Nachhaltigkeit und Denkmalpflege:
Konfliktpotential oder Selbstverständlichkeit?
1. Einleitung
Eine im Oktober 1999 an der ETH Zürich abgehaltene Tagung zum Thema „Nachhaltigkeit und Denkmalpflege“ trägt den Untertitel „Beiträge zu einer Kultur der Umsicht“ [1].
Umsicht bedeutet soviel wie Bedachtnahme, Sorgfalt, Behutsamkeit. Letztendlich könnte
man daraus das Bestreben ableiten, Konsequenzen des eigenen Handels frühzeitig – rechtzeitig? – einzuschätzen, um spätere negative Folgewirkungen gering zu halten oder zu vermeiden. Elf Jahre später, in Zeiten eines europäischen Regelwerks für nachhaltiges Bauen,
einer steigenden Nachfrage nach Gebäudezertifikaten oder der bevorstehenden Bauprodukteverordnung mit der neuen Forderung nach nachhaltiger Nutzung natürlicher Ressourcen
stellt sich die Frage, ob bzw. wie diese Umsicht im Bauwesen mittlerweile Eingang gefunden
hat und den Umgang mit dem von der Denkmalpflege erfaßten Gebäudebestand verändert
hat.
Auf den ersten Blick scheinen die Begriffe Denkmalpflege und Nachhaltigkeit im Widerspruch zu stehen und ein Potential für Konflikte darzustellen, gilt doch die Denkmalpflege
als eher vergangenheitsorientiert, Nachhaltigkeit als neuer Megatrend jedoch eindeutig
zukunftsorientiert. Doch bleibt dieser scheinbare Konflikt auch bei näherer Betrachtung
bestehen?
Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit, heute wahrscheinlich eines der am meisten mißbrauchten Wörter? Nach der Definition der Brundtland Kommission [2], versteht man
Bild 1: Römerkastell Qasr Bushir, östlichster Vorposten des Imperium Romanum am Limes Arabicus, Jordanien:
ungenutzte Nachhaltigkeitspotentiale durch fehlende Instandhaltung, keine Umnutzungsmöglichkeit, fehlende
langfristige Standortattraktivität, jedoch maximale Kreislauffähigkeit (erbaut ca. 300 n.Chr.)
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unter nachhaltiger Entwicklung eine solche, die die Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen
erfüllt, ohne zukünftige Generationen in ihren Möglichkeiten einzuschränken. Mit dem
Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 wurde der sozialen und ökonomischen Dimension auch
die Umweltdimension hinzugefügt, weshalb heute Nachhaltigkeit auf der Basis des DreiSäulen-Modells verstanden wird. Nachhaltigkeit bedeutet demnach nicht nur langfristig
wirksam, sondern auch langfristig verträglich. Nachhaltiges Bauen heißt daher vereinfacht,
den Nutzen eines Bauwerks für Gegenwart und Zukunft zu optimieren bei minimalen Umweltwirkungen und Kosten über den Lebenszyklus. Der neue Trend bei der Planung von
Gebäuden, insbesondere aber Infrastrukturbauten, heißt Life-Cycle-Design. Optimierungen
von Bauwerken über den Lebenszyklus erfordern in der Regel auch eine möglichst lange
Nutzungsdauer, was bei Gebäuden einen langfristigen attraktiven Standort voraussetzt.
Unter Denkmalpflege wird nach [3] die kulturell begründete Bewahrung und Pflege von
Gegenständen verstanden, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen,
städtebaulichen oder wissenschaftlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt. Aufgabe
des Denkmalschutzes ist es dagegen, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Denkmalpflege sicherzustellen. Konzentriert sich die Denkmalpflege auf in der Vergangenheit geschaffene Kulturgüter, so ist das Vorsorgeprinzip für künftige Generationen, auch im Sinne
der „Brundtland-Definition, sozusagen systemimmanent.
