ZF Wirtschaftsgeographie

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Wirtschaftsgeographie

Wirtschaftsgeographie

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Wirtschaftsgeographie Die Wirtschaftsgeographie untersucht die rumliche Ordnung und die rumliche Organisation der Wirtschaft sowie die Wechselbeziehungen zwischen dem wirtschaftenden Menschen und den bewirtschafteten Rumen.

1. Bedrfnisse und Ressourcen


1.1 Bedrfnisse, Konsumwnsche und Konsumgter Aus den Bedrfnissen des Menschen (Nahrungsmittel, Kleidung, Versicherung, Gesundheit, Zugehrigkeit, Achtung) ergeben sich Konsumwnsche, die wir mit Konsumgtern befriedigen wollen. Konsumgter sind Waren und Dienstleistungen mit denen wir unsere Konsumwnsche erfllen. Die Konsumwnsche des Menschen sind unabsehbar, stndig haben wir neue Konsumwnsche. 1.2 Die vier Produktionsfaktoren die konomische Perspektive Produktionsfaktoren dienen der Produktion von Konsumgtern. Es sind Mittel (Input) zur Herstellung von Waren und Dienstleistungen (Output). Knappheit: Produktionsfaktoren sind knapp, weil unsere Konsumwnsche unabsehbar sind. Knapp ist nicht dasselbe wie begrenzt. Von begrenzten Sachen gibt es nur eine bestimmte Anzahl whrend knappe Sachen verglichen mit unseren Wnschen nicht ausreichend sind. o 1. Arbeitskraft Arbeitskraft ist jede an Bedrfnisbefriedigung und berwindung der Knappheit orientierte Ttigkeit des Menschen. Zum Produktionsfaktor Arbeitskraft gehrt auch das Wissen (Know-How). o 2. Kapitalgter (Investitionsgter) Kapitalgter sind Waren und Dienstleistungen, die hergestellt werden, um weitere Gter zu produzieren. Den Aufbau neuer Kapitalgter nennt man Investition. Durch den Staat geschaffene Investitionsgter nennt man Infrastruktur (Grundeinrichtungen). Materielle Infrastruktur (Verkehrswesen, Bildungs- und Gesundheitswesen) Personelle Infrastruktur (Produktionsfaktor Arbeit) Institutionelle Infrastruktur (Rechts-, Wirtschafts- und Steuersystem) o 3. Boden Alle von der Natur bereitgestellten Produktionsfaktoren (Erde, Ozeane, Luft). Der wirtschaftliche Wert einer Flche hngt vom Klima, der Beschaffenheit des Untergrundes (Topografie, Bodenqualitt) und von der Entfernung zu anderen Orten ab. Nutzungskonflikte: Raumplanung ermglicht eine haushlterische Nutzung des Bodens (Siedlung, Wirtschaft, Landwirtschaft oder Erholungsgebiet) Boden ist nicht vermehrbar. Besonders in der Schweiz ist er knapp. o 4. Umweltgter Wasser, Luft, biologische Vielfalt Unterschied zum Boden: fehlende Eigentumsrechte schlechte Pflege Aus diesen freien Gtern werden immer mehr knappe Gter. ( Umweltabgaben) 1.3 Rohstoffe die geografische Perspektive Die Produktionsfaktoren Boden und die Umweltgter sind die Quelle aller Rohstoffe. Rohstoffe dienen der Herstellung von Gebrauchsgegenstnden. Gebrauchsgegenstnde: Erdl, Kohle und Nichtenergietrger Erze, Metalle) o Bodenschtze (Energietrger o Tierische und pflanzliche Ausgangsmaterialien (Fette und Baumwolle) Einteilung der Rohstoffe: o 1. Stocks (Vorrte) Gesamtheit aller Materialkomponenten der Natur (Masse, Energie, belebte und unbelebte Materie) o 2. Ressourcen Gewisse Stocks werden durch menschliche Inwertsetzung zu Ressourcen und dienen der Bedrfnisbefriedigung. Die Auswahl der Stocks ist abhngig von der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. (Steinzeit Feuersteinvorkommen; Neuzeit Erdl und Erdgas) o 3. Reserven Die Reserven sind die Ressourcen, die nachgewiesen und derzeit technisch und wirtschaftlich nutzbar sind. 1

Gesamte Ressourcen nachgewiesen unentdeckt Reserven konomisch (hohe Wirtschaftlichkeit) (nachgewiesen und technisch sowie wirtschaftlich nutzbar) subkonomisch bekannte Lagersttten hypothetisch (nicht (derzeit nicht nachgewiesen) (niedrige Wirtschaftlichkeit) wirtschaftlich gewinnbar) 1. Erneuerbare (regenerierbare) Ressourcen o Erneuerbare Ressourcen ersetzen sich durch natrliche Prozesse innerhalb von Menschen absehbaren Zeitrumen. o Wichtige Rolle bei der menschlichen Ernhrung. Um die langfristige Versorgung zu gewhrleisten mssen die Ressourcen nachhaltig genutzt werden. o a) Direkte Sonnenenergie (elektrische Energie, Sonnenkollektoren) b) Indirekte Sonnenenergie (Wind, Gezeiten, Wasserkraft, Holz, Tiere, Pflanzen, Wasser und Luft) c) Geothermale Energie (Erdwrme, Magmastrme im Erdinnern) 2. Nicht erneuerbare Ressourcen (Bestandesressourcen) o Rohstoffe, fr deren Bildung spezielle geologische und viel, viel Zeit bentigt wird. o a) Ressource wird verbraucht oder verndert (Minerall) b) Ressource recyklierbar (Eisen, Kupfer und Aluminium) o Hohe Preise fr nicht erneuerbare Ressourcen verhindern, dass die Ressourcen zu schnell zu Ende gehen. Schweiz o Keine abbauwrdigen Bodenschtze (Importzwang) o Menschliche Ressource: gutes Bildungswesen und hochqualifizierte Arbeitskrfte Wirtschaftliche Grundfragen o Die Gegenberstellung unserer Konsumwnsche mit den grundstzlich knappen Ressourcen stellt uns immer wieder vor die gleichen Grundfragen: Was soll mit den knappen Ressourcen produziert werden? (mehr Strom, mehr Alpintourismus oder mehr Naturschutzgebiete?) Wie sollen die Konsumgter produziert werden? (verschiedene Kombinationen von Produktionsfaktoren mglich) Fr wen sollen sie produziert werden? Wo soll mit den knappen Produktionsfaktoren was, wie und fr wen produziert werden? (In der Wirtschaftsgeographie ist die Frage nach der rumlichen Ordnung wichtig.)

2. Der optimale Standort Raum und Wirtschaft


Die Frage nach dem Standort ist eine der zentralen Fragen der Wirtschaftsgeographie. 2.1 Standortfaktoren Standortfaktor Die naturgegebenen Bedingungen Arbeitskrftepotenzial Abgaben und Steuern Herrschende Gesetze Grundstckpreise Transportmglichkeiten Absatzmglichkeiten Agglomerationsvorteile

Erluterung Klima, Wassermenge, -qualitt, Rohstoffe Zahl und Qualitt vorhandener Arbeitskrfte Unterschiedliche Steuerstze der Gemeinden; Steuervergnstigungen Vorschriften zur Betreibung eines Gewerbes knnen rumlich stark variieren Grundstckpreise sind in stdtischen Rumen hher als auf dem Land Strassen, Eisenbahn, Wasserstrassen, Flugverbindungen Zahl und Finanzkraft potenzieller Kunden Nhe von Zuliefer- bzw. weiterverarbeitenden Betrieben

Fragen des Unternehmens an mgliche Standorte Sind die bentigten Rohstoffe erhltlich? Wohnen in der Umgebung gengend qualifizierte Arbeitskrfte? Kommen uns gewissen Gemeinden entgegen und schaffen gnstige Steuerbedingungen? Sind die Umweltauflagen von uns einhaltbar oder erfordern sie zustzliche finanzielle Aufwendungen? Welche Standorte wollen wir uns berhaupt leisten? Auf welche Weise und wie schnell kommen Mitarbeiter, Kunden und Geschftspartner zum neuen Standort? Erreichen wir am neuen Standort gengend zahlungskrftige Kunden? Ergeben sich fr uns Vorteile durch die Nhe anderer Unternehmen?

Quantifizierb arkeit subjektiver Einschtzungen (in Zah len ausdr ckbar?)

Schlecht

Image als Wirtschaftsfaktor Unternehmensfreundlichkeit der Verwaltung

Mentalitt der Bevlkerung Soziales Klima

WEICHE FAKTOREN Verwaltungshandeln (flexibel, schnell) Freizweitwert

Verkehrsanbindung

HARTE FAKTOREN Steuer/Abgaben/Subventionen Flchenverfgbarkeit

Verfgbarkeit qualifizierter Arbeitnehmer

Stadtbild/Attraktivitt der Innenstadt berufliche AusbildungsWohnwert einrichtungen Kulturangebot Schulen

regionaler Absatzmarkt

Gut

Nhe zu Lieferanten

Forschungseinrichtungen / Wissenstransfer

Direkt

Relevanz fr Unternehmensttigkeit

Indirekt

Die Schweiz ist bei den weichen Faktoren sehr stark. o grosse Anzahl von Computerexperten o geographisch ideale Lage in Europa o Hohe Lebensqualitt o Investitionsfreundliches Klima o Unkomplizierte Strukturen zur Beantragung von Visa Nicht fr eine Standortwahl in der Schweiz sind gemss einer Studie der ETH: o Nichtmitgliedschaft der Schweiz in de EU o Hohe Personalkosten o Steuerbelastung 3

Perspektiven o Einzelwirtschaftliche Modelle versuchen den optimalen Standort einer einzelnen Unternehmung zu bestimmen. Die Frage nach dem besten Standort stellt sich einem Unternehmen in mehreren rumlichen Massstben: von der lokalen (z.B. Arzt), ber die regionale (z.B. Denner) und nationale (z.B. Flughafen) bis hin zur internationalen Ebene. o Gesamtwirtschaftliche Modelle versuchen zu erklren, wie sich aus dem Zusammenwirken aller wirtschaftlichen Aktivitten bestimmte Raumstrukturen herausbilden. Die Gesamtheit der Standortentscheide vieler Unternehmen fhrt zur rumlichen Struktur des Wirtschaftsraums. Bei rohstoffverarbeitenden Betrieben der Industrie ist die Standortfrage sehr wichtig. Es dreht sich alles um die Minimierung der Transportkosten. 2.2 Agglomerationseffekte wirtschaftliche Wechselbeziehungen im Raum Agglomeration bedeutet, die rumliche Konzentration zweier Betriebe mit gleichen Produkten. o Negative Agglomerationseffekte Ein Bcker platziert seine neue Bckerei neben einem anderen Bcker. Agglomerationsvorteile wirken dezentralisierend. o Positive Agglomerationseffekte Ein Bcker platziert seine neue Bckerei neben einem Metzger. Bildung eines Lebensmittelzentrums. Interne Ersparnisse liegen vor, wenn eine Unternehmung ihre Stckkosten senken kann, indem sie die Produktionskapazitt erweitert. Im Fall der sinkenden Stckkosten durch grosse Stckzahlen eines Produktes spricht man auch von Skaleneffektiven. Externe Ersparnisse (Fhlungsvorteile, Agglomerationsvorteile) sind Ersparnisse, die nicht das Ergebnis der inneren Organisation und Produktionsweise des Betriebes sind. Lokalisationsvorteile ergeben sich durch die rumliche Anhufung mehrerer Betriebe derselben Branche. Bei einem Bcker aber wrde der Nachteil der Konkurrenz berwiegen, bei anderen Betrieben kann diese Anhufung jedoch Sinn machen. Zuliefer- und Servicebetriebe knnen sich auch dort ansiedeln. o Grosser gemeinsamer Arbeitsmarkt als Folge der rumlichen Konzentration (Facharbeiter, Ausbildungsmglichkeiten) o Vorhandene Zulieferbetriebe, Reparaturbetriebe oder Dienstleistungsunternehmen o die rtliche Anwesenheit von Beratungsinstitutionen und Forschungseinrichtungen Urbanisationsvorteile entstehen durch die rumliche Konzentration mehrerer Betriebe verschiedener Branchen an demselben Ort (Ballungsraum). o ausgebautes Verkehrsnetz und ffentliche Versorgungsbetriebe o Serviceleistungen der Stdte und Gemeinden o die Mglichkeit der Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen Bei einem gewissen Grad der rumlichen Konzentration fhrt eine weitere Verdichtung zu Agglomerationsnachteilen (Bodenverknappung, Luftverschmutzung) Agglomerationsvorteile wirken zentralisierend. 2.3 Die Thnenschen Ringe (1826) Modellannahmen Das Thnensche Kreismodell geht von den folgenden, stark einschrnkenden Modellannahmen aus: o Wirtschaftsraum ist nach aussen abgeschlossen und hat einen zentralen Marktort o Wirtschaftsraum hat keine innere Differenzierung (Topographie, Fruchtbarkeit, Verkehrsanbindung) o Stadt wird durch die Bauern mit Erzeugnissen versorgt o Die Transportkosten der Bauern sind abhngig von der Entfernung zum Markt und vom Gewicht der Produkte o Bauern verhalten sich profitmaximierend Das Thnensche Kreismodell erklrt Art und Intensitt der landwirtschaftlichen Bodennutzung in Abhngigkeit von den Transportkosten zum Absatzmarkt. 4

Die Lagerrente (Rente, Ertrag der Lage) lsst sich fr ein gegebenes Gut und eine gegebene Flche mit einer Gleichung beschreiben: R = E (p k) (E d t) 2 R = Lagerrente je Flcheneinheit Fr./km 2 E = Anbauertrag pro Flcheneinheit t pro km p = Marktpreis des Produkts Fr./t k = Erzeugungskosten der Feldfrucht Fr./t d = Entfernung vom Markt km t = Transportkostentarif in Fr./t km Beispiel o Da durch die Modellannahmen die Anbau gren ze Produktionskosten fr Kartoffeln im ganzen Wirtschaftsraum gleich gross Ma rktpreis = E p sind, entscheidet nur die Distanz d zum Marktort, wie viel der Bauer fr - Produktio nsk osten= E k die Kartoffeln seiner Parzellen lsen kann. o Je nher beim Markt die Kartoffeln angebaut werden, desto mehr kann der Bauer dafr lsen. - Transport kosten = E d t La gerrente o Die Lagerrente ergibt sich aus dem Marktpreis abzglich der fixen Produktionskosten und den variablen d = Distanz zum Marktort (Km) Transportkosten. Zonierung bei mehreren Produkten o Falls nicht nur Kartoffeln, sondern auch Gemse und Vieh produziert wird, ndert sich die Situation. Gemse ergeben betrchtlichen Transportaufwand, da Gemse ein schweres Gut ist. Mit steigender Distanz zum Marktort steigen die Transportkosten sehr schnell an. Gemse hat deshalb eine steile Gerade fr die Lagerrente. Viehprodukte sind hingegen sehr leicht, da sie sich stark veredeln lassen. Die Viehwirtschaft ist somit weniger empfindlich auf steigende Transportkosten und kann weit weg vom Marktort betrieben werden. Die intensive (Gemse) verdrngt die extensive (Vieh) Nutzung in der Peripherie (Nhe des Marktortes). o Sobald die Gerade der Lagerrente eines Gutes unter die nchstflachere taucht, wechselt der Anbau. So entstehen konzentrische Zonen abnehmender landwirtschaftlicher Intensitt. Distanz zum Marktort Gemseanbau Nutzholz Intensiver Ackerbau Weidewirtschaft Dreifelderwirtschaft Extensive Viehhaltung Brache o Der Bauer whlt dasjenige Gut aus, das bei gegebener Distanz zum Markt am meisten Profit abwirft. Jedes Gut findet so seine optimale Distanz zum Marktort, die Thnenschen Ringe entstehen. Es sind dies Zonen abgestufter landwirtschaftlicher Intensitt, die sich in konzentrischen Ringen um den Absatzort herum bilden.
Kosten/Ertrag
Ring 7: Brache Ring 6: Extensive Viehhaltung Ring 5: Dreifelderwirtschaft Ring 4: Weidewirtschaft Ring 3: Intensiver Akcerbau Ring 2: Nutzholz Ring 1: Gemseanbau Ring 0: Wohnen/Industrie

Durchbricht ein schiffbarer Fluss die Einfrmigkeit des Raums, verformen sich die Zonen durch die Einsparung von Transportkosten der Schifffahrt.

Kritik / Relevanz o In der heutigen Landwirtschaft spielt die Transportdistanz zum Marktort nicht mehr dieselbe Rolle wie zu Thnens Zeiten. o Ungeachtet dessen hat Thnen einen grundlegenden Zusammenhang zwischen der Intensitt landwirtschaftlicher Nutzung und der Raumordnung aufgedeckt. Extensiv genutzte Flchen wie Wiesen etc. sind eher randlich angeordnet, die intensiv genutzten Flchen wie Gartenland eher zentral innerhalb des Stadt- oder Dorfumlandes. Abgeleitete Modelle o Das Modell von Thnen fhrte zur Erarbeitung von stdtischen Standort-, Bodenpreis- und Landnutzungsmodellen. Mit neuen Variabeln (Produktions-, Transport- und Bodenkosten) die alle von der Entfernung zum zentralen Markt und der Betriebsgrsse abhngen kann der gewinnmaximale Standort bestimmt werden. 5

Der Umsatz sinkt mit der Entfernung zum Kunden. Gleichzeitig steigen aber mit wachsender Entfernung zum Zentrum die Transportkosten. Die Transportkosten werden aber durch die nach aussen fallenden Bodenpreise kompensiert. o Die Bodenpreise sind ein guter Indikator fr die Bewertung des Raums in Stdten. Fr die Nutzung des stdtischen Raums gilt das Gleiche wie fr die Landwirtschaft: Je zentraler, desto teurer und desto intensiver die Nutzung. bersicht des Modells von Thnen Annahmen und RahmenEin zentraler Marktort in isoliertem, homogenem bedingungen Wirtschaftsraum. Transportkosten abhngig von Distanz und Gewicht. Grundidee Kreismodell, mit Ringen verschiedener Landnutzungen um einen zentralen Marktort. Kritik Modellannahmen oft zu unrealistisch fr komplexe Wirklichkeit. Bedeutungsverlust der Transportkosten. Wirtschaftsgeografische Intensittsregel: In zentralen Rumen sind intensive Erkenntnis Raumnutzungen im Vorteil, peripher sind es die extensiven. Anwendung: Weshalb verschwindet die Wohnnutzung in der Innenstadt? Die Wohnnutzung ist in vielen Innenstdten einfach zu wenig rentabel. Die Bodenpreise sind im Zentrum derart hoch, dass die Wohnnutzung durch Nutzungen mit hherer Wertschpfung verdrngt wird. Arzt- und Anwaltspraxen lsen Wohnungen ab. o 2.4 Die Standorttheorie von Weber (1909) Das Thnensche Modell ergibt sich aus den Entscheidungen vieler Betriebe und behandelt damit die gesamtwirtschaftliche Standortwahl. Die Standorttheorie von Weber befasst sich mit der einzelbetrieblichen Standortwahl. Modellannahmen o Im Wirtschaftsraum gibt es Fundorte fr Rohmaterialien und Konsumorte. o Transportkosten von Rohstoffen und Produkten sind einzig abhngig vom Gewicht und der Transportdistanz. o Wie Thnen geht auch Weber von einem gleichfrmigen Wirtschaftsraum ohne besondere Differenzierung aus. Transportkostenminimalpunkt o Die industrielle Standortwahl nach Weber wird mit nur drei Standortfaktoren erklrt: Transportkosten Kosten fr Arbeitskrfte Agglomerationseffekte o Zuerst muss der Transportkostenminimalpunkt P bestimmt werden. P ist der Ort im Wirtschaftsraum, an dem fr die Unternehmung die kleinsten Transportkosten entstehen. Anschliessend kann sich der Produktionsort von P wegverschieben, wenn im Rahmen der Verschiebung Einsparungen bei den Arbeitskosten oder Agglomerationsvorteile einsetzen, welche die erhhten Transportkosten bersteigen. Rohstoff- oder Konsumorientiert o Der Wirtschaftsraum von Weber bildet ein Dreieck mit zwei (oder mehr) Fundorten (M1 bis Mx) von Rohstoffen (Materialien) und der Konsumort (K). Ein Standort nahe den Fundorten nennt Weber rohstofforientiert, einen nahe am Konsumort konsumorientiert. o Transportkosten fallen sowohl beim Anliefern der Rohstoffe als auch die der Auslieferung der Produkte zum Konsumort an. Ubiquitten (berall) sind berall in unbeschrnkter Menge vorhandene Materialien wie z.B. Luft, Elektrizitt oder Wasser. Lokalisierte Materialien sind an bestimmte Fundorte gebunden: Reingewichtsmaterialien (pure) gehen mit dem ganzen Gewicht in das Endprodukt ein. (z.B. Mineralwasser, Zink, Sand, Diamanten) Gewichtsverlustmaterialien (crude) gehen gewichtsmssig nicht (z.B. Heizl oder Kohle) oder nur teilweise in das Fertigerzeugnis ein (z.B. Erze, Eisen, l, Gas). Einflussfaktor 1: Rohstoffe o Fr die Bestimmung von P spielt es eine zentrale Rolle, ob die Produktion einer Unternehmung Ubiquitten oder lokalisierte Materialien bentigt, denn bei hohen Gewichten sind die Transportkosten besonders gross. Ein Produktionsbetrieb mit hohem Eingangsgewicht an lokalisierten Materialien und tiefem Produktgewicht siedelt sich deshalb nahe am Fundort der lokalisierten Materialien an. Ein Unternehmen, dass Ubiquitten verwenden kann, wird seinen Standort nahe des Konsumortes whlen, um unntige Transportkosten zu vermeiden. 6

