Academia.edu no longer supports Internet Explorer.
To browse Academia.edu and the wider internet faster and more securely, please take a few seconds to upgrade your browser.
…
13 pages
1 file
Beginn der Seiten der Publikation in [ ], Seitenumbruch mit |. Einleitung [5] Der Titel deutet eine Spannung an, welche die abendländische Philosophie durchzieht. Seit ihrem Beginn sind in ihr zwei Anliegen wirksam: ein weltanschauliches und ein wissenschaftliches. Die Frage nach der "christlichen Philosophie" ist für mich ein Spezialfall dieser Spannung. Bei Kant hat sich die Spannung zwischen wissenschaftlichem und weltanschaulichem Anliegen verschärft. Er meinte das Wissen aufheben zu müssen, um für den Glauben Platz zu bekommen. So wurde lange Zeit Kant in Gegensatz zu einer christlichen Philosophie gesehen. So möchte ich im Jahr des zweihundertsten Todestages von Immanuel Kant und des hundertsten Geburtstages und zwanzigsten Todestages Karl Rahners das Verhältnis beider zu dieser Frage zum Anlass eines Beitrages nehmen. Hat doch K. Rahner im Gefolge von J. Maréchal das transzendentalphilosophische Denken Kants aufgenommen und weiter entwickelt. Er hat dadurch einen neuen Zugang zu den klassischen Fragen nach Metaphysik und philosophischer Erkennbarkeit des Daseins Gottes in Hinblick auf eine vernünftige Verantwortbarkeit des christlichen Glaubens eröffnet. Seinen Niederschlag hat dies zunächst in seinem Werk "Hörer des Wortes" 1 gefunden. Dort hat er eine transzendentalphilosophisch begründete Anthropologie entwickelt, die er zugleich als eine christliche Philosophie verstanden hat.
Rose Research on Steiner Education, 2013
Zusammenfassung. Auf der Grundlage einer knappen Rekonstruktion der Grundkategorien von Rudolf Steiners Erkenntniswissenschaft werden die Charakteristika einiger zentraler Weltanschauungen abgeleitet. Dies ermöglicht einerseits Gegenstand-spezifische und/oder Subjekt-angepasste Erkenntniseinstellungen aufzugreifen. Andererseits können dadurch unbewusst abgelehnte oder bevorzugte Erkenntnisperspektiven bemerkt werden und damit auch andere Zugangsweisen zur Gesamtwelt für das Erkenntnisleben ins Auge gefasst werden; oder es kann zumindest zur Kenntnis genommen werden, dass es auch von der eigenen Haltung abweichende Erkenntnisperspektiven gibt. Bei den abgeleiteten und beschriebenen Varianten von Weltanschauungen und den dazugehörigen Übergängen und Mischformen handelt es sich um eine systematische Überschau aller denkmöglichen spezifischen Erscheinungsformen des allgemeinen Erkenntnisgesetzes. Dabei wird hier von den möglichen spezifischen Erfahrungsbereichen (etwa der organismischen Natur oder des physikalischen Kosmos), denen man sich mit dem Okular einer solchen Weltanschauung zuwenden kann, abgesehen. Zum Schluss wird untersucht, ob Anthroposophie selbst einem Bereich der Weltanschauungen zugeordnet werden kann oder nicht.
in: Welt-Komposita. Ein Lexikon, hg. v. Thomas Erthel, Robert Stockhammer, 2019
Etwas am Wort Weltanschauung ist bekenntnishaft, es transportiert einen suggestiven Mehrwert, der nicht leicht zu erfassen ist. Adorno konstatiert in der Philosophischen Terminologie, dass es häufig mit einem Possessivpronomen versehen wird: "meine Weltanschauung". Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Freiheit nicht nur des religiösen, sondern auch des „weltanschaulichen Bekenntnisses“ verankert (Art. 4 GG); historisch und systematisch betrachtet ist der Begriff zudem in der Nachbarschaft von Wissenschaft und Ideologie anzusiedeln. Jede eingehendere Auseinandersetzung mit diesem Kompositum muss sich mit dem aporetischen Verhältnis von Subjektivität und Geltungsanspruch, Relativismus und verabsolutierender Setzung befassen. Dabei handelt es sich bei dem Wort selbst um eine sehr deutsche Angelegenheit. Wie Angst, Besserwisser und Lebensraum, figuriert das Wort Weltanschauung als Lehnwort in zahlreichen anderen Sprachen; es zählt zu den sogenannten Intraduisibles; das Englische world view ist zu optisch, world concept wiederum zu konzeptuell. Es ist die Geschichte deutschsprachiger Philosophie sowie die politische Geschichte Deutschlands überhaupt, die den Ruhm wie die Infamie des Weltanschauungsbegriffs begründet haben. - - - Aus der Verlagsankündigung des Lexikons: "Weltgeschichte, Halbwelt, Weltanschauung: Es gibt keine Welt ohne Welt-Komposita. Das Lexikon entfaltet diese These in 57 Artikeln im Grenzbereich von Essay und Wortgeschichte. Die Rede von der Welt ist in aller Munde, zumal angesichts der aktuellen Dynamik, die als fortgeschrittene ‚Globalisierung‘ begriffen wird. Besonders in der deutschen Sprache tritt das kleine Wort mit der großen Bedeutung häufig in zusammengesetzten Wörtern auf. Solche Welt-Komposita sind immer auch Verfahren, Welten – die es ja nicht an sich und je schon gibt – zu komponieren, und ihre genauere Analyse ermöglicht Einblicke in die Vielfalt der Kompositionsweisen."
