Papers by Caspar Battegay
Yearbook for European Jewish Literature Studies / Jahrbuch für europäisch-jüdische Literaturstudien, hg. von Alfred Bodenheimer, Vivian Liska (Bd.10, Heft 1, hg. von Luisa Banki / Sebastian Schirrmeister), De Gruyter., 2023
Am 27. Januar 2021, dem internationalen Holocaust Remembrance Day, formulierte der damalige Präsi... more Am 27. Januar 2021, dem internationalen Holocaust Remembrance Day, formulierte der damalige Präsident der European Union of Jewish Students Bini Guttmann in einem Twitter-Post: "Today, 76 years ago, Auschwitz was liberated. One of those who survived was my Grandfather Bujo Guttmannthe bravest man I knew." Zusammen mit der Maxime, dass ‚Auschwitz' sich nicht wiederholen dürfe, twitterte er ein Foto von sich selbst als kleinem Kind in den Armen seines Großvaters. Der aus dem Bild und dem kurzen Text bestehende Post schließt an ein Muster der Repräsentation der dritten Generation jüdischer Nachkommen an, der eigenen Familie und Herkunft in den Sozialen Medien Sichtbarkeit zu verschaffen und damit das konventionalisierte Gedenken sowie die Gedenkfloskeln zu personalisieren. Guttmanns Tweet ist typisch für das Medium Twitter und andere soziale Netzwerke, da der Nachrichten-oder Informationsgehalt nicht deutlich ist und die Grenze zwischen privater und öffentlicher Kommunikation verschwimmt. Es sind solche Bilder, Memes und Texte, die zunehmend den Diskurs der Erinnerung prägen, so wie sie auch die westliche Gesellschaft allgemein zu einer transformiert haben, "deren Kommunikationsformen und Kulturtechniken maßgeblich durch die Praktiken der Selbstdarstellung und Weltwahrnehmung auf Facebook [und anderen Netzwerken, C.B.] bestimmt sind", wie dies der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski beschreibt (2016, 15). Simanowski diagnostiziert zum einen "das Verschwinden der Gegenwart" (2016, 15), denn indem das Gegenwärtige permanent festgehalten, dokumentiert und archiviert werde, verunmögliche dies zunehmend die distanzierte Reflexion; zum anderen aber stellt Simanowksi einen "Gegenwartszentrismus" und in Anlehnung an Zygmunt Baumans Beobachtung der ‚liquiden Moderne' eine "kontinuierliche Gegenwart" (2016, 52) fest, in der sich die Subjekte von ihrer Zeitgebundenheit entkoppeln und in einen diffusen Raum der Gleichzeitigkeit und Vernetzung eintreten würden. Die "Kultur der Digitalität" (Stalder 2016) wird von diesem Wandel des Zeitverständnisses geprägt, und nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch der oft auf Emotionalität und ‚story telling' beruhende Austausch fördert einen Sinn für Präsenz und Unmittelbarkeit (vgl. Bouvier und Rosenbaum 2020, 9). Diese Bedingungen sollten deshalb auch im Kontext eines Netzwerks zu Positionen der Gegen
Andreas Mauz/Daniel Weidner (Hgg.): Arbeit am Paradigma. Bestandsaufnahme zur Forschung zu Literatur und Religion, Stuttgart: Metzler Verlag [in Vorbereitung].
