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Zum Fortleben rätisch-vindelikischer Stämme

H. Heftner u. Κ. Tomaschitz (Hrsg.), Ad fontes! Festschrift für G. Dobesch zum fünfundsechzigsten Geburtstag am 15. September 2004 dargebracht von Kollegen, Schülern und Freunden. Wien 2004, 587-591

Karlheinz DIETZ (Würzburg) Die von Augustus unterworfenen und auf dem Tropaeum Alpium 1 verzeichneten Stämme des süddeutschen Alpenvorlands hätten, so nahm man bis vor kurzem immer wieder an, in der Kaiserzeit administrativ keine oder zumindest kaum eine Rolle gespielt. 2 Tatsächlich blieb der 1935 veröffentlichte Grabstein eines in der cohors I Vindelicorum dienenden Cattenas allzu lange Zeit isoliert, um als überzeugender Beleg für eine nennenswerte Bedeutung solcher Stämme dienen zu können. 3 In den letzten beiden Jahrzehnten belehrten uns allerdings neu aufgefundene Militärdiplome eines besseren: Dem 1982 auf einem Diplom des 2. Jh.s aus Rainau-Buch bekannt gewordenen Licas 4 gesellte sich 1988 auf einem Diplom aus Eining ein Stammesgenosse hinzu, welcher um 132 in eine cohors Raetorum eingetreten sein wird. 5 Im Jahr 1999 erwies sodann ein Diplom von Alteglofsheim für die Zeit um 140 eine aus dem Alpenrheintal stammende Caluco als Gattin eines helvetischen Reiters der ala I singularium, 6 und schließlich kam fast gleichzeitig in Künzing ein Diplom zum Vorschein, das Ende 160 n. Chr. einem aus der cohors V Bracaraugustanorum entlassenen Runic(as) ausgestellt wurde, der mit einer Caten(as) verheiratet war. 7 Damit besitzen wir nunmehr fünf aus der römischen Heeresverwaltung stammende Zeugnisse, die um die Mitte des 2. Jahrhunderts von Augustus besiegte Stämme in Raetien verzeichnen und die auch hier in größerem Umfang die örtliche Rekrutierung aus dem Hinterland unter Beweis stellen. Die diesem Befund inhärente Tendenz für das vitale Fortdauern dieser Stämme ist nicht zu verkennen und anderweitig bereits ausführlicher besprochen worden. 8 Dort wurde kurz auch auf einige bislang verkannte Zeugnisse verwiesen, die in unserem Zusammenhang von Wichtigkeit sind. Die entsprechenden Begründungen seien hier nachgereicht, nicht zuletzt als Ergänzung zu dem naturgemäß knappen Artikel Vindelici, den der Unterzeichnete in dem vom Jubilar mitherausgegebenen "Lexikon der keltischen Archäologie" verfassen durfte.

[Separatum aus:] AD FONTES ! Festschrift für Gerhard Dobesch zum fünfundsechzigsten Geburtstag am 15. September 2004 dargebracht von Kollegen, Schülern und Freunden Unter der Ägide der Wiener Humanistischen Gesellschaft herausgegeben von Herbert Heftner und Kurt Tomaschitz im Eigenverlag der Herausgeber Wien 2004 [ISBN 3-200-00193-3] Zum Fortleben rätisch-vindelikischer Stämme Karlheinz DIETZ (Würzburg) Die von Augustus unterworfenen und auf dem Tropaeum Alpium1 verzeichneten Stämme des süddeutschen Alpenvorlands hätten, so nahm man bis vor kurzem immer wieder an, in der Kaiserzeit administrativ keine oder zumindest kaum eine Rolle gespielt.2 Tatsächlich blieb der 1935 veröffentlichte Grabstein eines in der cohors I Vindelicorum dienenden Cattenas allzu lange Zeit isoliert, um als überzeugender Beleg für eine nennenswerte