LP Philosophie Leistungsfach

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LEHRPLAN PHILOSOPHIE

Leistungsfach in der gymnasialen Oberstufe

Impressum Ministerium fr Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (Hrsg.) Mittlere Bleiche 55116 Mainz Telefon: 06131 16-0 Fax: 06131 16 29 97 E-Mail: [email protected] Redaktion: Dr. Klaus Sundermann, Ministerium fr Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Layout: Ute Nagelschmitt, Pdagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach Druck: Rheinhessische Druckwerksttte Alzey Erscheinungstermin: August 2011

Lehrplan Philosophie
Leistungsfach in der gymnasialen Oberstufe

INHALT
VORWORT 1 FACHDIDAKTISCHE KONZEPTION .......................................................... 7

1.1 Der Beitrag des Fachs Philosophie im Kontext schulischer Bildungs- und Erziehungsprozesse....................................................................7 1.2 Ziele des Philosophieunterrichts Kompetenzen im Philosophieunterricht .......9 1.3 berblick zur Verdeutlichung des Zusammenhangs von Denkmethoden und Kompetenzen ............................................................................................12

MATERIALIEN UND BEARBEITUNGSFORMEN ........................................ 14

2.1 Diskursive und prsentative Materialien und Bearbeitungsformen im Philosophieunterricht........................................................................................14 2.2 Textbearbeitungsstrategien..............................................................................18 2.3 Kreative Arbeitsformen im Philosophieunterricht..............................................20 2.4 Der philosophische Essay ................................................................................20 2.5 Das Gedankenexperiment ...............................................................................23 2.6 Die philosophische Problemreflexion ...............................................................27 2.7 Philosophieren mit Bildern ...............................................................................30 2.8 Die philosophische Problemreflexion mit Bildern .............................................32

UNTERRICHTSORGANISATION ............................................................. 36

3.1 Differenzierung von Grundkurs und Leistungskurs ..........................................36 3.2 Erluterungen zu den verbindlichen Arbeitsbereichen .....................................37 3.3 Verbindlichkeiten und Freirume......................................................................39 3.4 Beispiele fr die Verteilung der Arbeitsbereiche ber die Kurshalbjahre..........41

HINWEISE ZU DEN ARBEITSBEREICHEN ................................................ 43


Einfhrung in die Philosophie ..........................................................................43 Philosophische sthetik ...................................................................................47 Geschichtsphilosophie .....................................................................................51 Anthropologie...................................................................................................56 Sprachphilosophie ...........................................................................................61 Metaphysik.......................................................................................................65 Wissenschaftsphilosophie Naturphilosophie.................................................70 Ethik.................................................................................................................74 Erkenntnistheorie Philosophie des Geistes...................................................78 Politische Philosophie und Rechtsphilosophie.................................................84

VORWORT ZUM LEHRPLAN PHILOSOPHIE


Die Neufassung der Landesverordnung ber die gymnasiale Oberstufe vom Juli 2010 bietet Schlerinnen und Schlern in Rheinland-Pfalz erstmals die Mglichkeit, Philosophie als Leistungsfach zu whlen. Damit wird ein Fach gestrkt, das vor dem Hintergrund einer rasant voranschreitenden Entwicklung in Forschung und Technik und der zunehmenden Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Fachwissenschaften fr das Grundstzliche und Konstante steht: fr das reflektierende Innehalten und Hinterfragen, auch fr das ethisch begrndete Korrektiv. Im Fach Philosophie rcken fr junge Menschen in einer prgenden Phase ihrer Persnlichkeitsbildung existenzielle Fragen in den Horizont, die sie in einem groen geistesgeschichtlichen Kontext reflektieren. Diese entwickeln sie auch aktiv und kreativ weiter, arbeiten in klassischen Interpretationsformen ebenso wie im Gedankenexperiment, an Texten und Bildern. Der Orientierungsrahmen Schulqualitt fr Rheinland-Pfalz beschreibt beispielhaft Indikatoren fr die schulische und unterrichtliche Qualittsarbeit. Ein klar strukturierter Unterricht, der dem Prinzip der Wirkungs- und Kompetenzorientierung folgt, bezieht ber den Gegenstand des Unterrichtsfaches hinaus die Lebenswirklichkeit der Schlerinnen und Schler ein: Lernen ist definiert als ein aktiver und konstruktiver Prozess, der umso produktiver wirkt, wenn das Individuum Gelegenheit hat, das zu erwerbende Wissen und die zu lsenden Probleme als Teil eines subjektiv bedeutsamen Kontextes aufzufassen. Dabei sollen auch fachbergreifende und fcherverbindende Zusammenhnge hergestellt und Methodenkompetenzen auf der Grundlage eines flexiblen, variierenden pdagogischen Handelns entwickelt werden. Zu den berfachlichen Kompetenzen zhlen genuin philosophische wie das logische, analysierende und problemlsende Denken. Dieser Lehrplan beschreibt den Beitrag des Fachs Philosophie zu einem so ausgerichteten Zusammenwirken im Oberstufenunterricht. Er zeichnet das Profil eines Faches, das Jugendlichen zu ihren altersbedingten Fragen nach Sinnhaftigkeit und Werteorientierung Antworten aus Denkmodellen anbietet, mit denen sie sich auseinandersetzen. Der Philosophieunterricht fhrt die Schlerinnen und Schler hin zur Partizipation am philosophischen Diskurs und befhigt sie schlielich zum selbststndigen Philosophieren.

Der Lehrplan legt fr die Oberstufe insgesamt verbindliche Arbeitsbereiche fest und fhrt in ihre Thematik und ihren Problemhorizont ein. Dabei werden nicht nur obligatorische Inhalte definiert, sondern auch Frageimpulse, unterrichtspraktische Hinweise und Brcken zu anderen Fchern geboten. Eine ausfhrliche Handreichung wird in Krze erscheinen. Im Rahmen dieser Vorgaben, die zur Sicherung von Qualittsstandards festgeschrieben werden, lsst der Lehrplan manchen Handlungsspielraum, zum Beispiel in der Verteilung der verbindlichen Inhalte auf die einzelnen Kurshalbjahre, in der Verknpfung philosophischer Disziplinen und der Fllung verbleibender Zeiteinheiten. Die Lehrerinnen und Lehrer des Fachs Philosophie mgen diese Freirume nutzen und ausgestalten, wie es ihren Lerngruppen und auch den eigenen Erfahrungen und Prferenzen entspricht. Auf der Grundlage einer Standardsicherung, die fr die Vergleichbarkeit des Fachunterrichts unerlsslich ist, wird die Vielfalt der Zugnge, der Bearbeitungsformen und der einsetzbaren Materialien nicht nur ermglicht, sondern gewnscht. Ich danke den Mitgliedern der Fachdidaktischen Kommission fr die geleistete Arbeit.

