890 (mit Digitalisat, Bibliographie und allen relevanten Angaben).
80
1460, nicht nach: Pier Candido Decembrio, De omnium animantium naturis
atque formis
Textquelle
Rom / Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Urb. lat. 276:
Pier Candido Decembrio, De omnium animantium naturis atque formis (Digitalisat)
Der Text des Pier Candido Decembrio (Petrus
Candidus Decembrius – 1399–1477) ist nicht
nach 1460 entstanden, da das
Widmungsexemplar an Lodovico III. Gonzaga,
Markgraf von Mantua, 1460 datiert ist (siehe die
von Decembrio eigenhändig dem Kolophon auf
fol. 231v beigefügte Jahreszahl (Pyle, Art and
Science, S. 278). Cynthia M. Pyle hat ein zweites,
von der Grundausstattung übereinstimmende
Abschrift auffinden können (siehe Literatur).
Das Werk ist nach Gruppen aufgebaut, innerhalb
derselben alphabetisch.
Der Ibis ist Teil des zweiten, den Vögeln
gewidmeten Buches und wird auf foll. 98v–99v
behandelt (vgl. die Liste von Killermann, S. 121).
Petrus Candidus geht auf die Unterscheidung des weißen und des schwarzen Ibis’, die auf eine
Stelle in der Historia animalium des Aristoteles zurückgeht, ein und erwähnt auch Pelusium als
Ort seines Auftretens (Killermann, S. 172): Ibis avis est, ut Solinus scribit, circa ripas Nili fluminis
inhabitans, quę serpentum depopulatur ova (…) Nigras aves ibices Pelusium habet, reliqua vero
pars Ęgypti candidas. Hanc avem non nulli ciconiam esse credidere ignari earum generis
diversitatis, nisi forte ciconiarum genus aliud arbitrentur non consuetum videri in Europę orbe
nostro, cum Plinius affirmet, ibices rostrum aduncum habere, quod in ciconiis longe differt,
quarum (?) rostrum directum longum et acutum videmus, neque tarnen in summitatis acumine
acutum. Sicque in multis natura diversa.
Der Inhalt ist für 1460 durchaus bemerkenswert. Trotzdem ist die Verbindung des Ibis’ aus
Pelusium und dem Geronticus eremita (Waldrapp) nur sehr vage und würde eine Aufnahme in
diese Sammlung nicht rechtfertigen, da ja auch der Grundtext des Aristoteles nicht
aufgenommen wurde. Dass Decembrios Text doch Aufnahme fand, hängt mit seiner Rezeption
im späten 16. Jahrhundert zusammen. In die Handschrift Urb. lat. 276 wurden im Bas de page
im Rahmen einer Illustrationskampagne der 1590er-Jahre durchgehend ungerahmte
81
Deckfarbenbilder von außerordentlicher Qualität hinzugefügt. Auf fol. 99r wurde dem Abschnitt
zum Ibis eine Illustration beigegeben, deren Vorbild der Holzschnitts des Waldrapps in Conrad
Gesners Liber avium (siehe bei 1555/1557) ist. Die ergänzte Illustration wird in einem eigenen
Eintrag behandelt: siehe bei 1590/1600.
Die Grundausstattung dieses Bandes gehört
zweifelsfrei der lombardischen Kunst der Mitte
des 15. Jahrhunderts an (vgl. die Incipitseite fol.
1r mit dem Titel, der Widmung, einer
heraldischen Miniatur und einer Bianchi girariInitiale). Diese Grundausstattung wird dem
Maestro di Ippolita zugeschrieben (z. B. Pyle, Art
and Science, S. 278), dem zuletzt Laura Alidori
auch eine 1463 datierte illuminierte Urkunde
zuweisen konnte (Link).
Zu Urb. lat. 276 siehe: http://www.mss.vatlib.it/guii/console?service=shortDetail&id=1259
(Katalogisat) und https://digi.vatlib.it/view/MSS_Urb.lat.276 (Digitalisat),
https://digi.vatlib.it/mss/detail/Urb.lat.276 (Bibliographie)
Sebastian Killermann, Das Tierbuch des Pier Candido Decembrio (Petrus Candidus
Decembrius: 1399–1477) geschrieben 1460, gemalt im 16. Jahrhundert (Codex Vaticanus
Urb. lat. 276.), in: Zoologische Annalen 6 (1914), S. 113–221, Tafel 1–8.
Cynthia M. Pyle, Das Tierbuch des Petrus Candidus. Codex Urbinas latinus 276, Faksimile und
Begleitband (Codices e Vaticanis Selecti, LX), Zürich 1984;
Cynthia M. Pyle. Harvard MS Richardson 23: A «Pendant» to Vatican MS Urb. lat. 276 and a
Significant Exemplar for P. C. Decembrio's Opuscula historica, in: Scriptorium 42 (1988),
S. 191–198;
82
Cynthia M. Pyle, The Art and Science of Renaissance Natural History: Thomas of Cantimpré,
Pier Candido Decembrio, Conrad Gessner, and Teodoro Ghisi in Vatican Library MS Urb.
Lat. 276, in: Viator 27 (1996), S. 265–321.
83
1471: Kloster Baumburg, Ausgabenbuch
Textquelle (archivalische)
München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, KL. Baumburg 43:
Rechnungsbuch des Klosters Baumburg 1471–1474
Auf fol. 23r des Rechnungsbuches wird ein Steinrabe erwähnt.
Der Begriff Steinrabe wird dann vor allem bei Cordus (siehe bei 1561 (recte wohl nicht nach
1544)) für den Waldrapp verwendet.
Für einen weiteren Beleg aus Baumburg siehe oben bei 1441.
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Waldrapp;
https://beutelwolf-blog.de/portrait-waldrapp
84
4. Viertel 15. Jahrhundert: Tafel des Rottenbucher Altars
Bildquelle
Bayerische Staatsgemäldesammlung (BSGS), Inv.-Nr. 1468: ausgestellt in: Burghausen,
Staatsgalerie in der Burg Burghausen:
Tafel des Rottenbucher Altars mit Christus und den schlafenden Jüngern am Ölberg
Killermann führt diese Quelle in die
Waldrapp-Forschung ein und gibt an
„Schleißheim, Gemäldegalerie,
Heiland in der Todesangst“. Die
Nachzeichnung Killermanns (1912,
S. 275) stimmt mit einem Detail
rechts unten der hier behandelten
Tafel überein. Killermann behandelt
zwei Gemälde (siehe auch den
folgenden Eintrag) und lässt den/die
LeserIn bei vielen Angaben im
Unklaren, auf welches der beiden
sie sich beziehen. Korrekt ist aber,
dass auf beiden ein sehr ähnlich
dargestellter Vogel zu sehen ist, der
– aus heutiger Sicht – als junger
Waldrapp zu identifizieren ist.
Zum Werkkomplex
Der aus dem oberbayerischen Augustiner-Chorherrenstift Rottenbuch stammende „Rottenbuch
Altar“ (zu zugehörigen Stücken in bayerischem Staatsbesitz siehe HIER, weitere bei Statnik, S.
136–145, deren Kenntnis dieser Ludwig Meyer dankt) und der aus dem Benediktinerkloster Attel
bei/in Wasserburg stammende „Atteler Altar“ (zu zugehörigen Stücken siehe HIER) sind nahe
verwandt und wurden zuletzt von Björn Statnik ausführlich behandelt. Viele von ihm behandelte
Fragen der Händescheidung und die wohl kaum zutreffende Zuweisung des Werkkomplexes an
einen Sigmund Gleismüller können hier außer Betracht bleiben. Wichtig ist, dass es sich um
eine niederbayerische Werkgruppe handelt, die hohe Qualität, ein sehr starkes Interesse Mode
und reale Gegenstände darzustellen und die malerischen Fähigkeit vereint, die Oberflächen
differenziert wiederzugeben.
Weitere Merkmale sind steinsichtige Architekturmotive und sehr oberflächengetreue Steinböden
einerseits und detailliert ausgeführte weite Landschaften mit Vordergründen mit streumusterartig
85
gestalteten, aus Bestandteilen realer Pflanzen zusammengesetzten Wiesengründen
andererseits.
Für die hier verhandelte Fragestellung sind jene Tafeln zentral, die diese Wiesenflächen mit
Vögeln beleben (andere Tiere vor allem im Mittelgrund [zum Beispiel Hirsche in Schrägansicht –
vgl. Statnik, Taf. XXI] scheinen auf druckgraphischen Vorlagen zu beruhen). Die Vögel sind
ornithologisch bestimmbar und treten bei der Taufe Christi aus Attel (BSGS, Inv.-Nr. 2620:
Flussseeschwalbe, Kiebitz, Stieglitz [Distelfink] – vgl. Statnik, S. 26f.) und bei der hier
behandelten Tafel (Waldrapp, Distelfink, Elster und Wiedehopf – Killermann, 1912) auf. Statnik
widmet diesem Phänomen einen eigenen (nicht immer überzeugenden) Abschnitt (S. 27–32), in
dem er sehr zu Recht oberitalienische Anregungen namhaft macht (Giovannino deʹ Grassi,
Pisanello [Werkstatt– Zuschreibungsprobleme sind hier irrelevant] – ein Schwarzstorch im
Louvre in Paris sei als Beispiel genannt: LINK), deren Salzburger Rezeption ab den 1420er
Jahren er aber übergeht (dazu Gerhard Schmidt, Egerton Ms. 1121 und die Salzburger
Buchmalerei um 1430, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 39 [1986], S. 41–57; Reprint in:
derselbe, Malerei der Gotik. Fixpunkte und Ausblicke, Graz 2005, Bd. 1, S. 401–418).
Statniks These, die Vögel seien von einem eigenen Werkstattmitglied gemalt worden (S. 32,
62f.), erscheint abwegig, denn das Interesse erkennbare Objekte (Pflanzen, Modedetails,
Architektur, …) oberflächensensualistisch darzustellen, ist ein Grundprinzip der Werkgruppe.
Mit guten Gründen kann Statnik die hier relevante Gruppe in Landshut verorten (S. 176f.). Als
Datierung sind Fixpunkte vorhanden: Einerseits die Rezeption von Schongauer Stichen (für die
Ölberg-Szene vgl. HIER), die eine Entstehung vor dem 4. Viertel des 15. Jahrhunderts
ausschließen, und andererseits der sich um 1500 deutlich wandelnde Zeitstil. Die Datierung in
das 4. Viertel des 15. Jahrhunderts ist gut abgesichert.
Zum Waldrapp
Die Ölbergszene des
Rottenbucher Altars zeigt in
einem durchaus prominenten
Rasenstück rechts vorne, das
dicht mit Pflanzen bewachsen
ist, einen Vogel, den Killermann
als „schwarzes, rabenartiges,
verhältnismäßig großes Tier mit
roten Beinen und einem roten,
krummen Schnabel“ beschreibt.
„Die Mähne fehlt oder
86
verschwindet in dem dunklen Hintergrunde“. 1911 identifiziert Killermann den Vogel als
Waldrapp (Geronticus eremita L), den er treffend wie folgt beschreibt: „Der Vogel ist — kurz
geschildert— im Allgemeinen etwas größer als eine Haushenne, hat schwarzes ins Grüne
schillerndes Gefieder, auf dem Nacken einen steifen Federbusch oder mähnenartigen Schopf.
Was ihn noch besonders auszeichnet, das sind die schmutzig roten Beine und der ebenso
gefärbte, lange und Ibis-ähnlich gebogene Schnabel. Der Kopf ist klein, gelb und im Alter nackt;
die Augen besitzen eine orangerote Iris.“
Die Identifikation widerruft er freilich ein Jahr später wieder und identifiziert den Vogel nun mit
der rotschnäbeligen Alpenkrähe (Pyrrhocorax graculus L). Killermann zieht zudem in Betracht,
dass „vielleicht auch der Maler die Charaktere beider Vögel vermengt [hat].“ Damit spricht er ein
entscheidendes methodisches Desiderat an. Die heute betriebene, an einer wissenschaftlichen
Klassifizierung interessierte Naturbeobachtung und die Naturbeobachtung von Malern des
Spätmittelalters sind grundverschieden. Dem hier tätigen Maler geht es bei der Wiedergabe von
Pflanzen und Tieren zwar um mehr als die Festlegung, dass eine Szene im Freien spielt,
Klassifikation im ornithologischen Sinn war jedoch nicht sein Ding. Er möchte Natur
wiedererkennbar und für das Publikum erlebbar darstellen und hat dazu auch die malerischen
Fähigkeiten.
Diese Fähigkeiten zur Naturdarstellung ermöglichen es Bernhard Gönner zumindest die
Identifikation des dargestellten Vogels mit einer Alpenkrähe auszuschließen. Dafür sind der
Hals, der Schnabel (zumindest doppelt so lang wie der Kopf) und auch die Beine viel zu lang
wiedergegeben.
Für den Waldrapp sprechen der allgemeine Körperbau, das schwarze Gefieder, die roten Beine
und der rote Schnabel. Dass dieser deutlich gebogen und schmal dargestellt wird, ist als
charakteristisches Merkmal zu werten, das eine Identifikation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
zulässt, obwohl der Kopfschmuck und der kahle Kopf der erwachsenen Waldrappe fehlen. Für
Statnik, S. 32 (und S. 216), ist zweifelsfrei ein jugendlicher Waldrapp dargestellt.
Dass es sich dabei um das erste zuverlässliche Bildzeugnis handelt, thematisiert Statnik jedoch
in keiner Weise. Auch Fritz und Janák, gehen davon aus, dass der Künstler einen realen
Waldrapp als Vorbild vor Augen hatte. Ihn als Vertreter von Tod und Jenseits zu interpretieren,
wie Fritz und Janák dies vorschlagen, ist jedoch verfehlt.
Die hier behandelte Bildquelle ist die erste, die eine eindeutige Identifikation mit hoher
Plausibilität ermöglicht. Dass sie an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit steht, ist
bezeichnend.
Killermann, Waldrapp, 1909/10, S. 371–375 <noch nicht geigesehen>;
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 274f.;
87
Alfred Stange, Malerei der Gotik 10: Salzburg, Bayern und Tirol in der Zeit von 1400 bis 1500,
Berlin 1960 (Reprint 1969), S. 120f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 18;
Björn Statnik, Sigmund Gleismüller. Hofkünstler der Reichen Herzoge zu Landshut, Petersberg
2009, S. 9, 32, 99, 132–155 (dazu auf S. 279 ein Rekonstruktionsversuch des
Originalzustands der derzeit acht bekannten Tafeln), 176f., 183;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65;
Fritz, Janák, Intervention, 2020, S. 8.
88
4. Viertel 15. Jahrhundert: Tafel mit Katharina und Barbara
Bildquelle
München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. MA 3738:
Tafel mit Katharina und Barbara
Das Gemälde wird von Killermann gemeinsam mit der zuvor
behandelten Tafel in die Waldrapp-Forschung eingeführt.
Die dargestellten Heiligen, die Feststellung, die Tafel
stamme aus Wasserburg am Inn, und der sehr ähnlich der
Tafel aus dem Rottenbucher Altar (siehe oben) dargestellte
Waldrapp ermöglichen die Identifikation.
Der hier behandelten Tafel gehört eine zweite zu (Inv.-Nr.
MA 3739), die Margarethe und Dorothea darstellt. Beide
waren nicht sichtbar im barocken Hochaltar der
Stadtpfarrkirche St. Jakob in Wasserburg verbaut und
wurden 1879 gefunden (Statnik, S. 214). Wie bereits bei der
zuvor behandelten Tafel ausgeführt, bilden ein extrem
ausgeprägtes Modebewusstsein, detaillierte Wiesengründe
sowie steinsichtige Architektur und besonders
oberflächensensualistisch gestaltete Steinfußböden (diese
beiden beim zweiten Bild) Merkmale, die eine
niederbayerische, wohl in Burghausen zu verortende Werkgruppe auszeichnen (zu dieser siehe
oben). Während Stange, eine der beiden hier behandelten Tafeln sogar dem Hauptmeister des
„Atteler Altares“ zuordnet, behandelt Statnik die Tafeln, wie mir scheint zu Unrecht, bloß
nebenbei (S. 214–217).
Statnik bemerkt sehr zu Recht, dass beide Tafeln, die hier behandelt werden, aus
kompositorischen Gründen rechte Flügel von hochrechteckigen Retabeln gewesen sein
müssen. Er schlägt zwei gleichzeitig entstandene Altäre für die beiden Seitenkapellen der
Wasserburger Pfarrkirche vor. Dass die Kirche ursprünglich zum Kloster Attel gehörte, ergänzt
die Verbindungen, die aufgezeigt wurden.
Im Wiesengrund ist ganz links unten im Eck der hier relevante Waldrapp dargestellt, unten
zentral ist eine Elster zu sehen, die mit dem Schnabel das Schriftband, das die heilige Katharina
bezeichnet, berührt. Auf Barbaras Schriftband sitzt ein Frosch. Die beiden Bäume, die
89
Weinrebe, die sich zwischen
ihnen aufspannt und das
Ehrentuch hinter den Heiligen
gleichsam in die Natur fortsetzt,
sowie der ganze Hortus
conclusus sind ebenfalls mit gut
erkennbaren Vögeln bevölkert.
Statnik bestimmt Stieglitz,
Wanderfalke, Rotkehlchen und
Zeisig und bemerkt sehr zu
Recht, dass die Vögel keiner
symbolisch zu deutenden Ideologie folgen. Er bewertet dies jedoch – wie mir scheint irrig – als
Mangel und nicht als Ausdruck der Fähigkeit des Malers, Naturphänomene wirklichkeitsgetreu
abzubilden. Diese Fertigkeit wurde vom Publikum sehr geschätzt, keinesfalls nur in den
Niederlanden, wo dieses Phänomen zu einem Grundprinzip der Altniederländischen Malerei
zählt, sondern auch in Bayern und an vielen anderen Orten.
Die Darstellung des Waldrapps entspricht weitgehend jener auf der zuvor behandelten Tafel des
Rottenbucher Altars (siehe daher für diese Aspekte dort). Bernhard Gönner bestätigt auch in
diesem Fall, dass es sich um einen Jungvogel handelt, für den der leicht graue Kopf
charakteristisch ist.
Die beiden zusammengehörigen Waldrapp-Darstellungen der hier behandelten
niederbayerischen Werkstätte sind die bisher ältesten Beispiele, die den Waldrapp – jeweils ein
jugendliches Exemplar – so naturgetreu abbilden, dass eine Zuordnung mit ausreichender
Sicherheit möglich ist.
Killermann, Waldrapp, 1909/10, S. 371–375 <noch nicht eingesehen>;
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 274f.;
Alfred Stange, Malerei der Gotik 10: Salzburg, Bayern und Tirol in der Zeit von 1400 bis 1500,
Berlin 1960 (Reprint 1969), S. 113;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 18;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 323, hat das Gemälde geprüft und bestätigt die revidierte
Meinung Killermanns von 1912, es handle sich dabei um eine Alpenkrähe;
Björn Statnik, Sigmund Gleismüller. Hofkünstler der Reichen Herzoge zu Landshut, Petersberg
2009, S. 214–217;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64f.
90
Herzlichen Dank an Herrn Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum für die
umfassende Beantwortung einer Anfrage.
91
1481 März (Überlieferung 1580): Chronikaler Bericht aus Überlingen
Textquelle (narrative)
Überlingen, Stadtarchiv, Reutlinger Kollektaneen, Bd. 13, pp. 15–109:
Cronik und verzaichniß etlicher fürnemer geschichten von Lienhard Wintersulger und
Conrad Zetler
Die Chronik aus Überlingen umfasst die Jahre 1455–1498. Ab dem Jahr 1470 erfolgt der Bericht
offenbar parallel zu den Ereignissen. Bis 1480 ist Bürgermeister Lienhard Wintersulger für den
Inhalt verantwortlich, dann bis 1498 Stadtschreiber Conrad Zetler, bei dem der Schwerpunkt auf
Wetterphänomenen liegt. Alle Angaben zur Quelle finden sich bei:
http://www.geschichtsquellen.de/werk/5289.
Auf S. 127 der Edition wird zum Jahr 1481 ein ungewöhnliches Witterungsereignis geschildert:
... Und aber im Mertzen fieng es an zu schneyen und wayet ostwind fast kalt und fiel so ain
großer schnee als in dem winter je und beleibe bis zu mitten Mertzen und was so kalt, das alle
ding gefrürend. Und erfroren und hungers sturben die vögl, groß und klain, und wurden so
äntenloß [schwach], das man sie mit den henden fieng. Item zu mitten Mertzen vor und nach
fieng man sovil vögel, die auch hungers sturben, das es ain jeglich mensch billich erbarmt
haben solt. Man fieng auch waldtrappen mit den henden one allen zeug, verrechter [lahm]
äntenlößer und ander seltsam geflügl, die gest waren an der ort (sic!). (...)
Der Charakter der Quelle ist vollkommen unverdächtig, die Überlieferung ist allerdings spät: der
Codex endet actum montag den 11. Januar 1580 von mir Jacob Reutlinger, gerichtsschreiber.
Trotzdem kann der Quelle hoher historischer Wert beigemessen werden.
Über Wetterphänomene in der Region sind wir zumindest ansatzweise informiert, da Fritz
Klemm, Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Südwestdeutschland bis
1700, Offenbach am Main 1979, S. 9f., Belege tabellarisch zusammengestellt hat. Zu 1481
kennt Klemm keine Daten, Überlingen kommt zum Jahr 1491 vor (S. 10). Dass 1491 einen
besonders langen und kalten Winter hatte, ist auch andernorts nachweisbar (siehe auch S. 12
und 15).
Parallel zur ersten belastbaren Bildquelle (siehe die beiden vorherigen Einträge) sind die
Eintragungen Conrad Zetlers zu Wetterphänomenen in Überlingen das erste chronikale
Zeugnis, dass mit hoher historischer Zuverlässlichkeit von einem Vogel berichtet, der Waldrapp
genannt wird. Da mit dieser Bezeichnung die genauen Beobachtungen Conrad Gesners (siehe
bei 1555/1557) verbunden sind, besteht kein Grund, den Bericht aus Überlingen zu bezweifeln.
Wenn man davon ausgeht, dass die Benennung „waldtrappen“ die Quelle des 15. Jahrhunderts
92
korrekt wiedergibt, dann liegt mit der hier behandelten Chronik auch der erste Beleg für das
Wort „Waldrapp“ vor.
Ph(ilipp) Ruppert, Konstanzer Beiträge zur badischen Geschichte. Altes und Neues, Konstanz
1888, Abschnitt VI: Ein Ueberlinger Chronist des fünfzehnten Jahrhunderts, S. 96–132;
bes. S. 127;
Robert Lauterborn, Faunistische Beobachtungen aus dem Gebiete des Oberrheins und des
Bodensees, 10. Reihe, in: Mitteilungen des Badischen Landesvereins für Naturkunde und
Naturschutz N.F.4 (1940), S. 217–228 und 249–252 bes. S. 224f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65;
Landmann, Bestandsschutz, 2015, S. 172f. (ungerechtfertigt kritisch);
Schenker, Replik, 2017, S. 130.
93
1490: Fresken in der Dreifaltigkeitskirche bei Hrastovlje
Bildquelle
Hrastovlje / Cristoglie / Chrästeirach (Halbinsel Istrien, Slowenien), Dreifaltigkeitskirche
oberhalb des Ortes, Freskenausstattung des Johannes (Janez / Ivan) de Kastua (aus
Kastav).
Die Fresken der Kirche wurden
1490 vollendet und 1949
wiederentdeckt. Tomo
(Thomas) Vrhovic aus Kubed
beauftragte den Maler, wie eine
Inschrift belegt: Hoc opus fierit
(wohl für fieri?) fecit Tomic
Vrchovich de [Cubitum],
magister Johannes de Castua
pinxit. (zit. nach Iskrić;
Korrekturvorschläge MR)
Die Freskenausstattung zeigt viele Vögel.
Der präsumtive Waldrapp ist Teil des Zuges
der Heiligen Drei Könige an der Nordwand
der Kirche und befindet sich zwischen zwei
Männern (Perco / Tout, S. 82f.).
Gewisse Elemente des Körperbaus erinnern
tatsächlich an den Waldrapp. Zu nennen sind
der lange Schnabel, die roten, teilweise
gefiederten, freilich zu kurzen Beine und die
an den Füßen erkennbar wiedergegebenen
Krallen, die die Zehenstellung (drei nach
vorne, eine nach hinten) zeigen. Der gegen
die Gefiederrichtung aufgebogene
Federkomplex im hinteren Bereich hat jedoch
keine Entsprechung beim realen Waldrapp
und wird auch in keiner historischen Quelle
thematisiert.
Die Existenz von Waldrappen an der Adria ist in Schriftquellen belegt. Erstmals berichtet
Gesner, 1555 (in der lateinischen Ausgabe), S. 337: „(...) in Istria circa promontorium Polae, ubi
homine per funem demisso per rupes nidis eximuntur.“
94
Im Slowenischen gibt es für den Waldrapp nach Perco und Tout, S. 81, einen eigenen Begriff,
„klavžar“, entsprechend den in Österreich verbreiteten Begriff „Klausrabe“. Zudem ist Klavžar
ein gar nicht seltener Familienname in Slowenien.
Trotzdem muss das Fresko nach derzeit zu überprüfendem Stand aus der Quellensammlung
ausgeschieden werden. Die Identifikation des dargestellten Vogels mit einem Waldrapp war
stark von den Interessen der Waldrapp-Forschung (Wiederansiedelung) geprägt. Die
Abweichungen der Formen sind jedoch bedeutend. Dass ein besonders betonter,
charakteristischer Federbusch keinerlei Parallelen bei realen Waldrappen hat, schließt eine
Identifikation aus.
Die malerische Ausstattung der Kirche kann virtuell besichtigt werden:
https://www.burger.si/Obala/index.html#Hrastovlje; http://www.istriaculture.com/de/allerheiligenkirche-in-hrastovlje-i13; die beiden Männer mit dem Vogel in
der Mitte an der Nordwand im unteren Bereich des Zuges der Heiligen drei Könige mittig.
Fabio Perco, Paul Tout, Notes on recent discoveries regarding the presence of the northern bald
ibis Geronticus eremita in the upper Adriatic region, in: Acrocephalus. 22 (106/107), 2001,
S. 81–87, bes. S. 82f.;
Brane Koren, Poizkusni klateži obiskali Slovenij, in: Svet ptic 02‘ 06 (Februar 2006), S. 24f.:
Koren erwähnt auch das Wappen einer Adelsfamilie Elio aus Koper, das einen
Waldrapp zeigen soll, macht aber keine nachverfolgbaren Angaben. – Zum Wappen der
Familie Elio siehe: Giovanni Radossi con la collaborazione di Salvator Žitko, Monumenta
heraldica Iustinopolitana. Stemmi di rettori, di famiglie notabili, di vescovi e della città di
Capodistria, Rovigno, Triest 2003, S. 168–172. Radossi bezeichnet den Vogel im Wappen
als „cicogna“ (Storch) oder „gru“ (Kranich). Der Vogel des Wappens wird bei
https://it.qaz.wiki/wiki/Northern_bald_ibis hingegen als Waldrapp identifiziert (mit weiteren
Hinweisen). Eine Beurteilung ohne Kenntnis der Blasonierung eines zu vermutenden
Wappenbriefes für die Familie ist nicht möglich;
Saša Iskrić, Ibis redibis nunquam peribis. A Story of Caves, Latin Grammar Tricks, Egyptian
God, Frescoes, and a Bird, Webpublikation 2014: Link.
Ich danke Saša Iskrić für viele wichtige Hinweise.
95
C-3 – ab 1500 bis ins 17. Jahrhundert
Das 16. Jahrhundert ist zweifellos die Zeitspanne, aus der die dichteste und eindeutigste
Quellenbasis zum Waldrapp existiert. Sowohl Bild-Textquellen mit topographischem (siehe bei
1548) bzw. naturkundlichem Schwerpunkt (siehe bei 1555/1557 und 1603) als auch solche, die
ganz andere Ziele verfolgen (zum Beispiel Wappenbriefe: siehe bei 1531 Oktober 12, 1536
Oktober 8, 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31), sind zu nennen.
Auch Quellen, die nur auf die Darstellung fokussieren (Bildquellen), sind auf Grund der nun
schon von den Künstlern bewusst angestrebten Naturähnlichkeit wesentlich eindeutiger als die
Kunstwerke älterer Zeit. Als Höhepunkte sind zwei Portraits individueller Vögel zu nennen (siehe
bei nach 1555 und vor ca. 1560 und 1577–1612).
Bei den Textquellen ist einerseits auf die Vielfältigkeit der Benennung hinzuweisen (Waldrapp,
Klausrapp, Steinrapp) aber andererseits auch auf die dichte Quellenbasis zu den WaldrappKolonien in Graz (erstmals 1504 März 16) und Salzburg (erstmals 1504 Juni 3).
Trotz aller, durchaus berechtigter Vorbehalte bleibt der Liber avium des Conrad Gesner (siehe
bei 1555/1557) mit seinem illustrierten Abschnitt zum Waldrapp die zentrale Quelle schlechthin.
96
1504 März 16: Gedenkbuch Kaiser Maximilians I.
Textquelle (archivalische)
Wien, Hofkammerarchiv, Gedenkbuch (GB) 13
Auf fol. 281v wird ein Schriftstück in das
Gedenkbuch eingetragen, mit dem Kaiser
Maximilian I. (reg. 1486–1519) seinen Vizedom
beauftragt ein Haus in Graz zu erwerben, weil dort
Waldrappe nisten.
An Leonnhardten von Ernnaw, vitzthumb in Steyr
von wegen etlich rabenneste unnder der stainwannt
beym Huebhaws zu Grätz.
Wir Maximilian etc. embieten unnserem getrewen
lieben Leonhardt von Ernaw, unnserem rate unnd
vitzthumb in Steyr unnser gnad unnd alles gut. Wir
emphelhen daz du den garten bey unnserem
huebhaws zu Gräcz unnder der stainwandt, da
die klawsraben aus ziehen [ausfliegen] und
Micheln Fleyschackher unnserem burger daselbs zu
Grätz zugehorn soll, von den nutzen unnd rennten, so du von unnseren wegen einnymbst, zu
unnsern hannden kauffest. Auch denselben klausraben mer gestell in die beruert stainbant
[Steinwand], sovil der die notturfft erfordert, machen lassest unnd darinn nichts verziehest. Das
solle, was sich in raittung erfinden wurdet, dir alles kunfftigelichn etc. Datum Augsburg, am 16.
marcii anno etc. im vierdtn.
(Beigefügt: volgt mer fo(l) 291
ca(pitulo) ulti(m)o)
Offensichtlich ist, dass die
Obsorge um Vögel, die
Klausraben genannt werden,
die auch im Titel genannte
Hauptrolle bei diesem
Grundstücksgeschäft spielen.
Welche Funktion die Vögel
freilich für den Kaiser spielten,
wird nicht ausgeführt. Das
97
Interesse an einer ornithologischen Besonderheit, die bekannten jagdlichen Interessen des
Herrschers und vielleicht sogar die Bedürfnisse seiner Küche werden eine Rolle gespielt haben.
An dem Ort befinden sich, wie Popelka und Hable beobachteten, auch heute noch künstlich
geschaffene Bruthöhlen. Das Hubhaus, das damals auch die Münzpräge beherbergte, war Teil
der heutigen Liegenschaft Sackstraße 16.
Der nachträglich am Ende des Eintrags eingefügte
Querverweis scheint sich auf folgenden Eintrag
(allerdings auf fol. 292v) zu beziehen:
An Leonnhardtn von Ernnaw vitzthumb in Steyr
etlicher einsetz oder gruebl halbn, so er zu vischen
(?) machen sol.
Getrewer lieber, wir emphelhen dir ernnstlichen unnd
wellen, daz du unns von den nutzen unnd rennten, so
du von unnsren wegen einnymbst bey zweinzig clain
einsetz oder grubl umb unnser stat Gratz und vildan
(?) allennthalben, wo es am fuglichisten sein mag
unnd da sich die raiger unnd anntfogl am liebsten
aufhalten, zu unnser valckhenwayds zuerichten unnd
mit phallen und mit grundl zimlicher weys besetzen
lassesst und watz du also ausgeben etc. Datum
Augspurg am XXVII marcii anno etc. quarto.
Der Bezug scheint die Obsorge um Vögel zu sein, mit den Waldrappen hat der Eintrag nichts zu
tun.
Die archivalische Quelle aus Graz kann auch deswegen hohen Wert beanspruchen, weil sie Teil
einer vergleichsweisen dichten Überlieferung zum Brutplatz am Grazer Schlossberg ist (die
nächste Quelle von 1528 Jänner 1 – zu späten Belegen siehe bei 1567 August 22). Am zweiten
gut belegten Brutplatz, am Mönchsberg in Salzburg, beginnt die Quellenüberlieferung ebenfalls
1504 (siehe den folgenden Eintrag).