Bedeutung solcher Stämme dienen zu können.3 In den letzten beiden Jahrzehnten belehrten uns allerdings neu aufgefundene Militärdiplome eines besseren: Dem 1982 auf einem Diplom des 2. Jh.s aus Rainau-Buch bekannt gewordenen Licas4 gesellte sich 1988 auf einem Diplom aus Eining ein Stammesgenosse hinzu, welcher um 132 in eine cohors Raetorum eingetreten sein wird.5 Im Jahr 1999 erwies sodann ein Diplom von Alteglofsheim für die Zeit um 140 eine aus dem Alpenrheintal stammende Caluco als Gattin eines helvetischen Reiters der ala I singularium,6 und schließlich kam fast gleichzeitig in Künzing ein Diplom zum Vorschein, das Ende 160 n. Chr. einem aus der cohors V Bracaraugustanorum entlassenen Runic(as) ausgestellt wurde, der mit einer Caten(as) verheiratet war.7 Damit besitzen wir nunmehr fünf aus der römischen Heeresverwaltung stammende Zeugnisse, die um die Mitte des 2. Jahrhunderts von Augustus besiegte Stämme in Raetien verzeichnen und die auch hier in größerem Umfang die örtliche Rekrutierung aus dem Hinterland unter Beweis stellen. Die diesem Befund inhärente Tendenz für das vitale Fortdauern dieser Stämme ist nicht zu verkennen und anderweitig bereits ausführlicher besprochen worden.8 Dort wurde kurz auch auf einige bislang verkannte Zeugnisse verwiesen, die in unserem Zusammenhang von Wichtigkeit sind. Die entsprechenden Begründungen seien hier nachgereicht, nicht zuletzt als Ergänzung zu dem naturgemäß knappen Artikel Vindelici, den der Unterzeichnete in dem vom Jubilar mitherausgegebenen „Lexikon der keltischen Archäologie“ verfassen durfte. 1. Die neuen Belege des 2. Jh.s stehen in Kontinuität zu entsprechenden Zeugnissen aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Von diesen ist von besonderem Gewicht der erstmalige Nachweis der Herkunftsangabe Vindelicus, die sich auf einem unveröffentlichten Militärdiplom vom 4. Januar 97 für einen in der Ala Atectorigiana in Moesia Superior dienenden Angustus Artissi f(ilius) findet.9 Wenn es stimmt, und einiges spricht dafür, daß Auxiliarsoldaten ihre Origo normalerweise nach Stämmen oder Heimatorten angaben, wenn sie zum Dienst in ihren Heimatprovinzen rekrutiert wurden, aber nach Provinzen, sofern sie in fremden Provinzen dienten,10 so könnte Siehe unten Anm. 24. Zu dieser von mir schon seit längerem bezweifelten Ansicht K. Dietz, Chiron 32, 2002, 398 f. 3 R. Egger, Germania 19, 1935, 226-228 = R. Egger: Römische Antike und frühes Christentum. Ausgewählte Schriften von Rudolf Egger. Klagenfurt 21967, I 177-180 (= AE 1935, 103) = RIU IV 1029: Surius Essi|mni f(ilius) Catte|nas miles coh(ortis) | I Vind(elicorum) ann(orum) |5 XXXX, stip(endiorum) XX, h(ic) s(itus) e(st) | Florus et Bassus C. e. [.....]. Vgl. K. Kraft: Zur Rekrutierung der Alen und Kohorten an Rhein und Donau. Bern 1951, 192 Nr. 1932; K. Kraft: Gesammelte Aufsätze zur antiken Geschichte und Militärgeschichte. Darmstadt 1973, 203 Nr. 8; P.A. Holder: Studies in the Auxilia of the Roman Army from Augustus to Trajan. Oxford 1980, 329 Nr. 2302; H. Wolff, Ostbairische Grenzmarken 23, 1981, 12 Anm. 16. Zu den Wohnsitzen der Cattenates auch W. Torbrügge, in: M. Spindler (Hrsg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte. München 21981, 53 m. Anm. 5. 