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Glas in der Latènezeit

Historisches Seminar, Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie Seminar: Wirtschaftsarchäologie Sommersemester 2012 Dozent/In: Dr. Valeska Becker Glas in der Latènezeit Stefanie Andrea Kunz Archäologie-Geschichte-Landschaft, Tel.: +49173 / 51 70 249 Skandinavistik eMail: [email protected] 2. Fachsemester Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung.................................................................................................................. 2 2. Forschungsstand.....................................................................................................3 3. Chronologie und Typologie.....................................................................................4 3. 1. Glasperlen..........................................................................................................5 3. 2. Glasarmringe......................................................................................................7 3. 3. Zusammenfassung der Entwicklung...................................................................8 4. Herstellung............................................................................................................... 9 4. 1. Allgemeines zur Glasherstellung........................................................................9 4. 2. Herstellung von Glasperlen und Glasarmringen in der Latènezeit....................10 4. 3. Produktionsstätten............................................................................................11 5. Fazit......................................................................................................................... 12 6. Literaturverzeichnis...............................................................................................13 7. Abbildungsverzeichnis..........................................................................................15 1 1. Einleitung Glas zählt neben den Edelmetallen zu den ältesten Materialen, die zur Schmuckherstellung verwendet wurden.1 Bis heute hat Glas als Schmuckartikel nicht an Aktualität verloren, denn wie die Kollektionen der heutigen Schmuck- und Edelsteinbranche zeigen, zählt farbenfroher Glasschmuck zu einem der zeitlosesten Schmuckartikel überhaupt. Dennoch ist auch jetzt noch nicht archäologisch gesichert wann, wo und wie Glas erfunden wurde. 2 Die ältesten Erzeugnisse stammen aus Produktionsstätten in Mesopotamien und Ägypten.3 Über weitreichende Handelsbeziehungen gelangte das neue Material schließlich auch nach Mitteleuropa. 4 Seit dem Beginn der Bronzezeit sind Glas sowie seine Derivate Fayence und Glasur zusammen mit Keramik und Metallerzeugnissen oft an archäologischen Fundplätzen belegt.5 Inhalt dieser Arbeit soll es sein aufzuzeigen, welche Glasprodukte es in der Latènezeit gab, in welchen Kontexten sie gefunden werden und wie sie hergestellt wurden. Aufgrund des Umfangs der Arbeit wird sich hier nur auf die Glasperlen, zu denen auch die Ringperlen zählen, und die für die Latène-Kultur charakteristischen Glasarmringe beschränkt. Diese Glasarmringe sowie die Glasperlen erwiesen sich als gut zu datierende Funde,6 da die verschiedenen Formen und Typen meist nur auf kurze zeitliche Abschnitte beschränkt sind. Aus dieser ersten Einschränkung auf die Glasperlen und Glasarmringe resultiert wiederum eine zeitliche Einschränkung auf die Stufen Lt C und Lt D, denn obwohl es bereits in der Stufe Lt A und auch schon früher Glasperlen gab, sind die nahtlosen Glasarmringe der Latène-Kultur nur in der Mittelund Spätlatènezeit zu finden. 