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64;
Hable, Waldrapp, 1994, S. 114;
RI XIV 4/1, Nr. 18.401 = Regesta imperii 14,4: Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter
Maximilian I., 1493–1519 ; Bd. 4: Teil 1, Maximilian I. 1502–1504, bearbeitet von Hermann
Wiesflecker, Ingeborg Wiesflecker-Friedhuber und Manfred Hollegger, unter Mitwirkung
von Christa Beer, Wien 2002, S. 445;
98
Robert Büchner, Schattenseiten der höfischen Jagd: Maximilians übertriebene Wildhege und
schonungslose Greifvogelvernichtung, in: Maximilian I. (1459–1519). Wahrnehmung –
Übersetzung – Gender, Innsbrucker historische Studien 27, 2011, S, 411–439, bes. S.
423f. (kurze Erwähnung);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67f.;
Peter Laukhardt, Großes Buch des Schloßbergs, in Vorbereitung.
Reinhart Bachofen, Wilhelm Hoffer, Jagdgeschichte Steiermarks, 4 Bände, Graz 1927–1931.
(wohl besonders Band 3). <noch nicht eingesehen>
Ich danke Markus Gneiß für die Hilfe bei der Recherche.
99
1504 Juni 3: Verordnung des Salzburger Erzbischofs
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat, Catenichl 4 (1504)
Auf fol. 14v von Catenichl 4
steht eine Verordnung
Leonhards von Keutschach,
Erzbischof von Salzburg (reg.
1495–1519), die das Schießen
von Raigern (= Reiher – zur
Identifikation vergleiche Jacob
und Wilhelm Grimm, Deutsches
Wörterbuch, Bd. 14 [1893], Sp.
656–661) und Klausraben
verbietet.
Wir Leonhard etc. tun allen und jeden zu kund und wissen, das unns anlanget, wie sich ettlich
die jungen Raiger und Klawsraben zu schiessen understeen, das unns nicht gemaint ist,
und emphelhen darauf allen und yeden ernstlich und wellen bei vermeidung unserer Straff und
Ungnad, daß sich furan nyemandt meer understee weder Raiger noch Klawsraben zeschiessen,
sonnder solches vermeiden, dann welh hieruber, daß sy soches teten, betreten wurden, darauf
wir dann kuntschaft bestellet haben, dieselben wolten wir darumb ungestraffr nicht lassen,
darnach wisse sich ain yeder zerichten und vor schaden zu verhuetten. Urkund des briefs mit
unsern furgedenckhten secreto geben zu Salzburg an Montag nach der heiligen Drivaltigkait
anno Domini etc. im vierden.
Reiher und ein Vogel, der Klausrabe genannt wird, sollen vor dem Abschuss geschützt werden.
Da der Klausrabe in Salzburg im Folgenden gut, eindeutig und dicht belegt ist, und die ihm
zugeordneten Eigenschaften mit dem Gesner’schen Waldrapp übereinstimmen (siehe bei
1555/1557), der zudem auch die Bezeichnung „Klausrapp“ nennt, besteht kein Zweifel an der
Existenz eines entsprechenden Tieres und der Identifikation mit dem in dieser Sammlung
behandelten Vogel, dem Waldrapp.
Der hier vorliegende Band versammelt Texte aus der Kanzlei. Dabei handelt es sich keineswegs
um die endgültige, zum öffentlichen Aushang bestimmte Form der Schriftstücke (zur
Vervielfältigung siehe bei 1558 März 11 [zu 1559], 1578 März 28 und 1584 April 10).
100
Entsprechende Ausfertigungen sind weder im Bestand „Erzstift“:
https://www.monasterium.net/mom/AT-HHStA/SbgE/fond; noch im Bestand „Domkapitel“:
https://www.monasterium.net/mom/AT-HHStA/SbgDK/fond in Wien, Haus-, Hof- und
Staatsarchiv (HHStA), nachweisbar, ebenso wenig in den Beständen „Erzstift“:
https://www.monasterium.net/mom/DE-BayHStA/HUSalzburgErzstift/fond oder „Domkapitel:
https://www.monasterium.net/mom/DE-BayHStA/SalzburgDomkapitel/fond des Bayerischen
Hauptstaatsarchivs in München.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1531, 1558 März 11, 1578 März 28 und 1584 April 10
sind bekannt (siehe jeweils dort).
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 24;
Klein, Nachrichten, 1958, S. 62 (nur Hinweis auf Moewes);
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 66f.;
Gruber, Storchennester, 2019: Link (bloß Erwähnung).
Herzlichen Dank für das Wiederauffinden und die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger
Landesarchiv.
101
Anfang 16. Jahrhundert: Rechnungsbuch des Salzburger Erzbischofs
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Geheimes Archiv XXVI 1 1/2:
Undatiertes Rechnungsbuch des Salzburger Erzbischofs
Fol. 215r: Necessaria distributa pro necessatate
curie et extraordinoria.
Pro absumptio(ne) corvorum klawsraben: s. 10,
d. 12
Klein interpretiert den hier abgerechneten
Vorgang als das Ausnehmen der Jungvögel aus
den Nestern. Dass „absumptio“ jedoch diese
Bedeutung hat, ist zumindest nicht eindeutig.
Conrad Gesner (siehe bei 1555/1557) verwendet
das wesentlich eindeutigere Verb „eximo“ (in der
deutschen Fassung: „ausnehmen“) um diesen
Vorgang zu bezeichnen. Zu diesem Vorgang
siehe ausführlich bei Stumpf (siehe bei 1548),
wo auch ältere Quellen, die diesen Vorgang
beschreiben, genannt werden.
In dem sprachlich zwischen lateinisch und deutsch schwankenden Eintragungen dieses
Rechnungsbuches aus der erzbischöflichen Verwaltung Salzburgs werden vor und nach dem
hier behandelten Eintrag sowohl Dienstleistungen vor allem aber auch Sachausgaben, zumeist
sehr kleine Beträge, verzeichnet.
Weitere Rechnungsbücher, die Waldrappe erwähnen, sind aus Kloster Baumburg (siehe bei
1441 und 1471) und aus Stift St. Peter in Salzburg (siehe bei 1524, 1532 und 1544) bekannt
(ausführlich Angaben beim Eintrag aus dem Jahr 1524).
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Herzlichen Dank für das Wiederauffinden und die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger
Landesarchiv.
102
vor 1508: Grabstein von Abt Lorenz Gaul von Murrhardt
Bildquelle
Murrhardt (Württemberg), Stadtkirche (ehem. Klosterkirche), Westwand des nördlichen
Querschiffs, Grabstein von Abt Lorenz Gaul von Murrhardt
Die Grabplatte des Abtes Lorenz Gaul (reg. 1501–1508 – Infos
HIER) wurde, wie das Katalogisat im Band der Deutschen
Inschriften belegt, noch zu Lebzeiten des Abtes angefertigt. Für
das Todesjahr wurde bei der Umschrift ein Platz ausgespart,
der später nicht ganz ausgefüllt wurde. Zudem ist das
Zahlzeichen v deutlich anders gestaltet ist als die übrigen v der
Umschrift.
Ob das Wappen, das auf seiner Grabplatte zu sehen ist (LINK)
und einen schwarzen Vogel zeigt, vielleicht als Waldrapp
gedeutet werden kann, bedarf weiterer Studien. Die
Identifikation als Schnepfe (Deutsche Inschriften) erscheint
jedoch unwahrscheinlich. Bernhard Gönner denkt am ehesten
an einen Schwarzstorch.
Die Schwäbisch-Gmünder Familie Gul führt ein ähnliches
Wappen wie der Murrhardter Abt. Um welchen Vogel es sich
handelt, ist jedoch auch in diesem Fall nicht bekannt.
Aus heutiger Einschätzung muss der dargestellte Vogel aus dem Quellenkorpus zum Waldrapp
ausgeschieden werden. Eine weitere Quelle aus dem Kloster Murrhardt (siehe bei 1580–1620)
ist ebenfalls nicht stichhaltig.
Deutsche Inschriften (Online): http://www.inschriften.net: Deutsche Inschriften, Band 37: RemsMurr-Kreis (1994), Nr. 99 (Harald Drös und Gerhard Fritz);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65.
103
1517: Ex probatissimis authoribus variarum rerum vocabula
Textquelle (lexikalische)
Ex probatissimis authoribus variarum rerum vocabula pro iuventute scholastica breviter,
sed commodissime collecta, Augsburg 1517 (VD 16, E 4698)
Auf fol. 14r im Abschnitt „De aviario – Von dem
vogelhauß oder kobel“ dieses in thematische
Gruppen gegliederten Wörterbuches findet sich
das Wortpaar:
porphirio – stainrapp.
Das Wortpaar kommt in der zweiten Auflage
(Augsburg 1518: VD 16, E 4699, fol. 13v) wieder
vor und wird dann von Johann Pinicianus (siehe
bei 1521 (1516/1524) übernommen.
Der Begriff Steinrabe kommt schon in
Rechnungsbüchern aus Baumburg (siehe bei
1441 bzw. 1471) vor und ist bei Cordus (siehe bei
nicht nach 1544) und Gesner (siehe bei
1555/1557) belegt. Das hier behandelte anonyme
Wörterbuch scheint jedoch die Erstnennung des
Steinraben im lexikalischen Bereich zu sein.
Zum sehr problematischen Begriff „porphirio“
siehe bei Pinicianus, der diesen schon 1516
kennt.
Ob vielleicht ein als schwarz bekannter Stein
bewusst einem verbreiteten volkssprachlichen
Begriff, der Stein thematisiert, beigegeben wurde,
kann vermutet aber nicht bewiesen werden.
104
1521 (1516/1524): Johann Pinicianus, Promptuarium vocabulorum
Textquelle (lexikalische)
Johann Pinicianus, Ex promptuario vocabulorum variarum rerum vocabula ad puerorum
usum collecta (Promptuarium vocabulorum, Ausz), Augsburg 1521 (VD 16, P 2864):
Digitalisat
Im Abschnitt „De aviario, Von dem
vogelhauser und kobel“ (fol. XIIr-XIIv) steht
auf der ersten Seite das Wortpaar
porphirio – stainrapp.
Er wurde aus einem anonym publizierten
Wörterbuch übernommen (siehe bei 1517).
Während der Steinrabe dort, wenn ich recht
sehe, seine lexikalische Erstnennung hat,
kommt der sehr problematische lateinische
Begriff „porphyrio“ bereits 1516 in der
Erstausgabe der Vollversion des Textes
(Promptuarium vocabulorum, Augsburg 1516
– VD 16, P 2862) vor. In Kapitel 9, Aviarium,
steht auf Blatt CIIr folgender Eintrag:
„Porphirio. Avis, cui crura oblonga et rostrum
rubent, morsu bibit.“ In der Ausgabe Augsburg 1524 (VD 16, P 2863), wurde auf fol. 14r dem
Eintrag die deutsche Übersetzung beigefügt: „Porphirio. Avis, cui crura oblonga et rostrum
rubent, morsu bibit. Stainrapp.“
Bei der Vollversion des Wörterbuches könnte 1516 noch das Purpurhuhn (Porphyrio porphyrio)
gemeint gewesen sein, das freilich nördlich der Alpen nicht vorkommt. Porphirio wird, wenn man
Whitman glauben, darf in seiner englischen Form felofor für eine water-fowl verwendet (Charles
Huntington Whitman, The birds of Old English literature, Urbana 1898 [Wiederabdruck aus: The
Journal of Germanic Philology 2, 1898, S. 149–198], S. 28f.). Zum Purpurhuhn vergleiche vor
allem Springer, De avium natura, 2007, S. 195f. Gesner, Vogelbůch, 1557, foll. 190v–191r,
kennt den Vogel (Purpurvogel – Porphyrio Telamon) aus der Provence.
Auch in den Ausgaben der gekürzten „Jugendversion“ von 1521 (VD 16, P 2864), fol. 12r;
1522/23 (VD 16, P 2865), fol. 12r; 1528 (VD 16 P 2866), fol. 12r; 1530 (VD 16, P 2867), fol. 12r;
1532 (VD 16, P 2868), fol. 12r; 1545 (VD 16, P 2872), fol. 13r; 1545 (VD 16, P 2882), fol. 13r
kommt das Wortpaar vor.
105
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376.
106
1524: Abteirechnungen des Stiftes St. Peter in Salzburg
Textquelle (archivalische)
Salzburg, St. Peter, Stiftsarchiv, Hs. A 629:
Abteirechnungen 1523–1534
Auf fol. 55v des Rechnungsbuches wird vermerkt:
Item den hausgnossen von 7 Chlausraben abzunemmen: 23 d. (Pfennige).
Das Rechnungsbuch ist eine vollkommen unverdächtige Quelle, in der Ausgaben des Klosters
in chronologischer Reihenfolge enthalten sind. Der/die LeserIn erfährt, dass „Hausgenossen“,
also ein weltlicher Dienstleister des Klosters (zum Begriff vergleiche den Eintrag im Deutschen
Rechtswörterbuch: LINK), eine Tätigkeit, das „Abnehmen“ an sieben Klausraben verrichtet
haben. Man kann davon ausgehen, dass in der Wand über dem Kloster St. Peter Waldrappen
nisteten und Jungvögel, die für den Verzehr bestimmt waren, aus den Nestern aushoben
wurden. Dass dies gebräuchlich war, beschreibt Johannes Stumpf (siehe bei 1548), wo auch
weitere Quellen (ab 1504) genannt werden.
1532 wurde ein nahezu identischer Betrag an Trinkgeld bezahlt, die Tätigkeit wird nicht benannt,
bloß „pro Chlausraben“ wird angegeben. Ende Mai 1544 (zur jahreszeitlichen Bestimmung siehe
bei 1544) werden erneut 24 Pfennige an Trinkgeld bezahlt, diesmal für drei Klausraben. Ob
dieses doch vereinzelte Auftreten bedeutet, dass in den anderen Jahren keine Waldrappe im
Felsen oberhalb des Klosters nisteten, ob in den anderen Jahren die Nester, obwohl die Vögel
nisteten, nicht ausgenommen wurden, oder ob die Jungvögel auch in den anderen Jahren aus
den Nestern genommen wurden und bloß die Kosten dafür nicht verzeichnet wurden, muss
unbeantwortet bleiben.
Rechnungsbücher, die Waldrappe verzeichnen, sind auch aus Kloster Baumburg (siehe bei
1441 und 1471), dort als „Steinraben“ bezeichnet, und aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts
(siehe Anfang 16. Jahrhundert), bekannt. Dieses Rechnungsbuch stammt, wie die
Klosterrechnungen von St. Peter, aus Salzburg, gehört jedoch zur Buchführung der Erzbischöfe.
Dort wird für „pro absumptione“ der Klausraben der (deutlich höhere) Betrag von 10 Schillingen
und 12 Pfennigen verzeichnet. Ob „absumptio“ und „abnehmen“ dasselbe bedeuten, kann
vermutet werden, eine Unsicherheit bleibt jedoch.
Weitere ähnlich lautende Belege sind aus den Jahren 1532 und 1544 überliefert (siehe jeweils
dort).
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63 (mit abweichender Signatur).
107
Ich danke der Stiftsbibliothekarin Sonja Führer für freundliche Nachschau und die Korrekturen
und Herrn Stiftsarchivar Gerald Hirtner für die großzügige Hilfe.
108
1528 Jänner 1: Gedenkbuch der Hofkammer
Textquelle (archivalische)
Wien, Hofkammerarchiv, Gedenkbuch (GB) 31
Auf fol. 7v des Gedenkbuches wird ein Grundgeschäft in Graz verzeichnet:
Am 1. Jänner 1528 verschreibt Kaiser Ferdinand I. mit einer in der Graz ausgestellten Urkunde
dem Freiherrn Sigmund von Dietrichstein und dessen männlichen Leibeserben das
landesfürstliche Hubamtshaus im Sack (Hubhaus in der Sackstraße) mit dem Vorbehalte des
Heimfalles beim Absterben des Mannesstammes der Dietrichstein, – und zugleich den
Schaidgaden in diesem Hause: wenn wir zu Grätz münzen lassen wollten, daß wir den
Werkgaden zu solchem unsern Hause frei haben und brauchen sollen.
Mit dem Verkauf ist eine besondere Verpflichtung verbunden: dass er und sein menlich leibs
erben sollen auch die Clausraben so ir wonung bei demselben hauss am Slosperg haben
wie bisher von den inhabern beruertes haus bescheen hayen, und diesselben nicht beschedign
oder vertreibn lassn (zitiert vor allem nach Laukhardt – vgl. auch Albert von Muchar, Geschichte
des Herzogthums Steiermark, Bd. 8 [Graz 1867], S. 365, wo die entsprechende Stelle so lautet:
… er und seine Leibenserben die sogenannten Klausraben, welche ihre Wohnung bei
demselben Hause am Schloßberge haben, wie von den Inhaber bisher beobachtet
worden ist, hegen und dieselben nicht beschädigen oder verderben lassen.).
Nach der Auflösung der Münze überließ König Ferdinand 1528 das Hubhaus Siegmund von
Dietrichstein. Das Grundstück, heute eine Hälfte des Palais Herberstein (Sackstraße 16), reicht
bis zum Felsen des Schlossberges. Die Fakten stimmen also alle gut zueinander, sind daher
sehr glaubwürdig.
http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2757493
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 30;
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86 (Erwähnung);
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 321;
Peter Laukhardt, Großes Buch des Schloßbergs, in Vorbereitung.
109
Den Hinweis auf den Aufbewahrungsort verdanke ich Peter Laukhardt, dem dafür sehr herzlich
gedankt sei. Das Gedenkbuch 31 ist im Archivimformationssystem verzeichnet (siehe oben),
liegt aber derzeit (Februar 2022) noch nicht digital vor.
Nicht bei Georg Göth, Urkunden-Regesten für die Geschichte von Steiermark vom Jahre 1252
bis zum Jahre 1580, in: Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark 14 (1866), S.
188–203.
110
1528 Februar 10: Instruktion für Thoman Uebler
Textquelle (archivalische)
Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Patente und Kurrenden, sub dato:
Instruktion für den Ottenjäger und Fischmeister Thoman Uebler
„Es soll auch unser Fischmeister daneben sein fleißiges Aufsehen haben, damit unsere
Klausraben gen Grätz auf den Feldern noch andernorts nicht geschossen oder beleidigt,
sondern gehegt, gezügelt und gehütet werden." (vorläufig nach Popelka zitiert, der eine
Instruktion von 1567 August 22 heranzieht).
Die Anweisung erwähnt Waldrappe (lokalüblich als Klausrappen bezeichnet), die, wie gut
bezeugt ist, in Graz einen Brutplatz hatten (siehe bei 1504 März 16, 1528 Jänner 1).
Fournier, S. 114, berichtet, dass entsprechende Instruktionen für die Steiermark ab 1506
existierten. Am 6. November dieses Jahres bestellte Maximilian I. Caspar Gurmann zum
Fischmeister. Diese Instruktion enthielt 13 Punkte, der Klausrabe wird nicht erwähnt.
1528 wird Thman Uebler als Ottenjäger und Fischmeister bestellt und erhielt seine Instruktion
am 10. Februar. Diese enthielt erstmals auch die hier relevante Bestimmungen zur Schonung
der Klausraben am Schlossberg. Diese werden in den entsprechenden Instruktionen der
späteren Jahre immer wieder wiederholt: siehe bei 1553 Jänner 1, 1555, November 28 und
1567 August 22 (dort weitere Angaben).
Fournier, Fischer, 1990, S. 115.
111
1531: Verordnung des Salzburger Erzbischöfe
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat-Catenichl 15a (1530/31)
Auf fol. 128rv ist ein Mandat von Matthäus Lang von Wellenburg, Erzbischof von Salzburg (reg.
1519–1540) überliefert:
Verbott die Clawssraben nit aus der wenndt oder sonnst mit den handtrorn (Handrohr = tragbare
Feuerwaffe) zu verjagen:
Der hochwirdigst Fürst und Herr Herr Matheus der heyligen römischen Kirchen Cardinall,
Ertzbischows zu Salzburg, Legat des Stuels zu Rom etc. lässt hiemit menigklich anzaigen:
Nachdem sein fürstlich gnad glawblich bericht ist, daß durch das püchsenschiessen so in den
hewsern, in der Trägassen, Kirchgassen und enthalb (?) der prugkh täglich geschicht, die
Klawßraben von iren stennden geschregckht und verjagt werden, daß darauf sein fürstlich
gnad ernnstlich bevelhen und gepotten hat, daß sich hinfuran nyemandts, er sey geystlich,
weltlich, hofgesind, buerger oder Innwonner, hochs oder nyders stannds, nyemandts
außgenommen, unnderstee, in der Trägassen, Kirchgassen, noch ennhalb der prugkh und
sondlich ausserhalb der Stat Salzburg am Munichperg und Rietenburg aus puchssen und vill
weniger in die wannd des Münichpergs zu schyessen, alles bey vermeydung seiner fürstlichen
gnaden swären straff unnd ungnad. Dann wurd yemanndts solh gebot verachtten, darauf ir
furstlich gnad' sonnder aufsehen zu haben verordnnet hat, der wirdet von irer furstlichen gnaden
112
wegen nach ungnaden darumb gestrafft werden, darnach wisse sich menigklich zu richten.
Diser ding sein drey geschryben und mit dem Sekret verferttigt worden.
Die Abschrift des Mandats des Landesherrn ist von seiner Stellung innerhalb des Bandes nach
Auskunft von Hubert Schopf wohl nicht (wie bisher angenommen) dem Jahr 1530, sondern dem
Folgejahr 1531 zuzuordnen.
Bei den Ortsangaben ist zwischen den Orten zu unterscheiden, von denen geschossen wird –
Getreidegasse, Siegmund Haffner-Gasse, jenseits der Brücke und vor allem außerhalb der
Stadt am Mönchsberg und (in) Rietenburg (Teil der heutigen Stadt Salzburg zwischen Nonntal,
Leopoldskroner Moor, Maxglan, Gneis und Altstadt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Riedenburg_(Salzburg)) – und jenen Orten, von denen die Vögel
durch das Schießen aufgeschreckt werden. Deutlich wird, dass es nicht um das Erlegen der
Waldrappe geht, sondern dass verhindert werden soll, dass (durch den Lärm?) die Tiere
aufgescheucht (geschreckht und verjagt) werden.
Stennde werden als Aufenthaltsort genannt, die sich in die Wand des Münichpergs befinden,
denn das dorthin Feuern wird unter besondere Strafe gestellt. Bereits 1504 hat Kaiser
Maximilian I. befohlen, dass in Graz unter der Steinwand des Schlossberges mer gestell
errichtet werden sollen. Ob freilich Stennden solche Gestelle oder bloß den Aufenthaltsort der
Vögel meint, ist nicht sicher.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1558 März 11, 1578 März 28 und 1584 April
10 sind bekannt (siehe jeweils dort).
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, Bd. 26, S. 298 und Bd. 27, S. 470f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25f.;
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 87;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67;
Gruber, Storchennester, 2019: Link (bloß Erwähnung: wohl irrig „1530“).
Herzlichen Dank für das Wiederauffinden und die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger
Landesarchiv.
113
1531 Oktober 12: Wappenbrief für die Brüder Staininger
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Braunau am Inn, Bezirksmuseum Herzogsburg, I 64 2:
König Ferdinand I. verleiht den Brüdern Wolfgang, Hans und Jörg Staininger einen
Steinraben als Wappen.
Wir Ferdinand von Gottes
genaden römischer Kunig zu
allen zeiten merer des Reichs in
Germanien, zu Hungern,
Behem, Dalmacien, Croacien
unnd Slavonien etc. kunig,
infannt in Hispanien, ertzherzog
zu Osterreich, hertzog zu
Burgundi, zu Brabannt, zu Steir,
zu Kernndten, zu Crain,
marggrave zu Mechern etc., zu
Lutzemburg, in Ober- unnd
Niderslesien, zu Wirtemberg unnd
Tegkh hertzog, furst zu Schwaben,
gefurster grave zu Habspurg, zu
Tyrol, zu Phirt, zu Kiburg unnd Görtz
etc., lanndtgrave in Ellsass,
marggrave des Heiligen Romischen
Reichs zu Burgaw, Ober- unnd
Niderlausitz, herr auf der Windischen
Margkh, zu Portenaw und zu Salins
etc.
bekhennen offentlich mit disem
brieve unnd thun khundt
allermenigelich, das wir guetlich
angesehen unnd wargenomen haben
die erberkait, redlichait, guet sitten,
tugennt unnd vernunfft, damit
unnsere unnd des reichs lieben getrewen Wolffganng, Hanns unnd Jörg die Stainninger
gebrueder vor unns beruembt sein, auch dazue die getrewen diennst, die sy sich gegen unns
unnd dem heiligen römischen reich unndertheniglich unnd guetwillig erbieten, auch wol thuen
114
mögen unnd sollen, unnd darumb mit wolbedachtem muet, guetem rat unnd rechter wissen
denselben Wolffganngen, Hannsen und Jörgen den Stainingern gebruedern unnd allen iren
eelichen leibserben unnd derselben erbennserben die hernach geschriben wappen unb klainat
mit namen ainen schiltt nach der lenng durchab in zween gleich tail abgetailt, nemlich die hinder
weiß unnd vorder feldung schwartz, im grund baider tail des schillts ain drifacher pühel in seiner
mitte nach des schillts abtaylung mit seinen farben abgewechselt, als nemlich im weissen
schwartz unnd schwartzen tail weiß, auf dem mittern hohern pühel ain Stainrab
furwertssteend in seiner mitte gleich auf des schillts farbenabwechßlung, als nemlich sein
rechter fueß furgestellt sambt seinem vordern halben thayl in des schillts schwartzen halbirung
weiß unnb sein hinnder tail mit seinem lingken hinndergestellten fueß ubergeschwungen flugen
unnd schwanntz in der weissen feldung bes schillts schwartz, auf dem schillt ain hellm geziert
mit schwartzer unnd weisser helmdeckhen, darauf ein gewundtner pausch zurugkh aus
fliegennden binnden, daraus enntspringennd zway püffelhörnner, die mundtlocher offen unnd
von einannder gekhert, yedes in seiner mitte abgetaillt, als nemlichen das hintern oben unnd
das vorder unnden weisß, zwischen denselben hörnnern ain dreifacher pühel unnd darauf ain
stainrab erscheinenndt, bede puhel unnd vogel von obengenannter zwaier farben abgetaillt in
allermassen wie im schillt, alsdann dieselben wappen unnd klainat inmitten ditz unnsers
gegenwürtigen kuniglichen brieves gemalet unnd mit farben aigenntlicher ausgestrichen sein,
von newem genediglich verlihen unnd gegeben, verleihen unnd geben inen die auch also aus
römischer kunigelicher macht volkhommennhait hiemit wissenntlich in crafft ditz briefs unnd
mainnen setzen unnd wollen das nun furbashin die genannten Staininger gebruder all ir eelich
leibserben unnd derselben erbennserben in ewig zeit die obgeschriben wappen unnd klainat
haben fueren unnd sich der in allen unnd yegelichen eerlichen unnd redlichen sachen unnd
geschefften, es sey in streiten kempffen, gestächen, gefechten, panieren, gezellten,
aufschlagen innsigeln, betschaden, clainaten, begrebnussen unnd somist an allen anndern
ennden nach iren notturfften willen unnd wolgefallen gebrauchen sollen unnd mugen (…) Mit
urkund ditz brieves besigelt mit unnserm kunigelichen anhanngenden insigel. Geben in unnser
unnd des heiligen reichs stat Speyr den zwelfften tag des monats octobris nach Christi unnsers
herrn geburt tawsenntfunffhundert unnd im ainunddreissigisten, unnserer reichs des romischen
im ersten unnd der anndern im funfften jaren. (vgl. auch den Text nach Meindl, Bd. 2, S. 91).
115
Das Wappen ist auch auf dem Epitaph des Hanns
Staininger aus Braunau (gest. 1567; seine
ebenfalls genannte Frau 1570 verstorben), der sich
an der Stadtpfarrkirche von Braunau befindet
(Meindl, Bd. 2, S. 90), links neben seinem Kopf
dargestellt. Hans Staininger war Mitglied des
inneren Rates der Stadt, als Handelsherr tätig,
Stadthauptmann aber vor allem berühmt wegen
seines überlangen Bartes (für Erstinformationen
siehe HIER; sowie Max Eitzlmayr, Hanns
Staininger, Stadthauptmann zu Braunau, in: Heimat
am Inn 16, 1995, S. 69–73). Der RotmarmorEpitaph zeugt von seiner Stellung (LINK).
Ein weiterer Hans Staininger wurde von Kaiser
Rudolf II. 1601 Dezember 30, Prag, geadelt und
das bekannte Wappen wird erneut (leicht
abgewandelt) blasoniert: (…) ein Steinrab mit ofenen Schnabel vorwärts stehend in seiner Mitte
nach des Schildes Farbenabwechslung (…) (Meindl, Bd. 2, S. 92).
Wie Meindl, Bd. 2, S. 93, mitteilt, war der Bart, der Wappen- sowie der Wappen- und Adelsbrief
im Jahr 1880 im Besitz der Augsburger Familie Preyß, 1911/12 gelangten Bart und die
Urkunden in den Besitz der Stadt Braunau. Heute werden sie im Bezirksmuseum in Braunau in
der Herzogsburg ausgestellt. Dort befindet sich auch ein Votivbild der Familie Staininger (Inv.Nr. 31475/79), das ebenfalls
das Wappen zeigt (LINK).
Ein weiteres Bildzeugnis findet
sich im ab 1575 geführten
Stammbuch des Paul Jenisch
(Stuttgart, Württembergische
Landesbibliothek, Cod. Hist. Qt.
298, fol. 72r), das zu einem
Eintrag eines Hannss Staininger
aus dem Jahr 1585 gehört (Ob
die Miniatur mit auf diese
bezogenen Sinnsprüchen schon
existierte und der Eintrag und
116
das Wappen beigefügt wurden,
oder ob beides in einem
entstand, muss noch untersucht
werden).
Die Darstellungen des
Wappenbriefes für sich
genommen erlaubt es, wie
gesagt, nicht, den Vogel als
Waldrapp zu identifizieren. Da
jedoch das Tier in der Beschreibung des Wappenbriefes als Steinrab benannt ist und diese
Bezeichnung für den Waldrapp gut bezeugt ist (siehe bei 1441 und 1471: jeweils aus
Baumburg, und Cordus (siehe bei 1561 (recte wohl nicht nach 1544)), ist eindeutig, was
dargestellt werden sollte, auch wenn die Wiedergabe nicht besonders ähnlich ist.
Bei Gesner (siehe bei 1555/1557), also mit klarem ornithologischem Wissen, werden die drei
deutschen Bezeichnungen (Waldrapp, Steinrapp, Clausrapp) zusammengeführt, sodass an
einer Identifizierung (Steinrapp = Waldrapp) nicht gezweifelt werden muss.
Zudem sind auf dem bereits erwähnten
Epitaph des Hans Staininger die
Merkmale detailliert genug, um auch
ornithologische Aussagen machen zu
können. Bernhard Gönner hebt den
langen gebogenen Schnabel, die
Länge des Halses und die mittellangen
Beine als gut passend hervor. Die
Flügelstellung erinnert zwar eher an die
Darstellung von Adlern, andererseits
nehmen Waldrappe immer wieder ein
"Sonnenbad" und breiten dabei am
Boden stehend ihr Flügel Richtung
Sonne aus. Freilich ist zu beachten,
dass die Darstellung an die
Blasonierung gebunden war, die die
ausgebreiteten Flügel vorschreibt.
Der hier behandelte Wappenbrief ist der erste derzeit bekannte, in dem ein Waldrapp als
Wappenbild (gemeine Figur) verliehen wird. Weitere Beispiele von 1536 Oktober 8 und 1545
117
Juli 31 (nicht 1549 Juli 31) sind zu nennen. Der Vogel wird jeweils „Steinrap“ genannt. In einem
weiteren Fall (siehe bei 1554 Juli 9) fehlt die Bllasonierung.
Von dem hier genannten Steinraben ist die Uttenschwalbe (ein schwarzer Schwan) zu
unterscheiden, die in der Heraldik eine gar nicht so kleine Rolle spielt (vgl.: https://www.heraldikwiki.de/wiki/Uttenschwalbe). Vor allem die ab dem 12. Jahrhundert nachweisbare Familie
Closen führte diesen Vogel, der freilich in der Regel mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen
dargestellt wird, im Wappen (Nachweis als Siegel ab 1241: LINK). Pegoraro, Waldrapp, 1996,
S. 26, nimmt – wohl irrig – an, es könnte ein Waldrapp gemeint sein.
Konrad Meindl, Geschichte der Stadt Braunau am Inn, Braunau 1882, S. 90–93;
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951, S. 104f.
https://www.monasterium.net/mom/IlluminierteUrkunden/1531-10-12_Braunau/charter (Martin
Roland – mit genauer kunsthistorischer Einordnung der architektonischen Rahmung der
Wappendarstellung).
118
1532: Abteirechnungen des Stiftes St. Peter in Salzburg
Textquelle (archivalische)
Salzburg, St. Peter, Stiftsarchiv, Hs. A 629:
Abteirechnungen 1523–1534
Auf fol.213r des Rechnungsbuches ist vermerkt: Item bibalia (= Trinkgelder) pro Chlausraben:
24 d(enarii) (für Pfennige)
Man kann davon ausgehen, dass in der Wand über dem Kloster St. Peter Waldrappen nisteten
und die Zahlungen an Bedienstete gingen, die Jungvögel aus den Nestern aushoben, die für
den Verzehr bestimmt waren. Ein ähnlich lautender Beleg ist bereits von 1524 überliefert (siehe
1524 für weitere Angaben). Dass dies gebräuchlich war, beschreibt Johannes Stumpf (siehe bei
1548), wo auch weitere Quellen (ab 1504) genannt werden.