Einflussfaktor 2: Gewichtsverlust o Industrien mit Verarbeitungsverfahren, die einen hohen Gewichtsverlust mit sich bringen, treffen ihre Standortwahl eher rohstofforientiert. o Industrien deren Enderzeugnisse im Verhltnis zu den Rohmaterialien sehr schwer sind, zeigen sich eher konsumorientiert in der Wahl des Standortes. Beispiel: Bestimmung des Transportkostenminimalpunktes P o Eine Unternehmung braucht fr die Erstellung ihres M1 40t Produkts die beiden Reingewichtsmaterialen der Fundorte M1 und M2. o Bei zwei Reingewichtsmaterialien liegt der Transportkostenminimalpunkt immer am Konsumort K. Jede Abweichung vom Konsumort bedingt einen M2 60 t K 100t 50 km Anstieg der Transportkosten, weil unntig viel Material als Produkt verschoben wird. Liegt der Produktionsort am Konsumort (P = k) so gilt: 40 t 40 km + 60 t 50 km = 4600 tkm Liegt der Produktionsort beim Fundort M1 (P = M1) so gilt: 60 t 30 km + 100 t 40 km = 5'800 tkm Auch beim Fundort M2 als Produktionsort sind die Transportkosten hher(P = M2): 40 t 30 km + 100 t 50 km = 6'200 tkm o Variante: Anstelle von Reingewichtsmaterialien treten nun zwei Gewichtsverlustmaterialien. In diesem Fall liegt P im Dreieck zwischen K, M1 und M2. Bei mehreren Materialien mit Gewichtsverlust liegt P zwischen diesen Materialen und zwar nher an jenen Materialien mit dem meisten Gewicht. Kritik o Nur 3 Standortfaktoren (Verkehrsmittel ausgeschlossen) o Weber vernachlssigt jeden Einfluss der Konkurrenz oder des dynamischen Marktes o Die Transportkosten sind in der globalisierten Welt nicht mehr so gewichtig.
30

km

km

bersicht des Modells von Weber Annahmen und RahmenEinfrmiger Wirtschaftsraum mit gegebener Verteilung der bedingungen Rohstoff-Fundorte und einem Konsumort. Grundidee Der Standort der industriellen Produktion orientiert sich in erster Linie am Transportkostenminimalpunkt P. Kritik Dynamik des Marktes und Konkurrenz unbercksichtigt, Transportkosten nicht nur Funktion von Gewicht und Transportdistanz. Wirtschaftsgeografische Numerische Modelle knnen zur Erklrung der rumlichen Erkenntnis Struktur des Wirtschaftsraums beigezogen werden.

Ubiquitt Lokalisierte Reingewichstmaterial Materialien Reingewichstmaterial


RM2 RM1 RM1+2

P Transportkostenmi nimalpunkt

Lokalisierte Materialien Gewichtsverlustmaterial


RM2

Ubiquitt Gewichtsverlustmaterial
RM1+2

RM1

40

Fr die folgenden Unternehmen, welche sind die 3 wichtigsten Standortfaktoren o Stahlwerk Nhe zur Stahlquelle Energiequelle Billige Arbeitskrfte o Mobiltelefonproduzent Qualifizierte Arbeitskrfte Forschungsinfrastruktur Zulieferer bzw. Zulieferertransportkapazitt o Lederhersteller tiefe Lohnkosten Vieh Umweltauflagen

3. Regelhaftigkeiten der Raumstruktur


Ungnstige Standortentscheidungen werden mit der Zeit korrigiert, die Unternehmen machen Konkurs und verschwinden von der Landkarte. o Ist eine funktionierende Wirtschaft mit bestimmten Raumstrukturen verbunden? o Bilden sich die Prinzipien des Markts in einer Ordnung des Raums ab? 3.1 Hierarchie von Wirtschaftsrumen Ranggrssen-Regel o Zunchst sind die Stdte der Grsse der Einwohnerzahlen nach zu ordnen. Daraus ergibt sich eine Rangliste der Stdte, die r-grsste Stadt erhlt den r-ten Rang. o Pr ist die Einwohnerzahl der r-grssten Stadt. Pr ist der r-te Bruchteil der Einwohner der grssten Stadt (P1). Also: Die zweitgrsste Stadt hat nur halb so viele Einwohner wie die erste Stadt, die drittgrsste nur einen Drittel usw. Pr = P1 P1 = Einwohner Stadt 1 r r = Rang
Bevlkerung (1000)
100 100

Bevlkerung (1000) Logarithmische Skala

50

10

0 1 5 10 20 Rang

0 100 10 Rang logarithmische Skala

Ranggrssen-Ordnung der zehn grssten Agglomerationen der Schweiz % von 1. Rang (erwartet nach Ranggrssen-Regel) 1 Zrich 943400 100.0 100.0 2 Genf 457500 48.5 50.0 3 Basel 401600 42.5 33.3 4 Bern 319100 33.8 25.0 5 Lausanne 288100 30.5 20.0 6 Luzern 181400 19.2 16.7 7 St. Gallen 132500 15.0 14.3 8 Winterthur 119700 12.7 12.5 9 Lugano 115800 12.3 11.1 10 Thun 88400 9.4 10.0 Die Schweiz ist ein gutes Beispiel fr eine Ranggrssen-Ordnung. Nicht immer trifft aber die Ranggrssenordnung zu wie im Falle der Schweiz. So berragt z.B. die franzsische Hauptstadt Paris die nchstkleinere Stadt um mehr als das Siebenfache. Frankreis ist ein typisches Beispiel fr eine Primatverteilung. Die Hauptstadt berragt alles. In Australien stehen einige mittelgrosse Stdte an der Spitze, gefolgt von einer Flut kleiner und sehr kleiner Stdte. Dies nennt man binre Verteilung. Primat- und binre Verteilung haben in der logarithmischen Darstellung sehr charakteristische Kurven:
Bevlkerung (in % vom 1. Rang) Logarithmische Skala

Rang

Agglomeration

Bevlkerung (1999)

% von 1. Rang

100 50 40 30 20 10 0 Frankreich 1 2 5 Rang logarithmische Skala 10 Schweiz

Bevlkerung (10 00) Logarithmische Skala

n Bi r

R G gan r en ss

Rang logarithmische Skala

i Pr ma t

Ursachen Grosse Stdte mit einer langen Geschichte der Urbanisierung und entsprechend komplizierten Stdtesystemen (USA, Indien) neigen eher zu einer Verteilung nach der Ranggrssen-Regel. Kleinere Staaten mit relativ junger Urbanisierung und entsprechend einfachen wirtschaftlichen und politischen Strukturen neigen eher zu einer Primatverteilung. Mglich ist auch eine Erklrung mit der Kolonialzeit: Viele frhere Weltzentren des Kolonialsystems konnten aus ihrer Fhrungsrolle dermassen Kapital schlagen, dass sie noch heute alle anderen Stdte ihrer Lnder berragen. Zu dieser Gruppe gehren sicher Paris und London.

3.2 Rumliche Ordnung nach Christaller Zentralitt o Eine Stadt versorgt nicht nur seine Einwohner, sondern auch die des Umfelds. Die Stadt erreicht dadurch einen Bedeutungsberschuss gegenber dem Umland, den man Zentralitt nennt. Zentrale Orte (nach Christaller) o Zentrale Orte sind Siedlungen (grosse Stdte), die ber die Nachfrage ihrer eigenen Bevlkerung Waren und Dienstleistungen fr Kunden des Umlands anbieten. Je mehr Waren und Dienstleistungen ein Ort anbietet, desto hher ist seine Zentralitt. o Bestimmung der Zentralitt Zur Bestimmung der Zentralitt setzte Christaller die Anzahl Telefonanschlsse in Beziehung zur Bevlkerungszahl. Je mehr Telefonanschlsse pro Einwohner, desto hher die Geschftsttigkeit einer Siedlung und desto hher die Zentralitt. Modellannahmen o Der Wirtschaftsraum ist unbegrenzt und Kaufkraft und Bevlkerung sind gleichmssig verteilt. o Das Verkehrsnetz ist in alle Richtungen gleichfrmig. Die Transportkosten sind nur von der Transportdistanz abhngig. o Waren und Dienstleistungen werden immer am jeweils nchstgelegenen Ort, an dem sie angeboten werden, erworben. o Die Anbieter wollen den Gewinn maximieren. o Abgrenzung zu Weber und Thnen: Der Wirtschaftsraum ist nicht mehr nur auf einzelne Punkte beschrnkt. An jedem beliebigen Ort kann ein Absatzstandort entstehen. Innere und ussere Reichweite o Innere Reichweite Damit ein Produkt rentabel verkauft werden kann, braucht es eine Mindestverkaufsmenge, eine Mindestnachfrage. Der Radius der notwendigen Flche (die Konsumenten sind gleichmssig ber den Raum verteilt) zur Deckung des minimalen Absatzes wird innere Reichweite genannt. o ussere Reichweite Maximale Distanz, die die Konsumenten auf sich nehmen, um ein Gut oder eine Dienstleistung zu erwerben. Auch die ussere Reichweite beschreibt eine Kreisflche um einen zentralen Ort. o Der Kreisradius der usseren Reichweite ist immer grsser als derjenige der inneren, ansonsten wrde das Produkt an diesem zentralen Ort gar nicht angeboten. o Waren und Dienstleistungen haben unterschiedlich grosse Reichweite Waren und Dienstleistungen tiefer und hoher Ordnung o Waren und Dienstleistungen tiefer Ordnung Fr gnstige und oft bentigte Waren des tglichen Gebrauchs ist man nur bereit sehr kurze Distanzen zurckzulegen. Diese Waren und Dienstleistungen mssen von vielen Orten geringer Zentralitt angeboten werden. Es braucht ein dichtes Versorgungsnetz. o Waren und Dienstleistungen hoher Ordnung Waren und Dienstleistungen die nur selten nachgefragt werden und fr die Konsumenten lange Fahrten und hohe Preise in Kauf nehmen. Mbel, Computer, Motorfahrzeuge, Spitalversorgung, kulturelle Veranstaltungen Solche Waren und Dienstleistungen hoher Ordnung knnen nur an sehr zentralen Orten rentabel angeboten werden. Hinterland o Jeder zentrale Ort wird umgeben von einem kreisfrmigen Hinterland. Der zentrale Ort versorgt sein Hinterland exklusiv mit bestimmten Waren und Dienstleistungen, weil nur er diese rentabel und in akzeptierbarer Einkaufsdistanz anbieten kann.

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Herausbildung sechseckiger Muster


A) .R. I.R. B) C)

Fr eine lckenlose Versorgung mssen sich die zentralen Orte gleichmssig mit mglichst geringen Abstnden im Raum anordnen. A) Wenn sich die Kreise der usseren Reichweite nur berhren, bleiben bestimmte Gebiete unversorgt. B) berlappen sich die Kreise um diesen Mangel zu beseitigen, entstehen berschneidungsgebiete, in denen die Konsumenten mal zum einen, mal zum anderen Ort einkaufen gehen knnten. C) Nach Christaller sind beide Flle unzulssig und die berschneidungsgebiete mssen genau in der Mitte geteilt werden. Es entstehen sechseckige Marktgebiete. Produkte unterschiedlich hoher Ordnung? Nehmen wir an, die drei sechseckigen Marktgebiete aus der obigen Abbildung umgeben drei regionale Unterzentren (Regionalstadt/-zentrum) und bieten nur Waren und Dienstleistungen der tiefsten Ordnung an. Sie mssen mit Produkten hherer Ordnung aus einem zentraleren Ort versorgt werden. Sie sind somit Teil des Hinterlandes eines Mittelzentrums. Auch das Mittelzentrum (Kleinstadt) kann nicht alle Waren und Dienstleistungen rentabel anbieten und ist somit im Hinterland eines Oberzentrums (Grossstadt). Die folgende Abbildung zeigt dieses Versorgungsnetz unterschiedlich hoher Ordnung:

Grosstadt Kleinstadt Regionalzentrum Einzugsbereich der Grosssta dt Einzugsbereich der Kleinstadt Einzugsbereich des Regionalzentrums

Rumliche Ordnung Die Orte mit hchster Zentralitt sind dnn gestreut und bieten alle Waren und Dienstleistungen an. Hier findet der Konsument die Bckerei, den Supermarkt und den Computerladen am selben Ort. Die Grossstadt hat ein sehr grosses Marktgebiet. Die zentralen Orte der nchsttieferen Hierarchiestufe sind viel hufiger, bieten aber eine kleinere Produktpalette an. Sie fallen, soweit mglich mit den nchsthheren Zentren zusammen. Das Einzugsgebiet einer Kleinstadt (hellgrau) umfasst drei Einzugsgebiete der nchsttieferen Ordnung (dunkelgrau): eines im Zentrum und sechsmal ein Drittel der umgebenden Regionalzentren. In der Theorie organisiert sich der rumliche Markt, bis er eine strenge rumliche Ordnung erreicht: 11

Die Orte gleicher Zentralitt sind gleichmssig ber den Raum verteilt. o Die Entfernung zwischen den Orten gleicher Zentralitt hngt ab vom jeweiligen Hinterland. o Die Zahl der zentralen Orte verdreifacht sich mit jeder Abnahme der Zentralittsstufe. Christaller berprfte seine Theorie in Sddeutschland. (Siehe Compendio Seite 43 unten) o Stark einschrnkende Modellannahmen Eine bertragung auf den heutigen Wirtschaftsraum ist nicht unbesehen mglich. Gerade die Zuwanderung von Menschen, eine Bedingung fr die Entstehung von Stdten, wird von Christaller ausgeschlossen. Ausserdem sind es just die ausgeschlossenen Prozesse der Spezialisierung oder die Agglomerationseffekte, die sich heute fr die Ausbildung wirtschaftlicher Raumordnung verantwortlich zeichnen. o Im Gegensatz zu Thnen und Weber bietet die Theorie von Christaller einen Ansatzpunkt zur Standortfrage im tertiren Sektor (Dienstleistungssektor). Anwendung von Zentralittsanalysen (Theorie von Christaller) o Die New Towns in Grossbritannien Die New Towns in GB sollten als knstliche Mittelzentren verhindern, dass sich das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben nur in den Grossstdten konzentrierte. Der ehrgeizige Versuch, die rumliche Stdtehierarchie zu gestalten, schlug zum Teil fehl: Die New Towns konnten sich nicht als Mittelzentren durchsetzen, die meisten verkamen zu Schlafstdten. o Instrument der Raumplanung Regionalplanung der Fnfziger- und Sechzigerjahre welche die Entwicklung der Schweiz in Richtung eines vernetzten Stdtesystems anstrebt, dient die Theorie der zentralen Orte als Grundlage. Dieses vernetzte Stdtesystem ist ein Vorteil fr die Schweiz und es kann Paris und Mailand entgegengehalten werden. Im Innern knnen mittlere und kleinere Zentren durch die dichte Vernetzung die Entwicklungsimpulse aus den Grossstdten aufnehmen. Aufgaben zu Christaller (Anwendungsmglichkeiten von Christallers Theorie) Erlutern Sie am Beispiel des Schweizer Schulwesen die Hierarchie der zentralen Orte? o Zentral sind die Universitten, Regional die Fachhochschulen/Gymnasien und in jedem kleineren Ort eine Schule. o Das Modell von Christaller ist durchaus anwendbar. Erklren Sie die Verteilung von McDonalds-Restaurants und Gucci-Boutiquen. o McDonalds Restaurant bieten Produkte tieferer Ordnung an. Die Konsumenten sind nicht bereit hohe Wege auf sich zu nehmen, es handelt sich um eine kleine ussere Reichweite, das Produkt wird nicht sehr zentral angeboten. Deshalb gibt es in allen grsseren Ortschaften einen McDonalds. o Gucci-Boutiquen bieten Produkte hherer Ordnung an. Die Konsumenten sind bereit hohe Wege auf sich zu nehmen, es handelt sich um eine grosse ussere Reichweite, das Produkt wird sehr zentral angeboten. Deshalb gibt es nur in ganz zentralen Stdten, wie Genf oder Zrich, solche GucciNiederlassungen. Analysieren sie das Vernetzte Stdtesystem der Schweiz (Abb. 3-7, compendio I, S. 46) unter verschiedenen Blickwinkeln o Christallers Theorie Die Theorie von Christaller lsst sich abbilden. Jedoch verzehren die Alpen die Topographie. o Bevlkerungsverteilung Tourismuszentren verflschen das Modell Umgewichtung: Grosse Orte wie Uster werden weggelassen. Innerschweizer Orte werden als Regionale Orte definiert. o Verkehrswege Verkehrswege sind falsch eingezeichnet. Kritik o o

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4. Die Einteilung der Wirtschaft in Sektoren


3 klassische Sektoren o Der primre Sektor umfasst die direkte Nutzung der Ressourcen. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bergbau und Fischerei Rumliches Muster: Aufteilung ber das ganze Land (Appenzellerland) o Der sekundre Sektor verarbeitet die Rohstoffe des primren Sektors. Industrie, Gewerbe und Bauwirtschaft Problem: Beispielsweise sind innerhalb der ABB wieder viele im Dienstleistungssektor ttig Rumliches Muster: Entlang den Handelsrouten (grosse Punkte verteilt) (Achsenbildung) o Der tertire Sektor beinhaltet alle Dienstleistungen, die in eigenstndigen Unternehmungen oder durch den Staat sowie in anderen ffentlichen Einrichtungen erbracht werden. Banken, Versicherungen, Tourismus und Verkehrsdienstleistungen Problem: Dieser Sektor ist heute sehr gross Tertirer Sektor: hnlich wie sekundrer Sektor (grssere Punkte) o Der quartre Sektor schafft und tauscht Informationen und Wissen. Software, Telekommunikation