1 Geiß-Dreier 1992, 193. 2 Ebd. Ebd. 4 Ebd. 5 Karwowski 2004, 7. 6 Ebd. 3 2 2. Forschungsstand 1939 erstellt Thea Elisabeth Haevernick in ihrer Dissertation „Die Glasarmringe und Ringperlen der Mittel- und Spätlatènezeit auf dem europäischen Festland“7 – welche erst im Jahr 1960 veröffentlicht wurde – aus einer Sammlung von über 4.000 Fundstücken eine Typologie von Armringen und Ringperlen. 8 Dabei unterscheidet sie nach der Profilierung der Außenseite und evtl. vorhandenen Verzierungen. Dem Faktor der Farbe misst sie nur einen geringen Wert bei. 9 Aufgrund dieser Einteilung kommt sie auf insgesamt 18 Gruppen an Armringen und sechs Gruppen an Ringperlen, die teilweise noch in Untergruppen unterteilt werden.10 Auf der Basis von Th. E. Haevernicks Typologie erstellt Rupert Gebhard 1989 im Zuge seiner Bearbeitung der Glasfunde aus dem Oppidum von Manching eine Typologie von Armringen.11 Aus Th. E. Haevernicks Gruppen erstellt er 80 verschiedene Formen, indem er jeder Gruppe und jeder Untergruppe eine eigene Form zuweist. Zusätzlich fügt er noch 15 weitere Formen hinzu, die bei Th. E. Haevernick nicht enthalten sind. Somit erhält er 95 verschiedene Formen von Armringen. 12 Anders als Th. E. Haevernick misst R. Gebhard den Farben der Armringe eine höhere Bedeutung bei. Dabei unterscheidet er 37 verschiedene Farben, von Kobaltblau über Bernsteinfarben bis hin zu Violett.13 Die Kombination aus Form und Farbe ergibt schließlich seine Reihen. Für Manching z. B. kommt R. Gebhard auf 39 verschiedene Reihen.14 Im Jahre 1993 erstellt Maria Anna Zepezauer, auch auf Basis von Th. E. Haevernicks Typologie, eine Typologie der mittel- und spätlatènezeitlichen Glasperlen. 15 Dabei übernimmt sie die Typologie komplett und nimmt lediglich die verschiedenen Farben mit hinzu. Im weiteren Verlauf werden die Typologien von M. A. Zepezauer für die Glasperlen und, aufgrund der besseren Übersichtlichkeit, die Typologie von Maciej Karwowski für die Glasarmringe verwendet. M. Karwowski hat im Jahr 2004 in seiner Publikation über latènezeitlichen Glasringschmuck aus Ostösterreich die Typologie von Th. E. Haevernick übernommen und leicht vereinfacht.16 7 Haevernick 1960. Ebd. 7. 9 Karwowski 2004, 14 f. 10 Haevernick 1960, 41-71. 11 Gebhard 1989a. 12 Ders. 1989b; Wagner 2006, 18-20. 13 Gebhard 1989a, 187. 14 Ebd. 11-21. 15 Zepezauer 1993 16 Karwowski 2004 8 3 3. Chronologie und Typologie Auch wenn es nicht Thema dieser Arbeit ist, so soll hier dennoch zum besseren Verständnis kurz die Chronologie der Glasperlen und -armringe früherer Zeit erwähnt werden. Mit dem Beginn der Bronzezeit tauchen auch die ersten Glasperlen auf. Diese sind kugelförmig oder flach kugelförmig und in ihrer Farbe durchscheinend blau oder grün. 17 Während der mittleren Bronzezeit ist die Anzahl der Glasperlenfunde sehr gering.18 Erst in der späten Bronzezeit nimmt die Zahl der Funde zu. In dieser Zeit treten vereinzelt erstmals auch türkise und gelbe Glasperlen auf. 19 Diese einfarbigen Glasperlen bleiben in ihrer Form jedoch gleich. Hinzu kommen nun verzierte Glasperlen mit Spiral-, Wellen-, Gitter- und Augenmuster. 