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Die Aufspaltung der Wohnfunktion

Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning

Die Volkszählung 1981 stand in Österreich im Banne der Zweitwohnsitzproblematik. Jeder Bürger, der über mehrere Wohnsitze verfügte, konnte angeben, wo der "Mittelpunkt seiner Lebensinteressen" liegt, welchen Wohnsitz er als Hauptwohnsitz betrachtete. Die Wohnsitznachfrage hatte enorme politische Brisanz erhalten, weil damit weitreichende Konsequenzen für die Zuteilung von Mitteln aus dem Finanzausgleich bzw. die Mandatsverteilung verbunden sind.Der Beitrag geht den Gründen für die auch im Vergleich zu anderen Großstädten Europas hohe Zweitwohnungsintensität (ca. 37 % der Wiener Haushalte verfügen über einen Zweitwohnsitz) nach. Die Ausgangsthese ist: Die Hauptunterschiede im Ausmaß und in den Formen der Aufspaltung des Wohnens in den industrialisierten Ländern sind in den Rahmenbedingungen der jeweiligen politischen Systeme zu suchen, den Zielsetzungen der Gesellschaftspolitik, politisch-administrativen Strukturen, städtebaulichen Determinanten und vor allem der Wohnungspo...

l(j() Raumforachung und Raumordnung 1991 Heft 2-3 HERBERT BAUMHACKL Die Aufspaltung der Wohnfunktion Die Subventionierung des Zweitwohnungswesens der Wiener durch die Wohnungspolitik:? Kurzfassung Die Volkszählung 1981 stand in Österreich im Banne der Zweitwohnsitzproblematik. Jeder Bürger, der über mehrere Wohnsitze verfügte, konnte angeben, wo der "Mittelpunkt seiner Lebensinteressen" liegt, welchen Wohnsitz er als Hauptwohnsitz betrachtete. Die Wohnsitznachfrage hatte enorme politische Brisanz erhalten, weil damit weitreichende Konsequenzen für die Zuteilung von Mitteln aus dem Finanzausgleich bzw. die Mandatsverteilung verbunden sind. Der Beitrag geht den Gründen für die auch im Vergleich zu anderen GroßstädJen Europas hohe Zweitwohnungsintensität ( ca. 37 % der Wiener Haushalte ve,fügen über einen Zweitwohnsitz) nach. Die Ausgangsthese ist: Die Hauptunterschiede im Ausmaß und in denF ormen der Aufspaltung des Wohnens in den industrialisierten Ländern sind in den Rahmenbedingungen der jeweiligen politischen Systeme zu suchen, den Zielsetzungen der Gesellschaftspolitik, politisch-administrativen Strukturen, städtebaulichen Determinanten und vor allem der Wohnungspolitik und -Wirtschaft. Länder mit einer liberalen Wohnungspolitik verzeichnen eine geringe Zweitwohnungsintensität und eine hohe Bevölkerungs-Suburbanisierungsrate, solche mit einer restriktiven Wohnungspolitik und größeren Segmenten geschüJzter Wohnungsteilmärkte haben dagegen eine hohe Zweitwohnungsintensität und eine vergleichsweise geringe Bevölkerungs-Suburbanisierungsrate. Der Anteil der Kosten des Hauptwohnsitzes am 1991 Heft 2-3 Herbert Baumhackl: Die Aufspaltung der Wohnfunktion Haushaltseinkommen bestimmt die Möglichkeit der Aufspaltung des Wohne11s. Das Zweitwoh11u11gswese11 tkr Wie11er wird durch die spezifische11 Mecha11isme11 tkr Wie11er Wohnu11gspolitik und-wirtschaft determi11iert. Durch die geri11ge Mietkoste11belastung i11 de11 geschützte11 Woh11ungsteilmdrkte11 habe11 viele Haushalte Kaufkraftreserve11. Wohnbaufönleru11gsmittel sind auch <km Zweitwohnu11gsmarkt zugt'i11glich. Die i11direlcte Förderu11g des Hauptwohnsitzes (geri11ge Woh11koste11belastu11g vor allem bei de11 gemei11nützige11 Woh11ungsteilmdrkte11 und im Althaussektor) und die Objektförderu11g der verschiede11e11 Zweitwoh11sitzklasse11 (Zweithaus und Zweitwoh11u11g) ka1111 ma11 als "Subve11tio11ierung" tks Zweitwohnu11gswese11s und damit als ze11trale11 Erklt'iru11gsa11satz für die E11twicklu11g des Wie11er Zweitwoh11sitzwese11s a11sehe11. Das gewünschte A11spruchslliveau im Hinblick auf Wohn- und Woh11standortqualität wird durch de11 Zweitwoh11sitz realisiert. Viele Zweitwohnsitze sind daher besser ausgestattet (tkr Zweitwohnsitz als Ersthaus) als der städtische Woh11sitz, der bei Verlageru11g tks Hauptwoh11sitzes i11s Stadtumland nicht aufgegeben werden muß, sondern als "Vorratswohnung" für Kintkr und E11kel gehalte11 wird. Diese Wohnungen werden dadurch dem Wohnungsmarkt "entzogen". Eine Liberalisierung tkr Wohnungspolitik würde für Wie11 große Auswirkungen haben : Viele Haushalte mit Zweitwohnsitz würtkn ihren Wiener Wohnsitz aufgeben und sich für ihren Zweitwohnsitz entscheiden, tkr häufig bereits als (spt'iterer) Hauptwohnsitz konzipiert wurde. 1. Eillleitung Die Aufspaltung der Wohnfunktion in einen Erst- und einen Zweitwohnsitz bzw. der Standorte in einen Wohn-, einen Arl>eit~ und einen Freizeitstandort ist in den modernen Industrieländern einer der aufregendsten und zugleich wichtigsten Vorgänge im Siedlungsraum der Gegenwart. Es handelt sich um ein "neues Raumproblem einer postindustriellen Gesellschaft", das die Kernstädte, suburbane Räume und auch Gemeinden des ländlichen Raumes betrifft (1). Für immer mehr Menschen, vor allem in den Großstädten, erfolgt - eine zunehmende räumliche Parzellierung des Lebens und der Lebensbezüge, - eine Aufspaltung der Aktionsräume und der sozialen Kontakte sowie "zentraler Rollen" (Problem: Mittelpunkt der Lebensinteressen), - eine Aufspaltung der Wahrnehmungsräume, - ein Leben in zwei Gesellschaften, einer städtischen und einer ländlichen. Für den Staat kommt es zum Problem der Bevölkerungszuordnung (2). Damit wird die zunehmende "Aufspaltung der Wohnfunlftion" immer mehr zu einer Frage