Academia.eduAcademia.edu

Die Lämpchen aus der Kirche Seeberg (Bern)

2007, Dark Ages ? Licht im Mittelalter. L'éclairage au moyen âge. Herausgegeben von Laurent Chrkanovski und Peter Kaiser

In diesem kurzen Beitrag wird die typologische Entwicklung der keramischen Lämpchen der Kirche Seeberg im Kanton Bern beleuchtet. Angelpunkt für die typologisch-chronologische Analyse sind die Funde aus einer grossen Planieschicht, die bei dem Kirchenumbau von 1516/17 eingebracht wurde. Im Artikel wird auch auf Vergleichsfunde aus der Westschweiz und auf die Entwicklung der Brennweisen bei den keramischen Lämpchen eingegangen.

Die Lämpchen aus der Kirche Seeberg (Bern) von Jonathan Frey Einleitung Seeberg liegt im Hügelland südwestlich von Herzogenbuchsee. Die erste schriftliche Erwähnung der Kirche fällt ins Jahr 1076, als Herzog Berchtold II. von Zähringen und seine Frau Agnes von Rheinfelden die Patronatsrechte der Kirche Seeberg dem Kloster St. Peter im Schwarzwald schenkten 1. Im Jahr 1999 wurde die Kirche Seeberg durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern ausgegraben, da die geplante Bodenheizung die archäologische Substanz gefährdete. Die archäologischen Grabungen zeigten, dass es an Stelle der Kirche einen römischen Gutshof gegeben hatte. Nach dessen Auflassung wurde frühestens im 6. Jh. ein Bestattungsplatz eingerichtet, der möglicherweise bis ins 9. Jh. in Funktion blieb. Über einigen der weitgehend beigabenlosen Gräber erhoben sich kleine Grabbauten in Holzbauweise. Im 8./9. Jh. wurde eine erste hölzerne Saalkirche (Anlage I) in Pfostenbauweise errichtet, auf welche im 9./10. ein Bau in Schwellbalkenbauweise folgte (Anlage II). Im 11./12. Jh. wurde diese Kirche durch eine steinerne Saalkirche ersetzt (Anlage III). Im 12./13. und in der ersten Hälfte des 14. Jhs. wurden die Böden dieser Kirche erneuert und der Chorbereich entscheidend abgeändert (Anlagen IV und V). 1516/17 erfolgte der Bau der heute noch bestehenden Kirche mit dreiseitig geschlossenem Altarhaus (Anlage VI), die bis heute nur geringe Änderungen vor allem im Chorbereich erfahren hat (Anlage VII) 2. Nebst dieser Abfolge von Kirchengebäuden erbrachten die Grabungen über 3300 Funde. Dies ist für einen kirchlichen Kontext eine erhebliche Menge. Von den 19 Grabungen in Kirchen und Klöstern des Kantons Bern lieferten nur jene in der ehemaligen Kirche St. Martin in St. Imier und in der reformierten Kirche von Steffisburg ähnlich grosse Fundmengen. Unter den Funden aus Seeberg sind 294 Scherben mittelalterlicher Gefässkeramik, die schätzungweise von 139 Gefässindividuen stammen. Lämpchen sind mit 84 Stück die häufigste Form, der Rest sind Töpfe, wenige Schüsseln, Dreibeintöpfe und -pfännchen, ein Leuchterfuss sowie eine beträchtliche Zahl an unbestimmbaren Gefässen. Im gesamten Fundmaterial der Kirche Seeberg sind 84 Lämpchen vorhanden, womit diese einen Anteil von 60% Prozent an der Gesamtzahl von 138 Gefässen erreichen. In der Kirche Gelterkinden BL sind die Lämpchen mit einem Anteil von 75% ebenfalls sehr häufig, während es in der Kirche Hölstein BL nur 24% sind 3. Die relative Häufigkeit der Lämpchen im Fundmaterial von Kirchen überrascht 293 nicht, da diese für die Beleuchtung der Kirche oder als Grablichter verwendet wurden. Da das Fundmaterial in seinem gesamten Umfang stratifiziert ist, können die Funde den verschiedenen Kirchenbauten zugewiesen werden. Die grössten Mengen an Gefässkeramik stammen vor allem aus den Bauhorizonten