Klein, Nachrichten, 1958, S. 64;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Ich danke Gerald Hirtner sehr herzlich für seine Unterstützung.
119
1535 Juli 15: Rat- und Richtebücher der Stadt Zürich
Textquelle (archivalische)
Zürich, Staatsarchiv, Rat- und Richtebücher der Stadt Zürich (B VI 190–B VI 279a ): 1535
Im Strafregister wird berichtet, J. Schwytzer, Thoman Zieglers Knecht, wurde zu einer
Geldstrafe von 1 pfd. 5 s. in bar verurteilt, als er Felixen von Jonen einen waldrappen one
ursach zuo tod geschlagen hat. (Suolahti nach Staub-Tobler, VI, 1173; Strohl).
Die Busse wurde am Donnerstag vor St. Margarethentag, also am 15. Juli verhängt (nach
Angaben von Strohl).
Strohl führt sehr zu Recht an, dass der getötete Vogel wohl in Gefangenschaft in Zürich
gehalten gewesen sein muss.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der Schweizer-deutschen Sprache, Bd. 6 (1909), Sp.
1173: „Waldrap: 1: Steinkrähe, Corv. graculus (sylvaticus. Gessn.). ‚1pfd 5ß bar J
Schwytzer, als er Felixen von Jonen einen waldrappen one ursach zuo tod geschlagen
hat.‘ 1535, ZRB“;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 513–515;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 30f.;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 320;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 61.
120
1536 Oktober 8: Adels- und Wappenbrief für Johann Weißenfelder
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Kaiser Karl V. erhebt mit einer in Genua ausgestellten Urkunde Johann Weißenfelder
(Wisenfeldt) aus München in den Adelsstand und vermehrt ihm das Wappen mit einem
schwarzen Steinrap.
Im zweiten und dritten Feld
befindet sich in Gold auf einem
natürlichen Stein ein schwarzer
Steinrap mit rotem Schnabel
und Fueßen. Das Wappen wird
von zwei Spangenhelme
bekrönt, einer zum
Stammwappen, der zweite mit
einem Steinraben auf einem
Stein zwischen zwei Hörnern.
Eine Nachzeichnung des
Wappens von Johann
Weißenfelder findet sich bei
Seyler, Siebmacher’s
Wappenbuch, Abgestorbener bayerischer Adel 3, 1911, S. 133 und Tafel 91. Quelle ist freilich
nicht ein originaler Wappenbrief, sondern das von 1570–1578 geführte Stammbuch des Anton
Wolfgang Ebran von Wildenberg (für weitere Informationen zum Stammbuch siehe HIER), in
das 1570 das Wappen von Wolfgang Jacob Weissenfelder 1570 eingetragen wurde (Link [der
als Permalink gekennzeichnete Link 2022 Februar 14 nicht mehr funktionstüchtig]).
Dass Lorenz Weißenfelder (statt Johann) das Wappen verliehen bekam, insinuiert das
Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus, MRFH 2770
(mit Verweis auf Michael Schattenhofer, Das Münchner Patriziat, in: Zeitschrift für Bayerische
Landesgeschichte 38 [1975], S. 877–899, bes. S. 877, S. 889 und S. 895 [zur Erhebung in den
Adelsstand 1536], wo freilich nur die Familie genannt ist). Dass Lorenz Weißenberger dasselbe
Wappen tatsächlich führte, belegt die Wappendarstellung in München, Bayerische
Staatsbibliothek, Cgm, 616, Vorderdeckel, Spiegel und unterer Schnitt (vgl. Katalogisat von
Karin Schneider HIER), ein Codex der ebendemselben L(orenz) Weyssenfelder gehörte.
Das hier als Steinrabe bezeichnete Tier ist nach dem Wappenbrief Staininger (siehe bei 1531
Oktober 12) und vor jenem für Höckenstaller (siehe bei 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31)) die
121
zweite kombinierte Text- und Bildquelle, die belegt, dass der Waldrapp / Steinrabe als
heraldische Figur diente. Dies besagt freilich nichts über die ornithologische
Wiedererkennbarkeit / Exaktheit der Darstellung.
Die Abbildungen aus dem Siebmacher
von 1612 (HIER) und die von Seyler
(siehe oben) zeigen wenig spezifische
Merkmale. Die offensichtlichen
Parallelen zum Staininger-Wappen –
man vergleiche die dort durch die
Blasonierung gedeckte Haltung mit
ausgebreiteten Flügeln – , und der
lange, etwas gebogene Schnabel
machen jedoch wahrscheinlich, dass
eine gewisse Vertrautheit mit dem
Aussehen des Waldrapps
vorausgesetzt werden kann.
Bei den Akten zur Verleihung des
rittermäßigen Adelsstandes und einer
Wappenbesserung für Johann
Weißenfelder von 1536 Oktober 8 (Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv,
allgemeine Reihe, 450.51, fol. 3v) wurde bloß das Stammwappen (ohne Waldrapp) graphisch
notiert.
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951, S. 105;
Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 5, S. 198.
122
1538 Mai 27: Hans Heglinger, Mautinstruktion von Burghausen
Bildquelle
München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, GL Burghausen 29 ½:
Hans Heglinger, Mautinstruktion von Burghausen
Bei der hier behandelten Quelle handelt es sich um ein Papier-Libell mit 49 Seiten, das mit
Feder beschriftet ist und 9 farbige und 12 unkolorierte Zeichnungen enthält.
Hans Heglinger ist von 1522 bis ca. 1550 als Mautzähler, ein dem Mautner von Burghausen
nachgeordneter Beamter, nachweisbar (vgl. Dorner, Salzfertiger, S. 52). Er ist für den Text der
Mautinstruktion und offenbar auch für die (lavierten) Federzeichnungen, die den Text illustrieren,
verantwortlich.
Auf S. 5 befindet sich die
Illustration zur „Instruktion oder
Unterweisung wie das Salz an
der fürstlichen Maut zu
Burghausen soll gezahlt
werden“. Sie zeigt Salzschiffe
auf der Salzach und im
Hintergrund eine Stadt, die auf
Grund des Zusammenhanges
als Burghausen zu verstehen
ist. Charakteristische
architektonische Motive sind
freilich nicht zu erkennen (vgl.
eine spätere Ansicht der Stadt
von Franz Ignaz oder Tobias
Schinnagl, die um 1680/81
entstanden sein soll: Salz
Macht Geschichte,
Katalogband, 1995, S. 272f.).
In der oberen Bildmitte sind drei
schwarze nach links fliegende Vögel dargestellt, die keine inhaltliche Bedeutung haben, das Bild
jedoch – als einzige dargestellte Lebewesen – beleben. In zwei weiteren Illustrationen (S. 11
und 14), die nicht „ortsgebunden“ sind und auf denen bloß die Salzschiffe zu sehen sind, sind
ebenfalls die Vögel dargestellt (abgebildet bei Dorner, Salzfertiger, S. 300). Auf allen Bildern ist
123
dasselbe Zeichen auf den Planen der Schiffe zu sehen. Johann Dorner, in: Verbündet
Verfeindet (...), S. 52, ordnen dieses Zeichen (Hausmarke) einem Schiffsbesitzer aus Laufen zu.
Johann Dorner hat die dargestellten Vögel erstmals 2012 thematisiert und die Tiere als
Waldrappe identifiziert, ohne freilich Argumente dafür zu nennen.
Die hier vorgestellte Bildquelle ist zwar durchaus bemerkenswert, eine sichere Identifizierung
der dargestellten Vögel ist freilich keinesfalls möglich. Vor allem der schmale, nach unten
gebogene Schnabel könnte für Waldrappe sprechen und schließt Reiher und Störche jedenfalls
aus. Keine Erklärung findet sich für die prononciert gespaltenen Schwänze der dargestellten
Vögel. Ich danke Bernhard Gönner für die differenzierte Beurteilung der Darstellung.
Salz Macht Geschichte, herausgegeben von Manfred Treml, Rainhard Riepertinger, Evamaria
Brockhoff, Katalogband, Augsburg 1995, Katalogband, S. 269–271 (Kat.-Nr. RO 78:
L[orenz] M[Maier]);
Johann Dorner, Die Burghauser Salzfertiger, in: Salz Macht Geschichte (wie oben), Aufsätze, S.
297–303, bes. S. 300;
Verbündet Verfeindet Verschwägert. Bayern und Österreich, Bayerisch-Oberösterreichische
Landesausstellung 2012 Burghausen, Braunau, Mattighofen 27. April bis 14. November
2012, Band 1 herausgegeben von Wolfgang Jahn, Evamaria Brockhoff, Augsburg 2012,
S. 52f. (Nr. 24: J[ohann] D[orner]).
124
nicht nach 1544: Valerius Cordus, Sylva observationum variarum
Textquelle (ornithologische)
Valerius Cordus, Sylva observationum variarum
Valerius Cordus verstarb 1544, sein Werk kann daher nicht nach 1444 entstanden sein. Es
wurde jedoch erst 1561 von Conrad Gesner herausgegeben. Da die Möglichkeit besteht, dass
Gesner doch mehr als bisher angenommen in den Text eingegriffen hat, wird dieser erst bei
1561 behandelt (siehe bei 1561 (recte wohl nicht nach 1544)).
125
1544: Abteirechnungen des Stiftes St. Peter in Salzburg
Textquelle (archivalische)
Salzburg, St. Peter, Stiftsarchiv, Hs. A 631:
Abteirechnungen 1541–1554
Auf fol. 118v des Rechnungsbuches wurde eingetragen:
Item mer Trinkhgelt geben von wegen der dreyen Klauss Rauben: – t (Pfund) – ß (für Schilling)
– d(enarii) (für Pfennige) 24.
Das Abrechnungsbuch verzeichnet einen Eintrag, der von Klein mit Waldrappen in Verbindung
gebracht wurde. Er las „Klausraben“, was aber definitiv irrig ist, denn es steht eindeutig
„...Rauben“, also mit einem „u“.
Der Eintrag zwei Positionen davor ist mit dem 23. Mai fixiert, der danach mit dem 30. Mai. Dies
erlaubt, was bisher so noch nicht wahrgenommen wurde, eine recht genaue jahreszeitliche
Fixierung, denn das Ausnehmen der Nester ist kurz vor dem Flügge-Werden naturgemäß am
ertragreichsten.
Ähnlich lautende Belege sind bereits von 1524 und 1532 überliefert (siehe jeweils dort) und
machen deutlich, dass auch hier (trotz Verschreibung) Klausraben/Waldrappen gemeint sind.
Zum Ausnehmen der Nester siehe ausführlich bei Stumpf (siehe bei 1548), wo auch ältere
Quellen, die diesen Vorgang beschreiben, genannt werden.
Klein, Nachrichten, 1958, S. 64;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Ich danke Gerald Hirtner sehr herzlich für seine Unterstützung.
126
1544: William Turner, Avium praecipuarum historia
Textquelle (ornithologische)
William Turner, Avium praecipuarum, quarum apud Plinium et Aristotelem mentio est,
brevis et succincta historia, Köln 1544 (VD 16, T 2384 – Digitalisat)
Auf S. E 6 beschreibt William Turner (um 1510–1568) den Waldrapp wie folgt:
Iam ut sciatis qualis nam avis sit Helveticorum Waltrapus, quam coniicio phalacrocoracem esse,
et tertium genus graculi, avis est corpore longo et ciconia paulo minore, cruribus brevibus, sed
crassis, rostro rutilo, parvum adunco et sex pollices longo, albam quoque in capite maculam et
eam nudam, nisi male memini, habuit. Si palmipses sit et in terdum natet, indubitanter tertium
graculorum genus esse adfirmarem: verum licet autem in manibus habuerim, an palmipes fuerit
nec ne et calvus, non memini: quare donec isthaec certius novero, nihil statuam.
Ornithologisch ausgerichtete Texte sind vor Gesner (siehe bei 1555/1557) von herausragender
Bedeutung. Der Autor sagt, er habe den beschriebenen Vogel in der Schweiz selbst in Händen
gehalten. Die Beschreibung der Merkmale passt durchaus auf den Waldrapp. In dieser ersten
bewusst vogelkundlichen Quelle wird über Gebiete berichtet, an denen der Waldrapp vorkommt.
Bei Turner steht – wie bei Stumpf (siehe bei 1548) – die Schweiz im Mittelpunkt. Bei Gesner
erweitern sich die Informationen substantiell.
127
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 374;
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 540;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62.
128
1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31): Adels- und Wappenbrief für Brüder
Höckenstaller
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Kaiser Karl V. verleiht mit einer in Worms mundierten Urkunde Sixtus und Leonhard
Höckenstaller (Höggenstaller) Adelsstand und Wappen.
Der Akt im Österreichischen Staatsarchiv in Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv,
Reichsadelsakten, Allgemeine Reihe, 190.4, ist 1545 Juli 31 datiert, nicht, wie oft angegeben,
an demselben Tag des Jahres 1549. Das Wappenbild auf fol. 3r stimmt mit der Blasonierung bei
Seyler (siehe unten) nicht überein, sondern mit den Angaben (und der Abbildung) bei Buchheit
nach einer ungenannten Quelle (die Unterschiede beziehen sich jedoch nicht auf den
Steinraben).
Die Wappenbeschreibung (Blasonierung) lautet: (…) oben vor schwarzem Grund wachsender
blau-bewehrter goldener Löwe unten auf schwarzem Zweiberg ein golden gekrönter und
bewehrter schwarzer Steinrabe; gekrönter Helm, der wachsende Löwe zwischen zwei
goldenen bzw. schwarzen Büffelhörnern; schwarz-goldene Helmdecke (Text nach Seyler).
Ein entsprechendes Wappen wurde dem 1574 erfolgten Eintrag des Sixtus Höggenstaler auf
foll. 33v/34r im von etwa 1550 bis um 1585 geführten Stammbuch des Onophrius Perbinger
(Berbinger) beigegeben (Seyler, Tafel 129; die Handschrift: Nürnberg, Germanisches
Nationalmuseum, Hs 461).
129
Die Blasonierung besagt freilich nichts
über die ornithologische
Wiedererkennbarkeit / Exaktheit der
Darstellung. Zudem ist zu beachten,
dass wir die Ausfertigung des Adels- und
Wappenbriefes nicht kennen. Die Bilder
– aus dem Adelsakt (bzw. bei Buchheit)
und bei Siebmacher (Seyler) nach dem
genannten Stammbuch – unterscheiden
sich zudem – keineswegs nur aber auch
– bei der Wiedergabe des Vogels. In der
Zeichnung des Adelsaktes und im
Stammbuch ist die Krone und der
Zweiberg, beides durch die Blasonierung
für das Wappen gesichert, zu erkennen,
dafür ist der Schnabel in beiden Fällen
viel zu breit und vor allem uncharakteristisch kurz. Einzig bei Buchheit (nach unbekanntem
Vorbild – Wappenbrief?) ist der Schnabel dem Naturvorbild deutlich ähnlicher und der Hals ist
wesentlich länger, dafür ist der Zweiberg, auf dem der Vogel gemäß der Blasonierung stehen
soll, nicht richtig wiedergegeben und die Krone fehlt.
Der hier behandelte Wappenbrief, der das dargestellte Tier als Steinrabe bezeichnet, ist nach
den Wappenbriefen Staininger (siehe bei 1531 Oktober 12) und Weißenfelder (siehe bei 1536
Oktober 8) der dritte, der als kombinierte Text- und Bildquelle belegt, dass der Waldrapp /
Steinrabe als heraldische Figur diente.
Seyler, Siebmacher’s Wappenbuch, Abgestorbener bayerischer Adel 3, 1911, S. 179, Tafel 126;
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951, S. 104f. (mit Abbildung);
Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 2, S. 211.
130
1548: Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft ...
Textquelle (Landesbeschreibung) und Bildquelle
Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren
Chronick wirdiger thaaten beschreybung, Bd. 2, Zürich 1548 (VD 16, S 9864 – Digitalisat)
Im „Das neundt buoch begreyffende die lender und
taeler der alten Lepontier in der neundten landtafel
verzeichnet“ (foll. 276r–293v) beschreibt Stumpf im
Zuge der Behandlung der Rhätischen Vogelwelt auf
fol. 292r auch den Waldrapp und gibt seinem Text,
so wie auch bei den anderen behandelten Tieren,
einen Holzschnitt bei:
Waldrappen (Randtitel). Waldrappen ein gemein
wildpraet, am besten so er noch jung aus dem naest
kompt, ist ein grosser schwaerer vogel, gäntz
schwartz als ein Rapp, hat sein naest in den hohen
unwaegsamen velsen, allermeist nistet er in dem
alten gemeur der zerstoerten und ausgebrennten
schloessern, deren vil in den Alpischen lendern
gesehen werdend. Sy sind von leyb beynaach so
gros und schwaer als ein Storck.
Die hier behandelte Quelle ist
zwar nicht grundsätzlich
ornithologisch / naturkundlich
ausgerichtet, die
Landesbeschreibung geht aber
deutlich auch in diese Richtung.
Sie ist also gemeinsam mit
Turner (siehe bei 1544) und
Gesner (siehe bei 1555/1557)
zu betrachten. Weinel, S. 14,
bezeichnet das Bild als ältestes
Bildzeugnis zum Waldrapp.
Dies konnte zwar durch neu
aufgefundene Wappenbriefe
widerlegt werden (siehe bei 1531 Oktober 12 bzw. 1536 Oktober 8), dass Stumpf jedoch das
erste Zeugnis darstellt, das den Begriff „Waldrapp“, eine Beschreibung und ein Bild kombiniert
131
und ornithologisch-landeskundliche Interessen hat, ist evident. Er steht zwar durchaus in einer
Tradition, geht aber durch die Bildbeigabe über Turner hinaus und ist als Bild-/Textquelle
epochemachend. Stumpf kommt entscheidende Bedeutung zu, die bisher in der Literatur, wie
mir scheint, noch nicht ausreichend gewürdigt wurde.
Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass sein Abschnitt über den Waldrapp Eingang in die
Cosmographia des Sebastian Münster fand (siehe bei 1550).
Das Bild ist freilich problematisch. Die allgemeine Körperform, die mittellangen, teilweise
gefiederten Beine, die Zehenstellung und die dargestellten Krallen sprechen durchaus dafür,
dass dem Entwerfer des Holzschnitts ein reales Vorbild bekannt war. Die Ähnlichkeiten
beschränken sich keineswegs, wie bei vielen älteren Darstellungen, auf den charakteristischen,
schmalen und gebogenen Schnabel. Wie in weiterer Folge auch bei Gesner (siehe bei
1555/1557) fehlen jedoch jene Elemente, die einen erwachsenen Waldrapp auszeichnen und
diesen für heutige Betrachter sofort erkennbar machen: die Nackenfedern und der kahle Kopf.
Da der Text jedoch ausdrücklich auf Jungvögel Bezug nimmt, lässt sich dieses Argument
entkräften. Der lange, geschwungene Hals ist freilich verstörend.
Der Bericht vom Ausnehmen der Jungvögel aus den Nestern, um diese dann zu verzehren,
ist gut belegt. Erster Beleg ist ein Salzburger Rechnungsbuch (siehe Anfang 16. Jahrhundert),
weitere Salzburger Quellen finden sich 1524, 1532 und 1544. Ein Bericht zudem bei Gesner
(siehe bei 1555/1557).
Für weitere Auflagen, die immer denselben Holzschnitt nutzen, siehe bei 1586 und 1606.
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 519f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62;
Weinel, Untersuchungen, 2012, S. 14.
132
1550: Sebastian Münster, Cosmographei
Textquelle (Landesbeschreibung)
Sebastian Münster, Cosmographei (…), Basel 1550 (VD 16, M 6693 – Digitalisat)
Auf S. 410 wird im dritten Buch (von dem Teütschen
land) zum Kapitel „Von Steinhuenern und Fasanen (so
man in Wallis und gar nahe in dem gantzen Schweytzer
gebirg und hohen Alpen biß in Etschland findt)“ (in
späteren Auflagen Cap. LII) im Text ergänzt:
Item waldrappen ein gemein wildpret, am besten so er
noch jung auß dem nest kompt, ist ein grosser unnd
schwerer vogel, gantz schwartz, hat sein nest in den
hohen und onwegsamen felsen, allermeist nistet er in
den alten außgebrenten schloessern.
In der Erstausgabe der Cosmographia (Basel 1544:
VD 16, M 6689 – Digitalisat) des Sebastian Münster
(1488–1552) kommt zwar ein entsprechendes Kapitel
vor (S. 365), der Abschnitt über den Waldrapp fehlt aber
darinnen noch.
Ab der Ausgabe von 1550 wird dem Kapitel über die Vögel im Wallis der hier behandelte
Abschnitt zum Waldrapp beigefügt. Er beruht (leicht kürzend) auf Johannes Stumpf (siehe bei
1548).
Dem Kapitel wird nun auch eine Holzschnittillustration beigegeben, die jedoch bloß jene Vögel
abbildet, die schon bisher vorkamen, und die daher den neu im Text erwähnten Waldrapp nicht
zeigt. Der bei Stumpf vorhandene Waldrapp-Holzschnitt wurde nicht rezipiert. Bei der
Cosmographia handelt es sich demnach – trotz der Illustration – nicht um eine Text-Bild-Quelle.
Der Abschnitt über den Waldrapp ist dann Teil aller weiteren Auflagen.
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 519 (Anm. 2);
Anton Gattlen, Die Beschreibung des Landes Wallis in der Kosmographie Sebastian Münsters.
Deutsche Ausgaben von 1544–1550, in: S. 97–152, zum Waldrapp S. 146 (Edition).
133
1550: Fekete tar varjú
Textquelle (lexikalisch)
Fekete tar varjú (ungarisch) / Cornix nigricans (lateinisch)
Dieses Zitat und das Datum finden sich, wie Herman sagt, in Notizen von Aladár Ballagi, denen
die Quellenangaben fehlen.
Vielleicht handelt es sich bei Datum um einen Irrtum und die Angabe bezieht sich auf: Fabricius
Balázs, Nomenclatura seu dictionarium Latino-Ungaricum ..., Debrecen 1590 (siehe 1590). Zu
lexikalischen Quellen aus Ungarn siehe auch bei 1561.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48.
134
1553 Jänner 1: Instruktion an den Fischmeister Leonhard Peysser
Textquelle (archivalische)
Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Handschrift 935 (?):
Instruktion an den Fischmeister Leonhard Peysser
„Es soll auch unser Fischmeister daneben sein fleißiges Aufsehen haben, damit unsere
Klausraben gen Grätz auf den Feldern noch andernorts nicht geschossen oder beleidigt,
sondern gehegt, gezügelt und gehütet werden." (vorläufig nach Popelka zitiert, der eine
Instruktion von 1567 August 22 heranzieht).
Die Anweisung erwähnt den Waldrappen, der, wie gut bezeugt ist, in Graz einen Brutplatz hatte
(siehe bei 1504 März 16, 1528 Jänner 1).
Fournier, S. 114, berichtet, dass entsprechende Instruktionen ab 1506 existierten. Am 6.
November dieses Jahres bestellte Maximilian I. Caspar Curmann zum Fischmeister. Diese
Instruktion enthielt 13 Punkte, der Klausrabe wird nicht erwähnt. 1528 Februar 10 wird Thoman
Uebler als Ottenjäger und Fischmeister bestellt (Fournier, S. 115). Dort findet sich erstmals der
hier zitierte Abschnitt zur Schonung der Klausraben.
Dieser Abschnitt wird bei späteren Instruktionen immer wiederholt (siehe bei 1567 August 22).
Fournier gibt „Hs. 935“ als Standort der Instruktion von 1553 an. Wie Frau Elisabeth SchögglErnst (Mail vom 9. Februar 2022) mitteilt, befindet sich an dieser Stelle jedoch die
Originalausfertigung der Instruktion von 1555 November 28.
Dass es eine Instruktion für Leonhard Peysser gab, darf trotz des Fehlers bei Fournier als
gesichert gelten, denn Fournier macht ganz detaillierte Angaben zum Inhalt.
Der Standort der Instruktion für Peysser ist derzeit noch nicht festgestellt.
Fournier, Fischer, 1990, S. 116;
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64 (nur Instruktion von 1566 erwähnt);
135
1554 Juli 9: Ansuchen um Verleihung eines Wappens an Andreas Gigler
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, Wappenbuch I, fol. 28:
Ausgeschnittene Wappenminiatur aus dem Ansuchen um Verleihung eines Wappens an
Andreas (André) Gigler
Fritz Popelka hat das Wappen Giglers
in die Waldrapp-Forschung eingeführt
ohne den Aufbewahrungsort und die
genaue Beschaffenheit seiner Quellen
offenzulegen (Popelka, Klausraben,
1948/49, S. 65 – siehe ausführlich bei
1560 April 24).
Dank umfangreicher Recherchen und
der Hilfe von Franz-Stefan Seitschek
gelang es jene Quellenreste
festzustellen, die den Wappenbrief für
Andreas und Hans Gigler
dokumentieren.
Die Brüder Gigler bekamen mit einer in
Wien 1554 Juli 9 ausgestellten
Urkunde ein Wappen verliehen, wie
Frank, S. 91, verzeichnet. Freilich sind weder der Akt im Adelsarchiv – also die behördliche
Dokumentation jeder Wappenverleihung bzw. Standeserhöhung – noch der Wappenbrief selbst,
also die Originalurkunde, die an den Begünstigten ausgefolgt wurde, erhalten. Das Wappenbild
sei aber – wie Frank schreibt – aus dem Wappenbuch I, das die Reichskanzlei von 1540–1561
führte, indem sie Wappenbilder aus den Ansuchen ausschnitt und in das Buch klebte (Wien,
Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, Reichsadelsakten,
Reichskanzleiwappenbuch 1, 29), bekannt.
Die Überprüfung dieser Angaben erwies sich als schwierig, da Gigler bei Julius Kindler von
Knobloch, Josef Klemme, Das Reichs Canzelei Original Wappenbuch von MDXL bis MDLXI, in:
Jahrbuch der k. k. Heraldischen Gesellschaft „Adler“ NF 1 [Wien 1891], S. I–LX, nicht
verzeichnet ist. Allgemeine Informationen bei Wolfgang Kotz, Das Reichswappenbuch I, in:
Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchives 7 [1954], S. 219–221). Auch im Reichsregister
Karls V., Bd. 23: Standeserhöhungen und Wappenbriefe (1550–1554) ist eine Verleihung an
Gigler nicht enthalten.
136
Im Adelsarchiv ist der Akt, aus dem die Miniatur im Wappenbuch ausgeschnitten wurde, nicht
erhalten. Herr Seitschek fingierte im Zuge der Recherche elektronisch den Akt
(https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4871819), um – wie bei allen anderen
Fällen – das ausgeschnittene Wappenbild mit einem (in diesem Sonderfall freilich nur virtuellen)
Akt verknüpfen zu können. So konnte die Findbarkeit der erhaltenen Wappendarstellung
gewährleistet werden.
Die Wappendarstellung auf fol. 28r des Wappenbuches I ist von Texten begleitet:
Oberhalb des Wappens steht das Gesuch:
Andreas Gigler, Briester, Salzburger Bistum, Provisor der Pharr zue Grätz, bith die römisch
khuniglich Majestät etc., seinen allergnedigisten Herrn, aufs unnderththenigist ime unnd seinen
Gebruedern, Anndreen (gemeint ist wohl der Bittsteller selbst) und Hannsen den Giglern,
derselben Erben unnd Erbens Erben etc. dises Wappen und Clainet umb seiner vleissigen unnd
embsigen Diensnste wegen mit welchen er sich bei der Chur der Kirchen und Predigambt
brauchen lesst, taxfrey allergnedigist zu bewilligen. Will er sein lebennnlang sambt seinen
Gebruedern unnderthenigist zuvordiennen erfunden werden.
Rechts neben dem Wappen der Name in großer Schrift: Gigler
Links ist notiert:
Die römisch königliche Majestät bewilliget dem Supplicanten und seinen Brueder gnädiklich diss
Wappen doch ausserhalb der Taxfierung zue Wien den 9. Julii anno etc. 54.
Der Text links (ist bewillige[t …] dem lectzen […] zue Wienn […] in LII anno […] Stängl) gehört
zu einem anderen Gesuch und ist hier unerheblich.
Die Informationen sind durchaus reichhaltig, bemerkenswert ist jedoch, dass sich über das zu
verleihende Wappen keine Angaben finden. Ob daher, wie Popelka behauptet, ein Waldrapp
(Clausrapp) verliehen wurde, kann aus der Quelle nicht geschlossen werden. Dass der
Waldrapp (Steinrapp) jedoch tatsächlich als Wappenbild diente, belegt zum Beispiel die Familie
Staininger (siehe bei 1531 Oktober 12).
Zu Gigler, der in bemerkenswerter Weise zwischen den Konfessionen stand, vergleiche: Ein
Hammerschlag ... 500 Jahre evangelischer Glaube in der Steiermark, Graz 2017, S. 54f.
Dem Feldzeugleutnent Georg André Gigler wird 1660 Mai 24 der rittermäßige Adelsstand und
eine Wappenbesserung verliehen:
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4474516. Das Wappen zeigt im 2. und
3. Feld einen allgemein ähnlichen Vogel (fol. 11r / Abbildung nach Reichskanzleiwappenbuch).
Ob ein Zusammenhang mit dem Grazer Stadtpfarrer besteht, ist unklar. Bei dem hier
137
begünstigten Georg André Gigler könnte es sich um einen Nachkommen von Andreas Giglers
Bruder Hans handeln.
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4871819
138
1555/1557: Conrad Gesner, Liber avium / Vogelbůch
Bild- und Textquelle (ornithologische)
Conrad Gesner, Historiae animalium liber tertius qui est de avium natura, Zürich 1555 (VD
16, G 1730 – Digitalisat).
Conrad Gesner, Vogelbůch. Darin die art natur und eigenschafft aller voeglen sampt irer
waren contrafactur angezeigt wirt: allen Liebhaberen der künsten ... Zürich 1557 (VD 16,
G 1734 – Digitalisat)
Gesners Vogelbuch bietet einen inhaltsreichen und
illustrierten Eintrag zum Waldrapp. Die lateinische
Erstausgabe und die zwei Jahre später erschienene
deutsche Ausgabe, die denselben Holzschnitt
verwendet, werden im Folgenden parallelisiert, die
deutsche Variante immer eingerückt. Inhaltliche
Abweichungen werden durch Unterstreichungen
kenntlich gemacht.
S. 337: De corvo sylvatico.
Avis, cuius hic effigies habetur, a nostis nominatur
vulgo ein Waldrapp, id est corvus sylvaricus, quod
locis sylvosis, montanis et desertis degere soleat, ubi
in rupibus, aut turribus desertis nidifìcat, quare etiam
Steinrapp vocatur. Et alibi (in Bavaria et Stiria) ein
Claußrapp a petris seu rupibus et pylis (nam pylas,
id est angustias inter duos montes Germani Clausen
appellant, hoc est loca clausa) in quibus nidos struit.
Fol. 200r: Von dem Waldrappen. Corvus sylvaticus.
139
Der Vogel, welches figur hie verzeichnet
stadt, wirt von den unsern gmeinlich ein
Waldrapp genennt, darumb dass er inn
einoeden waelden wonet, da er dann in hohen
schrofen oder alten einoeden thürnen und
schloesseren nistet, <fol. 200v> dannenhaer
er auch ein Steinrapp genennt wirt. Und
anderswo in Bayeren und Steürmarck ein
KIaussrapp von den velsen und engen
klausen, darinn dann er sein naest macht.
Lotharingi, ut audio, Corneille de mer, id est
Cornix marina, quam et in iuglandibus aliquando
nidificare ferunt. Sed forte ea alia avis eft. Circa
lacum Verbanum Corvus marinus dicitur. Alibi in
Italia Corvus sylvaticus, ut in Istria circa
promontorium Polae, ubi homine per funem demisso per rupes nidis eximuntur et inter
mensarum delicias habentur. Ut apud nos quoque in montium quorundam rupibus, sic enim
Fabarias thermas repertas aiunt, cum auceps quidam per altissimas rupes propter has aves se
demisisset. Alibi in Italia Corvo spilato, id est corvus depilis, quoniam senescens calvescat.
Germanice quidam nuper conficto a se a sono vocis eius nomine Scheller vocabat.
In Lutringen und bei dem Paffyersee wirt er ein Meerrapp genennt. An andern orten ein
Waldrapp. Als in Italien: da er dann etwan von einem menschen, so an einem seil
hinabgelassen, aussgenommen und für einen schlaeck gehalten wirt. Wie er auch bei uns in
etlichen hohen schroffen bey dem bad Pfaefers gefunden wirt, da sich auch etliche weidleüt
hinab gelassen habend. Von seiner stimm wirt er auch ein Scheller geheissen.
Sunt qui Phalacrocoracem hanc avem interpretentur, quoniam et magnitudine et colore fere
corvum refert et calvescit, ut vidi, cum adultior est.
Etliche haltend den für den Phalacrocoracem, dann er von groesse und farb schier dem
rappen aehnlich ist. Er gwünt auch einen glatz in seinem alter, als ich gesehen hab.