Doris Ahnen Ministerin fr Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz

1 FACHDIDAKTISCHE KONZEPTION
1.1 Der Beitrag des Fachs Philosophie im Kontext schulischer Bildungs- und Erziehungsprozesse

Die gymnasiale Oberstufe verfolgt das Ziel, sowohl Bildungsprozesse zu initiieren (Erwerb von Kenntnissen, Methoden und Lernstrategien in den schulischen Aufgabenfeldern) als auch erzieherisch wirksam zu sein, insbesondere im Hinblick auf eine Orientierung an Grundrechten und Grundwerten des Grundgesetzes (vgl. Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Frderung der Menschenrechtserziehung in der Schule vom 14.12.2000). Neben Bildungsinhalten geht es im Unterricht der gymnasialen Oberstufe im Zusammenwirken mit der gesamten sozialen Umwelt der Schlerinnen und Schler und im Wechselspiel mit ihrer individuellen Motivation auch um eine Erziehung, die zur Persnlichkeitsentwicklung und strkung, zur Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung sowie zur Mitwirkung in der demokratischen Gesellschaft befhigt, wie im Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II vom 02.06.2006 die Zielsetzung formuliert wird. Neben der Selbststndigkeit der Schlerinnen und Schler bei der Aneignung von Bildungsinhalten hebt die Kultusministerkonferenz deutlich die Bedeutung der Persnlichkeitsentwicklung hervor, die die Mndigkeit der Schlerinnen und Schler im Denken, Urteilen und Handeln zum Ziel hat. Mndig werden junge Menschen, indem sie im Sinne KANTs den Mut entwickeln, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen und den selbststndigen Verstandesgebrauch zunehmend theoretisch und lebenspraktisch erproben. Innerhalb dieses Prozesses kann das Schulfach Philosophie einen Beitrag leisten, weil die Philosophie als Reflexionswissenschaft in hohem Mae Reflexions- und Dialogkompetenz schult Kompetenzen also, ber die junge Menschen verfgen mssen, um sich als mndige Brgerinnen und Brger der demokratischen Gesellschaft bzw. des demokratischen Rechtsstaats aktiv an privaten und ffentlichen Diskursen beteiligen zu knnen. Die Fhigkeit zur selbststndigen Steuerung von Lernprozessen, deren Frderung von der Kultusministerkonferenz und zunehmend in der Bildungsdiskussion von der Institution Schule erwartet wird und die auch in der modernen Didaktik der Philosophie ein Bildungsideal darstellt, ist grundlegend fr die weitere Entwicklung und Sozialisation von jungen Menschen in pluralistischen Wissensgesellschaften.

Diesem Bildungsanspruch soll auch zuknftig in Form einer neuen Aufgabenkultur auch im Schulfach Philosophie Rechnung getragen werden. Im Rahmen des Fcherkanons der Oberstufe ist das Schulfach Philosophie der Ort, an dem Schlerinnen und Schler philosophische Reflexionen in systematischer und philosophiegeschichtlich orientierter Weise einben. Der Didaktiker E. MARTENS betont, dass es in der Philosophie darum geht, Deutungen in einem prinzipiell unabschliebaren Reflexionsprozess wiederum zu deuten. Gerade der prozessuale Charakter der Philosophie kommt dem Bedrfnis junger Menschen entgegen, Sinnorientierung in der kritischen Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen zu suchen. Es gehrt zum philosophischen Bildungsprozess, dass die dazu notwendigen Kompetenzen (siehe Kap. 1.2) als erlernbare Kulturtechniken im Philosophieunterricht gefrdert werden. Angewandte Kulturtechniken des Philosophierens tragen zu einem Denken bei, das sich seiner selbst bewusst wird und zugleich das Denken anderer wahrnimmt, sich damit kritisch auseinandersetzt und den Wert menschlicher Kommunikation als Grundlage eines gelungenen menschlichen Miteinanders ansieht. Man denke nur daran, dass Philosophie als Diskurs durch zahlreiche Kulturen hindurch ber Jahrtausende hinweg Gesellschaften mit gestaltet hat. Die Souvernitt im Gebrauch der philosophischen Kulturtechniken eignen sich die Schlerinnen und Schler in der Begegnung und der kritischen Auseinandersetzung mit kulturell gewachsenen Wissensbestnden an, begleitet vom wachsenden Bewusstsein, dass das Selbstdenken, das sie dabei praktizieren, ihnen auch als Menschenrecht des Selbstdenkens (E. MARTENS) zusteht. Dieses sich bildende Selbstverstndnis des Lernenden impliziert im Kern die Selbstkultivierung des Menschen mit dem Ziel seiner Orientierung in komplexen, pluralistischen Gesellschaften. Der Didaktiker J. ROHBECK zeigt auf, inwiefern sich die Bildungslandschaft in einer Wissensgesellschaft der Herausforderung stellen muss, Bildungskonzepte zu entwickeln, die junge Menschen befhigen, sich in einer Gesellschaft zu orientieren, in der sich Wissen explosionsartig entwickelt. J. ROHBECK spricht von Paradoxien dieser Wissensgesellschaften, weil sich in ihnen Wissen einerseits rasant entwickelt, anderseits jedoch gleichzeitig sehr schnell veraltet. Dies hat in bildungstheoretischen Konzepten dazu gefhrt, dass Kompetenzen gefrdert werden mssen, die den Einzelnen in die Lage versetzen, immer komplexere Zusammenhnge zu erkennen, aus diesen zielgerichtet auswhlen zu knnen und sich selbst eine Identitt in einer sich stets wandelnden vernetzten Wissensgesellschaft aufzubauen. Nach ROHBECK vermag sich die Philosophie als Reflexionswissenschaft dieser Aufgabe zu stellen. So knnen beispielsweise philosophische Denkrichtungen wie Phnomenologie, Dialektik, Hermeneutik didaktisch fr Bildungsprozesse fruchtbar gemacht werden.