4.1 Die Wirtschaftsstruktur im Wandel der Zeit Verteilung der Erwerbsttigen auf die Wirtschaftsektoren ndert sich im Verlauf der Zeit: Vorindustrielle Phase (Handwerk und Landwirtschaft) Industrielle Phase Nachindustrielle Phase Die Sektor-Theorie von Fourasti besagt, dass wirtschaftliches Wachstum zwangslufig von einer Verschiebung der Gewichte einzelner Sektoren begleitet ist: o In der vorindustrielle Phase dominiert der Vorindustriell Industriell Nachindustriell primre Sektor. 80 % der Beschftigten arbeiten in der Landwirtschaft, nur je 10 % im sekundren und tertiren WirtschaftsTertirer Sektor bereich. o Die Mechanisierung und Spezialisierung in Sekundrer Sektor der Agrarwirtschaft, bei gleichzeitiger AusQuartrer weitung der Industrie, bewirkt whrend der Primrer Sektor Sektor industriellen Phase eine Verlagerung der Beschftigten auf den sekundren Sektor. Zeit Der sekundre Sektor wird von Fourasti lediglich als bergangssektor beschrieben. o Die Rationalisierung und die Automatisierung der Fertigung im produzierenden Gewerbe verlagern die Beschftigten schliesslich in den tertiren Sektor. In der nachindustriellen Phase erreicht die Gesellschaft in der tertiren Zivilisation ihren Abschluss. 80 % der Beschftigten arbeiten im Dienstleistungssektor, je 10 % im sekundren und primren Sektor. 4.2 Die Wirtschaftssektoren in der Schweiz und in der Welt Schweiz o Noch im 18. Jahrhundert arbeiteten in der Schweiz weit ber 60 % in der Landwirtschaft. Danach ging der Anteil der in der Landwirtschaft Beschftigten stetig zurck und fiel nach dem 2. Weltkrieg noch deutlicher. Aktuell sind nur noch etwa 5 % der Bevlkerung in der Landwirtschaft erwerbsttig. o Der Sekundre Sektor betrug um 1910 ber 45 %. Nach einem Einbruch (1920 1945) erreichte der Anteil 1960 nochmals den Stand von 1910. Im Jahr 2000 betrug der Anteil nur noch ca. 26 %. o Der Tertire Sektor entwickelte sich nach 1950 fast exponentiell so dass der Anteil heute fast bei 70 % liegt. o Die Entwicklung in der Schweiz scheint die Vorstellung von Fourasti zu besttigen. Andere Staaten o Neben eigentlichen Dienstleistungsstaaten, wie beispielsweise Japan, der Schweiz, Grossbritannien und den USA (dritter Sektor ber 70 %), gibt es auch Staaten, insbesondere Entwicklungslnder, in denen ber 50 % der Bevlkerung in der Landwirtschaft beschftigt sind (z.B. Kambodscha, Mosambik, Thailand und Nepal) o Spruch zur Dienstleistungsgesellschaft: Es gilt festzuhalten, dass der in vielen Dienstleistungsstaaten gefundene bergangsprozess mit drei Phasen kein allgemein gltiges Gesetz darstellt. In der Entwicklung Kanadas zu einer Dienstleistungsgesellschaft mit heute annhernd 70 % Beschftigten im tertiren Sektor fehlt die industrielle Phase. 13
Anzahl Beschftigte

Aufgaben zu Fourasti (Anwendungsmglichkeiten von Fourastis Theorie) Vergleichen Sie die drei Darstellungsformen zur Entwicklung der Wirtschaftssektoren, compendio S. 48, S. 49 und Beilage (Fourasti-Modell). Erklren Sie die Unterschiede. o Abb. 4-2 Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in der Schweiz (S. 49) (kein Modell Statistik) o Abb. 4-1 Vernderung der Wirtschaftsstruktur nach Fourasti (S. 48) (Modell!) o Gemeinsamkeiten Die drei Sektoren sind in beiden Darstellungen abgebildet. Anzahl Beschftigte auf der y-Achse und auf der x-Achse die Zeit Fr die Schweiz stimmt das Modell sehr gut o Unterschiede Bei 4-1 ist der quartre Sektor eingezeichnet o Interpretation Abb. 4-1 hat Vorteile dass man die Przisierungen sehen kann Da die Produktivitt zunimmt sind die Anzahl Beschftigten keine gute Basis fr die Bewertung. Es kann keine Aussage ber den Rckgang der Industrie gemacht werden. Diskutieren Sie ob Mosambik (compendio. S. 49) bis zum Jahr 2050 denselben Fourasti-Pfad durchlaufen wird, wie die mitteleuropischen Lnder von 1850 bis heute. o Grundstzlich wahrscheinlich schon. Die Anreize resp. ein Anstoss fehlt. Der Dienstleistungssektor ist noch zu wenig entwickelt. o Wieso sollen diese Lnder noch Industrie aufbauen wenn heute bereits das Wissen fr die Dienstleistungsgesellschaft vorhanden ist. Von der Landwirtschaft zum Dienstleistungsland. Vergleichen sie die Entwicklung 1985 1998 der Genferseeregion mit der Ost-Schweiz (compendio S. 50) o In der Genferseeregion als auch in der Ost-Schweiz ist die Entwicklung nach Fourasti sehr gut ersichtlich. o Die Genferseeregion hat einen grsseren Dienstleistungssektor. o Die Ostschweiz hat einen grsseren zweiten Sektor. o Die Ostschweiz hat einen grsseren ersten Sektor. o Die Genferseeregion hat verglichen zum Schweizerischen Durchschnitt einen unterdurchschnittlichen zweiten Sektor. o Die Genferseeregion ist in der Entwicklung nach Fourasti-Modell viel weiter. Die Ost-Schweiz ist in dieser Entwicklung noch weiter hinten. Die Bedeutung des Industrie- und Landwirtschaftssektors ist in der Ostschweiz noch eine hhere. Kartenbung bertragen Sie die Beschriftung der Dreiecksdarstellung in der Atlaskarte in Ihre Unterlagen (Beilage a) Zeichnen Sie gypten im Dreieck ein, lesen Sie die Daten fr die prozentuale Verteilung der Beschftigten in den 3 Wirtschaftssektoren fr gypten aus dem Dreieck und versuchen Sie gypten ins Fourasti-Modell (Beilage b) einzuzeichnen Dasselbe fr Tschad, Sdafrika und die Schweiz. Zeichnen Sie den blichen wirtschaftlichen Entwicklungspfad nach Fourasti im bearbeiteten Dreiecksdiagramm als breiten Pfeil ein.

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11. Industrie und Gewerbe


11.1 Der Sekundre Wirtschaftssektor Bereiche Der Sekundre Sektor umfasst alle Wirtschaftszweige, in denen Rohstoffe bearbeitet und verarbeitet werden: o Verarbeitendes Gewerbe Herstellung und Veredelung Meist kleinere selbststndige Betriebe Verlags- und Druckgewerbe (z.B. Tageszeitung) Nahrungs- und Genussmittelgewerbe (z.B. Bckerei) Verbrauchsgtergewerbe (z.B. Ferienfotos) o Baugewerbe Wichtiger Arbeitgeber in der Schweiz (8 % aller Arbeitnehmer) o Industrie Grosse Betriebe Arbeitsteilung, Spezialisierung, Mechanisierung, Rationalisierung und grosse Produktionsmengen Nahrungsmittelindustrie, Textilindustrie, Leder verarbeitende Industrie, Holz- und Papierindustrie, Kohle- und Minerallverarbeitung, Chemische Industrie, Gummi- und Kunststoffverarbeitung, Metallindustrie, Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektro- und feinmechanische Industrie o Energie- und Wasserversorgung 11.2 Die industrielle Produktion Manufaktur o Veraltete Produktionsweise in der alle Arbeitsschritte von derselben Person durchgefhrt wurden. Die fordistische Produktionsweise (nach Henry Ford, Ford T-Modell) o Die uns vertrauten industriell hergestellten Produkte entsprechen der fordistischen Produktionsweise. o Eigenschaften Standardisierung der Bauteile und Produktionsablufe Zeitliche Verkrzung einzelner Arbeitsschritte Einzelne Fertigungsschritte wurden erstmals Ende des 19. Jh. mit der Stoppuhr von Taylor gemessen. Mit der Verwendung des Fliessbands und durch die Erkenntnis, dass Arbeiter einfache und abgegrenzte Arbeitsschritte automatisiert viel schneller verrichten knnen, als wenn sie sich jeden neuen Schritt wieder in Erinnerung rufen mssen, sparte Ford viel Zeit und konnte die Kosten fr ein Auto stark senken. Massenproduktion / Skaleneffekte Mit der Massenproduktion werden konomische Skaleneffekte ausgenutzt. Diese besagen, dass die Stckkosten mit einer grsseren Anzahl produzierter Stcke sinken. o Vorteile der Massenproduktion Schnelle Verfgbarkeit der Produkte Tiefer Angebotspreis o Nachteile der Massenproduktion Hohe Lagerkosten Relativ monotone und einseitig belastende Arbeit fr die Arbeitnehmer limitierte Fortbildungsmglichkeiten und Aufstiegschancen Gewerkschaftlicher Schutz notwendig Lean Production (schlanke Produktion) als neue Produktionsweise o Stammt aus Japan von Toyota o Mit der Lean Production versucht man, Kosten zu reduzieren und gleichzeitig die Qualitt der Produktion und der Produkte zu verbessern. o Die wichtigsten Eigenschaften: Geringe Produktezyklen grssere Produktepalette hufigere Durchbrche im Design Effektivere und kleinere Arbeitnehmerschaft

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Ansatzpunkte der Lean Production Arbeitsplatz Arbeit in Teams mit eigener Komponentenverantwortlichkeit und Selbststndigkeit (ohne Aufsicht) Ergonomische Arbeitspltze Anstellung Im japanischen Modell ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes sehr hoch, wodurch eine hohe Identifikation mit dem Betrieb erreiht werden soll. Verbesserungsvorschlge an das Management sind erwnscht Flache Hierarchien Keine gewerkschaftliche Organisation (verboten!) Grundhaltung: Nur zufriedene Arbeitskrfte arbeiten auch optimal. Produktion Es wird versucht, die Fehlerquote auf ein Minimum zu reduzieren. Just-in-Time-Produktion o kein Lager (kaum Lagerhaltungskosten) o Es wird nur produziert, was von den Grosshndlern bestellt wurde o Optimierung der Transportwege o Flexibilitt der Arbeitsprozesse (keine einheitlichen Modellserien!) o Computerisierung Vorteile der Lean Production Vielseitigen, sicheren, ergonomischen und gesunden Arbeitsplatz Grosse Kontroll- und Partizipationsmglichkeiten fr Arbeitnehmer (Team, Job Rotation) Individualisiertes Lohnsystem (Leistungslohn) als Anreiz langfristige Arbeitsvertrge (lebenslang!) Optimierung der Produktionskosten (Verringerung der Fehlerquote und geringere Lagerkosten und nicht in erster Linie tiefe Lhne) Grosse Produktevielfalt Nachteile der Lean Production Steigerung der Produktivitt schnellerer Strukturwandel Teams stehen unter direkter stndiger Kontrolle des Managements Druck auf Arbeitnehmer: stndige Verbesserungen Herrschaftsinstrument Leistungslohn langfristige Arbeitsvertrge erhlt nur eine Kernbelegschaft!

11.3 Industrielle Grossrume der Erde Zweigeteilte Welt o Weltumspannender industrialisierter Grtel auf der Nordhalbkugel (Europa, Nordamerika, Japan und Russland) USA Manufacturing Belt (sdlich der Great Lakes, Chicago, Detroit) leistet die grsste industrielle Produktion der Erde Kalifornien erlebt ein rasches Wachstum Europa Modernisierung und Diversifizierung Ostasiatische Industrieregion (Japan bis Sdkorea, Pazifikkste China) Kommende wichtigste Industrieregion der Erde Etwa aller Industriewaren werden hier hergestellt. Die traditionelle Schwerindustrie wurde vielerorts als unrentabel eingestellt. Hightech-Industrien in den Bereichen Informationstechnologie, Telekommunikation und Biotechnologie o Sdhalbkugel ist nur in wenigen Ballungsgebieten industrialisiert (Ostkste Australiens, Sdostasien, Mexiko, Brasilien und Sdafrika) Multinationale Unternehmen investieren grosse Summen in diese Regionen. Freie Produktionszonen (Sonderwirtschaftszone) Die Industrie im Sden erlebte einen Aufschwung durch Freie Produktionszonen (vor allem in Mexiko, Zentralamerika, Sdostasien, Tunesien und gypten) Ausgebaute Infrastruktur und gute internationale Erreichbarkeit hemmende nationale Regelungen wurden in diesen Gebieten aufgehoben (Verbot von Gewerkschaften, Aufhebung von Umweltvorschriften, Steuerbefreiungen) Internationale Investoren sollen angelockt werden 16

11.4 Industrialisierung in Raum und Zeit Definition Industrialisierung o In der Volkswirtschaft bezeichnet der Begriff Industrialisierung die Ausbreitung der Industrie auf Kosten der Landwirtschaft und des Handwerks. Grosstechnische und arbeitsteilige Produktionsverfahren, ein hoher Automatisierungsgrad und der konsequente Einsatz der Energiequellen Erdl, Kohle und Elektrizitt erlauben es, Waren in grosser Zahlung und deshalb gnstig herzustellen. Die Industrielle Revolution o Voraussetzungen Aufkommen neuer Produktionstechnologien (Ende des 18. Jh.) welche auf Kohle, Erdl und Elektrizitt basieren. Aufkommen neuer Transporttechnologien (Ende des 18. Jh.) Eisenbahnnetz und Handelshfen Gewisse Standortfaktoren (Rohstoffe, Energietrger, gnstige Verkehrsbedingungen, Arbeitskrftepotenzial) o Epoche der industriellen Revolution Einsatz neuer Technologien (Dampfmaschine, Spinn- und Webmaschine, Eisenbahn) erhht die Produktivitt und stellt grosse Menschenmengen fr andere Aufgaben frei Einsatz neuer Werkstoffe (v.a. Eisen und Stahl) Ausbreitung des Fabriksystems (Massengter werden mit Maschinen hergestellt) Lohnarbeit als berwiegende Erwerbsform Starke Zunahme der Bevlkerung Die Industrialisierung erobert die Welt o Grossbritannien ab 1760 o Frankreich ab 1820 o Deutschland ab 1850 o Europa (West nach Ost) ab 1880 o USA ab 1900 (Manufacturing Belt Great Lakes, Chicago, Detroit, Boston und New York) Voraussetzung in den USA: grosse Bodenschtze im US-Hinterland grenzenloser Raum Zuwanderung von Arbeitskrften zunehmende Kapitalstrme aus Europa o Ostasien ab 1950 Die Kombination aus Modernisierung, Know-How aus dem Westen und Rohstoffen aus den eigenen Kolonien in Taiwan, Korea und China brachte Japan innert Jahrzehnten an die Weltspitze. Chinas Industrialisierung startete erst in der kommunistischen ra nach 1950 11.4 Innovationsschbe verndern die Standortgunst Lebenslauf von Innovationen o Innovationen wir die Dampfmaschine und die Eisenbahn waren die Voraussetzungen fr die Industrialisierung. o Sobald eine gewisse kritische Masse Kenntnis von der Innovation erhalten hat, kann sich die Neuerung rasch ausbreiten und zwar so lange, bis die meisten der anzusprechenden Za uderer Verwender der Neuerung erreicht spte Mehrheit sind. fr he Mehr heit o Rumliche Diffusion Mit der Anzahl Anwender vergrssert sich auch das rumliche frhe Anwender Verbreitungsgebiet von neuen Erfindung Zeit Technologien. Innovationsschbe Innovationsschbe Schlsseltechnologie Regionen Zeitraum Erster Innovationsschub Dampfkraft, Textilindustrie GB ab 1790 Dampfmaschine und deren Einsatz in der Textilverarbeitung Zweiter Innovationsschub Stahlindustrie, Eisenbahn, GB ab 1850 Eisenbahn und neue Technologien in Kohle als Energietrger
Ausbr eitung unter Konku rrenz St tigung

Anzahl Anwender

E rste Versuch e

Innovati onsphase

Na I nn chf o v olg at en io n d e

V erdrn gung

Durchbr uch

Aufgabe

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der Stahlverarbeitung Dritter Innovationsschub Elektroindustrie, AutoGB, USA, D ab 1890 Elektro-, Fahrzeug- und Chemiemobilindustrie, Kunststoffindustrie: Erdl lst Kohle als technologie, Nutzung wichtigsten Energietrger ab fossiler Energietrger Vierter Innovationsschub Petrochemie, Elektronik, USA, D, Japan ab 1940 Elektronikindustrie: Computer Computer, Kernenergie Petrochemie Rumliche Differenzierung der Industrie o Innovationsschbe haben direkte Auswirkungen auf die rumliche Entwicklung der Wirtschaft: Schwerpunktverschiebungen o Mit jedem Innovationsschub entsteht eine neue rumliche Verteilung der Standortvorteile und -nachteile: Die Kohle verarbeitende Industrieregion gert in die Krise. 11.6 Strukturwandel im Ruhrgebiet Standortfaktoren fr die Schwerindustrie (Eisen- und Stahlindustrie) o Kohle- und Eisenerzvorkommen o leistungsfhige Transportwege o Zugang zu viel Wasser o gnstige Energiequellen Das Ruhrgebiet verdankt seine frhe wirtschaftliche Bedeutung den reichen Steinkohlelagersttten, die in zahlreichen abgebaut wurden und Grundlage der Eisen-, Stahl- und chemischen Industrie waren. Die Ablsung der Kohle durch das Erdl strzte ab 1957 viele Bergwerte in die Krise, aus der sie sich nie mehr erholen sollten. Die Ruhrkohle kostete zudem aufgrund kostenintensiver Maschinen (sehr grosse Tiefen im Ruhrgebiet) bald das Vierfache dessen, was auf dem Weltmarkt fr Kohle bezahlt wurde. Der Staat begann das Ruhrgebiet zu subventionieren. Die Stahlkrise von 1974 verschlechterte die Situation fr die Stahlindustrie zustzlich. Wirtschaftlicher Strukturwandel o Das Ruhrgebiet diversifiziert sich seither im Hightech- und Dienstleistungsbereich. o Alte wirtschaftliche Strukturen werden abgebaut, neue aufgebaut. o Deindustrialisierung: Das Ruhrgebiet wendet sich von der Industrie ab. 11.7 Schwerpunkt Science Park Silicon Valley Der Begriff Silicon Valley bezeichnet eine aussergewhnliche rumliche Konzentration von HightechFirmen im Norden Kaliforniens. Silicon (Silizium) ist der wichtigste Baustoff fr Computer Chips. Der Science Park (Technologiepark) ist ein Areal der Stanford Universitt und ermglicht den Wissenschaftern ihre Entdeckungen mit der Wirtschaft zu teilen, die Erfidungen zu perfektionieren und zu verkaufen. Neue Kleinfirmen, sogenannte Spin-off-Firmen entstehen. Erfolgreiche Science Parks knnen der Wirtschaft einer ganzen Region neue Impulse versetzen. o Auch in der Schweiz gibt es Science Parks: Technopark in Zrich in Zusammenarbeit mit der ETH Erfolgsgrundlage o Mit der Rstungs- und Raumfahrtindustrie kam nach dem Zweiten Weltkrieg das grosse Geld ins Silicon Valley. o HP und SUN Microsystems sind aus Silicon Valley. Strukturwandel in Silicon Valley o Heute sind nur noch die Entwicklungs- und Forschungsabteilungen in Silicon Valley. Die Produktion der Computerindustrie wurde in asiatische Niedriglohnlnder verlegt. Standortfaktoren der Hightechindustrie o Die geographische Lage des Silicon Valley war bei der Entstehung der Computer-Industrie nie von grosser Bedeutung. Rohstoffe (ausser Silizium), Hafenanlagen und sonstige Standortfaktoren spielen in Hightechindustrien nur eine untergeordnete Rolle. Wichtige Standortfaktoren fr die Hightechindustrie sind: Hochschulen mit qualifizierten Arbeitskrften Investitionen der Rstungs-, Luftfahrt-, und Raumfahrtindustrie angenehmes Klima grosses Platzangebot 11.8 Auswirkungen der Industrie in kologischer Hinsicht Nach wie vor stammt der grsste Teil der Energie fr die Industrie aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Folgen: Treibhauseffekt durch den Kohlendioxidausstoss sowie saurer Regen durch die Schwefeldioxid- und Stickoxidbelastung der Luft.