Homepage Deutsch: https://www.uni-hildesheim.de/histories-of-philosophy/ Homepage English: https://www.uni-hildesheim.de/en/histories-of-philosophy/ Die Prozesse der Globalisierung rücken nicht nur unsere Gegenwart, sondern auch unsere Geschichte zunehmend in ein verändertes Licht. Damit stehen auch die Geisteswissenschaften mehr denn je unter Druck, ihre Perspektiven und Forschungsthemen mit dem Prozess der Globalisierung zu verbinden. Mehr noch, es besteht die sachliche Notwendigkeit, unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Horizont umfassender Globalisierung neu zu befragen und zu konzipieren. (Mersmann / Kippenberg 2016) Die geisteswissenschaftliche Neubefragung und Neukonzeption unserer Vergangenheit nimmt seit über 20 Jahren beispielsweise in den Geschichtswissenschaften im Rahmen globalgeschichtlicher Forschungen immer deutlichere Züge an, so dass ein neues Bild von der Weltgeschichte als Verflechtungsgeschichte entsteht (u.a. Reinhard 2016, Osterhammel 2009, Conrad 2013). Dieses neue Bild hilft nicht nur, die vergangenen und gegenwärtigen Entwicklungen besser zu verstehen, sondern weist auch Wege in eine verflechtungsgeschichtlich bestimmte Zukunft. In der Philosophie und ihrer Geschichtsschreibung besteht in der genannten Hinsicht ein erheblicher Forschungs-und Innovationsbedarf, der sich nach dem Weltkongress für Philosophie in Beijing im August 2018 noch einmal verschärft hat. In Beijing waren als offizielle Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch, Russisch, Spanisch, Arabisch und Chinesisch anerkannt. Aus der Perspektive der Weltkongresse für Philosophie hat sich die Denklandschaft im 20. Jahrhundert zunehmend globalisiert, allein das Bild von ihrer Geschichte hat sich noch nichtdiesen Entwicklungen entsprechenderneuert. Es gilt daher heute, ein neues Bild von der Geschichte der Philosophie zu entwerfen, das zugleich auch zukünftige Formen des Philosophierens in globaler Perspektive ergebnisoffen vorbereitet. Um dies tun zu können, sind verschiedene Forschungsfelder zur Problemanalyse, zu neuen Darstellungsparadigmen und zu den inhaltlichen und institutionellen Konsequenzen zu bearbeiten: 1. Es sind die bis heute fortwirkenden Ausschlussmechanismen zu analysieren, durch die die Philosophie in Europa Ende des 18. Jahrhunderts mehr und mehr zu einem rein europäischen Projekt stilisiert wurde. 2. Es gilt die Geschichten der Philosophie kooperativ mit den Philologien zu erforschen, die seit dem 19. Jahrhundert in Europa beispielsweise in der Indologie, Sinologie, Japanologie, Arabistik und Judaistik entstanden sind.
Beschreibung eines DFG-Projekts
Heidegger Studies, 1997
Im folgenden veröffentliche ich meinen Aufsatz zum Begriff der "Weltanschauung" wieder, der 1997 in Vol. 13, S. 123-142 der Heidegger Studies erschien.
Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, 2017
ZUSAMMENFASSUNG. Auf der Grundlage einer knappen Rekonstruktion der Grundkate-gorien von Rudolf Steiners Erkenntniswissenschaft werden die Charakteristika einiger zentraler Weltanschauungen abgeleitet. Dies ermöglicht einerseits Gegenstand-spezifische und/oder Subjekt-angepasste Erkenntniseinstellungen aufzugreifen; anderer-seits können dadurch unbewusst abgelehnte oder bevorzugte Erkenntnisperspektiven bemerkt werden und damit auch andere Zugangsweisen zur Gesamtwelt für sein Er-kenntnisleben ins Auge gefasst werden. Oder es kann zumindest zur Kenntnis genom-men werden, dass es auch von der eigenen Haltung abweichende Erkenntnisperspekti-ven gibt. Bei den abgeleiteten und beschriebenen Varianten des erkennenden Weltan-schauens und den dazugehörigen Übergängen und Mischformen handelt es sich um eine systematische Überschau aller möglichen spezifischen Erscheinungsformen des allge-meinen Erkenntnisgesetzes. Dabei wird hier von den möglichen spezifischen Erfah-rungsbereichen (etwa der organismischen Natur), denen man sich mit dem Okular einer solchen Weltanschauung zuwenden kann, abgesehen. Zum Schluss wird untersucht, ob Anthroposophie selbst dem Bereich der Weltanschauungen zugeordnet werden kann oder nicht. ABSTRACT. Worldviews and Philosophies of Life, Part I: Worldviews as Perspectives within the Knowledge Process. The characteristics of some central worldviews are de-veloped on the basis of a short reconstruction of the main categories of the knowledge process as outlined in the basic epistemological writings of Rudolf Steiner. This allows to take up consciously the adjustments necessary for gaining knowledge concerning the topic in question and/or the specifics of the subject itself. On the other hand, this might reveal subconsciously preferred or rejected perspectives and allows for new paths of knowledge within the whole world; at least, it shows that there might be other perspec-tives on the world than the ones we thought of or we just handled in the first place. The variants that are developed and described here as well as the accompanying metamor-phosed and mixed forms encompass a systematic account of all possible world views, that is, an account of all aspects of the universal law of knowledge. This is independent of the specific subject matter that can be made the topic of a knowledge process (i.e. the world of living beings). Finally, anthroposophy itself will be put on the testbench, in order to find out if it obeys the specifics of some worldview or not.