Turnerus Aristotelis Corvum aquaticum et Plinii Phalacrocoracem et Corvum sylvaticum nostrum
avem unam esse arbitratur, tertium genus graculi. Corvus sylvacicus Helvetiorum, inquit, avis
est corpore longo et ciconia paulo minore, cruribus brevibus, sed crassis, rostro rutilo, parum
adunco (curvo) et sex pollices longo. Alba in capite macula et ea nuda, si bene memini. Quod si
palmipes esset et interdum nataret, indubitanter tertium graculorum genus esse adfirmarem.
Verum Iicet avem in manibus habuerim, an palmipes suerit, necne et calva, non bene memini,
sic ille. Sed cum nos certo sciamus, palmipedem non esse Corvum sylvaticum nostrum, non
140
poterit esse Corvus aquaticus Aristotelis, fed neque Plinii, qui (ut diximus) Phalacrocoracem, id
est Corvum calvum, eundem et aquaticum facit. Noster vero sylvaticus non est aquaticus, neque
in aquis degit, sed in pratis et locis palustribus victum sibi quaeritat. Iam cum Aristoteles tertium
graculi genus palmipes faciat, id quoque Corvus sylvaticus noster esse non potest.
Avis quam prius haematopodem esse putabam (inquit Bellonius) nunc potius ibin nigram esse
coniicio, cuius Herodotus et Aristoteles meminerunt.
Turnerus haltet den Wasserrappen Aristotelis und Phalacrocoracem Plinii unnd unseren
Waldrappen für einen vogel, aber nit recht, dieweyl er der selbigen voeglen beschreybung nit
aenlich ist. Dann er nit breitfuessig ist und darzuo kein wasservogel, sunder er suocht in
gruenen gaerten und massaechten orten sein narung.
Ea corporis mole avem a Gallis vulgo Corlis (arquatam maiorem nostram esse arbitror) dictam
refet, vel paulo minor est, tota nigra, capite phalacrocoracis, rostro iuxta caput plus quam
pollicari crassitudine, inflexo modice in arcum et in acutum desinente, rubicundo, qui crurum
etiam color est. Proceritas crurum ea fere quae in ardea <S. 338> stellari, colli longitudo quae in
ave quam Galli uocant Aigrette, ita ut primo visa a me haec avis atdeam stellarem quodammodo
referre videretur corporis fere specie. Haec ille in Gallico libro singularium observationum
suarum.
Corvo sylvatico nostro magnitudo est gallinae, color niger toto corpore, si eminus videas. Sìn
propius, ad solem praesertim, cum viridi permixtus videtur. Pedes fere ut gallinae, Iongiores
digiti fissi. Cauda non Jonga. A capite retro crista tendit. Haud scio an in omnibus aut semper.
Rosirum rubicundum, oblongum et aptum inseri angustis terrae, arborum et murorum aut
petrarum foraminibus, ut latitantia in eis insecta et vermes, quibus pascitur, extrahat. Crura
oblonga, obscure rubentia.
Unserer Waldrapp ist in der groesse einer Hennen, gantz schwartz gfarbt wenn du in von
weytnuss anschauwest. Besichst du aber in an der naehe, fürauss gegen der sonnen,
bedunckt er einen mit gruen vermischt seyn. Seine fuess sind auch garnach als der hennen,
lenger und zerspalten. Der schwantz ist nit lang und hat auff seinem kopff ein streüsslin
hinder sich gericht. Nit weiss ich ob diss an allen und allzeyt gesehen wirt. Der schnabel ist
rotlecht, lang unnd komlich im erdtrich zuo graben und in die engen klufften der mauren,
boeumen und velsen zuo stossen, damit er die verborgnen würmlin unnd kaeferlin haerauss
ziehe. Er hat lange tunckle rote bein.
Locustis, gryllis, pisciulis et ranunculis eos vesci audio.
Sy glaebend der hoeuwschraecken, gryllen, fischlinen und kleinen froeschlinen.
Ut plunmum nidificat in altis arcium destructarum muris, qui in Helveticis montium regionibus
frequentes sunt. In ventriculo dissecti aliquando praeter alia insecta, reperi plurima illa quae
141
radices frugum populantur, milii praesertim, Galli Curtillas vocant, nostri transversas (Twaern) a
pedum situ ut coniicio. Edunt et vermes e quibus scarabei a maio mense dicti nascuntur.
Merteils nistet er auff alten und hohen mauren der zerbrochnen schloesseren, welcher dann
im Schweytzerland seer vil gefunden werdend. Als ich diss vogels magen zerschnitten, hab
ich über andere unzifer auch vil deren thierlinen gefunden, so den wurtzen der früchten
schaden thuond, fürauss dem hirss, welche die unseren Twaeren <fol. 201r> nennend. Sy
aessend auch würm, darauss meyenkaefer werdend.
VoIant aItissime. Bina aut terna ova pariunt. Primae omnium, quod sciam, avolant circa initium
junii ni fallor. Pulli eorum diebus aliquot antequam volare possint nidis exempti, nutriri et facile
cicurari possunt, ita ut in agros evolent et subinde revertantur. Laudantur iidem pulli in cibis et in
deliciis etiam habentur, suavi carne ossibus mollibus.
Dise voegel fliegend seer hoch. Die legend zwey oder dreü eyer. Sy fliegend zum ersten
auss allen voeglen hinweg, on zweyfel umb den anfang dess brachmonats. Ire jungen
etliche tag vorhin ee dann sy fluck worden auss dem naest genommen, moegend leychtlich
auferzogen und gezaempt werden, also, dass sy in die aecker hinauss fliegend und schnaell
wiederumb heim kommend. Ire jungen werdend auch zur speyss gelobt und für einen
schlaeck gehalten, dann sy habend ein lieblich fleisch und weich gebein.
Qui e nidis eos auferunt, in singulis singulos relinquere solent, ut anno sequente libentius
redeant.
Corythus, Κόρυθος, avis est, una e genere trochilorum, Hesychius. Sunt autem trochili gallinae
sylvestres quaedam, pedibus longis, corpore gracili, cursu celeres, ut coniicio.
Die sy aber auss irem naest nemmend, die lassend in einem jetlichen eins ligen, damit sy
am nachgenden jar dester lieber widerkommend.
***
Conrad Gesner (Gessner) (Zürich 1516–1565 Zürich) ist zweifellos die Schlüsselgestalt, wenn
es um den Waldrapp geht. Wir schreiben seinen Namen mit einem „s“, so wie er es in seinem
Liber avium (und in allen Bänden seiner Historia animalium) auf den Titelblättern selbst vermerkt
(Link). Der Eintrag in der NDB (siehe unten) folgt dieser Ansetzung des Familiennamens (Link).
Seine Historia animalium erschien ab 1551 in Zürich und war als illustriertes Kompendium
angelegt (ausführlich dazu: Fischer, Conrad Gessner, 1966, S. 36–49), die Vögel bildeten den
dritten, 1555 publizierten Band. Dass der Waldrapp ein besonders interessantes Beispiel ist,
bemerkt auch Fischer, S. 44–46, der ihn in Ges(s)ners Lebensbild erwähnt und den
betreffenden Holzschnitt auf S. 46 abbildet. Dies wohl auch deswegen, da in diesem Fall –
142
anders als bei vielen anderen Tieren – zumindest einige der berichteten Informationen auf
eigener Naturbeobachtung beruhen könnten.
Bemerkenswert sind Gesners Informationen zum Verbreitungsgebiet des Waldrapps. Turner
(1544) und Stumpf (1548 – siehe jeweils dort) fokussieren auf die Schweiz. Auch Gesner lebt
dort – er nennt etwa Pfäfers als Ort, an dem vor langer Zeit ein mit Waldrappen verknüpftes
Ereignis geschehen sei (siehe bei um 1238 (Überlieferung nicht vor 1538)). Doch er nennt
bereits in Abschnitt über die verschiedenen Benennungen des Vogels auch andere Regionen. In
Bayern und der Steiermark werde der Vogel Klausrapp genannt. In Lothringen (was immer das
genau bezeichnen mag, jedenfalls ein Gebiet, in dem französisch gesprochen wird) werde das
Tier Corneille de mer (Cornix marina) genannt und beim Lago Maggiore (Paffysersee / Lacus
Verbanus) hingegen Meerrabe (Corvus marinus). In den Icones avium (ebenfalls 1555 – siehe
unten) werden für Italien auch noch die volkssprachlichen Bezeichnungen Corvo selvatico
(Waldrapp), Corvo spilato (Corvo depilis / Kahlrabe) und Corvo mariano nachgereicht. Auch
Pola (heute Kroatien) wird als Brutort genannt.
Bereits Valerius Cordus (siehe bei 1561 (recte wohl nicht nach 1544)) nennt Brutgebiete des
Steinrabens/Steindohle – so nennt Cordus den Vogel. Er führt das Donautal nicht weit von
Passau und oberhalb von Kehlheim an. In Gesners Text wird dieser Verweis in die 1585
erschienene posthume Ausgabe aufgenommen (VD 16, G 1731, S. 351).
Zum Ausnehmen der Nester siehe ausführlich bei 1548, dem Bericht von Stumpf, wo auch
ältere Quellen, die diesen Vorgang beschreiben, genannt werden.
Wichtig ist auch Gesners Verweis auf Pierre Belon (Petrus Bellonius – 1517–1564), denn
dieser beschreibt einen Ibis, dem Gesner eine Verwandtschaft zum Waldrapp attestiert, was der
heute gültigen ornithologischen Einordnung entspricht und auch für die Identifikation des in
Europa ausgestorbenen Waldrapp mit den bis heute überlebenden Populationen relevant ist. In
den Jahren 1547 bis 1549 reiste Bellonius durch Italien, Griechenland, die Mittelmeerinseln,
durch den Vorderen Orient und nach Ägypten. In seinen Les Observations de plusieurs
singularitez et choses memorables trouvées en Grece, Asie, Chaldée, Egypte, Arabie & autres
pays estrangers, Paris 1553 (Digitalisat), ist im 2. Buch, das Kapitel 32 der Description de
plusieus oiseaux & autres animaulx observez lelong du Nil gewidmet (S. 228–231), in dem er
ganz prominent den hier relevanten schwarzen Ibis (ibis noir) beschreibt.
Diese Verbindung behandelt Gesner auch im Abschnitt zum Ibis (S. 546–550 [lat.] bzw. fol.
159v–160r [dt.]). Die lateinische Fassung enthält einen Rückverweis auf Belon, in der deutschen
Ausgabe sagt Gesner jedoch: „wie auch der Waldrapp nit der schwartz Ibis seyn mag, ob er
gleych wol einen krumben schnabel hat, darumb dass er im in ubrigen stucken nit aenlich ist.“
143
Der Holzschnitt, den Gesner seinen Werken beigibt, zeigt einen Jungvogel, dessen Kopf noch
befiedert ist, der jedoch bereits Ansätze von Nackenfedern zeigt. Der Körperbau im
Allgemeinen, die teilweise befiederten Beine, die Zehen mit Krallen und der lange und dünne –
freilich bloß leicht gebogene – Schnabel sind zu nennen.
Gesners Holzschnitt, der den Waldrapp mit leicht geöffnetem Schnabel und mit einem
angehobenen Bein zeigt, wurde vorbildhaft. Zu nennen sind eine Randillustration im
angeblichen Gebetbuch der Philippine Welser (siehe bei wohl nach 1564), eine Buchillustration
in St. Gallen (siehe bei 1562), eine Miniatur von Joris Hoefnagel (siehe bei ca. 1575/80),
Rumpolts Kochbuch (1581), eine nachgetragene Randillustration (siehe bei 1590/1600) und
Aldrovandi (1603).
Gesner ist, wie berichtet, weder die erste Quelle, einen Text, der den Waldrapp (in welcher
Namensform auch immer) beschreibt und ein entsprechendes (oft nicht besonders
naturähnliches) Bild kombiniert (dazu siehe Wappenbriefe bei 1531 Oktober 12, 1536 Oktober 8
und 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31)), noch ist er die erste Quelle, die eine Text-/Bildbotschaft
mit ornithologischen Beobachtungen kombiniert. In diesem Fall ist als „Erfinder“ Stumpf zu
nennen (siehe bei 1548).
Die Akkuratesse des Holzschnitts und die Fülle der Informationen ist jedoch bei Gesner um so
vieles höher als bei seinen Vorläufern, sodass ihm der Ehrenplatz in der Waldrapp-Forschung
auch nicht durch die Tatsache verloren geht, dass er Vorläufer hatte.
Zu Conrad Gesner:
Der deutsche Text Gesners wird im Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der Schweizerdeutschen Sprache, Bd. 6 (1909), Sp. 1173, für das Lemma „Waldrap“ verwendet (dieser
auch bei Strohl, Waldrapp, 1917, S. 503f.);
Eduard K. Fueler, Gesner, Konrad, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Band 6 (1964), S.
342–345;
Fischer, Conrad Gessner, 1966, passim, zum Waldrapp S. 59f.
Gesner wird von nahezu allen Autoren, die sich dem Waldrapp widmen, erwähnt. Das
Verzeichnis der gekürzt zitierten Literatur ist daher als Bibliographie für Gesner zu verwenden.
Einzig Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 319f., ist wegen seiner fundierten Quellenkritik an
Gesners Behauptungen hier anzuführen.
Springer, De avium natura, 2007, passim, zum Waldrapp S. 149–151;
Springer, Kinzelbach, Vogelbuch, 2009 (2013), S. 12, 151–153 und 466;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62.
144
1555: Conrad Gesner, Icones avium
Bild- und Textquelle (lexikalische)
Conrad Gesner, Icones avium omium, quae in historia avium Conradi Gesneri
describuntur, cum nomenclaturis singulorum latinis, italicis, gallicis et germanicis
plerunque, percertos ordines digestae. Ritratti e le figure de gli ucelli. Les figures &
pourtraictz des oiseaux. Die Figuren und contrafacturen der voegeln, Zürich 1555 (VD 16,
G 1732 – Digitalisat)
In diesem Bild- und Namensauszug aus dem
Vogelbuch Gesners (siehe oben) wird der Holzschnitt
erneut abgedruckt und von einem auf die lexikalischen
Betreffe reduzierten Text begleitet.
S. 22: Corvus sylvaticus, Ibis nigra secundum
Bellonium, ni fallor. Italice: Corvo selvatico, Corvo
spilato, Corvo mariano. Lotharingis: Corneille de mer.
German.: Waldrapp, Steinrapp, Clausrapp
Fischer bezeichnet die Icones treffend als
„zoologisches Bilderbuch“, das verlegerisch den
jeweiligen Bänden des lateinischen Hauptwerks
Gesners nachgereicht wurde.
Fischer, Conrad Gessner, 1966, S. 59f.;
Weinel, Untersuchungen, 2012, S. 14.
145
1555 November 28: Instruktion an Eramus Ellender, Fischmeister in der
Steiermark
Textquelle
Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Hs. 935, und Innerösterreichische Kammer (IÖK),
chronologische Reihe, 174a, 80a:
Instruktion an Eramus Ellender, Fischmeister und Otterjäger in der Steiermark
„Es soll auch unser Fischmeister daneben sein fleißiges Aufsehen haben, damit unsere
Klausraben gen Grätz auf den Feldern noch andernorts nicht geschossen oder beleidigt,
sondern gehegt, gezügelt und gehütet werden." (vorläufig nach Popelka zitiert, der eine
Instruktion von 1567 August 22 heranzieht).
Das Dokument liegt im besiegelten Original (Hs. 935) und in einer Abschrift vor (174a, 80a
(alternativer Link). Dass Hs. 935 das Original dieser Instruktion darstellt, verdanke ich einem
Hinweis in einem Mail von Elisabeth Schöggl-Ernst vom 9. Februar 2022.
Fournier, S. 114, berichtet, dass entsprechende Instruktionen ab 1506 existierten. Am 6.
November dieses Jahres bestellte Maximilian I. Caspar Curmann zum Fischmeister. Diese
Instruktion enthielt 13 Punkte, der Klausrabe wird nicht erwähnt. 1528 Februar 10 wird Thoman
Uebler als Ottenjäger und Fischmeister bestellt (Fournier, S. 115). Dort findet sich erstmals der
hier zitierte Abschnitt zur Schonung der Klausraben.
Dieser Abschnitt wird bei späteren Instruktionen immer wiederholt (siehe bei 1567 August 22).
Fournier, Fischer, 1990, S. 116 (zur Abschrift).
146
1556: Johannes Frisius, Nomenclator latinogermanicus novus
Textquelle (lexikalische)
Johannes Frisius, Nomenclator latinogermanicus novus, Zürich 1556 (VD 16, F 3008 –
Digitalisat)
Auf S. 56 des von Johannes Fries (1505–1565)
zusammengestellten, nach Sachgebieten geordneten
Wörterbuches steht im Abschnitt über die Vögel nach
dem Wortpaar „Corvus – ein rapp“:
Corvus sylvaticus vel ibis nigra secundum Bellonium
– ein waldrapp.
Dass die Angaben von Conrad Gesner (siehe bei
1555/1557) so schnell in ein Wörterbuch Eingang
fanden, überrascht auf den ersten Blick. Schnell wird
freilich klar, dass Gesner in Zürich lebte, dem
Erscheinungsort des Nomenclator, und dass er auch
an diesem mitarbeitete, wie die Überschrift zum
entsprechenden Abschnitt (S. 55) belegt.
Ein wohl von diesem Eintrag abzuleitendes Wortpaar
bietet 1579 Theophilius Golius.
Das wenige Monate davor erschienene rein alphabetisch geordnete „Dictionarium
latinogermanicum“ (VD 16, F 3004), enthielt den Begriff noch nicht (vgl. S. 339). Auch im
ebenfalls in Zürich in demselben Jahr erschienenen „Novum dictionariolum puerorum
latinogermanicum, et e diverso germanicolatinum“ (VD 16, F 3008 – Digitalisat) fehlt der Corvus
sylvaticus / Waldrapp (vgl. S. 189 [lat./dt] bzw. S. 185 (rapp [dt./lat.]) bzw. S. 281.
Den Hinweis auf den Nomenclator verdanke ich Josef Feldner.
147
1557: Conrad Gesner, Vogelbůch
Bild und ornithologische Textquelle
Conrad Gesner, Vogelbůch
Die deutsche Ausgabe des Liber avium wird gemeinsam mit der lateinischen von 1555
behandelt (siehe bei 1555/1557).
148
1558 März 11: Verordnung des Salzburger Erzbischofs
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat Catenichl 19 (1557–1559)
Fol. 213rv: Mandat [von Michael von
Kuenburg, Erzbischof von Salzburg
(1554–1560)] von wegen der
Clausraben:
Wir Michael thuen mit disem unnserm
offen mandat khundt aller menigilich:
Nachdem dass schiessen aus püchsen
so in der stat allenthalben beschicht, vat
sorgelich unnd gefärlich, die kranckh
person unnd die schwenngern frauen
darob erschreckhen, auch die
Klaußraben von iren stännden gejagt
unnd vertrieben werden, daß wir ain
sonnders ungedigs misfallen tragen
ennach (?) so bevelchen unnd gebieten
wir hiemit ernnstlich unnd wollen, daß
sich hinfuran niemants, er sey geystlich,
weltlich, hofgesindt, burger oder
innwoner, hochs oder niders standts,
niemannts ausgenomen in der stat
Salzburg, es sey an was ort es wolle,
dasgleichn auch ausserhalben der stat
als am Munichperg unnd Rietenburg,
auch vil weniger in di wanndt des
Münichpergs auß püchsen zu schiessen
unnderstee, alles bei vermeidung
unnserer schwern straff unnd ungnad.
Dann wurd jemants solch gebot
verachten, darwider thuen unnd
hanndeln, (darauf wir dann unnser
sonnder guet aufsehen verordnet
haben) der soll von unns nach
ungnaden gestrafft werden. Darnach
149
wisse sich menigilich zu richten unnd vor schaden ze huetten. Geben in unnserer stat Salzburg
den ainlefften tag Martii anno etc. LVIII. Nota: Diser Mandade sein funffe geschriben und
angeschlagen werden.
(von anderer Hand beigefügt:) Nota den 20 Februarii anno -59 sein der Clausraben Mandats
funffe geschriben und dem Jäger Maister anzuschlagen zuegestelt worden.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1531, 1578 März 28 und 1584 April 10 sind
bekannt (siehe dort für weitere Informationen).
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25 (nur Hinweis);
Klein, Nachrichten, 1958, S. 62 (nur Hinweis).
Herzlichen Dank für das Übermitteln der Daten zu diesem Stück und die Bilder an Hubert
Schopf von Salzburger Landesarchiv.
150
nach 1555 und vor ca. 1560: Ornithologisches Tafelwerk
Bild- und Textquelle (ornithologische, lexikalische)
New York, Historical Society, 1889.10:
Ornithologisches Tafelwerk
Formatfüllend wird auf einem 23,3 x
21,3 cm großen Papierblatt ein
Vogel präsentiert (1889.10.1.1),
gemalt in deckenden Farben aber
ohne Hintergrund. Die Krallen seiner
Läufe sind auf einem bloß
gezeichneten, ganz unauffälligen
Grund positioniert.
Die Zeichnung wird durch
kalligraphisch höchst
anspruchsvolle Beschriftungen
komplettiert.
Zu sehen ist ein nach links im Profil
dargestelltes Tier mit ganz
unregelmäßigem Umriss. Der leicht
geöffnete, rote, lange und leicht gebogene Schnabel ragt am weitesten nach links. Der kleine
heller orange, stark differenziert dargestellte Kopf ist ganz unbefiedert. Die Farbe der Iris
entspricht jener des Schnabels. Das Federkleid schließt, in deutlichem Kontrast zur „Nacktheit“
des Kopfes, mit feinen, aufgebogenen Federn auf dem Hinterkopf an, die einen ganz
„zerzausten“ Umriss verursachen. Der Hals wird von kurzen Federn bedeckt, während der
kompakte Körper und vor allem die Flügel durch Rotanteile das Schimmern des Gefieders
vermitteln wollen. Die Federn des Körpers und der Flügel enden rechts auf beinahe derselben
Höhe jeweils fast an der vertikalen Blattkante. Unten schließen die zuerst noch gefiederten
Läufe an, die dann aber in die durchaus prominent ins Bild gesetzten schmutzig roten unteren
Extremitäten übergehen, die mit sehr differenzierten malerischen Mitteln gestaltet werden.
Die originalen Beschriftungen beginnen rechts des Kopfes mit der Benennung des abgebildeten
Vogels in Griechisch, Lateinisch und Französisch (zwei Varianten):
Φαλακροκόραχ [Phalacrocorax] – Corvus calvus – Corbeau galeran – Corbeau voiran.
Dann folgen Verse, die abschließend B(enoît) Textor zugeschrieben werden:
151
Cristatus, rosto non barvo (?), tum subadunco / Est rosto rubro crure. Phalacrocorax – Der erste
Buchstabe des vierten Wortes ist nicht eindeutig. Vom inhaltlichen Verständnis ist wohl „parvo“
(klein) zu lesen.
De eodem.
Est iucunda caro, rubrum tibi grandeque rostrum / Est postica tibi crista Phalacrocorax
De eodem.
Non natat, est fidipes, sectatur prata, paludes, / Est natus vermes esse Phalacrocorax.
L’autheur. B. Textor.
Der zweite Teil der Beschriftung füllt die Fläche links neben den Läufen.
De eodem.
Nonne Phalacrocorax Graecis est dicta volucris / Qui corvus calvus vertitur a latiis?
De eodem.
Pro quo est hydrocorax nonullis sumpta volucris, / Praeditus es suavi carne Phalacrocorax.
L’autheur. B. Textor.
Abschließend werden der Maler und der Schreiber genannt:
Le peintre. Pierre Vase, alias Cruche.
L’escrivain. Thomas Huilier.
Offensichtlich von einer anderen, wohl (etwas späteren) Hand wurde oben mittig eine Zählung in
hellerer Tinte ergänzt: 1a.
Die Beschriftung nennt drei an der Herstellung des Kunstwerks beteiligte: Die Verse, die den
Waldrapp zum Inhalt haben, werden Benoît Textor (ca. 1525–1565), der aus der Gegend von
Lyon stammte, zugeordnet. Er war Arzt und Ornithologe und lebte ab 1542 in Neuchâtel und ab
1543 in Genf (für eine Erstinformation siehe:
https://fr.wikipedia.org/wiki/Beno%C3%AEt_Textor).
Am Ende des zweiten Textabschnitts werden zuerst der Maler und dann der Schreiber genannt.
Der Maler, Pierre Vase, alias Cruche, das ist Pierre Eskrich (Paris 1518 oder 1520–nach 1590
Lyon), entstammt der aus Freiburg im Breisgau stammenden Familie „Krug“ und lebte bis 1544
in Paris, ab 1548 in Lyon, dann ab 1552 vielfach in Genf, ab 1564 vor allem wieder in Lyon. Er
war auch dichterisch tätig und verwendete auch „Vase“ bzw. „Cruche“ als Namen. 1569 scheint
sich Eskrich eindeutig auf die Seite der Katholiken gestellt zu haben.
Eskrich hat auch Holzschnitt-Alphabet mit Vogeldarstellungen für Guillaume Rouillée in Lyon
hergestellt, das sich in drucken von 1554 bis 1559 nachweisen lässt: Histoire d’Herodian, Lyon,
G. Rouillé, 1554 (Digitalisat), foll. IIr, IVr, in Guillaume du Choul, Discours sur la castramétation,
Lyon, G. Rouillé, 1555 (Digitalisat), foll. 2r, 4r, in den beiggebunden Des Bains et antiquites
exercitations greques et romaines (Digitalisat), foll. 2r, 3r, und in seinen Discours sur la religion
152
des anciens Romains, Lyon, G. Rouillé, 1556 (Digitalisat), foll. 3r, 5r, sowie in Andrea Tiraquelli,
Tractatus, Lyon, Guillaumr Rouillé, 1559, S. 3, 109, 219, 221, 345, 347, 349.
Für eine Erstinformation über Eskrich siehe https://fr.wikipedia.org/wiki/Pierre_Eskrich, für eine
umfassende biographisch Darstellung siehe Frank Lestringant, Pierre Eskrich, der Künstler der
Mappe-Monde, in: Derselbe, Die Mappe-Monde Nouvelle Papistique, Berlin 2019, S. 57–78.
Thomas Huilier, über den bisher nichts Weiteres festgestellt werden konnte, nennt sich als
Schreiber. Dabei handelt es sich um das einzige Ego-Zeugnis, denn Maler und Dichter werden
ja bloß von Huillier als Ausführende benannt. Ob Huillier vielleicht auch die graphischen
Landschaftsandeutungen zu verantworten hat, wäre auf Grund der identischen Tintenfarbe von
Zeichnung und Schrift zu überlegen.
Der Eintrag bietet einige lexikalische Probleme. Der griechische Begriff für Kahlrabe wurde
später mit dem Kormoran verbunden. Die lateinische Bezeichnung „Corvus calvus“ stellt zwar,
wie bei Gesner, eine Beziehung zu Raben her, statt des (durchaus problematischen) Adjektivs
„sylvaticus“ wird hier, aus dem Griechischen abgeleitet, auf die Kahlheit Bezug genommen.
„Galeran“ scheint eine Bezeichnung für einen speziellen Rotton zu sein. Corbeau galeran wird
zumeist mit Ibis à tete rouge übertragen. Dass der Begriff etymologisch aus dem deutschen
„walh“ (fremd) und „hramm“ (Rabe) bestehen soll, bedarf weiterer Klärung.
Zur Sammlung
Als erste Illustration im ersten Band des vierbändigen Tafelwerks, findet sich die beschriebene
Illustration des Waldrapps
(1889.10.1.1). Nicht alle
Illustrationen, die alle fliegenden
Tieren gewidmet sind, stammen
aus derselben „Serie“. 65 Blätter
sind sowohl von der Anlage der
Illustration als auch der
Textbotschaft der ursprünglichen
Serie zuzuordnen, die Olson und
Mazzitelli als „first avian project“
benennen. Dieser „Grundstock“
zeigt, so wie der Waldrapp,
Beschriftungen in
kalligraphischer Qualität, die
unten jeweils (wie am hier
behandelten Blatt) den
153
Schreiber Thomas Huilier und den jeweils verantwortlichen Maler, hier Pierre Vase alias Cruche,
nennen.
Einige Blätter in zwei eng mit der New Yorker Sammlung verbundenen Bänden in Paris (siehe
bei um 1560) sind ähnlich beschriftet (vgl. Olson, Mazzitelli, S. 468) und verbinden die Pariser
Bände mit der ersten Phase, während der Pariser Hauptbestand einen Neuansatz bildet, der
stark mit Jacques Dalechamps verbunden ist. Bei einer Vogeldarstellung (Ms. lat. 11.858, fol.
167r) nehmen Olsen, Mazitelli, S. 470f. mit Fig. 52, sehr zu Recht an, dass sie von derselben
Hand wie der Waldrapp, also jener des Pierre Eskrich, stammt, wodurch die Verbindungen
nochmals verstärkt werden.
Das Tafelwerk, das sich heute in New York befindet, wurde 1889 der Historical Society von
Nathaniel H. Bishop geschenkt. Zur älteren Provenienz siehe den Eintrag in der
Sammlungsdatenbank.
Zur Datierung der Sammlung
2007 haben Olson und Mazzitelli, S. 462, den Grundstock nach Genf verortet und zwischen
1552 (Eskrichs Ankunft in Genf) und 1568 datiert. 2019 folgt Lestringant, S. 69, dieser
Einschätzung. Aber bereits 2015 hatte Olson ihre Meinung geändert – wenn ich recht sehe ohne
näherer Begründung – und lokalisiert die Sammlung nun nach Lyon und datiert sehr früh „vers
1548–1555“ (Olson, 2015, S. 88). Der Online-Katalog der New Yorker Sammlung datiert,
ebenfalls ohne nähere Begründung „ca. 1554–1564“.
Dass Eskrich in den fraglichen Jahren im Auftrag von Jacques Dalechamp auf der Suche nach
Vögeln durch den Jura reiste, belegen (undatierte) Briefe von Robert Constantin (zu ihn siehe
bei 1573) an Dalechamp (Lestringant, S. 70, und Olson, Mazzitelli, S. 456f. – Paris, BnF, Ms.
lat. 13.063, foll. 271r, 292r, 295r). Dass er dort auch einen Waldrapp tatsächlich sah, ist
durchaus glaubhaft.
Die Verse auf dem Waldrapp-Blatt und auf allen Blättern, die Text enthalten, den Thomas Huilier
„signierte“, werden Benoît Textor zugeordnet. Die Verse sind mit dem jeweiligen Bildgegenstand
eng verknüpft. Man kann – mit Vorbehalt – Benoît Textors Todesjahr (1565) als Terminus non
post quem für das Blatt mit dem Waldrapp vermuten und damit wohl auch für den gesamten
Grundstock. Eskrichs religiöse Positionierung 1569 (siehe oben) könnte ein weiterer Hinweis für
den Abbruch des Projekts sein.
Die Datierung lässt sich aber weiter präzisieren. Mir erscheint eine Zeitspanne, die ein
Zusammenwirken von Benoît Textor (gest. 1565) und Eskrich (ab 1548 in Lyon, ab 1552 [oft] in
Genf), inklusive der belegten Jura-Reise, ermöglicht, als Datierung am wahrscheinlichsten.
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass in den originalen Beschriftungen Gesner genannt wird: Auf
Tafel 1889.10.1.52 ist vermerkt … vel merula aquatica Gesnero. Das bezieht sich, wie mir
154
scheint, nicht bloß auf einen wissenschaftlichen Austausch zu diesem Vogel, sondern setzt
Gesners Liber avium von 1555 (siehe bei 1555/1557) voraus (S. 584f. mit Illustration). Das Blatt,
und damit auch der hier behandelte Grundbestand, können demnach nicht vor 1555 entstanden
sein.
Dasselbe kann man auch mit Pierre Belon durchspielen. Der lexikalische Teil der Beschriftung
von Tafel 1889.10.3.1 endet mit: Bellonio gerfaut. Dies bezieht sich auf dessen L’histoire de la
nature des oyseaux (…), Paris 1555 (Digitalisat), S. 94f. (mit Illustration). Bei Belon stimmen
auch die Benennungen weitgehend überein, die Bilder haben freilich, wie bei Gesner, keine
spezifischen (kopialen) Übereinstimmungen.
Es gibt einen Briefwechsel zwischen Dalechamps und Gesner, wobei alle vorhandenen Daten
auf die Jahre 1560 und 1561 verweisen (Olson, Mazzitelli, S. 457). Auf S. 454 nennen die
beiden auch Briefe zwischen Dalechamps und Claude Textor aus denselben beiden Jahren
(Paris, BnF, Ms. lat. 13.063, foll. 184r–187v) und vermuten zudem, dass spätere Beschriftungen
von Claude Textor eigenhändig hinzugefügt wurden. Diese Wiederaufnahme des Projekts wäre
demnach ab 1560 anzusetzen. Folglich muss die erste Phase, jene mit den Beschriftungen in
Huiliers Hand, vor ca. 1560 anzusetzen sein.