von politischer Brisanz und gesamtstaatlicher Tragweite (3). Eine zunehmende Zahl der Bewohner der Kernstädte werden zu "Bewohnern auf Zeit", zu "modernen Nomaden" mit neuen Raum-Zeit-Bezügen, zu einer "Ghostbevölkerung" (4), die immer weniger Zeit in der Großstadt verbringen will, sich aber doch häufig der Infrastruktureinrichtungen der Städte bedient, ohne die Kosten für diea,e mitzutragen. Dieser Beitrag behandelt einen Teilaspekt eines weitgespannten Forschungsprojekts mit dem Thema: "Die Aufspaltung der Wohn- 161 funktion. Eine Analyse des Zweitwohnens am Beispiel des städtischen Systems Wien" (5). Generelles Ziel dieser Untersuchung war, zur P.rkl.lirung des vielschichtigen und komplexen Ursacho-Wukung~ystems des Zweitwohnungswesens am Wiener Beispiel beizutragen. Eine Grundfrage war: Inwieweit bestehen Zu1arnmenhänge zwischen dem Phänomen der Aufspaltung ("Zweitwohnen"), der sozialen und räumlichen Organisation einer Gesellschaft sowie politisch-administrativen Strukturen des Staates und der Stadt? Von der Konzeption her wurden in der Zweitwohnungsforschung neue Wege eingeschlagen: • 1. Erstmals wurde das Zweitwohnungswesen vom städtischen System, also vom Quellgebiet her, untersucht. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in einer klar definierten Ausgangsbasis: der Verortung des Zweitwohnungshaushalts im städtischen Raum und in einem klar zuordenbaren Zweitwohnungsstandort. 2. Zweitwohnen wurde als eine Form der Entstädterung betrachtet und daher im Zusammenhang mit generellen Fragen der Stadtentwicklung, der Entwicklung einer städtischen postindustriellen Gesellschaft (mit ihrem sozialen, gesellschaftlichen und technologischen Wandel) wie auch der Mechanismen politisch-administrativer Rahmenbedingungen, wie der Wohnungspolitik usw., studiert. 3. Ebenfalls erstmals wurden nicht nur Zweitwohnungshaushalte in die Untersuchung einbezogen, sondern, als Kontrast- bzw. Referenzgruppe, auch Haushalte, die über keinen Zweitwohnsitz verfügen (wollen) oder sich keinen leisten köMen. Ilmen kommt bei der Beantwortung der Frage nach der Bedeutung städtischer Lebensqualität in allen Facetten besondere Bedeutung zu. 4. Untersucht wurden Freizeitwohnsitze sowie Zweitwohnsitze, die als spätere Hauptwohnsitze errichtet wurden. Nicht in die Untersuchung einbezogen wurden ausbildung~ und berufsbedingte Zweitwohnsitze. - Das Projekt ist als Mehrebenenanalyse angelegt. Erhebungseinheiten sind Personen und Haushalte, Wohnungen und Häuser. - Es handelt sich um eine Eigenerhebung. Die Haushalte wurden über eine disproportional geschichtete repräsentative 2%-Flächenstichprobe aus der Wählerevidenzliste des Wiener Magistrats gezogen. - Die Befragung erfolgte mit Hilfe eines sehr umfangreichen standardisierten Fragebogens. In diesem Beitrag soll die zunehmende Aufspaltung der Wohnfunktion - als "Zweitwohnsitzproblematik" in Österreich spätestens seit der Volkszählung 1981 auch der breiteren Öffentlichkeit bekannt-im Hinblick auf die Rolle der Wohnungspolitik alsPushoder Hemmfaktor bei diesem Phänomen 1. im Vergleich politischer Systeme, von Staaten des Privatkapitalismus und sozialen Wohlfahrtsstaaten, und damit in einem internationalen Rahmen Einflüsa,e der Gesellschafts- und Wohnungspolitik auf die Aufspaltung der Wohnfunktion diskutiert und 162 Raumfor1Chwtg wid Raumordnwig 2. am Beispiel des Wiener Zweitwohnwigswesens die "Subventionierung" dieser Aufspaltung durch die spezifischen Mechanismen der Wiener Wohnwigspolitik dargestellt werden. Sowohl die Erst- als auch die Zweitwohnsitze sind in diese Überlegwigen einbezogen. 2. Die politischen Determinanten Bei einem interkulturellen Vergleich hinsichtlich der Aufspaltung der Wohnfunktion in Erst-und Zweitwohnsitze sind folgende generelle Aussagen möglich: - Die Aufspaltung in einen Erst- wid einen Zweitwohnsitz tritt als Massenphänomen wiserer Zeit in allen Industriestaaten auf, - der Aufspaltungsprozeß korreliert n i c h t mit dem sozioökonomischen Entwicklwigsstand (bzw. individuell erlebten Lebensstandard), sondern hängt sehr wesentlich von politisch-ökonomischen und administrativen Strukturen der einzelnen Länder ab, und hier vor allem von der Wohnwigswirtschaft und der Wohnungspolitik. - "Verursacher" des Vorgangs sind die großen Städte mit vorherrschender Miethausstruktur. Die Hauptunterschiede sowohl im Ausmaß als auch in den Formen der Aufspaltung des Wohnens in den industrialisierten Ländern sind, dies sei die Ausgangsthese, in den Bedingungsrahmen der jeweiligen politischen Systeme zu suchen: den Zielsetzwigen der Gesellschaftspolitik, der Wohnungspolitik, der Verkehrspolitik, den Steuersystemen, aber auch den Stadtstrukturen usf. Sie sind als Umfeld, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, entscheidend für eine mehr oder weniger große Zweitwohnungsintensität in einem Staat. 