1.2

Ziele des Philosophieunterrichts Kompetenzen im Philosophieunterricht

Der Philosophieunterricht in der gymnasialen Oberstufe hat im Kern zum Ziel, Schlerinnen und Schler zur Partizipation an philosophischen Diskursen hinzufhren und sie zu befhigen, in der Auseinandersetzung mit philosophischen Positionen eigenstndig philosophische Problemstellungen zu entwickeln, zu formulieren und im philosophischen Diskurs (mit anderen) kritisch zu hinterfragen. Die Idee eines solchen Bildungsprozesses beinhaltet stets die Entfaltung der gesamten Person in ihrem kulturell-gesellschaftlichen Kontext. Um den Zielen des Philosophieunterrichts gerecht zu werden, sollten solche Kompetenzen gefrdert werden, die die Schlerinnen und Schler dazu befhigen, selbststndig zu philosophieren. Es geht in dieser Forderung nicht darum, Kompetenzen gegen Wissen auszuspielen; vielmehr ist selbststndiges Philosophieren ohne Wissen nicht mglich, und umgekehrt kann Wissen nur dann sinnvoll angeeignet werden, wenn die Schlerinnen und Schler ber genuin philosophische Kompetenzen verfgen. Im Philosophieunterricht geht es im Wesentlichen um drei Kernkompetenzen, die allen philosophischen Denkprozessen zu Grunde liegen. Diese Kernkompetenzen knnen kultiviert werden, indem Schlerinnen und Schler im Philosophieunterricht lernen, sie durch ganz verschiedene Denkmethoden zur Anwendung zu bringen und damit weiterzuentwickeln: (1) Fhigkeit zur Wahrnehmung existentieller Fragen in ihrem Spannungsreichtum, die in entwickelter Form als Haltung des Staunens oder radikalen Infragestellens (MARTENS) bezeichnet werden kann (2) Fhigkeit, offene Fragehorizonte in Bezug zu philosophischen Positionen oder zur Positionierung von Gesprchspartnern zu setzen (3) Fhigkeit der kritischen Reflexion philosophischer Positionen, die in eine erneute Positionierung mnden kann, die aber wiederum erneut staunend in Frage gestellt werden kann und so den eigenen Problemhorizont erweitert Nach J. ROHBECK handelt es sich bei Denkmethoden (Denkstilen) um elementare Varianten des Philosophierens, die von Denkrichtungen wie z. B. Phnomenologie, Dialektik oder analytischer Philosophie zu unterscheiden sind. Als elementare Varianten des Philosophierens sind Denkmethoden schon immer dem philosophischen Denken inhrent. Gleichwohl besitzen bestimmte Denkrichtungen eine besondere Affinitt zu bestimmten Denkmethoden, wie etwa die phnomenologische Denkrichtung zur ph-

nomenologischen Denkmethode oder die analytische Philosophie zur analytischen Denkmethode, da in ihnen in besonders typischer Weise bestimmte Denkmethoden zum Ausdruck kommen oder favorisiert werden, und zwar hinsichtlich der jeweiligen Argumentationsweise, der sprachlichen Diktion und der gesamten geistigen Grundhaltung. Entsprechend bringt beispielsweise die dialektische Denkrichtung in besonders typischer Weise die dialektische Denkmethode zum Ausdruck. Diese Denkmethoden kommen aber auch in anderen Denkrichtungen zum Tragen, weil jede Denkrichtung sich immer auch einer Pluralitt von Denkmethoden bedient. Im philosophiedidaktischen Ansatz von J. ROHBECK (bzw. von E. MARTENS) geht es nun darum, das didaktische Potenzial der Denkmethoden (Denkstile) fr den Unterricht fruchtbar zu machen, indem Schlerinnen und Schler lernen, die intuitiv schon immer auch von ihnen verwendeten Denkmethoden als Denkmethoden des Philosophierens zunehmend bewusster wahrzunehmen und in der Partizipation an philosophischen Diskursen auch zunehmend bewusster und souverner anzuwenden. Diese zu erwerbenden Kompetenzen befhigen beispielsweise zum Analysieren (etwa von Begriffen, Sachverhalten oder Problemstellungen) Konstruieren (etwa einer Argumentationssequenz oder eines Begriffs) Wahrnehmen von Phnomenen (etwa eines verklingenden Tons oder von Angst oder Sorge) Verstehen (als Horizontverschmelzung der eigenen Position mit anderen) Gestalten (etwa als sthetische Verdichtung, Assoziieren, Gedankenexperiment, Spekulieren) Im Laufe des Oberstufenunterrichtes sollten Schlerinnen und Schler mit philosophischen Positionen verschiedener Denkrichtungen im problemgeschichtlichen Kontext konfrontiert werden, um durch einen sich immer weiter anwachsenden Reflexionshorizont genuine Denkmethoden verschiedener philosophischer Denkrichtungen bewusst wahrzunehmen und zunehmend in der Lage zu sein, diese auch in eigenen Reflexionshandlungen bewusst anzuwenden.