der Anlagen V (14. Jh) und VI (1516/17) sowie aus dem Friedhofsbereich der Anlagen III, IV oder V. Die stratigraphisch ältesten Lämpchen stammen aus dem Friedhof ausserhalb der ersten steinernen Kirche (Anlage III) und könnten aufgrund der Befunddatierung bereits aus dem 11./12. Jh. stammen. Die vorhandenen Typen datieren typologisch jedoch erst ins 14. und 15. Jh. Der Anteil der Lämpchen aus den Schichten des Friedhofs beträgt gut 29%. Beim Bau der Anlage V wurden über dem Boden der Anlage IV zwei Planierschichten eingebracht, die als Unterlage für einen Bretterboden dienten. Aus diesen Schichten stammen mindestens 18 Lämpchen, von denen 8 im Bereich des Altarhauses lagen. Die Lämpchen wurden in der Anlage IV für die Beleuchtung der Kirche und die Liturgie, aber nicht als Grablichter verwendet, da in der Anlage IV nicht bestattet worden ist. Die Lämpchen sind mit einem Anteil von 75% die häufigste Gefässform dieser Anlage (Mindestindividuenzahl 24). Als man 1516/17 die heute noch bestehende Kirche errichtete, wurden erneut Planierschichten eingebracht, die eine grosse Menge an Fundmaterial enthielten. 48 der 73 Gefässmindestindividuen sind Lämpchen, was einem Anteil von 64% entspricht. Typologie und Chronologie der Lämpchen Wie die stratigraphische Analyse gezeigt hat, ist ein stattlicher Teil der Lämpchen aus Seeberg historisch vor 1516/17 datiert. Wie sämtliche Formen der Gefässkeramik sind auch die Lämpchen einem formalen und technologischen Wandel unterworfen. Da in den stratigraphisch getrennten Bauhorizonten der Anlage V und VI von Seeberg viele Lämpchen vorhanden sind, konnte die formale Entwicklung während des Spätmittelalters beobachtet werden. Die grobe Entwicklung der Lämpchen des 13. Jhs. mit gerader Wandung und unverdicktem Rand zu denjenigen des 15. und 16. Jhs. mit stark geschwungener Wandung und eingebogenen Rand ist schon lange bekannt 4. Dementsprechend wurden denn auch die zehn verschiedenen Typen definiert, die meistens noch in Untertypen unterteilt sind (Abb. 218), um eine möglichst feine Unterscheidung der Lämpchenformen zu ermöglichen. Diese ist nötig, weil es sich bei den Lämpchen um eine sehr kleine Form handelt und daher Unterschiede bei der Randform und der Wandung sofort ins Auge fallen. 294 Die chronologische Abfolge der Lämpchenformen in Seeberg Die Lämpchenformen L1 bis L3, die vor allem während des 13. Jhs. häufig verwendet wurden, sind in Seeberg nicht vorhanden. Während die Formen L4 und L5 nur sporadisch auftreten, sind die Typen L6, L7 und L8 typisch für den Bauhorizont der Anlage V. Die Bedeutung von L6 nimmt im Bauhorizont von 1516/17 deutlich ab, da nun die Formen L7, L8, L9 und vor allem L10 dominierend sind. Somit lässt sich in Seeberg die Entwicklung von den auf der Oberseite gekehlten Rändern zu den unterschnittenen und schliesslich zu den eingebogenen Rändern beobachten. Die chronologische Abfolge der Lämpchenformen in den Vergleichskomplexen der westlichen Deutschschweiz Um die einzelnen Lämpchenformen zeitlich besser einordnen zu können, wurden absolut datierte Vergleichskomplexe aus der westlichen Deutschschweiz herangezogen. Lämpchen mit gerader Wandung (L1 und L2) kommen mit grosser Wahrscheinlichkeit nur im 13. Jh. vor, wobei die Mehrheit dieser Lämpchen aus der ersten Hälfte des 13. Jhs. stammt. Lämpchen mit mehr oder weniger stark geschwungener Wandung (L3, L4 und L5), deren Rand unverdickt, leicht verdickt oder gekehlt sein kann, sind mehrheitlich seit der