ZUSAMMENFASSUNG. Rudolf Steiners Weltanschauungs-Philosophie ist historisch einge-bettet in die Weltanschauungsdebatte seiner Zeit. Sie weist jedoch zugleich weit darüber hinaus: Erstens haben die wesentlich unterschiedlichen Weltanschauungs-Perspektiven ein gemeinsames Fundament in seiner Erkenntniswissenschaft. Zweitens gelingt es ihm, durch eine Ergänzung rein philosophischer Perspektiven mit Komponenten des Seelen-lebens eine sachgemässe Brücke zu schlagen zwischen subjektiv-empfindungsmässigen und objektiv-philosophischen Gesichtspunkten in der Auffassung von Weltanschauung. Nimmt man insbesondere zu den Weltanschauungen die Hauptkomponenten der seeli-schen Konstitution, Denken, Fühlen und Wollen hinzu, so kommen sieben weitere Vari-ationen der Erkenntniseinstellung, Erkenntnisstimmungen oder Erkenntnisatmosphären genannt, hinzu. Diese lassen sich auf drei grundlegende Erkenntnisneigungen konzent-rieren. Daraus ergeben sich weitreichende Einblicke in die Bedeutung von Monismus und Dualismus für das Erkenntnisleben. ABSTRACT. World Views and Philosophies of Life, Part II: Atmospheres of Knowledge and the Psychology of Worldviews as. Rudolf Steiners philosophy of world views is his-torically embedded in the discourse about ideologies and philosophies of life in his time. However, it transcends this debate in several aspects. To begin with, these essentially different worldviews have a common basis in his science of knowledge. Secondly, it becomes possible to find a decent bridge between subjective sentient and objective phil-osophical aspects within the spectrum of worldviews. Particularly, if one complements these philosophical worldviews with the realities of soul life, namely thinking, feeling and willing, there arise seven additional variations of the knowledge attitude, namely atmospheres of knowledge. They can be further concentrated on three main approaches for gaining knowledge. This allows for far reaching insights into the relevance of mon-ism and dualism for the process of knowledge.
Einleitung
[5] Der Titel deutet eine Spannung an, welche die abendländische Philosophie durchzieht. Seit ihrem Beginn sind in ihr zwei Anliegen wirksam: ein weltanschauliches und ein wissenschaftliches. Die Frage nach der "christlichen Philosophie" ist für mich ein Spezialfall dieser Spannung. Bei Kant hat sich die Spannung zwischen wissenschaftlichem und weltanschaulichem Anliegen verschärft. Er meinte das Wissen aufheben zu müssen, um für den Glauben Platz zu bekommen. So wurde lange Zeit Kant in Gegensatz zu einer christlichen Philosophie gesehen. So möchte ich im Jahr des zweihundertsten Todestages von Immanuel Kant und des hundertsten Geburtstages und zwanzigsten Todestages Karl Rahners das Verhältnis beider zu dieser Frage zum Anlass eines Beitrages nehmen. Hat doch K. Rahner im Gefolge von J. Maréchal das transzendentalphilosophische Denken Kants aufgenommen und weiter entwickelt. Er hat dadurch einen neuen Zugang zu den klassischen Fragen nach Metaphysik und philosophischer Erkennbarkeit des Daseins Gottes in Hinblick auf eine vernünftige Verantwortbarkeit des christlichen Glaubens eröffnet. Seinen Niederschlag hat dies zunächst in seinem Werk "Hörer des Wortes" 1 gefunden. Dort hat er eine transzendentalphilosophisch begründete Anthropologie entwickelt, die er zugleich als eine christliche Philosophie verstanden hat.
Ausgang von einer wissenschaftstheoretischen Frage
Eine erste Parallele von Rahner mit Kant kann darin gesehen werden, dass beide von einer Frage nach dem Verhältnis von Erkenntnisweisen ausgehen.
[6] Bei Kant ist es in seiner "Kritik der reinen Vernunft" -nach dem Zeugnis der Vorrede zur zweiten Ausgabe und den Prolegomena -die Frage, wie gegenüber der empiristischen Kritik D. Humes naturwissenschaftliche Erkenntnis möglich sei und wie sich diese zu jenen weltanschaulichen Fragen verhalte, nach denen wir unser Leben gestalten. In dieser Fragestellung bestreitet er nicht, dass es spontane Einsichten und begründete wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Seine Frage bezieht sich vielmehr darauf, wie diese angesichts der gegensätzlichen Meinungen darüber einzuschätzen seien. In seiner Untersuchung meint er zu einer Rechtfertigung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis in ihrer Objektivität zu gelangen, aber zugleich auch zu einer Einschränkung ihrer Tragweite bezüglich weltanschaulicher Fragen. So hat er das Wissen aufgehoben, um für den Glauben Platz zu bekommen. Für K. Rahner ist Ausgangspunkt der Überlegungen in "Hörer des Wortes" die wissenschaftstheoretische Frage nach dem Verhältnis von Religionsphilosophie und Theologie. Diese Frage führt gerade auch zu Hinweisen darauf, wie Rahner das Verhältnis von Philosophie zu Theologie bzw. christlichem Glauben sieht, "die Frage, ob es trotz der relativen Eigenständigkeit einer nur mit den menschlichen Mitteln der natürlichen Vernunft arbeitenden Philosophie so etwas wie eine christliche Philosophie gebe und in welchem Sinn es diese gebe."