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11.9 Industrie in der Schweiz Standortvorteile o grosses Potential an gebildeten Arbeitskrften o hoher Forschungs- und Entwicklungsaufwand Standortnachteile o Die Schweiz ist rohstoffarm, weshalb sich vor allem die Leichtindustrie (Uhrenindustrie, feinmechanische Industrie, Maschinenindustrie sowie die chemische Industrie und die Genuss- und Nahrungsmittelindustrie) in der Schweiz angesiedelt hat. Auch in der Schweiz zeigt sich der weltweite Trend der Deindustrialisierung und der Verlagerung der Volkswirtschaften in den Dienstleistungssektor. Ergnzende Aufgaben Vergleichen Sie die fordistische Fabrikarbeit und Lean-Production. o Fordistische Fabrikarbeit Fliessbandarbeit Eintnige Arbeit o Lean-Production Teamarbeit hhere Effizient Vielseitige Arbeit kleinere Fehlerquote Wo In welchen Produktionsbereichen aus welchen Grnden wurde die fordistische Produktionsweise durch Lean-Production ersetzt? o Es ist zuerst in der westlichen Welt aufgekommen, nicht aber in Drittweltlndern. o Hohe Bildung der Arbeitnehmerschaft wird vorausgesetzt o weniger Massenproduktion wegen immer krzeren Innovationsschben Diskutieren Sie die Frage, ob das Konzept der Lean-Production auch auf den Dienstleistungssektor anwendbar ist. o Ja, es ist in den meisten Orten anwendbar

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12. Wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors


Private und ffentliche Anbieter o Banken, Versicherungen oder Beraterfirmen bieten Dienstleistungen als Private an. Firmen fragen Dienste nach, um die Produktion ihrer eigenen Waren und Dienstleistungen zu erleichtern oder erst mglich zu machen. Solche Dienstleistungen werden deshalb auch Vorleistungen oder Dienstleistungen fr Unternehmen genannt. o Daneben bietet auch der Staat Dienstleistungen an (Bildungs- und Gesundheitswesen). Branchen o Banken, Versicherungen, Beratung, Werbung, Tourismus, Gastgewerbe, Reinigungsgewerbe, Reparaturgewerbe, Gross- und Kleinhandel, Sport- und Kultur, Telekommunikation, Verkehr, Postwesen, Gesundheitswesen, Forschung und Bildung, ffentliche Verwaltung und Sozialwesen, Polizei, Feuerwehr Der tertire Sektor o Weil immer mehr Dienstleistungen nachgefragt und angeboten werden, entwickelt sich unsere Gesellschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Der Anteil der Beschftigten, der Dienstleistungen erbringt, nimmt stetig zu. o Leistungen, die den Verkauf und den Tausch von Waren und Dienstleistungen umfassen, werden im tertiren Sektor zusammengefasst. Raumrelevanz o Die Wirtschaftsgeografie untersucht, welche Auswirkungen die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft auf den Raum hat. 12.1 Deindustrialisierung und Tertirisierung Deindustrialisierung o Deindustrialisierung ist der Prozess in dem Industriestandorte im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung (berholte Produkte und Technologiefortschritt) still gelegt werden oder in Niedriglohnlnder verlagert werden. o Wenngleich bei diesem Abbruch berholter Strukturen kurzfristig viele Arbeitspltze verloren gehen, so ist die Aufgabe unrentabler Branchen unumgnglich und dient letztlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Da aus dem Abbruch alter Strukturen etwas Neues (neue Produkte und Technologien, neue Produktionsstandorte) entstehen kann, bezeichnet man diesen Prozess als kreative Destruktion. o Im Idealfall werden so die in der Industrie verloren gegangenen Arbeitspltze durch neu entstehende Stellen in der aufstrebenden Dienstleistungsbranche ersetzt. Man spricht deshalb von Tertirisierung der Wirtschaft. Genau so wie es Fourasti in seiner Theorie ber den sektoralen bergang vorausgesagt hat, vollziehen heute viele Volkswirtschaften eine Tertirisierung oder haben sie bereits weitgehend abgeschlossen. Schweiz o Auch in der Schweiz ist die Tertirisierung 3000 Tertirer Sekto r Schweiz weit fortgeschritten, das zeigt die 2750 2500 1 00 nebenstehende Abbildung deutlich. 2250 90 39.0 69.1 2000 80 Welt 1750 70 Sekundrer Sektor 1500 60 o Ein gutes Beispiel fr die kreative 1250 50 46.5 1000 40 Destruktion ist die Deindustrialisierung im 750 30 2 6.4 500 20 Manufacturing Belt in den USA. In den Primrer Sektor 250 10 14.5 4.5 0 60er und 70er Jahren investierten 0 1960 1965 197 0 197 5 198 0 1985 1990 1995 2000 amerikanische Unternehmen in die Zeit aufstrebende Computerindustrie in Kalifornien, whrend der Manufacturing Belt vernachlssigt wurde, in eine tiefe Kreise geriet und fortan abschtzig Rust Belt genannt wurde. Fr die amerikanische Volkswirtschaft als Ganzes aber war die Schwerpunktverlagerung ein Gewinn.
Anzahl Beschftigte

12.2 Die Triade der Weltwirtschaft Die Tertirisierung der Weltwirtschaft erfolgte nicht in allen Teilen der Welt im gleichen Ausmass. Einige stdtische Grossrume vermochten riesige Bedeutungsberschsse im weltweiten System der Dienstleistungswirtschaft auf sich zu konzentrieren. Diese Stdte nennt man Weltstdte. Sie sind Knotenpunkte der internationalen Handels-, Kapital- und Kommunikationsstrme. Merkmale der Weltstdte o Finanzpltze (v.a. New York, London, Tokio) o hoch spezialisierte Dienstleistungen fr Unternehmen (v.a. Zrich mit seinen Banken und Versicherungen) o hohe Konzentration von Schaltstellen internationaler Konzerne (v.a. Tokio) o Standorte fr internationale Organisationen (v.a. New York mit der UNO) o hohe Dichte einflussreicher Medien- und Unterhaltungskonzerne (Hollywood, BBC in London) 20

Anzahl Beschftigte

Agglomerationsvorteile o Weltstdte haben also Vorteile durch ihre wirtschaftliche und politische Macht. o Zustzlich zu diesen Vorteilen zieht die rumliche Konzentration so vieler attraktiver Arbeitgeber auch grosse Mengen qualifizierter Arbeitskrfte an, was wiederum als Standortvorteil neue Unternehmen anlocken kann. Triade o Die wichtigsten Zentren der Weltwirtschaft bilden Zusammen die Triade, die grossen drei der Weltwirtschaft: Nordamerika (New York) Europa (London) Ostasien (Tokio) o Um jeden Triadenkern gruppiert sich ein grosser Wirtschaftsblock. Die Lnder dieser Regionen werden oft auch verglichen mit Satelliten, die um ihren Triadenkern kreisen. Hchste Rangebene: New York, London, Tokio Zweithchste Rangebene: Brssel, Chicago, Frankfurt, Los Angeles, Paris, Singapur, Washington DC, Zrich Dritthchste Rangebene: Amsterdam, Bangkok, Madrid, Hong Kong, Rio de Janeiro, Seoul

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14. Was ist Globalisierung?


Definition o Globalisierung ist ein Prozess, bei dem etwas zu einer Kugel, einem Globus geformt wird, oder die Ausbreitung eines Phnomens ber den gesamten Globus hinweg. Definition Wirtschaftliche Globalisierung o Weltweite wirtschaftliche Verflechtung und Vereinheitlichung o Zusammenwachsen von nationalen Mrkten o Zunahme internationaler Wirtschaftsbeziehungen internationale Arbeitsteilung internationale Gteraustausch internationale Zahlungsverkehr Ursachen der Globalisierung o freier Welthandel (OECD, GATT, WTO) o globale Ausdehnung der freien Marktwirtschaft (1991 Kommunismus) o technische Fortschritte bei Verkehr und Kommunikation o tiefe Transportkosten o Produktionsverlagerung in Billiglohnlnder o Anstieg der Direktinvestitionen (Unternehmensbeteiligungen und Fusionen) o Deregulierung: Abbau staatlicher Vorschriften o Vereinheitlichung technischer Normen Globalisierung o Chancen Gnstigere Produkte in Industrielnder Besseres Gter- und Dienstleistungsangebot Neue oder wachsende Mrkte o Risiken Weniger Arbeitspltze in Industrielndern Die dritte Welt wird abgespalten grssere Abhngigkeit infolge internationaler Arbeitsteilung Soziale Stabilitt gefhrdet (z.B. SIEMENS in Deutschland) Einzelne Wirtschaftsstandorte gefhrdet Staat verliert Kontrollmglichkeit o Chance und Risiko Neubewertung der Standortfaktoren Strukturwandel wird beschleunigt (Sektortheorie: Tertirisierung) Interessenkonflikte EL IL o Geringe Beteiligung der EL am Welthandel o Wettbewerbsvorteile der IL o Geringes Mitspracherecht der EL, z.B. bei internationalen Verhandlungen o Schwankende Weltmarktpreise fr die Haupt-Exportprodukte der EL: (landwirtschaftliche) Rohstoffe o Verschlechterung der Terms of Trade zugunsten der IL Eigenschaften der Globalisierung WTO Vertragswerk Vielfltigkeit von Verbindungen zwischen Im Jahr 2000 wurden 684 Mio. Reisen ins Gesellschaften und Staaten Ausland unternommen Ereignisse und Entscheidungen in einem Teil Durch den Kauf von Bananen beeinflussen der Welt haben Einfluss auf weit entfernte wir das Leben von Plantagenarbeiter in Teile der Welt Mittelamerika und Afrika Grosse Reichweite des Verwendung von Spraydosen schafft das Globalisierungsprozesses Ozonloch Global ttige Medien die weltweit Bilder und Die Prozesse erfahren eine Vertiefung Informationen verbreiten Die Globalisierung ist ein Charakteristikum Kleider werden in der ganzen Welt gefertigt modernen Alltagslebens Kinofilme aus der ganzen Welt Die Globalisierung vereinheitlicht die Welt Die EU fhrt zu einer grsseren Integration politisch und gesellschaftlich nicht, sondern die gegen Innen und zu einer Abschottung gegen Prozesse sind hochgradig widersprchlich aussen. bezglich ihrer Reichweite und Konsequenzen. Nicht alle haben die gleichen Tiefe Lhne fr Arbeiter in Indien Mitgestaltungsrechte

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14.1 Ein Bndel widersprchlicher Prozesse Alltagsverstndnis o Im Alltag wird unter Globalisierung die weltweite wirtschaftliche Verflechtung und Vereinheitlichung verstanden, fr die nationale Grenzen kaum mehr ein Hindernis darstellen. o Mglich wurde dies durch schnellere und zuverlssigere Transportverbindungen und Kommunikationsmglichkeiten. So wird beispielsweise taiwanesisches Kapital in nicaraguanische Textilfabriken investiert, wo T-Shirts fr Brasilien hergestellt werden, die auf der ganzen Welt getragen werden. Segen oder Drohung? o Durch die wirtschaftliche Verflechtung vergrssern sich der Wettbewerb und der Konkurrenzdruck. Als Konsumenten erfahren wir dies oft als Verbesserung oder Verbilligung von Produkten, als Arbeitnehmer hufig als Belastung oder Bedrohung. Geografisches Verstndnis o Das geografische Verstndnis versucht, die Prozesse der Globalisierung in seiner Widersprchlichkeit und Vernetztheit zu analysieren. Wirtschaftlicher Profit durch globalisierten Tourismus/Handel Internationale Arbeitsteilung Globalisierung ist nur in einem politisch stabilen Nationalstaat mglich. Die militrische Weltordnung (z.B. SEATO, NATO) kann einen Einfluss auf die politische Stabilitt haben. Die Kultur des Landes verndert sich durch die Globalisierung. Rituale verkommen zur touristischen Theaterauffhrung. Homogenisierung und Fragmentierung o Will man herausfinden, wer konomisch profitieren kann, wen politische Vernderungen am strksten betreffen oder wie sich die Kultur verndert, muss man eingehende wissenschaftliche Untersuchungen durchfhren. o Die Globalisierungsprozesse werden entweder zur Vereinheitlichung (Homogenisierung) von Gesellschaften beitragen oder zur Fragmentierung oder zu beidem gleichzeitig. a) Homogenisierung Homogenisierung bedeutet auf gesellschaftlicher Ebene, dass verschiedene Menschen, die weit voneinander entfernt leben, aufgrund von Informationen, die sie nutzen, hnliche Aussichten haben oder hnlich handeln. o Homogenisierung steht fr vereinheitliche Produktionsprozesse, die es erlauben, serienmssig einen japanischen Motor in Mexiko in ein amerikanisches Auto einzubauen. o Homogenisierung steht aber auch fr TV-Programme, die weltweit ausgestrahlt werden, so dass die verschiedenen Menschen die gleichen Informationen erhalten. o In der Computerwelt ist Vereinheitlichung eine unverzichtbare Voraussetzung. Nut wenn internationale Standards eingehalten werden, verstehen sich die Menschen. Diese Vereinheitlichung findet also auf sehr vielen Ebenen statt. Das Phnomen Homogenisierung wird auch mit dem Ausdruck McWorld umschrieben. b) Fragmentierung Nicht alle Prozesse wirken homogenisierend, es gibt auch Gegenbewegungen, die zur Fragmentierung und Abgrenzung fhren. o Nationalstaaten mit Grenzkonflikten o Im kulturellen Bereich wehren sich beispielsweise franzsische Kulturschaffende und Politiker gegen die Anglisierung ihrer Sprache. o Rckbesinnung auf alte Traditionen o Im Extremfall wird dies auf fundamentalistische Art und Weise versucht, bei der kein Widerspruch geduldet und kein Kompromiss eingegangen wird, weswegen Fragmentierung auch mit dem nicht unproblematischen Begriff Jihad umschrieben wird. Glokalisierung: die Verbindung von Globalem und Lokalem o Weil das Globale und das Lokale das an einen bestimmten Ort Gebundene in Bezug auf die Globalisierung oft flschlicherweise als Gegenstze betrachtet werden, wurde der Begriff Glokalisierung erfunden. o Glokalisierung, also eine Mischung aus Globalisierung und Lokalisierung kann sich auf mehrere Arten ussern:

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Wenn globale Konzepte oder Ideen lokal umgesetzt werden. So werden weltweit die gleichen japanischen Autos verkauft, doch wird fr ein bestimmtes Auto in verschiedenen Lndern unterschiedlich geworben. So kann beispielsweise ein Produktname eines Autos in einem anderen Land etwas Negatives bedeuten und muss regional angepasst werden. Wenn etwas Lokales zum globalen Begriff oder Allgemeingut wird. Begriffe wie Mekka oder Silicon Valley Wenn etwas Lokales erst ber globale Ideen eine besondere Bedeutung gewinnt. Umstieg von weltweiten Gerichten zurck auf lokale Gerichte in Europa und den USA Hat die Globalisierung ein Ziel? o Entwicklungstendenzen die negativ oder positiv interpretiert werden knnen Kapitalistische Wirtschaftsform hat sich durchgesetzt Immer grssere Schere zwischen Arm und Reich und armen und reichen Lndern Telekommunikation und Informationsverarbeitung westliche Werte und Lebensstile (v.a. amerikanische) internationale Arbeitsteilung Unternehmen wollen und knnen die ganze Welt versorgen

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10. Schwerpunkt Energie


Wo welche Energietrger in welchem Umfang gefunden wurden, hat entscheidend zur heutigen Raumstruktur der Weltwirtschaft beigetragen. Ein Perpetuum Mobile ist ein System zur Energieproduktion, dass keinen dauernden zustzlichen Energieinput bentigt. Es wird niemals gelingen ein solches herzustellen. 10.1 Energie Triebfeder der Wirtschaft Was ist Energie? o Unter Energie versteht man die Fhigkeit eines Krpers, Arbeit zu verrichten. Diese Arbeit kann z.B. darin bestehen: ein Auto anzutreiben (Bewegungsenergie = kinetische Energie) einen Raum zu heizen (Wrmeenergie) Eine gespannte Feder trgt Spannungsenergie. Der Radfahrer auf der Passhhe sich Lageenergie (potenzielle Energie) erarbeitet, die bei der Abfahrt wiederum in kinetische Energie umgewandelt wird. o Masseinheiten Joule (J) Masseinheit fr Energie Kilowattstunden (kWh) Der Verbrauch elektrischer Energie wird in kWh angegeben und verrechnet. Steinkohleeinheiten (SKE) Vergleiche zwischen verschiedenen Energietrgern. Entspricht dem Energiegehalt eines Kilogramms Steinkohle (= 8.14 kWh) 1 kg Erdl = 1.5 kg SKE, 1 kg Holz = 0.5 kg SKE o Satz von der Erhaltung der Energie Die Gesamtenergie eines energetisch abgeschlossenen Systems bleibt erhalten. Sie kann sich weder vermehrt noch vermindert werden. Sie tritt lediglich in immer anderen Formen auf. Energie wird nicht verbraucht, sondern umgewandelt. Primrenergie Natrlich vorkommende Energietrger und in Naturkrften enthaltene Energie (Kohle, Erdl, Erdgas, Wasser, Wind) Sekundrenergie Umwandlung von Primrenergie in Sekundrenergie ohne die eine Primrenergie nicht verbraucht werden kann. (Elektrizitt, Benzin, Fernwrme) Endenergie Beschreibt die Menge Sekundrenergie, die nach Leitungs- und Transformationsverlusten tatschlich beim Endverbraucher ankommt. Nutzenergie Die Energie, die zuletzt fr den eigentlichen Nutzen umgesetzt wird. Z.B. Lichtenergie der Glhbirne, Wrmeenergie einer Heizung, mechanische Energie des Mixers Erneuerbare und nicht erneuerbare Energien Erneuerbare Energien (regenerative Energien) o Die verbrauchten Vorrte ersetzen sich stndig wieder oder sind in vom Menschen berschaubaren Zeitraum vermehrbar o z.B. Brennholz, Windenergie, Solarenergie, Wasserkraft Nicht-Erneuerbare Energien o Entstehen erst wieder in sehr langen Zeitrumen und sind daher aus menschlicher Sicht erschpflich o z.B. Erdl, Erdgas und Kernbrennstoffe Wirkungsgrad Mit jeder Energieumwandlung geht ein Verlust eines Teil der Energie einher, meistens als Wrme. o Die eingesetzte Energie (Benzin) wird beim Auto nicht vollstndig in die gewnschte Form (Bewegungsenergie) umgesetzt. Beim Auto betrgt der Wirkungsgrad fr Benzin gerade mal 30 %. Energietransport o Der Energietransport erfolgt fr den Strom in Hochspannungsleitungen, fr die Kohle per Schiff oder Bahn, bei l und Gas auch ber Pipelines. o Auch beim Transport treten Energieverluste auf; Energie wird an die Umgebung verloren. 25

Die Vernderung des weltweiten Energieverbrauchs o Mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert stieg die Nachfrage nach fossilen Energien markant an. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in den europischen Industrielndern vor allem Kohle verwendet. In der Folge bernahm das Erdl rasch die Schlsselrolle. o Erschpfung fossiler Energietrger Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung des Weltenergieverbrauchs zwischen 1875 und den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts.
Weltenergieverbrauch (Mrd. t SKE)