Wie legitimiert ein Protestsong seinen Protest? Mit welcher Autorität und mit welchen Strategien ... more Wie legitimiert ein Protestsong seinen Protest? Mit welcher Autorität und mit welchen Strategien begründet er die Wirksamkeit seines Protests? Der Song Story of Isaac auf dem zweiten Album Songs from a Room (1969) des kanadischjüdischen Singer und Songwriter Leonard Cohen (1934-2016) wirft solche Fragen auf. Dies tut er, indem er eine biblische Geschichte neu erzählt, die bis heute nichts von ihrem Verstörungspotential verloren hat. Die Beinahe-Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham-in der jüdischen Tradition als die Bindung Isaaks (akedat yitzhak) bezeichnet-gehört zu den Grunderzählungen der monotheistischen Religionen und zum Imaginationsinventar der westlichen Kultur. Sie fand Aufnahme in zentrale Teile der jüdischen und christlichen Theologie, Liturgie und Kunst. In der christlichen Auslegung steht klassischerweise die Interpretation als Vorausbild des Kreuzestodes Christi im Zentrum. 1 Im Judentum bildet die Akedah einen Selbstverständigungsmythos, 2 wobei die "Erzählung von Treue, Gottergebenheit und Versuchungsresistenz" im 20. Jahrhundert primär zu einer "Erzählung der Trauer und des Entsetzens" wird.
German Jewish Literature after 1990, ed. by Katja Garloff and Agnes Mueller, Camden House, 2018
is an autobiographical account of the author's two-month stay in a Berlin mental institution duri... more is an autobiographical account of the author's two-month stay in a Berlin mental institution during winter 2013, interrupted by personal anecdotes and remarks on culture, politics, and German Jewish identity. Polak has earned some fame as "Germany's only living Jewish comedian." 1 And even his book, which at times relates moments of darkness and black despair through the narrator's sharp, sarcastic and at times shockingly obscene descriptions is not without Polak's characteristic humor. Although the author speaks about his own experiences, the text makes clear that his depressive disorder must not be understood in a strictly individual context. The motifs of depression, mania, and psychological crisis can be interpreted as traces of a traumatic history barely visible in public discourse. In this sense, the figure of the Jewish patient, wavering between profound sadness and unstoppable rage, is at the same time also a general image of the contemporary Jewish condition in Germany: "Patient bedeutet übersetzt 'leidend' oder 'duldend'. … Und vielleicht bin ich nicht nur der Patient, der in einer Klinik ist und an Depressionen leidet, sondern auch ein Patient der kranken deutschen Seele. Deutschland, ein Irrenheim? Ich, einer der wenigen Normalen in diesem Irrenhaus?" 2 (Patient means suffering or to put up with something.. . And maybe I am not only the patient who is in a hospital and suffering a depression, but also a patient of the morbid German soul. Germany, a madhouse? Me, one of the only normal ones in this madhouse?) In reference to the metaphoric use of the words "Patient," "Seele," and "Irrenheim" in this paragraph, my article focuses on the psychopathological narratives and images in Polak's work. Polak does not mention or refer to Sander L. Gilman's classic study on Kafka, which is also titled The Jewish Patient. But his own project is also centered around "an imagined Jewish body" 3 and treats the cultural perceptions and poetic representations of illness as a consequence of internalized stereotypes. I do not have any information about Polak's illness apart from his book and his inter
Jahrbuch für Medienphilosophie, 2019
Heinz Drügh / Susanne Komfort-Hein (Hgg.): Christian Krachts Ästhetik, Metzler Verlag , 2019
In diesem Aufsatz untersuche ich eine spezifische Ästhetik des Genres der alternate history, wie ... more In diesem Aufsatz untersuche ich eine spezifische Ästhetik des Genres der alternate history, wie sie Christian Krachts dritter Roman Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten in selbstreflexiver Form darstellt. Dabei knüpfe ich an Moritz Baßlers Lektüre an, der in Krachts Roman "die Idee einer paralogischen-synthetischen Kunstwelt" 1 ausmachte. Diese "Kunstwelt" transformiere die Weltgeschichte im Modus des Ästhetischen. Dies bedeute keinen Eskapismus, vielmehr werde, argumentiert Baßler, "die Möglichkeit eines neuen historischen Erzählens jenseits der realistischen Option" 2 vorgeführt. Eine solche Transformation spitzt die gattungstypische Metafiktionalität der alternate history noch einmal zu. Krachts Text lässt sich als Erzählung über Medien und über die mediale Verfasstheit historischen Erzählens wie auch des Erzählens überhaupt lesen. Anhand von Ich werde hier sein kann Krachts "ästhetischer Fundamentalismus" 3 als mediologisches Erzählen spezifiziert werden.
