Books by Michael Navratil
Nicht-realistische Erzählformen sind in der Gegenwart überaus populär, haben aber nicht selten de... more Nicht-realistische Erzählformen sind in der Gegenwart überaus populär, haben aber nicht selten den Verdacht des politischen Eskapismus auf sich gezogen. Michael Navratils Studie, die eine grundlegende fiktionstheoretische Modellierung der Kontrafaktik unternimmt, zeigt demgegenüber die hohe Affinität des kontrafaktischen Erzählens zum politischen Schreiben auf. Umfassende Analysen der kontrafaktischen Werke von Christian Kracht, Kathrin Röggla, Juli Zeh und Leif Randt demonstrieren die Bandbreite und Relevanz politischer Realitätsvariationen in der Gegenwartsliteratur.
Papers by Michael Navratil
Gesundheit erzählen, 2021
Angesichts der vielfältigen Zugriffsmöglichkeiten auf das Phänomen Gesundheit, die in diesem Band... more Angesichts der vielfältigen Zugriffsmöglichkeiten auf das Phänomen Gesundheit, die in diesem Band diskutiert wurden, kann es nicht der Anspruch eines abschließenden Textes sein, alle relevanten Ergebnisse noch einmal zusammenzufassen oder gar ein Fazit zu ziehen. Im Rahmen der Vorträge und Diskussionen auf der Tagung Gesundheit erzählen. Ästhetik, Performanz und Ideologie seit 1800 sowie innerhalb der einzelnen Beiträge des Bandes haben sich allerdings einige wiederkehrende Fragen zum Zusammenhang von Gesundheit und Erzählen herauskristallisiert, die es unserer Meinung nach verdienen, abschließend festgehalten zu werden. Die folgenden Ausführungen verstehen sich einerseits als Bündelung übergreifender Beobachtungen zum Verhältnis von Gesundheit und Erzählen. Andererseits sollen mögliche Perspektiven für die weitere narratologische Beschäftigung mit dem Phänomen Gesundheit aufgezeigt werden. Im Rahmen der Tagung Gesundheit erzählen wurde erstens der Versuch unternommen, Gesundheit als ein eigenständiges Konzept und Phänomen und nicht als bloße Differenzkategorie zur Krankheit zu begreifen; zweitens wurde Gesundheit in ihrem Verhältnis zu narrativen Prozessen betrachtet; und drittens schließlich wurde der Zusammenhang von Gesundheit und Erzählen unter besonderer Berücksichtigung der Kategorien Ästhetik/Performanz/Ideologie untersucht. Über die verschiedenen Beiträge hinweg zeichnete sich dabei ab, dass insbesondere im Bereich ‚Ästhetik'also hinsichtlich der Darstellung, Deskription und Definition von Gesundheitnach wie vor Konzepte der Gesundheit dominieren, die stark von Komplementärkonzepten der Krankheit abhängig sind; die Frage, was Gesundheit ist, scheint sich nur bedingt ohne Rekurs auf die Krankheit beantworten zu lassen. Eine stärkere Eigenlogik als im Bereich der Ästhetik bilden Diskurse der Gesundheit hingegen, so wurde im Laufe der Tagung erkennbar, in den Bereichen Performanz und Ideologie aus: Im Zusammenhang der performativen Herstellung, Steigerung oder Optimierung von Gesundheit ergeben sich zahlreiche Forschungsfragen für eine narratologisch orientierte Gesundheitsforschung. Was speziell den Zusammenhang von ‚Gesundheit erzählen' und Ideologie betrifft, so zeichnete sich ab, dass gerade fiktionale Gesundheitserzählungen geeignet sind, die ideologischen Implikationen bestimmter Konzepte von Gesundheit kenntlich zu machen und diese Konzepte einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Gesundheit erzählen. Ästhetik – Performanz – Ideologie. Berlin / Boston 2021, 2021, 2021
Gesund sind immer die Anderen "Nein, du hast keinen Begriff, Thomas, was für ein prachtvolles Ges... more Gesund sind immer die Anderen "Nein, du hast keinen Begriff, Thomas, was für ein prachtvolles Geschöpf das ist! Sie ist so gesund ... so gesund ... !" wiederholte Christian, indem er eine Hand, ihren Rücken nach außen, mit gekrümmten Fingern vors Gesicht hielt, ähnlich wie er es zu thun pflegte, wenn er von "That's Maria" und dem Laster in London erzählte. 1 (1.1, 446-447)
Gesundheit erzählen. Ästhetik – Performanz – Ideologie. Berlin / Boston 2021, 2021