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Die in der Bonner Erklrung der Deutschen Gesellschaft fr Philosophie zum Philosophie- und Ethikunterricht genannten Kompetenzen sind solche, deren Bedeutung ber das Fach Philosophie hinausgeht und die daher auch in anderen Fchern oder im Zusammenspiel mit ihnen erworben werden knnen. Sie stellen allgemeine Bildungsziele dar, zu deren Erreichen der Philosophieunterricht einen entscheidenden Beitrag leisten kann: Textkompetenz Soziale Kompetenz Urteilskompetenz Orientierungskompetenz Interdisziplinre Kompetenz

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1.3

berblick zur Verdeutlichung des Zusammenhangs von Denkmethoden und Kompetenzen:


ANALYTISCHE PHILOSOPHIE Begriffe und Argumente analysieren und korrekt verwenden Begriffe und Argumente auf praktische Handlungen zurckfhren Sprachliches HanLebenswelt rekonstruieren Eigene WahrnehBewusstseinsren Polare Gegenst- Den Sinn von grenztheit erken- werken und nen Durch Perspektilysieren Textstrukturen analysieren, dabei auf Brche, Lachten Die Eigenart von lernen zustnde analysie- ze und deren Be- Texten, KunstKONSTRUKTIVISMUS PHNOMENOLOGIE DIALEKTIK HERMENEUTIK DEKONSTRUKTION

RICHTUNG KOMPETENZ Analyse

Handlungen ana- cken und Rnder Das Vorverseverstndnis reflektieren Das eigene LeDie Wirkung eines

Reflexion

Sprachgebrauch reflektieren und berprfen

deln im Kontext der mungen und subreflektieren Lebenswelt beschreiben: uere Leib, Ereignisse Von theoretischen

venwechsel einen stndnis und Le- Texten begreifen Zusammenhang finden Scheinbare Selbstverstndbachten und hinterfragen

jektive Erfahrungen bergreifenden

Wahrnehmung Die Sprache von Be- Die impliziten Reobachtungsstzen analysieren geln im Handeln und Sprechen erschlieen Kritik Kritik am ungenauen Ungerechtfertigte Sprachgebrauch ben Verstehen

seerlebnis wahr- Textes auf den nehmen und be- Leser beobachten schreiben

Dinge, den eigenen lichkeiten beo-

Die Gewissheiten Kritik an kulturell Die Intention des des Alltagsverstandes in Frage stellen Texte und DiaDie nicht intendierten Effekte von Texten erschlieen tradierten berzeugungen ben Autors relativieren

Vorannahmen exp- Einstellungen ablizieren und kritisie- sehen ren

Schlssel und Urteile Aussagen im dialo- Die Bedeutung von Das Fr und Wilogisch nachvollziehen gischen Prozess tation verstehen

Gegenstnden und der von Argumen- logbeitrge im hen Phnomene aus beurteilen Spielerisch mit text verstehen und tolerieren

rationaler Argumen- Ereignissen verste- ten verstehen und kulturellen Kon-

Kreativitt

Nach alternativen Begriffen und Argumenten suchen

Alternative Regeln

konstruieren und so unterschiedlichen zu eigenen Urteilen Perspektiven umgelangen deuten

Sich in die Lage Texte kreativ weiterGegenstzen und eines Autors hin- u. umschreiben; Randaussagen ins Widersprchen einversetzen: umgehen Was wre, wenn? Zentrum rcken

Quelle: ROHBECK, JOHANNES: Philosophische Kompetenzen; in: Zeitschrift fr Didaktik der Philosophie und Ethik 2/2001, S. 91

J. ROHBECK zeigt in dieser tabellarischen Zusammenstellung an einer Vielfalt von Denkmethoden der Philosophie (von ROHBECK auch als Denkstile bezeichnet) exemplarisch auf, wie sich diese aus den wichtigsten philosophischen Denkrichtungen herauskristallisieren lassen. Auch wenn in der akademischen Philosophie Denkrichtungen auf wissenschaftlicher Ebene klar differenziert werden knnen, sind bei vielen Philosophen zahlreiche Verknpfungen bzw. Mischformen nachweisbar, obgleich sie Prferenzen fr einzelne Denkrichtungen erkennen lassen. Fr den Unterricht schlgt ROHBECK den frhlichen Eklektizismus vor. Wie oben in der tabellarischen bersicht deutlich wird, zeigen Denkmethoden lediglich unterschiedliche Aspekte des Philosophierens auf. Aus didaktischer Sicht lsst sich daraus ableiten, dass Schlerinnen und

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Schler einzelne Denkmethoden (Denkstile) z. B. an bungen erproben knnen, dass sich jedoch ebenfalls Verknpfungen, d. h. Mischformen anbieten. Es sei darauf hingewiesen, dass es keine leichtere oder schwierigere bzw. wichtigere oder unwichtigere Denkmethode gibt, sondern sich vielmehr alle Denkmethoden in einfacheren und auch komplexeren Zusammenhngen unterrichtspraktisch anbieten, sodass allein bei der Besprechung eines Textes zum Beispiel von ARISTOTELES zehn Arten zu philosophieren aufgezeigt werden knnen. MARTENS schlgt die so genannte Fnf-Finger-Methode fr den Unterricht vor. Er differenziert wie folgt: (1) Phnomenologische Methode: differenziert und umfassend beschreiben, was ich selber wahrnehme und beobachte (2) Hermeneutische Methode: das eigene Vorverstndnis bewusst machen sowie (nicht nur philosophische) Texte lesen (3) Analytische Methode: die verwendeten zentralen Begriffe und Argumente hervorheben und prfen (4) Dialektische Methode: ein (mndliches oder schriftliches) Dialogangebot wahrnehmen, auf Alternativen/Dilemmata zuspitzen und abwgen (5) Spekulative Methode: Phantasien und Einflle zulassen und betrachten Wie aus dieser bersicht hervorgeht, schliet sich E. MARTENS im Kern der Konzeption von J. ROHBECK an. Es liegt hier eine kleine Auswahl von Denkmethoden vor; abweichend von J. ROHBECK legt E. MARTENS Wert auf die spekulative Denkmethode. In den Ausfhrungen zu den jeweiligen Arbeitsbereichen (vgl. Kap. 4) wird der Versuch unternommen, Denkmethoden konkret unterrichtsbezogen anzuwenden.