20 Mit der Eisenzeit beginnt eine deutliche Differenzierung in Form und Verzierung. Viele Neuerungen treten auf. Neben den weiterhin üblichen blauen, grünen und gelben gibt es nun auch braune Glasperlen.21 Konzentrische Kreise oder Wellenlinien aus weißem oder gelbem Glas dienen als Verzierung.22 In der späteren Hallstattzeit treten zudem gehäuft Augenperlen mit gelber, grüner oder blau-grüner Grundfarbe auf, welche oft opak sind und Zieraugen - mit weißem Hintergrund und einem blauen Fleck in der Mitte - als Verzierung haben.23 Im Übergang zur Latènezeit A bleibt die Formenvielfalt der Perlen bestehen. Es kommt jedoch zu einem deutlichen Rückgang – sowohl in der Anzahl der Funde, als auch in ihrer Vielfalt – in Lt B. 24 Natalie Venclová äußerte die Vermutung, dieser Rückgang liege an den Umwälzungen durch die keltische Expansion und dem dadurch entstandenen Abbruch der Beziehungen und Handelswege.25 Schließlich kommt es in Lt C zu einem zunächst langsamen und dann abrupten Anstieg der Glasfunde. Neben den Glasperlen treten nun auch die für die Latène-Kulturen charakteristischen Glasarmringe auf.26 Im Folgenden sollen diese Entwicklungen der Formen, Farben und Verzierungen der Glasperlen und Glasarmringe in der Zeit der Lt C und Lt D genauer betrachtet und aufgezählt werden. Für die chronologische Zuordnung sind Grabfunde am besten geeignet, da diese aufgrund des weiteren Grabinventars besser datiert werden können.27 Viele Funde aus 17 Karwowski 2004, 12. Ebd. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Ebd. 13. 22 Ebd. 23 Ebd. 24 Ebd. 25 Ebd. Venclová 1990, 101. 26 Karwowski 2004, 13. 27 Zepezauer 1993, 97. 18 4 Siedlungen und Oppida können nicht genau eingegrenzt werden, denn oftmals ist der Fundkontext nicht eindeutig oder es gibt keine datierenden Beifunde. 28 Gelegentlich ist selbst die Datierung anhand vorhandener Beifunde schwierig, da sichergestellt sein muss, dass der Beifund gleichzeitig niedergelegt wurde und nicht durch Erosion, andere Naturgewalten oder Zufälle in die selbe Schicht geraten ist. Wie bereits weiter oben erwähnt, werden zwei verschiedene Typologien verwendet: für die Glasperlen die Typologie von M. A. Zepezauer und für die Glasarmringe die Typologie von M. Karwowski. 3. 1. Glasperlen Vergleiche dazu die chronologische Übersicht der Glasperlentypen in Abb. 1. Zu Beginn von Lt C1 gibt es, wie auch schon in der älteren Eisenzeit, einfarbige blaue Glasperlen und einfarbige gelbe Ringperlen (Abb. 2). 29 Glasperlen dieser Zeit sind kugelig oder ringförmig oder haben einen sehr kleinen Durchmesser.30 Vereinzelt treten in Lt C1 auch schon Spiralaugenperlen (Abb. 3) auf.31 Diese drei Typen sind die einzigen, die von Lt C1 und früher bis zum Ende von Lt D1 durchgehend vorkommen. Alle anderen Glasperlentypen treten nur einen, maximal zwei Horizonte lang auf. So findet man z. B. Glasperlen mit Zickzackzier (Abb. 4, 5), abgesehen von sehr wenigen Funden am Beginn von Lt C2, nur in Lt C1. 32 Kurz vor dem Übergang zu Lt C2 treten nun auch klare Ringperlen mit D-förmigem Durchmesser, gelbe Glasperlen und Ringperlen mit Zickzackzier auf.33 Diese drei Typen laufen parallel nebeneinander und ihr Vorkommen endet fast gleichzeitig Anfang bzw. Mitte Lt D1. Die späte Mittellatènezeit (Lt C2) ist die Blütezeit der keltischen, möglicherweise sogar der gesamten eisenzeitlichen Glasperlenproduktion.34 Wie auch in Abb. 1 zu erkennen, gibt es in Lt C2 eine große Vielfalt unterschiedlichster Glasperlentypen35 Besonders auffällig sind klare Ringperlen mit gelber Folie (Abb. 6), sowohl mit D-förmigem Querschnitt, als auch profiliert. Sie treten erstmals in diesem Horizont auf und verschwinden bis auf wenige Ausnahmen mit dem Ende von Lt C2 wieder. 