2.1 Ei,rflüsse politisch-administrativer Strukturen auf das Zweitwohnungswesen (6) In der sehr umfangreichen Literatur zum Zweitwohnsitzwesen wurde der Aspekt des Einflusses politisch-administrativer Gegebenheiten auf dieses Phänomen bisher kaum berücksichtigt. Dies ist um so überraschender, als die so unterschiedliche Bedeutung des Zweitwohnungsphänomens in den verschiedenen Ländern ja nicht nur mit dem "sozialen Wandel" bzw. mit dem erreichten Lebensstandard ausreichend erklärt werden kann. Bei interlrulturellen Vergleichen fällt z.B. die eher geringe Intensität des Zweitwohnungswesens in den USA oder in der Bundesrepublik Deutschland auf, während Großstädte des (ehemaligen) Ostblocks, etwa Prag, Budapest, Ostberlin, trotz des geringeren Lebensstandards eine hohe Intensität erreichen. Darin kommt zum Ausdruck, daß das Zweitwohnsitzphänomen weder durch ein politisches noch durch ein wirtschaftliches System grundsätzlich determiniert wird. Die stereotype Eddärung, daß in Ländern des bisherigen Ostblocks (7) der Zweitwohnsitz die "einzige Möglichkeit zur Befriedigwig" vomandener und durch andere Waren nicht abgedeckter Konsumansprüche darstellt (8 ), reicht aber nicht aus, dieses Phänomen hinreichend zu erklären. Ein Vergleich der Gesellschaftssysteme (der Staat "erzeugt" die Ideologien einer Gesellschaft) zeigt vor allem Differenzen in bezug auf den Besitz der Produktionsmittel, auf den Zugang zu Grund und Boden, auf die Zubilligung oder Einschränkung autonomer Handlungsbereiche ("Grundfreiheiten;,), in der Einstellwig zu materiellen Gütern, bei der Sozialgesetzgebung (Ar- 1991 Heft 2--3 beitszeit-, Urlaubsregelung), im Lohnniveau, in der Venorgung mit Konsumgütern, bei den sozialen Wohlfahrtseinrichtungen usw. In den "kapitalistischen" Ländern des Westens mit einer pluralistischen Gesellschaftsordnung ist eine weitgehende Liberalisierung bzw. eine "offene" (autonome) Gesellschaft kennzeichnend. Der Handlungsspielraum des einzelnen bzw. die Restriktionen sind vor allem von seiner ökonomischen Leistungskraft abhängig. Die Aufspaltung der Wohnfunktion (eines Zweitwohnsitzes) ist in erster Linie eine Frage der Finanzierbarkeit, des Bestehens überschüssiger Kaufkraft und des Lebensstils. Sie unterliegt den Gesetzen des Marktes (Zweitwohnsitz- und Bodenmarkt, Baupreise usw.), dem aber auch andere zentrale Daseinsgrundbereiche, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, vor allem das Wohnen, unterliegen. Damit kommen der Wohnungspolitik und den Kosten für das lebensnotwendige Gut "Wohnen" z:entrale Bedeutung für die Intensität des Zweitwohnens zu. Zweitwohnsitze werden in unterschiedlichster baulicher Ausführung (Kleinform bis Landhaus), in unterschiedlichster Entfernung vom Hauptwohnsitz (Extremform: in Flugdistanz im Ausland) errichtet. In den ehemaligen sozialistischen Ländern (9) ist/war der Boden weitestgehend kollektiviert, der autonome Handlungsbereich des einzelnen eingeengt. Die Versorgung mit Konsumgütern weist immer noch Lücken auf. Andererseits übernimmt der Staat die Zuteilung zentraler Güter an den Bürger; im Bereich des Wohnens ist der Marktmechanismus ausgeschaltet; der Wohnungsaufwand ist gering. Zweitwohnen ist daher wohl eine "Flucht in ein Konsumgut" (Eigentum, Sachwerte schaffen), wird aber auch möglich gemacht durch günstige Wohnkosten. 2.2 Städtebauliche Determinanten Neben politisch-administrativen Strukturen sind vor allem die physische Struktur von Großstädten, die stadtmorphologischen und stadtsoziologischen Determinanten von eminenter Bedeutung für die Intensität des Zweitwohnens von Großstädtern. Folgende Gegebenheiten scheinen dabei wichtig: - Die Stadtgröße bestimmt die Möglichkeit der Erreichbarkeit von "Natw'', des Stadt-Land-Verbunds (10). Je umfangreicher die bauliche Struktur ist, desto geringer sind diese Kontaktmöglichkeiten für den Großteil der Bevölkerung. - Die Dichte der städtischen Verbauung bestimmt den Umfang der Freiräume in der Stadt, wobei den Gegebenheiten im Wohnumfeld besondere Bedeutung zukommt. - Massenmiethaus (Geschoßwohnbau) versus lockere Reihenhausverbauung bzw. Eigenheim mit Garten sind weitere Gegenpole, die die städtische Lebensqualität beeinflussen. Wesentliche Merlanale der Großstadt und eine Folge der physischen Struktur lassen sich wie folgt kennz:eichnen: - Die Massengesellschaft bietet zwar dem Individuum weitestgehende Anonymität und daher "Schutz" vor Sozialkontrolle und damit die Möglichkeit nonkonformen Vemaltens, bedeutet aber zugleich Mangel an Sozialkontakten bzw. fehlende Befriedigung sozialer Bedürfnisse, Einsamkeit, das Fehlen der Geborgenheit in einer kleinen Gemeinschaft, eines sozialen Netzes, Mangel an Identifikationsraum. Diese Defizite bestehen gerade in Massenmiethäusern, wo sich häufig die Bewohner selbst des gleichen Stockwerks nicht mehr kennen oder keinen Kontakt pflegen. 1991 Heft 2-3 Herbert Baumhackl: Die Aufapaltung der Wohnfunktion "In der modernen Großstadt ist man dem Mitmenschen näher als irgendwo sonst und gleichzeitig ferner als IClllltWo" (11). - Territoriale Bedürfnisse können in MaNCnmiethilusern bzw. in städtischen Teilgebieten mit hoher Dichte nicht befriedigt werden, ebensowenig auch der Wunsch nach Privatheit, nach einem Refugium mit Kontakt zur Natur, das man "ohne Einschrilnkungen" gestalten kann, nach individuellem Besitz usw. Als Alternativen und Gegenstrategien, aber auch um den Städtern lebensnahe Bedingungen in der Stadt zu verschaffen, wurde das "neue Musenmiethaus" entwickelt, du "vollwertige Wohnen" definiert und wurden "gestapelte Einfamilienhäuser'' geplant ( 12); es ist ein Abweichen von bisher gültigen städtebaulichen Traditionen. Begriinte Terrassen (vgl. Wohnpark-Alterlaa) und eine Vielzahl von Geineinschaftseinrichtungen im Haus (Sauna, Schwimmbad, Solarium usw.) und Versorgung&- bzw. Dienstleistungseinrichtungen in der Wohnanlage sollen nicht nur die Sozialkontakte fördern, sondern ein "dorfahnliches Erleben" suggerieren. Verschiedene Untersuchungen ( 13) konnten belegen, daß solche Konzeptionen von den Bewohnern sehr positiv aufgenommen werden. 