Jalta. Positionen zur jüdischen Gegenwart. Zwischen Literarizität und Programmatik. Sonderausgabe Nr. 01: Jüdische Literaturen der Gegenwart, hg. von Micha Brumlik / Marina Chernivsky / Max Czollek / Hannah Peaceman Anna Schapiro / Lea Wohl von Haselberg, 2019
Bar jeder Regelpoetik Eva Lezzi Wenn du das schaffst, dann ist es scheißegal, was für ein Label s... more Bar jeder Regelpoetik Eva Lezzi Wenn du das schaffst, dann ist es scheißegal, was für ein Label sie dir draufknallen
Germanica 65: Marcel Reich-Ranicki - une critiqe littéraire populaire, ed. Stephanie Baumann et Bénédicte Terrisse, 2019
Caspar Battegay/Kai Wiegandt/Lena Henningsen (Hrsg.): Gegessen? Essen und Erinnerung in den Literaturen der Welt, Berlin: Neofelis Verlag, 2019
Gegessen? Essen und Erinnerung in den Literaturen der Welt Einleitung 13 Katharina Heyden "Als er... more Gegessen? Essen und Erinnerung in den Literaturen der Welt Einleitung 13 Katharina Heyden "Als er mit ihnen zu Tisch saß, wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn." Essen, Erinnern und Erkennen in den Evangelien 33 Stefan Tilg Essen und Erzählen Eine römische Spezialität in den Romanen von Petron und Apuleius 57 Kirill Dmitriev Wein und Erinnerung in der frühen arabischen Poesie 81 Alfred Bodenheimer Das Brot der Armut Die matza als Cluster von Erinnerung, Text und Verdauungs problemen in der Pessach-Haggada
Hubert Thüring / Ulrich Weber (Hgg.): Literatur und (ihre) Institutionen. Hetero- und Autonomie der deutschsprachigen Literatur der Schweiz, Zürich: Chronos Verlag
Heine-Jahrbuch 2017 (56. Jahrgang), 48-68.
Dieser Aufsatz untersucht die Funktion des Fluchens und Beschimpfens für die Lyrik Heinrich Heine... more Dieser Aufsatz untersucht die Funktion des Fluchens und Beschimpfens für die Lyrik Heinrich Heines. Es soll gezeigt werden, dass der Fluch nicht bloß religiöse, psychologische oder juristische Dimensionen aufweist, sondern auch poetologisch relevant ist. Dabei möchte ich auf Texte eingehen, die »bewusst verletzend« sind. Das Urteil »bewusst verletzend« stammt von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Allerdings äußerte sie es nicht über einen Text Heines, sondern über das Gedicht des TV-Moderators und Komikers Jan Böhmermann, das dieser in seiner Sendung »Neo Magazin Royale« auf dem Sender ZDFneo am 31. März 2016 vorgelesen und inszeniert hatte. Böhmermanns »Schmähkritik« ist bei aller Verschiedenheit der Kontexte im Kern aus ähnlichen Gründen skandalös wie ein politisches Gedicht Heines, das ebenfalls fast ausschließlich aus obszönen Beleidigungen 1 besteht und das ich in diesem Aufsatz diskutieren möchte. Das gegen den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gerichtete Gedicht »Schloßlegende« wird -ähnlich wie Heines Angriff auf August Graf von Platen 2 -noch im 21. Jahrhundert als »Skandalon« 3 und als »ungeheuerlich« 4 wahrgenommen und weist ein beträchtliches Irritationspotenzial auf. Im Folgenden sollen aber weder die politische Skandalwirkung der Literatur noch die juristischen Implikationen und Folgen der verletzenden Rede erörtert werden. Vielmehr möchte ich einen Vorschlag machen, wie mit dem Irritationspotenzial der literarischen Schmährede literaturwissenschaftlich umgegangen werden kann.