So ergibt sich für den hier relevanten Grundstock eine recht präzise Datierung zwischen nach
1555 und vor ca. 1560. Der ursprüngliche Plan, ein „Bilderbuch“ mit lexikalischen Angaben und
mit entsprechenden Versen, mag aufgegeben worden sein, als Gesners Werk erschien, wobei
vom Charakter vor allem dessen Icones avium (siehe bei 1555) als Dopplung zum eigenen Tun
verstanden worden sein mögen.
Im Grundstock gibt es sonst keine offensichtlichen Berührungspunkte mit Gesners
Publikationen, weder bei den Benennungen (vor allem die lateinischen kommen in beiden
Quellen vor), noch bei den Illustrationen. Als man sich um 1560 entschloss, das Projekt
fortzusetzen, sind hingegen deutliche Berührungspunkte zu beobachten. Dasselbe gilt (in
geringerem Maße) auch für Belon, dessen Vogelbuch ebenfalls 1555 veröffentlich wurde
(jeweils Olson, Mazzitelli, S. 446–452, mit den entsprechenden Belegen).
Zur Stellung der New Yorker Illustration im Vergleich zu anderen Waldrapp-Darstellungen
Die hier behandelte Darstellung eines Waldrapps ist nicht die älteste aber vielleicht die älteste,
die offensichtlich ornithologisches Sammeln und den Wunsch nach großer Naturnähe bei der
Darstellung glaubhaft verbindet. Die Illustration bei Stumpf (1548) wird diesem Anspruch
jedenfalls noch nicht gerecht. Der Holzschnitt bei Gesner (1555/1557) wird diesem Anspruch
hingegen schon gerecht. Wenn man die beiden Darstellungen vergleicht, stellt man viele
Parallelen fest. Etwa den leicht geöffneten Schnabel und der grundsätzliche Körperbau. Gesner
zeigt einen Jungvogel, der Hals ist deutlich länger. Durch die Möglichkeiten der Farbe ist die
155
hier behandelte Illustration Gesner jedoch deutlich überlegen, auch weil ein adulter Vogel mehr
Charakteristika zeigt als das Jungtier.
Sowohl was die malerische Qualität als auch was den Anspruch auf Naturwiedergabe betrifft ist
eigentlich bloß das Blatt im Museum Kaiser Rudolfs II. vergleichbar (siehe bei 1577–1612). Die
beiden Tafeln verbindet auch die Formgelegenheit: bei beiden handelt es sich um Tafelwerke,
die zu Sammelndes abbilden.
Die hier vorgestellte Illustration des Waldrapps ist Teil eines Parallelprojekts zu den Icones
avium von Conrad Gesner.
Sammlungsdatenbank: https://emuseum.nyhistory.org/collections/93105/rare-watercolors-ofeuropean-birds-15401590/objects
Audubon's Aviary, New-York Historical Society, March 16–May 7, 2006 (das Blatt mit dem
Waldrapp war ausgestellt);
Olson, Mazzitelli, Discovery, 2007, S. 435–521.
Roberta J.M. Olson, Drawn by New York: Six Centuries of Watercolors and Drawings at the Nes
York Historical Society, September 19, 2008–January 19, 2009, New York 2008;
Vanessa Selbach, Artisan ou artiste? La carrière de Pierre Eskrich, brodeur, peintre et graveur,
dans les milieux humanistes de Lyon et Genève (ca 1550–1580), in: Chrétiens et Societés
2011, numéro special 1, S. 37–55 (zum „Vogelprojekt“ Seelbach, Absatz 26–28 – die Tafel
mit dem Waldrapp als Illustration 4);
Roberta J.M. Olson, Dessins ornithologique, in: Lyon Renaissance: Art et Humanisme,
Ausstellungskatalog Lyon, Musée des Beaux-Arts, Paris 2015, S. 77–90 (im Druck S. 88–
97);
Roberta J. M. Olson, Les dessins d'oiseaux de Pierre Eskrich et Cie et la question des
échanges entre Genève et Lyon, in: Arts et Humanisme Lyon Renaissance, Musée des
Beaux-Arts de Lyon October 23, 2015–January 25, 2016, Lyon 2015, S. 88–97, 120–129.
Big Bird: Looking for Lifesize, New-York Historical Society, April 7–June 11, 2017 (das Blatt mit
dem Waldrapp war ausgestellt);
Frank Lestringant, Die Mappe-Monde Nouvelle Papistique, Berlin 2019, S. 69f.
Pierre Eskirch [sic!], maître brodeur et tailleur d’histoires (1520–1590):
https://textoriana.blogspot.com/2020/12/pierre-eskirch-maitre-brodeur-et.html (2020 Dezember 8
von „Textor“)
156
um 1560: Jacques Dalechamps, Des oyseaux
Bildquelle
Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. lat. 11.858, und Ms. lat. 11.859:
Jacques Dalechamps, Des oyseaux
Baudouin Van den Abeele hat zwei Tafelbände in
Paris publiziert, die eng mit der bedeutenden
Sammlung von Vogelbildern in New York
verbunden sind (zu dieser siehe bei nach 1555 und
vor ca. 1560).
Der Titel „Le livre des oyseaux faict par Jaques
Dalechamps medecin du roy“ (zit. nach Van den
Abeele, S. 15) steht zu Beginn des ersten Bandes.
Bei dem Titel handelt es sich freilich um eine
spätere Zuschreibung. Van den Abeele, S. 16,
verweist jedoch auf Notizen auf den Tafeln, die der
Handschrift Dalechamps zumindest sehr ähnlich
sind.
Der Waldrapp ist in beiden Bänden abgebildet: Ms.
lat. 18.858, fol. 120r, und Ms. lat. 18.859, fol. 222r
(Van der Abeele, S. 33).
Die Darstellung des Waldrapps ist jedoch nicht mit jener in New York zu vergleichen. Einerseits
ist die malerische Qualität bescheidener, andererseits handelt es sich um eine ganz
unabhängige Naturstudie, die aber, zweifelsfrei, ebenfalls einen Waldrapp zeigt. Die Darstellung
ist am ehesten mit jener aus dem Gothaer Vogelbuch zu vergleichen (siehe bei 1603–1662
(wohl um 1632/33)).
Die entscheidende Frage ist, in welcher Abfolge die Illustrationen bei Gesner (siehe bei
1555/1557), in New York und hier in Paris stehen.
In Ms. lat. 18.858 finden sich, wie Olson und Mazzitelli, S. 468, berichten, einzelne Tafeln, die
datiert sind: 1559 (8 Mal), 1560 und 1561 (sogar mit einem Tagesdatum); zwei Tafeln tragen
spätere Daten: 1569 und 1581 (vgl. auch Van den Abeele, S. 42f.). Für die Beurteilung ist
entscheidend, dass die Bände – weder jene in New York noch jene in Paris – ein homogenes
Ganzes darstellen, sondern unterschiedliche, jedoch eng verbundene Gruppen vereinen.
Die Illustrationen des ersten Pariser Bandes werden im zweiten häufig wiederholt (Van den
Abeele, S. 20, 29).
157
Vielfach wird auf Pierre Belon Bezug genommen, wodurch das Erscheinen seiner „L’histoire de
la nature des oyseaux“ (Paris 1555 – Digitalisat) einen Terminus post quem zumindest für viele
Beschriftungen ergibt (bei Belon kommt der Waldrapp freilcih nicht vor). In zwei Fällen dienten
die Illustrationen bei Belon auch als Vorlage für die Tafeln (Van den Abeele, S. 24f.). Ähnliches
gilt auch für Gesners Werk (ibidem, S. 26). Baudoiun Van den Abeele, S. 42f., datiert die
Hauptarbeitsphase an den beiden Bänden in Paris daher glaubwürdig um 1560.
Der Dialekt der Beischriften deutet, wie Van den Abeele, S. 16, berichtet auf Lyon, was die
Verbindung zu Dalechamps, der ab 1550 in Lyon ansässig war, weiter absichert. 1626 wurden
die beiden Bände in Lyon erworben (Van den Abeele, S. 15).
Pierre Jacquet, Les botanistes lyonnais du XVIème siecle, in: Publications de la Societé
Linnéenne de Lyon, Suppl 65-5 [1996], S. 1–70, bes. S. 21;
Baudouin Van den Abeele, Les Albums ornithologiques de Jacques Dalechamps, médecin et
naturaliste à Lyon (1513–1588), in: Archives Internationals d'Histoire des Sciences 52
(2002), S. 3–45, bes. ab. S. 9;
Olson, Mazzitelli, Discovery, 2007, S. 435–521, bes. S. 466–475.
Roberta J.M. Olson, Cat. 87: Artiste anonyme: Tichodrome échelette (Tichodroma muraria), in:
Lyon Renaissance: Art et Humanisme, Ausstellungskatalog Lyon, Musée des Beaux-Arts,
Paris 2015, S. 76 (im Druck S. 120f.: Olson datiert Ms. lat. 11.859 „après 1555–1556“)
158
1560 April 24: Wappensiegel des Andreas Gigler
Bildquelle (Siegel)
Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Allgemeine Urkundenreihe (AUR), 1560-IV-24:
Wappensiegel des des Grazer Stadtpfarrers Andreas (André) Gigler
Fritz Popelka führt das Wappen
Giglers in die WaldrappForschung ein und nennt eine
Urkunde von 1560 ohne deren
Aufbewahrungsort zu verraten.
Als Wappenbild (des Siegels)
beschreibt er: „einen
aufrechtstehenden, nach
(heraldisch) rechts gewendeten
Klausraben mit ausgespreizten
Flügeln. Die langen dünnen
Beine und der Schopf sind in der
Wappendarstellung gut
erkennbar.“
Peter Wiesflecker, Graz, Steiermärkisches Landesarchiv (Mail vom 22. Dezember 2020), teilt
mit, dass sich im Archiv kein Wappenbrief für Gigler befindet (so meine Anfrage). Er verweist
jedoch darauf, dass die Urkunde AUR 1560-IV-24, mit der Andreas (André) Gigler dem Georg
von Herberstein einen Acker vor dem Paulustor in Graz zur Nutzung auf 20 Jahre überlässt, mit
drei (heute abgefallenen, jedoch erhaltenen) Siegeln gesiegelt wurde. Darunter befinde sich
auch ein Siegel Giglers. Die Umschrift lautet: S(igillum) Andre Gigler 15 55. Es ist ein Vogel mit
ausgebreiteten Flügeln dargestellt, der Schnabel ist kurz und gerade, am Hinterkopf befindet
sich ein Federschopf.
Wiesflecker vermutet wohl zu Recht, dass sich Popelka auf dieses Stück bezogen hat. Das
Siegelbild wurde 2016 von Simon reproduziert (siehe Abbildung). 2020 sei es nach den
Angaben Wiesfleckers auf Grund seines Erhaltungszustandes bzw. der Verunreinigung nur
noch schwer zu erkennen, weise jedoch auf einen „Raben“ hin.
Ludwig Freidinger kommt zu demselben Ergebnis wie Wiesflecker und bildet (in
Nachzeichnung) das Siegel ab und bezeichnet den dargestellten Vogel als Kiebitz.
Bernhard Gönner, für dessen fachkundige Expertise ich mich herzlich bedanke, beurteilt die
Darstellung als „wenig überzeugend“. Für einen Waldrapp ist der Schnabel zu kurz und zu
159
gerade. Für den Waldrapp können jedoch die Nackenfedern ins Feld geführt werden. Gigler
wirkte an einem Ort, an dem nachweislich Waldrappe lebten. Es wäre also vorstellbar, dass ihm
als Wappentier ein solcher verliehen wurde, wie dies bei den Gebrüdern Staininger aus Braunau
am Inn tatsächlich geschah (dort als Steinrabe bezeichnet – siehe bei 1531 Oktober 12).
Sicherheit sei freilich erst möglich, wenn der Wappenbrief (oder ein Registereintrag zu diesem)
auftauche. Als reine Bildquelle hat die Darstellung keinen ornithologischen Wert.
Nachforschungen haben ein Ansuchen für einen Wappenbrief ans Tageslicht gebracht (siehe
bei 1554 Juli 9), welches freilich keine Benennung des verliehenen Wappenbildes enthält.
Genau die benötigte Klarstellung kann die Quelle nicht bieten. Popelkas Behauptungen
erweisen sich daher als unbegründet. Der von ihm unbegründeter Weise als „Klausrabe“
bezeichnete Vogel, bleibt namenlos, das Bild reicht für eine Bestimmung, wie Bernhard Gönner,
feststellt, nicht aus.
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 65 (Ich bedanke mich sehr herzlich bei Silke Sladek von der
auch heute noch bestehenden Zeitschrift „Der Anblick“ für die Anfertigung einer
Reproduktion des Artikels von Fritz Popelka.);
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86;
Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 2, S. 91;
Hable, Waldrapp, 1983, S. 3–5. <noch ungeprüft>;
Hable, Waldrapp, 1994, S. 114f.;
Ludwig Freidinger, Die Stadtpfarrer von Graz – ihre Siegel und Wappen vom Mittelalter bis ins
18. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 31 (Graz 2001), S. 79–135,
bes. S. 100f. (ich danke Peter Laukhardt für den Hinweis auf diese Publikation).
Simon, Beobachtungen, 2016, S. 42f.
160
1561 (recte wohl nicht nach 1544): Valerius Cordus, Annotationes
Textquelle (ornithologische)
Valerius Cordus, Annotationes in Pedacii Dioscoridis (...) Sylva qua rerum fossilium in
Germania plurimarum metallorum lapidum & stirpium aliquot rariorum notitiam
brevissime persequitur nunquam hactenus visa (...), Hg. Conrad Gesner, Straßburg 1561
(VD 16, C 5109 – Digitalisat)
Der Sammelband mit Werken des Cordus enthält auf
foll. 217r–224v eine als Sylva observationum variarum
benanntes Werk, auf dessen vorletzter Seite fol. 224r
sich Berichte zu Brutgebiete von Steinraben finden:
Steynraben, corvi sunt in rupium et petrarum cavernis
viventes, vita illis ad Danubium in utraque ripa
ubicunque saxa et rupes attolluntur: ut non procul a
Passavio et supra Kelheymium in petraeis faucibus.
Expetuntur regum venationibus et mensis.
Als gedruckte Randnotiz (von Gesner) ist dem Druck
beigefügt:
Pyrgocorax. Item Brisaci apud sanctam Mariam de
Lapide prope Basileam.
Als nächstes Lemma folgt:
Steyndolen, monedulae sunt in petrarum cavernis
agentes, reliquis monedulis multo minores. Frequentes autem sunt supra Kelheymium in petreis
faucibus, utraque Danubii ripa.
Übersetzung (Schenker, 1975):
Steynraben sind Raben, welche in Höhlen von Felswänden und Steinen leben; sie leben bei der
Donau an beiden Ufern überall wo sich Felsen und Felsklüfte erheben: wie zum Beispiel nicht
weit von Passau und oberhalb von Kehlheim in felsigen Schluchten. Sie sind begehrt bei den
Jagden der Könige und an ihren Tischen.
Randnotiz: Pyrgocorax [Turmrabe]. Ebenso in Breisach (und) bei der Heiligen Maria vom
Stein in der Nähe von Basel.
Steyndolen sind Dohlen, welche in Felshöhlen leben: gegenüber den übrigen Dohlen sind sie
bedeutend kleiner: sie sind aber häufig oberhalb von Kelheim in felsigen Schluchten, an beiden
Ufern der Donau.
161
Valerius Cordus starb bereits 1544. Strohl, S. 514–516, macht glaubhaft, dass die Angaben des
Stammtextes (Sylva observationum variarum), der lose Reisebeobachtungen umfasse,
jedenfalls von Cordus stammen würden. Wohl erst 1559 gelangten Cordus’ Schriften in Gesners
Hände, der nach Stohl für den Druck die Randnotiz hinzugefügt habe.
Die Angaben sind im Grunde für sich genommen kaum aussagekräftig. Erst das Wissen, dass in
Bayern und im angrenzenden Oberösterreich der Begriff „Steinrabe“ (siehe bei 1441, 1471 in
Baumburger Quellen; 1531 Oktober 12 in einem Wappenbrief für einen Bürger aus Braunau am
Inn und 1536 Oktober 8 und 1545 Juli 31 (nicht 1549 Juli 31) in weiteren Wappenbriefen) für
den Waldrapp üblich ist, und ein von Gesner hinzugefügter Verweis, der wiederspiegelt, dass
Gesner die Angaben des Cordus’ auf den Waldrapp bezieht, ermöglichen die Einordnung. Der
Verweis auf Passau und Kehlheim kommt bei Gesners eigenem Werk (siehe bei 1555/1557) zu
seinen Lebzeiten (gest. 1565) nicht vor, er wurde erst 1585 in die posthume Frankfurter
Ausgabe aufgenommen (VD 16, G 1731, S. 351; vgl. dazu auch Schenker, 1977, S. 15).
Cordus liefert keinerlei Angaben zum Aussehen und keine Möglichkeit den Vogel von der im
folgenden Lemma behandelten Steindohle zu unterscheiden.
Die von Gesner am Rand ergänzten geographischen Angaben sind problematisch. Schenker
argumentiert, dass Breisach und Mariastein (bei Basel) nicht denselben Ort meinen können,
sondern zwei distinkte (im Druck sei ein Satzzeichen ausgefallen). Die Identifizierung mit (dem
Tal der) Birsig, was geographisch möglich wäre, lehnt er ab.
Zu Mariastern vergleiche als Erstinformation https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Mariastein.
Das dort später bestehende Kloster existierte freilich im 16. Jahrhundert noch nicht. Gesner
bezieht sich wohl auf eine spätmittelalterliche Wallfahrt, die später wiederbelebt wurde
(Schenker, 1977, S. 15).
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 542f.;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 514–516;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 31f.;
Schenker, Breisach, 1975, S. 40f.;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65.
162
1561: Jagdrechte in der Herrschaft in St. Jakob am Thurn
Textquelle (archivalische)
Salzburger Landesarchiv, Archiv Plaz. Urbar III 50:
Jagdrechte in der Herrschaft in St. Jakob am Thurn
Die Quelle legt die Jagdrechte
der Herren von Thurn auf ihrem
Besitz (St. Jakob am Thurn)
fest.
Zum Waldrapp wird bestimmt:
Mer ruegen (= festhalten) wir
den Herrn vom Thuern auf irn
gruntten als (= alles) Federspill
(= Falkenbeitze) unnd
Claußraben mugen sy fahen (=
fangen) lassen.
Das Fangen der Waldrappe (Klausraben) war 1561 offenbar so wichtig, dass es Eingang in
diese Jagdrechte fand. Bezeichnend auch, dass es mit der Falkenbeize in einem Absatz
abgehandelt wird.
Für weitere Angaben siehe auch bei 1608 Oktober 1.
Klein, Nachrichten, 1958, S, 64;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
Ich danke Hubert Schopf, dem Leiter des Salzburger Landesarchivs, sehr herzlich für seine
Unterstützung bei der Interpretation dieser Quelle.
163
1561: Peter Mèlius, Predigten
Textquelle (literarische)
Peter Mèlius, Predigten
In der 111. Predigt, so Herman, schreibt Mèlius: Oktalan rókahoz és tarvarjúhoz illendö
raraszsäga (Schlauheit, die für einen unvernünftigen Fuchs oder für einen Kahlraben passt).
Herman belegt mit diesem ersten ungarischen Sprachdenkmal (für ein unsicheres siehe auch
schon 1550), dass das Wort tarvarjú (Kahlrabe) bekannt war, denn sonst, so sehr
nachvollziehbar die Argumentation von Herman, würde die Verwendung in Sprichworten keine
Wirkung erzielen.
Die Publikation, auf die sich Herman bezieht, konnte bisher nicht identifiziert werden. 1561 hat
Mèlius drei Bände publiziert:
- A Christus közbejarasarol valo predicacioc, Debrecen 1561:
http://oszkdk.oszk.hu/storage/00/00/07/21/dd/1/RMK_I_46.pdf
- A Szent Pal apastal levelenec, mellyeket a Colossabelieknec irt predicacio szerent valo
magyarazattya, Debrecen 1561: http://dspace.bcucluj.ro/handle/123456789/13304.
- A szent János evangéliumának prédikáció szerint való magyarázata, Debrecen 1561: derzeit
kein Digitalisat verfügbar.
Das Zitat mit dem tarvariu konnte in den Digitalisaten bisher dort nicht gefunden werden. (Eine
genauere Prüfung ist bei „Szent Pal“ notwendig.) Auch in Magiar predikatiok, 1563 (Digitalisat),
und in anderen (späteren) Publikationen von Mèlius konnte das Zitat bisher nicht nachgewiesen
werden. Vgl. vor allem Gábor Szalay, Méliusz, a magyar Kálvin életműve – Impressziók,
Budapest 2015 (Digitalisat). Weitere Forschungen sind notwendig.
Sollte das Zitat kein absoluter Fake sein, wovon nicht auszugehen ist, kann die Textsorte, eine
Predigt, eine gewisse Zuverlässlichkeit beanspruchen, denn irgendwelche naturkundlichen
Interessen, die ein Sprachdenkmal vielleicht verfälscht haben könnten, sind auszuschließen.
Vielmehr geht Herman davon aus, dass der Prediger altgläubige Gegner so verunglimpfen
wollte. Die Bedeutung der Quelle wird auch durch die Tatsache erhöht, dass der Druck
zeitgenössisch ist, also zwischen Quelle und Überlieferung nicht getrennt werden muss.
Wenn freilich – wie eine ebenfalls 1561 entstandene lexikalische Quelle nahelegt – „Tarvariu“
bloß „Krähe“ bedeutet, verliert das Gedankengebäude Hermans seinen Halt (siehe unten).
164
Peter Mèlius (1536–1572) ist eine wichtige Figur in der ungarischen Reformation, ab 1561, dem
Jahr, um das es hier geht, Bischof der kalvinistischen Kirche (für eine Erstinformation siehe zum
Beispiel HIER).
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48 (und weitere Belege desselben Autors von 1568).
Zu weiteren ungarischen Quellen siehe bei 1550, 1561 und 1590.
165
1561: Gábor Pesti, Nomenclatura sex linguarum
Textquelle (lexikalische)
Gábor Pesti, Nomenclatura sex linguarum, Latinae, Italicae, Gallicae, Bohemicae
Hungaricae et Germanicae, Wien 1568 (VD 16, M 5706 – Digitalisat)
Auf foll. H4v–H5r wird in Kapitel 30 (De avibus) folgender Eintrag geboten: Cornix – cornacchia
– cornaille – wrana – tarvaryw – kraee“.
Diesen Eintrag stellt Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48, in Frage, der den ungarischen Begriff
„Tarvariu“ mit dem Waldtrapp (Kahlrapp) gleichsetzt; hier wird dieser mit der ganz gewöhnlichen
Krähe identifiziert. Für den Raben gibt es folgende Wortreihe: „Corvus – corbo – corbiau –
hawran – hollo – rapp“. Einen spezifischeren Eintrag, der in Richtung Waldrapp weisen würde,
ist nicht zu finden.
Ob Pesti freilich wirklich zuverlässig ist, ist tatsächlich unsicher, denn Fausto Veranzio,
Dictionarium quinque nobilissimarum Europae linguarum: Latinae, Italicae, Germanicae,
Dalmatiae et Ungaricae, Venedig 1595 (Digitalisat), hat auf S. 24 die Wortreihe: Cornix –
Cornacchia – ein Kray – Vrana – Varyu. Der Eintrag „Corvus“ in dem nach den lateinischen
Begriffen alphabetisch geordneten Werk ist nicht vorhanden. Hier wird der Krähe also nicht der
spezifische Begriff „Tarvariu“, sondern der allgemeine „variu“ zugeordnet. Es bleibt demnach
Platz, dem Begriff „Tarvariu“ doch eine spezifischere Bedeutung zuzuordnen.
166
Die Kombination „Cornix – Varju“ auch bei Albert Szenczi Molnár, Dictionarium Latinoungaricum
opus novum (…), Nürnberg 1604 (VD17 23:290383G – Link), fol. I5v. Auf fol. (I6v) folgt dann
„Corvus – Hollo“, weitere Untergliederungen (zum Beispiel: Corvus sylvaticus, …) fehlen.
Ob der entsprechende Eintrag auch in der Ausgabe von Pestis Wörterbuch, das in Wien bereits
1538 (Link) bzw. ebendort 1554 (VD 16, M 5703) erschien, vorkommt, wurde noch nicht
überprüft.
167
1562: Manfred Barbarini Lupus, Vierstimmige Gesänge
Bildquelle
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 542:
Manfred Barbarini Lupus, Vierstimmige Gesänge zu den Hochfesten des Jahres
Das großformatige, 1562 von Pater Heinrich
Keller (1562 datierter Vermerk auf p. 2: 1518–
1567, Profess 1535, Subprior 1551)
geschriebene liturgische Gesangbuch
(Graduale) überliefert nicht, wie im Mittelalter
üblich, bloß einstimmige gregorianische
Gesänge, sondern kunstvoll mehrstimmige
Kompositionen des Manfred Barbarini Lupus.
Die buchmalerische Ausstattung der ersten
Seiten der Hochfeste mit fünf ganzseitigen
Miniaturen stammt vom Lindauer Buchmaler
Caspar Härtli (sein Wappen im zugehörigen
Cod. 542, p. 1).
Die Doppelseite, die der Miniaturenseite (p. 3)
zum Osterfest folgt (pp. 4–5), ist mit reichem
Randdekor mit vielen naturalistischen
Vogeldarstellungen versehen. Unter
diesen befindet sich auf p. 5 schräg
oberhalb der Initiale L(audate) auch
eine Darstellung eines als Waldrapp
identifizierten Vogels.
Alle anderen derartigen Seiten sind
anderen Themen gewidmet und daher
ohne Vögel.
Die Wiedergabe des Waldrapps
stimmt in vielen Punkten mit dem
Holzschnitt Gesners (siehe bei
1555/1557) überein. Zu nennen sind
die Schrittstellung, der leicht geöffnete
Schnabel, der grundsätzliche
Körperbau und die Nackenfedern.
Wieder ist ein junger Waldrapp
168
dargestellt. In der Naturtreue, nicht nur durch die Farbigkeit, ist der hier gemalte Vogel dem
Gesner’schen Holzschnitt sogar überlegen und gehört damit zu den naturgetreuesten
historischen Abbildern die wir besitzen.
Die Intention ist freilich eine ganz andere, denn hier geht es um Dekor. Die Vogelabbildungen
sind in die Ranken eingegliedert, die ganz der mittelalterlichen Struktur von buchmalerischem
Dekor entsprechen.
Die Tierdarstellungen im hier untersuchten Codex sind für den Buchmaler eine Möglichkeit sein
Können der exakten Naturwiedergabe – eine damals überaus geschätzte Fähigkeit – zu
demonstrieren.
Zur Handschrift siehe http://e-codices.ch/en/list/one/csg/0542 mit Digitalisat und Beschreibung
von Beat Matthias von Scarpatetti, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2:
Abt. III: Codices 450–546, Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia,
Musikhandschriften 9.–16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 397–409.
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 521f.;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 320;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62.
169
1564 (Abschrift 1612 redigiert): Tagebuch des Felix Platter
Textquelle (narrative)
Basel, Universitätsbibliothek, A λ III 3:
Tagebuch des Felix Platter
Auf Seite 176 berichtet Felix Platter (1536–1614), der als Arzt in Basel lebte, von einem Besuch
auf Angenstein:
„Den 26 Maii [1564] ritt ich ghen Angenstein zu einem, der Jung hat geheissen, hatt D. Zipparts
tochter, die an der pestilenz krank lag; man bauwet damahlen erst das schloss. Ob dem imbiss
gab man uns ein Waldtrappen, und weil der Jung sagt, ein tauber [tollwütiger] hundt habe ihm
den kopf abgebissen, darumb walte niemandts darvon essen. Die frauw starb damahlen.“
Valentin Lötscher identifiziert den Schlossherrn mit Hieronymus Jung, der mit Anna Zipper von
Angenstein, Tochter des Juristen Wendelin Zipper, eines Freundes des Felix Platter, verheiratet
war. Den Ort bestimmt er mit Angenstein im Birstal bei Aesch, 10 km südlich von Basel.
Die Episode ist Teil einer Reihe vergleichbarer Kurzmitteilungen, die Reisen, vornehmlich
Patientenbesuche, betreffen. Das Jahr 1564 war in Basel und dessen Umgebung stark von dem
Pestausbruch geprägt, was den gefragten Arzt Felix Platter stark in Anspruch nahm.
Die Überlieferung der tagebuchartigen Aufzeichnungen ist nicht zeitgenössisch, sondern beruht
auf einer Redaktion, die Platter 1609 begann und frühestens 1613 abschloss (Lötscher, S. 32f.).
Als Schreiber des Abschnitts bis Seite 137 kann Lötscher, S. 30, Felix Platter, also den Autor
selbst, identifizieren. Am unteren Ende dieser Seite übernahm sein viel jüngerer Halbbruder
Thomas Platter II. (1574–1628) die Schreibarbeit. Der Abschnitt, in dem der Waldrapp nebenbei
eine Rolle spielt, wurde also bereits von Thomas Platter geschrieben.
Der Textcharakter macht deutlich, dass ältere Aufzeichnungen, die Felix Platter wohl ab 1551
führte (Lötscher, S. 32), die Textgrundlage bildeten und nicht bloßes Erinnern Jahrzehnte
später.
Trotz der nicht zeitgenössischen Überlieferung besteht kein Grund den Berichten zu misstrauen.
Vergleiche auch https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/janckequellenkunde/verzeichnis/p/platter/index.html.
Der Band, der das Tagebuch enthält, ist heute in ein Fragment eines mittelalterlichen
Antiphonars eingebunden, was durchaus dem Usus des frühen 17. Jahrhunderts entsprechen
würde. Bloß berichtet Lötscher, S. 29f., von glaubhaften Aussagen, dass 1840 die Blätter lose
waren. Ob der Einband also ursprünglich zum Tagebuch gehörte, ist keineswegs sicher.
170
Für Erstinformation zu Felix Platter siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Platter_(Mediziner,_1536).
Valentin Lötscher, Felix Platter Tagebuch (Lebensbeschreibung) 1536–1567 (Basler Chroniken
10), 1975, S. 432f.;
Schenker, Breisach, 1975, S. 42;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 321;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 62, 64.
171
wohl nach 1564 (3. Drittel 16. Jahrhundert): Gebetbuch (der Philippine
Welser?)
Bildquelle
Wien, Kunsthistorisches Museum (KHM), KK 3232 (ausgestellt auf Schloss Ambras in
Innsbruck):
Vermeintliches Gebetbuch der Philippine Welser
Im Nachlass-Inventar Erzherzog Ferdinands (von Tirol)
von 1596 (Wien, KHM, KK 6652, foll. 461v–462r, bzw.
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 8228, fol.
392v) wird das hier vorgestellte Gebetbuch erwähnt und
der Buchschmuck, der durchgehend Tier- und
Pflanzendarstellungen am Rand zeigt, sehr treffend
charakterisiert:
Ain schen alt Teütsch geschribens Pet Puech auf Pargament, alles schen Iluminiert, allerlai
Thüern unnd Pluembwerch, in schwarz samet eingebunden, unnd das bschlacht gannz guldin
geschmelzt, ist in aim Praun sameten säckhl so Ir Dt: gebraucht haben.
Ain schön alt Teütsch geschribens petbuech auf pergament, alles schön iluminirt von allerlai
thieren und plumbwerch, in schwarz sammet eingebunden und das beschlecht ganz gulden
geschmelzt, ist in ain praun sammeten säckhl, so ir durchlaucht gebraucht haben.
(Text nach KK 6652 [nach Thomas Kuster und Katharina Seidl] bzw. nach Cod. 8228 [nach
Boeheim]).
Böhm, Pegoraro, S. 69, berichten ohne genaueren Nachweis, dass in dem deutschsprachigen
Gebetbuch in den Randleisten ein Waldrapp dargestellt sei, der der Darstellung von Gesners
Holzschnitt folge (zu diesem bei 1555/1557).
172
Thomas Kuster von der Sammlung in Ambras war so zuvorkommend, die Darstellung auf fol.
99v ausfindig zu machen. Der Vogel im unteren Randbereich stellt tatsächlich eine Kopie des
Gesner’schen Vorbildes dar. Ob weitere Vogeldarstellungen des Gebetbuches auf Vorlagen
Gesners zurückgehen, wurde bisher meines Wissens noch nicht überprüft.
Das Gebetbuch stand, wie das Inventars von 1596 belegt, im erzherzoglichen Gebrauch: so ir
durchlaucht gebraucht haben. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich der Gebrauch auf Erzherzog
Ferdinand selbst bezieht, die Formulierung könnte theoretisch auch, wie dies bisher geschah,
auf dessen Gattin Philippine bezogen werden. Dass dieser 1596 formulierte Gebrauchshinweis
freilich auf eine Verwendung vor mehr als 15 Jahren zu beziehen ist (Philippine starb bereits
1580), und nicht auf den eben Verstorbenen oder auf dessen zweite Frau, die noch am Leben
war, erstaunt.
Dieser Gebrauch ist zudem
davon unabhängig, dass auf
den Spiegel des Vorderdeckels
ein Portrait Erzherzog
Ferdinands klebt. Ob dieses
Portrait schon ursprünglich zu
dem Gebetbuch gehörte, ist
keineswegs gesichert. Selbst
1596 werden zwar die Tiere und
Blumen erwähnt, das Portrait zu
Beginn jedoch nicht.