2.3 Ei,rflüsse der Wohnungspolitik auf die Aufspaltung des Wohnens Lichtenberger weist darauf hin, "daß die Struktur und künftige Entwicklung von Zweitwohnungen nur unter Beiücksichtigung der vorhandenen städtischen Wo~bauformen, des Wohnungs- 163 mauktes und der Wohnungspolitik, die ~rseits das Verhalten der Bevölkerung und die Bewertung der Zweitwohnung wesentlich mitbedingen", erklärt und abgeschätzt werden kann (14): Die Aufspaltung der Wohnfunktion in Ad>eit&- und Freizeitwohnsitze ist ein europäisches Problem und als solches eingebunden in die jeweiligen nationalen Strategien der Wohnungswirtschaft und die Reglementierung der physischen Struktur der Siedlungen in der Weise, daß - das Miethaus in Kombination mit restriktiven Eingriffen des Staates in die Wohnungswirtschaft (Mieterschutz, Mietzinsbeihilfen, Mietenobergrenzen usw.) entscheidend zum Zweitwohnsitzboom beigetragen hat (vgl. Wien, sozialistische Länder Osteuropu, Frankreich, Schweden). Eine Aufgabe des städtischen Wohnsitzes ist häufig nicht zwingend notwendig. (Eine Nutzungssukzession ist aber von vielen im Alter (Ruhesitz) vorgesehen). - ein hoher Anteil von Einfamilienhäusern in Großstädten bzw. ein freier Wohnungsmaukt infolge hoher Kosten für die Wohnung dämpfend auf die Entwicklung des Zweitwohnungswesens einwirlct (vgl. Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien). Subjektiv empfundene Defizite hinsichtlich der Wohn- und Wohnumfeldqualität werden häufig mit einer Abwanderung ins Stadt-Umland beantwortet. Der städtische Wohnsitz wird aufgegeben. Übersicht 1 stellt einige wichtige Unterschiede bzw. grundlegende Mechanismen der Gesellschaftsordnung und einer "liberalen" oder "restriktiven" Wohnungspolitik im Privatkapitalismus und im sozialen Wohlfahrtsstaat generalisierend und dichotom gegenüber: Übersicht 1: ''Privatkapitalismus" "sozialer Wohlfahrtsstaat" Gesell11ehaftspolltlk • Rendito- und Profitstreben • soziale Sicherheit des Individuums (z.B. Sicherheit des Wohnstandortes) • individuelle Dueinsvorsorge (ökonomische Leistunpfllhigkeit) • staatliche Zuteilung (z.B. Gesundheits-, Altersvorsorge) • berufliche Mobilitllt als Wert • Sicherheit des Arbeitsplatzes (soziale Abpufferung) Wohnunppolltlk • transparenter Wohnungsmarkt • soziale Wohnungsteilmärlcte (sozialer Wohnungsbau, Mieterschutz im Altbau, Genossenschaftswohnungen, Objekt- und SubjektflSrderung) • hoher Anteil von Eigentum in metropolitanen Gebieten • hoher Anteil von Mietwohnungen in metropolitanen Gebieten • ''hohe" Wohnkostenbelastung (freie Mieten) • "geringe" Wohnkostenbelutung (geregelte Mieten) • Aufspaltung des Wohnstandortes nicht möglich • Aufspaltung des Wohnstandortes möglich (Erst- und Zweitwohnsitz) • Befriedigung des Anspruchsniveaus ''Wohnen" nur möglich durch Umzug (Stadt oder Umland) • Befriedigung des Anspruchsniveaus ''Wohnen" durch ''Ergänzung" (Zweitwohnsitz) • ''hohe" Suburbanisierungsrate • "niedrige" Suburbanisierungsrate • geringe Zweitwohnungsintensität • große Zweitwohnungsintensität 164 Raumfonchung und Raumordnung Je nach dem Anteil de, öffentlichen Sekton auf dem Boden- und Wohnung1marlct belltehen von Staat zu Staat beachtliche Unterschiede, die al1 zusätzliche unabhängige Detenninanten wirltsam werden. Länder mit einer ausgeprägten dualen Wirtschaft und einem breiten Instrumentarium auf dem Gebiet sozialer Wohlfahrt (15) (vgl. z.B. Öllterreich, Schweden) nehmen damit eine Zwischenposition zwischen den "Hardlinern" der freien Marktwirtschaft (vgl. Bundesrepublik Deutschland) und den ehemaligen Ostblockstaaten ein, deren Stellung bzw. Rahmenbedingungen infolge der politischen Wende allerdings mittel- bis langfristig neu zu bewerten sein werden. Aus der Ideologie de, sozialen Wohlfabrt11taates, der die Sicherheit des Wohnstandorts durch Gesetze und Maßnahmen aufrechtzuerhalten sucht, ist eine gewisse Immobilisierung der Bevölkerung entltanden und damit das syltemimmanente Problem von Über- und Unterbelegung im Laufe des Lebenszyklus. Im sozialen Wohlfahrt11taat wird der Marktmechanismus durch monetär nicht 111b1tituierbare Garantien teilweise außer Kraft gesetzt und derart der Schnittltelle zwischen Wohnungen und Haushalten eine andere Punktion zugewiesen. Diese Schnittstelle ilt dagegen in privatkapitalistischen Systemen durch die Fähigkeit der Haushalte, eine bestimmte Miete zu bezahlen, definiert (16). Wenn man davon ausgeht, daß die Anschaffung eines Zweitwohnsitzes und damit die Fähigkeit der Aufspaltung der Wohnfunktion in erlter Linie eine Frage der Finanzierbarlceit, der Verfügbarlceit übenchüssiger Kaufkraft als "ökonomiache Reitkategorie" und des Lebenutils ist, 110 kommt der Wohnungspolitik und der Wohnungswirtschaft determinierende Wukung zu. Ein Vergleich der untencbiedlichen Wohnungspolitik, liberaler venus reltriktiver, führt zu folgenden Basishypothesen im Hinblick auf die Aufspaltungsmöglichkeiten von Haushalten (vgl. Tab. 1): 1991 Heft 2-3 Tabelle 1: Zw,itwohn.ritzinten.rildl "liberale" Oro.Betlldte "aoziale0 Wohnungspolitik % der Hauahalte % der Haushalte Hamburg (1) (1970) 7 ,0 verfügen München(l) (1968) 7 ,3 verfügen London(2) (1973) 2,0 besitzen Paris (3) (1973) CL 20,0 besitzen Stockholm (2) (1970) CL 22,0 besitzen Wien (4) (1973) CL 19,0 besitzen Wien (5) (1984) CL.23,0 besitzen Prag (2) (1973) 135 000 Einheiten Quolhn: (1) Rowm, /C.: 0w Zw.ltwahnoltz- 1oop,pbi..._ P1luum und lmdeapllllfllKhl, Problem. In: Oqnpb!IICbe A,pad<o dor l'mzeltwolwlmo. In: WOJ-.Borl•btuur hsimalfonc:bwia, Bd. 11 (1973). s. 1-54 (2) Coppod. J.T. (J!d.): Soooad Homoa. Cur11 or Blo111nt, -Odonl: Po'IIIDDD 1977. • OooF· S.rloa (3) C/o.,,H.D.: ThoOrowdiofSocmd-HcimoOwnoroblp:ASJl!umploofs.