11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Kernenergie und Wasserkraft Gas Erdl Kohle

1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990

Heute wird die Energienachfrage der Weltbevlkerung zumeist aus nicht erneuerbaren Energiequellen gedeckt. Nebst den fossilen werden auch nukleare Brennstoffe eingesetzt. Da der Verbrauch immer weiter zunimmt, knnen bereits heute Erschpfungsszenarien fr diese Energietrger berechnet werden. o Verbrauch von Primrenergietrgern Erdl ist mit ca. 35 % an der weltweiten Energiebereitstellung mit Abstand der wichtigste Energietrger, gefolgt von Kohle 25 % und Erdgas ca. 20 %. Biomasse aus Holz, Ernterckstnden und Tierdung decken etwas ber 10 % der weltweiten Energienachfrage. Die Wasserkraft ist mit 5 % an der Energieerzeugung beteiligt. o Energie und Wohlstand Mit steigendem Wohlstand nimmt der Energieverbrauch in der Regel zu. Ab einem gewissen Niveau jedoch wirken Energiesparmassnahmen im Sinne einer verbesserten Effizienz und die Verbrauchskurve der Energie flacht ab. Energie in der Schweiz o Primrenergie Die Schweiz ist stark auf den Import von Energietrgern angewiesen, da sie neben der Wasserkraft nur ber bescheidene Energiequellen verfgt. 4/5 der Primrenergie wird eingefhrt, hauptschlich Erdl in Form von Brenn- und Treibstoffen sowie Erdgas und Kernenergiebrennstoffen. Die Schweiz hat einen relativ hohen Anteil an Wasser- und Kernkraft verglichen mit dem internationalen Durchschnitt. o Energieverbrauch Seit 1950 hat sich der Energieverbrauch bei einer Zunahme der Bevlkerung von knapp ber 50 % in etwa versechsfacht. Der enorme Nachfragezuwachs seit 1950 wird hauptschlich durch Erdlprodukte gedeckt. Hauptverursacher fr die enorme Nachfrage ist der motorisierte Strassenverkehr. o Stromerzeugung 60 % der inlndischen Stromerzeugung wird durch Wasserkraftwerke erzeugt. Die fnf Kernkraftwerke tragen mit 40 % der Erzeugung wesentlich zur Stromversorgung bei. Die Produktion aus erneuerbaren Energiequellen macht immer noch nur wenige Prozente aus. 10.2 Fossile Energietrger Arten fossiler Energietrger o Erdl, Erdgas, Steinkohle und Braunkohle o Fossile Energietrger sind nicht erneuerbar, ihre Ressourcen sind beschrnkt. o Fr die industrielle Revolution war die Entdeckung und der Einsatz von fossilen Brennstoffen die zentralste technologische Neuerung. o Grosse Abhngigkeit vom l Die Weltwirtschaft ist mit 35 % Anteil des Erdls an den Primrenergietrgern sehr vom Erdl abhngig. 26

Organisation Erdlexportierender Lnder (OPEC) Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und Venezuela, Algerien, Indonesien, Katar, Libyen, Nigeria, Vereinigte Arabische Emirate Im Untergrund der OPEC-Lnder lagern rund 80 % der weltweiten Erdlreserven. Die Lnder der OPEC versuchen ihre Frdermengen aufeinander abzustimmen und beeinflussen kartellartig die Weltmarktpreise fr das Erdl. o Bedeutung der Kohle als Energietrger Kohle ist der fossile Energietrger mit den grssten Vorrten. Dort wo Kohle gnstig abgebaut werden kann, wird sie trotz grosser Umweltbeeintrchtigungen nach wie vor zur Energieproduktion eingesetzt. Umweltwirkungen der Nutzung fossiler Energietrger o Der Abbau sowie die Verarbeitung fossiler Energietrger fhren zu massiven Eingriffen in die Landschaft (Verlust der Kulturlandschaft, Bodenerosion, Bodenverschmutzung, Transportumflle lkatastrophen) o Klimafaktor Mensch Klimawandel durch Treibhausgase CO2 Kohlendioxid (macht ca. 50 % aus) CH4-Methan N30-Lachgas Ozonloch in der Ozonschicht (Stratosphren-Ozon) Vor allem verursacht durch FCKW (Gase aus Spraydosen, Treibgase) zu wenig Ozon in der Stratosphre Schicht die uns vor UV-Strahlen schtzt ist weg Die UV-Strahlung kommt frei durch Sommersmog (Fotosmog, Los Angeles-Smog) Verursachte durch: Autoabgase (NOx) und VOC Wintersmog (London-Smog) o Auswirkungen des Klimawandels Wasserkreislauf Regen statt Schneefall (Tiefer gelegene Skiorte haben keinen Schnee mehr) Erhhter Abfluss im Winter Trockener Sommer Mehr Hochwasser, v.a. im Winter Erhhter Wasserbedarf fr Bewsserung Permafrost-Problematik (Auftauen des Permafrostes) Anstieg der Schneegrenze Landwirtschaft Mehrertrag durch die Klimaerwrmung Mehr Anbaumglichkeiten fr Wein und Feigen (Temperaturerhhung) Verlngerte Vegetationsperiode Schden durch Ozon und UV-B-Strahlung Neue Pflanzenkrankheiten und mehr Unkruter Zunahme von Schdlingen Erhhte Bodenerosion durch Starkniederschlge und strkere Winde Tiere und Pflanzen Vernderung der Artenzusammensetzung Labbume ersetzen Nadelbume Gesundheit Mehr Todesflle bei Hitzewellen Wintertourismus Anstieg der Schneegrenze Tiefergelegene Skiorte haben keine Chance o Umweltbelastungen Durch das Verbrennen von Kohle, Heizl sowie von Kraftstoffen gelangen Schadstoffe in die Erdatmosphre. Treibhauseffekt Bei jeder Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht CO2, das wesentlich zur Verstrkung des Treibhauseffektes beitrgt. o Der natrliche Treibhauseffekt Das Treibhaus der Erde und ein Gewchshaus basieren auf dem gleichen Prinzip. Ungehindert einfallendes Licht wird in Wrme umgewandelt, die den Innenraum nicht mehr verlassen kann. Beim Treibhaus lsst das Glas die kurzwellige Lichtstrahlung ungehindert 27

passieren, die langwellige Wrmestrahlung hingegen wird teilweise zurckgehalten: Die Temperatur innerhalb des Gewchshauses steigt. Die Atmosphre lsst die kurzwelligen Lichtstrahlen der Sonne zunchst ungehindert durch. Die Lichtstrahlen erwrmen die Erdoberflche, die Wrme steigt als langwellige Wrmestrahlung in die Atmosphre auf. Die Treibhausgasse Kohlendioxid (CO2) und Wasserdampf fangen die Wrmestrahlung teilweise auf und erwrmen so die Atmosphre. Nur dank diesem natrlichen Treibhauseffekt betrgt die durchschnittliche Temperatur auf der Erde + 15 anstatt -18. Anthropogene Verstrkung des Treibhauseffektes Die Menge der Treibhausgase hat so stark zugenommen, dass zu viel Wrme in der Atmosphre gespeichert wird und die Temperatur noch mehr steigt. Dieser Anstieg ist hauptschlich der Nutzung fossiler Brennstoffe zuzuschreiben. Folgen Erhhung der Weltdurchschnittstemperatur Eiskappen der Pole schmelzen Anstieg des Meeresspiegels berschwemmungen Naturkatastrophen Regen in der Wste Folgen fr die Schweiz Anstieg der Schneegrenze (Aus fr voralpine Skigebiete) Abschmelzen der Gletscher berschwemmungen und Murgnge (Schutt aus Gestein/Wasser) CO2-Ausstoss: Unterschtzte Graue Energie Die Industrielnder haben sich verpflichtet (Rio 2002) den CO2-Ausstoss zu stabilisieren und in der Folge zu senken. Unter grauer Energie werden vorgelagerte Energieverbruche bezeichnet, die fr die Her- und Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen bentigt werden (Bau von Husern, Produktion von Maschinen etc. und anschliessend verwendet werden: Flugverkehr, Elektrizitt, Importe und Exporte) Im Kanton Solothurn entstehen 38 % der CO2Emissionen infolge grauer Energie. Beispiel: Ein Hellraumprojektor verbraucht Strom. Jedoch hat auch seine Herstellung schon Strom verbraucht. Grafik Seite 122: Wann verbrauchen Energie verbrauchende SolothurnerInnen keine graue Energie? Sie mssen sich total abschotten und Selbstversorger werden. Es drften keine Produkte von aussen zugekauft werden, denn dort wo diese Gter hergestellt werden, wurde fr deren Produktion nicht-erneuerbare Gter verwendet. ca. 40 % des Ausstosses an CO2 stammt von grauer Energie. Mglichkeiten zur Reduktion des Anstieges der CO2Konzentration in der Atmosphre Schutz bestehender Kohlenstoffsenken (Wlder) und Reduktion CO2 Emissionen Vergrsserung der Speicherkapazitt der Kohlenstoffsenken (Wlder) Technisches Potenzial Umsteigen auf erneuerbare Energiequellen Recycling Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb, Brennstoffzellen oder Biotreibstoffen Effizientere Technologien bei Raumheizung und Klimatisierung Wrmedmmung in Gebuden Instrumente und Massnahmen gegen den Klimawandel 28

Ausbildungsprogramme Subventionen, Preispolitik Verbote (Grenzwerte, Produktvorschriften) Freiwillige Vereinbarungen (Zielverpflichtungen, Umweltmanagementsystem) Umweltabgaben (Lenkungsabgaben: VOC, CO2) Internationale Klimapolitik (Emissionshandel, Clean Development Mechanism CDM) Luftbelastung durch Feinstube Im Weiteren werden Feinstbe wie PM10 erzeugt, die durch ihre Lungengngigkeit fr die Gesundheit der Menschen gefhrlich werden knnen.

10.4 Mit umweltfreundlicher Energienutzung in die Zukunft Erneuerbare Energien o Energien sind dann erneuerbar, wenn sie mit oder ohne Zutun des Menschen immer oder immer wieder zur Verfgung stehen. Dies im Gegensatz zu nicht-erneuerbaren Energietrgern, wie etwa die fossilen Energietrger Erdl und Erdgas, die bei der Energienutzung verbraucht werden. o Sonnenenergie Fast alle erneuerbaren Energien gehen direkt oder indirekt auf die Sonnenenergie zurck. Das Problem besteht darin, dass die Nutzung dieser enormen Energiequelle bisher deutlich teurer und schwieriger war als die Nutzung der anderen Energietrger. o Nicht-Sonnenenergie Die einzigen erneuerbaren Energiequellen, die nichts mit der Sonne zu tun haben, sind die Erdwrme und die Gezeitenenergie (Ebbe und Flut). o Arten erneuerbarer Energiequellen Kernfusion in der Sonne Photovoltaik (Solarzellen) Sonnenkollektor (Heizung) Bioproduktion o Biogaskraftwerk o Biogasheizung Verdunstung, Niederschlag, Schmelzen o Hochdruck- oder Speicherkraftwerk (Stausee) o Niederdruck- oder Laufkraftwerk (Flusskraftwerk) Bewegung in der Atmosphre o Windkraftwerk Wellenbewegung o Wellenkraftwerk Meeresstrmungen o Meeresstrmungskraftwerk Gravitation der Planeten Gezeiten (Ebbe und Flut) o Gezeitenkraftwerk Isotopenzerfall im Erdinnern Geothermik (Erdwrme) o Geothermisches Kraftwerk o Geothermische Heizung o Nachteile erneuerbarerer Energiequellen Noch nicht ausgereifte Technik (besonders Wellen- und Meeresstrmungskraftwerk) Sehr kostenintensiv (besonders Sonnenenergie) Umweltfreundliche Energienutzung o Die Formen rationeller Energienutzung versuchen mit technischen Neuerungen den Wirkungsgrad der Energienutzung zu erhhen. Man nennt diese Alternativen zu den konventionellen Energietrgern Erdl, Erdgas und Kernenergie alternative Energiequellen. A Wrmepumpe Nutzung von Wrme aus Sonnenkollektoren, Erdwrme und die Abwrme von Khlwasser grosser industrieller Anlagen, vor allem zum Heizen. Das Prinzip ist genau das gleiche wie beim Khlschrank: Whrend der Khlschrank seinem Innenraum Wrme entzieht und an seiner Hinterseite ungenutzt an die Umgebungsluft abgibt, entzieht die Wrmepumpe einer Wrmequelle die Wrme und gibt sie konzentriert als Heizwrme ab. B Die Wrme-Kraft-Koppelung Es wird Strom erzeugt und gleichzeitig Abwrme zum Heizen genutzt. 29

Aus verwendeten Primrenergietrgern wird Strom erzeugt und nebenbei die Abwrme genutzt. Dadurch lsst sich ein hoher Wirkungsgrad erzielen. C Das Solarkraftwerk Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Zwei Prinzipien: o Solarthermisch: In solarthermischen Anlagen wird die Sonnenstrahlung in Kollektoren oder Spiegeln konzentriert, mit der Hitze Wasser verdampft und auf Turbinen geleitet. o Solarelektrisch (Photovoltaik): Solarzellenkraftwerke arbeiten mit vielen einzelnen Solarzellen, die zusammengeschaltet werden. Solarzellen knnen Sonnenstrahlung durch das photovoltaische Prinzip direkt in elektrische Energie umwandeln. Nachteil: o hohe Erzeugniskosten o Standortanforderungen D Windkraftwerk Einflgler nutzen starke Winde, whrend Dreiflgler auch geringen Wind optimal ausnutzen knnen. Die erzeugte Energiemenge ist in der dritten Potenz von der Windgeschwindigkeit abhngig: Eine doppelte Windgeschwindigkeit verursacht achtfache Leistung. Nachteil: o Windstille Tage o Optische Auswirkung E Biogasanlage Biogas oder Faulgas (Methan CH4) entsteht durch Vergren von organischen Abfllen. Der Bau und Betrieb lohnt sich in Bauernbetrieben erst ab etwa 30 40 Grossvieheinheiten. Wasserkraftwerk Fliessendes Wasser ist kinetische Energie. ber das Laufrad einer Turbine treibt es direkt einen Generator an. Die dabei umgewandelte Energiemenge hngt von der Fallhhe des Wassers und der Wassermenge ab. Niederdruckkraftwerk o Laufwasserkraftwerk (geringe Fallhhe) Hochdruckkraftwerk o Speicherkraftwerke (hohe Fallhhe) Norwegen erreicht fast 100 % der Stromversorgung mit der Wasserkraft. Gezeitenkraftwerk Die Gezeitenenergie wird nutzbar, wenn dazu geeignete Meeresbuchten mit einem Damm abgeschlossen werden. Mit jedem Flutzyklus wird der Stauraum aufgefllt und das Stauwasser anschliessend ber Turbinen abgeleitet. Wie umweltfreundlich sind erneuerbare Energiequellen? o Wasserkraftwerke Wasserkraftwerke haben mit dem Bau riesiger Staumauern von oft mehr als 100 m Hhe und mit der berflutung weiter Landschaften eine enorme Auswirkung auf die Umwelt. Zudem ist der Bau von Wasserkraftwerken immer mit der Umsiedlung von Menschen verknpft. o Gezeitenkraftwerke Salzwasserwatt verndert sich zu einem Ssswassersumpf Konsequenzen fr Tier- und Pflanzenwelt EnergieaufUmweltbelastungen durch Betrieb wand und EnergieUmweltBoden / LandschaftsFauna / nutzung belastung RaumWasser Luft Lrm bild Flora bei der verbrauch Erstellung WrmeKraftmssig mssig mssig gering gering erheblich gering Koppelung Windkraftgering gering mssig gering keine keine gering werk Solarkraftgering gering mssig gering keine keine keine werk 30

Gezeitenerheblich mssig mssig erheblich erheblich keine keine kraftwerk Wassererheblich erheblich erheblich erheblich erheblich keine gering kraftwerk Ergnzende Aufgaben o Wo kommt Kohlenstoff vor? berall wo das Leben ist, ist Kohlenstoff im Spiel. o Wo und wie wird Kohlenstoff umgesetzt? Kohlenstoff wird produziert durch Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdl, durch die Atmung von Lebewesen, durch Pflanzen und durch die Zersetzung von Tieren. o Stellen Sie Ihr Ergebnis in einem Modell des Kohlenstoffkreislaufs dar. Mit der Atmung und durch die Zersetzung von Lebewesen und Pflanzen und durch Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdl wird Kohlenstoff ausgestossen. Dieser Kohlenstoff kann ber lange Zeit in der Erde oder am Meeresboden abgelagert werden (Inkohlung) und es entstehen Kohle (am Land) und Erdgas- und Erdl-Bestnde (im Wasser). Erdl findet man heute deshalb nicht nur unterhalb des Wassers, weil frher die Ozeane die ganze Welt bedeckte. Mit der Photosynthese entsteht aus Kohlenstoff wieder Sauerstoff. Wirtschaftlicher Nutzen der Klimapolitik o Geringere Energiekosten, weniger Energie-Importe, Reduktion der Auslandabhngigkeit o First mover: Know-how Vorsprung fr CH-Technologe und CH-Management o Einsparungen bei den externen Kosten: Umweltschutzkosten, Gesundheitskosten o Einsparungen bei der Katastrophenvorsorge: Versicherungsprmien

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5. Wirtschaft und kologie


1. Wirtschaft auf die Anklagebank? Ist die Wirtschaft fr die Belastung der Umwelt verantwortlich? o Wachsende Weltbevlkerung o Unsere steigenden Ansprche o Steigende Produktionsmglichkeiten 2. Die Vision der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit o Der Begriff Nachhaltigkeit stammt ursprnglich aus der Forstwirtschaft und wurde erstmals 1713 von Hans Carl von Carlowitz festgeschrieben: Fortan sollte nur noch so viel Holz geschlagen werden, wie durch Wiederaufforstung nachwachsen konnte. o Im Rahmen der Sorge ber die Endlichkeit der Rohstoffe und die Auswirkungen ihres Verbrauchs auf die Umwelt entlehnte und erweiterte die Weltkommission fr Umwelt und Entwicklung (norwegische Ministerprsidentin Brundtland, Brundtland-Kommission) das Prinzip der Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft. o Definition Nachhaltige Entwicklung oder kurz Nachhaltigkeit (sustainable development) steht fr eine Entwicklung, die gewhrleistet, dass die Bedrfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Mglichkeiten knftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedrfnisse zu beeintrchtigen. Nachhaltigkeit ist nichts anderes, als von den Zinsen zu leben und nicht von der Substanz von den Zinsen, die uns die Erde mit ihren reichhaltigen Schtzen zur Verfgung stellt. o Synonyme dauerhaft, zukunftsfhig, durchhaltbar, kologisch tragbar, haushlterisch Die 3 Dimensionen der Nachhaltigkeit o Mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit ist die Einsicht verbunden, dass die kologischen Probleme nicht isoliert von der konomischen und sozialen Entwicklung betrachtet werden drfen. Es wird eine Balance angestrebt. Es wird ein ganzheitliches Denken erfordert um die Balance herzustellen. o Die drei Dimensionen sind gleichberechtigt und bilden die Ecken des Nachhaltigkeitsdreiecks: Umweltziele (kologische Dimension) Erhaltung des Lebensraums fr Menschen, Tiere und Pflanzen Schonender Umgang mit den Ressourcen Artenvielfalt erhalten Vermehrter Einsatz erneuerbarer Ressourcen Abkehr von nicht erneuerbarer Energien Verminderung der Umweltschden durch Schadstoffe Wirtschaftliche Ziele (konomische Dimension) Erhaltung des Wohlstands und der Entwicklungs- und Leistungsfhigkeit der Wirtschaft Einkommen und Beschftigung erhalten Wettbewerbsfhigkeit und Innovationskraft frdern Verursacherprinzip bei Umweltschden durchsetzen Gesellschaftliche Ziele (Soziale Dimension) Gesundheit und Sicherheit garantieren Gleichstellung von Mann und Frau Menschenrechte durchsetzen Bildung und Kultur frdern o Aspekte der Nachhaltigkeit: Verteilt auf die drei Handlungsfelder
Umwelt Ozonschwund, Treibhauseffekt, Ressourcen, Wirtschaft Innovationen, Steuern, Abgaben, Subventionen Bodenfruchtbarkeit, Kostenwahrheit Sicherheit, Landverbrauch Schadstoffe Gesellschaft

Wohlstand, Arbeitspltze

Partizipation (Mitsprache, Bildung, Information, Kulturelle Identitt, Solidaritt

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Aus diesen Aspekten lassen sich Indikatoren fr die Nachhaltigkeit ableiten. So lsst sich die Nachhaltigkeit zu messen.