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2 MATERIALIEN UND BEARBEITUNGSFORMEN


2.1 Diskursive und prsentative Materialien und Bearbeitungsformen im Philosophieunterricht
Philosophische Texte aus den klassischen Epochen der Philosophiegeschichte und aus der aktuellen akademischen Diskussion waren bisher eine traditionelle und vorrangige Arbeitsgrundlage im Philosophieunterricht. Seit Langem wird im Philosophieunterricht auch mit Filmen, Bildern etc. gearbeitet. Die Lehrbcher beziehen zunehmend Bildmaterial in philosophische Problemstellungen mit ein. Hierdurch wird die Arbeit am philosophischen Text bereichert, indem man dem visuellen Bedrfnis von Schlerinnen und Schlern entgegenkommt, ihre visuelle Kompetenz frdert und ihre sthetische Wahrnehmung im Hinblick auf philosophische Reflexionen schrft. Der Philosophieunterricht erfhrt dadurch eine methodisch-didaktische Bereicherung; es erffnen sich den Schlerinnen und Schlern neue Varianten der philosophischen Problemreflexion und somit auch neue Bearbeitungsformen. Deutungsangebote aus der philosophischen Problemgeschichte knnen auf diese Weise an den persnlichen Erfahrungshorizont der Schlerinnen und Schler anknpfen. Aus pragmatischer Sicht werden diskursive und prsentative Materialien unterschieden: (1) Zu diskursiven Materialien gehren argumentativ aufgebaute philosophische Texte oder Sachtexte mit philosophischem Gehalt. (2) Unter prsentativen Materialien werden Kunstwerke (z. B. Bilder, Filme, Musikstcke, literarische Texte) verstanden. Nach S. LANGER werden Textinhalte aufgrund des syntaktischen Aufbaus der Textform nacheinander vom Leser erschlossen (sthetisch-didaktische Auseinandersetzung). Inhalte von prsentativen Formen wie z. B. von Bildern hingegen werden simultan als Ganzheit erfasst. Ihr innerer Aufbau folgt anderen Regeln als die syntaktische Struktur von argumentativ aufgebauten Texten: Die innere Struktur von Bildern ist konkreter und entzieht sich der abstrakten Form der Worte. Diese sthetischen Anstze sind insofern von didaktischer Relevanz, da hierin deutlich zum Ausdruck kommt, dass z. B.

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Bilder, Skulpturen oder Filme aufgrund ihrer sthetischen Verdichtung deutungsoffener sind, d. h. sie mssen anders gelesen werden als Texte. Dennoch muss betont werden, dass auch ihr Aussagegehalt nicht der Beliebigkeit des Betrachters unterliegt. In diesem Sinne knnen Texte mit metaphorischem Gehalt (z. B. Gedichte) auch als prsentatives Material angesehen werden. Im Unterricht geht es darum, die philosophische Aussage z. B. eines Kunstwerks zu identifizieren, d. h. die philosophische Relevanz zu erfassen, philosophisch im entsprechenden Problemkontext zu reflektieren und zu formulieren. An HANS-GEORG GADAMERs Kunstverstndnis soll in diesem Kontext erinnert werden, da GADAMER die Auffassung vertritt, dass Kunst und Philosophie beide gleichermaen auf eine absolute Seinsgewissheit, auf Wahrheit ausgerichtet seien, ja dass die Kunst das metaphysische Erbe unserer abendlndischen Tradition mitverwalte. GADAMER sieht sich mit diesem Kunstverstndnis in der Denktradition des deutschen Idealismus HEGEL etwa begreife Kunst als das sinnliche Scheinen der Idee und in der Tradition antiken Denkens, der Sptphilosophie PLATONs vor allem, die Aletheia in Bezug zu dem Schnen und Guten denke. Mit KANT bemerkt GADAMER, dass es in das Kunstwerk viel Unnennbares hinzuzudenken gbe; unnennbar und nicht als Satz aussagbar erschliee sich der Sinn der Kunst ihre Wahrheit in der Erfahrung verweilender Dauer, die sich in der Begegnung des Menschen mit dem Kunstwerk im Vollzug einer vergegenwrtigenden Ttigkeit ereigne. Im Hinblick auf diese Ttigkeit des Vergegenwrtigens sei auch das Gemeinsame von bildender Kunst und Dichtkunst zu denken. Sowohl in Werken der bildenden Kunst als auch der Dichtkunst erschliee sich Sinn in der Ttigkeit des Verstehens eines Sinnganzen, einer Gestalt (HANS-GEORG GADAMER: Wort und Bild - so wahr, so seiend). Analog zur Unterscheidung von diskursiven und prsentativen Materialien kann auch eine Unterscheidung von diskursiven und prsentativen Bearbeitungsformen erfolgen: (1) Eine diskursive Bearbeitung ist charakterisiert durch eine verbal-begriffliche Formulierung eines Argumentationsgangs. (2) Eine prsentative Bearbeitung hingegen stellt einen knstlerischen Gestaltungsprozess dar, in dem eine philosophische Reflexion zum Ausdruck kommt. Diese knstlerische Gestaltung muss im Hinblick auf Intention und philosophischen Reflexionsprozess von Schlerinnen und Schlern kommentiert werden (siehe Kap. 2.8). Eine prsentative Bearbeitungsform stellt einen hohen Anspruch an Lehrkraft und Lerngruppe und bedarf einer fachlich und methodisch

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intensiven, eventuell auch zeitintensiven Vorbereitung der Schlerinnen und Schler. Im Unterricht (auch als Aufgabenstellung fr Kursarbeiten, siehe Neufassung der EPA von 2007) eignen sich auch Kombinationen wie z. B. Bild-Text-Kombinationen (siehe dortige Aufgabenbeispiele). In Anlehnung an die EPA wird davon ausgegangen, dass prsentative Formen auf andere Weise erschlossen werden als diskursive Formen. Der folgende berblick zeigt, mit welchen verschiedenen Bearbeitungsformen (Textbearbeitungsstrategien, Schreiben eines Essays, Formulierung eines Gedankenexperiments, philosophische Problemreflexion, philosophische Problemreflexion mit Bild) an die Erarbeitung verschiedener Materialien (philosophische Texte; ferner: Bilder, Filme literarischer Texte mit jeweils philosophischem Gehalt) herangegangen werden kann. Die philosophische Auseinandersetzung kann nmlich auf vielfltige Weise erfolgen, wie auf der folgenden Seite veranschaulicht:

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MATERIAL

BEARBEITUNGSFORMEN
Textbearbeitung

philosophische Texte

literarische Texte

Essay

Bilder Gedankenexperiment Filme philosophische Pro-

blemreflexion

philosophische Pro-

blemreflexion mit Bildern

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2.2

Textbearbeitungsstrategien

Im Zentrum der klassischen Textinterpretation stand die Frage nach der wahren bzw. richtigen Auslegung des Textes. PLATON vergleicht in Bezug auf dieses Problem einen Text mit einem Gemlde: Sokrates: Denn dies Bedenkliche, Phaidros, haftet doch an der Schrift, und darin gleicht sie in Wahrheit der Malerei. Auch deren Werke stehen doch da wie Lebendige, wenn du sie aber etwas fragst, so schweigen sie stolz. Ebenso auch die geschriebenen Reden. Du knntest glauben, sie sprchen, als ob sie etwas verstnden, wenn du sie aber fragst, um das Gesagte zu begreifen, so zeigen sie immer nur ein und dasselbe an. Jede Rede aber, wenn sie nur einmal geschrieben, treibt sich allerorts umher, gleicherweise bei denen, die sie verstehen, wie auch bei denen, fr die sie nicht passt, und sie selber wei nicht, zu wem sie reden soll, zu wem nicht. Gekrnkt aber und unrecht getadelt bedarf sie immer der Hilfe des Vaters, denn selbst vermag sie sich weder zu wehren noch zu helfen (PLATON: Phaidros 275b; bersetzt von F. Schleiermacher). Er hebt hervor, dass die Schrift ggf. der Hilfe des Vaters bedarf, da sie nicht in einen Dialog treten kann und somit nicht in der Lage ist, mgliche Missverstndnisse aufzuklren sowie sich gegen willkrliche Interpretationen zu wehren, sofern sie in Hnde von Unverstndigen gert. Die Schrift schweigt stolz. Dekonstruktivistische Anstze befassen sich genau mit diesem Kernproblem. JACQUES DERRIDA verweist auf die Deutungsoffenheit von Texten, was jedoch nicht mit einer Beliebigkeit der Interpretation gleichzusetzen ist. Der Versuch, die ursprngliche Stimme des Vaters der Schrift in Gnze zu eruieren, muss notwendigerweise scheitern. Dies birgt sogar die Gefahr, dass vermeintlich stellvertretende Stimmen den Anspruch auf Deutungshoheiten erheben ein nicht haltbarer Anspruch, wie DERRIDA in Die Schrift und die Differenz ausfhrt. Der Didaktiker C. GEFERT betont, dass die Gefahr einer logozentristischen Textarbeit darin besteht, dass Schlerinnen und Schler zu stark in die Rolle der Hinterherdenker gedrngt werden, das heit, dass sie Gefahr laufen, die Stimme des den Text interpretierenden Lehrers mit der Originalstimme des Textautors zu verwechseln. Es geht aus seiner Sicht vielmehr darum, dass die Bedeutung eines Textes nicht als eindeutig fixiert zu denken ist, sondern die Mglichkeiten zu verschiedenen Lesarten eines Textes in den Blick zu nehmen sind, ein Ansatz, der in der aktuellen Didaktik zu zahlreichen Vorschlgen zum Umgang mit Texten gefhrt hat.

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Die hier folgende bersicht zeigt das Spektrum mglicher Formen von Textbearbeitung auf, ohne den Anspruch auf Vollstndigkeit zu erheben. Es ist im Sinne moderner Didaktik, dass Schlerinnen und Schler unterschiedliche Formen der Textbearbeitung kennen lernen.
Analytisches Verfahren (Aspekt der objektiven Hermeneutik) Stellen Sie den Gedankengang (z. B. Argumentationskette) des Textes heraus! Textzusammenfassung ten den Text zusammen! Intention des Autors (Aspekt der inWelche Absicht verfolgt die Autorin/der Autor (z. B. informieren, warnen, berzeugen, appellieren, manipulieren, ehren, suggerieren, belehren, aufklren)? Strukturanalyse (Aspekt der objek- Rekonstruktion von Inhalten tiven Hermeneutik) Textart Stilmittel Bedeutung einzelner Begriffe (ggf. Abgrenzung zu konventionellen Bedeutungen) Sprechakte erschlieen Welche Grundberzeugungen (Wnsche, Hoffnungen, Zweifel) kommen im Text explizit zum Ausdruck? Wie und wo kann Unbekanntes auf der Basis von Bekanntem erschlossen werden? Dekonstruktion Welche Gedanken (berzeugungen, Wnsche) sind implizit im Text enthalten? Welche Antwort(en) gibt der Text nicht? Wie verndert sich der Text, wenn Implizites explizit gemacht wird? Wie verndern sich dadurch Kontexte, Intertextualitt, Textgewebe?
Kulturhistorische Hintergrnde (Aspekt der kulturhistor. Hermeneutik) Sozialgeschichtliche Aspekte Wissenschaftlicher Hintergrund Kultureller Kontext Geisteswissenschaftl. Kontext

Fassen Sie mit eigenen Wor- tentionalistischen Hermeneutik)

Freies Assoziieren Konstruktivistischer Zugang


Was kann ich als Leser/in aus diesem Text fr mein persnliches Leben herausfiltern? Wie knnte der Text ggf. ergnzt

Zu einigen Wrtern fallen mir als Leser/in spontan einige andere Wrter ein. Wie verndert sich die Aussage des Textes, wenn ich meine Wrter an die Stelle der Wrter der Autorin/des Autors setze? Wie verndert sich der Text, wenn ich zu Inhalten der Autorin/des Autors auch noch eigene Ideen und/oder Verknpfungen und Bezge zu anderen Autoren hinzufge?

Dialektischer Ansatz Lassen sich Defizite feststellen? Zum Beispiel: Widerspruch der Argumentation nicht plausible Beispiele Brche in der Argumentationskette

und/oder (in Teilen) in eine andere Sprache gefasst werden? Wie knnen Textfragmente vervollstndigt werden?

Phnomenologischer Zugang
Wie beurteile ich als Leser/in vorliegende Textinhalte im Rahmen meiner eigenen Erfahrungen, meiner Lebenswelt?

Dialogischer Ansatz der Horizontverschmelzung (Aspekt der philosophischen Hermeneutik) Welche Erwartungen habe ich an den Text?

verzgertes Lesen

Wie ist mein Vorverstndnis des philosophischen Problems, und wie unterscheidet sich dies vom folgenden Textverstndnis?