2. Zur Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Gebäudeplanung
Zum besseren Verständnis sollen im Folgenden beispielhaft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Ansatzpunkte aufgelistet werden, wie Nachhaltigkeitsaspekte in den drei
Dimensionen bei der Planung und Errichtung von Gebäuden zu berücksichtigen sind:
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Ökologische Dimension: hier wird in der Regel ein Input-Output-Modell zugrunde gelegt, aus dem sich folgende Ansatzpunkte ergeben: Ressourcenverbrauch (einschließlich
Knappheit/Verfügbarkeit) wie Stoffe, nicht erneuerbarer Energieträger, Bodenoberfläche
(Input); gasförmige Emissionen, Abwasser, feste Abfälle (Output). Bei der Bewertung
von Bestandsbauten ist der „Umweltverbrauch“ für die Herstellung in der Regel nicht
mehr zu bilanzieren, weshalb Bestandsbauten in der Nachhaltigkeitszertifizierung einen
nicht zu unterschätzenden Startvorteil aufweisen. Dazu kommt die überproportional
lange Bestandsdauer von Denkmalen, über die die Umweltwirkungen verteilt werden.
Ökonomische Dimension: dabei stehen in der gegenwärtigen Dimension die Lebenszykluskosten sowie die Werterhaltung bzw. –entwicklung im Vordergrund der Betrachtungen (auch in der Gebäudezertifizierung). Die lange Bestandsdauer reduziert ebenfalls
den Einluß der Herstellung.
Soziale, besser soziokulturelle Dimension: dazu zählen u.a. Gesundheit und Behaglichkeit, Nutzungssicherheit, Funktionalität, Barrierefreiheit, Raumluftqualität, Belichtung
und Tageslichtnutzung etc. Architekturqualität, Ortsbild- und Denkmalpflege sind hier
wohl ebenfalls unverzichtbare Bestandteile.
Während für die Bewertung der ökologischen und der ökonomischen Gebäudequalität
(nach CEN/TC 350 „Environmental and economic performance of buildings“) mittlerweile
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Bild 2: Stephansdom, vielleicht das „nachhaltigste“ Bauwerk des Landes: 864 Jahre bisherige Nutzungsdauer bei
durchgängiger Nutzungsart (nahezu unerreicht), hohe Kreislauffähigkeit durch geringe Materialvielfalt (Recycling
möglich, aber unerwünscht), mäßige Flächeneffizienz durch Bauhöhe, hoher Instandhaltungsaufwand, emissionsfreier
Betrieb möglich.
ganz brauchbare Ansätze vorliegen, gestaltet sich die normative Erfassung der soziokulturellen Gebäudequalität wesentlich schwieriger.
3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Planungsprozeß
3.1 Nachhaltiges Planen und Bauen
Nachhaltiges Planen und Bauen muß noch vor Planungsbeginn ansetzen, am Beginn der
Projektentwicklungsphase: erster Schritt ist i.d.R. eine Prüfung des Raum- bzw. Flächenbedarfs, die Auswahl eines geeigneten Standortes einschließlich Bebauungsstudien bei mehreren Standorten sowie die Prüfung, ob der Raum- bzw. Flächenbedarf aus einem
vorhandenen Gebäudebestand genutzt werden kann. Sind alle Randbedingungen in der
Projektentwicklung geklärt, kann ein Architekturwettbewerb bzw. der Vorentwurf begonnen
werden. Voraussetzung ist allerdings künftig, daß vom Beginn der Planung an nicht der
Architekt allein am Zuge ist, sondern mit ihm gemeinsam – interdisziplinär! – ein Planungsteam, bestehend zumindest aus Architekt, Tragwerksplaner, Bauphysiker und TGA99
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Planer und eventuell auch FM-Planer, verfügbar ist. Grundzüge der Tragstruktur, der aktiven/passiven Solarenergienutzung und des Energiekonzepts im Zusammenwirken mit der
Gebäudehülle sind auch im Vorentwurfs- bzw. Wettbewerbsstadium festzulegen. Unter diesen Aspekten kann in der Neubauplanung weitgehende Gestaltungsfreiheit des Planungsteams erwartet werden. Eine frühzeitige Formierung des Planungsteams ist die
Voraussetzung für eine „integrale Planung“, die wiederum Voraussetzung für eine ganzheitliche Optimierung des Gebäudes über den Lebenszyklus darstellt.