Ferdinand trägt die Collane des
Ordens vom Goldenen Vlies, dessen Mitglied er 1557 wurde. Auf Grund des vergleichsweise
jugendlichen Alters des Dargestellten nimmt Katharina Seidl eine Entstehung des Portraits bald
nach der Verleihung an.
Über den Entstehungsort des Gebetbuchs besteht Unsicherheit. Sollte es tatsächlich für
Philippine hergestellt worden sein, dann wäre wohl eine Entstehung in Böhmen vor 1567 oder in
Tirol anzunehmen, wenn man an eine spätere Herstellung denkt. Konkrete Argumente,
abgesehen vom angeblich jugendlichen Alter des Erzherzogs (und dies bezieht sich ja nur auf
das Portrait und nicht zwingend auf den Buchblock), wurden bisher nicht vorgebracht.
Dank eines Gutachtens von Peter Wiesinger (Mail vom 30. Juni 2021) kann es nun zumindest
als gesichert gelten, dass die Sprache bairisch ist, die Gebete also im bayerisch-
173
österreichischen Kulturraum geschrieben wurden. Also weder in Philippines Heimat Augsburg,
wo man schwäbisch spricht, noch in Böhmen, wo mitteldeutsche Sprachformen vorherrschen.
Folgende Hinweise führt Peter Wiesinger an:
1. Mhd. ie – uo – üe als ie, ue, üe: lieber, ruehige, beruefft, güett, behüett, gefüert: u vo r:
wuerden
2. Mhd. ei teilweise als ai/ay: zu ainem kind, kain glid, des hayls
3. Mhd. o vor r als a: warden ‘geworden’
4. Mhd. k im Auslaut als ckh: anblickh, gedruckht
5. pf in scharpf.
Der Stil der malerischen Ausstattung ist uneinheitlich, die Beteiligung mehrerer Hände ist
wahrscheinlich. Ulrich Merkel benennt einen Illuministen DHP, dem er auch das 1546 datierte
Loos-Buch des Paul Pamst (Kunsthandel) zuweist.
Während die Nutzung des kleinen Gebetbüchleins viele Fragen aufwirft, die die bisher übliche
Identifizierung und Datierung in Frage stellen, bleibt davon unberührt, dass auf fol. 99v ein
Waldrapp dargestellt ist, der das Gesner’sche Vorbild vergröbernd reproduziert.
Wann und wo dies geschah, bleibt offen. Zumindest Augsburg und Böhmen scheinen als Orte,
an denen der Buchblock mit dem Waldrapp entstand, auszuscheiden.
Als Entstehungsort könnte sich, da ja die Nutzung auf Schloss Ambras gesichert ist, Tirol
anbieten. Dies würde dann eine Entstehung „nach 1564“ (Ferdiand übernimmt die Herrschaft in
Tirol und den Vorlanden) bzw. „nach 1567“ (Philippine übersiedelt nach Innsbruck)
wahrscheinlich machen. Dass am Hof in Ambras ein entsprechendes kulturelles Umfeld
bestand, belegt das Missale für Kardinal Andreas, den Sohn von Ferdinand und Philippine
(siehe bei 1581/1590). Auch die – wie das Missale – von Joris Hoefnagel gemalten Animalia
volatilia (siehe bei ca. 1575/80) sind hier zu nennen. Anders als im späteren Missale, wo ein
Waldrapp auf einem Weg pickend dargestellt ist, folgt der Waldrapp der Vogelsammlung in
Washington – wie das hier behandelte Gebetbuch – der Vorlage Gesners.
Wendelin Boeheim, Urkunden und Regesten aus der k. k. Hofbibliothek, in: Jahrbuch der
Kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 7 (1888), S. XCI–
CCCXIII, die Edition des Inventars von 1596 auf S. CCXXVI–##, das Gebetbuch auf S.
CCXCI;
Wendelin Boeheim, Philippine Welser. Eine Schilderung ihres Lebens und ihres Charakters,
Innsbruck, 1894, S. 44, 63f. (Datierung „um 1560“);
Augsburger Renaissance (Ausst.Kat.), Augsburg 1955 (ungeprüft: Angaben nach Realonline);
174
Die Welser, Nürnberg 1960, S. ##, Kat.-Nr. 26 (ungeprüft; Angaben nach Realonline);
Elisabeth Schleicher, Gebetbuch, in: Dieselbe, Ortwin Gamber, Kurt Wegerer, Alfred Auer, Die
Kunstkammer (Führer durch das Kunsthistorische Museum 24), Innsbruck 1997, S. 88
(Kat.-Nr. 194);
Alfred Auer, Gebetbuch der Philippine Welser (deutsch), in: Natur und Kunst, 1995, S. 81–83
(Kat.-Nr. 22);
Vavra, Elisabeth (Hg.), Aufmüpfig und angepasst. Frauenleben in Österreich,
Ausstellungskatalog Wien 1998, ## (ungeprüft, Angaben nach IMREAL; dort als
Aufbewahrungsort: Lauf-Neunhof, Freiherrlich von Welsersche Familienstiftung);
Philippine Welser & Anna Caterina Gonzaga. Die Gemahlinnen Erzherzog Ferdinands II.
Ausstellung Schloss Ambras, Innsbruck 1998, S. 27, Kat.-Nr. 13 (Alfred Auer: Prag oder
Süddeutschland, 1557–1560);
Ulrich Merkel, Buchmalerei in Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Spätblüte und
Endzeit einer Gattung, Regensburg 1999, S. 221 (Nr. 9 des Abschnitts „Ausklang“);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69;
Echt tierisch! Die Menagerie des Fürsten. Ausstellung Schloss Ambras, Wien 2015, S. 222f.,
Kat.-Nr. 4.16 (Katharina Seidl: Prag oder Süddeutschland, 1557–1560);
Ferdinand II. 450 Jahre Tiroler Landesfürst, Jubiläumsausstellung 2017, S. 134, Nr. 3.4
(Katharina Seidl: Prag oder Süddeutschland, 1557–1560).
https://www.khm.at/de/object/5b86822a19/ (Objektdatenbank des Kunsthistorischen Museums)
https://realonline.imareal.sbg.ac.at/en/detail/nr-015875/ (wohl teilweise irrig – z. B.:
Aufbewahrungsort: Lauf-Neunhof, Freiherrlich von Welsersche Familienstiftung)
175
1567 August 22: Instruktion an Hans Piber, Fischmeister in Untersteier
Textquelle
Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Innerösterreichische Kammer (IÖK),
chronologische Reihe, 174a, 80z:
Konzept der Instruktion an Hans Piber (Pyber), Fischmeister in Untersteier
„Es soll auch unser Fischmeister daneben ein (sein) fleißiges Aufsehen haben, damit unsere
Klausraben zu (gen) Grätz weder auf den Feldern noch andernorts (anderorts) (nicht)
geschossen oder beleidigt, sondern (gehegt,) gezügelt und gehütet werden." (zit. nach Hable –
in Klammern Abweichungen bei Popelka)
Die im Namen Erzherzog Karls von (Inner-)Österreich (1540–1590) verfasste Instruktion
erwähnt den Waldrappen, ortsüblich als Klausrapp bezeichnet, ob er allerdings auch realiter
noch in Graz brütete, ist damit noch nicht entgültig belegt, freilich wahrscheinlich. Vergleichbare
ältere Instruktionen sind aus den Jahren 1528 Februar 10 und 1553 Jänner 1 und 1555
November 28 überliefert.
Dass der Klausrabe 1566 am Schlossberg in Graz tatsächlich brütete, ist auch deshalb
wahrscheinlich, da der entsprechende Passus auch in späteren vergleichbaren Dokumenten
erscheint. Dass nicht einfach nur vorgegebene Formeln kopiert wurden, macht eine
Besonderheit der Instruktion von 1621 deutlich, denn dort wurde zu den zu schützenden Vögeln
eine Art, das Rohrhuhn, hinzugefügt.
1576 Juli 18, Generale fürJakob Lerch: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Patente und
Kurrenden, sub dato – Fournier, S. 118,
1577 Februar 11, Instruktion für Hans Clarmann: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, IÖK,
179, 5, sub dato – Fournier, S. 118,
1578 Oktober 13, Instruktion für Vinzenz Zott: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, IÖK, 179,
5, sub dato – Fournier, S. 118,
1606 (August 16?), Instruktion für Peter Zott: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv,
Hofkammer, sub dato (FA) – Fournier, S. 119,
1621 Februar 22, Instruktion für Peter Zott: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Hofkammer,
Sach, K 49, H. 11 – Fournier, S. 122 (die geschützten Vogelarten werden um das
Rohrhuhn erweitert); Popelka, S. 64,
1626 Februar 7, Instruktion für Peter Zott: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Patente und
Kurrenden, sub dato – Fournier, S. 122,
1628 Jänner 2, Instruktion für Mathias Zott: Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, Hofkammer,
1628 Jänner, 116 (FA) – Fournier, S. 122.
176
In einer weiteren Instruktion für Mathias Zott von 1638 Juli 21 (Popelka und Fournier, S. 124)
bzw. 1638 Juni 27 (Tratz) fehlt der Abschnitt (Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, IÖK, 319a,
181, 21 bzw. HK 1638 Juli, 149 [FA]), was darauf hindeutet, dass er wegen des
Nichtmehrvorhandenseins des Vogels obsolet wurde.
Popelka (und ihm folgend Tratz und Hable) zitiert aus der Instruktion für Hans Piber ohne deren
Aufbewahrungsort zu nennen. Über das Datum der Instruktion besteht einige Unklarheit.
Einerseits nennt Fournier, S. 117 im Text den „9. September 1566“ an dem Hans Piber seine
Instruktion erhalten haben soll, andererseits wird in der Fußnote nach der Archivsignatur „1567
VIII 22“ vermerkt, das Datum, das auch im elektronischen Archivnachweissystem aufscheint.
Frau Elisabeth Schöggl-Ernst hat dankenswerter Weise festgestellt, dass das vorliegende
Konzept zur Instruktion das Datum 1567 August 22 trägt.
Archivnachweise (Permalinks offenbar unzuverlässig):
IÖK, 174a, 80u: https://egov.stmk.gv.at/archivinformationssystem/objekt.jsp?id=1392696
(alternativer Link) (1566 Mai 20 [oder 29?]: Übersendung der Entwürfe)
IÖK, 174a, 80x: https://egov.stmk.gv.at/archivinformationssystem/objekt.jsp?id=1392699
(alternativer Link) (1566 September 1: Ausfertigungsbefehl Erzherzog Karls)
IÖK, 174a, 80z: https://egov.stmk.gv.at/archivinformationssystem/objekt.jsp?id=1392701
(alternativer Link) (1567 August 22: Instruktion)
Popelka, Klausraben, 1948/49, S. 64;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 86;
Hable, Waldrapp, 1994, S. 114;
Fournier, Fischer, 1990, S. 117f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 68.
177
1571 Juni 15: Brief des Sebald Hochenkyrcher
Textquelle (archivalisch-narrative)
Salzburg, Landesarchiv, Hofkammer Gastein 1571 C, Nr.47:
Brief des Sebald Hochenkyrcher, Pfleger zu Dächsenpach (Taxenbach) und Landtrichter
in der Rawriß (Rauris), an Erzbischof Johann Jakob Kuen Belasy von Salzburg
Anlässlich eines Kuraufenthalts
in Gastein (heute: Bad Gastein)
von Anna, der Gemahlin von
Herzog Albrecht V. von Bayern
(1528–1590 – eine Tochter
Kaiser Ferdinand I.), die zudem
von ihrem Bruder Erzherzog
Karl II. von (Inner-)Österreich
(1540–1590), ebenfalls mit
grossem Gefolge, besucht
wurde, berichtet der Pfleger:
Gnedigister fürst unnd herr,
E(uer) f(ürstlichen) G(naden)
bevelch sambt ubersendter
profiandt-ihhallt
eingeschlossner zöttl hab ich an
heut dato vor dem morgenmall
empfanngen. Auch meiner
gnedigisten frauen alle sachen
ausser Copaun unnd
Klaußraben fürtragen lassen.
Doch iren fürstlichen gnaden
die Copaun und Claußraben so
gebracht worden, darneben
angezaigt darauf ir f(ürstliche)
G(naden) vermeldt e(ure) f(ürstliche) G(naden) haben von derselben wegen zuvil mhüe und
uncosten.
Der Bericht zeigt, dass Kapaun und Waldrapp als besondere Speisen extra hervorgehoben
werden.
178
Das Treffen der Geschwister wird wohl mit der am 26. August desselben Jahres in Wien
gefeierten Hochzeit von Karl mit Annas Tochter Maria Anna in Verbindung stehen.
Klein, Nachrichten, 1958, S. 63;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67.
179
1573: Robert Constantin, Supplementum linguae latinae
Textquelle (lexikalische)
Robert Constantin, Supplementum linguae latinae seu Dictionarium abstrusorum
vocabulorum, (sine loco [Genf/Lyon]) 1573 (Digitalisat)
Auf Seite „I B“ findet sich der Eintrag
Ibis – Ιϐις – Gallice corgalleran vel corbeau galeran:
Avis est tota nigra, magnitudine helorii (qui gallis
corlieu, sive corlis) cui caput phalacrocoracis (id est
corvi aquatici, nostrique cormorant) rostrum
rubicundum, incurvum: crura subrubra, longa ut
ardeae stellaris. Habet & collum ardeolae, quae
Χευκóς (recte wohl Λευκóς) Aristoteli (!) à nostrique
aigrette appellatur.
Neben dem rein Lexikalischen bietet Constantin
auch physiognomische Merkmale, die auf den
Waldrapp zu deuten scheinen. Ein roter gebogener
und langer Schnabel ist ein Merkmal, das den Vogel
von anderen in Frage kommenden Tieren
unterscheidet. Auch der kahle Schädel ist zu
nennen.
Dass bei Robert Constantin (1530 [?]–1605) der Waldrapp zumindest eine Rolle spielt, wird
durch eine weitere Quelle bestätigt. Diese stammt aus demselben intellektuellen Umfeld und sie
beinhaltet auch ein Bild (siehe bei nach 1555 und vor ca. 1560). Das ornithologische Tafelwerk,
das sich in New York erhalten hat, fügt einem naturalistischen Abbild eines Waldrapps folgende
lexikalische Bestimmung bei: Φαλακροκόραχ (Phalacrocorax) – Corvus calvus – Corbeau
galeran – Corbeau voiran.
Die Parallelen sind deutlich und das Bild belegt, welchen Vogel der Verfasser / Schreiber im
Sinne hatte. Die Bezeichnung „Corbeau galeran“ kommt dann auch noch bei Aldrovandi (siehe
bei 1603) vor.
Zun den Druckorten vgl. GLN 15 16-2459 (Genf) bzw. GLN 15 16-2460. (Lyon).
Thomas Antoine, Nouvèles variétés étimolojiqes, in: Romania 44 (1916), S. 321–356, bes. S.
339.
180
1573: Ulrich Campell, Rhaetiae alpestris topographica descriptio
Textquelle (naturkundlich-landeskundliche)
Ulrich Campell, Rhaetiae alpestris topographica descriptio
In der landeskundlichen Beschreibung des Ulrich Campell (Susch/Engadin um 1510–1582
Tschlin), die als Manuskript am 1. Mai 1573 am Josias Simler übersendet wurde (dazu siehe
Einleitung, S. XV – der Druck scheiterte in weiterer Folge), wird der Waldrapp als Abschnitt 109
im dritten (naturkundlichen) Anhang erwähnt:
Randtitel: Waldrapp, corvus sylvaticus, ibis.
109. Ad sylvestrium avium ordinem pertinet etiam avis, quae Germaniae appellatur Waldrapp
etc., quam Gesnerus nomine Germanicae illius appellationis imitatione ficto vocat corvum
sylvaticum censetque eam secundum Bellonium ibim esse, quae Hieronymo authore tota nigra
est, quum et nostra haec corvi similitudine sit atra. Quo facit, quod Plinius lib. 10, cap. 48,
testatus, quod M. Egnatius Calvinus praefectus Alpium prodiderit visam in illis ab se peculiarem
Aegypti ibim. Qua de Plinius porro lib. 8, cap. 37, ita tradidit: „simile quidam (id est clysterem
nempe) et volucris monstravit“, ait, „quae ibis vocatur; nostri adunciate per eam partem se
perluens, qua reddi ciborum onera maxime salubre est, quemadmodum alia animalia alia
remedia eaque varia ostenderunt“. De eadem etiam Cicero lib. De natura 2: „ibides“, inquit,
maximam vim serpentium conficiunt, quam sint rigidis cruribus, corneo proceroque rostro“, etc.
Hinc Aegyptii aves illas et adorant invocantque contra serpentium (volucrium nimirum)
adventum, Plinio lib. 10, cap. 28, teste. Est autem huius sylvatici nostri corvi ferina apprime
vulgaris, optima pulli etiamnum tenerique a nido ablati. Et quum sint corporis magnitudine
moleque parum infra ciconiam, nidulantur ferme in editis inviisque petrarum scopulis et
potissimum nidos suos construere gaudent in veteribus et iam obsoletis ac ruinam minantibus
dirutarum arcium vel exustorum castellorum parietibus, quorum plurima hinc in Alpestribus
nostris regionibus passim cernuntur.
109. Zur Klasse der Alpenvögel gehört auch der im Deutschen Waldrapp etc. geheißene Vogel,
den Gesner mit einem dieser deutschen Bezeichnungen nachgebildeten Namen corvus
sylvaticus nennt, und von dem er, Bellonius folgend, animmt, es sei der Ibis, der nach dem
Zeugnis des Hieronymus ganz schwarz ist. Dazu passt, was Plinius im 10. Buch, Kap. 18,
bezeugt, dass Marcus Egnatius Calvinus, Präfekt in den Alpen, berichtet habe, dort sei von ihm
der Ägypten eigentümliche Ibis gesehen worden. Über diesem hat Plinius sodann im 8. Buch,
Kap. 37, folgende Nachrichten gegeben: Etwas Ähnliches (d. h. eben das Clystier) hat auch ein
Vogel gezeigt, der Ibis heißt, indem er mit dem gekrümmten Schnabel sich an jenem Körperteil
bespült, durch den man am zuträglichsten sich der Speiseüberreste entledigt, wie andre Tiere
andere Heilmittel mancher Art gelehrt haben.“ Von dem gleichen Vogel sagt auch Cicero im 2.
Buch de natura: „Die Ibisse vertilgen eine außerordentliche Menge von Schlangen, da sie steife
181
Beine haben und einen langen hörnernen Schnabel“ etc. Darum verehren auch die Ägypter jene
Vögel und rufen sie an gegen die Ankunft der Schlangen (nämlich der geflügelten), wie Plinius
im 10. Buch, Kap. 28, bezeugt. Das Wildpret dieses unseres Waldraben aber ist überaus
gewöhnlich, am besten von einem noch jung und zaret aus dem Nest genommenen Tiere.
Obwohl an Körpergröße und Gewicht nur wenig unter dem Storch stehend, nisten sie in der
Regel auf hohen unzugänglichen Steinklippen und lieben es besonders, ihre Nester in alten,
schon verfallenen, mit Einsturz drohenden Wänden zerstörter Burgen oder ausgebrannter
Kastelle zu bauen, wie man sie in Menge da und dort in unseren Alpengegenden überall
erblickt.
Strohl weist – sehr zu Recht –darauf hin, dass Campell nicht selbst beobachtet habe, sondern
ältere Texte kompilierte.
Der Haupttext von C. J. Kind ist in den Quellen zur Schweizer Geschichte 17 (Basel 1884) ediert
(Link); der hier relevante Anhang 3 und 4 von Traugott Schiess in den Jahresberichten der
naturforschenden Gesellschaft Graubünden, N. F. 42/43 (1899/1900), mit deutscher
Übersetzung (der Abschnitt zum Waldrapp in Band 43, S. 94f.) – Vorwort,
Inhaltsverzeichnis, Einleitung und Anmerkungen als Anhang zu Band 44 (1900/1901):
Link.
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 540f.;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 517f;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 64.
182
ca. 1575/80: Joris Hoefnagel, Animalia volatilia et Amphibia
Bildquelle
Washington, National Gallery of Art, Collection Lessing J. Rosenwald, 1987.20.8.63:
Joris Hoefnagel, Vier Elemente, Band 4: Animalia volatilia et Amphibia (Aier) – Digitalisat
Tav. LXII stellt keinen einzelnen
Vogel dar, sondern in einem
querovalen Bildfeld sind
mehrere Vögel zu sehen. Die
Darstellung ist mit Corvum
delusit hiantem überschrieben
und LXII gezählt. Die Tiere sind
mit kleinen arabischen Ziffern
nummeriert, Die Bildunterschrift
– Hic niger est, hunc tu Romane
caveto zitiert ein Sprichwort des
Horaz’ (Dieser ist schwarz, vor
diesem, Römer, nimm dich in
Acht) – nimmt darauf freilich
nicht Bezug, sondern bloß auf
die Gefiederfarbe von zwei der
abgebildeten Vögel.
Links auf einem Felsen ist ein
Waldrapp mit leicht geöffnetem
Schnabel dargestellt, der den
linken Lauf angehoben hat. Die
Haltung entspricht dem
Holzschnitt Gesners (ab 1555 –
siehe bei 1555/1557).
Trotz der Berühmtheit des aus
Antwerpen stammenden Joris Hoefnagelzu ist in diesem Fall von einer kolorierenden Rezeption
des gedruckten Vorbilds auszugehen. In Bezug auf Naturtreue reicht die hier vorliegende
Darstellung weder an die Randillustration im St. Gallner Graduale (siehe bei 1562) noch an das
Tierportrait im Museum Kaiser Rudolfs II. (siehe bei 1577–1612) heran. Vielmehr steht sie kaum
über der Randillustration im vermeindlichen Gebetbuch der Philippine Welser (siehe bei wohl
nach 1564 (3. Drittel 16. Jahrhundert)).
183
Die vierbändige Sammlung von etwa 300 Bildtafeln zu den Vier Elementen wird dem Frühwerk
des Joris Hoefnagel zugerechnet, weil verschiedene Tafeln Daten von 1575 bis 1582 tragen. Im
Band zu den Vögeln ist die zweite Tafel (Aquila in nubibus) sowohl G. HF. monogrammiert als
auch A(nn)o [15]76 datiert; Tafel 76 ist A(nn)o [15]76 datiert und mit Anverpiae auch lokalisiert.
Tafel 4 ist mit A(nn)o [15]80 datiert.
Manfred Staudinger, Études descriptives de zoologie historique, in: Le bestiaire de Rodolphe II.
Cod. min. 129 et 130 de la Bibliothèque Nationale d’Autriche, Paris 1990, S. 460–465;
Pegoraro, Waldrapp, 1996, S. 29;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 69.
184
1577–1612: Naturstudien aus dem Museum Kaiser Rudolfs II.
Bildquelle
Wien, ÖNB, Cod. Min. 130:
Naturstudien aus dem Museum Kaiser Rudolfs II.
Die hier zu behandelnden
Blätter entstanden in Wien (?)
und in Prag.
Auf fol. 86r findet sich bei der
Darstellung folgende Beischrift:
Waldrapp und Zwergsänger.
Dieses Blatt kann keinen der an
der Ausführung des kaiserlichen
Museums beteiligten bekannten
Maler (Giuseppe Arcimboldo,
Hans Hoffmann, Dirk de Quade
van Ravensteyn, Daniel Fröschl) mit Bestimmtheit zugeordnet werden.
Die hier vorliegende Darstellung ist gemeinsam mit einer Studie von Pierre Eskrich (siehe bei
nach 1555 und vor ca. 1560) die bei weitem detaillierteste, die wir vom Waldrapp vor dem
20. Jahrhundert kennen. Der Körperbau mit korrekt langen Beinen, die bloß im obersten Bereich
gefiedert sind, die Zehenstellung, die Krallen, die drei Enden hinten, die die Flügel und den
Schwanz abbilden, die vom Körper unterschiedliche Gefiederstruktur des Halses, das – wie bei
Gesner (siehe bei 1555/1557) noch juvenile – Nackengefieder. Der Kopf hat einen grauen
Schimmer, Lichtreflexe deuten das Kahl-Werden bereits an. Die Iris ist orange, ähnlich der
Farbe des Schnabels, der lang, schmal und im vorderen Bereich gebogen ist.
Hier, und im Grunde ist dies in der vorliegenden Sammlung zusammen mit dem Blatt von
Eskrich das einzige Beispiel, liegt eine echte Naturstudie vor. Man ist sogar geneigt von einem
Portrait eines individuellen Vogels zu sprechen, also einem Kunstwerk, das nicht allgemein
gültige Merkmale der Waldrappe zusammenfasst, sondern dass ein konkretes Tier abbildet.
Thesaurus Austriacus, 1996, S. 242–248 (Manfred Staudinger); zur Handschrift ebendort S.
230–236;
Mey, Zeugnisse, 1997, S. 10f. (nach Staudinger);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70f.
185
1578 März 28: Verordnung des Salzburger Erzbischofs
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat Catenichl 21 (1578)
Auf foll. 43r–44r ist ein Ausschreiben [des
Salzburger Erzbischofs Johann Jakob Kuen
Belasy] überliefert:
Ausschreiben von wegen der Clausraben unnd
Storchen, 5 (mal) ze schreiben.
Wir Johann Jacob etc. thun mit disem unserm
offnen mandat khundt unnd zu wissen aller
menigclich: Nachdem durch das püchßen
schiessen, so alhie in unnser stat Salzburg, in der
Trä- und Kirchgassen, auch ennhalb der pruggen,
schier täglich beschicht, nit allain die Clausraben
unnd Storchen aus iren stendten geschröckht
unnd verjagt werden, sonnder auch solches
schüessen der schwachen personen, auch der
schwanngern frauen halben
seer geferlich, so haben
weillendt unnsere vorfordern
löblicher gedechtnuß unnd auch
wir deßhalben gleichwoll järlich
offne mandat oder bevelch zu
abstellung sölches schüessens
ausgeen unnd an die haubt thör
alhie anschlagen lassen. Aber
dessen alles unangesehen
befinden wir, durch anderer
glaubwirdigen bericht unnd
unser selbs gewisse erfahrung,
das solches unserm verbott
bißheer wenig gelebt oder nachganngen worden, deßhalben wir dann gegen den verbrechern
und ungehorsamen ain billichs ungnedigs mißfallen tragen und ist darauf unser ernstlicher
bevelch, das sich nun hinfüran (?) niemand, er sei geistlich, weltlich, hofgesindt, burger oder
inwohner, hohes oder nidern standts, niemandt ausgenomen, unterstee, in der Trä- oder
Kirchgasse, bevorab aus den wierths- oder andern heusern am Münchperg unnd Rüetenburg
186
aus püchßen sonderlich in die wandt des Münchpergs nach den Clausraben oder
Storchen noch andern gefigel mit nichte zu schiessen, bei vermeidung unserer schweren
straff unnd ungnad. Dann wo jemandt, er sei burger, inwohner alhie oder frembder aus den
heüsern oder sonst gegen dem Münchperg schiessen unnd solch unser verboth verachten oder
übertretten wurden, darauf wir dann unser sonders acht und khundtschafft verorndt haben, der
solle nach ungnaden darumben gestrafft werden. Darnach hab sich ain jeder zu richten und
sonderlich die wierth und andere in der Trägassen wonendt für sich unnd ire gößt vor straff zu
verhüetten. Geben und mit unserm fürgedruckhten secret verförttigt in unser stat Salzburg, den
28. Martii anno (15)78.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1531, 1558 März 11 und 1584 April 10 sind
bekannt (siehe dort für weitere Informationen).
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, S. 471f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25f.;
Tratz, Kenntnis, 1960/61, S. 87f.;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67;
Gruber, Storchennester, 2019: Link (mit Abschrift).
Herzlichen Dank für die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger Landesarchiv.
187
1579: Theophilus Golius, Onomasticon latino-germanicum
Textquelle (lexikalische)
Theophilus Golius, Onomasticon latino-germanicum, Straßburg 1579 (VD 16, G 2635 = H
4793 – Digitalisat)
In Sp. 291 (irrig als „192“ bezeichnet) dieses
Wörterbuches steht im Abschnitt über die Vögel
(Avium varia: genera) nach dem Wortpaar „Corvus –
rapp“:
Corvus sylvaticus – waldrapp.
Ein identisches Wortpaar bietet bereits 1556
Johannes Frisius (siehe dort). Nachdem Conrad
Gesner (1555/1557) sein Vogelbuch veröffentlich
hatte und bei Frisius’ Wörterbuch den
entsprechenden Abschnitt verantwortete, bieten
lexikalische Quellen, die auf das Deutsche und
Lateinische beschränkt sind, in der Regel keinen
neuen Erkenntnisgewinn. Vor allem auf die
Aufzählung weiterer Auflagen wird daher verzichtet.
Den Hinweis auf den Golius verdanke ich Josef
Feldner.
188
1580–1620: Freskenreste im Refektorium des Klosters Murrhardt
Bildquelle
Murrhardt (Württemberg), Freskenreste im Refektorium des Klosters (heute
Gemeindesaal)
Burckhardt, S. 8 (Bild) und S. 11 (Text) stellt, freilich
ohne jeden Nachweis, eine Detailabbildung eines
schwarzen Vogels vor. Er deutet den Kontext des
1972 aufgedeckten Freskos im Refektorium des
ehemaligen Benediktinerklosters in Murrhardt in
Württemberg als zur Fastenzeit erlaubte Speisen.
Burckhardt erkennt, dass der Vogel auf einem Ast
säße. Dies ist an Hand der beigegebenen Abbildung
kaum zu beurteilen, wäre jedoch auf Grund der aus
dem Ungarischen bekannten Sprichworte
bemerkenswert (siehe bei 1598).
Nach heutigem Wissenstand muss die Darstellung
aus dem Quellenkorpus zum Waldrapp gestrichen
werden, da keine ausreichende Ähnlichkeit des
Vogels mit dem Waldrapp nachweisbar ist.
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65 (erwähnt die Beschreibung der Waldmalerei in Adam
Adami, Traditiones murense [1648] [für mich bibliographisch nicht nachvollziehbar]);
Jochen Hölzinger, Darstellung des Waldrapps (Geronticus eremita) im ehemaligen Kloster
Murrhardt aus dem 16. Jahrhundert, in: Ökologie der Vögel 34 (2012), S. 67–74 <noch
ungeprüft>;
Stephan Burkhardt, Der Waldrapp – ein Phönix aus der Asche, in: Terra plana 2013, S. 3–16,
bes.S. 8 (Bild) und S. 11 (Text).
189
1581: Marx Rumpolt, Ein new Kochbuch
Bild- und Textquelle (Kochbuch)
Marx Rumpolt, Ein new Kochbuch (…), Frankfurt am Main 1581 (VD 16, ZV 13440 –
Digitalisat)
Auf fol. 65r wird von Speisen berichtet, die Fleisch vom
„Drappen“ nutzen:
Vom Drappen seindt fuenfferley Speiß und Trachten zu
machen. (es folgt der Holzschnitt)
1. Mit einer braunen Brueh warm gebraten oder
trucken.
2. In Pasteten kalt lassen werden.
3. Von einem gebratenen Drappen die Brust
genommen, halb gehack darauß gemacht, ein sauren
frischen Limoniensafft darein gedruckt, oder fein breit
geschnitten, und darmit auffsieden lassen sampt der
braunen Brueh, so ist es gut und wolgeschmack. Und
ein solches gehack kanstu zurichten auff vielerley
manier, es sey saur oder nicht. Auß der andern halben
Brust kanstu auch gestossens machen.
4. Kanst auch den Drappen zurichten schwartz oder
gelb, auff ungerisch.
5. Du kanst auch den Drappen zurichten, wie von einem Schwan, in einer Gallrat, daß sie
allerley farb hat, es sey gelb, gruen, rot, weiß, braun oder Leibfarb, auch schwartz mit Mandeln,
die uberzogen seind von allerley farb und die Gallart damit belegt, ist es gut und ein schoen
Schawessen.
Die Rezepte weisen keine Besonderheiten auf, die Rückschlüsse auf das verwendete Fleisch
zulassen. Die Benennung als „Drappen“ ist zu wenig spezifisch, die Verbindung zum Waldrapp
ergibt sich einzig aus der Vorlage des Holzschnitts zwischen Überschrift und eigentlichem Text.
Dieser wiederholt das Gesner‘sche Vorbild (siehe bei 1555/1557) seitenverkehrt, vergröbert und
verkleinert.
Rumpolts Kochbuch ist daher nicht geeignet, das Aussterben oder den Bestandsrückgang des
Waldrapps mit dem Verzehr des Fleisches zu begründen.
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 13;
Schenker, Waldrapp, 1981, S. 6f. (mit Abbildung aber ohne weiterreichende Informationen);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 63f.
190
1581/1590: Missale für Kardinal Andreas, Sohn von Erzherzog Ferdinands
Bildquelle
Wien, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Cod. 1784:
Missale für Kardinal Andreas, Sohn von Erzherzog Ferdinands (von Tirol)
Das Missale wurde in Innsbruck
geschrieben, die hier relevante
malerische Ausstattung durch
Joris Hoefnagel erfolgte vor
allem in München, denn der
Maler war dort als Hofmaler
engagiert.