Über ein vernachlässigtes Forschungsfeld Spätestens seit Susan Sontags wegweisendem Essay Illness... more Über ein vernachlässigtes Forschungsfeld Spätestens seit Susan Sontags wegweisendem Essay Illness as Metaphor aus dem Jahre 1978 hat die Literaturwissenschaft ihr Interesse nicht allein auf die Darstellung von Krankheit in der Literatur, sondern auch verstärkt auf die Rhetoriken und ideologischen Implikationen von Krankheitsdarstellungen und-zuschreibungen in literarischen und anderen gesellschaftlichen Diskursen gerichtet. Mittlerweile ist die Fülle der Einzelbeiträge zum Zusammenhang von Literatur und Krankheit kaum noch zu überblicken. 1 Mit dem Jahrbuch Literatur und Medizin liegt seit nunmehr über zehn Jahren auch ein periodisch erscheinendes Organ vor, das sich speziell der Verbindung dieser beiden Felder widmet. 2 Angesichts des enormen Interesses am Zusammenhang von Literatur und Krankheit mag es überraschen, dass der konstitutionelle Gegenpol der Krankheit, die Gesundheit, bisher nicht in annähernd vergleichbarem Maße zum Gegenstand literatur-und kulturwissenschaftlicher Forschungen geworden ist. Zwar wendet sich das in der angloamerikanischen Forschung etablierte, interdisziplinäre Feld der Medical Humanities vermehrt dem Themenkomplex Heilung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu. 3 In der deutschsprachigen Forschung jedoch liegen Beiträge zur thematischen Diskussion von Gesundheit und Gesundheitskonzepten in literarischen Texten, zur phänomenalen Selbstwahrnehmung des Gesundseins, zu ‚heilenden' Texten oder heilenden Erzählpraktiken, aber auch zu den normativen, ideologischen und politischen Implikationen einer Reklamierung respektive Attribuierung der Eigenschaft ‚gesund' bisher fast ausschließlich als verstreute Einzelstudien vor und auch
Die frühe deutschsprachige HIV-Literatur der 1990er Jahren war deut-lich autobiografisch geprägt.... more Die frühe deutschsprachige HIV-Literatur der 1990er Jahren war deut-lich autobiografisch geprägt. Ihre Autoren waren vor allem schwule Männer, die über ihre eigene HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung schrieben. Allerdings konnten diese ›Egodokumente‹ größtenteils weder die Literaturkritik über-zeugen noch ein breiteres Publikum erreichen. Als kommerziell erfolgreicher sowie von der Kritik gelobter deutscher HIV-Roman darf erst Hans Pleschinskis Autofiktion ›Bildnis eines Unsichtbaren‹ aus dem Jahr 2002 gelten. Der Artikel zeigt in seinem ersten Teil, dass gerade die frühe HIV-Literatur sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch auf authentische Erfahrungsdarstellung einerseits und literarischem Anspruch andererseits bewegte und darüber hinaus im literarischen Feld der Zeit auf eher ungünstige Rezeptionsvoraussetzungen traf. In seinem zweiten Teil wird Pleschinskis autofiktionaler Roman als Beispiel einer vergleichsweise späten HIV-Kunst diskutiert, die sich durch den Einsatz avancierter Erzählverfahren, aber auch aufgrund veränderter diskursiver und historischer Rahmenbedingungen zu Beginn des neuen Jahrtausends von den Einschränkungen der frühen HIV-Literatur freizumachen vermochte. Early German HIV literature of the 1990s was for the most part autobiographical. Its authors were mainly gay men writing about their own HIV-infection and their experience of Aids. These ›ego documents‹, however, did not receive much praise from literary critics, nor did they gain popularity with the general audience. It was only with the publication of Hans Pleschinski's autofiction ›Bildnis eines Unsicht-baren‹ that a German novel focusing on HIV could reach a broad public and also convince the critics. The first part of this article focuses on the difficult position early HIV literature found itself in between aspirations to authenticity on the one hand and to literary quality on the other hand; it also shows that the conditions within the literary field of the time were highly unfavorable for a positive reception of early HIV literature. The second part of the article discusses Pleschinski's 296 Michael Navratil autofictional novel as a comparatively late example of HIV art which was capable of going beyond the constraints of early HIV literature both in its use of more advanced literary techniques and because of an altered discursive and historical situation at the beginning of the new millennium.