-JSuburlNnl,ad""· ln: Jolr,uor,, J.H. (Bel.~ Subwt>m Otowtb. -Londc,n: Wlloy 1974. S. 101-127 (4) 0 . - . - Jnllltut lllr Riumplamms (Hn1.~ l'NlbeltwahnolbJo ....t Zw.ltwdmunf-, dor - -· BtpbnioN ... dor Uator,ucblOlg: Pmali..rbal... der Bovölk- hn wi-r Raum. hn Auf'tnt do, Wim. Magi,tr,c,. - Wlon 197, Hypothese 1 : Länder mit einer liberalen Wohnungspolitik ( d. h. einer nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionierenden Wohnungswirtschaft) und nur kleinen geschützten Wohnungsteilmärlcten haben eine geringe Zweitwohnungsintensität und eine hohe Bevölkerung...Suburbanisierung9-Rate. Länder mit einer restriktiven (sozialen) Wohnungspolitik und größeren Segmenten geschützter Wohnungsteilmärkte weisen eine hohe Zweitwohnungsintensität und eine vergleichsweise geringere Bevölkerung...Suburbanisierung9-Rate auf. Hypothese 2: Der Anteil der Kosten des Hauptwohnsitzes am Haushaltseinkommen ist determinierend für die Möglichkeit der Aufspaltung des Wohnens in einen Ent- und einen Zweitwohnsitz. Trotz der nur sehr eingeschränkten Vergleichbarlceit der Zweitwohnsitzintensität hinsichtlich des Erhebungszeitpunktes und auch der Zweitwohnsitzdefinition scheinen sich diese Hypothesen zu bestätigen. 3. Das Wiener Zweitwohnungswesen - eine Folge der Wohnungspolitik? 3.1 Der Umfang der Aufspaltung der Wohnfunktion Bevor auf die Bedeutung der Wohnungspolitik für die Aufspaltung der Wohnfunktion bei Wiener Haushalten näher eingegangen <'> &-'-:kl, H .: l!lgooe,IH,l,w,a 19114 wird, sei anhand einiger Kennzahlen die Größenordnung (17) dieser Aufspaltung dokumentiert (vgl. Tab. 2). Umfang sowie Bau- und Rechtsformen der Wiener Zweitwohnsitze bedürfen einer kurzen Kennzeichnung: 1. Im Gegensatz z.B. zur Bundesrepublik Deutschland sind die meisten Zweitwohnsitze der Wiener das Resultat individueller, oft spontaner, Standortentscheidungen und Bautätigkeit. Dadurch gibt es die unterschiedlichsten Bautypen und Bauweisen. Eine klare Unterscheidung von Freizeit-{Zweit )wohn sitzen und Hauptwohnsitzen ist oft nicht möglich. Eine Vermarlctung über Aufschließungs- und/oder Bauträgergesellschaften erfolgte nur vereinzelt und beschränkte sich vor allem auf Schotterteiche und punktuell auf den Neusiedlersee. 2. Die Errichtung eines Zweitwohnsitzes erfolgt meist losgelöst von Renditeüberlegungen, eine kommerzielle Nutzung (Vermietung) zur besseren Auslastung des Zweitwohnsitzes außerhalb der Zeit der Eigennutzung kommt, im Gegensatz zu Fremdenverlcehngebieten bzw. zu anderen Ländern (z.B. Schweiz), kaum vor, häufig ist dagegen die Mitbenützung durch Verwandte und Bekannte. 1991 Heft 2-3 Herbert Baumhackl: Die Aufspaltung der Wohnfunktion 165 Tabelle 2: WieMr Haushalte mit Zweitwohnsitzen 1984 nach Basistypen und Rechtsformen einschließlich Mitbenünung (Hochrechnung unJ %-Werte) Muaivhlluser Kleinfonnen Rechtsform Zweitwohnungen Summe Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Besitz Miete/Pacht 33372 8 706 12,3 3,2 lll 722 40626 41,1 14,9 19 .588 13 784 7,2 .5,1 164 682 63 116 60,6 23,2 insgesamt Mitbenutzung 42078 15.J 152 348 56,0 JJJ72 12.3 227 798 83,8 22490 8,3 13 0.58 4,8 8488 3,1 44036 16,2 Summe 64568 23,8 165 406 60,8 41860 15,4 271834 100.0 Quolh:B......-..1914,~ Tabelle 3: Zweitwohnungstypen bezogen auf alle Wiener Haushalte(= Zweitwohnsitzintensität) Rechtsform Kleinformen % Massivhäuser % Besitz Miete/Pacht 4,60 1,20 15,36 5,59 2,67 1,90 22,64 8,69 insgesamt Mitbenützung 5,80 3,14 20,95 1,81 4,57 1,17 31.32 3,1 Summe 8,96 22,76 5,75 37,47 Zweitwohnungen % Swnme % der Haushalte Q u o l l e : ~ 1914, ~ Abbildung 1: Von den Inhabern eines Zweitwohnsitzes haben einen Drittwohnsitz % 12 11,3 10 8,0 6 - •· IOeinfomMo lnbaborv. Mao,1-.,, Quolle:~191M l11l111J,., v. Z-itwolmunp, Summ. 3. Rund 55 % der Wiener Zweitwohnsitzinhaber der Rechtsform Besitz und Miete/Pacht haben zu ihrem Zweitwohnsitzstandort enge soziokulturelle bzw. emotionelle Beziehungen. Ein Fünftel stammt aus der jeweiligen Gemeinde, ca. jeder zehnte hat Verwandte im Ort und fast ein Viertel ist durch Erl>schaft zu seinem Grundstück oder Zweitwohnsitz gekommen. Etwa 3 % der Wiener Haushalte, hochgerechnet ca. 21.750, verfügen noch über einen Drittwohnsitz ( vgl. Abb. 1), das sind ca. 8 % aller Inhaber von Zweitwohnsitzen (18). Bei Einbeziehung der Haushalte, die laut Enquete 1984 angaben, in den nächsten fünf Jahren einen Zweitwohnsitz anzustreben (6,6 % der Haushalte ohne Zweitwohnsitz), ergab sich für 1989 ein theoretisch denkbarer Gesamtbestand von ca. 370 000 Einheiten, anders ausgedrückt: ca. die Hälfte der Wiener Haushalte könnte über einen Zweitwohnsitz verfügen (vgl. Tab. 4). Raumforachung und Raumordnung 166 Tabelle 4: Bestand 1989 (Hochrechnung) 91, der Wiener Einheiten Hauahalte Zweitwohnsitze (alle Rechuformen) Drittwohnlitze 271834 21 750 37,37 3,00 Summe 293 584 40,47 errechnete Zuwllchle (1984-1989) 75 000 10,37 Gesamtbestand 1989 368584 50,84 1991 Heft 2-3 Ein Vergleich der Wohnkostenbelastungsstrulctur der Haushalte mit und ohne Zweitwohnsitz belegt diese These 11ehreindrucksvoll (vgl. Abb. 2 und 3): Bis zu einem Wohnkostenanteil von 10 % des Haushaltseinkommens sind die Haushalte mit Zweitwohnsitz starlc. überreprä11entiert, darüber hinaus die Haushalte ohne Zweitwohnsitze. Ein Vergleich derkwnulierten Wohnkostenstrulctur(vgl. Abb. 3) zeigt sehr anschaulich die höhere Wohnkostenbelastung der Haushalte ohne Zweitwohnsitz. 