36 Die bereits 28 Ebd. Zepezauer 1993, 94 f. 30 Haevernick 1960, 94. 31 Zepezauer 1993, 94 f. 32 Ebd. 33 Ebd. Haevernick 1960, 94. 34 Ebd. 95. 35 Ebd. 36 Ebd. Zepezauer 1993, 95 f. 29 5 in geringer Stückzahl in Lt C1 vorkommenden gelben Glasperlen treten nun gehäuft auf und sind auch größtenteils auf diesen Horizont beschränkt. 37 Zusätzlich treten grüne und weiße Glasperlen auf, welche in Lt D1 auslaufen. 38 Nur selten lassen sich Glasperlen mit Punktaugenzier (Abb. 7) oder dreigliedrige Glasperlen (Abb. 8) finden.39 Charakteristisch für diesen Horizont sind auch die bereits in Lt C1 vereinzelt auftretenden Spiralaugenperlen.40 Des Weiteren tauchen neben den bereits vorhandenen gelben Ringperlen nun auch blaue und grüne Ringperlen auf, die beide auch in Lt D1 vorkommen.41 Vereinzelt kommen zum Ende von Lt C2 auch noch braune, purpurne und radial gebänderte Ringperlen (Abb. 9) sowie klare, braune und purpurne Glasperlen hinzu, welche aber eher in Lt D1 auftreten. 42 Bis auf wenige Ausnahmen finden sich Ringperlen mit Zickzackzier nur in diesem Horizont.43 In der frühen Spätlatènezeit (Lt D1) treten einige wenige neue Ringperlentypen auf: Ringperlen mit Sprenkeln (Abb. 10), Gittermuster oder Schraubfäden (Abb. 11).44 Mit Ausnahme der gelben Glasperlen, welche nur noch vereinzelt hergestellt werden, kommen alle einfarbigen Glasperlen und Ringperlen, gleich ob mit kleinem oder großem Durchmesser, in diesem Horizont vor 45, ebenso wie Schichtaugenperlen (Abb. 12) und radial gebänderte Glasperlen, diese jedoch in geringerer Fundanzahl.46 Häufiger als in Lt C2 finden sich nun Glasperlen mit Punktaugenzier und dreigliedrige Glasperlen.47 Abgesehen von Spiralaugenperlen, blauen und braunen Ringperlen und braunen Glasperlen treten in Lt D2 keine Glasperlen oder Ringperlen mehr auf. Alle anderen Glasperlentypen brechen mit dem Ende von Lt D1 ab. 48 Vermutlich gibt es ab diesem Zeitpunkt keine keltische Glasproduktion mehr49, wobei die genauen Gründe für diesen abrupten Abbruch noch erforscht werden müssten. 37 Ebd. Ebd. 39 Edb. 40 Ebd. Haevernick 1960, 95. 41 Ebd. Zepezauer 1993, 96. 42 Ebd. Haevernick 1960, 95. 43 Ebd. 44 Ebd. Zepezauer 1993, 96. 45 Ebd. Haevernick 1960, 95. 46 Ebd. 96 f. Zepezauer 1993, 95. 47 Ebd. 48 Ebd. 97; Haevernick 1960, 97. 49 Zepezauer 1993, 97. 38 6 3. 2. Glasarmringe Vergleiche dazu die chronologische Übersicht der Glasarmringtypen in Abb. 13. Dazugehörige Typennummern stehen in Klammern. In der frühen Mittellatènezeit (Lt C1a) gibt es erst wenige Typen von Glasarmringen, da diese nun zu ersten Mal auftreten.50 Nur in Lt C1a treten einfache Glasarmringe mit Dförmigem Profil und Fadennetzauflage (Typ 5a) (Abb. 14) und Glasarmringe mit drei Längsrippen (breite Mittelrippe, schmale Randrippen) ebenfalls mit Fadennetzauflage auf (Typ 5b).51 Sowohl in Lt C1a als auch in Lt C1b gibt es Glasarmringe mit drei Längsrippen, teilweise mit Knotengruppen, plastischen Buckeln oder zopfartigen Verdickungen (Typen 12a und 14a/b) (Abb. 15, 16) auf oder schrägen Einschnitten in den Mittelrippen und mit oder ohne Verzierung. Diese besteht aus Wellenlinien, Achterschleifen oder Fadennetzauflage (Typen 6b und 8a/b) (Abb. 17).52 Ausschließlich in Lt C1b treten Glasarmringe mit vier Längsrippen, von denen die beiden, meist breiteren Mittelrippen dicht beieinander liegende quer verlaufende Einschnitte aufweisen, auf (Typ 13c) (Abb. 18).53 Weitere Glasarmringe, welche über den Horizont