4 G. Seitz, Fundberichte aus Baden-Württemberg 7, 1982, 317-338 Abb. 1-2. Danach M. M. Roxan: Roman Military Diplomas 1978-1984. London 1985, 119. 5 J. Garbsch, Bayerische Vorgeschichtsblätter 53, 1988, 157-166 Taf. 17. Danach AE 1988, 905 = M. M. Roxan: Roman Military Diplomas 1985-1993. London 1994, 170. 6 K. Dietz, Beiträge zur Archäologie in der Oberpfalz 3, 1999, 225-256. 7 H. Wolff, Ostbairische Grenzmarken 35, 1993, 23-31 Nr. IV-V und H. Wolff, Ostbairische Grenzmarken 42, 2000, 163. Zusammengesetzt durch K. Dietz, Chiron 32, 2002, 395-400. 8 Siehe K. Dietz: Zur vorrömischen Bevölkerung nach den Schriftquellen, in: C.-M. Hüssen, W. Irlinger, u. W. Zanier (Hrsg.): Spätlatènezeit in die frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Bonn 2004, 1-23. 9 Herrn Dr. Bernd Steidl, München, danke ich für die Überlassung des Textes und für die Erlaubnis, ihn hier zu zitieren. 10 M. P. Speidel: The Soldiers’ Homes, in: W. Eck u. H. Wolff (Hrsg.): Heer und Integrationspolitik. Köln, Wien 1986, 467-481. 1 2 588 Karlhein Dietz Vindelicus hier theoretisch als Provinzname verstanden werden. Denn dieser lautete in der ausführlichen Diktion bekanntlich noch im 2. Jh. Raetia et Vindelicia.11 Allerdings war normalerweise längst nur noch von Raetia die Rede (beispielsweise auf Militärdiplomen), und das galt auch für Rekrutierungen, wo im 2. Jh. natione Raetus bei einigen stadtrömischen Gardereitern sogar in Verbindung mit Aelia Augusta auftreten konnte.12 Es müßte daher ausdrücklich bewiesen werden, daß in vespasianischer Zeit Vindelicia in der römischen Militärbürokratie als eigener provinzialer Rekrutierungsbezirk geführt wurde. Solange dies nicht der Fall ist, spricht mehr dafür, daß Vindelicus auf dem Diplom vom Jahr 97 als Ethnikon aufzufassen ist. Im Verein mit dem Tropaeum Alpium und den oben angeführten Licates-Testimonien legt es mit verstärktem Nachdruck nahe, daß die Vindelici einen von den Licates getrennten und offenbar in vier Teilstämme gegliederten Großstamm gebildet haben,13 der dann in hadrianischer Zeit im Municipium Augusta Vindelicum aufgegangen ist. Hingegen hatten die Licates, die jetzt erneut durch einen Graffito auf einer Alm bei Rottach-Egern bezeugt sind,14 mit diesem Munizipium nichts zu tun und bildeten noch um die Mitte des 2. Jh.s – und gewiß darüber hinaus – eine eigene civitas.15 2. Schon länger bekannt sind einige frühkaiserzeitliche Grabsteine von Angehörigen der cohors Raetorum et Vindelicorum aus Mainz: [1] CIL XIII 7048 = Boppert, CSIR II 5,16 216 f. Nr. 103 Taf. 77: Cuses Sug|ent(is) f(ilius) Regus ex | cho(rte) Raet(orum) et Vin(delicorum), | annor(um) XL, stip(endiorum) |5 XX, h(ic) s(itus) e(st). [2] AE 1940, 115 = Boppert, CSIR II 5, 191 f. Nr. 76 Taf. 63: Sterio Exi|mni f. (ilius) F. miles, | ann(orum) XL, stip(endiorum) | XVI, ex chor(te) |5 Raet(orum) et Vendel(icorum), | h(ic) s(itus) e(st). [3] AE 1940, 114 = Boppert, CSIR II 5, 217 f. Nr. 104 Taf. 77: Nunadus | Sacri f(ilius) Runi|cas, miles ex | cho(rte) Raet(orum) et Vindelico(rum) |5 anno(rum) XXXIIII, | stip(endiorum) XI, h(ic) s(itus) e(st). | Hered(e)s | c(enturiones) Rufus | et Munnis. Nach dem übereinstimmenden Urteil der Forschung gehören diese 1731 [1], 1929 [2] und 1937 [3] im Bereich des römischen Friedhofs von Zahlbach17 gefundenen Grabinschriften18 zu den frühesten Zeugnissen für Kohortensoldaten am Rhein überhaupt.19 W. Boppert datierte [1] und [3] in julisch-tiberische und [2] in augusteisch-tiberische Zeit. Demnach wäre nicht einmal auszuschließen, daß wir Soldaten vor uns haben, die unmittelbar oder wenigstens bald nach der Eroberung Rätiens und Vindelikiens zwangsrekrutiert worden waren.20 CIL IX 4964 = ILS 1363; vgl. CIL XI 6221. M. P. Speidel: Die Denkmäler der Kaiserreiter. Equites Singulares Augusti (Beihefte der Bonner Jahrbücher 50). Köln, Bonn 1994, Nr. 88; 264; 267; 385. Eine Liste der Raetus-Belege bei Dietz, Bevölkerung (Anm. 8) Liste 5. 13 Über die ‘vier vindelikischen Stämme’ ist viel geschrieben worden; siehe Dietz, Bevölkerung (Anm. 8) 2 Anm. 16. 14 F. Mandl, Mitteilungen der ANISA (Verein für alpine Felsbild- und Siedlungsforschung) 21, 2000, 100 Abb. 24; R. Wedenig, Mitteilungen der ANISA (Verein für alpine Felsbild- und Siedlungsforschung) 21, 2000, 126-127; 134 Abb. 5; R. Wedenig, Das archäologische Jahr in Bayern (2000), 2001, 60-62. 15 Siehe schon K. Dietz, Die römischen und frühmittelalterlichen Namen Augsburgs, in: J. Bellot, W. Czysz u. G. Krahe (Hrsg.), Forschungen zur Provinzialrömischen Archäologie in Bayerisch Schwaben. Augsburg 1985, 111; anders G. Seitz, Fundberichte aus Baden-Württemberg 7, 1982, 317-338. 16 W. Boppert: Militärische Grabdenkmäler aus Mainz und Umgebung (CSIR Deutschland II 5). Bonn 1992. 17 Boppert, CSIR II 5 (Anm. 16) 10-16 Abb. 1; vgl. schon V. Kronemayer, Beiträge zur Sozialgeschichte des römischen Mainz. Frankfurt a. M., Bern, New York 1983, 9 f. 18 Hinzu kommen aus Worms CIL XIII 6242 und W. Boppert: Römische Steindenkmäler aus Worms und Umgebung (CSIR Deutschland II 10). Mainz 1998, 98 f. Nr. 58 Taf. 99. 19 Die ältere Literatur verzeichnet nahezu lückenlos Boppert, CSIR II 5 (Anm. 16). Vgl. jetzt noch J. E. H. Spaul: Cohors2. The evidence for and a short history of the auxiliary infantry units of the Roman Imperial Army (BAR International Series 841). Oxford 2000, 280-281 wertet sie als frühe Zeugnisse der cohors II Raetorum. 20 K. Dietz: Okkupation und Frühzeit, in: W. Czysz, u. a. (Hrsg.): Die Römer in Bayern. Stuttgart 1995, 43 f.; vgl. Boppert, CSIR II 10 (Anm. 18) 3 f.; 21; 24; 99; W. Zanier, Bayerische Vorgeschichtsblätter 64, 1999, 123. 11 12 Zum Fortleben rätisch-vindelikischer Stämme 589 Für Nunadus Sacri f(ilius) [3] ist als Origo Runicas angegeben. Diese Schreibweise stimmt mit der jetzt auf dem Künzinger Diplom von 16021 bezeugten überein. Beide bekräftigen das bei Ptolemäus22 überlieferte `Rounik£tai und erteilen mithin allen Verbesserungsvorschlägen zu Ptolemäus eine Absage.23 Rucinates (mit handschriftlichen Varianten irucinatis und irucinates) bei Plinius24 könnte auf der Grundlage von Strabos verderbtem `Rouk£ntioi25 schon im Archetyp ‘verschlimmbessert’ worden sein. Jedenfalls schließt die gesicherte Form Runicates den von der älteren Forschung erwogenen etymologischen Bezug von Ruc-in-ates und