Am 10. März 1994 wurde der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches vollständig abgeschafft, der in se... more Am 10. März 1994 wurde der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches vollständig abgeschafft, der in seiner letzten Form »Homosexuelle Handlungen« unter Strafe gestellt hatte, wenn »ein Mann über achtzehn Jahre […] sexuelle Handlungen an einem Mann unter achtzehn Jahren vornimmt oder von einem Mann unter achtzehn Jahren an sich vornehmen läßt«. 1 Die Geschichte dieser Strafnorm von der Kaiserzeit bis 1994 ist mittlerweile sowohl rechtshistorisch als auch im Kontext einer Geschichte der politischen und sozialen Behandlung homosexueller Männern gut aufgearbeitet. 2 So bietet etwa Christian Schäfer in seiner Studie ›Widernatürliche Unzucht‹ einen detaillierten Überblick über die Diskussion der Strafnorm seit 1945. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass Schäfer im Grundlagenkapitel seines Buches auch auf Antike und Mittelalter verweist und in diesem Kontext etwa die Vorschriften zu »Homosexualität«, »homosexuellem Verhalten«, den Umgang mit »homosexuelle[n] und andere[n] Süder[n]« und die Verurteilungen der »von homoerotischen Neigungen motivierte[n] sexuelle[n] Gewalt« thematisiert. 3 Durch die nicht weiter differenzierte Verwendung der Termini ›homosexuell‹ oder ›homoero-tisch‹ wird dabei der Eindruck erweckt, der Paragraph 175 sei in einer kohärenten 1 lexetius.com, Artikel: Paragraph 175 (Stand am 24.03.2020). Quelle : https ://lexetius.com/St GB/175,2. 2 Siehe zum Zeitraum von der Kaiserzeit bis zum Nationalsozialismus Kai Sommer, Die Strafbarkeit der Homosexualität von der Kaiserzeit bis zum Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1998; zum Dritten Reich: Burkhard Jellonnek, Homosexuelle unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Homosexuellen im Dritten Reich, Paderborn 1990; rechtshistorisch-empirisch zu den späten 1980er Jahren in Bayern: Orlik Andreas Frank, Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen, Aachen 1997; zur Zeit nach 1945 unter Einbezug des politischen Diskurses: Christian Schäfer, ›Widernatürliche Unzucht‹ ( § § 175, 175a, 175b, 182 a.F. StGB): Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1945, Berlin 2006. 3 Schäfer, ›Widernatürliche Unzucht‹, S. 17f.