Lt C1 hinaus auftreten, sind Glasarmringe mit drei bis fünf Längsrippen mit und ohne Verzierung in Wellenlinien. Diese Glasarmringe haben quer oder in Fischgrätenmuster eingeschnittene Mittelrippen (Typen 6a-d, 7a/b, 8a/c/d, 11a/b und 13a/c/d) (Abb. 19).54 Die Grundfarbe dieser Typen ist meist blau, gelegentlich grün, seltener braun, purpur oder klar mit Folie (Abb. 20). Die Verzierung ist auch meist blau oder aber opak weiß oder gelb.55 In Lt C2 treten fast nur noch Glasarmringe mit drei bis fünf Längsrippen mit und ohne Verzierung in Form von Wellenlinien auf (Typen 6a, 7c, 10 und 13a). Diese mit fünf Längsrippen dominieren.56 Die Wellenlinien befinden sich dabei auf den Seiten- bzw. Randrippen und selten auf der Mittelrippe. Diese hingegen besitzt schräge Einschnitte, die selten auch auf die Seitenrippen übergehen.57 Des Weiteren treten Glasarmringe mit fünf Längsrippen und gelegentlich massiven, S-förmigen Streifen ohne Verzierung auf, die bis zum Ende von Lt D1 vorhanden sind (Typen 7a/b und 16) (Abb. 21), ebenso wie Glasarmringe mit zwei Längsrippen ohne Verzierung (Typ 7d) oder auch 50 Karwowski 2004, 65. Ebd. 52 Ebd. 53 Ebd. 66 f. 54 Ebd. 67. 55 Ebd. 68. 56 Ebd. 57 Ebd. 51 7 einfache Glasarmringe mit deutlichem Grat und dreieckigem Querschnitt mit und ohne Verzierung (Typ 2a).58 Zum Ende von Lt C2 und vor allem in Lt D1 treten einfache Glasarmringe mit D-förmigem oder dreieckigem Querschnitt ohne Verzierung auf (Typen 2a/b und 3a-c) (Abb. 22).59 Die Grundfarben der Glasarmringe in Lt C2 und Lt D1 beschränken sich nun mehr auf blau und klar mit Folie. Auch die Farbvarianz bei der Verzierung ist zurückgegangen. Diese besteht nur noch aus opak weißem oder gelbem Glas.60 In Lt D2 sind keine Glasarmringe mehr zu finden. 61 Ebenso wie bei den Glasperlen scheint mit dem Ende von Lt D1 die Herstellung abzubrechen. 3. 3. Zusammenfassung der Entwicklung Zusammenfassend lässt sich zu der Chronologie des Glasringschmucks der Latènezeit C und D folgendes sagen: Zu Beginn der Mittellatènezeit gibt es wenige Glasperlentypen. Sie sind einfach und kaum verziert. Im Laufe der Jahrhunderte werden die Farbenvielfalt und auch die Variation der Verzierungen größer. Ihren Höhepunkt haben sie in der späten Mittellatènezeit. Es gibt eine Großzahl an Verzierungen und auch das komplette Farbspektrum der Glasperlen wird abgedeckt. Zur Spätlatènezeit kommen noch einmal neue Verzierungen hinzu, in Lt D2 brechen die Glasperlenfunde abrupt ab. Ähnlich sieht es auch bei den Glasarmringen aus. Am Anfang der Mittellatènezeit treten kaum Glasarmringe auf, was daran liegt, dass sie in dieser Zeit zum ersten Mal hergestellt werden. Anders, als man es vermuten würde, treten hier nicht nur einfache Glasarmringe auf, sondern auch welche mit drei Längsrippen und buckel-, knoten- und zopfartigen Profilierungen. Mit der Zeit steigt die Anzahl der Längsrippen, einfache Glasarmringe sind fast nicht mehr vorhanden. Auf dem Höhepunkt der latènezeitlichen Glasarmringproduktion findet man hauptsächlich fünfrippige Glasarmringe mit eingeschnittenen Mittel- oder Seitenrippen. Auffällig ist, dass kurz vor dem Abbrechen zum Ende von Lt D1 die Glasarmringe einfacher werden. Sie sind ein- oder zweirippig und besitzen selten eine Verzierung. Das Farbspektrum der Glasarmringe ist geringer 58 Ebd. 69 f. Ebd. 70. 60 Ebd. 61 Ebd. 71. 