Marisa Siguan / Linda Maeding (Hgg.): Utopie im Exil. Literarische Figurationen des Imaginären, Bielefeld: transcript 2017, 173-194.
Werfels letztes Buch Stern der Ungeborenen. Ein Reiseroman ist zwischen 1943 bis 1945 im Exil in ... more Werfels letztes Buch Stern der Ungeborenen. Ein Reiseroman ist zwischen 1943 bis 1945 im Exil in Kalifornien entstanden und 1946 postum im Verlag Bermann-Fischer erschienen. Im Kontext von Utopie und Exil ist der Roman ein in der neueren deutschen Literatur zentraler Text. Denn bei Werfel findet sich eine literarische Utopie mit all ihren typischen Motiven sowie die »Utopie des Ästhetischen«, die Karl Heinz Bohrer als Emphase eines Augenblicks der Entzeitlichung in der modernen Literatur des 20. Jahrhunderts und als »Reduktion utopischer Inhalte und Ziele auf die Innerlichkeit eines utopisch gestimmten Subjekts« (185) bezeichnet hat. Damit zeigt sich angesichts einer grundsätzlichen Krise der Moderne 1 eine Re-Theologisierung der Literatur, die jedoch durch den ironischen Erzählgestus Werfels dauernd gebrochen wird. Die ironische Innerlichkeit des Romans soll im Folgenden als moderne Poetik des Exils gedeutet werden, die an bestimmte diasporische Modelle der jüdischen Tradition anknüpft.
The German Quarterly 89,2 (2016), 186-201.
Borrowing from Svetlana Boym's concept of “reflective nostalgia,” this article advances a specifi... more Borrowing from Svetlana Boym's concept of “reflective nostalgia,” this article advances a specific understanding of nostalgia in Joseph Roth's late literary work, conceptualizing it not in a psychological or political sense, but as a poetics of storytelling. At the center of this discussion is the notion of narrative performativity in Beichte eines Mörders erzählt in einer Nacht (1936), and I argue that the practice of storytelling can be read as a nostalgic and ironic gesture that comments on the modern crisis of the perception of time. While the hypodiegetic narrator of Beichte is stylized as an authentic oral storyteller, who nostalgically recounts his experiences and opens up a space that transcends the chronological notion of time, his nostalgia is undermined by the ironic frame narrative in which it is embedded. The metaleptic structure at the end of the novel breaks the narrative illusion of a realistic plot and negates any nostalgic appropriations. Experiencing the storyteller does not create a meaningful community of listeners, but instead forms strange echoes—doublings—that confuse the narrative order. This reading shows Roth as a genuine modern writer who provides a model for the function of literature as an answer to the modern obsession with progress and newness.
Connected Jews: Expressions of Community in Analogue and Digital Culture, ed. by Caspar Battegay and Simon J. Bronner, Liverpool University Press/The Littman Library of Jewish Civilizations 2018 (Jewish Cultural Studies Vol 6), S. 109-129.
Esther Kilchmann (Hg.): artefrakte. Auseinandersetzungen mit Holocaust und Zweitem Weltkrieg in experimentellen Verfahren in Kunst und Literatur, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016, 283-300.
Clemens Peck / Florian Sedlmeier (Hg.): Kriminalliteratur und Wissensgeschichte. Genres - Medien - Techniken. Bielefeld: transcript Verlag 2015.
Cahier de l'Herne Franz Kafka, ed. Jean-Pierre Morel et Wolfgang Asholt, Paris: Edition de l'herne, p. 257-263., 2014
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While the conference will be open to the public, the workshop on Tuesday evening is restricted to mem- bers of the German and Israel Young Academies.
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by 08 June.