2 . Basisthese: Die Niedrigmietenpolitik hat die Entstehung des Zweitwohnungswesens (== Aufspaltung der Wohnfunktion) der Wiener ab den 60er Jahren entscheidend "mitsubventioniert" und die Aufspaltung der Wohnfunktion in eine Erst- und in eine Zweitwohnung(= Ersthaus) gefördert. 3.2 Die Wohnkostenstruktur der Haushalte mit Zweitwohnsitzen Die Wohnungskosten des Erst-und Zweitwohnsitzes wurden mit Hilfe folgender Variablen erfaßt (19): Hypothese 1: Eine restriktive (soziale) Wohnungspolitik fördert das Zweitwohnungswesen. Hauptwohnsitz in Wien: Durch die spezifischen Verhältnisse der Wiener Wohnungswirt11Chaft und die vergleichsweise geringe Mietkostenbelastung haben viele Haushalte finanzielle Mittel übrig, die nur z.T. in den städtischen Wohnsitz investiert werden. Der Zweitwohnsitz ist daher vielfach ein "Ersthaus". Er ist häufig besser ausgestattet als der städtische Wohnsitz. - monatlicher laufender Wohnungsaufwand (20): Miete, Betriebskosten, Kosten nach dem§ 7-Verfahren, Tilgungsraten, lnstandhaltungsfonds, Annuitäten, - Anteil der Wohnungskosten am Haushaltseinkommen, - monatlicher Wohnungsaufwand pro Quadratmeter Wohnfläche, - laufender Wohnungsaufwand total (einschließlich der Kosten für Heizung, Garage oder Parkplatz, Strom und Gas) (21), - Anteil der Wohnungskosten insgesamt am Haushaltseinkommen Zweitwohnsitz: (1) Je geringer die Wohnkostenbelastung(% des Haushaltsnettoeinkommens), desto größer ist der Anteil am Zweitwohnungsmarla. Eine Differenzierung ergibt sich durch die unterschiedlichen Wohnungsteilmärk.te, die soziale Stellung des Haushalts (höheres Haushaltsnettoeinkommen), Beziehungen zum ländlichen Raum usw. (2) Die Wohnungsteilmärkte am Hauptwohnsitz und am Zweitwohnsitz sind meist komplementär (Wohnung- Haus usw.). - laufende Kosten des Zweitwohnsitzes, - Anteil der laufenden Kosten des Zweitwohnsitzes am Haushaltseinkommen, (3) 64 % der Besitzer von Zweitwohnsitzen wohnen am Hauptwohnsitz in subventionierten Wohnungen: in Gemeinde--, Bundes-, Genossenschafts- bzw. Althausmietwohnungen. Haupt- und Zweitwohnsitz : - laufende Gesamtkosten, - Anteil der laufenden Kosten beider Wohnsitze am Haushaltseinkommen. 3.2.1 Wohnkostenbelastung und Partizipation am Zweitwohnen Der finanzielle Handlungsspielraum eines Haushalts wird wesentlich von der Wohnkostenbelastung, bezogen auf das Haushaltseinkommen, determiniert. Je höher der Wohnkostenanteil, desto kleiner ist die verbleibende finanzielle Kapazität und desto schwieriger ist es, Kaufkraftreserven zu gewinnen. Als 1. Basisthese wird angenommen: Je geringer der Wohnkostenanteil am Haushaltseinkommen, desto höher ist die Beteiligung am Zweitwohnen . (4) Ca. 70 % der Besitzervon Kleinformen leben am Hauptwohnsitz in gemeinnützigen bzw. Althausmietwohnungen. Hypothese 2: Wohnbauförderungsmittel sind auch dem Zweitwohnungsmarla zugänglich und wirlcen als Impulsgeber für das Zweitwohnungswesen. Ca. 20 % der Zweitwohnungsbesitzer und ebenso 20 % der Zweithausbesitzer (22) gaben an, Mittel aus der Wohnbauförderung bezogen zu haben (Dunkelziffer?). Durch die Zweckentfremdung von Wohnbauförderungsmitteln fehlen sie jenen, die erst ihren primären Wohnungsbedarf decken wollen. Die Volkszählung 1981 wurde von dieser Problematik (vgl. auch Wohnsitzfrage; "family splitting"; zur Doppelförderung; Finanzausgleich; Anfechtung der Volkszählung durch Wien beim Verfassungsgerichtshof usw. (23)) überschattet. 1991 Heft 2-3 167 Herbert Baumhackl: Die Aufspaltung der Wohnfunktion Abbildung 2: Anteil tkr Wohnungskosten (einschl. Betriebskosten) am Ha,uhaltsnettoeinkommen und Partizipation am Zweitwohnen NZW-Haushalte ZW-Haushalte Wohnungskosten in v. H. > 50,0 40,l - 50,0 30,l - 40,0 25,l - 30,0 20,l - 25,0 15,l - 20,0 lO,l - 15,0 7,1 - 10,0 5,1-7,0 bis 5 25 15 5 10 0 10 5 v.H. der Haushalte jeder Stichprobe 15 20 ■ Quelle: Eigenerhebung 1984 20 25 30 Überbesatz Abbildung 3: Anleil der Wohnkosten (+Betriebskosten) am Haushaltsnettoeinkommen kum. 100 ~ - - - ~ - - - - - - - . - - - - ~ - - - - , . - - -...,.,-~-,---~~t::,.•M„tl'lt,...!'t<t::,. - □ ~'%,: 1 90 .o~c.- 80 . □ =-" 70 t::,. ,,,....!!,....,,.. ~ 60 '''/ :-.~'"' 1/ □\; 50 40 · 30 · 20 ~· ' . ,□ ~ ,... , -?:7t::,. ,,,,, 1 - D zw .0.. NZ.W - ....... - - 10 □t::,.r 0 1 bis 5 5,1 - 7,0 7,1 - 10, 1 - 15, 1 - 10,0 15 ,0 20,0 20,1 25,0 25,l 30,0 30, l - 40,0 ßclastung in v. H. des Haushaltse inkomm ens Quell e: Ei generhebung 1984 40,l 50,0 > 50,0 Raumfo111Chwtg wid Raumordnwig 168 1991 Heft 2-3 Tabelle 5: Wohnungsteilmärkte am Hauptwohnsitz, Wohnkostenbelastung und Anteile an den ZW-Teilmärkten Wohnungsteilmlrkte am Hauptwohnsitz durchachniUlich Wohnungsteilmarkt Zweitwohnsitz (1) Wohnk01tenbelutung /CL.vT"l'T'n".1 .. \ 1 2 Haus Wohnuna Kleinformen Summe Oemeindewohnungen, Bundeswohnungen 11,8 21,5 62,1 (18,4) 7,1 (12.J) 30,7 (30.5) 20,1 Wohnbaugenoue1111Chaften 11,3 21,0 58,6 (10,8) 16,1 (17.J) 25,3 (15,6) 12,5 Altbauwohnungen 12, 7 20,6 72,5 (33,4) 11,9 15,6 (24J) 31,4 (32,4) Eigentumswohnungen 9,4 16,6 71,3 (23,7) (12, 7) (24,7) 15,9 (17,7) 22,6 Besitzer von Althluaem 12,3 19,7 65,4 (3,6) 23,1 (7,4) 11,5 (2J) 3,7 Eigenheimbesitz 22,5 28,6 68,4 (2,7) 21,1 (4,9) 10,5 (1,4) 2,7 (100)• 100,0 (IOO)• 1 • Miete und Betriebskosten (Grundkosten) (1) Besitzer 2 • alle Wohnungakosten • Quell« (100)• Summe ist ungleich 100 %. Nicht enthalten sind Wohnungateeilmllrkte v. Firmen etc. B._....,. 