Ru-gusci und damit auch die Deutung als „etruskischen Gaunamen“ (vergleiche Ricina in Picenum)26 aus. Die derzeit schwerlich zu klärende Frage, ob Ptolemäus recht hat, wenn er die Runicates zu den nördlichsten bzw. nördlicheren Bewohnern Vindelikiens rechnete, sei hier nicht weiter diskutiert.27 Nach dem für die frühe Kaiserzeit üblichen peregrinen Namenformular für Auxiliarsoldaten müßte auch REGVS in [1] ein Ethnikon enthalten.28 Dies hat man frühzeitig erkannt und daher nach der Heimat des Verstorbenen Ausschau gehalten. Bereits 1879 bemerkte K. Christ:29 „Da der betreffende Soldat in einer aus Rätern und Vindelikern gemischten Cohorte diente, so ist als seine Geburtsstadt Regensburg anzusehen, bei den Römern latinisiert Regium oder castra Regina in der Erinnerung an ihr Wort regina. Derselbe Namensstamm liegt aber vor im Flusse Reganus, dem heutigen der Stadt gegenüber in die Donau fließenden Regen. Dies erscheint aber wieder als eine Ableitung aus einem einfachen Regus, indem der Ort selbst wohl eigentlich Regum hiess, die Bewohner wohl auch Regi neben Regii.“ Dem folgte K. Zangemeister im CIL wenigstens teilweise: „Regus ethnicon est, quod recte coniungitur cum Regano fluvio, castris Reginis sive Regino.“30 A. Riese stimmte nur noch mit Fragezeichen zu,31 und wenig später äußerte E. Stein nach einer Mitteilung von H. Zeiß, Regus sei eine „nicht näher bestimmbare keltische Stammesbezeichnung“.32 K. Kraft beschränkte sodann die Heimat des Cuses erneut auf Rätien oder Vindelikien,33 wofür in der Tat nicht nur der Kohortenname, sondern auch die Tatsache spricht, daß sich ein Kommilitone des Cuses eben als Runicas [3] zu erkennen gibt und ein zweiter wegen seines Patronymikons Eximnus [2] mit einiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls im rätisch-vindelikischen Großraum beheimatet gewesen sein dürfte.34 Sicher auszuscheiden ist allerdings Regensburg als Heimatort für Cuses, weil einerseits die römische Siedlung dort wohl erst in flavischer Oben Anm. 7. Ptol. 2,12,4; dazu jetzt Dietz, Bevölkerung (Anm. 8) 4-6. 23 F. Haug, RE I A 1 (1914) 1175 f. verlangte bei Ptolemäus die „Umstellung von n und k“; nach O. Cuntz: Die Geographie des Ptolemaeus. Galliae, Germania, Raetia, Noricum, Pannoniae, Illyricum, Italia. Handschriften, Text und Untersuchung. Berlin 1923, 71 war „der Name ... schon im Archetypus verderbt“. 24 Plin. nat. 3,136 f. Siehe den kritischen Apparat der Edition von C. Mayhoff. Zu den Pliniuseditionen vgl. auch E. Howald u. E. Meyer: Die römische Schweiz. Texte und Inschriften mit Übersetzung. Zürich 1940, 66 f.; 70 und die Bemerkung bei H. Lieb, Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 87, 1969, 146 Anm. 29. Zur Bedeutung des Tropaeum Alpium auch Dietz, Bevölkerung (Anm. 8) 1f. 25 Strab. 4,6,8 f. (C 206 = 264f. Aly). Dazu Dietz, Bevölkerung (Anm. 8) 2-4. 26 Besonders bei C. Mehlis, Archiv für Anthropologie NF 18, 1919, 155 f.; 194. Vgl. aber auch A. Holder: Alt-celtischer Sprachschatz. 3 Bde. Leipzig 1896-1913, II 1259; R.S. Conway, J. Whatmough, u. S.E. Johnson: The Pre-Italic Dialects of Italy. 3 Bde. London 1933, I 453. 