Fabian Lampart / Michael Navratil / Iuditha Balint / Natalie Moser / Anna-Marie Humbert (Hg.): Daniel Kehlmann und die Gegenwartsliteratur. Dialogische Poetik, Werkpolitik und Populäres Schreiben. Berlin / Boston 2020, 2020
Philologie im Netz, 2021
This article discusses the 'double authority of authors between fictionality and factuality', tha... more This article discusses the 'double authority of authors between fictionality and factuality', that is the fact that writers who produce fictional texts inevitably also produce factual utterances in their actual lives, which in turn can influence the reception of their fictional works. More specifically, the article looks at interconnections, synergies, and possible interferences of authors' employment of real-world facts both in their political, fictional writings and as part of their real-world political engagement. Robert Menasse's parallel use of counterfeit quotes in his fictional as well as his factual texts will be presented as a negative example for the above-mentioned double authority, while Juli Zeh's dystopian, counterfactual fiction and her accompanying political commentary in interviews, newspaper articles, and non-fiction books serve as a positive example. The article ends by discussing the text-pragmatic and, consequently, political differences between two seemingly related forms of non-factuality, namely postfactuality and counterfactual fiction, and argues for a stronger consideration of the facts produced by real-world authors as relevant context factors for the interpretation of fictional works.
interlitteraria, 2020
Multilingualism and the alternate history genre have something in common: both phenomena are base... more Multilingualism and the alternate history genre have something in common: both phenomena are based on the construction of alternatives, in the case of multilingualism on the alternatives between different languages and communication systems, and in the case of the alternate history genre on the alternatives between real-world facts and the variation thereof within fictional worlds. This article investigates the interconnections between these two forms of thinking in alternatives by looking specifically at Quentin Tarantino's counterfactual war film 'Inglourious Basterds' (2009) and Christian Kracht's alternate history novel 'Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten' (2008). I argue that the consideration of language alternatives forms part of the meta-reflection of the alternate history genre in these works while at the same time opening up a political perspective: in Tarantino's film and Kracht's novel, multilingualism serves as a means for the critique of ideology by rendering palpable the political threats of a worldview based on clear-cut alternatives. In the article's final section, I plead for the establishment of stronger links between the research on literary multilingualism and the theory of fiction.
Marko Pajević (Hg.): Mehrsprachigkeit und das Politische. Interferenzen in zeitgenössischer deutschsprachiger und baltischer Literatur. Tübingen 2020., 2020
Mehrsprachigkeit und das Alternate History-Genre haben etwas gemeinsam: Beide Phänomene basieren ... more Mehrsprachigkeit und das Alternate History-Genre haben etwas gemeinsam: Beide Phänomene basieren wesentlich auf der Bildung von Alternativen, im Falle der Mehrsprachigkeit den Alternativen zwischen verschiedenen Sprachen und Sprachsystemen, im Falle der Alternate History den Alternativen zwischen Fakten der realen Welt und ihrer Variation innerhalb einer fiktionalen Welt. Der vorliegende Aufsatz widmet sich der Verbindung dieser beiden Formen des Altemativendenkens in Quentin Tarantinos kontrafaktischem 'Kriegsfilm lnglourious Basterds' (2009) und Christian Krachts Alternate History-Roman "Ich werde hier sein im Sonnenschtin und im Schatten" (2008). Es soll dabei gezeigt werden, dass die Auseinandersetzung mit Sprachalternativen in den genannten Werken zur Genrereflexion der Alternate History selbst beiträgt und dabei zugleich eine politische Dimension entfaltet: Mehrsprachigkeit erfüllt bei Tarantino und Kracht eine ideologiekritische Funktion, insofern sie dazu beiträgt, die politische Problematik eines starren Alternativendenkens herauszustellen. Am Schluss des Artikels wird für eine stärkere Berücksichtigung möglicher Verbindungen zwischen Fiktionstheorie und literarischer Mehrsprachigkeit in der Forschung plädiert.