Auf fol. 102v (originale
Paginierung: 124) beginnt das
Offizium zum Sonntag
Sexagesima, das mit einem Bild
eines Gartens im bas de page
hervorgehoben ist. Mittig sind
drei Vögeln auf einem Weg
dargestellt.
Killermann und Strohl,
identifizieren den Vogel links
vorne als Waldrapp.
Bemerkenswert ist, dass der
Waldrapp beim Picken im
Boden gezeigt wird, die Länge
des Schnabels und der Beine
führen – wie es dem Naturvorbild entspricht – zu einer weitgehend horizontalen Körperhaltung
(ich danke Bernhard Gönner für diese Beobachtung).
Die Darstellung ist offensichtlich von Gesners Vorbild (siehe bei 1555/1557) unabhängig, es
wird jedoch erneut ein jugendliches Tier dargestellt. Killermann diskutiert, ob der Vogel rechts
als Weibchen des Waldrapps oder als Alpenkrähe anzusprechen sei.
Einige Jahre früher (siehe bei ca. 1575/80) folgte Hoefnagel bei der Darstellung des Waldrapps
noch der Vorlage Gesners. Ob man aus der Art der Darstellung folgern kann, dass ein
domestizierter Waldrapp dargestellt wurde, liegt zwar nahe, bedarf aber noch weiterer Studien.
191
Der Dekor des Missales verschmilzt tiefsinnige Emblematik mit exzessiv naturalistischen
Darstellungen. Dies ist für die Spätphase der Buchmalerei ein häufiges Phänomen.
Zur Handschrift: http://data.onb.ac.at/rec/AC13947333 (mit SW-Digitalisat);
https://manuscripta.at/?ID=6491
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 276–278 (mit Abbildung);
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 523–525;
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 323f.;
Andreas Fingernagel, Nr. 31: Missale für Kardinal Andreas „von Österreich“, in: Natur und
Kunst, 1995, S. 105–107 (ohne Erwähnung des Waldrapps);
Thesaurus Austriacus, 1996, S. 244 (ohne Erwähnung des Waldrapps);
Pegoraro, Waldrapp, 1996, S. 28;
Martin Roland, Nr. 288: Joris Hoefnagel, Missale für Kardinal Andreas, in: Arthur Rosenauer
(Hg.), Spätmittelalter und Renaissance (Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 3),
München u. a. 2003, S. 162 und 545f. (ohne Erwähnung des Waldrapps);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 68f.
192
1584 April 10: Verordnung des Salzburger Erzbischofs
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Hofrat Catenichl 27 (1584)
Auf foll. 58r–60r: Ausschreiben [des Salzburger
Erzbischofs Johann Jakob Kuen Belasy] von
wegen der Claußraben und Storchen, Sechs mall
ze senden ze schreiben (also in sechsfacher
Ausfertigung herzustellen).
Wir Johann Jacob etc. thun mit disem unnserm
offnen manndat khundt unnd zu wissen aller
menigclich: Nachdem durch daß
puchsenschuessen, so alhie in unnser haubtstat
Salzburg, in der Trä- unnd Khirchgassen, auch
ennthalb der pruggen, schier täglich beschicht,
dardurch nit allain die Claußraben unnd Storchen
auß ieren stenndten geschröckht unnd verjagt
werden, sonnder auch solches schuessen der
schwachen personnen unnd der schwanngern
frauen halben seer geferlich. So
haben weillend unnsere
vorfordern loblicher gedechtnuß
unnd auch wir deßhalben
gleichwoll järlich offne manndat
unnd bevelch zu abstellung
solches schuessens außgeen
unnd ahn die statthor alhie
anschlagen lassen. Aber
dessen alles unnangesechen
befinden wir, durch annder
glaubwurdigen bericht unnd
unser selbs gewisse erfahrung,
daß solchem unnserm verpott
bißheer wenig gelebt oder nachganngen worden, deßhalben wir dann gegen den verbrechern
unnd ungehorsamen ain billichs ungnedigs mißfallen tragen unnd ist darauf unnser ernnstlicher
193
bevelch, das sich nun hinfüran
niemandts, er sey geistlich,
welltlich, vom adl, hofgesindt,
burger oder inwohner, hoch
oder niders stanndts, niemanndt
außgenommen, unnderstet, in
der Trä- oder Kirchgasse,
bevorab auß den würths- oder
anndern heusern am
Münichperg oder Riettenburg
auß püchsen sonderlich noch
auch sonst auff dem Grieß alda
vil personen hin unnd wider in
den gärtten daselbs gelegen geen auch die weibs-personen an dem waschen sein und schaffen
bei in die wanndt deß Münichpergs nach den Claußraben oder Storchen noch andern
gefligl zue vermeidung unnserer unserer schweren straff unnd unngnadt. Dann wo yemanndt,
er sey geistlich, vom adl, hofgesindt, burger, innwohner oder fremder auß den heusern oder
sonnst gegen dem Münichperg schüessen unnd solch unnser verbott verachten oder übertretten
wurden. Darauf wir dann unnser sonnder acht und khundtschafft bestöllt haben oder solle nach
unngnaden den darumben gestrafft werden. Darnach hab sich ain yeder zu richten unnd
sonnderlich die würth unnd anndere in der Trägassen auch anndern ortten wonendt für sich
unnd ire gößdt vor straff zu verhuetten. Geben und mit unserm hie fürgedruckhten secret
verferttigt in unnser stat Salzburg, den zehenden Aprilis anno (15)84.
Vergleichbare Verbote aus den Jahren 1504 Juni 3, 1531, 1558 März 11 und 1578 März 28 sind
bekannt (siehe jeweils dort). Im hier behandelten Catenichl 27 (1584) findet sich offenbar
letztmals beim Gebot, das Schießen zu unterlassen, der Bezug auf die Klausraben (Waldrappe).
Ab Catenichl 29 (1586), foll. 207r–208r, fehlt dieser (Information Hubert Schopf). Daraus ergibt
sich ein recht konkreter Hinweis, ab wann in Salzburg die Existenz (bzw. die Erinnerung an die
Existenz) des Waldrapps zu Ende ging.
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, S. 471f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 25 (nur Hinweis);
Gruber, Storchennester, 2019: Link (bloß Erwähnung).
Herzlichen Dank für die Bilder an Hubert Schopf von Salzburger Landesarchiv.
194
1586: Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft ...
Text- und Bildquelle
Johannes Stumpf, Gemeiner Loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren
Chronick wirdiger thaaten beschreibung, Zürich 1586 (VD 16, S 9865 – Digitalisat)
Die für den Waldrapp relevante Stelle auf fol. 561v entspricht bis auf typographische
Minimalitäten der Erstauflage von 1548 (siehe bei 1548). Dort finden sich auch weitere
Informationen. Es wird immer derselbe Holzschnitt verwendet.
195
1586: Martin Ruland, Dictionariolum et nomenclatur
Textquelle (lexikalische)
Martin Ruland, Dictionariolum et nomenclatura germanico latino greca omnium rerum et
locutionum usitarum (…), Augsburg 1586 (VD 16, R 3662 – Digitalisat)
Auf S. 860 dieses in Themenfelder gegliederten und
erstmals nach deutschen Begriffen geordneten
Wörterbuches steht im Abschnitt über die Vögel nach
dem Wortpaar „Rapp – Corvus – κόραξ“:
Waldrapp – Corvus sylvaticus – κόραξ ἄγριος.
Der Wert dieses von den aus Basel stammenden Arzt
Martin Ruland (1569–1611) verfassten Wörterbuches
liegt sowohl in seiner Anordnung nach deutschen
Begriffen als auch in der Hinzufügung des griechischen
Begriffs, der – wenn ich recht sehe – hier erstmals
auftritt.
Corax agrios (von ἀγρός [Feld]) ist als Begriff für mich
bisher nicht nachweisbar. Für den Waldrapp ist bisher
bloß „Φαλακροκόραχ“ (siehe bei nach 1555 und vor ca.
1560) für mich bekannt.
Das lateinisch-deutsche Wortpaar bietet Johannes Frisius bereits 1556 (siehe dort).
Den Hinweis auf Martin Ruland verdanke ich Josef Feldner.
196
1590: Fabricius Balázs, Nomenclatura seu dictionarium
Textquelle (lexikalische)
Fabricius Balázs, Nomenclatura seu dictionarium Latino-Ungaricum ..., Debrecen 1590
Zwischen dem Lemma „Cornix – Variu“ und „Cuculus, Coccix, Babellus – Kakuk“ findet sich der
hier relevante Eintrag: „Cornix nigricans – Fekete tar variu“
Fekete bedeutet „schwarz“, variu bedeutet „Rabe / Krähe“. Julius Németh übersetzt „tar“ mit
„bunt“, was gut zum schimmernden Gefieder des Waldrapps passen würde und sieht bei der
Wortschöpfung türkische Wurzeln. Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48, übersetzt „tar variu“
hingegen mit Kahlrabe.
Zu den erheblichen lexikographischen Unsicherheiten siehe auch die Einträge zu 1550 und
1561.
Der Wortbestand geht auch in Hieronymus Megiser, Dictionarium quatuor linguarum, über; vgl.
die Digitalisate der Ausgaben von 1629, S. 155, bzw. 1641, S. 155.
Vergleiche die Edition des Textes: János Melich, Szikszal Fabricius Balázs, Latin-magyar
Szójegyzéte, 1590-ből, Budapest 1906, S. 45, bzw. das Digitalisat der Ausgabe von 1593,
S. 65.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 48;
J(ulius) Németh, Eine Benennung für scheckige Tiere bei Türken und Ungarn, in: Acta
Linguistica Academiae Scientarum Hungaricarum 15 (1965), S. 79–84.
197
1590/1600: Randillustrationen zu: Pier Candido Decembrio, De omnium
animantium naturis atque formis
Bild- und Textquelle
Rom / Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Urb lat. 276:
Randillustrationen zu: Pier Candido Decembrio, De omnium animantium naturis atque
formis (Digitalisat)
Der Text des Pier Candido Decembrio (Petrus
Candidus Decembrius – 1399–1477) ist nicht
nach 1460 entstanden (dazu siehe bei 1460,
nicht nach).
Das Werk ist nach Gruppen aufgebaut, innerhalb
derselben alphabetisch. Der Ibis ist Teil des
zweiten, den Vögeln gewidmeten Buches und
wird auf foll. 98v–99v behandelt. Die Illustration
auf fol. 99r (Killermann, Tafel 5 [Abb. 10]) folgt
(wie zahlreiche andere Illustrationen), wie bereits
Killermann, S. 172 und 217, richtig erkannte, dem
von Conrad Gesner vorgegebenen Typus (siehe
bei 1555/1557).
Als unmittelbar auf Gesner zurückgehend erweist
sich die Illustration durch den leicht angehobenen
einen Lauf, die jugendliche Gestalt des Waldrapps und durch den leicht geöffneten Schnabel.
Neben dem Holzstich bei Gesner ist vor allem auf die Illustration im angeblichen Gebetbuch der
Philippine Welser hinzuweisen (siehe bei wohl nach 1564 (3. Drittel 16. Jahrhundert)), auch die
Illustration in Manfred Barbarini Lupus, Vierstimmige Gesänge, ist sehr verwandt (siehe bei
1562). Es erweist sich, dass Gesners Holzschnitt stark rezipiert wurde, keineswegs nur im
Bereich der Ornithologie.
Cynthia Pyle schreibt die in den Ms. Urb. lat. 276 nachgetragenen Randillustrationen dem
Manuaner Künstler Teodoro Ghisi (1536–1601) zu. Als Datierung gibt sie das letzte Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts an (z. B. Pyle, Art and Sience, 1994, S. 268). Die Vorlagen übernimmt der
Maler, so wie im hier relevanten Beispiel auch, vor allem aus gedruckten Werken. Er war aber
andererseits auch für Ulisse Aldrovandi (siehe bei 1603) tätig (Pyle, Art and Science, S. 291).
Die Illustrationen zu dessen Werk haben jedoch keinen Einfluss auf die Randillustrationen, die
daher, wie Pyle sicher zu Recht vermutet, älter sein müssen als die Publikation Aldrovandis
(Pyle, Art and Science, S. 304–313).
198
Über die Provenienz des Urb. lat. 276 zwischen seiner Dedikation an Lodovico III. Gonzaga,
Markgraf von Mantua, und seinem Wiederauftauchen in der Sammlung in Urbino 1632 ist wenig
bekannt (Pyle, Art and Science, S. 299). Die Zuschreibung, die darauf aufbaut, dass der Codex
in Mantua verblieb, bleibt daher unsicher.
Zu Urb. lat. 276 siehe: http://www.mss.vatlib.it/guii/console?service=shortDetail&id=1259
(Katalogisat) und https://digi.vatlib.it/view/MSS_Urb.lat.276 (Digitalisat),
https://digi.vatlib.it/mss/detail/Urb.lat.276 (Bibliographie)
Sebastian Killermann, Das Tierbuch des Pier Candido Decembrio (Petrus Candidus
Decembrius: 1399–1477) geschrieben 1460, gemalt im 16. Jahrhundert (Codex Vaticanus
Urb. lat. 276.), in: Zoologische Annalen 6 (1914), S. 113–221, Tafel 1–8.
Cynthia M. Pyle, Das Tierbuch des Petrus Candidus. Codex Urbinas latinus 276, Faksimile und
Begleitband (Codices e Vaticanis Selecti, LX), Zürich 1984;
Cynthia M. Pyle. Harvard MS Richardson 23: A «Pendant» to Vatican MS Urb. lat. 276 and a
Significant Exemplar for P. C. Decembrio's Opuscula historica, in: Scriptorium 42 (1988),
S. 191–198;
Cynthia M. Pyle, Some late sixteenth-century depictions of the aurochs (Bos primigenius
Bojanus, extinct 1627): new evidence from Vatican MS Urb. lat. 276, in: Archives of
Natural History 21 (1994), S. 275–288;
Cynthia M. Pyle, The Art and Science of Renaissance Natural History: Thomas of Cantimpré,
Pier Candido Decembrio, Conrad Gessner, and Teodoro Ghisi in Vatican Library MS Urb.
Lat. 276, in: Viator 27 (1996), S. 265–321.
Giuseppe Castelli, Codice Urbinate Latino 276. La miniatura, in: Marisa Laveroni (Hrsg.),
Animalia Prodigiosa, elementi di storia naturale e aspetti prodigiosi in de omneum
animantium naturis atque formis di Pier Candido Decembrio, Vigevano 2001, S. 64–85
(noch nicht geprüft);
199
1591: Simon Ostermann, Vocabularium analyticum
Textquelle (lexikalische)
Simon Ostermann, Vocabularium analyticum ad augendum pariter linguae latinae usum &
verum cognitionem studiosis, Lauingen 1591 (VD 16, O 1394 – Digitalisat)
Auf S. 331 findet sich der auf den Waldrapp
bezügliche Eintrag:
Ibis Pelusiaca, seu nigra, ein schwarzer Ibin, vulgo,
ein Steinrapp, nisten vil in einem hohen runden
felsen bey Salzburg an der stat, mansuescunt et
habentur in hortis, ut eos a serpentibus, lacertis,
ranisque purgent.
Der Eintrag steht im Abschnitt „De avibus“ dieses
Wörterbuches. Für die Identifikation mit dem
Waldrapp spricht vor allem der Nachweis, dass
dieser an den angegebenen Stellen in Salzburg
tatsächlich nistete (letztmalige Nennung 1584 April
10) und dass die Nahrung, die hier angegeben
wird, mit jener übereinstimmt, die für den Waldrapp
genannt wird. Steinrabe wird bei Gesner (ab 1555 –
siehe bei 1555/1557) als eine Benennungsmöglichkeit genannt, bei Cordus (siehe bei 1561
(recte wohl nicht nach 1544)) ist es sogar die einzige (siehe jeweils dort). Schon 1441 / 1471
kommt die Bezeichnung in Baumburg vor. Im lexikalischen Bereich ist der Steinrabe ab 1517
(siehe dort) nachweisbar.
Ostermann referiert mit dem Toponym „Pelusium“ (Ort im östlichen Nildelta – heute: Tell elFarama) auf Plinius den Älteren, der in seiner Historia naturalis schreibt: „Ibis circa Pelusium
tantum nigra est, ceteris omnibus locis candida.“ (Lib. 10, Cap. 45). Grundlage für Plinius war
Aristoteles, Historia animalium, Lib. 9, cap. 27 (vgl. Schnieders, S. 831f.).
Auf dieser Stelle von Aristoteles beruht auch eine Verbindung zum Waldrapp, die zwischen dem
1460 entstandenen Text des Pier Candido Decembrio (siehe bei 1460, nicht nach) und der viel
später ergänzten Illustration in Ms. Urb. lat. 267 (siehe bei 1590/1600) durch den Illustrator
hergestellt wurde.
In der Zusammenschau der lexikographischen Belege zeichnet sich Ostermann durch vielfältige
Quellen aus, die kompakte und vergleichsweise zuverlässliche Informationen über einen Vogel
200
bieten, der zum Zeitpunkt des Erscheinens des Vokabulars wohl nur noch an ganz wenigen
Orten Europas anzutreffen war.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 541;
Killermann, Waldrapp, 1912, S. 270;
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 522f.;
Moewes, Vom Klausraben, 1929, S. 28;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 16;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67;
Aristoteles, Historia animalium, Buch VIII und IX, übersetzt und erläutert von Stefan Schnieders,
Berlin, Boston 2019, S. 831–833 (zu Lib. 9, cap. 27).
201
1592: Helfrich Emmel, Sylva quinquelinguis vocabulorum
Textquelle (lexikalische)
Helfrich Emmel, Sylva quinquelinguis vocabulorum et phrasium germanicae, latinae,
grecae hebraicae gallicae linguae, Straßburg 1592 (VD 16, E 1069 – Digitalisat; Digitalisat)
S. CC 3: „Rab / Rapp – Corvus“ und anschließend als
Unterbegriffe: „Corvus sylvaticus – Waldrab / Steynrab
(...)“.
Der einzige Wert dieser lexikalischen Quelle besteht
darin, dass Waldrab und Steinrab als Synonyme
verstanden werden. Auch die parallele Verwendung
von „-rab“ und „-rapp“ tritt auf.
Ein anderes lexikalisches Werk Emmels wird bei
einem Eintrag zum Jahr 1598 erwähnt.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376.
202
1592: Gergely Diosi, Cisio
Textquelle (literarische)
Gergely Diosi, Cisio magyar nyelven és az égh iarasanac és czillagoknak kuoloembkuoloemb természetinec follyasaból való Practica. Mellybl gyermekeknek születeseknec
természetek és az napoknak minólta megisniertetnec. Azaz: Magyar Planétás Kónyv.
Invisibilia Dei Perca quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur, Kolozsvár 1592.
(Cisio in ungarischer Sprache und Praktik der Bewegung des Himmels und der
verschiedenen Eigenschaften der Gestirne. Woraus die Natur, die Geburt der Kinder und
die Bedeutung der Tage erkannt werden. Das ist: Ungarisches Planetenbuch. Invisibilia
Dei Perca quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur.) – Digitalisat
Auf S. 57 stehen Wetterregeln mit
Erwähnung des Kahlraben:
Az Tar varyu ha feredic, és azután tétoua
sétál és kiált, es lészen, ha az koeen az viz
mellett kiált, esőt iegyez.
Ha gyorsan egymás vtan kettot vagy harmat
szól, szélveszet hoz.
Ha reggel zajog, tiszta vodot, ha estue zajog,
szomoru esoet vagy szelet.
Wenn der Kahlrabe (Tar varyu) badet und
dann hin und her geht und ruft (kiált), wird es
regnen; wenn er am Wasser auf dem Stein
sitzt und ruft, zeigt er Regen an. – Wenn er
zwei oder dreimal schnell nacheinander
schreit (szól), bringt er Sturm. – Wenn er in
der Frühe lärmt, bringt er klares Wetter, wenn er abends lärmt, bringt er traurigen Regen oder
Wind.
Nach seinen 1903 veröffentlichten Belegen für den Kahlraben (Waldrapp) in ungarischen
Sprachquellen des 16. Jahrhunderts (siehe vor allem unten bei 1598) reicht Herman 1907 einen
weiteren Beleg nach, diesmal nicht eigentlich Sprichworte, sondern Wetterregeln. Die
Verhaltensweisen, die dem Vogel zugeordnet werden, sind, das erkennt auch Herman an, nicht
besonders typisch für den als Felsbewohner bekannten Waldrapp.
Otto Herman, Még egyszer a tarvarjúról. (Geronticus eremita |Lin.]) – Noch einmal über den
Kahlraben (Geronticus eremita [Lin.]), in: Aquila 1907, S. 33–41.
203
1593: Ladislaus Welenus von Zierotin, Itinerarium
Textquelle (chronikale)
Rom / Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 613:
Ladislaus Welenus (Velen) von Zierotin (Zerotein), Itinerarium / Reisebericht
Auf foll. 55v–56r wird zu 1593 über einen Turm in Breisach berichtet, der Waldrappen als
Aufenthaltsort dient:
13 Decembris postquam Doctori Grynaeo et reliquis amicis valedixissem navem onerariam
conscendi et Basilea discessi comitante me Domino comite Hannovio, et eius praefecto Ottone
Stralendorffio. Fuit illo die serenum coelum ita ut post horam secundam Brisacum veniremus,
cum prius oppidum lnnstein et arcem, huius nominis, in saxo extructam, ut et Neuburgum, ubi
vectigal exsolvebant nautae, praeter ivissemus. Brisaci arcem et ejus conclavia nec non ex
quadratis lapidibus quadratam turrim vidimus, quam aedificasse dicunt Rudolphum primum
lmperatorem. In illa turri aves habitant nigrae, quas appelant waldtrappen, habentes longa
rostra flava et longos pedes, perinde ut ciconiae, cum quibus etiam abeunt et redeunt, ita
ut existimem esse nigras czcomas. (Schenker, Breisach, 1975, S. 37f. – Hervorhebung: MR)
Übersetzung (Schenker): Nachdem ich mich von Doktor Grynaeus und den übrigen Freunden
verabschiedet hatte, bestieg ich am 13. Dezember ein Lastschiff und brach von Basel auf, wobei
mich Herr von Hanau als Gefährte begleitete, und sein Betreuer Otto Stralendorff. Der Himmel
war an jenem Tag so heiter, dass wir zur zweiten Stunde nach Breisach kamen, nachdem wir
zuvor an der Stadt Istein und an der Burg dieses Namens, welche auf einem Felsen erbaut ist,
wie auch an Neuenburg, wo die Schiffsleute die Steuer bezahlten, vorbeigefahren waren. In
Breisach sahen wir die Burg und ihre Gebäulichkeiten und auch den viereckigen Turm aus
Quadersteinen, den Kaiser Rudolf von Habsburg erbaut haben soll. In jenem Turm wohnen
schwarze Vögel, die sie Waldtrappen nennen. Sie haben lange rötlichgelbe Schnäbel und
lange Füsse wie Störche, mit denen sie auch weggehen und wiederkommen, so dass ich
glaube, dass es schwarze Störche sind.
Schenker argumentiert, dass Zierotin im Dezember in Breisach die Waldrappe als Zugvögel
nicht gesehen haben könne. Dieses Argument wird jedoch hinfällig, wenn Zierotin mit
domestizierten Exemplaren zusammentraf. Eine vergleichbare Vermutung hat sich schon bei
einem Züricher Beispiel von 1535 ergeben (siehe bei 1535 Juli 15). Schenker, 1975, S. 38,
vermutet hingegen, die Bewohner der Burg hätten dem Reisenden bloß von Bemerkenswertem
erzählt und dabei berichtet, dass im Sommer in der Burg Waldrappen hausen würden.
Vgl. auch die bei 1191 (Überlieferung 1587) stehenden Angaben zu Breisach.
Schenker, Breisach, 1975, S. 37–43, passim (Text S. 37f.);
204
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 15;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 65f.;
Landmann, Bestandsschutz, 2015, S. 172f. (sehr kritisch);
Schenker, Replik, 2017, S. 130f.
205
1594: Nicodemus Frischlin, Nomenclator trilinguis
Textquelle (lexikalische)
Nicodemus Frischlin, Nomenclator trilinguis graeco latinogermanicus continens omnium
rerum (…), Frankfurt/Main 1594 (VD 16, F 2949 – Digitalisat)
Auf S. 109 dieses nach griechischen Begriffen
geordneten Wörterbuches steht im Abschnitt über die
Raubvögel (!) nach Κοράξ – Corvus – Rapp/Rap:
κόραξ ὄρειος – Corvus montanus – Steinrapp/Scheller.
Die Begrifflichkeit weicht, bemerkenswerter Weise, von
jener des 1586 von Martin Ruland verfassten
dreisprachigen Wörterbuches ab (siehe dort).
„Steinrapp“ ist schon im 15. Jahrhundert als Begriff
belegt (siehe bei 1441 und 1471). Zu seinem Auftreten
in Wörterbüchern siehe bei 1517.
„Steinrapp“ und „Scheller“ sind bei Conrad Gesner
(siehe bei 1555/1557) belegt, der wie Josef Feldner in
seinem Hinweis, für den ich sehr herzlich danke, bereits
anmerkt, als Quelle zu vermuten ist.
Der Begriff „Corvus monatanus“ ist hier neu und
Frischlin bietet, was doch erstaunt, keine Alternativen, die mit Corvus sylvaticus naheliegend
und allgemein gebräuchlich waren. Trotzdem war wohl Gesner die Anregung, bei dem zu lesen
ist: Waldrapp, id est corvus sylvaricus, quod locis sylvosis, montanis et desertis degere soleat.
Auch der griechische Begriff ist offenbar neu und weicht von Ruland ab, der „κόραξ ἄγριος“
verwendet.
Frischlins ungewöhnliche Zusammenstellung hat Daniel Adam z Weleslavína (Adamus
Danielus, dessen Wörterbuch 1598 erschien, beeinflusst.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 46.
206
1598: Johann Decsi, Adagiorum graeco latino ungaricorum Chiliades
quinque
Textquelle (literarische)
Johann Decsi von Baranya, Adagiorum graeco latino ungaricorum Chiliades quinque,
Bartfeld / Bardejov / Bártfa / Bartphae 1598 – Digitalisat
Auf S. 79 steht das ungarisches Sprichwort „Egyébkorís
láttam én ágon tàr variút“ (Auch sonst sah ich den
Kahlraben auf dem Ast) – als sinngleiche Neuschöpfung
nach Decsis lateinischem Text: „Complurium Thriorum
ego strepitum audivi.“
Der lateinische Text folgt Erasmus von Rotterdam. In den
Collectanea adagiorum, Paris 1500 (GW 9374), ist er
noch nicht enthalten, sondern erst in der Ausgabe
Venedig 1508: Adagiorum Chiliades tres (Digitalisat) auf
fol. 109v.
Die Sinnspitze charakterisiert Herman so: Wer davon
redet, dass er sonst, heute oder wann immer den
Kahlraben (so die deutsche Übersetzung von tarvariú) auf
einem Ast gesehen habe, der redet leeres Geschwätz,
denn der Kahlrabe lässt sich auf
keinem Ast nieder: Wer aber
will, dass man ihn nicht für
einen eitlen Schwätzer halte,
der soll nicht von Kahlraben
reden, die auf Ästen sitzen.
Denn jeder weiß ja, dass ein
Kahlrabe als Bewohner von Felsen niemals auf einem Ast sitzt. Herman meint, dass sogar die
Anatomie der Beine des Kohlraben dies unmöglich machen würde. Und hierin ist auch für die
eitlen Schwätzer die Warnung inbegriffen, dass man ihnen nachsagt: „Ich habe auch sonst
einen Kahlraben auf einem Ast gesehen“, das heisst: Ich habe auch sonst leere Drohungen und
leeres Geschwätz gehört. Wie, so der lateinische Text, das brennende Feigenlaub, das zwar
prasselnd brennt, aber keine Glut hinterlässt, oder wie das leere Gerassel mit den Kieselsteinen
der Wahrsager, das keinen Gehalt hat.
Herman schließt, dass der Vogel und sein Verhalten allgemein bekannt waren, sonst hätte ja,
was durchaus nachvollziehbar ist, das Sprichwort seine Wirkung nicht entfalten können. Wenn
207
freilich – wie eine 1561 entstandene lexikalische Quelle nahelegen könnte – „Tarvariu“ bloß
„Krähe“ bedeutet, verliert das Gedankengebäude Hermans seinen Halt (vergleiche zwei
entsprechende Einträge zu 1561).
Johann Decsi (1560–1601) war einer der wichtigen reformierten Geistlichen in Siebenbürgen,
seine Bedeutung liegt auch bei seinen sprachwissenschaftlichen Interessen (vgl. Reformierte in
der Baranya: https://www.academia.edu/41692122), er ist auch als (erster) Sammler
ungarischer Sprichworte bekannt. Als Erstinformation
https://en.wikipedia.org/wiki/J%C3%A1nos_Baranyai_Decsi bzw. viel ausführlicher auf
Ungarisch: https://hu.wikipedia.org/wiki/Baranyai_Decsi_J%C3%A1nos.
Herman, Kahlrabe, 1903, S. 35–65, zu Decsi S. 48–50;
Dávid Fokos, Láttam én már karón varjút (Ich sah auf einem Ast einen Raben), in: Magyar
Nyelvőr 67 (1938), S. 109–113, bes. S. 109.
208
1598: Adamus Danielus, Nomenclator quadrilinguis
Textquelle (lexikalische)
Daniel Adam z Weleslavína (Adamus Danielus), Nomenclator quadrilinguis,
Boemicolatino-Graecogermanicus – Digitalisat
Col. 198 (Digitalisat 117): Horní krkavec –
Corvus montanus – Κοράξ ὄρειος –
Steinrapp, Scheller
Der Inhalt baut, zumindest in diesem
konkreten Fall, nicht, wie Mlíkovský, S. 180,
vergeschlagen hat, auf Helfrich Emmel,
Nomenclator quadrilinguis, Lationogermanicograecogallicus, Straßburg 1592,
Sp. 136, auf (vgl. ein anderes seiner Werke
bei 1592), sondern auf Nicodemus Frischlin
(siehe bei 1594), dessen Wortbestand
tschechische Begriffe zugefügt wurden. Der
tschechische Begriff ist eine Übersetzung von
Corvus montanus, der – wenn ich recht sehe
– von Frischlin geprägt wurde.
Vor dem Steinrapp steht auch
„Pyrrhocorax (…) Steynkraeh,
Bergdol“, was viele
Unklarheiten aufzeigt.
Mlíkovský vermutet der Autor könnte den Begriff für dieses Wörterbuch erfunden haben und
lehnt – sehr zu Recht – ab, dass man daraus schließen könne, es habe den betreffenden Vogel
in Böhmen gegeben.
Jiří Mlíkovský, Northern Bald Ibis (Geronticus eremita) in the Czech Republic, Poland and
Slovakia: a review of historical records, in: Sylivia 43 (2007), S. 179–185;
Lubomír Hampl, Šwiat awifauny III w polskich i czeskich przekładach Pisma Świętego rodzina
krukowatych – kawka, wrona, kruk, gawron i sójka, Bielsko-Biała 2016, S. 195.
209
1600: Christoph Wirsung, Ein newes Artzney Buch oder Lonicers
Kräuterbuch (?)
Text- und Bildquelle
Christoph Wirsung, Ein newes Artzney Buch (Lonicers Kräuterbuch), Frankfurt 1600
(nicht nachvollziehbare Angaben nach Kumerloeve)
Kumerloeve behauptet, die Abbildung in Wirsungs Publikation (MR: der Autor verstarb bereits
1571) nehme sich Gesners Holzschnitt zum Vorbild, der Text beziehe sich jedoch auf den Ibis.
Dieser Hinweis fehle in der Heidelberger Auflage von 1572 (wohl auf Lonitzers Kräuterbuch –
VD 16, L 2422 zu beziehen) noch.
Welche Publikation Kumerloeve hier vorlag, ist derzeit unklar, denn – zumindest für mich – ist
weder von Adam Lonitzers Kräuterbuch noch von Wirsungs Arznei Buch eine Auflage
nachweisbar, die 1600 in Frankfurt erschienen wäre.
Wirsungs Publikationen haben keine durchgehenden Illustrationen, daher ist wohl Lonitzers
Kräuterbuch gemeint, das durchgehend illustriert ist und als Abschluss auch Tiere (und dabei
auch Vögel) abbildet. In der digital zur Verfügung stehenden Frankfurter Ausgabe von 1582 (VD
16, L 2423 – Digitalisat) kommen ab fol. 336r Vögel vor, auf foll. 342v–343r die Rabenvögel
(jedoch kein Waldrapp). In der digital verfügbaren Ausgabe Augsburg 1630 (VD 17, 29:734808D
– Digitalisat), sind die Vögel ab S. 640 illustriert, die Raben S. 672f. (der Waldrapp ist nicht
erwähnt).
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 323.