3.2 Denkmalpflegegerechte Planung
Im Gegensatz zur Neubauplanung ist beim „Bauen im Bestand“ die Gestaltungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Am Beginn steht ein vorhandenes und zu erhaltendes Gebäude,
dessen denkmalpflegerischer „Wert“ (kultureller, künstlerischer historischer, ...) zu definieren
ist und für das aber auch eine langfristige Nutzung auf wirtschaftlicher Basis zu finden ist,
die überdies die Bausubstanz nicht schädigen soll. Vielfach fehlen zahlreiche Informationen,
um mit einer fundierten Planung beginnen zu können, weshalb zahlreiche Vorerhebungen
am Beginn stehen müssen. Daraus hat sich auch das mehrstufige Konzept Anamnese – Diagnose – Befund – Bewertung – Lösung/Therapie entwickelt, wobei am Beginn zunächst
die bautechnische Zustandsfeststellung sowie die denkmalpflegerische und architektonische
Bauforschung stehen. Im Gegensatz zu sanierungsbedürftigen/-würdigen Altbauten steht
beim Denkmal das Erhalten – mit den Randbedingungen der Denkmalpflege – im Vordergrund. Die (denkmalgerechte) Nutzung auf wirtschaftlicher Basis ist wohl eine in der
Praxis meist unvermeidliche Nebenbedingung, die verschleiß- und erosionsfördernd den
Verfall begünstigt, aber auch den Blick auf Wartung und Instandhaltung schärft und meist
auch deren wirtschaftliche Grundlage sicherstellt.
4. Zielkonflikte
Aus den genannten Ansatzpunkten ergeben sich eine Reihe von Zielkonflikten, von denen
im Folgenden einige beispielhaft angeführt werden:
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Thermische Sanierung: Da die Fassade – noch vor dem Dach – die architektonische Visitenkarte eines Gebäudes darstellt, wird eine Veränderung – beispielsweise durch eine
zusätzliche Außendämmung – in den wenigsten Fällen in Frage kommen. Eine Innendämmung ist aus bauphysikalischen Erwägungen grundsätzlich problematisch und nur
in besonderen Fällen anwendbar. Ermittelt man den Heizwärmebedarf an Gebäuden
vor dem 1. Weltkrieg, so zeigen diese gar nicht so schlechte Energiekennzahlen – jedenfalls im Vergleich zu Gebäuden aus den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Überdies weist das als Wandbildner verwendete (ungelochte) Ziegelmauerwerk mit den
seinerzeitigen Wandstärken beträchtliche Speichermassen auf, die in der Regel einen
vertretbaren Kompromiß sowohl für den sommerlichen als auch für den winterlichen
Wärmeschutz darstellen. Heute zu beobachtende Trends, alte Bausubstanz – koste es
(nicht erneuerbare Rohstoffe, Primärenergie, Abfälle, ...), was es wolle – auf Passivhaus-,
Nullenergie- oder Plusenergiestandards „upzugraden“, sind nicht immer nachvollziehbar, wenn man bedenkt, wie viel nicht erneuerbare Energie im berufs- oder freizeitbedingten Individualverkehr in CO 2 und andere klimarelevante Emissionen umgewandelt
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Bild 3: Schloß Schönbrunn, das ökonomisch „nachhaltigste“ Gebäude Österreichs? Bisherige Nutzungsdauer ca. 300
Jahre, ertragreiche Nutzungsänderung mit langfristig gesicherter Werterhaltung und Instandhaltung, hohe
Beanspruchung (Raumklima, Verschleiß, ...) durch hohe Besucherzahlen, hohe immaterielle Wertsicherung
(Geschichtsvermittlung, nationale Identitätsstifung, ...)
wird. Bietet das massive Mauerwerk von Altbauten durch seine Speichermassen ideale
Voraussetzungen für den sommerlichen Wärmeschutz und ein angenehmes Raumklima,
so ergibt sich aus der an Süd- und Westfassaden oft erforderlichen außen liegenden Verschattung Konfliktpotential, da dies insbesondere in städtischen Schutzzonen oft von
den zuständigen Behörden als nicht vereinbar mit dem Erscheinungsbild angesehen
wird.