59 8 als das der Glasperlen. Ihre Grundfarben beschränken sich fast ausschließlich auf blau, grün und klar mit Folie. Ganz selten gibt es noch braune oder purpurne. Bei den Verzierungen ist es noch weniger. Sie besteht entweder aus blauem oder aus opak weißem oder gelbem Glas. 4. Herstellung 4. 1. Allgemeines zur Glasherstellung Es mag vielleicht den ein oder anderen verwundern, dass die meisten Glasperlen und Glasarmringe in ihrer Grundfarbe blau sind. Dies lässt sich aber leicht erklären, sobald man bedenkt, dass Rohglas auch eine bläuliche Farbe hat. Die Herstellung von Glas bedarf mehrerer Rohstoffe. Hauptbestandteil sind Silikate in Form von Quarzsand.62 Da dieser jedoch einen relativ hohen Schmelzpunkt hat, werden zum Senken Flussmittel verwendet. Dies ist entweder Natron („Trona“) oder Pflanzenasche.63 Zum Schluss benötigt man noch Kalk, um das Gemisch zu stabilisieren.64 Dieses Gemisch ergibt, wie oben bereits erwähnt, blaues Glas. Um eine andere Farbe zu erhalten, müssen dem Gemisch Mineralien hinzugefügt werden.65 Für grünes Glas z.B. wird Eisenoxid, Chromoxid oder Uranoxid verwendet. Eine intensivere blaue Färbung kommt durch Kobaltoxid und Kupferoxid zustande. Purpur wird durch Zugabe von Nickeloxid und Manganoxid erreicht. Braun geht auf Eisen-, Nickel-, Mangan- und Kobaltoxid zurück, und eine Überfärbung mit Mangan-, Nickel- oder Eisenoxid führt zu schwarzem Glas. 62 Wagner 2006, 34. Ebd. 64 Ebd. 35. 65 Die folgenden Angaben zu den Mineralien und den daraus entstehenden Glasfarben erhielt die Autorin in der Übung „Einführung in die Archäometrie“ an der WWU Münster bei Dr. Dirk Paul Mielke. 63 9 4. 2. Herstellung von Glasperlen und Glasarmringen in der Latènezeit Wie die Latène-Kulturen Glas und vor allem Glasperlen und Glasarmringe hergestellt haben ist noch nicht geklärt. Dabei ist zu bedenken, dass die Glasperlen und auch die Glasarmringe der Latènezeit nahtlos sind. Es stehen mehrere Theorien im Raum, die jedoch mehr oder minder alle wieder für nicht möglich erklärt wurden. Theorie 1: das Aufdrehen (Abb. 23) Noch heute wird in Hebron im Westjordanland diese Technik bei alten Glasmacherfamilien angewendet.66 Aus der im Ofen geschmolzenen Glasmasse wird mit einem lanzenähnlichen Stab ein Glaspfropfen entnommen. Dieser wird mit einem „Spatel“ weiter auf die Lanze gedrückt um ein Loch in die Mitte zu machen und es zu weiten. 67 Dabei wird die Lanze ständig gedreht, damit das Loch gleichmäßig wird. Sobald dies groß genug ist, wird es mit einem zweiten Eisenstab weiter geweitet, bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist.68 Anschließend wird, solang das Glas noch weich ist, mit verschiedenen Werkzeugen (Schere, Kamm, Eisenstäbe, Holzstäbe usw.) die Profilierung „eingraviert“ und je nachdem die Verzierung aufgebracht.69 Sollte diese Theorie stimmen, so müssten auf der Innenseite der Glasarmringe Schlieren des Eisenstabes zu sehen sein. Selbst ein noch so fein polierter Eisenstab würde diese Schlieren beim Weiten des weichen Glases hinterlassen. Theorie 2: das Schleudern (Abb. 24) Bei dieser Methode wird ein Glaspfropfen auf einen spitzen Stab aufgespießt und mit einem „Spatel“ weiter nach unten gedrückt.70 Sobald das Loch groß genug ist, wird der Stab in der Luft geschleudert. Dadurch weitet sich der Ring. Anschließend wird wie in Theorie 1 die Profilierung und Verzierung angebracht.71 In Frage gestellt wird diese Theorie, da bei dieser Art der Herstellung auch unförmige Glasarmringe entstehen würden. Doch die Glasarmringe der Latène-Kulturen sind nahezu perfekt und gleichmäßig rund. 66 Karwowski 2004, 87. Ebd. 88. 