Wie lsst sich Nachhaltigkeit im Verkehr beurteilen/messen? Umwelt Klima o Treibhausgasemissionen koschicht o Ozonschichtzerstrende Emissionen Habitate und Landschaft o Unzerschnittene Flchen Lufthygiene o Belastung im Siedlungsgebiet (O3, NO2, PM10) o NO2-Emissionen o VOC-Emissionen Wirtschaft Ressourcen o Anteil erneuerbare Energie o Verbrauch fossiler Energietrger o Energieintensitt Kostenwahrheit o Externe Schadenskosten o Deckungsgrad betriebswirtschaftliche Kosten (Kostenwahrheit) Preis o Preise von definierten Verkehrsleistungen Sicherheit o Verkehrsopfer o Verbrechen o Gefahrloses Spielen im Freien o Schulwegsicherheit Gesellschaft Lrm o Belastung am Wohnort o Belastung von Schutz. und Erholungsgebieten Wohnen/Flchen o Verkehrsflchen o Anteil des Verkehrs an der Siedlungsflche Individualitt o Mglichkeit zur Verkehrsmittelwahl o Regelungsdichte Partizipation o Subjektive Zufriedenheit mit partizipativen Mglichkeiten Solidaritt o Gemeinwirtschaftliche Leistungen des Verkehrs pro Kopf o Erreichbarkeit Regionalzentrum mit V o Erreichbarkeit Versorgungseinrichtung fr tglichen Bedarf Global denken lokal handeln o Das Prinzip der Nachhaltigkeit wirkt am strksten wenn grenzberschreitend (internationale Staatengemeinschaft) nach Lsungen gesucht wird. Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro Aktionsplan Agenda 21 zur Lsung der anstehenden Probleme der Umweltund Entwicklungspolitik. o 179 Staaten (inkl. CH) Erdgipfel 1997 und 2002 in New York und Johannesburg Ernchternde Bilanz der Umsetzung der Agenda 21: Zu Gross sind die Differenzen zwischen Industrie- und Entwicklungslndern. Die Entwicklungslnder wollen sich auch wie einst die Industrielnder ihren Wohlstand erarbeiten. o Auf allen Massstabsebenen Die Umsetzung einer nachhaltigen Umweltpolitik muss nicht nur auf der globalen Ebene geschehen, sondern auch in den Regionen und Gemeinden: Lokale Agenda 21 o 3. Grundlagen der Umweltkonomie Umweltgter sind ffentliche Gter 33

Die Umwelt (Luft, Wasser, Landschaft, Wald, Meere) stehen allen zur Verfgung, es gibt keine Eigentumsrechte. Nicht-Ausschliessbarkeit (exklusivitt): Niemand kann von der Nutzung ausgeschlossen werden Nicht-Rivalitt: Die Nutzung beeintrchtigt nicht die Nutzung durch andere Personen o Problem: Trittbrettfahrer und Allmendeproblem Im Gegensatz zu Privaten Gter (zu denen Sorge getragen wird weil sie einem selbst gehren) sind ffentliche Gter gratis. Die Nutzer sind Trittbrettfahrer, niemand ist bereit fr die Her- oder Bereitstellung der ffentlichen Gter zu bezahlen. So entstand ein Zustand, in dem die ffentlichen Gter so genutzt werden, als wren sie in berflle existierende und unzerstrbare freie Gter. Die Gter werden verschwendet. Dies nennt man Allmendeproblem. Beispiel: berfischung (bernutzung) der Weltmeere Weil die Ozeane allen unentgeltlich als Fischgrnde zur Verfgung stehen, wird gefischt, was das Netz hlt, als wren die Bestnde unerschpflich. o Sind Umweltgter wirklich ffentliche Gter? Nein, zwar ist ihre Nutzung nicht exklusiv, aber bei vielen Gtern wird bei deren Nutzung die Nutzung durch andere Personen beeintrchtigt. Die Allgemeinheit und die Natur bezahlen die externen Kosten o Umweltkosten (Schdigung der Umwelt; die Kosten werden auf Drittpersonen bertragen) die beim Konsum und der Produktion entstehen und nicht in den Endpreis des Gutes einberechnet sind nennt man externe Kosten. o Die Unternehmer haben die Tendenz externe Kosten zu generieren, da sie fr diese nicht aufkommen mssen (z.B. Ableitung des verschmutzten Wassers in einen Fluss anstatt zu filtern). Dies nennt man Externalisierung der Kosten. Wie teuer sind Umweltschden o Externe Kosten im Strassen- und Schienenverkehr: Unflle verursachen Kosten durch die medizinische Frsorge und krperliche Schden der Opfer Luftverschmutzung schdigt unsere Gesundheit, den Walt, die Bden, aber auch die Gebude Durch den Ausstoss von Treibhausgasen ist der Verkehr beteiligt an der anthropogenen Verstrkung des Treibhauseffekts Verkehrslrm (Folgen: Stress, Gesundheitsschden) Stau (verlorene Arbeits- oder Freizeit) o Die externen Kosten des Strassen- und Schienenverkehrs in der Schweiz drften bei vorsichtiger Schtzung etwa 10 Milliarden Franken pro Jahr betragen. o Weil der Preis dieser externen Kosten nicht in den Preis der Mobilitt (Auto, V) integriert ist, werden zu viele Ressourcen nachgefragt, als volkswirtschaftlich sinnvoll wre. Es entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Ergnzende Fragen o Weshalb hat in der Tabelle (5-1, S. 50) der Schienenverkehr keine externen Kosten im Bereich Klimawandel? Die SBB hat eigene Kraftwerke und kann gut nachweisen dass sie ihren Strom CO2nachhaltig produziert. Dieselloks werden in der Schweiz vernachlssigt o Welche externen Kostenbereiche fehlen in obiger Tabelle Rckstellungen fr zuknftige Risiken fehlen sthetik Tiere und Pflanzen (Biodiversitt) Der Gterkreislauf Produktion Konsumtion Recycling Entsorgung Die Gterkreislufe sollen geschlossen werden. ss o 4. Umweltpolitik der Staat greift ein Marktversagen o Im Sinne der Externen Kosten werden die Umweltgter zu stark beansprucht. Der Markt versagt, der eigentlich den Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeitskraft, Boden, Kapitalgter und Umweltgter regulieren sollte. Es kommt zu einem Marktversagen. Grenzwerte o Der Staat muss versuchen mit seiner Umweltpolitik dieses Marktversagen einzudmmen. o Der Staat muss festlegen, wie viel Umweltverschmutzung noch tolerierbar ist um den Lebensraum fr uns und fr zuknftige Generationen zu erhalten. Der Staat legt Grenzwerte (Hchstwerte) fr die Umweltverschmutzung fest und erhlt dadurch die folgenden mglichen Massnahmen zu seiner Verfgung: 34

a) Anregung zu freiwilligem Umweltschutz Der Staat fordert Unternehmensverbnde auf, mittels Selbstverpflichtung und freiwilligen Umweltvereinbarungen die Grenzwerte einzuhalten. Gleichzeitig macht der Staat darauf aufmerksam, was er bei Missachtung zu tun gedenkt. Beispiele: o Kein Pfand fr PET-Flaschen o Biolabels Pro o eignen sich dann, wenn sie ohne grosse Opfer (Kosten) erbracht werden knnen und wenn sie fr die Unternehmung auch als Reklame (Public Relations) eingesetzt werden knnen Contra o Nicht sehr effektiv o Unerwnschter finanzieller Zusatzaufwand fr Unternehmen b) Planerische und technische Massnahmen 1. Massnahmen, die die Nutzung der Umweltgter und der Ressource Boden im Hinblick auf ihren umweltschonenden Einsatz planen. o Beispiel: Raumplanung Raumplanung ist eine Sammelbezeichnung fr alle planerischen Massnahmen, die auf die Entwicklung des Raums in gewnschten Bahnen abziehen. In der Schweiz wird eine Raumentwicklung angestrebt, die mit dem knappen Boden sorgsam, haushlterisch und nachhaltig umgeht und eine Raumstruktur schafft und erhlt, in der es sich angenehm wohnen, effizient wirtschaften und erholsam die Freizeit verbringen lsst. 2. Beseitigung externer Kosten durch die Frderung des Einsatzes neuer und umweltschonender Technologien o Beispiel: Recycling Recycling gibt einmal verbrauchte Rohstoffe nicht einfach verloren, sondern fhrt sie in den Produktionskreislauf zurck. In der Schweiz ist das Recycling sehr erfolgreich. o Beispiel: Flchenrecycling neuer Umgang mit dem Boden Im Rahmen des Wandels vom zweiten zum dritten Wirtschaftssektor entstehen Industriebrachen. Die brachliegenden Flchen sind oft mit Schadstoffen belastet. Die Sanierung von solchen Flchen verursacht sehr oft hohe Kosten weshalb diese Flchen nicht wiederbenutzt werden, sondern es werden oft neue Flchen ausserhalb des Siedlungs- und Industriegebietes erschlossen. Das Flchenrecycling bezweckt die Sanierung und Umnutzung von belasteten, altindustriellen Standorten. z.B. in Zrich-Nord (ABB-Areal in Zrich-Oerlikon) Pro o einfach realisierbar o selten politische Gegner Contra o Die Erfolge beim Recycling werden oft durch das gleichzeitige Wachstum von Raum- und Gterkonsum wieder zunichte gemacht. c) Gebote, Verbote und Auflagen Unter Vorschriften werden Umweltauflagen und Bewilligungsverfahren verstanden. o Beispiele: Beu neuer Fabriken Betrieb von Kernkraftwerken Arbeit und Forschung mit Gentechnik Unter Verbote wird das Verbot von umweltgefhrdender Stoffe verstanden. o Beispiele: Verbot der ozonschichtabbauenden FCKW-Treibgase (Spraydosen) Pro o Umweltauflagen wirken schnell und sicher o Es kann sehr einfach festgeschrieben werden, was erlaubt ist und was nicht. Contra o Selten eine politische Mehrheit (Unternehmer Umweltverbnde) 35

Vollzugskrise Flut von Gesetzen und Verordnungen zum Schutz der Umwelt Der ntige berwachungsapparat ist meist berfordert o Fehlender Anreiz Sind Auflagen einmal eingehalten, so ergibt sich fr die Wirtschaft kein Anreiz mehr, die Grenzwerte noch weiter zu untertreffen. o Auflagen haben keinen Einfluss auf die Gesamthaft ausgestossene Schadstoffmenge. Wohl kann eine Fabrik ihre Auflagen einhalten, wenn aber daneben eine neue Fabrik gebaut wird, ist das absolute Ausmass der Umweltverschmutzung dennoch doppelt so gross. d) Marktwirtschaftliche Instrumente Internalisierung externer Kosten Kostenwahrheit o Marktwirtschaftliche Instrumente der Umweltpolitik zielen darauf ab, den Verursachern die Kosten fr ihre Umweltbelastung anzulasten. o Beispielsweise sind die Preise fr den Verkehr zu tief und nicht verursacher- und kostengerecht. o Wer (externe) Kosten verursacht, soll diese auch bezahlen. Internalisierung der externen Kosten o Die externen Kosten werden in die Herstellungskosten und damit in die Preise einberechnet. o Erhhte Preise fhren in der Regel zu rcklufiger Nachfrage. Indem die Unternehmer umweltschonende Produkte anbieten, wird sich jedoch die Nachfrage wieder erhhen. o Auch nach der Internalisierung wird es noch externe Kosten geben. Allerdings nur in dem Umfang, wie die Nachfrager sie durch ihre Nachfrage (langfristig) akzeptieren. Lst die Internalisierung aller externen Kosten (Kostenwahrheit) unsere verkehrsbedingten Probleme? (Fussangeln) o Im Verwirrspiel um die Relevanz der externen Nutzen hat die Wissenschaft noch keine einheitliche Stimme. o Die ungedeckten Kosten des ffentlichen Verkehrs (vor allem der Bahn) sind ungefhr gleich hoch wie diejenigen des privaten Strassenverkehrs, dies vor allem wegen der hohen Infrastruktur- und Betriebsdefizite. Das Prinzip Kostenwahrheit knnte vollstndig umgesetzt zu einem Eigentor fr den ffentlichen Verkehr werden. o Einige Externalitten sind nur sehr schwer zu beziffern. Es wird nie mglich sein, der Umwelt einen richtigen Preis zu geben. o Effektivitt: Eine Umlegung der berechenbaren externen Kosten auf die Preise bewirkt wenig: die Emissionen des Schwerverkehrs durch die LSVA sinken nur um durchschnittlich 8 %. Instrumente zur Internalisierung o 1. Emissionszertifikate Entsprechend dem Umweltziel wird eine fixe Gesamtmenge an zulssigen Schadstoffemissionen gesetzlich bestimmt und in Zertifikaten verbrieft. Diese werden versteigert und sind spter handelbar. Der Besitzer darf die Umwelt im Umfang der von ihm erworbenen Zertifikate verschmutzen. Auch Umweltverbnde knnen Zertifikate kaufen und diese dann stilllegen. Die Betriebe knnen selbst entscheiden, ob sie umweltschonender produzieren oder Verschmutzungszertifikate kaufen wollen. Pro Maximales Ausmass der Verschmutzung wird festgelegt Contra Wie das die Zertifizierung der CO2-Emissionen im Kyoto-Protokoll (1997) zeigt, liegt die Schwierigkeit in der erstmaligen Verteilung der Zertifikate. o 2. Umweltabgaben Der Verbrauch oder die Verschmutzung des Produktionsfaktors Umwelt wird mit einer Abgabe belastet. Auch hier bleibt die Entscheidung beim Unternehmer, ob er die Umweltbelastung vermeidet oder die Abgabe bezahlt. Beispiele: o 36

Abfallsackgebhr Vorgezogene Entsorgungsgebhren bei PETFlaschen, Computern und Khlschrnken Belastung von Energietrgern entsprechend ihrem CO2Ausstoss (fossile Energietrger Erdl, Erdgas und Kohle) o LSVA (Leistungsabhngige Schwerverkehrsabgabe) Die Abgaben ergeben einen Anreiz die Umwelt zu entlasten Entscheidungsspielraum fr die Unternehmer

Pro Contra Hhe der Abgaben wird meist zu tief angesetzt 3. kologische Steuerreform kosteuern werden auf den nicht-erneuerbaren Primrenergietrgern Erdl, Erdgas und Kohle oder auf den Endenergien wie Benzin, Heizl und Strom erhoben. Umverteilung Einnahmen aus kosteuern werden nicht zweckgebunden fr Umweltaufgaben verwendet, sondern fliessen dem Staatshaushalt und damit der Allgemeinheit zu.

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13. Verkehr
1. Verkehr Mobilitt o Gut funktionierende Verkehrswege spielen in einer globalen Wirtschaft eine grosse Rolle o Allerdings kostet die Mobilitt sehr viel: Rohstoffe, Luftverschmutzung, Krankheiten Definition Verkehr o Verkehr bezeichnet die Raumberwindung durch Personen, Waren und Nachrichten. Ursache des Verkehrs o a) Verteilung der Rohstoffe und Gter im Raum Es entsteht Arbeits- und Wirtschaftsverkehr. o b) Rumliche Trennung (Wohn- und Arbeitsort sind unterschiedlich) Es entsteht Pendler- und Einkaufsverkehr. Der Pendlerverkehr macht 25 % der Tagesdistanz im Schweizer Verkehrsaufkommen aus. o Ursache der Verkehrszunahme a) Tertirisierung Geschftsleute verursachen viel Personenverkehr b) Arbeitsteilige Produktion Waren werden kaum noch am selben Ort von A Z hergestellt. Waren werden kaum noch am selben Ort verkauft wo sie hergestellt werden. c) Hhere Einkommen und mehr Freizeit Mobilitt ist ein bedeutender Spassfaktor in der heutigen Freizeitgesellschaft. Von 85 Minuten, die ein Schweizer unterwegs ist, entfallen 40 Minuten auf den Freizeitverkehr. Der berwiegende Anteil dieses Verkehrs wird mit dem Auto bewltigt. d) E-Mail, Internet und Videokonferenzen verkleinern das Verkehrsaufkommen nicht, sondern vergrssern es Verkehrsarten o Motorisierter und nicht-motorisierter Verkehr o Personen- oder Gterverkehr o Motorisierter Individualverkehr und ffentliche Verkehrsmittel Verkehrsmittel o Das Auto ist in der Schweiz das wichtigste Verkehrsmittel (70 % der Strecken). o Die langsamen Verkehrsmittel (Fuss, Fahrrad) haben vorwiegend beim Einkaufen Bedeutung. Definition Modal Split o Anteil der mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurckgelegten Personenkilometer am Gesamtverkehr oder einer Teilmenge. Dichtes Verkehrsnetz in der Schweiz o Die Schweiz besitzt ein sehr dichtes Verkehrsnetz (> 70'000 km), wobei die Nationalstrassen seit den Sechzigerjahren stark ausgebaut wurden. o Die Grsse des Eisenbahnnetzes (1600 km) hat sich seit 1950 kaum vergrssert. o Bis in die Achtzigerjahre wurde vor allem dem Strassenbau Prioritt zugeordnet. In der Folge hat der Schienenverkehr etwas aufgeholt. Die Investitionen in die Strasse betragen aber immer noch das Doppelte. Personenverkehr vs. Gterverkehr o Die Nachfrage im schweizerischen Personenverkehr wuchs zwischen 1970 und 2000 um mehr als zwei Drittel auf etwa 105 Milliarden Personenkilometer an (15'000 km pro Person und Jahr). o Im Gegensatz zum Gterverkehr ist jedoch beim Personenverkehr seit etwa 1985 das Wachstum im ffentlichen Verkehr deutlicher gewesen als beim privaten Strassenverkehr. Der private Strassenverkehr macht 80 % aus und die ffentlichen Verkehrsmittel 20%. o Im Gterverkehr ist die Bedeutung der Schiene stark zurck gegangen. Binnen- vs. Transitverkehr o Etwa die Hlfte der in der Schweiz gefahrenen Tonnenkilometer dient dem Binnenverkehr (Gtertransport innerhalb der Schweiz). Anders als beim Binnengterverkehr dominiert beim Transitgterverkehr die Bahn. o Der Anteil des Transitverkehrs auf der Schiene betrgt zurzeit ca. 70 % was vor allem aufgrund der Massnahmen in der Verkehrspolitik erreicht wurde. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Schiene in sterreich und Frankreich bei nur 25 % resp. 27 %. 2. Verkehrstrger im Vergleich Raumfressende Verkehrsanlagen