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2.3

Kreative Arbeitsformen im Philosophieunterricht

Wie die EPA auf der Basis der modernen Fachdidaktik verdeutlichen, wird die in der Philosophie genuin verankerte Textarbeit durch weitere kreative Arbeitsformen ergnzt. Gem den Zielen im Philosophieunterricht sollen Schlerinnen und Schler zunehmend selbststndig philosophieren. Deshalb sollen im Unterricht auch Arbeitsformen eingebt werden, in denen Schlerinnen und Schler auch produktiv ttig sind. Verstehensprozesse und Produktionsprozesse ergnzen und vertiefen einander. Der Didaktiker C. GEFERT propagiert als kreative Arbeitsform das so genannte Theatrale Philosophieren. Dieses stellt eine dialogische Form des Philosophierens dar, bei dem Schlerinnen und Schler philosophische Probleme in einer philosophischen Auseinandersetzung zunchst als Dialog (mit Rede und Gegenrede) verfassen und diesen schlielich eingebunden in eine Choreographie auf die Bhne bringen. Das Theatrale Philosophieren knpft somit an die Tradition der Disputatio an. Weitere Beispiele fr kreative Arbeitsformen sind das Gedankenexperiment (vgl. 2.5), Philosophieren mit Bildern (vgl. 2.7), die philosophische Problemreflexion (vgl. 2.6 und 2.8) und auch der philosophische Essay (vgl. 2.4). Nach H. ENGELS kann der philosophische Essay in eine Parabel bergehen. In anderen literarischen Formen wie Gedichten oder Kurzgeschichten knnen Schlerinnen und Schler ebenfalls philosophische Gedanken zum Ausdruck bringen.

2.4

Der philosophische Essay

Allgemeine Charakterisierung des essayistischen Schreibens Der philosophische Essay bietet den Schlerinnen und Schlern die Mglichkeit, eigene philosophische Reflexionen im Kontext individuellen Wissens und eigener Erfahrungen zur Geltung zu bringen. Der Vorteil dieser Bearbeitungsform liegt darin, dass sich der Verfasser bzw. die Verfasserin ohne Voraussetzungen im Hinblick auf tiefer gehende philosophische Kontexte des vorgelegten Themas an eine philosophische Reflexion wagen kann und dennoch der Leserin oder dem Leser Denkanste bietet und neugierig macht. Es lassen sich im Wesentlichen zwei Formen des Essays unterscheiden, die beide als bewhrte Formen des Philosophierens angesehen werden knnen: 1. literarischer Essay (z. B. MONTAIGNE, PASCAL, NIETZSCHE) 2. argumentativer Essay (z. B. DESCARTES, LOCKE, LEIBNIZ)

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Aufgrund des subjektiven Zugangs zu einem philosophischen Thema sind beide Formen des Essays im Kern gekennzeichnet durch eine freiere, ungebundene Art des Schreibens, wobei Gedanken zu einem philosophischen Thema assoziativ, ggf. sogar sprunghaft durchgespielt, provokativ aufgeworfen oder auch andere Gedanken polemisch aufgegriffen werden. Beide Formen des Essays kommen ohne Zuspitzung des Themas, ohne klare Begrifflichkeit und auch ohne berzeugungskraft nicht aus. Dies wird im Wesentlichen erreicht ber den argumentativen Zugang und/oder Beispiele zur Veranschaulichung. Der Essay kann, wie oben ausgefhrt, als Selbstvergewisserung gedeutet werden ein Schreibakt, der aus der Quelle eigener philosophischer Denkbemhungen schpft und in essayistischer Schreibform dargelegt wird, sodass der philosophische Gedankengang fr die Leserin oder den Leser nachvollziehbar und ihre bzw. seine Neugierde geweckt wird. Folgende Aspekte knnten als Orientierung dienen: (1) Thema fokussieren und zuspitzen! (2) Eine philosophische These kann den Ausgang und Auslser fr einen individuellen Reflexionsprozess darstellen. (3) Neugierde wecken, ggf. durch Originalitt des individuellen Gedankenprozesses (4) berzeugende Argumente und/oder Veranschaulichung durch Beispiele zeichnen die Qualitt des Essays aus. (5) Ein deutliches Bemhen um Verallgemeinerungen (allgemeine Prinzipien) sollte erkennbar sein, um zu philosophischen Aussagen zu kommen. (6) Der Autor bzw. die Autorin muss nicht auf andere Philosophen rekurrieren, doch sollte er bzw. sie dies beabsichtigen, so mssen Zitate korrekt wiedergegeben und die jeweilige Quelle vollstndig ausgewiesen werden. (7) Die innere Kohrenz sollte gewhrt sein. Es gibt keine verbindlichen Vorgaben zum Aufbau eines Essays. Es wird in das Belieben des Autors bzw. der Autorin gestellt, ob er bzw. sie z. B. eine dialektische, phnomenologische oder eine andere Denkmethode anwenden mchte (siehe Kap. 1.3).