191' Die indirekte Förderung des Hauptwohnsitzes (geringe Wohnkostenbelastung vor allem bei den gemeinnützigen Wohnwigsteilmärkten wid im Althaussektor) wid die Objektf'orderung der verschiedenen Zweitwohnsitzklassen (Zweithaus wid Zweitwohnwig) kann man als "Subventionierung" des Zweitwohnwigswesens und damit als zentralen Erldärungsansatz für die Entwicklung des Wiener Zweitwohnsitzwesens ansehen. Hypothese 3: Die geringe Wohnkostenbelastung am Hauptwohnsitz erlaubt die Befüehaltung dieses Hauptwohnsitzes auch bei Verlegung an den Zweitwohnsitzstandort. Ein Vergleich der Haushalte mit wid ohne Zweitwohnsitz hinsichtlich der Mobilität wid der Partizipation am Zweitwohnen (vgl. Abb. 4) belegt die These: Je geringer die Mobilitätsbereitschaft der Haushalte, desto höher ist die Partizipation. % Abbildung 4 : Mobilität und Partizipation am Zweitwohnen 110- Viele Wiener Haushalte vertauschen in einer späteren Lebenszyklusphase (meist nach der Pensionierung) ihre beiden Wohnsitze, behalten also den städtischen Wohnsitz als Zweitwohnsitz oder als "Vorratswohnwig" für Enkel oder Kinder bei (ca. 40 % aller Zweitwohnsitzhaushalte) wid umgehen damit die "Probleme der Neuvermietung" (Neueinstieg zu anderen Bedingungen). lichtenberger (24) hat auf die "Verschiebwigen im Verhältnis von Hauptwohnsitz wid Zweitwohnsitz im Lebenslauf des einzelnen" hingewiesen. Da auch Wohnungen mit schlechtem Standard gehalten werden, verhindern diese "Lösungen" Residential Blight. Sie werden aber dem Wohnwigsmarkt entzogen: Ca. 10 % der Wiener Wohnungen, rund 100 000, stehen "leer". Der städtische Wohnsitz wird aber häufig aufgegeben, wenn dies ökonomische Zwänge (nur mehr ein Wohnsitz leistbar) erzwingen. Hypothese 4: Restriktive Wohnwigspolitik bedingt geringe Mobilität am Wohnwigsmarkt (25). Umzüge Quelle: Bl...,.mebuac 19M 1991 Heft 2-3 Herbert Baumhackl: Die Aufspaltung der Wohnfunktion Die empiriache Erhebung erbrachte, da8 - ca. 76 % der Besitzer von Zweithäusern, 76 % der Zweitwohnungsbesitzer und 70 % der Besitzer von Kleinformen in den letzten zehn Jahren ihren Hauptwohnsitz nicht gewechselt haben; dagegen nur 58 % der Haushalte ohne Zweitwohnsitz (viele Altenhaushalte, die an sich schon immobil sind), - ca. 70 % der Zweitwohnsitzhaushalte ihren Hauptwohnsitz achon vor 1970 bezogen haben, fast 50 % schon vor 1965. 169 Anmerkungen (1) Baumhackl, H.: Szenarien und Modellrechnungen zur Entwicklung des Zweitwohnun,iaweaens in ÖateffCich bis zum Jahr 2011. In: Lichtenberger, E. (Hng.): ÖateffCich - Raum und Oeaellachaft zu BegiM des 3. Jahrtausends. Prognosen, Modellrechnungen und Szenarien. Hng.: O.terreichiache Akademie der Wiuenschaften. - Wien 1989. • Beilrige zur Stad~ und Regionalforschung. Bd. 9, S. 204-235 (2) Vgl. Volkazlhlung 1981 in Öate11"Cich (3) Man könnte daraus ableiten, da8 das gewünschte Anspruchsniveau im Hinblick auf Wohn- und Wohnstandortqualität am städtischen Wohnsitz für viele von sekundärer Bedeutung wird, wenn sich die geforderten Wohnansptüche am Zweitwohnsitz realisieren lassen. Damit ist keine Notwendigkeit gegeben, den kostengünstigen städtiachen Wohnsitz aufzugeben. Es ist daher nicht verwunderlich, da8 ca. 42 % der Wiener Zweithausbesitzer, ca. 36 % der Besitzer von Zweitwohnungen und sogar 13 % der Besitzer von Kleinformen diese bereits als "potentielle Hauptwohnsitze" enichtet haben, ebensowenig, da8 ca. 32 % der Besitzer von Zweitwohnsitzen angaben, in den Zweitwohnsitz mehr und noch ca. 16 % in beide gleichviel investiert zu haben. Ein weiterer Hinweis ist die oft größere Wohnfläche des Zweitwohnsitzes im Vergleich zum Hauptwohnsitz (28 % aller Zweitwohnsitze). 4. Schlußfolgerungen Für die Stadt Wien entscheidende Fragen müssen daher lauten: Wie· würden Haushalte, die einen Zweitwohnsitz besitzen, auf Kostensteigerungen ihres Hauptwohnsitzes reagieren, wie auf Reallohneinbußen? Bei der Befragung gaben 14 % an, den Hauptwohnsitz aufzugeben, allerdings auch 9 % den Zweitwohnsitz. Jeder Eingriff in die bestehende Wohnungspolitik (26) in Richtung einer Liberalisierung des Wohnungsmarktes (z.B. Mietenfreigabe) würde sich für Wien negativ auswirlcen. Einige dieser angesprochenen Tendenzen wurden achon im Zuge der Volkszählung 1981 offenbar. Durch die Anfechtung der Volkszählung beim Verfassungsgerichtshof wurde bis zur nächsten Volkszählung ein Aufachub der bereits laufenden Prozesse erwirlct. Diese vitalen Probleme bedürfen aber einer unaufschiebbaren Lösung. In der momentanen Situation müßte es im Interesse Wiens liegen, die bisherige Wohnungspolitik fortzuführen, um die Abwanderung zu bremsen. Baumhackl, H.; Z.Ottl, B.: Freizeitwohnsitze der Wiener. Probleme ihrer statistischen Erfuaung. In: Geographischer Jahresbericht aus Öate11'Cich, Bd. XLII (1983). 