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Die Verkehrsinfrastruktur braucht grosse Rume und schliesst sie weitgehend von anderen Nutzungen aus. 2.2 % der Landesflche der Schweiz werden durch den Verkehr beansprucht. o Ein weiteres Problem ist die Zerschneidung von Landschaften, was zum Rckgang naturnaher Rume und damit zum Artenrckgang beitrgt. Energieverbrauch o Beim Energieverbrauch des Verkehrs wird die dominierende Stellung des Strassenverkehrs deutlich. Der rasch wachsende Luftverkehr legt allerdings krftig zu, whrend der Energieverbrauch bei den Eisenbahnen sogar rcklufig ist. a) Schienenverkehr o Die entscheidende Transporttechnologie fr die frhe Industrialisierung. o Mit dem Bau von Eisenbahnlinien entstanden im 19. Jahrhundert bedeutsame Zentren auf Grund der gewachsenen Standortgunst. o Personenverkehr Hochgeschwindigkeitszge bieten schnelle Verbindungen zwischen den Grossstdten an. Der Nahverkehr (Pendler) wird durch U- und Schnellbahnen abgedeckt. o Gterverkehr Konkurrenz der Schiene zum Strassenverkehr Rollende Landstrasse: Kombinierter Verkehr von Frachtcontainern mit Lastwagen und Bahn (Huckepack). o Umwelt Der Schienenverkehr ist sehr umweltfreundlich und sparsam im Raumkonsum. Tiefer Energieverbrauch und tiefer Schadstoffausstoss In vielen Lndern fhrt die Bahn allerdings mit Diesel oder mit Strom aus Kohlekraftwerken, wodurch sich sowohl die Energie- als auch die Schadstofbilanz der Bahn verschlechtert. o Schweiz Die Schweizer sind mit 40 Bahnfahren und durchschnittlich 1800 km pro Jahr sehr gut im Bahnfahren. In Europa wird durchschnittlich gerade 750 km Bahn gefahren. In den USA liegt der Wert bei 32 km bei nur einer Bahnfahrt alle zwei Jahre. b) Strassenverkehr o Personenverkehr Drei Viertel aller PKWs fahren auf den Strassen der reichen Industrielnder. In den Entwicklungslndern und den Lndern des Ostens verhinderten bisher die tiefen Einkommen die Massenmobilisierung. Luftbelastung durch Feinstbe Feine Schwebestabteilchen haben eine schdigende Wirkung auf die Gesundheit. Die gefhrlichsten Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometer heissen PM10. Diese knnen in die Lunge gelangen, wo sie ihre schdliche Wirkung entfalten. Erhhte PM10-Werte an strassenexponierten Lokalitten deuten darauf hin, dass der motorisierte Strassenverkehr die Hauptquelle der PM10-Belastung darstellt. o Gterverkehr Weil der Gterverkehr geringere Kosten als die Lagerung verursacht, kommt es zu einem rollenden Lager auf der Strasse. o Umwelt Der Strasseverkehr trgt nicht alle von ihm verursachten Kosten. Es kommt zu unsinnigen Verkehrsbewegungen. Die Auswirkungen sind der gravierende Energieverbrauch und die Luftbelastung. Der Personenwagenbestand hat sich seit 1950 in der Schweiz um 20 vervielfacht. o Sicherheit im Strassenverkehr Der Strassenverkehr fordert sehr viele Verkehrsopfer. c) Schiffsverkehr o Die Binnenschifffahrt hat ausgenommen von den grossen europischen Wasserstrassen Rhein, Donau und Wolga nur noch eine geringe Bedeutung. o Die Seeschifffahrt aber transportiert grosse Mengen von Industriegtern in Containern. Viele Schiffe fahren unter Billigflaggen wie etwa Liberia, Panama, Zypern oder Malta: Tiefere Versicherungen, Sicherheitsstandards sowie billige auslndische Seeleute senken die Kosten. Folge: Tankerunglcke verschmutzen die Umwelt o Schweiz Basler Rheinhafen ist einer der wichtigsten Binnenschifffahrtshfen Europas. Die Binnenschifffahrt hat in der Schweiz lediglich fr den Standort Basel grssere Bedeutung. d) Flugverkehr o 39

o o

Personenverkehr Betrachtet man die Prognosen im Luftverkehr, so scheint kein Ende des Flugverkehrs-Booms in Sicht. Gterverkehr Der Frachtflugbereich wchst auch sehr. Umwelt Der Flugverkehr ist der mit Abstand umweltschdlichste Verkehrsbereich. Die von den Dsenflugzeugen ausgestossenen CO2-Emissionen betragen heute 10 % des Gesamtausstossen uns sind klimawirksamer, da sie in einer Hhe von 10 12 km ausgestossen werden. Die Schadstoffe knnen nicht durch Niederschlge auf die Erde ausgewaschen werden. Schweiz Die volkswirtschaftliche Bedeutung von ZRH ist fr die Region Zrich gross. Zielkonflikt: Lrmbelastung

2. Verkehrspolitik Die Verkehrspolitik sucht den Interessenausgleich zwischen der Befriedigung von Verkehrsbedrfnissen und der Erhaltung der Lebensqualitt im Lebens- und Wirtschaftsraum. Grundzge der schweizerischen Verkehrspolitik o Die schweizerische Verkehrspolitik konzentriert sich auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen des ffentlichen Verkehrs. Wichtiger Grundsatz beim V ist die flchendeckende Erschliessung mit Schiene, Bus und anderen Verkehrsmitteln, Grundversorgung genannt. o Ziele Umweltgerechter Verkehr Strkung des V zu Lasten des Individualverkehrs Finanzierbares und effizientes Verkehrsystem Modernisierung und mehr Wettbewerb zwischen den Bahnen Europische Verkehrspolitik Nord-Sd-Transit, Gemeinsame Verkehrspolitik mit der EU o Massnahmen a) Leistungsabhngige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) Verursacherprinzip: Wer viel Lastwagen fhrt, zahlt auch viel. Die LSVA schafft einen Anreiz vermehrt die Schiene zu verwenden. Die Einnahmen werden fr den Unterhalt der Strassen, fr den Bau der NEAT und die Ausweitung des V verwendet. b) Modernisierung der Bahninfrastruktur Seit 1950 wurde die Bahninfrastruktur nur wenig modernisiert. Jetzt soll der Schienenverkehr attraktiver gemacht werden. Massnahmen o NEAT (Basistunnel am Gotthard und Ltschberg) Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) Kernstck sind die Basistunnel Gotthard und Ltschberg krzere und schneller Nord-Sd-Verbindung Integration der Ostschweiz Die Ostschweiz wird an die NEAT angeschlossen o Bahn 2000 Grossbauvorhaben der Bahn Knotenprinzip: Die Zge kommen in den wichtigen Verkehrsknoten im Stunden- oder Halbstundentakt gleichzeitig an und fahren wenig spter weiter. Die Fahrzeiten zwischen den wichtigsten Knoten sollen auf unter eine Stunde gedrckt werden. Zwei Etappen: bis 2005: Ausbau jener Strecken, die fr die Attraktivittssteigerung am meisten bringen und Investition in modernstes Rollmaterial (Neigezge und Doppelstockwagen) ab 2005: Verfeinerung des Knotenprinzips o Lrmsanierung Lrmsanierung des Rollmaterials Lrmschutzwnde Einbau von Schallschutzfenstern o Anschluss an das europische Hochgeschwindigkeitsbahnnetz Wesentliche Verkrzung der Reisezeiten 40

Alternative zur Strasse und zum Flugzeug schaffen c) Bahnreform Mehr Flexibilitt und unternehmerische Freiheit fr die Bahnen Abschied von der Staatsbahn (unternehmerische Freiheit aber auch finanzielle Verantwortung) freier Netzzugang im Gterverkehr und in Teilen des Personenverkehrs d) Bilaterales Landverkehrsabkommen Schweiz EU Ziele o Sicherung einer umweltgerechten schweizerischen Verkehrspolitik o Koordinierte Verkehrspolitik zum Schutz des gesamten Alpenraums Massnahmen o Nachteil: Erhhung der 28-Tonnen-Limite auf 40 Tonnen o Vorteil: Freier Marktzugang, koordinierte Verkehrspolitik e) Verlagerungsgesetz und flankierende Massnahmen Steuerung der Verlagerung des Gterverkehrs auf die Schiene Alpenschutzartikel in der Bundesverfassung (Art. 84) Der Bund hat das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs zu schtzen. Der Transitverkehr von Grenze zu Grenze hat auf der Schiene zu erfolgen.

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5. Bevlkerungsentwicklung
5.1 Problem Die Weltbevlkerung wchst nicht, sie explodiert: Brachte die Menschheit fr ihre erste Milliarde bis ins Jahr 1800 noch Zehntausende von Jahren, erfolgte die letzte Verdoppelung von drei auf sechs Milliarden innerhalb der letzten rund 40 Jahre. 5.2 Begriffe Die Bevlkerung bildet die Gesamtheit aller in einem fest umgrenzten Gebiet lebenden Menschen. Die Demografie (Bevlkerungslehre) versucht den Ursachen und Wirkungen von Bevlkerungsvernderungen auf den Grund zu gehen. Die Bevlkerungsgeografie (Teilgebiet der Demografie) beschreibt rumliche Bevlkerungsverteilungen und -strukturen

Zeit 0 1000 1700 1800 1960 1986 1993 1999

Mio. Menschen 200 400 600 1000 3000 5000 5500 6000

5.3 Wie misst man die Bevlkerungsentwicklung? Gesamtbevlkerung o Die Gesamtbevlkerung eines Gebietes ist abhngig von der natrlichen Bevlkerungsentwicklung und der Migration. Gesamtbevlkerung = Bg = F (natrliche Bevlkerungsentwicklung, Migration) Die natrliche Bevlkerungsentwicklung ergibt sich durch die Differenz von Geburten (G) und Sterbefllen (S). Migration heisst Wanderung. Einwanderer (E) erhhen die Gesamtbevlkerung, Auswanderer (A) senken sie. Die Anfangsbevlkerung wird mit Ba bezeichnet. Gesamtbevlkerung = Bg = Ba + (G S) + (E A) o Whrend in einer kleinen Raumeinheit wie etwa einem Land die Ein- bzw. Auswanderer einen grossen Einfluss auf die Bevlkerungsentwicklung haben knnen, sind sie in einer sehr grossen Raumeinheit wie etwa einem Kontinent weniger wichtig. Untersucht man die ganze Erde, so ist die Wanderungsbilanz gleich null. o Man sagt, die Bevlkerungsentwicklung sei wie ein Regenfass. Demografische Kennziffern o Geburtenziffer (Geburtenrate) (in angegeben) Anzahl der jhrlichen Lebendgeburten auf je 1000 Einwohner. o Sterbeziffer (Sterberate) (in angegeben) Anzahl der jhrlichen Sterbeflle auf je 1000 Einwohner. o Kinderzahl pro Frau (Fertilittsrate) Anzahl Lebendgeburten die eine Frau im gebrfhigen Alter von 15 bis 45 Jahren durchschnittlich zur Welt bringt. Ersatzniveau der Fertilitt (Nullwachstum der Bevlkerung) Die Kinderzahl pro Frau fr eine stabile Bevlkerung wre 2.00. Wird jedes Paar durch ein neues ersetzt, bleibt die Bevlkerung langfristig stabil. Berechnungen von Demografen ergeben einen Wert von durchschnittlich 2.13 Kindern pro Frau, damit die Weltbevlkerung gleich bleibt. Weltweit Der weltweite Durchschnittswert liegt bei 2.79 Kindern pro Frau. Whrend die Fertilitt in Schwarzafrika bis auf 8 steigen kann, liegt sie in den meisten Industrienationen zwischen 1.5 und 1.9. Bestimmungsfaktoren fr die Fertilitt wirtschaftliche Bestimmungsfaktoren Steuerliche Erleichterung fr Familien Kinder sind teuer Generationenvertrag (Altersvorsorge: Die Schicht im erwerbsfhigen Alter sorgt fr die Alten: Kinder sind fr die Altersvorsorge nicht mehr notwendig.) Kinder als wirtschaftliche Grundlage fr die Altersvorsorge kulturelle Bestimmungsfaktoren Zeitaufwand fr Kinder Religion Emanzipation (Die Karriere der Frau) politische Bestimmungsfaktoren schlechte Infrastruktur (Kinderkrippen) Wenig Frderung von kinderfreundlicher Politik 42

Betreuung und Untersttzung von Familien Familienpolitik (Geburtenregelung) Konflikte und Kriege soziale Bestimmungsfaktoren Ansehen von Familien mit mehr als 5 Kindern (Imagefragen) Bildung technische Bestimmungsfaktoren Verhtungsmittel Hygiene Medizinische Versorgung Kommunikationstechnik (Information ber Verhtungsmittel) Kennziffer Geburtenrate, Fertilitt Sterberate, Mortalitt Lebenserwartung, berlebenswahrscheinlichkeit, Vitalitt Migrationsrate, Wanderungssaldo diverse Sozialindikatoren Bemerkung / Wirkung Wachstumsrate, Bevlkerungspyramide Wachstumsrate Bevlkerungspyramide Bevlkerungspyramide, Demografisches Altern, (beralterung) Generationvertrag push-pull-Faktoren Fertilitt, Lebenserwartung

Bevlkerungsprozess Geburt Tod Individuelles Altern

nat. Bevlkerungsbewegung nat. Bevlkerungsbewegung Lebenszyklus

Rumliche Mobilitt Soziokonomische Mobilitt Dependency load Generationenvertrag Lebneserwartung Vitalitt

horizontale Mobilitt, Migration vertikale Mobilitt

Erwerbsttige versus Abhngige Quotient (Junge + ltere Generation) / Erwerbsttige (Jugendlast und Alterslast) Erwachsene/Erwerbsttige sorgen fr jngere und ltere Generationen Lebenserwartung ab Geburt altersspezifisische berlebenswahrscheinlichkeit

5.4 Die Gesetzmssigkeiten des Bevlkerungswachstums Begriffe o Wachstum bezeichnet eine absolute Zunahme der Bevlkerung um einen bestimmten Betrag. o Wachstumsrate (in % angegeben) (r) steht fr die durchschnittliche, jhrliche Zunahme der Bevlkerung in Prozenten. Die Wachstumsrate ergibt sich als Differenz aus der Geburtenund Sterbeziffer. Wachstumsrate (r) = Geburtenziffer Sterbeziffer Beispiel In einem Land ereignen sich auf 100'000 Einwohner jhrlich 4000 Geburten und 2000 Sterbeflle. Am Jahresende leben somit auf je 1000 20 Menschen mehr als zu Jahresbeginn. Die Wachstumsrate betrgt: r = 40 (Geburtenrate) 20 (Sterberate) = 20 = 2 % o Wie knnte eine Differenz zwischen der Wachstumsrate und der Anzahl Kindern pro Frau entstehen? Krieg Krankheiten (Aids) Bevlkerungswachstum o Das durchschnittliche Bevlkerungswachstum (r) in der Welt betrgt 1.4 %. o In den Industrielndern findet nur ein geringes oder gar ein negatives Bevlkerungswachstum statt. o Fr die meisten Entwicklungslnder jedoch ist ein hohes Bevlkerungswachstum kennzeichnend. Gesetzmssigkeiten der Wachstumsrate o Exponentielles Wachstum Im Gegensatz zum linearen ist beim exponentiellen Wachstum nicht der absolute Zuwachs sondern die Zuwachsrate (r) konstant. Wachstumsrate der Bevlkerung (Zinseszinsrechnung) t Nt = N0 (1 + r) Bevlkerung nach der Zeit t Nt Bevlkerung zu Beginn, t = 0 N0 43

r Wachstumsrate r (als Dezimalbruch: 10 % = 0.1) t Zeit in Anzahl Jahren Verdoppelungszeit t 2N0 = N0 (1 + r) Sie beschreibt wie lange es dauert, bis sich eine Bevlkerung bei konstanter Zuwachsrate verdoppelt hat. log 2 t= log(1 + r) In einigen Staaten in Afrika herrschen Wachstumsraten von gegen 8 %. Die Verdoppelungszeiten liegen somit bei ca. 9 Jahren. Wohl hatte Liberia 1998 mit ca. 9 Jahren die krzeste Verdoppelungszeit. Im Vergleich mit einem Riesen wie Indien (960 Mio. Einwohner) war Liberias Einwohnerzahl mit 2.5 Mio. allerdings viel geringer. Annherungsformel (Faustregel) = 70 / Wachstumsrate (in %) Z.B. 70 / 2 % Wachstumsrate = 35 Jahre fr Verdoppelung der Bevlkerung eines Gebietes In der Schweiz betrgt die Zuwachsrate 0.75 %, die Verdoppelungszeit in Jahren 93. Die weltweit krzesten Verdoppelungszeiten finden sich in Afrika sdlich der Sahara.

5.5 Der Wettlauf zwischen Storch und Pflug Thomas Malthus o Wchst eine Hasenkolonie ber ihre Grenzen, so folgt eine Phase, in der viele Hasen hungern oder von Fchsen gefressen werden. In der Folge schrumpft die Hasenzahl auf eine gesunde Grsse zusammen. Wie verhlt es sich mit den Menschen? o Thomas Malthus (1766 1834) erkannte, dass die Weltbevlkerung exponentiell wchst. Er erahnte auch bereits eine nahende berbevlkerung: Nach Malthus wchst die Bevlkerung exponentiell, die Nahrungsmittelversorgung aber nur linear. Ab dem Schnittpunkt wrde das Bevlkerungswachstum durch Hungersnte und Kriege gewaltsam gestoppt. Nach Malthus wrde die Bevlkerung zwar exponentiell wachsen, wrde aber an bestimmten Punkten immer wieder gestoppt und knnte somit keine reine exponentielle Wachstumskurve beschreiben. Man spricht vom Sfrmigen Wachstum. Das Sttigungsniveau wird gebildet durch die Tragfhigkeit der Region. Gemeint ist damit die Fhigkeit einer Region, eine bestimmte Anzahl Menschen zu ernhren. Geschieht die Annherung ans Sttigungsniveau vorsichtig von unten, ohne dieses zu berschreiten, spricht man von Vernunftverhalten. Weshalb tritt ein S-frmiges Wachstum auf? Tragfhigkeit der Region (Verteilungskmpfe Krieg um die Nahrungsmittel) o berbevlkerung berbevlkerung herrscht, wenn die Bevlkerungszahl das Sttigungsniveau bersteigt, also die Bevlkerung eines Gebietes nicht mehr ausreichend versorgt werden kann. Langfristig pendelt sich die Bevlkerungszahl auf der Hhe des Sttigungsniveaus ein. Das anfnglich exponentielle Wachstum flacht sich in der Nhe des Sttigungsniveaus ab. Dadurch erhlt die Kurve ihr s-frmiges Aussehen. Nach Malthus msste die Kurve zuerst das Sttigungsniveau berschreiten, danach durch Krieg und Elend sinken und mit der Zeit sich am Sttigungsniveau einpendeln. Malthus heute? o Kritiker von Malthus argumentieren, es sei nie ein Beweis fr das lineare Wachstum der Nahrungsmittelversorgung gefunden worden. Viel eher htten in der Vergangenheit auftretende Nahrungsengpsse den Erfindergeist der Menschen beflgelt und htten so in der Landwirtschaft zu Fortschritten gefhrt. o Eines ist aber klar: Die Nahrungsmittelversorgung ist und bleibt ein Schlsselproblem bei anhaltendem Weltbevlkerungswachstum. o Regional kann die Tragfhigkeit des Raumes schnell berschritten werden (z.B. Sahelzone in Afrika) 44

Tragfhigkeit o Die natrliche Tragfhigkeit des Raumes hngt von den Nutzungsansprchen der Bewohner ab und ist daher von Gebiet zu Gebiet verschieden. Die Nutzungsansprche erwachsen aus der technologischen Entwicklungsstufe und dem Lebensstandard der Gesellschaft. Der Boden in Afrika trgt nur so viele Bewohner, wie er direkt ernhren kann. Ein Dienstleistungsland wie die Schweiz hingegen, versorgt sich nur zu drei Fnfteln mit Lebensmitteln aus dem Inland der Rest wird zugekauft. Die wirtschaftliche Tragfhigkeit des Raumes in hoch entwickelten Lndern kann also weit hher liegen als in Agrarstaaten. Ernhrung der Weltbevlkerung o Die Ernhrung der Weltbevlkerung ist vor allem ein Verteilungsproblem. o Hunger und Armut in Afrika stehen Nahrungsmittelberschssen in Europa und Nordamerika gegenber.