(HW 33). Die Frage spitzt sich nämlich dadurch zu, dass in der scholastischen Tradition die Wissensweise der christlichen Theologie wesentlich auf der im Glauben angenommenen Offenbarung Gottes beruht, der "übernatürlich erleuchteten Vernunft". Diese ist aber bezüglich der philosophischen Reflexion über den Menschen, die "mit dem Licht der natürlichen Vernunft" geschieht, ein kontingentes Faktum. Wie kann diese Frage behandelt werden, wenn nicht schon der christliche Glaube vorausgesetzt und damit Philosophie verlassen wird? Gegensätzen ist es zunächst dienlich zu fragen, was jeweils gemeint wird, hier also, was unter "Metaphysik" verstanden wird. Rahner weist zunächst hin auf die Grundlagen, von denen her die Eigenart und das Verhältnis einzelner Wissenschaften zueinander verstanden werden können: "Jede empirische Einzelwissenschaft bringt schon a priori zur Aufnahme ihrer Forschung ein vorgängiges Gesetz mit, unter dem sie die Bestimmungen ihres Gegenstandes zu erforschen sucht" (HW 10). "Eine Einzelwissenschaft ruht grundsätzlich auf einem Grund, den sie sich nicht selbst gelegt hat, weil ihr ein solcher allererst die Möglichkeit gibt, zu sein" (HW 11). Rahner zeigt nun weiter auf, dass gerade aus diesem Grunde die so harmlos aussehende Frage nach dem Verhältnis zweier Wissenschaften zueinander zu einer Frage hinführt, die aus dem vorgängigen Seins-und Selbstverständnis des Menschen heraus ihre Antwort finden muss, nämlich auf "die metaphysische Frage nach dem einen Ursprungsgrund, der beide Wissenschaften in ihrem eigentümlichen Gegenstand und in der Notwendigkeit jeder einzelnen Wissenschaft ursprünglich begründet und dadurch die beiden Wissenschaften in ein bestimmtes Verhältnis setzt" (HW 13). Die Weise, in der Rahner von Metaphysik als Erster Philosophie und von der Seinsfrage spricht, zeigt einen deutlichen Unterschied gegenüber einer rationalistischen oder intuitionistischen Auffassung von Metaphysik. Ihr gegenüber fasst er Metaphysik zunächst nicht als ein die Erfahrung überfliegendes Erkennen auf. Unter Berufung auf Aristoteles sieht er sie zunächst als Fragen nach dem Verhältnis verschiedener Erkenntnisweisen zueinander. Außerdem wird dieses Verhältnis nicht bestimmt von einer bereits vorausgesetzten differenzierten Sicht der Wirklichkeit, der sich diese Erkenntnisweisen unter verschiedenen Gesichtspunkten zuwenden. Vielmehr ist eine solche Auffassung von der Wirklichkeit erst zu erarbeiten, und zwar gerade aus der Verfolgung der Frage nach dem Verhältnis der verschiedenen Weisen unseres Erkennens und Handelns zueinander. Darin zeigt sich wieder eine Ähnlichkeit mit Kants transzendentalphilosophischem Vorgehen. Auch ihm war es um die Fragen nach der Eigenart verschiedener Weisen der Meinungsbildung gegangen, nämlich der naturwissenschaftlichen und der metaphysischen. Aus der Analyse der Möglichkeitsbedingungen dieser Erkenntnisweisen, die zunächst im Erkennenden gesucht werden, meint er ihre Eigenart und ihr Verhältnis zueinander bestimmen zu können. Dazu gehört wesentlich auch der Ausweis ihrer Geltung beziehungsweise auch der Grenzen ihrer Geltung. Bekanntlich führt ihn dies dazu, die Zuständigkeit der Naturwissenschaft für weltanschauliche Fragen zu bestreiten, aber auch die Wissenschaftlichkeit der (rationalistischen) Metaphysik.
[8] Wenn also Rahner von Metaphysik spricht, geht es zunächst um das Verhältnis der durch die Wissensweisen angezielten Bereiche in der Gesamtheit menschlicher Lebenswelt. Dies führt ihn weiter zu der philosophisch-anthropologischen Frage nach dem Wesen des Menschen, der diese Wissensweisen betreibt, ja eventuell sogar betreiben muss.
"Der Mensch kann nie bloß bei diesem oder jenem allein denkend oder handelnd sich aufhalten. Er will wissen, was alles zumal in seiner Einheit, in der ihm alles schon immer begegnet, sei; er fragt nach den letzten Hintergründen, nach dem einen Grund aller Dinge, und insofern er alles einzelne als seiend erkennt, nach dem Sein alles Seienden; er treibt Metaphysik. ... Wir müssen also Metaphysik treiben, weil wir es immer schon tun." (HW 44f). Übrigens weist auf seine Weise K. Popper unter dem Namen "Philosophie" auf eine solche das Leben tragende Einstellung hin indem er in seinem Werk "Objektive Erkenntnis" 2 schreibt: "Wir haben alle unsere Philosophien, ob wir dessen gewahr werden oder nicht, und die taugen nicht viel. Aber ihre Auswirkungen auf unser Handeln und unser Leben sind oft verheerend. Deshalb ist der Versuch notwendig, unsere Philosophie durch Kritik zu verbessern. Das ist meine einzige Entschuldigung dafür, dass es überhaupt noch Philosophie gibt."
Metaphysik als kritische Klärung von persönlicher gelebter Weltanschauung
Hier stellt sich die Frage, wie wir das von Rahner "Metaphysik" und von Popper mit "Philosophie" Bezeichnete nennen sollen. Ich nehme das zum Anlass -auch wegen der existentiellen Bedeutung der Philosophie für Rahner -in meine Überlegungen besonders auch die Analyse des rationalen Elements von persönlichen Überzeugungen in religiösen und weltanschaulichen Fragen einzubeziehen, wie sie in den letzten fünfzig Jahren entfaltet wurde. Das ist schon deshalb zweckmäßig, weil der Hinweis auf die Spannung zwischen wissenschaftlichem und weltanschaulichem Anliegen der Philosophie eine Klärung dessen verlangt, was ich hier unter persönlichem Glauben und Weltanschauung verstehe.