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Die aus dem Lebenszyklusdenken resultierende, angestrebte lange Nutzungsdauer erfordert in der Neubauplanung hohe Nutzungsflexibilität. Dies bedeutet, daß – abhängig
von jeweiligen Standort – im Rahmen der Projektentwicklung zwischen Bauherrn und
Architekten denkbare Nutzungsvarianten überlegt werden müssen, die dann in Raumkonzept, Tragkonstruktion, Leitungsführung etc. ihren Niederschlag finden sollten. Dies
ist im Altbaubestand und insbesondere bei denkmalgeschützten Objekten vielfach nur
eingeschränkt möglich. Denkmalpflege ist auf die Erhaltung von Werten (siehe oben)
ausgerichtet und bedeutet auch im Zusammenhang mit Umnutzung die Wahrnehmung
der architektonischen und räumlichen Qualität sowie die Interpretation der baulichen
Logik [1]. Dem der Sanierungsplanung zugrunde zu legenden Nutzungskonzept ist
daher nach Bauforschung und Zustandsfeststellung besondere Bedeutung beizumessen.
Eine der Forderungen nachhaltigen Bauens ist es, im Sinne der stofflichen Ressourcenschonung und der Abfallvermeidung maximale Kreislauffähigkeit aller Bauteile sicherzustellen. Dazu zählt auch, Bauteile mit unterschiedlicher Lebens-, aber auch
Nutzungsdauer leicht trennbar zu konstruieren, wie z.B. Rohbau – Ausbau oder Rohbau – technische Gebäudeausrüstung. Dies ist bei denkmalgeschützten Objekten vielfach nur eingeschränkt realisierbar. Ähnliches gilt auch für die gebündelte Führung von
Ver- und Entsorgungsleitungen sowie deren Zugänglichkeit von allgemeinen Teilen des
Gebäudes.
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Flächeneffizienz: ermöglicht die Neubauplanung dem Architekten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, so ist dies in der Gebäudesanierung, insbesondere unter den Intentionen
der Denkmalpflege sowie den Auflagen des Denkmalschutzes erheblich schwieriger.
Einer der wichtigsten Ansatzpunkte für nachhaltiges Planen und Bauen ist die Minimierung der Lebenszykluskosten bei vorgegebener Nutzungsart und Gebäudequalität.
Lassen sich die Herstellungskosten (Bauwerkskosten im Sinne der ÖNORM B 1801)
im Neubau entsprechend den Qualitätsanforderungen des Auftraggebers vergleichsweise
gut prognostizieren, gestaltet sich die Abschätzung der Lebenszykluskosten (also insbesondere der Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie der Beseitigungskosten) erheblich schwieriger. Auch wenn in der Gebäudesanierung der Kostenbereich Bauwerk –
Rohbau im Sinne der ÖNORM B 1801 meist bzw. weitgehend eingespart werden kann,
sind insbesondere bei unklarem Erhaltungszustand die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und die daraus resultierenden Kosten oft schwer einschätzbar. Voraussetzung
ist daher eine umfassende Zustandsfeststellung mit ausreichendem Tiefgang, deren
Kosten-Nutzen-Relation dem Auftraggeber aber oft erst vermittelt werden muß.
5. Übereinstimmungen
Nachhaltige Denkmalpflege zielt auf eine lange Bestandserhaltung ab und erfüllt daher
auch das Vorsorgeprinzip für künftige Generationen entsprechend den Forderungen einer
nachhaltigen Entwicklung. Dazu zählt auch das Bestreben, das Ausmaß der Intervention
bei der Gebäudesanierung auf das notwendige Minimum zu beschränken und eine Reversibilität, also die Umkehrbarkeit der Sanierungsmaßnahmen im höchstmöglichen Ausmaß
sicherzustellen. Dahinter steht die Überlegung, wie auch in der Vergangenheit schon zu beobachten war, daß künftigen Gebäudeeigentümern und –nutzern neue Technologien zur
Verfügung stehen werden, deren Anwendung zur langfristigen Gebäudeerhaltung aktuelle
Sanierungsmaßnahmen unter Umständen entgegenstehen könnten.