1985, S. 25-69 (4) Lichtenberger. E.: Leben in zwei Oesellachaften. - Wien, Köln, Graz: Böhlau 1984 (5) Baumhackl, H .: Die Aufspaltung der Wohnfunktion. Eine Analyse des Zweitwohnens am Beispiel des städtischen Systems Wien. - Wien 1989, Habilitationaachrift (6) Vgl. Baumhackl, H .: Das Zweitwohnungswesen im Rahmen der Wohnungawirlllehaft. Manuskript. Vortrag im Rahmen des ÖateffCich-DDRSymposiums der O.terreichiachen Akademie der Wwenachaften gemeinsam mit der Akademie der Wiuenachaften der DDR am 29.5.1988 in Krems (7) In den sozialistischen Staaten fehlt eine Suburbanisierung im westlichen Sinn, eine Privatisierung des Wohnens ist in erster Linie in Form des Zweitwohnungaweaens entstanden (Lichtenberger, E.: Zweitwohnungen im Stadtumland. In: Berliner Geographische Arbeiten, Sonderheft 4 (JubiUlumakonferenz 1986 der Sektion Geographie der Hwnboldt.-Universität zu Berlin), S. 68-74) (8) Ruppert, K.: Der Zweitwohnsitz im Preizeitrawn. In: Berichte zur Raumforschung und Raumplanung 17 (1973) 4, S. 3--8 (9) Obwohl in den meisten Lindem die Demokratisierung in Oang gesetzt worden ist, werden die Folgen fllr das Wuuchaftssystem, auf den Besitz der Produktionsfaktoren usw., erst in Jahren durchschlagen. (10) Vgl. Moewu, W.: Grundsatzfragen der Lebensraumgestaltung. - Berlin, New York: De Oruyter 1980 (II) Zusammenfassung Der Staat finanziert und subventioniert indirekt den Bau von Eigenheimen außerhalb der städti1Chen Gemarlrung, indem er über das Mietengesetz, Wohnbauförderung, Wohnbeihilfen usw. dem potentiellen Zweitwohnsitzinteressenten bzw. Abwanderer "hilfreich unter die Anne greift". Es kann angenommen werden, da8 der europaweit vergleichsweise hohe Anteil von Zweitwohnsitzen sehr wesentlich durch die jahrzehntelange Aus1Chaltung des Privatkapitalismus in der Wohnungswirtschaft gesteuert wurde. Eibl-Eibesfeldt, I.; Haas, H. ; Fnisitzer. K.; Gehmacher, E.; Glück, H.: Stadt und Lebensqualität. Neue Konzepte im Wohnbau auf dem Prilfatand der Hwnanethologie und der Bewohnerurteile. - Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt; Wien: O.terreichiacher Bundesverlag 1985 (12) Vgl. Glück, H. (1985): vgl. Anm. (11) (13) Vgl. Eibl-Eibesfeldt, l .; Haas, H.; Fnisitzer, K.; Gehmacher, E.; Glück, H .: Stadt und Lebensqualität ... , a.a.O. 170 Raumforachung und Raumordnung (14) Lichtenberger, E. : Die S1ellung der Zweitwohnungen im stldtischen Syatem. Du Wiener Beispiel. In: Berichte zur Raumforachung und Raumordnung (1980) H. 1, S. 3-14, hier S. 6 Bereits 1977 bezeichnete Coppockdu Zweitwohnen als" ... a verydifficult aector of wider ftelds of houaing" (Coppock, I .T. (Ed.): Second Hornes. Curae or Bleuing. - Oxford: Pergamon 1977. • Oeogr. Series) (15) In allen sozialen Wohlfahrtsstaaten ist allerdings ein sukzeuiver "Rückbau" zu diagnostizieren. (16) Lichtenberger. E.; Fassmann, H.; Mflhlgassner, D .: Stadtentwicklung und dynamische Faktorialökologie. Hrsg.: Österreichiache Akademie der Wwenachaften. - Wien 1987. • Beitrllge zur Stadt- und Regionalforschung, Bd. 8 · (17) Infolge der Koppelung des Zweitwohnsitzes an die Oebllude- und Wohnungsdefinition und an die Regelmll.6igkeit des Besuches ist von einer eklatanten Untererfauung des Zweitwohnens durch die amtliche Statistik auszugehen (vgl. Baumhackl, H.: Die Aufspaltung der Wohnfunktion. Eine Analyse des Zweitwohnens am Beispiel des stlldtischen Systems Wien. Habil.Schrift Wien 1989, S. 189 ff.) (18) Ebenda 1991 Heft 2-3 (21) Diese Kostenarten sind auch getrennt erhoben worden. Dies ist besonders von Bedeutung-auchKaufmann,A.; Bauer,E.: Wohnsituation ..• , a.a.O., S. 108 weisen auf diese Problematik der Kostenerfusung hin-, weil die Kosten fllr Hauszentralheizung. Warmwasserversorgung, OaragenbenUtzung hllufig nicht gesondert monatlich ausgewiesen werden, wodurch Neu- und Althauswohnungen nicht streng vergleichbar sind. (22) Quelle: Eigenerhebung 1984 (23) Die bereits publizierten Ergebniuc wurden durch den Einspruch Wiens in ca. 30 000 Fllllen obsolet. (24) üchtenberger, E.: Die Stellung der Zweitwohnungen ... , a.a.O., S. 4 (25) Kaufmann,A.; Artner. G. ; Diebalek, Ch. ; Duloritz,H.: Motive und Formen der Wohnungsmobilitllt. - Wien 1976. • Publikation des Instituts fllr Stadtforachung, Bd. 49 (26) Lichtenberger. E. (Hrsg.): Österreich- Raum und Oescllschaft zu Beginn des 3. Jahrtausenda. Prognosen, Modellrechnungen und Szenarien. Hrsg.: Österreichische Akademie der W1UCnschaften. - Wtcn 1989. • Bcitrilge zur Stadt- und Regionalforschung, Bd. 9 (19) Die besondere Schwierigkeit der F.rhebung der laufenden Wohnungskosten bestand darin, daß sich die laufenden Wohnungskosten aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, deren Einzclbetrllge dem Befragten hllufig nicht bekannt sind (vgl. auch KaujinaM, A.; Knoth, E.; Hartmann, B.: Wohnungskosten und ökonomische Situation der Haushalte. - Waen 1979. • Publikation des Instituts fllr Stadtforachung, Bd. 65, hier S. 327) (20) Aus erhebungstechnischen Orilnden, da die Betriebskosten in den monatlichen Abrechnungen oft nicht gesondert ausgewicaen oder nur jllhrlich abgerechnet werden (vgl. auch KaufmaM, A .; Knoth, E.; Hartmalln,B.: Wohnungskosten ... , a.LO., S. 319 f. undKaujinaM,A.; Bauer, E.: Wohnsituation, Wohnungsaufwand und Haushaltseinkommen 1981. - Wien 1984. • Publikation des Instituts fllr Stadtforschung, Bd. 71, hier S. 108 bzw. Erfahrungen anlllßlich des Pretest fllr die eigene Studie), wurde auf eine gesonderte Erhebung der Teilkosten (Nebenkosten) der laufenden monatlichen Wohnungskosten verzichtet. Prof. Dr. Herbert Baumhackl Institut für Geographie Universit4t Wien Universit4tsstraße 7 A-J0J0Wien