Es ist schwer, einen passenden Ausdruck zu finden für jene Auffassung, aus der heraus ein Mensch alles das auffasst, was ihm in den verschiedenen Bereichen des Lebens -und nicht nur Wissenschaften -begegnet, es in Beziehung zu anderem setzt und in seiner Relevanz [9] für die Lebensgestaltung | bewertet. Soll man von grundlegender Dasein-und Lebensorientierung sprechen oder von lebenstragender Auffassung -kurz Lebensauffassung -oder mit G. D. Kaufman 3 , H. Benesch 4 und anderen von Weltanschauung? Ich möchte jetzt nicht ums Wort streiten, sondern von Weltanschauung sprechen und das damit Gemeinte kurz abgrenzen: Nach Gordon D. Kaufman lässt sich eine solche Daseinsorientierung fassen als Weltanschauung. Sie wird verstanden im Sinn einer jeweiligen Haltung, aus der heraus ein Mensch das ihm Begegnende auffasst und bewertet. Eine derartige gelebte Weltanschauung hat jeder Mensch, insofern er spricht -also in einer Welt symbolischer Bedeutungen lebtund sich entscheidet -eine Wahl zwischen Alternativen trifft. Diese Haltung ist aber nicht davon abhängig, ob sie ausdrücklich formuliert ist. Sie zeigt sich darin, wie jemand lebt. Sie ist gleichsam der Hintergrund, der uns das Handeln einer Person verstehen lässt. Ich will dies "gelebte Weltanschauung" nennen. 5 Wenn von ihrem Inhalt gesprochen wird, so handelt es sich oft um den Versuch einer Interpretation. Dennoch kann weiter gefragt werden, welche Struktur eine solche Einstellung aufweist. Insbesondere ist auch zu fragen, ob es hier Ansatzpunkte gibt für rationale Argumente oder wenigstens eine kritische Prüfung. Eine solche gelebte Weltanschauung soll nicht verwechselt werden mit ausdrücklich formulierten weltanschaulichen Manifesten -von der Art des Dialektischen Materialismus oder Nationalsozialismus -oder von Bekenntnissen -etwa auch einer christlichen Weltanschauung. Allerdings ist unsere gelebte Weltanschauung mitgeprägt von solchen proklamierten Weltanschauungen, indem wir uns mit ihnen auseinandersetzen, sie übernehmen oder von ihnen abgrenzen. Ähnliches gilt auch von dem "sprachlichen Weltbild", von den Denkformen und Bewertungen, die wir mit dem Lernen unserer Sprache und dem Hineinwachsen in unsere Kultur aufnehmen. 6 Dieses sprachliche Weltbild ist der kulturelle Hintergrund und erklärt manche Elemente unserer persön-|lichen gelebten Weltanschauung, erschöpft sie aber [10] nicht. Das zeigt sich an weltanschaulichen Gegensätzen zwischen Personen in derselben Kultur. Mit der persönlichen gelebten Weltanschauung ist aber auch eine konkrete Stellungnahme zur Wirklichkeit gegeben. Diese Stellungnahme setzt das voraus, was K. Rahner als ‚Seinsfrage' bezeichnet, insofern diese im Leben sich bekundende Stellungnahme eine (wohl vorläufige und fragmentarische) persönliche Antwort auf die Frage ist, wie diese Wirklichkeit aufzufassen sei und die Stellung des Menschen in ihr. Als Frage entfaltet sich dieser Bezug zum Sein weiter als Streben nach Klärung und Reifung dieser Antwort. Metaphysik könnte dann verstanden werden als Hilfe dazu durch kritische Thematisierung. Im Verständnis von Rahner gilt: "Metaphysik als Wissenschaft ist eigentlich nur dort, wo langsam und in weitausholender Arbeit das immer schon Bekannte in systematischer und streng begrifflicher Art entwickelt wird, wo der Mensch in Begriffen sich die Metaphysik vorzustellen sucht, die er im voraus in seinem Sein und Handeln immer schon getrieben hat" (HW 43f). Wie sich aus dem Vorgehen in HW ergibt ist dies jedoch nicht nur aufzufassen als bloße Beschreibung der faktischen momentanen weltanschaulichen Auffassung eines Menschen. Vielmehr geht es darum, kritisch jene Elemente herauszuarbeiten, die für eine derartige Auffassung notwendig und berechtigt sind, um von da aus dann die faktische Auffassung zu prüfen und weiter zu entfalten. Eine solche gelebte Weltanschauung ist der Hintergrund für die Integration und Bewertung der verschiedenen besonderen Weisen der Meinungsbildung, des Erfahrens, Erkennens und Handelns. Dieser Hintergrund ermöglicht auch erst das für die Lebensführung praktisch relevante faktische Für-wahr-Halten jener Auffassungen, aus denen heraus wir unser Leben gestalten. Wir sind wohl vertraut mit bestimmten Erfahrungs-, Erkenntnis-und Handlungsweisen und mit den Kriterien dafür, wie sie in den uns vertrauten Lebensbereichen im einzelnen zu verwenden sind. Eine wichtige Funktion unserer gelebten Weltanschauung besteht darin, diese besonderen Sprachspiele und Handlungsweisen in ihrem Verhältnis zueinander und in ihrer Relevanz für unsere Urteilsbildung und Lebensgestaltung einzuschätzen.
Folgerungen für Philosophie.
Worin besteht nun die Beziehung der Philosophie zu einer persönlichen Weltanschauung? Das weltanschauliche Anliegen des Philosophierens besteht darin, die persönliche Weltanschauung zu klären, eventuell zu korrigieren, zu ergänzen oder zu ersetzen. Darin besteht auch die Bedeutung der Philosophie für das menschliche Leben, der existentielle Ernst. Welche Folgerungen ergeben sich hieraus für die Philosophie? Wenn sich ein Mensch philosophischen Fragen zuwendet, ist dies bereits Folge seiner persönlichen Weltanschauung. Das gilt jedoch nicht nur für das Philosophieren, sondern auch für Dichten, künstlerisches Gestalten, aber auch für intensive Arbeit in einer bestimmten Wissenschaft.