1P olitischer Realismus versus fantastischer Eskapismus? ¹ Als Swetlana Alexijewitsch im Oktober2... more 1P olitischer Realismus versus fantastischer Eskapismus? ¹ Als Swetlana Alexijewitsch im Oktober2 015 der Nobelpreis für Literatur zuerkannt wurde, mischte sich in die freudigenS timmend erer,die hier eine zeitgenössische Manifestation der allzu oft totgesagten politischen Literatur zurecht nobilitierts ahen,ein Misston: Die Zeit-Literaturkritikerin Iris Radisch zollted en dokumentarischen Arbeiten Alexijewitschs über das Ende der Sowjetunion zwar Respekt, wollte ihnen einen Status als genuin literarische Werke aber nicht zugestehen: Zu wenigä sthetisch überformt seien Alexijewitschs Texte, zu unmittelbar sei hier dasdokumentarische Material wiedergegeben.² RadischsVorbehalt gegenüber Alexijewitschs Werk ließe sich zuspitzen zu der These: zu viel Realismus, ergo:k eine richtigeK unst. Aufgerufen wird damitdas alteProblemverhältnis vonP olitik, Literatur und Fiktionalisierung -im Sinne der freien Formungsmöglichkeiten künstlerischer Medien -,eine spannungsreiche Trias, ausd er bei gleich welcherP aarung stets einer der drei Begriffe auszuscheren scheint.Wird politisch relevante Literatur verfasst -wie man es im Falle vonA lexijewitschs Texten gewiss behaupten kann -,s od rohen die freien Möglichkeiten literarischer Fiktionalisierung verlorenzugehen, also die Möglichkeiten zu einerv on der empirischen Realität unbeschränkten literarischenErfindungund Formung;³ beruft sich Literatur hingegen Die in diesem Aufsatz präsentierten Überlegungens tehen im Kontext meines Dissertationsprojekts zur Theorie,Ä sthetik und Politik der Kontrafaktik in der deutschsprachigenG egenwartsliteratur (Christian Kracht,K athrin Röggla, Juli Zeh, Leif Randt). Iris Radisch: Plötzlich ist jeder Text ein Kunstwerk. Wasi st falsch an der Vergabe des dies-jährigenLiteraturnobelpreises?In: Die Zeit (15.Oktober 2015). Exemplarisch sei hier eine Aussage Marcel Reich-Ranickis zur engagierten Literatur im Literarischen Quartett vom15. Mai 1990 angeführt: "Wenn Ihnen ernsthaft an der politischenWirkung der Literatur gelegen ist,müssen Sie eine Literatur fordern und erwarten, die verständlich ist für eine möglichst große Zahlvon Menschen.Wenn sie für eine Masse der Leser verständlich sein soll, https://doi.
Der Künstler ist nicht jemand, der die Welt transkribiert -er ist ihr Rivale.« André Malraux 1 Wi... more Der Künstler ist nicht jemand, der die Welt transkribiert -er ist ihr Rivale.« André Malraux 1 Will man versuchen, das Werk Kathrin Rögglas im Ganzen zu charakterisieren, so wird man auf die Begriffe ›politisches Schreiben‹ und ›Dokumen-tarismus‹ kaum verzichten können. Dabei besteht bei Röggla zwischen diesen beiden Begriffen eine enge Verbindung: Speziell mit ihren dokumentarischen oder quasi-dokumentarischen Arbeiten, beginnend mit really ground zero, hat sich Röggla in den letzten 15 Jahren als eine der bedeutendsten Stimmen der deutschsprachigen politischen Gegenwartsliteratur etabliert. Um allerdings nicht allein bei dem empirischen Befund stehenzubleiben, dass Rögglas Texte von Leser_innen, Feuilleton und Literaturwissenschaft faktisch als politische Texte rezipiert werden und die Autorin selbst gernund oft gesehener Gast bei Podiumsdiskussionen und Tagungen zur politischen Literatur ist, muss auch auf konzeptioneller Ebene die Frage gestellt werden, was ›politische Literatur‹ überhaupt bedeuten kann. Dieser Frage mit Blick auf Rögglas Werk nachzugehen, ist das Anliegen des vorliegenden Beitrags. Dabei wird besonders Rögglas Dokumentarismus in den Blick genommen, da sich hieran, wie zu zeigen sein wird, das spannungsreiche Verhältnis von Fakt, Fiktion und Politik in besonders erhellender Weise erläutern lässt. Anhand einer Diskussion des Dokumentarismus lässt sich, so meine These, Rögglas Konzeption und ästhetische Praxis politischen Schreibens in Verbindung setzen zu einer bestimmten Konzeption des Realismus, die sich gleichwohl deutlich vom tendenziell mimetisch-abbildenden Realismus der ›engagierten Literatur‹ und dessen explizitem Moralismus unterscheidet.