68 Ebd. 69 Ebd. 70 Ebd. 87. 71 Ebd. 67 10 Theorie 3: das Schieben (Abb. 25) Nach dieser Theorie wird ein Glaspfropfen auf ein kegelähnliches Werkzeug gesetzt. 72 Mit einer Zange oder etwas Ähnlichem wird nun dieser Pfropfen immer weiter nach unten geschoben um ihn dadurch zu weiten und einen Ring zu formen.73 Anschließend wird dieser wieder profiliert und verziert. Diese Theorie kann jedoch nicht funktionieren. Denn durch das Schieben des weichen Glases über einen Kegel, würde das Glas auf diesem Schlieren ziehen. Somit müsste es zum einen Spuren auf der Innenseite der Glasarmringe geben und zum anderen hätten sie keine gleichmäßige Form mehr. 4. 3. Produktionsstätten Aufgrund mehrerer Faktoren ist die Lokalisation der Produktionsstätten und Herstellungswerkstätten des latènezeitlichen Glasschmucks keine einfache Aufgabe. Zur Herstellung von Glas werden ein Hochofen, Quarzsand, Natron oder Pflanzenasche, Kalk und Mineralen benötigt. Dies alles sind Rohstoffe, die nicht speziell auf bestimmte Regionen beschränkt sind. Ein Hochofen z.B. wird nicht nur für die Glasproduktion verwendet, sondern auch für alle anderen Prozesse, für die Feuer und Hitze gebraucht werden. All die anderen Gegenstände und Werkzeuge, die zu Herstellung, Profilierung und Verzierung vermutlich genutzt wurden, sind sozusagen „Alltagsgegenstände“. Es wurde bis jetzt noch kein Gegenstand oder Werkzeug gefunden, von dem zu behaupten wäre, dass es allein für die Herstellung von Glasschmuck verwendet wurde. Des Weiteren wurden zum heutigen Zeitpunkt noch keine Produktionsabfälle oder Fehlproduktionen in so großen Massen gefunden, dass von Produktionsstätten zu sprechen wäre. 72 73 Rolland 2012, 7. Ebd. 11 5. Fazit Diese Arbeit zeigt auf, in welchem Maß an Qualität und auch Quantität die LatèneKulturen ihren Glasschmuck hergestellt haben und dies scheinbar mit den einfachsten Mitteln. Über mehrere hundert Jahre haben sie eine große Anzahl vieler verschiedener Glasarmringe und Ringperlen produziert. In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere Typologien und Chronologien für die Glasarmringe und Glasperlen der Latène-Kulturen erstellt. Die beiden von R. Gebhard und Th. E. Haevernick haben sich soweit durchgesetzt, dass sie mittlerweile meist als Grundlage genutzt oder sogar einfach übernommen werden. Weitere Forschungsansätze sehe ich in der Frage nach dem abrupten Abbruch der latènezeitlichen Glasproduktion. Natürlich gibt es bereits mehrere Theorien diesbezüglich, wie z.B. die oben bereits erwähnte von N. Venclová, doch zu einem zufriedenstellenden und vor allem fundierten Ergebnis ist bis jetzt noch niemand gekommen. Auch die Frage nach den Produktionsstätten ist schwierig, aufgrund der oben erwähnten Faktoren. Doch es sollte versucht werden, diese Frage zu klären. In diesem Zusammenhang steht natürlich auch die Frage nach der Herstellungstechnik. Neue Theorien sollten aufgestellt und durch experimentelle Archäologie bestätigt oder verworfen werden. 