[11] Alle diese Tätigkeiten können zur Weiterentwicklung der persönlichen Weltanschauung führen. Beim Philosophieren wird dies gesucht durch ausdrückliche Berufung auf eigene Einsicht und Erfahrung. Damit werden inhaltlich Fragen verfolgt, welche dem Bereich der Weltanschauung angehören. Methodisch jedoch wird eine Klärung gesucht, die -wenigstens zunächst -unabhängig ist von Autoritäten, an denen sich oft die persönliche Weltanschauung orientiert: die eigene geschichtliche Kultur und ihre Übermittler, Ansichten der Familie, religiöse Autoritäten. In diesem Sinn strebt Philosophieren nach methodischer Unabhängigkeit von einem vorausgesetzten persönlichen Glauben. Dennoch kann es für Philosophierende gerade auch existentiell bedeutsam sein, Fragen aus dem religiösweltanschaulichen Bereich zu klären, etwa die Legitimität von Autoritäten. Diese Situation begründet zwei Tendenzen im Philosophieren. 7 Die eine Tendenz entspricht dem weltanschaulichen Anliegen und damit der existentiellen Bedeutung des Interesses für philosophische Fragen. Sie entspricht damit der Motivation, aus der heraus das Engagement für philosophische Fragen verständlich wird. Ich nenne diese Tendenz ein (weltanschaulich) engagiertes Philosophieren. Als Beispiel denke ich hier an vorsokratische Denker. Die andere Tendenz betont das Vorgehen, das auf ausdrückliche Rechtfertigung aufgrund von Erfahrung und Einsicht Wert legt, in methodischer Unabhängigkeit von den faktisch vorliegenden Weltanschauungen, deren Auffassungen es ja erst zu klären gilt. Hier wird auch kritisch reflektiert auf die verschiedenen Versuche engagierten Philosophierens. Darum möchte ich diese Tendenz, die das wissenschaftliche Anliegen des Philosophierens betont, reflektierendes Philosophieren nennen. Ein Beispiel dafür sehe ich in der Auseinandersetzung eines Aristoteles mit den philosophischen Meinungen seiner Vorgänger.
[12] Vorsichtshalber sei angemerkt, dass sich im konkreten Philosophieren wohl beide Tendenzen finden, wenn auch in unterschiedlicher Akzentuierung. Auch habe ich engagiertes Philosophieren als "weltanschaulich engagiert" verstanden, weil natürlich auch reflektierendes Philosophieren engagiert betrieben werden kann, nämlich engagiert für das wissenschaftliche Anliegen. Außerdem dürfte es im Betrieb des Philosophierens ein Wechselspiel beider Tendenzen geben. Kritische Differenzierungen werden im engagierten Philosophieren zur weiteren Klärung von weltanschaulichen Auffassungen verwendet. Das wieder fordert reflektierendes Philosophieren heraus, den Finger kritisch auf die Ergebnisse und Voraussetzungen engagierten Philosophierens zu legen.
Verschiedene Modelle von Philosophie
Den beiden Tendenzen zu engagiertem und reflektierendem Philosophieren entsprechend möchte ich zwei Modelle von Philosophie unterscheiden. Dem engagierten Philosophieren entspricht es, die Analysen und Argumentationen reflektierenden Philosophierens zu benützen, um eine Weltanschauung -sei es die eigene oder die einer Gruppe -weiter kritisch zu entfalten, eventuell auch zu korrigieren oder eine Alternative zu entwerfen. Der Eigenart von Weltanschauung als persönlicher Gesamtdeutung der Lebenserfahrung entsprechend ist dann nicht zu erwarten, dass alle Vorgaben der 7 Vgl. Rahners Unterscheidung von Philosophie als akademischer Angelegenheit und als existentielles Anliegen: "Würde aber die Philosophie diesen letzten Verweis auf die Theologie nicht von sich aus und ausdrücklich an sich tragen wollen, dann würde sie im selben Augenblick entweder eine höchst akademische, existentiell höchst gleichgültige Angelegenheit werden, weil sie dann mit der Daseinsbegründung des Menschen nichts mehr zu tun haben will, oder sie würde, wenn sie diesen Anspruch doch machte, eigentlich widerchristlich werden, weil sie sich unterfinge, das menschliche Dasein unabhängig von der Offenbarung des lebendigen Gottes zu begründen." (HW 36) betreffenden Weltanschauung vollständig gerechtfertigt werden können. Wohl aber kann es sein, dass sich für den oder die betroffenen Denker Gehalte einer Weltanschauung als eine ihnen plausible und vernünftig verantwortbare Deutung ihrer Lebenserfahrung darstellen. Diese Deutung hat dann als solche hypothetischen Charakter. Sie scheint dem existentiellen Anliegen der letzten Sinndeutung menschlichen Lebens zu entsprechen. Andererseits ist sie der Kritik ausgesetzt, wenn sie sich von sich aus anderen Möglichkeiten der Sinndeutung verschließt. In diesem Sinn wird wohl "Philosophie" verstanden worden sein, wenn Paulus den christlichen Glauben der Philosophie entgegensetzt hat oder wenn die Christen als die noch einzigen wahren Philosophen bezeichnet worden sind. Dem reflektierenden Philosophieren hingegen liegt es nahe, sich auf jene Auffassungen zu beschränken, für welche allgemein akzeptierbare Argumente in dem Sinn vorgebracht werden können, dass sie in ihrer Geltung logisch unabhängig sind von weltanschaulichen Vorgabenzumindest von solchen, durch die sich Philosophen voneinander unterscheiden.