Zusammenfassung: Der Artikel arbeitet Nietzsches Perspektivismusverständnis am Beispiel der Metap... more Zusammenfassung: Der Artikel arbeitet Nietzsches Perspektivismusverständnis am Beispiel der Metaphysikkritik in Menschliches, Allzumenschliches heraus. Nietzsche unterzieht das aufklärerische, anti-metaphysische Projekt des Werkes selbst wieder einer immanenten Kritik, wobei er sich einerseits expliziter Argumente, andererseits formaler und ästhetischer Verfahren der Relativierung bedient. Die scheinbar wider-sprüchlichen Tendenzen des Werkes lassen sich durch die Konzeption eines dynami-schen Perspektivismus vermitteln. In Abgrenzung zu Tendenzen der neueren Nietz-scheforschung wird jedoch eine Lesart des Perspektivismus vorgeschlagen, die nicht auf umfassende Subversion und vollkommenen Relativismus hinausläuft, sondern in der die Gültigkeit der jeweiligen Einzelperspektiven gewahrt bleibt.
Abstract: This article outlines Nietzsche's understanding of perspectivism by discussing the critique of metaphysics in Human, All Too Human. In this work, Nietzsche carries out an intrinsic critique of his own enlightened, anti-metaphysical project by drawing both on explicit claims and on formal and aesthetic techniques of relativi-sation. The concept of dynamic perspectivism can serve as a mediator between these seemingly contradictory tendencies within the work. In contrast to certain tendencies in more recent Nietzsche studies however, this article suggest a reading of perspectiv-ism that does not ensue total subversion or complete relativism but seeks to maintain the validity of individual perspectives.
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Abstract: This article outlines Nietzsche's understanding of perspectivism by discussing the critique of metaphysics in Human, All Too Human. In this work, Nietzsche carries out an intrinsic critique of his own enlightened, anti-metaphysical project by drawing both on explicit claims and on formal and aesthetic techniques of relativi-sation. The concept of dynamic perspectivism can serve as a mediator between these seemingly contradictory tendencies within the work. In contrast to certain tendencies in more recent Nietzsche studies however, this article suggest a reading of perspectiv-ism that does not ensue total subversion or complete relativism but seeks to maintain the validity of individual perspectives.
Abstract: This article outlines Nietzsche's understanding of perspectivism by discussing the critique of metaphysics in Human, All Too Human. In this work, Nietzsche carries out an intrinsic critique of his own enlightened, anti-metaphysical project by drawing both on explicit claims and on formal and aesthetic techniques of relativi-sation. The concept of dynamic perspectivism can serve as a mediator between these seemingly contradictory tendencies within the work. In contrast to certain tendencies in more recent Nietzsche studies however, this article suggest a reading of perspectiv-ism that does not ensue total subversion or complete relativism but seeks to maintain the validity of individual perspectives.
In the introductory essay to his edition of the works of J.M.R. Lenz from 1828 – a text published again in 1848 under the title ‘Goethe und seine Zeit’ – Ludwig Tieck explores the significance of Goethe and his work for German literature and culture. This essay, the most extensive in Tieck’s œuvre, consists of conversations among a group of friends and employs various literary forms. The present article analyses the extent to which the early-romantic demand for an anti-normative and liberal-pluralistic mode of literary comment is explicitly expressed in the essay and also imminently reflected in its formal structure. Understood in this light, Tieck’s text exemplifies an intentionally poetic form of literary criticism. It is then evaluated within the larger context of Tieck’s general reflections on literature and criticism.
Realitätsf(r)iktionen. Kathrin Rögglas Poetik eines neuen Realismus
Haus Villigst, Schwerte
Winterpromovierendentreffen 2017 des Evangelischen Studienwerks Villigst, Thema: „Rebellion“
Freie Universität Berlin
Aus den Schubladen. Studentische Beiträge zur deutschen Philologie