12 6. Literaturverzeichnis Gebhard 1989a R. Gebhard, Der Glasschmuck aus dem Oppidum von Manching. Ausgr. Manching 11 (Stuttgart 1989). Gebhard 1989b R. Gebhard, Pour une nouvelle typologie des bracelets celtiques en verre. In: M. Feugère, Le verre préromain en Europe occidentale, Montagnac 1989, 182. Geiß-Dreier 1992 R. Geiß-Dreier, Keltischer Glasschmuck. Zur Geschichte und Herstellungstechnik des Glases. Hunderte Meisterwerke keltischer Kunst, Schriftenreihe des rheinischen Landesmuseums Trier 7 (1992) 193-201. Haevernick 1960 Th. E. Haevernick, Die Glasarmringe und Ringperlen der Mittelund Spätlatènezeit auf dem europäischen Festland (Bonn 1960). Karwowski 2004 M. Karwowski, Latènezeitlicher Glasringschmuck aus Ostösterreich. Mitt. Prähist. Komm. Österr. Akad. Wissenschaften 55 (Wien 2004). Rolland 2012 J. Rolland u. a., Des parures celtiques aux verriers du Népal: un project d’expérimentation des techniques des fabrication des braclets en verre (2012). Smith H. Smith, Celtic Beads from the British Isles by Heather Smith. Quelle: http://www.academia.edu/ Venclová 1990 N. Venclová, Prehistoric glass in Bohemia (Praha 1990). Wagner 2006 H. Wagner, Glasschmuck der Mittel- und Spätlatènezeit am Oberrhein und den angrenzenden Gebieten, Ausgrabungen und Forschungen 1 (Remshalden 2006). Zepezauer 1993 M. A. Zepezauer, Mittel- und Spätlatènezeitliche Perlen. Glasperlen der vorrömischen Eisenzeit III. Marburger Studien zur Vor- und Frühgeschichte 15 (Marburg 1993). 13 Zepezauer 1997 M. A. Zepezauer, Chronologische und trachtgeschichtliche Aspekte spätkeltischer Glasperlen. Perlen. Archäologie, Techniken, Analysen ; Akten des Internationalen Perlensymposiums in Mannheim vom 11. bis 14. November 1994 (Bonn 1997) 55-61. 14 7. Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Chronologische Übersicht der Perlentypen. Zepezauer 1993, 95. 15 Abb. 2 Einfarbige blaue Perlen. Karwowski 2004, Taf. 91, Abb. Y65, Y66. 16 Abb. 3 Spiralaugenperlen. Zepezauer 1997, Taf. 1. Abb. 4 Perlen mit Zickzackzier. Gebhard 1989a, Taf. 48, Abb. 714, 715. 17 Abb. 5 Perlen mit Zickzackzier. Smith. Abb. 6 Klare Perlen mit gelber Folie. Gebhard 1989a, Taf. 48, Abb. 619, 628, 630. 18 Abb. 7 Perlen mit Punktaugenzier. Zepezauer 1997, Taf. 5, Abb. 1,17-1,19, 1,26-1,28, 1,35-1,37. Abb. 8 Dreigliedrige Perlen. Gebhard 1989a, Taf. 46, Abb. 657. 19 Abb. 9 Radial gebänderte Perlen. Gebhard 1989a, Taf. 51, Abb. 763-770. Abb. 10 Perlen mit Sprenkel. Gebhard 1989a, Taf. 52, Abb. 784; Taf. 46, Abb. 655. Abb. 11 Perlen mit Schraubfäden. Gebhard 1989a, Taf. 51, Abb. 777-779. 20 Abb. 12 Schichtaugenperlen. Smith. 21 Abb. 13 Chronologische Übersicht der Glasarmringtypen. Karwowski 2004, Abb. 25. Bearbeitet durch Stefanie Kunz. 22 Abb. 14 Einfacher Glasarmring mit Fadennetzauflage. Gebhard 1989a, Taf. 29, Abb. 379. Abb. 15 Glasarmring mit plastischen Buckeln. Gebhard, Taf. 29, Abb. 381. 23 Abb. 16 Glasarmringe mit Warzen und Knotengruppen. Karwowski 2004, Taf. 76, Abb. 440, 441. 24 Abb. 17 3-rippige Glasarmringe mit Wellen- und Schleifenverzierung. Gebhard 1989a, Taf. 8, Abb. 117, 118. Abb. 18 4-rippige Glasarmringe mit Einschnitten in den Mittelrippen. Karwowski 2004, Taf. 75, Abb. 414; Taf. 76, Abb. 431. 25 Abb. 19 4-rippige Glasarmringe mit Fischgrätenmuster. Gebhard 1989a, Taf. 26, Abb. 349, 350. 26 Abb. 20 Klare Glasarmringe mit gelber Folie. Karwowski 2004, Taf. 81, Abb. 160, 161. Abb. 21 Glasarmringe mit S-förmigen Streifen. Gebhard 1989a, Taf. 22, Abb. 300; Taf. 27, Abb. 359. 27 Abb. 22 Einfacher Glasarmring mit dreieckigem Querschnitt. Gebhard 1989a, Taf. 37, Abb. 484. 28 Abb. 23 Drei Hauptetappen der Abformung eines Glasringes nach dem in Hebron, Westjordanland, verwendeten verfahren. Karwowski 2004, 89, Abb. 34. 29 Abb. 24 Die Abfolge der Arbeitsgänge bei der Abformung eines Glasrings auf dem Spieß. Karwowski 2004,88, Abb. 33. Abb. 25 Die Abfolge der Arbeitsschritte bei der Herstellung eines Glasarmringes auf dem Kegel. Rolland 2012, 8, Abb. 2. 30