[13] In diesem Sinn wurde Philosophie verstanden als ein methodisches Vorgehen, das von Denkern unterschiedlicher Weltanschauung oder religiöser Überzeugung gepflegt wurde, die miteinander argumentierend diskutieren und auch voneinander lernen konnten. Die genaue Analyse der Erkenntnisgründe lässt deutlicher notwendige Zusammenhänge von solchen Zusammenhängen unterscheiden, die auf weltanschaulichen Voraussetzungen beruhen. Dadurch wird dem vorgebaut, dass etwas, das der Vertreter einer bestimmten Weltanschauung für sachlich notwendig hält, als für unabhängig von einer bestimmten Weltanschauung bejahbar gehalten wird. In diesem Sinn hat wohl Clemens von Alexandrien die Philosophie für die Heiden als Vorbereitung auf den Glauben angesehen, wie es für die Juden der alte Bund war. In diesem Sinn hat auch im Hochmittelalter ein Thomas die Vorgehensweise der Philosophen von jener der Theologen unterschieden, indem sie sich methodisch nur auf das Licht der natürlichen Vernunft stützt, d.h. in der Begründung nicht Gebrauch macht von Auffassungen, die dem christlichen Glauben spezifisch sind. Auf dem Hintergrund dieser Unterscheidung wird verständlich, dass manche meinen, dass der christliche Glaube als solcher nicht Geltungsgrundlage in der Philosophie sein dürfe. Das trifft vor allem dann zu, wenn der Ausweis der Geltung philosophischer Aussagen nach einem deduktiven Wissensideal gedeutet wird, wie dies in der aristotelisch bestimmten Scholastik der Fall war oder heute in einer an der analytischen Sprachphilosophie orientierten Philosophie. Demgegenüber vertreten andere, dass für jene Fragen, die philosophisch nicht auf diese Weise geklärt werden können, eine hypothetische Antwort vorgeschlagen und vertreten werden könnte, unter Verwendung von spezifisch christlichen Auffassungen. Diese Meinung kann auch in einer analytischen Philosophie gefunden werden, die sich mehr am naturwissenschaftlichen Denken orientiert, etwa in Formen des Naturalismus. Der Unterschied dieser Auffassungen von Philosophie lässt auch eine unterschiedliche Deutung der Beziehung der Philosophie zum christlichen Glauben erwarten.
Mir scheinen bei K. Rahner beide Tendenzen zum Tragen zu kommen. Die eine, welche dem reflektierenden Philosophieren entspricht und sich in HW streng auf das Licht der natürlichen Vernunft stützen möchte, wäre jene Philosophie, welche nach Rahner den Menschen auf ein Horchen auf ein Wort Gottes in der Geschichte verweist. Die Deutung dessen als Hinführung zur christlichen Botschaft geht jedoch schon darüber hinaus, insofern diese Deutung ja aus dem christlichen Glauben heraus erfolgt. Die andere Tendenz hingegen, welche zunächst hypothetisch an einer weltanschaulichen Deutung menschlicher Lebenserfahrung interessiert ist, | dürfte bei Rahner eher der [14] fundamentaltheologischen Frage entsprechen. Diese Frage betrifft die vernünftig verantwortbare Glaubwürdigkeit geschichtlicher Phänomene, die nun beanspruchen, dieses Wort Gottes in der Geschichte zu sein. Übrigens sehe ich hier eine Parallele zu der Auffassung, die J. Bochenski in seiner "Logik der Religion" 8 vertritt, indem er den rationalen Kern der vernünftigen Glaubwürdigkeit eines religiösen Glaubens in Analogie zu einer Hypothese versteht, welche die menschliche Lebenserfahrung umfassend deutet. Diese Vorstellung einer Rechtfertigung des Glaubens dürfte wohl auch W. Pannenberg 9 vorschweben, wenn sich nach ihm beim religiösen Glauben, weil er sich auf Gott bezieht, um etwas handelt, das als hypothetische Auslegung der Erfüllung der antizipierten Sinntotalität betrachtet werden kann. Dieser Vergleich macht darauf aufmerksam, dass bei Pannenberg ausdrücklicher auch die geschichtliche Dimension dessen, was Menschen begegnet und als totale Erfahrung in diese Erklärung einzubeziehen ist, herausgestellt wird. Der genannten Auffassung von Rahner nach würde die philosophische Reflexion eher einen offenen Rahmen oder Zugang bieten, innerhalb dessen sich die theologische Überlegung entfalten kann. Das entspricht dann auch der Auffassung Rahners über das Verhältnis seiner philosophischen Methode der Transzendentalphilosophie zur Theologie. Aufschlussreich fur seine Auffassung von der Bedeutung, welche der transzendentalen Methode in der Theologie zugemessen wird, sind z.B. seine Ausführungen in Montreal 1969 zur Methode der Theologie: 10 "Transzendentaltheologie ist die Theologie, die sich der Transzendentalphilosophie als Methode bedient. ... " (Üb 96). Was versteht hier Rahner unter Transzendentalphilosophie? "Wir begnügen uns mit diesem ganz bescheidenen vorfachphilosophischen Begriff von Transzendentalphilosophie. Es genügt für uns eigentlich die Einsicht, dass die Frage nach dem erkennenden Subjekt nicht einen regionalen Erkenntnisbereich unter vielen anderen gleichgeordneten meint, sondern eine Wirklichkeit, die jeder regionalen, die Gegenstände material aufteilenden Erkenntnis als Bedingung von deren Möglichkeit vorausliegt, und dass erst dann wirklich Philosophie und Metaphysik im strengen Sinn | des Wortes gegeben [15] sind, erst dann apodiktische Urteile gefällt werden können, wenn das mit aller erkannten Gegenständlichkeit immer und überall, wenn auch unthematisch, mitgegebene Subjekt aller Erkenntnis als solches reflex thematisch wird" (Üb 100f). "Würde eine Transzendentalphilosophie sich einfach absolut setzen als alleinige, voraussetzungslose