27 Ausführlich K. Dietz: Runicates, in: S. Rieckhoff-Pauli u. W. Torbrügge (Hrsg.): Regensburg-Kelheim-Straubing. I: Zur Siedlungsgeschichte der südlichen Frankenalb, des Vorderen Bayerischen Waldes und der Donauebene. Stuttgart 1984, 224-236. 28 Trotz des Frauennamens Rega im ostalpinen Bereich darf man m. E. die Deutung von Regus als Personennamen ausschließen, so aber Holder, Sprachschatz (Anm. 26) II 1113; F. Lochner-Hüttenbach, Situla 8, 1965, 33; unsicher J. Whatmough: The Dialects of Ancient Gaul. Cambridge/Mass. 1970, 1140; aber 1121; 1147; 1227. Richtig daher M. P. Speidel, Bayerische Vorgeschichtsblätter 46, 1981, 112; Kronemayer, Beiträge (Anm. 17) 77; Boppert, CSIR II 5 (Anm. 16) 297. 29 K. Christ, Bonner Jahrbücher 66, 1879, 61 Anm. 1. 30 Auch im Index Band CIL XIII 5, S. 146 wird nur auf Zangemeisters Erklärung verwiesen. 31 A. Riese: Das rheinische Germanien in den antiken Inschriften. Leipzig, Berlin 1914, Nr. 1656 adn. 1: „Aus Castra Regina (Regensburg)?“. 32 E. Stein: Die kaiserlichen Beamten und Truppenkörper im römischen Deutschland unter dem Prinzipat. Mit Benützung von E. Ritterlings Nachlaß. Wien 1932, 210 Anm. 355. 33 Kraft, Aufsätze (Anm. 3) 203; mit „wohl“ einschränkend noch Kraft, Rekrutierung (Anm. 3) 184. 34 Wolff (Anm. 3) 12 Anm. 18. Zu Eximnus bzw. Essimnus B. Lőrincz: Onomasticon Provinciarum Europae Latinarum. II: Cabalicivs-Ixvs. Wien 1999, 123; vgl. 130 zu Exomnus. 21 22 590 Karlhein Dietz Zeit begann und andererseits auch eine spätkeltische Vorläuferbesiedlung bis heute archäologisch nicht erwiesen ist.35 Die einzig wirklich plausible Erklärung von Regus bietet m. E. die Annahme, daß sich dahinter die Abkürzung für Regus(cus) verbirgt, Cuses mithin Angehöriger des gemeinhin unter dem Namen Rigusci geführten und am oberen Inn, im Engadin, vermuteten ‘rätischen’ Stammes36 gewesen ist. Dieses Volk ist, wie so manches andere, nur durch die Abschrift des Tropaeum Alpium beim älteren Plinius und aus der Geographie des Ptolemäus bekannt. Die Handschriften des ersteren bieten teilweise rigusci, teilweise rugusci,37 die des letzteren aber haben ιγο σκαι und daneben auch ·hgoÚskai bzw. ·»gouskai.38 Der Anfangsvokal scheint demnach wenig eindeutig gewesen zu sein. Im übrigen war die Vertauschung von e und i durchaus häufig (siehe nur Vendel. in [2]), und ferner konnten im Keltischen reg- und rig- wechseln.39 Bis vor kurzem hätte man noch einwenden können, daß die rätisch-vindelikischen Stammesnamen auf Inschriften (bekannt waren Runicas [2] und Catenas40) nicht abgekürzt seien. Durch das oben erwähnte Künzinger Diplom ist auch dies hinfällig, weil wir darauf die Kürzungsmöglichkeiten Runic(as) und Caten(as) bezeugt haben. Allerdings wäre der Einwand auch schon vorher schwach gewesen, weil es zum einen einheitliche Abkürzungsregeln nicht gegeben haben kann und zum anderen die Inschrift des Cuses [1] in mehrfacher Hinsicht von den anderen Zeugnissen der cohors Raetorum et Vindelicorum abweicht: So fehlt z. B. die Bezeichnung miles; außerdem ist Vindelicorum stärker gekürzt als auf den übrigen Steinen; schließlich ist auch das Patronymikon nicht voll ausgeschrieben, da der gelegentlich geäußerte Vorschlag, Sugeni zu lesen, dem inschriftlichen Befund nicht