Mitte des 13. Jhs. in Gebrauch und werden möglicherweise auch noch zu Beginn des 14. Jhs. verwendet. Die Lämpchen mit geschwungener Wandung und Randlippe (L6) sind bereits in der ersten Hälfte des 13. Jhs. nachgewiesen und scheinen auch noch in der ersten Hälfte des 14. Jhs. vorzukommen. Bei den Lämpchenformen L7 und L8, die erstmals in den vor 1356 datierten Komplexen der Basler Erdbebenburgen nachgewiesen sind, wird die Randlippe durch eine Unterschneidung ersetzt bzw. fällt gänzlich weg. Diese Randformen sind mit Ausnahme eines einzigen Exemplars im 13. Jh. nicht belegt und treten daher erst im 14. Jh. auf. Da der Typ L8 sich wahrscheinlich fliessend zu L9 weiterentwickelt, ist das erstmalige Auftreten von L9 schwierig zu fassen, doch scheint die Form in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. einzusetzen. Die Lämpchen mit eingebogenen Rändern (L10) treten erst nach 1415 auf und bleiben zumindest bis ans Ende des 16. Jhs. in Gebrauch 5. Diese Form weist oft auch einen kurzen Grifflappen auf, der an seinem Ende umgelegt ist. Gegen Ende des 16. und im 17. Jh. scheinen dann auch Lämpchen mit stark gerundeter Wandung und eher kleinerem Durchmesser aufzutreten (L10c), wobei die Zahl der Lämpchen generell abnimmt. Im 18. Jh. endet die Produktion der Lämpchen sehr wahrscheinlich fast vollständig 6. 295 Allgemeine Entwicklung der Randformen Betrachtet man nur die Randformen in pauschaler Weise, so lässt sich eine Entwicklung von den gerundeten zu den horizontal abgestrichenen und dann von den schräg abgestrichenen zu den senkrecht stehenden und schliesslich den eingebogenen Rändern beobachten. Die gerundeten Ränder sind fast nur in der ersten Hälfte des 13. Jhs. nachgewiesen, während horizontal abgestrichene Ränder während des gesamten 13. Jhs. vorkommen und dann vermutlich in der ersten Hälfte des 14. Jhs. allmählich verschwinden. Die schräg abgestrichenen Ränder treten ebenfalls während des 13. und 14. Jhs. auf und werden in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. oder in der ersten Hälfte des 15. Jhs. von den eingebogenen Rändern abgelöst, die fortan alleine vorherrschen. Entwicklung der Brennweisen und der Glasurverwendung Die Entwicklung der Brennweisen, die bei den Lämpchen der vier untersuchten Jahrhunderte angewandt wurden, ist rasch überblickt. Die Lämpchen des 13. und beginnenden 14. Jhs., die zu den Typen L1–L7 gehören, sind in der Regel reduzierend gebrannt. Hinweise auf eine grau–rötliche, eine rötlich–beige oder eine ziegelrote Tonfarbe und damit auf einen oxidierenden Brand gibt es nur in Einzelfällen. Mit der Form L8 treten neben den reduzierend gebrannten Lämpchen nun auch oxidierend gebrannte und glasierte Lämpchen auf. Reduzierend gebrannte und unglasierte oxidierend gebrannte Lämpchen treten auch noch bei der Form L9 auf, während die Lämpchen des Typs 10 alle oxidierend gebrannt und glasiert sind. Erst bei dieser Form treten denn seit der Mitte des 15. Jhs. auch die über einer Engobe glasierten Lämpchen auf 7. 296 Abb. / Fig. 217. Ausgewählte Lämpchen aus der Kirche Seeberg. 1: Friedhoferde der Gräber 20, 23, 24 und 25, Anlagen IV oder V bis 1516/17. 2: Lämpchen der Anlage V, 1. Hälfte 14. Jh. 3: Lämpchen der Anlage VI, datiert vor 1516/17. / Choix de lampes de l’église de Seeberg. 1: terrain du cimetière, tombes n. 20, 23, 24 et 25, Phases IV ou V jusqu’à 1516 / 1517. 2: Lampes de la phase V, 1ère moitié du XIVe siècle. 3: Lampes de la phase VI, daté de 1516 / 1517. 297