Begründung der konkreten menschlichen Existenz, würde sie den Anspruch erheben, allein dasjenige auszusagen, was ‚notwendig' für diese menschliche Existenz und also heilshaft ist, dann wäre eine ‚positive' Offenbarungsreligion in einer Heilsgeschichte, die als solche die Existenz des Menschen als ganze, also das Heil betrifft, von vornherein unmöglich" (Üb 111). Wir bemerken hier wieder das Anliegen, das auch den Ausgang von Hörer des Wortes markiert hat. Dafür ist aber zu bedenken, dass sein Verständnis von Transzendentalphilosophie und ihrer Tragweite stark mitbestimmt ist von der kritischen Weiterführung von Kant durch J. Maréchal. Von da aus ist es aber auch möglich, das Verhältnis bestimmter Erkenntnisweisen zueinander zu bestimmen und damit auch allfällige Grenzen ihrer Geltungsbereiche. Wird nun dieser umfassende Bereich betrachtet, so ergibt sich: Er umfasst alle Sonderbereiche, welche die Gegenstände einzelner Erkenntnisweisen umfassen. Er enthält auch, was diese Bereiche begründet. Er umfasst alles, was Gegenstand werden kann. Er ist darum nicht mehr relativierbar wie Sonderbereiche, die gegenüber einem umfassenderen Bereich relativierbar sind. In diesem Sinn ist er absolut. Damit aber ist auch die Erkenntnis in ihrer Geltung nicht mehr grundsätzlich relativiert auf den Bereich bloßer ‚Erscheinung' gegenüber dem ‚Ding an sich'. Für Maréchal liegt darin der Ansatzpunkt der Metaphysik. Er sieht nämlich in diesem umfassenden Bereich jenen Bereich, der herkömmlich als Seinsbereich aufgefasst wird. In ihm wird alles Seiende zunächst nicht seiner Besonderheit nach, sondern einfach als Seiendes betrachtet. Dadurch kann die Frage nach den Unterschieden und Zusammenhängen verschiedener besonderer Bereiche von Seienden gestellt werden. Da dies dem Anliegen der aristotelischen ersten Philosophie entspricht, die den Namen Metaphysik erhalten hat, ist damit auch die Fragerichtung der Metaphysik gewonnen. Sie ist wesentlich durch die uneingeschränkte Betrachtungsweise gekennzeichnet, die sich nicht auf einen besonderen Bereich der Gegenständlichkeit beschränkt. Die darin verwendeten Grundbegriffe der Metaphysik haben den Sinn, diese Differenzierungen zu benennen, sie sind zugleich Hilfe, um Zusammenhänge des Unterschiedenen im gemeinsamen Seinsbereich im Sinn einer integrativen Erklärung zu formulieren. Dieser Bereich des Seins, der zugleich allumfassend und absolut ist, ist aber zugleich jener Bereich, für den der Mensch in seinem Denken und Entscheiden grundsätzlich offen ist. In Hinblick auf diesen Bereich sind auch die Gegenstände der direkten Erkenntnis zu verstehen. Deshalb kann die methodische Einschränkung auf sie als ‚phänomenales Objekt' aufgehoben werden. Ähnliches gilt auch für die apriorischen Erkenntnisfunktionen, welche nun seinsmäßig verstanden und den Erkenntnisfähigkeiten zugeordnet werden können, von denen Thomas spricht. Dieser umfassende Bereich ist für Maréchal nicht nur in einem abstrakten Sinn der Bereich des Absoluten. Er ist zugleich der Bereich, in dem zu suchen ist, was in menschlichem Streben und Werten und Ergründen für absolut gehalten werden kann -der letzte Grund, Gott. Er lässt den sachlichen Hintergrund entfalten, auf dem Aussagen über Absolutes zu prüfen sind. Damit ist der Weg für das Anliegen einer metaphysisch fundierten Religionsphilosophie (Philosophischen Gotteslehre) frei, welche diesen Bezug im einzelnen thematisch entfaltet.
Maréchals kritische Weiterführung von Kant
[18] Im Gegensatz zu Kant ist also dieser Bezug auf das Absolute nicht nur regulativ, sondern nach Maréchal konstitutiv für die Erkenntnis, denn er ermöglicht die affirmative Funktion des Urteils. Zugleich berücksichtigt Maréchal die Problematik einer unkritischen Metaphysik: Mit Thomas unterscheidet er die Eigenart des Sprechens über das Absolute von der Eigenart des Sprechens über die gewöhnlichen Gegenstände unserer Erkenntnis im Alltag oder auch in der Wissenschaft. Dennoch ist auch dieses, wie jede Erkenntnis, von der konstitutiven Hinordnung auf das Absolute des Seins getragen. persönlichen Beantwortung der Seinsfrage. Dieser Dialog ist offen und kann als Ausdruck der geschichtlichen Bedingtheit der Realisierung des durch das Sein getragenen menschlichen Erkennens angesehen werden, als eine Art "Seinsereignis". Weil dieses Geschehen aber vom Sein getragen ist, ist es jeweils offen für das umfassende Sein und erhebt einen grundsätzlichen Anspruch auf Sinn und Wahrheit. Für den Menschen in seiner geschichtlichen Situation gilt daher nach Rahner: "Insofern er seine geschichtliche Bedingtheit als solche erfährt, ist er schon in einem gewissen Sinne über sie hinaus und kann sie trotzdem nicht eigentlich verlassen" 12 . Zwar mag es Rahner gelungen sein, manche Zusammenhänge als Möglichkeitsbedingung menschlichen Fragens aufzuweisen. Die Art und Weise, wie er den Aufweis und diese Bedingungen formuliert hat, kann von anderen, die seinem Gedankengang nicht voll folgen, in einem Sinn verstanden bzw. missverstanden werden, der ihnen ein Akzeptieren nicht möglich macht.
Palgrave Communications
Zenodo (CERN European Organization for Nuclear Research), 2022
Don Juan Manuel de la Vega, caballero del Toisón de Oro, y la Casa de los Manueles de Belmonte de Campos (Palencia): Linaje de sangre real y patronato artístico., 2022
Current Biology, 2022
Гласник Етнографског института САНУ, 2024
KnE engineering, 2024