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6. Bevlkerungsstruktur vom Aufbau der Bevlkerung


6.1 Altersstruktur Lateinamerika, Afrika und Asien o Rund die Hlfte aller Einwohner ist weniger als 15 Jahre alt. o Dieser hohe Anteil an Jugendlichen wird die wiederum Bevlkerung anwachsen lassen. Schweiz o 2000: Auf 100 erwerbsttige Schweizer 29 Pensionierte 2040: Auf 100 erwerbsttige Schweizer 56 Pensionierte o Immer weniger erwerbsttige Personen tragen die Sozialversicherungsausgaben. Rumliche Variierung der Bevlkerung o Abwanderung junger Menschen vom lndlichen Raum in die Stadt hinterlsst eine alte Landbevlkerung (verlassene Bergdrfer). o Warme und wintermilder Mittelmeerraum: Rentnerparadiese bevlkert von Pensionren 6.2 Geschlechtergliederung Es werden rund 6 % mehr Knaben als Mdchen geboren, erst im hheren Alter verschiebt sich das Verhltnis zugunsten der Frauen, da die Mnner durchschnittlich frher sterben. China o Die Abtreibung und der Kindsmord an Mdchen infolge der staatlich geforderten Ein-KindFamilie ist ein markanter Mnnerberschuss in der chinesischen Gesellschaft zu beobachten. Kriege o Kriegsereignisse wirken auf Geschlechtergliederung ein (Frauenberschsse, weniger Geburten infolge der Not). Wirtschaft o Die Wirtschaft wirkt ebenso auf die Geschlechtergliederung ein. So erhhte die lindustrie den Anteil der mnnlichen Einwohner Alaskas auf stattliche 56 %. 6.4 Bevlkerungspyramide (Alterspyramide) Die Bevlkerungspyramide, auch Alterspyramide genannt, zeigt die wichtigsten Zusammenhnge der Bevlkerungsentwicklung auf. Die Bevlkerungspyramide zeigt Mnner und Frauen, nach Geschlecht getrennt und Alter geordnet. o Die vertikale y-Achse trgt das Alter in Einjahres- wie auch Fnfjahresschritten geteilt. o Die horizontale negative x-Achse ist den Anzahl Mnnern, die positive den Anzahl Frauen zugeteilt. Form Glocke Dreieck Bienenkorb Urne

typisch fr Eigenschaften

Beispiel

Entwicklungslnder Typisch fr diese Form ist die enorm breite Basis der Pyramide. Die durchgebogenen Flanken entstehen durch hohe Sterblichkeiten im Kindes- und Erwachsenenalter. Kenia

Entwicklungslnder Im Gegensatz zur Glocke verengt sich die Basis beim Dreieck als Folge der sinkenden Geburtenrate.

Industrielnder Die Geburten- und Sterberate halten sich ungefhr die Waage, die Flanken verlaufen quasi senkrecht. Erst im Alter nimmt die Sterblichkeit zu. Schweiz 1960

Indien

Industrielnder Bei sehr tiefen Geburtenraten erfhrt die Bevlkerungspyramide eine Einschrung beim Kindes- und Jugendlichenalter. Relativ dazu erscheinen die hohen Alter ausgebaucht. Japan

Typische Grundformen o Zeichnet man die Bevlkerungspyramide vieler Lnder, so ergeben sich typische Grundformen bestimmter Lndergruppen. o Entwicklungslnder haben ganz andere Bevlkerungspyramiden als Industrienationen. 46

Wie lese ich eine Bevlkerungspyramide? o Die beiden Hlften Mnner und Frauen mssen nicht symmetrisch sein. In einer Altersgruppe knnen beispielsweise die Frauen berwiegen. Eine Ursache fr diesen Umstand sind beispielsweise Kriege. Die Lcken sind nur auf einer Seite. o Gewisse Jahrgnge zeigen sich als sehr geburtenschwache Jahrgnge. Diese Geburtenausflle sind die Ergebnisse besonders harter Lebensbedingungen wie sie etwa in Kriegen oder Wirtschaftskrisen vorherrschen. In diesem Fall weisen beide Seiten der Pyramide Lcken auf. o Verbessern sich die Lebensumstnde kann auch ein Geburtenanstieg ersichtlich sein. Es entstehen sowohl bei den Mnnern wie auch den Frauen grosse Ausbauchungen. Diese Generation nennt man Babyboomer. Der Geburtenanstieg endete pltzlich Mitte der Sechzigerjahre, als die Antibaby-Pille erfunden wurde. Man spricht vom Pillenknick. Problem der Entwicklungslnder: beralterung (Dependency load) Phnomene o Python (Schlange) ber die Zeit wandert die breite Stelle (Babyboom) nach oben. o Echo Eine Babyboomer-Generation hat selber wieder Kinder. Diese wird ausschlagen.

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7. Weltbevlkerung gestern, heute und morgen


7.1 Bevlkerungsverteilung eine Momentaufnahme zur Jahrtausendwende Bevlkerungsdichten 2 o Die arithmetische Bevlkerungsdichte ist die Anzahl Einwohner je km . Arithmetische Bevlkerungsdichte = Einwohnerzahl 2 Flche (in km ) Schweiz = 7.09 Millionen = 172 Einwohner/km2 oder 1.72 Einwohner/ha 2 41'284 km Nachteil: Die Bevlkerungsverteilung innerhalb eines Landes bleibt unbercksichtigt. Im Schweizer Mittelland leben viel mehr Menschen als im Alpenraum. 2 Die arith. Bevlkerungsdichte gyptens betrgt 66 Ew./km , aber ca. 99 % der Bevlkerungen wohnen im fruchtbaren Niltal mit nur 3 % der Landesflche. o Die physiologische Bevlkerungsdichte bercksichtigt die Bevlkerungsverteilung besser. Sie wird gebildet durch das Verhltnis zwischen der Bevlkerungszahl und der landwirtschaftlich produktiven Flche. Einwohnerzahl physiologische Bevlkerungsdichte = 2 landwirtschaftlich produktive Flche (in km ) Nachteil: Die Aussagekraft ist hoch bei Landwirtschaftslndern, tief bei Dienstleistungslndern (z.B. Schweiz), weil hier der Wohlstand nicht durch die Landwirtschaft erwirtschaftet wird. Hotspots der Weltbevlkerung o Die Weltbevlkerung ist sehr ungleich ber den Globus verteilt. Die Ballungsrume sind: Ostasien (China, Korea, Vietnam) Sdasien (Indien, Pakistan, Bangladesch) Westeuropa Nordosten der USA o Weshalb sind die Ballungsrume gerade dort? Fruchtbare Flussebenen (als Grundlage fr die Landwirtschaft) kstennahen riesigen Schwemmfcher der Strme o Unterschied zwischen Asien und Europa/Nordamerika Asien: Grosse Masse der Bevlkerung befindet sich auf dem landwirtschaftlich genutzten Land Europa/Nordamerika: Lndlicher Raum ist dnn besiedelt, Grossstdte und Agglomerationen sind im Vordergrund berbevlkerung im leeren Afrika o Afrika ist relativ dnn besiedelt und trotzdem spricht man von berbevlkerung. Die Tragfhigkeit des Raums ist aus geologischen und klimatologischen Grnden sehr tief. 7.2 Entwicklungslnder Begriffe Merkmale von der Entwicklungslnder o tiefes Pro-Kopf-Einkommen o geringer Beschftigtenanteil im industriellen, hoher im landwirtschaftlichen Sektor o hohe Arbeitslosenrate o Kapitalmangel fr Investitionen o hohes Bevlkerungswachstum o mangelhafte medizinische Untersuchung o hohe Analphabetenquote und schlechtes Bildungswesen Wirtschaftliche Kenngrssen zur Messung der Entwicklung o Bruttosozialprodukt (BSP) = Geldwert aller innerhalb eines Staates hergestellten Gter o Pro-Kopfeinkommen = BSP / Bevlkerungszahl Wirtschaftliche und Soziale Kenngrsse zur Messung der Entwicklung o Human Development Index (HDI) UNO-Kennziffer Er setzt sich zusammen aus den drei Entwicklungsdimensionen Lebenserwartung bei der Geburt, Bildung (Alphabetisierungsquote) und dem Lebensstandard (gemessen an der Kaufkraft pro Kopf). Fr eine Entwicklung im Sinne des HDI mssen arme Lnder nicht auf einen wirtschaftlichen Aufschwung warten. Wirtschaftliche Einteilung (UNO, IWF, Weltbank) o Entwicklungslnder (EL) (developing countries) o Least developed countries (LDC) o Newly industrialized countries (NIC) (Schwellenlnder) o Industriestaaten (Europa, Nordamerika, Australien und Asien) 48

Dritte Welt ein politischer Begriff o Politische Begriffe aus den Sechzigerjahren: Dritte Welt (frher blockfreie Staaten, heute Entwicklungslnder) Zweite Welt (kommunistische Planwirtschaftslnder) Erste Welt (westliche Industrielnder) Trikontlnder und Trikont o Trikont ist ein geografischer Begriff und meint die drei Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika. 7.3 Bevlkerungsexplosion Problem o In wenigen Jahrzehnten ist die Weltbevlkerung explosionsartig gewachsen (1999: 6 Milliarden Menschen). Bevlkerungsentwicklung in den Industriestaaten o Die Bevlkerungsexplosion ist nicht nur ein Phnomen der Entwicklungslnder, sondern auch der Industrielnder. Demografischer bergang o Demografischer bergang bedeutet eine Abfolge von Vernderungen in den Geburten- und Sterbeziffern: Nach einem Gleichgewicht mit hoher Sterbe- und Geburtenziffer sank pltzlich die Sterbeziffer erheblich ab. Verzgert sank auch die Geburtenrate.

Der nachfolgende demografische bergang wurde in den heutigen Industrielndern beobachtet. Spter wird sich erklrt, dass diese Entwicklung trotzdem nicht 1:1 auf die heutigen Entwicklungslnder bertragbar ist. 1. Frhe Gleichgewichtsphase Vorindustrielle Gesellschaft: Hohe Geburtenrate und hohe Sterberate Die Bevlkerung wchst kaum. Hohe Schwankungen der Geburten- und Sterberate (infolge Seuchen, Hungersnten und Kriegen) berlebenskurve: Von 100 % in einem Jahr Geborenen erreichen um 1800 nur ca. 50 % das 15., nur 10 % das 40. Altersjahr. Reproduktionszwang: Wer im Alter wenigstens ein 40-jhriges Kind haben will, muss 10 Kinder zeugen. 2. Frhe Wachstumsphase Industrialisierung: Verbesserung der Lebensbedingungen: Fortschritte in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, sanitarische Einrichtungen Tiefere Sterberate Geburtenziffer bleibt unverndert hoch (Reproduktionszwang endet noch nicht) Die Bevlkerung wchst explosionsartig. 49

3. Spte Wachstumsphase Sehr tiefe Sterbeziffer (bessere Lebensbedingungen) Kinder verlieren ihre wirtschaftliche Bedeutung als Helfer der Eltern und als Altersvorsorge Das Aufziehen von Kindern in der Stadt wird zu einer wirtschaftlichen Last Kleinfamilie setzt sich als Ideal durch Geburtenziffer zieht versptet nach unten Die Bevlkerung wchst langsamer o 4. Spte Gleichgewichtsphase Geburten- und Sterbeziffer sind beide sehr tief. Die Bevlkerung wchst nicht mehr. o 5. bergangsphase zur Bevlkerungsphase Es stellt sich kein Gleichgewicht ein. Geburtenrate sinkt unter die Sterberate o Historische Bevlkerungsentwicklung der Industrielnder Glocke, Dreieck, Bienenkorb und Urne knnen in der dargestellten Reihenfolge von links nach rechts, als Abbild der historischen Bevlkerungsentwicklung der Industrielnder betrachtet werden: Das Phnomen Bevlkerungsexplosion betrifft nicht nur die Entwicklungslnder. Weltweite Ausstrahlung o Die Bevlkerungsexplosion Europas hatte weitreichende Folgen auf die ganze Welt: Kriegerische Handlungen Infektionskrankheiten fortschrittlicheres Gesundheitswesen / sanitarische Einrichtungen Bevlkerungsanstieg in den Koloniallnder (die Sterbeziffer sank) o Bevlkerungsentwicklung in den Entwicklungslndern o Unterschiede zu den Industrielndern Das Auseinanderklaffen von Geburten- und Sterbeziffern erreichte in den Entwicklungslndern ein in den Industrielndern nie gesehenes Ausmass. In diesem Zusammenhang spricht man von einer sich immer weiter ffnenden Schere. Damit wird die Bevlkerungsentwicklung in der Phase des strkeren Wachstums charakterisiert. In den Industrielndern sank die Geburtenziffer als Folge von Modernisierung und Industrialisierung. In den Entwicklungslndern hingegen sinkt die Geburtenziffer, obwohl die Lebensbedingungen nicht verbessert werden. Damit funktioniert die Theorie der Entwicklungshilfe Entwicklung ist die beste Geburtenregelung nicht. Ab 1920 laufen die Kurven fr die Geburten- und die Sterbeziffer immer weiter auseinander, sie verlaufen wie die beiden Schneiden einer Schere. o Familienplanung und Verhtung Der in den meisten Entwicklungslndern beobachtete Geburtenrckgang beruht auf den ersten Erfolgen der staatlichen Familienplanung und dem Zugang zu Verhtungsmitteln und hat somit nichts zu tun mit Modernisierung und Entwicklung. Die Jungen von heute sind die Eltern von morgen Am Ende des demografischen bergangs in Europa haben sich die Bevlkerungswerte mit der sinkenden Geburtenrate stabilisiert. Dieser Befund ist aber nicht auf die Entwicklungslnder bertragbar: Selbst wenn es gelingen wrde, das Ersatzniveau der Fertilitt zu erreichen, wird die Weltbevlkerung gleichwohl bis 2150 auf 11 Milliarden ansteigen. Begrndung: Rund ein Drittel der Einwohner der Entwicklungslnder ist unter 15 Jahre alt und kommt allmhlich ins fortpflanzungsfhige Alter. Allein die grosse Zahl Jugendlicher lsst die Weltbevlkerung noch jahrzehntelang steigen. Ein Bevlkerungsrckgang ist erst dann zu erwarten, wenn eines Tages die grosse Zahl heutiger Jugendlicher betagt stirbt und die Enkel weniger als 2 Kinder pro Paar zeugen werden.

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Trgheitsmoment der Bevlkerungsentwicklung Das heutige Bevlkerungswachstum der Entwicklungslnder verhlt sich trge. Die Ausbuchtung der Pyramide wchst stndig aufwrts, selbst wenn der eigentliche Antrieb aussetzt. Trends und Prognosen o Tendenz: Einsetzende Verlangsamung des Wachstums Die Wachstumsrate der Weltbevlkerung sank von 1.8 % (1980) auf 1.4 % (2000). 1.4 % Wachstum sind rund 86 Millionen Menschen mehr pro Jahr. Jedoch erst wenn das Wachstum ber lngere Zeit negativ ist, wird die Weltbevlkerung kleiner. o UNO-Bevlkerungsszenarien Die UNO prognostiziert eine Weltbevlkerung von 3.6 bis 27 Milliarden Menschen bis ins Jahr 2150, abhngig davon, wie ich die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau bis ins Jahr 2050 entwickeln wird. Mittleres Szenario Gelingt es, die Kinderzahl pro Frau bis ins Jahr 2050 auf das Ersatzniveau der Fertilitt von 2.13 zu senken und auf dieser Hhe zu halten, wrde sich die Weltbevlkerung bis 2150 bei ca. 11 Milliarden stabilisieren. Hohes Szenario Bewegt sich die Kinderzahl pro Frau auf 2.6 zu, wird die Weltbevlkerung auf 27 Milliarden steigen. Tiefes Szenario Bei einem Rckgang der Kinderzahl pro Frau auf 1.6 bis ins Jahr 2050 sinkt die Weltbevlkerung auf 3.6 Milliarden. o Unsicherheitsfaktor: Immunschwchekrankheit Aids Aids verzgert das Bevlkerungswachstum. 95 % der infizierten Menschen leben in Entwicklungslndern (v.a. sdlich der Sahara). Aids trifft hauptschlich die Altersklasse der Erwerbsttigen. 7.3 Bewltigung der Bevlkerungskrise Problem: Wie kann eine lebensfhige Welt fr 10 Milliarden Menschen geschaffen werden? Der Schlssel liegt im Schoss der Frauen o Problem In vielen Lndern ist den Frauen Bildung, Erwerbsttigkeit und gesundheitliche Versorgung verwehrt. In vielen Lndern ist die Mutterrolle oft die einzige Mglichkeit fr eine Frau, zu sozialem Status zu gelangen. Gerade deshalb aber sind viele Frauen in ihren Entscheidungen ber Heirat und Familiengrsse eingeschrnkt. o Empowerment der Frau Die Strkung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Stellung der Frau steht derzeit im Zentrum vieler regionaler und internationaler Programme zur Eindmmung des Bevlkerungswachstums. Ziel: Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter Wenn Frauen frei entscheiden knnten, htten sie weniger Kinder. 51

spter heiraten, haben sie spter und daher weniger Kinder. gebildeter sind, haben sie weniger Kinder. o Recht auf reproduktive Gesundheit Anerkennung grundstzlicher Rechte der Frau im Bereich Fortpflanzung und Sexualitt. Frauen und Mnner haben das Recht (Menschenrecht) ein befriedigendes und ungefhrliches Sexualleben zu haben. frei darber zu entscheiden, ob, wann und wie viel Sex sie haben wollen. ber Familienplanung informiert zu werden und Zugang zu Verhtungsmitteln zu haben o Problem: Die Industrielnder mssen das Empowerment durchsetzen, den Entwicklungslndern alleine fehlt das Geld. Familienplanung von kleinen, wohlhabenden und glcklichen Familien o Familienplanung ist ein Menschenrecht o In vielen Entwicklungslndern sieht die Realitt allerdings anders aus, vielen Eltern fehlen die Mglichkeiten zur Familienplanung. o Der weltweite Trend der sinkenden Zuwachsraten wird zu 10 bis 40 % den Massnahmen staatlicher Familienplanungspolitik zugeschrieben. Bereits 15 % mehr verhtende Paare reichen aus, um die totale Fertilittsrate um 1 Kind zu senken. Nur so wre das Tiefe Szenario der UNO-Bevlkerungsentwicklung mglich.

Wird die Familienplanung von 55 % auf 70 % erhht, sinkt die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau um 1 Kind. Beispiele China Ziel: Stabilisierung der Bevlkerung auf 1.2 Milliarden Ein-Kind-Familie Durchfhrung: o Zwangssterilisation o Geldbussen Probleme: o Arbeitermangel o Chinesische Tradition fordert mnnliche Stammhalter: unerwnschte Mdchen fallen oft dem Kindsmord zum Opfer bermnnlichung o Korruption Indonesien Ziel: Senkung der Geburtenziffer durch Aufklrung und Verhtungsmittel Grosser Erfolg (Fertilittsrate sank von 5.4 auf 2.6) Japan Ziel: Die Landreserven sollen ausreichen Programm wurde bereits in den Fnfzigerjahren gestartet Durchfhrung: o legale Abtreibung Grosser Erfolg: Fertilittsrate liegt mit 1.5 % unter dem Ersatzniveau Probleme: o Zu wenig Kinder: Alterung

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