entspricht. Sugent ist jedenfalls eine Abbreviatur,41 strittig kann allein sein, ob der Genitiv zu Sugent(i)42 oder Sugent(is)43 aufzulösen ist. J. Whatmough faßte einen Nominativ Suges ins Auge.44 Dieser würde in der Tat gut zum Namen des Sohnes passen. Dafür nämlich, daß auch Cuses den Genitiv Cusentis gebildet haben könnte,45 spricht ein Graffito auf einer am Rand mit Barbotine verzierten Terra-Sigillata-Schüssel (Drag. 35) aus Gebäude F des Pfünzer Auxiliarlagers. Dort ist auf der Bodenaußenseite zu lesen:46 Das zweite Wort manu zu lesen,47 liegt kein Grund vor. Viel eher ist auch hier ein Patronymikon mit einem Nominativ zu erwarten. Zum Verständnis von Munn. erhalten wir überraschenderweise 35 Dazu zuletzt K. Dietz u. T. Fischer: An der Grenze des Imperiums: Regensburg zur Römerzeit, in: P. Schmid (Hrsg.): Geschichte der Stadt Regensburg. Regensburg 2000, 16-27. 36 Z. B. R. Heuberger: Rätien im Altertum und Frühmittelalter. Forschungen und Darstellung. I (Schlernschriften 20). Innsbruck 1932, 19-20 mit Lit. in Anm. 131; nachzutragen etwa Rappaport, RE I A 1 [1914] 857; vgl. R. Frei-Stolba: Die Räter in den antiken Quellen, in: B. Frei, u. a. (Hrsg.): Das Räterproblem in geschichtlicher, sprachlicher und archäologischer Sicht. Chur 1984, 15 m. Anm. 105. 37 Zur handschriftlichen Überlieferung von Plin. nat. 3,137 oben Anm. 24. 38 Ptol. 2,12,2; vgl. Howald-Meyer (Anm. 24) 106 f. 39 D.E. Evans: Gaulish Personal Names. A study of some continental celtic formations. Oxford 1967, 243-249. 40 Siehe oben Anm. 3. 41 So auch Holder, Sprachschatz (Anm. 26) II 1661; Whatmough, Dialects (Anm. 28) 1147; B. Lőrincz: Onomasticon Provinciarum Europae Latinarum. IV: Qvadratia-Zvres. Wien 2002, 98. 42 So z. B. H. Nesselhauf, CIL XIII 5, S. 31 u. 49; K.H. Schmidt, Zeitschrift für Celtische Philologie 26, 1957, 217 f.; 273. 43 Holder, Sprachschatz (Anm. 26) I 1206; Whatmough, Dialects (Anm. 28) 1305; Kraft, Aufsätze (Anm. 3) 203. 44 Whatmough, Dialects (Anm. 28) 1305. 45 Sigwart, ThLL Onomasticon II 772,72 ff. Vgl. Lőrincz: (Anm. 34) 89. 46 Hirschfeld, CIL III 12014682; vgl. F. Winkelmann, Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt 3, 1888, 67; F. Winkelmann (Hrsg.): Das Kastell Pfünz, ORL B 73. Heidelberg 1901, 32 Taf. 9,5 Nr. 2; F. Winkelmann: Eichstätt. Sammlung des Historischen Vereins. Mit einem Beitrag von F. Wagner (Kataloge west- und süddeutscher Altertumssammlungen 6). Frankfurt a. M. 1926, 198. 47 So der vorsichtige Vorschlag Sigwarts (Anm. 45). Winkelmann las 1888 ebenso grundlos munus. Zum Fortleben rätisch-vindelikischer Stämme 591 durch unsere Inschrift [2] einen Hinweis. Der zweite Erbe des Runicas Nunadus hieß Munnis,48 und so wird man auch die Pfünzer Ritzinschrift am ehesten Cusentis Munn(is) lesen dürfen.49 Freilich liegt, so ließe sich einwenden, zwischen den Mainzer Inschriften der cohors Raetorum et Vindelicorum und der Pfünzer Schüsselritzung über ein Jahrhundert. Bei Lichte besehen ist dies aber weitaus weniger gewichtig als es zunächst scheint, weil ja rätisches oder vindelikisches Namengut50 in den Besatzungstruppen Rätiens selbst – in Pfünz lag die cohors I Breucorum – erst in der Zeit örtlicher