Die „ökologischste“ Form des Bauens ist bekanntlich, nicht zu bauen. Bestandsnutzung ist
daher die effizienteste Maßnahme, materielle und energetische Ressourcen für den Neubau
zu schonen und anfallende Baurestmassen durch Gebäudeabbrüche zu vermeiden (Abfallminimierung durch Bestandsnutzung). Die Weiternutzung bestehender Gebäude vermeidet
weiters zusätzliche Bodenversiegelung und schont damit eine der am meisten unterschätzten
Ressourcen im Bauwesen, nämlich die Bodenoberfläche. Darüber hinaus werden durch Bestandsnutzung herstellungsbedingte Emissionen, die bei der Erzeugung neuer Bauprodukte
anfallen, vermieden (mit Ausnahme der für die Sanierung erforderlichen Baustoffe bzw.
Bauprodukte). Dies gilt auch für die vor allem in Ballungszentren problematischen Schwertransporte für Baurestmassen und Baustoffe. Die mit der Erhaltung schützenswerter Objekte
verbundene materielle und immaterielle Werterhaltung als Beitrag zur soziokulturellen
Nachhaltigkeit soll dabei nur am Rande erwähnt werden.
6. Conclusio
Nachhaltige Denkmalpflege ist mit dem Konzept einer nachhaltigen Entwicklung nicht
nur vereinbar, sondern wesentlicher Bestandteil. Der Schwerpunkt ist zweifellos in der
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sozialen Nachhaltigkeit zu sehen, weshalb der Begriff „soziokulturelle Nachhaltigkeit“
zweckmäßiger erscheint, umfaßt dieser ja auch kulturelle Werte wie z.B. Architekturqualität,
künstlerische Aspekte oder spezielle Handwerkstechniken. Im Hinblick auf die heute vielfache geforderte thermische Sanierung entspricht der winterliche, mitunter auch sommerliche Wärmeschutz von Gebäuden vor dem 1. Weltkrieg mit massivem Ziegelmauerwerk
als Wandbildner zwar meist nicht den heutigen Wärmeschutzanforderungen, stellt aber
doch vielfach einen befriedigenden Kompromiß dar. In Anbetracht der allein durch den
Individualverkehr verbreiteten Energieverschwendung ist der „Modetrend“ zur Sanierung
auf Passivhausstandard oder darüber hinaus mit einer gewissen Vorsicht zu sehen. Mit Blick
auf die seit kurzem stark steigende Nachfrage nach Nachhaltigkeitszertifikaten für Gebäude
ist davon auszugehen, daß für Bestandsbauten – und hier vor allem bei erhaltenswerten
oder dem Denkmalschutz unterliegenden Gebäuden – die für Neubauten entwickelten Bewertungskategorien und Gewichtungen modifiziert werden müssen, um den Anforderungen
der Denkmalpflege und damit auch der Gesellschaft einschließlich künftiger Generationen
gerecht zu werden. Unter dieser Prämisse sollten Zertifizierungssysteme auch für (denkmalgeschützte) Bestandsbauten von Planern und Restauratoren nicht als einschränkendes
Korsett gesehen werden, sondern als Chance, die – nicht nur kulturellen – Potentiale des
erhaltungswürdigen und denkmalgeschützten Gebäudebestands in Österreich in einem
kreativen Wettbewerb zur Definition der Planungsziele zu nutzen.
Literatur:
[1] Wohlleben, M., Meier, H.-R. (Hrsg.), Nachhaltigkeit und Denkmalpflege. Beiträge zu
einer Kultur der Umsicht, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 2003.
[2] Hauff, V. (Hrsg.), Unsere gemeinsame Zukunft, Der Brundtlandbericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Vereinte Nationen, 1987.
[3] Brockhaus-Enzyklopedie, 19. Auflage, Leipzig, 1994.
[4] Hueber, F., Denkmalpflegerische Bewertung historischer Bauten, 10. Wiener Sanierungstage, OFI Wien, 2002.
[5] Snethlage, R., Das Analyse-Diagnose-Befund-Konzept, Bautenschutz Bausanierung,
1989.
[6] Maydl, P., Nachhaltigkeit in Bauwerkssanierung und Denkmalpflege – Konfliktpotential oder Selbstverständlichkeit? 18. Wiener Sanierungstage, OFI Wien, 27./28.5.2010.
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