210
1601 Dezember 30: Adels- und Wappenbrief für Hans Staininger
Bild- und Textquelle (Wappenbrief)
Braunau am Inn, Bezirksmuseum Herzogsburg, I 64 6:
Kaiser Rudolf II., Adels- und Wappenbrief für den Augsburger Bürger Hans Staininger
Der in Prag ausgestellte Adelsund Wappenbrief von 1601
erneuert (leicht abweichend
blasoniert) die
Wappenverleihung König
Ferdinands I. von 1531 (siehe
1531 Oktober 12 für weitere
Informationen) und nimmt Hans
Staininger und seine
Nachkommen in den
Adelsstand auf.
Das Wappen wird wie folgt blasoniert:
… ein Steinrab mit ofenen Schnabel
vorwärts stehend in seiner Mitte nach
des Schildes Farbenabwechslung.
Das Vollwappen entspricht heraldisch,
bis auf die Helmform dem Vorbild von
1531. Die technische Ausführung,
kolorierte Federzeichnung weicht
jedoch ab.
Das Schriftstück von 1601 ist aus
diplomatischer Sicht höchst
problematisch und keineswegs eine
rechtsgültige Originalausfertigung des
Diploms.
211
Das vorliegende Stück ist zwar
kein Original im juristischen
Sinn, der Inhalt scheint jedoch
echt zu sein, denn Wien,
Österreichisches Staatarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv,
Adelsarchiv, Reichsadelsakten,
Allgemeine Reihe, 405,45,
überliefert Akten zur
Nobilitierung,
Wappenbesserung und
Rotwachsfreiheit (Frank, Standeserhebungen, 1967/74, Bd. 5: Si–Z, S. 41) und bildet auf fol. 4r
auch ein entsprechendes Wappen ab.
Konrad Meindl, Geschichte der Stadt Braunau am Inn, Braunau 1882, S. 90–93 (zum hier
behandelten Stück vor allem S. 91–93 – mit Teiltranskription).
212
1603: Ulysus Aldrovandi, De Avibus Historiae Libri XII
Text- und Bildquelle (ornithologische)
Ulysus Aldrovandi, Historiam naturalem in Gymnasio Bononiensi profitentis,
Ornithologiae. Hoc est De Avibus Historiae Libri XII, Bologna 1603 – Digitalisat;
Digitalisat
S. 261–266: Buch 19, Cap. 55: De corvo aquatico (mit
Abbildung auf S. 263)
S. 267–270: Cap. 56: De Phalacrocorace, sive Corvo
aquatico Plinii (mit Abbildung S. 268: Phalacrocorax
ex Illirico missus bzw. S. 269: Phalacrocorax Bellonii)
S. 270f.: Cap. 57: De Corvo sylvatico (mit Abbildung
S. 270) – dazu unten im Detail.
S. 312: Buch 20, Cap. 3, behandelt die Ibisse. In der
Einleitung wird unter der Überschrift „Synonyma“ bei
Benennungen des Ibis darauf hingewiesen, dass
„in Europa, quod sciam, nomen non habet, nimirum
avis hic ignota, quamquam volunt Gallis dici
corgaleran, vel corbeau galeran: quod nomen forte
corvo sylvatico convenire putandum est, cum quo
213
ibidem nigram Bellonium Ornithologus perperam arbitratur confundere.“
Zu den vom Autor hervorgehobenen Begriffen siehe bei 1573 und bei nach 1555 und vor ca.
1560, wo jeweils Berührungspunkte zum Waldrapp behandelt werden. Auf S. 313 wird der „Ibis
Bellonii“ abgebildet.
In der Ausgabe von 1599 (Digitalisat) kommt der Waldrapp (Corvus sylvaticus) noch nicht als
eigenes Lemma vor.
Aldrovandi bezieht sich beim 1603 neu angefügten Abschnitt über den Corvus sylvaticus, wie
er klar kommuniziert, in Inhalt und Bild auf Gesner. Doch auch der auf S.268 abgebildete
Phalacrocorax ex Illirico missus hat auffallende Ähnlichkeiten mit dem Waldrapp wie Bernhard
Gönner bestätigt. Der lange Schnabel, der nackte Kopf, die (von Gesners Bildtradition deutlich
abweichend dargestellten) Nackenfedern, die Länge der Beine und deren teilweise Befiederung
seien zu nennen. Dass der abgebildete Vogel jedoch seine Beute mit den Füssen fasst,
entspricht nicht dem Naturvorbild.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376;
Schenker, Verbreitungsgebiet, 1977, S. 17;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 70.
214
1606, nicht nach: Marcus zum Lamm, Thesaurus picturarum
Bildquelle
Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Ms. 1971:
Marcus zum Lamm, Thesaurus picturarum, Band 29–31: Aves – Band 31, fol. 102r:
Waldrapp
Der Thesaurus picturarum stellt eine enzyklopedische Quelle dar, die in 32 Bänden und einem
Zusatzband Wissen vor allem in Bildern präsentiert. Die Bände 29–31 sind den Vögeln
gewidmet, einem speziellen Interessensgebiet des vor allem in Heidelberg lebenden Autors
Marcus zum Lamm (1544–1606). Sein Tod bildet einen sicheren Terminus non post quem.
Der Thesaurus versammelt Bilder von 185 Vogelarten. Die genaue Behandlung dieser Quelle
erfolgt beim nächsten Update.
Albrecht Schwan, Dr. Markus zum Lamm († 1606) als Ornithologe, in: Journal für Ornithologie
74 (1926), S. 671–688 (ohne Erwähnung des Waldrapps);
Otto Schnurre, Weitere Beiträge zur Kenntnis des Thesaurus Picturarum von Marcus zum
Lamm, sowie einiger Stadtverordnungen aus dem 14. bis 16. Jahrhundert, in: Journal für
Ornithologie 75 (1927), S. 404–425; der Waldrapp als (Nr.) 102 auf S. 414 erwähnt;
Ragnar K. Kinzelbach und Jochen Hölzinger (Hgg.), Marcus Zum Lamm. Die Vogelbücher aus
dem Thesaurus picturarum, Stuttgart 2000, S. 50–335, zum Waldrapp S. 83–86.
Die Kenntnis auf diese wichtige Quelle verdanke ich Josef Feldner.
215
1606: Johann Rudolf Rebmann, Ein neuw, lustig, ernsthafft, poetisch
Gastmal
Textquelle (literarische)
Johann Rudolf Rebmann, Ein neuw, lustig, ernsthafft, poetisch Gastmal und Gespraech
zweyer Bergen in der loeblichen Eydgnoßschafft und im Berner Gebiet gelegen, Bern
1606 (VD 17, 23:244264X – Digitalisat)
Auf S, 122 steht: Zu hoechst bey uns der Waldrapp
g’birt / der Reiger auch da g’funden wirt.
Der Wert dieser Quelle ist gering, denn sie enthält
keinerlei weitere Hinweise zum Waldrapp. Auch die
Reihenfolge der Verse, die in diesem Abschnitt jeweils
einem Vogel gewidmet sind, scheint keinerlei
Bedeutung zu haben.
Die Einordnung der Quelle ist schwierig. Sie gehört
weder zu den Wörterbüchern noch zum Archivgut und
kann auch nicht als chronikalisch eingestuft werden.
Während die Quelle also im deutschen Sprachraum aus
dem Üblichen herausfällt, gibt es in Ungarn erstaunliche
Parallelen, denn dort fand der Kahlrabe (tarvariu) gar
nicht so selten bei Sprichworten Verwendung (siehe
zum Beispiel bei 1561, 1592 und 1598).
Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13 (Lieferung 7: 1908), Sp. 1180 (neben
Stumpf [1548], Gesner [unter dem Übersetzer Rudolf Heuszlin (1557)] und Guler von
Weineck [1616] zitiert das Wörterbuch auch die Verse aus der zweiten Auflage von
Rebmanns Werk [1620] als Beleg zum Lemma „Waldrapp“).
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376 (nach Grimm);
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 519f. (Anm. 2).
Kumerloeve, Waldrapp, 1978, S. 321f. (Anm. 5).
Den Hinweis auf diese Quelle verdanke ich Josef Feldner.
216
1606: Stumpf, Schweytzer Chronick
Text- und Bildquelle
Stumpf, Schweytzer Chronick, Zürich 1606 (Digitalisat)
Zum Waldrapp siehe fol. 612v (Buch 9, Kap. 21).
Für weitere Informationen siehe bei der Erstausgabe
von 1548. Es wird immer derselbe Holzschnitt
verwendet.
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 375;
Lauterborn, Vorkommen, 1912, S. 540.
217
1608 Oktober 1: Findbuch der Pfleggerichtsakten Golling
Textquelle (archivalische)
Salzburg, Landesarchiv, Findbuch 21-11/06: Pfleggericht Golling 2, Rubrik 51, 2. Bund Nr.
25: Findbuch der Pfleggerichtsakten Golling, Rubrik Oberjägermeisterei:
Die Thurenerische Jagdbeschreibung betreffend, den 1. Octobris 1608
Die hier behandelte Quelle stellt ein archivalisches Findbuch zu einem Akt dar, der nicht
erhalten ist. Der Vergleich mit einem älteren, sehr ähnlichen Akt (siehe bei 1561) macht jedoch
wahrscheinlich, dass der Inhalt weitgehend vollständig ins Findbuch übertragen wurde.
Extract aus dem Stifftlibel, welcher Orten der wohlgeboren Herren zum Thurn, Neuen Peyern
und Au des hochfürstlichen Erzstifft Salzburg Erbschenken, meiner gnädigen und gebuetenden
Herrn, Vischwässer und Reißgejaider, dem Paul Leopolder Burger und Gastgeber zu Khuchl, in
Golling und andern anstossenden Landtgerichten vor Michaeli Anno 1608 unzt auf gehörte Zeit
des 1609 Jahr und dann vehrer von Jar zu Jarn (doch gegen halbjährig aufsag) zu Bstandt
verlassen habe.
Erstlichen sagt der Buchstaben, ruegen wir (= legen wir fest) den Herrn zum Thurn die Tauggl
für freye Fischwaith von der Taugglpruggen an den Reinsperg, darin der Teuffenbach gehörig
ist für freiaigen.
Mer riegen (= festhalten) wir den Herren zum Thurn, ir freyes Gejaydt in der Tauggl auf allen
ihren Gründten und Pöden, am anfang der Taugl Pruggen an den Palvenbach, nach dem
Palvenbach an den Schlenken auf die Nasen und auf den Schmittenstein, von da bis an das
Hörndl oder Regenpreth, wie das Wasser und die Steinwalch sagt, von Hörndl bis an den
Seillenstein auf das Farmsthörl, ob dem Thörl an den Gener auf das Hinterkarpreth und die
Ackerspach Alben oder Loch als die Mar zeigen, von dem Ackerspachloch an den Deisl und
Schober, von dem Schober herwieder an das Thörl oder Thorstein in das Varenkhar, als das
Regenwasser zeigt, aus dem Varenkar nach der Ramey herwider ab zu der Taugl und nach der
Taugl heraus an den Teuffenpach, nach dem Teuffenpach auf die Wegscheid, als weit bemelter
von Thurn Gründ zeigen unzt an die Hollstattwandt, außer an den Archensteig, von Archensteig
nach der untern Platen unzt auf das Walthorn, und von Walthorn auf die Hirt, von der Hirt wieder
auf die Tauglpruggen.
Mer riegen wir in (ihnen) daß Gejaydt auf allen deren zum Thurn Gründten und Pöden daselbst,
nichts davon ausgenommen, und daß Rothwildt am Adneterperg in der Lackhen, von der
Lackhen zum Schwärzenpach in die Staingassen, von der Staingassen zu dem Leoman in die
Gassen, zum Scholchman zu Neureyth endthalben des Crispls, von Chrisspl in daß Herrnholz.
Mer riegen wir den Herrn zum Thurn, auf ir und ihrer vorfordern gehabten und noch habendten
Gründten, alles Föderspill und Claußraben mügen sie fahen (= fangen) lassen, und solches
218
alles dermassen inhalten, damit daß gemelt Visch und Reißgejaydt bösser und nit abgeächt
werde.
Zu Urkhundt ich ime diesen Extract mit meinem aignen hiefürgetruckhten Petschaft und
undterzognen Handschrift becräftiget habe. Den 1. Octobriss Anno im Sechzechenhundert und
Achten Jar
Virgilius Clanner der Jünger Pfleger zum Thurn.
Ein in Bezug auf die Falkenjagd und das Fangen von Klausraben identischer Eintrag zu
Jagdrechten in der Herrschaft in St. Jakob am Thurn ist schon aus dem Jahr 1561 überliefert
(siehe 1561 für weitere Informationen).
Im-Hof, Beiträge, 1886/87, S. 511f.
219
1603–1662 (wohl um 1632/33): Gothaer Vogelbuch
Bildquelle
Gotha, Schlossmuseum (Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Stiftung für
Kunst und Wissenschaft, Stiftung Schloss Friedenstein), Kupferstichkabinett:
Gothaer Vogelbuch (Gemahlte Vögel)
Bei der hier vorzustellenden Quelle handelt es sich um einen Klebeband mit 143 farbig
gemalten Vogeldarstellungen über Federzeichnungen, 13 weitere Zeichnungen wurden nicht mit
Farbe vollendet.
Auf fol. 50r (alt: fol. 54r) findet
sich die Darstellung eines
Waldrapps:
Dieser Fogel ist zuo Aisthaussen
uff einem alten gemeüer
geschossen worden im ambt
Hildberg. Avis ignota. Eiusmodi
vidi in aviaris regis Galliae in
aeeo S. Germani (SaintGermain-en-Laye) quam nom
inaverunt Corneille des monts
Pyrenees, Cornicem e montibus
Pyrenais, Corneille des monts Pyrenées. Text nach Mey, S. 7, bzw. soweit auf der Abbildung
lesbar nach Autopsie.
Mey, S. 11, übersetzt den lateinischen Abschnitt (mit Adaptierungen von M. R.): Ich habe einen
Vogel dieser Art in den Vogelkäfigen des französischen Königs auf dem Gebiet von SaintGerman-en-Laye gesehen, den man als „corneille des monts Pyrenees“ bezeichnete.
Mey, S. 10, identifizieren den Ort, an dem der Vogel erlegt wurde, mit Eishausen und den
verwaltungstechnischen Bezugsort mit Hildburghausen, einer Kreisstadt in Thüringen.
Der Band mit 143 Vogeldarstellungen, deren Fundstellen (wenn angegeben) aus dem
thüringischen Raum stammen, ist auf der ersten Umschlagseite mit „von Löber“ bezeichnet und
auf dem ersten Deckblatt: „Nota. Die französischen nahmen der Vögel sindt von Landgrafs
Friedrichs zu Hessen Falknnier angefügt und von mir dabey geschrieben worden. H. L.“ (Text
nach Mey, Hackethal, 2012, S. 78). Zehn Blätter weisen Daten von 1603 bis 1662 auf.
220
E. G. Franz, Hessisches Staatsarchiv in Darmstadt, identifiziert den Genannten mit Landgraf
Friedrich von Hessen-Darmstadt (1616–1682) (nach Mey, S. 9). Dieser war, bevor er Kardinal
und Bischof von Breslau wurde, Johanniter-Großprior in Heitersheim. Seine Biographie erlaubt
eine gewisse zeitliche Einordnung: 1632/33 und 1634/35 war er in Frankreich, damals könnte er
(oder sein Falkner) den Vogel in einem Käfig gesehen haben, an den der in der ersten Person
Schreibende sich erinnert fühlte.
Im Kontext der Vogelbildsammlung fällt auf, dass der (tatsächlich ja bereits weitestgehend
ausgestorbene) Waldrapp und bloß sieben weitere Vogel nicht identifiziert werden konnten (Avis
ignota).
Die Darstellung des Waldrapps ist von Gesner (siehe bei 1555/1557) offensichtlich unabhängig,
folgt also keiner kopialen Bildtradition, die bekannt wäre.
Der Waldrapp ist eindeutig erkennbar. Zu nennen sind zum Beispiel der gebogene, sehr dünne
Schnabel, die Kopf- und Nackenfedern, die im Ansatz gefiederten Beine und die Zehen mit
Krallen.
Es ist, und das ist bemerkenswert, ein erwachsenes Exemplar zu sehen, der Schädel ist kahl.
Ob das Gothaer Vogelbuch im Ganzen als Sammlung und im Speziellen bei der Darstellung des
Waldrapps auf französischen Anregungen aufbaut, muss noch untersucht werden (siehe bei
nach 1555 und vor ca. 1560 und um 1560).
Verglichen mit anderen zuverlässigen Darstellungen erscheint der Hals ziemlich lange. Da
jedoch eindeutige Merkmale vorliegen, darf diese Besonderheit durchaus ernst genommen
werden. Es darf sogar gefragt werden, ob die (in der Regel unzuverlässigen) Darstellungen von
langhalsigen Vögeln nicht doch Hinweise, vielleicht auf eine besondere Gruppe von Tieren
geben.
Sabine Hackethal, Hans Hackethal, Zoologische Klebebände als erste faunistische
Sammlungen, in: Andreas Grote (Hg.), Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der
Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, Opladen 1994, S. 283–299, bes. S.
289–292;
Mey, Zeugnisse, 1997, S. 8–12;
Fred Rost, Herbert Grimm, Kommentierte Artenliste der Vögel Thüringens, in: Anzeiger des
Vereins Thüringer Ornithologen 5 (2004), Sonderheft, S. 3–78, bes. S. 25;
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 66;
Eberhard Mey, Sabine Hackethal, Die im "Gothaer Vogelbuch" dargestellten Arten: ein Zeugnis
für die thüringische Vogelwelt aus dem 17. Jahrhundert, in: Ökologie der Vögel / Ecology
of Birds 34 (2012), S. 75–140 (mit allen Angaben zum Gesamtband und dessen
Geschichte sowie vollständiger Bibliographie), zum Waldrapp S. 83, 86, 104, 134.
221
1600–1700: Aquarelle von Säugetieren, Vögeln, Insekten und Pflanzen samt
deutschen Legenden
Bildquelle
Zürich, Zentralbibliothek, Rh. hist. 161:
Aquarelle von Säugetieren, Vögeln, Insekten und Pflanzen samt deutschen Legenden:
Digitalisate
Auf fol. 183r sind vier Vögel
abgebildet, der dritte ist als
Waldt Rap bezeichnet. Er ist
schwarz, der Körperbau
entspricht allgemein einem
Waldrapp, die Beine sind rot
und ganz nackt. Der Schnabel
ist ebenfalls rot, länglich und
leicht gebogen. Ein Ansatz
eines Schopfes ist am
Hinterkopf zu erkennen.
Schenker, der diese Darstellung
entdeckte und publizierte, geht von einem Jungvogel aus. Dies und der leicht geöffnete
Schnabel machen wahrscheinlich, dass der Maler das Vorbild Gesners (siehe bei 1555/1557)
kannte, er hat sich jedoch – anders als viele seiner Kollegen – davon nur für die allgemeine
Komposition anregen lassen, die Details scheinen anderen Quellen – vielleicht sogar eigener
Beobachtung – zu folgen.
Allgemein ähnlich ist auch die Wiedergabe des als Schwartzer Storch bezeichneten Vogels (fol.
147r).
Die gebundene Sammlung vor allem von Tieren stammt aus dem Benediktinerkloster Rheinau,
von dem das Stück freilich erst 1822 erworben wurde. In Rheinau gab es zumindest im
18. Jahrhundert (und frühen 19. Jahrhundert) ein lebhaftes Interesse an den Dingen der Natur
(siehe Leu, passim). Über Herkunft und Alter der Sammlung sagt diese Provenienz freilich kaum
etwas aus.
Urs B. Leu, Die Pflege der Naturwissenschaften in Rheinau, in: Librarium. Zeitschrift der
Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft = Revue de la Société Suisse des Bibliophiles
52 (2009), S. 108–112, bes. S. 108;
222
André Schenker, Eine bisher unbekannte Abbildung des Waldrapps Geronticus eremita aus
dem 17. Jahrhundert, in: Ornithologischer Beobachter 111 (2014), S. 63–67.
223
1616: Johann Guler von Weineck, Raetia
Textquelle
Johann Guler von Weineck, Raetia, das ist außführliche und wahrhaffte Beschreibung der
dreyen loblichen Grawen Bündten und anderer Retischen Völcker, Zürich 1616 (Link)
Guler von Weineck berichtet auf
foll. 81r–82r über die Quellen
bei Kloster Pfäfers. Er beginnt
den Bericht mit der Legende zur
Entdeckung des Bades durch
einen Jäger, der junge
Waldrappe aus den Nestern
ausnehmen wollte (zu älteren Versionen dieser Erzählung siehe bei um 1238 (Überlieferung
nicht vor 1538)). Die bekannte Überlieferung reichert Guler mit einem Namen an, den er dem
Jäger zuweist („genannt der Vogler“), der zudem „des geschlaechts der Carlinen von
Hohenbalcken“ sei. Welche Absicht mit der Nennung der Familie, deren Stammburg im Bündner
Münstertal liegt (zur Familie siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Hohenbalken), durch
den Autor verfolgt wurde, ist bisher noch nicht untersucht.
Dass hier lokale Besitzansprüche mitspielten macht die Tatsache wahrscheinlich, dass die
Gründungserzählung 1630 bei Augustin Stöcklin, Historia de Fabariensibus Thermis naturaliter
calidis (St. Gallen, Stiftsarchiv, Cod. Fab. 106b, fol. 93v) ausgebaut erscheint und statt der
aristokratischen Jäger nun Jäger des Abtes genannt werden, welche den Familien Vils und Thuli
aus Vilters entstammten würden.
Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13 (Lieferung 7: 1908), Sp. 1180 (nach
Stumpf [1548] und Gesner [unter dem Übersetzer Rudolf Heuszlin (1557)] ist Guler von
Weineck der drittälteste Nachweis für das Lemma „Waldrapp“);
Suolahti, Vogelnamen, 1909, S. 376 (nach Grimm);
Strohl, Waldrapp, 1917, S. 511f.
Vogler, Geschichte, 1986, S. 516f.;
Simon, Beobachtungen, 2016, S. 39.
224
nach 1624: Kleine Salzburgische Chronik
Textquelle
Salzburg, Universitätsbibliothek, M I 104:
Kleine Salzburgische Chronik
Die kurze Landesbeschreibung
(foll. 1r–2v –Transkription des
Incipit), die das
„Ämterverzeichnis“
(Erzbischöfe, Äbte von St.
Peter, Dompröpste, Bischöfe
von Chiemsee, Äbtissinnen vom
Nonnberg), das den Kern des
Codex bildet, einleitet, enthält,
neben einem Abschnitt über
das Wild auch einen über die
Wildvögel.
Auf fol. 2v (Transkription von
Beatrix Koll) wird berichtet: Es
hat auch allerley
Federwuldtbräth unnd gefügl,
als Aehannen (= Auerhähne),
Schildthannen (= Birkhähne),
Brambhannen, Schuldthennen,
Haslhuener, Steinhuener,
Schneehüener unnd Rebhüener
unnd anders dergleichen geflügl als Raiger, Cranich, Clausrappen, Wildtgenns, Andvögl unnd
Andten.
Der Klausrapp (Waldrapp) kommt bei den „besonderen“ (eher selten vorkommenden?) Vögeln
ganz selbstverständlich nach Reiher und Kranich vor. Gemäß dem Vorkommen in
archivalischen Quellen (siehe bei 1584 April 10) darf vermutet werden, dass der Brutplatz im
Bereich der Stadt Salzburg bereits in den 1580er Jahren seine Bedeutung verloren hatte. Dass
Waldrappen jedoch vereinzelt weiterhin zu beobachten waren, ist davon natürlich unberührt.
Die Datierung, die der Angabe auf dem Titelblatt (1622) widerspricht, geht auf Beatrix Koll
zurück und beruht auf Hinweisen im Text. Ob jedoch ältere Textbausteine für die Einleitung
225
übernommen wurden, diese also nicht den Stand der 1620er Jahre widerspiegelt, wurde, soweit
ich sehe, bisher noch nicht untersucht.
Hans Tietze, Die illuminierten Handschriften in Salzburg (Beschreibendes Verzeichnis der
illuminierten Handschriften in Österreich 2 = Publikationen des Institutes für
Österreichische Geschichtsforschung), Leipzig 1905, S. 69 Nr.80;
Ernst Frisch, Handschriftenkatalog der Universitätsbibliothek Salzburg [handschriftlich auf
Karteikarten], Salzburg 1946, M I 104 (Link, Link);
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011, S. 67
https://manuscripta.at/?ID=35938
http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/handschriften/MI104/MI104.htm (Beatrix Koll – mit Volldigitalisat
und Transkription)
226
D: Mehrfach zitierte Literatur
Das Verzeichnis nennt vor allem Arbeiten, die den Waldrapp erwähnen und von allgemeiner
Bedeutung sind. Werke, die bloß auf eine Quelle Bezug nehmen, sind hier in der Regel nicht
verzeichnet, um dem Verzeichnis den Charakter einer allgemein verwendbaren Bibliographie
zur historischen Waldrapp-Forschung zu geben.
Die Anordnung ist alphabetisch, die Werke eines Autors sind jedoch chronologisch geordnet.
In seltenen Einzelfällen sind Kommentare zur Publikation beigegeben.
Wenn Publikationen online verfügbar sind, wird dies angegeben (die letzte Prüfung erfolgte
2022 Februar 14). Leserinnen und Leser sind eingeladen, gerade in diesem Bereich, bei dem oft
Neues im Netz hinzukommt, bei dem es aber leider oft auch zu Veränderungen kommt,
mitzuarbeiten. Ergänzungen und Korrekturen werden gerne eingearbeitet.
In spitzen Klammern wird in der Regel ein Link zu einem (selten mehreren) bibliographischen
Aufnahmen beigefügt und die URL der Digitalisate angegeben.
Böhm u. a., Northern Bald Ibis, 2020
Christiane Böhm, Christopher G. R. Bowden, Philip J. Seddon, Taner Hatipoğlu, Widade
Oubrou, Mohammed El Bekkay, Miguel A. Quevedo, Johannes Fritz, Can Yeniyurt, Jose Manual
Lopez, Jorge Fernandez Orueta, Didone Frigerio, Markus Unsöld, The northern bald ibis
Geronticus eremita: history, current status and future perspectives: Online Publikation 2020:
https://www.cambridge.org/core/journals/oryx/article/northern-bald-ibis-geronticus-eremitahistory-current-status-and-future-perspectives/570EE0C496F173CE86B34429B8675583
(Der Text enthält trotz des Titels nichts zur Geschichte.)
Böhm, Pegoraro, Waldrapp, 2011
Christiane Böhm, Karin Pegoraro, Der Waldrapp Geronticus eremita. Ein Glatzkopf in
Turbulenzen (Neue Brehm-Bücherei 659), Hohenwarsleben 2011.
< bibliographischer Nachweis: http://d-nb.info/979317517>
Buchheit, Uttenschwalbe, 1951
Hans Buchheit, Uttenschwalbe und Steinrabe, in: Der Familienforscher in Bayern, Franken und
Schwaben 1 (1951), S. 101–105.
227
< bibliographischer Nachweis: https://gateway-bayern.de/BV040348110 – https://www.blfonline.de/sites/default/files/blf_quellen_dateien/der_familienforscher_in_bayern_franken_und_sc
hwaben_band_1_heft_07.pdf#page=7>
Bussmann, Provinztempel, 2010
Richard Bussmann, Die Provinztempel Ägyptens von der 0. bis zur 11. Dynastie. Archäologie
und Geschichte einer gesellschaftlichen Institution zwischen Residenz und Provinz, 2 Bände,
Leiden [u. a.] 2010.
< bibliographischer Nachweis: http://d-nb.info/1009438379>
Darnell, Inscriptions, 2017
John Coleman Darnell, The Early Hieroglyphic Inscriptions at el-Khawy, in: ARCHÉO-NIL 27
(2017), S. 49–64.
< bibliographischer Nachweis: http://www.worldcat.org/oclc/7301387428 –
https://www.academia.edu/40387407>
Fischer, Conrad Gessner, 1966
Hans Fischer, Conrad Gessner (26. März 1516–13. Dezember 1565). Leben und Werk,
(= Neujahresblatt auf das Jahr 1966 als 168. Stück von der Naturforschenden Gesellschaft in
Zürich zur Erinnerung an den 400. Todestag, den 13. Dezember 1965, des grossen Zürcher
Naturforschers, Universalhistorikers und Arztes Conrad Gessner), Zürich 1966: LINK (zum
Tierbuch bes. S. 36–49).
< bibliographischer Nachweis: http://permalink.snl.ch/bib/sz000214860 –
https://www.ngzh.ch/media/njb/Neujahrsblatt_NGZH_1966.pdf#page=40>
Fournier, Fischer, 1990
Germot Fournier, Fischer, Fischmeister und Fischinspektor – ein Beitrag zur Geschichte der
Fischer in der Steiermark, in: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 81 (1990), S.
113–151.
< bibliographischer Nachweis: http://data.onb.ac.at/rec/AC07200914 –
https://www.historischerverein-stmk.at/wp-content/uploads/Z_Jg81_Gernot-FOURNIER-FischerFischmeister-und-Fischinspektor.pdf>
228
Frank, Standeserhebungen, 1967/74
Karl Friedrich von für das Deutsche Reich und die Österreichischen Erblande bis 1806 sowie
kaiserliche österreichische bis 1823 mit einigen Nachträgen zum „Alt-Österreichischen AdelsLexikon“ 1823–1918, 5 Bände, Schloß Senftenberg 1974.
< bibliographischer Nachweis: http://d-nb.info/550501312>
Fritz, Janák, Intervention, 2020
Johannes Fritz, Jiří Janák, How human intervention and climate change shaped the fate of the
Northern Bald Ibis from ancient Egypt to the presence: an interdisciplinary approach to
extinction and recovery of an iconic bird species. Preprint (2020):
https://doi.org/10.1101/Fritz_Janak_How-the-2020.11.25.397570 bzw.
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.11.25.397570v1.full.pdf (Seitenzitate nach diesem
PDF).
Gruber, Storchennester, 2019
Fritz Gruber, Storchennester in der Altstadt und der Klausrab 1578 in der Mönchsbergwand:
Online-Publikation 2019:
https://www.sn.at/wiki/Storchennester_in_der_Altstadt_und_der_Klausrab_1578_in_der_M%C3
%B6nchsbergwand#cite_ref-2.
Hable, Waldrapp, 1983
Erich Hable, Waldrapp von Graz, in: Naturfreunde Steiermark, 1983, Heft 1/2, S. 3–5. <noch
ungeprüft>
Hable, Waldrapp, 1994
Erich Hable, Der Waldrapp Geronticus eremita einstmals Brutvogel am Grazer Schloßberg, in:
Monticola 7 (1994), S. 114f.
< https://www.zobodat.at/pdf/Mont_7_0114-0115.pdf>
Herman, Kahlrabe, 1903
Otto Herman, Der Kahlrabe (Geronticus eremita), sein Denkmal in Ungarn, in: Aquila 10 (1903),
S. 35–65 (mit Texterkennung: https://archive.org/stream/aquila10magy/aquila10magy_djvu.txt).
< bibliographischer Nachweis: https://permalink.obvsg.at/AC06805565>
229
Hirsch, Rettung, 1976
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Landmann, Bestandsschutz, 2015
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Gianluca Serra, Mysteries surrounding the legendary and vanishing oriental bald ibis: OnlinePublikation 2012: https://news.mongabay.com/2012/10/mysteries-surrounding-the-legendaryand-vanishing-oriental-bald-ibis/.
Seyler, Siebmacher’s Wappenbuch, Abgestorbener bayerischer Adel 3, 1911
Gustav A. Seyler, J. Siebmacher’s grosses und allgemeines Wappenbuch in einer neuen,
vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historischengenealogischen Erläuterungen: Abgestorbener bayerischer Adel 3, Nürnberg 1911.
< bibliographischer Nachweis: http://d-nb.info/984778381 – http://resolver.sub.unigoettingen.de/purl?PPN830257942>
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Thesaurus Austriacus. Europas Glanz im Spiegel der Buchkunst. Handschriften und Kunstalben
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< bibliographischer Nachweis: http://d-nb.info/950277045>
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Eduard Paul Tratz, Unsere gegenwärtige Kenntnis vom Waldrapp oder Klausrapp (Geronticus
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Tommy Tyrberg, Pleistocene birds of the Palearctic: Online-Publikation 2008:
http://web.telia.com/~u11502098/pleistocene.pdf. (2022 Februar 14: nicht mehr erreichbar;
siehe jedoch:
https://web.archive.org/web/20210610051655/http://web.telia.com/~u11502098/pleistocene.pdf)
Vogler, Geschichte, 1986
Werner Vogler, Zur frühen Geschichte des Pfäferser Bades, in: Ursus Brunold, Lothar Deplazes
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< bibliographischer Nachweis: https://gateway-bayern.de/BV038601368 –
https://download.burgenverein-untervaz.ch/downloads/dorfgeschichte/1986Zur%20fr%C3%BChen%20Geschichte%20des%20Pf%C3%A4ferser%20Bades.pdf>
Weinel, Untersuchungen, 2012
Juliane Weinel, Mikrobiologische und parasitologische Untersuchungen an handaufgezogenen
Waldrappen (Geronticus eremita) im Rahmen eines EU-Erhaltungszuchtprogramms (EEP),
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< bibliographischer Nachweis: http://d-nb.info/1063954533 – http://geb.unigiessen.de/geb/volltexte/2012/8626/pdf/WeinelJuliane_2011_12_12.pdf>