Konskription in größerem Umfang zu erwarten ist. 3. An dieser Stelle sollte man das Augenmerk noch einmal auf Inschrift [2] lenken. In Z. 1-2 las Behrens Eximni(a)e f(ilius);51 Nesselhauf bevorzugte Eximni {f} f(ilius) und Boppert las Eximnii f(ilius). Die letztgenannte Lesung52 stimmt mit den Buchstaben auf dem Stein nicht überein, wo im Vergleich mit den übrigen Buchstaben der Inschrift nach Eximni deutlich ein E oder ein F mit etwas zu groß geratener unterer Serife zu lesen ist, gefolgt von einem Diplum. In einer anderen Schrift sind schließlich ein nicht einmal die halbe Zeile einnehmendes F und ein weiteres Diplum nachgetragen (siehe die folgende Zeichnung von G. Behrens). H. Nesselhauf hatte gemeint, dieses zweite F sei „klein zugefügt worden, offenbar weil das schon vorhandene als zweites zum Namen gehöriges I, also Eximnii, angesehen wurde.“ Dies befriedigt m. E. wenig. Warum soll man plötzlich das erste F nicht mehr verstanden und zum Patronymikon gerechnet haben? Hätte es da nicht genügt, davor ein Diplum anzubringen? Da es sich eindeutig um einen Nachtrag handelt, sollte man in Anbetracht der anderen Beispiele viel eher auch hier ein wenigstens in abgekürzter Weise angedeutetes Ethnikon suchen, das für die Zeitgenossen viel leichter aufzulösen gewesen sein muß als für uns. Daher schlage ich, natürlich mit dem nötigen Vorbehalt vor, Sterio Exi|mni f(ilius) F(ocunas) zu lesen. Die Wohnsitze der Focunates wurden im Gebiet von Rosenheim unter Einschluß eines Stücks des tirolischen Unterinntals ‘gesucht’;53 doch sind selbstverständlich auch hier die Unwägbarkeiten sehr groß. Kronemayer, Beiträge (Anm. 17) 95. H. Nesselhauf, Bericht der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts 27, 1937 (1939), Nr. 114a wollte Munni(u)s interpretieren; doch stimmt dies nicht mit dem epigraphischen Befund überein. Zu Munnius, einem italischen Nomen, das aber als Kognomen besonders in Spanien, der Narbonensis und in Dalmatien vorkommt, siehe G. Alföldy: Die Personennamen in der römischen Provinz Dalmatia (Beiträge zur Namensforschung NF Beiheft 4). Heidelberg 1969, 249; B. Lőrincz: Onomasticon Provinciarum Europae Latinarum. III: Labarevs-Pythea. Wien 2000, 90. 50 Damit ist natürlich, etwas salopp, ein höchst komplizierter, hier nicht näher aufzuzeigender Problemkreis angeschnitten; zum sog. norisch-vindelikischen Personennamengebiet etwa J. Untermann: Alpen-Donau-Adria, in: G. Neumann u. J. Untermann (Hrsg.): Die Sprachen im Römischen Reich der Kaiserzeit. Kolloquium vom 8.-10. April 1974. Köln, Bonn 1980, 54 f. Abb. 3. Über einen möglichen Zusammenhang mit dem rätischen Namengut macht sich Wolff (Anm. 3) 12 Anm. 19 einige Gedanken. 51 Dem folgten der Herausgeber der Année Épigraphique und dann wieder P.A. Holder (Anm. 3). 52 Boppert, CSIR II 5 (Anm. 16) 191 mißversteht in ihrem Kommentar die Lesung von Behrens, die ja nicht von EXIMNIII, sondern von EXIMNIE ausgeht. 53 Heuberger, Rätien (Anm. 36) 49 f. Auch Conway-Whatmough (Anm. 26) I 452 mit mehreren anderen Lokalisierungsvorschlägen. Zu den Ethnica auf -as etwa E. Norden: Alt-Germanien. Völker- und namengeschichtliche Untersuchungen. Leipzig 1934, 100-104. 48 49