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Als Material fr einen philosophischen Essay eignen sich z. B. Zitate, kleinere Texte, Aphorismen, Gedichte, Bilder, Kunstwerke. Die Verwendung des essayistischen Schreibens im Unterricht Der Essay kann so verwendet werden, dass die Schlerin bzw. der Schler gleichsam voraussetzungslos schreibt. Als voraussetzungsloses Schreiben bietet das essayistische Schreiben somit die Mglichkeit der subjektiven Selbstbesinnung. Bevorzugte Themen eines voraussetzungslosen Schreibens knnten Themen sein, die existenziell bedeutsam sind: Langeweile, Sehnsucht, Angst. Methodisch interessant kann es sein, den Schlerinnen und Schlern Impulstexte zu geben, die inspirativ wirken. Gedichte der Sehnsucht knnten etwa als Impulstexte fungieren fr einen Essay, der Sehnsucht als Thema hat. Ausdeutungen von Parabeln FRANZ KAFKAs knnten zum Beispiel bergehen in das Verfassen philosophisch relevanter Essays, etwa zu dem Thema des sinnlosen Suchens. Der voraussetzungslose Essay kann im Unterricht zum Beispiel so eingesetzt werden, dass er vor einer Unterrichtsreihe zum Einsatz kommt. In dieser Funktion animiert das essayistische Schreiben die Schlerinnen und Schler dazu, Fragen zu stellen, vielleicht sogar einen Horizont mglicher Antworten zu einem philosophischen Problem zu antizipieren, das Gegenstand der Unterrichtsreihe ist. Aber auch die Schlerin oder der Schler, die/der nach einer Unterrichtsreihe zur Expertin/zum Experten fr eine bestimmte philosophische Fragestellung geworden ist und verschiedene Antworten von Philosophen kennen gelernt hat, kann die Textsorte in kreativer Weise fr sich fruchtbar machen. Essays, die nach einer Unterrichtsreihe geschrieben werden, bieten der Schlerin oder dem Schler die Mglichkeit, Antworten der Philosophie aufs Neue zu hinterfragen, sie vertiefend oder einfach anders zu verbalisieren, individuell darzustellen, Aspekte hervorzuheben oder Aspekte eines Themenfelds isoliert zu betrachten. Subjektive Neigungen und Interessen an bestimmten Themen knnen dieses Weiterdenken initiieren. Thema eines Essays kann vordergrndig eine Nebensache sein, die im essayistischen Schreiben in den Fokus des Interesses rckt. Das mgliche Interesse fr Rnder und Anmerkungen, die Vorliebe Denkschemata zu durchbrechen, rckt je nach Interesse der Autorin oder des Autors das essayistische Schreiben in die Nhe zur Denkmethode der Dekonstruktion. Oder der Essay versucht, Pointen philosophischer Texte zu entdecken, diese als solche sichtbar werden zu lassen, sie zu entfalten, indem Verbindungen hergestellt werden zwischen Texten ganz verschiedener Epochen, und diese gleichsam in einen Dialog treten zu lassen. Generell bietet das essayistische Schreiben die Chance, neben der Diskussionskultur eine Schreibkultur im Philosophieunterricht zu etablieren.

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2.5

Das Gedankenexperiment

Gedankenexperimente sind keine Erfindung von Didaktikern, sondern gehren seit der Antike zum Repertoire klassischer Texte der Philosophie. Beispiele sind das Hhlengleichnis in PLATONS Politeia (514a517a), die Annahme eines bsen und mchtigen Geistes zu Beginn der Meditationen ber die Erste Philosophie des DESCARTES oder auch das Chinesische Zimmer bei JOHN R. SEARLE (Geist: Eine Einfhrung), um nur einige zu nennen. Allen diesen Gedankenexperimenten ist gemeinsam, dass die Leserin oder der Leser dazu aufgefordert wird, mit Hilfe seiner Einbildungskraft die gewohnte Wahrnehmung der Wirklichkeit zu durchbrechen. Die durch die Einbildungskraft vorgestellte Wirklichkeit ist dabei irreal, ein bloes als ob, auf die sich aber die philosophische Urteilskraft bezieht, so als ob eben das in der Imagination Vorgestellte real sei, obgleich Autor und Leser doch andererseits wiederum genau wissen, dass die imaginierte Welt doch bloe Fiktion ist. Bei DESCARTES lesen wir: Ich will also annehmen, dass nicht der allgtige Gott, der die Quelle der Wahrheit ist, sondern ein ebenso bser wie mchtiger und listiger Geist all sein Bestreben darauf richtet, mich zu tuschen; ich will glauben, dass der Himmel, die Luft, die Erde, die Farben, die Gestalten, die Tne, und alles auerhalb von uns nur das Spiel von Trumen sei, durch die er meiner Leichtglubigkeit nachsieht. Mich selbst will ich so ansehen, als htte ich keine Hnde, keine Augen, kein Fleisch, kein Blut, noch irgendeinen Sinn sondern dass ich mir dies blo einbildete (REN DESCARTES: Meditationes de prima Philosophia - Meditationen ber die Erste Philosophie, Erste Meditation). Das Gedankenexperiment in der ersten Meditation zeigt die Grundstruktur der Gedankenexperimente an, die immer mit einem zumindest implizit vorhandenen Nehmen wir an. . . beginnen (dies ist auch der gleich lautende Titel eines Buches von H. ENGELS). Wie das Beispiel in der Meditation von DESCARTES zeigt, steht die imaginierte Welt in Widerspruch zu unserer Erfahrungswelt. Gedankenexperimente wirken deshalb surreal. H. ENGELS schlgt folgende Differenzierung vor: (1) Das reine Gedankenexperiment steht in einem prinzipiellen Widerspruch zu unserer Erfahrungswelt. Es ist, als seien die Naturgesetze auer Kraft gesetzt. Andere Gesetze treten an deren Stelle, wie z. B. in Mrchen, Mythen oder Gleichnissen, in denen die natrliche Weltordnung ersetzt wird durch eine Gltigkeit von Gesetzen einer hheren Welt, sowohl des Guten wie auch des Bsen.

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(2) Andere Gedankenexperimente sind jedoch kompatibel mit unserer Erfahrungswelt, die nur unter einem bestimmten Aspekt verndert erscheint, zum Beispiel in dem Experiment: Nehmen wir an, alle Menschen wrden immer die Wahrheit sagen. Welche Konsequenzen htte dies fr das Zusammenleben der Menschen? H. ENGELS betont die von Philosophen bevorzugte Dreiteilung des Gedankenexperiments: (1) (2) (3) Schilderung der Ausgangslage Philosophisch relevante (!) Fragestellung Reflexionen zur Beantwortung der Frage

Bei DESCARTES erfolgt die Fragestellung in der zweiten Meditation: Ich nehme also an, alles, was ich wahrnehme, sei falsch; [. . .] Was soll da noch wahr sein? Wesentlich gehrt zu einem Experiment der offene Ausgang desselben. Die Gewissheit des cogito, ergo sum, mit der DESCARTES sein Experiment beschliet und mit der die Unruhe des Geistes ihr Ende findet, ergibt sich nicht zwingend. Der Zweifel, der in dem Gedankenexperiment seinen Ausdruck findet, ist methodisch, nicht radikal. Er schlgt um in eine neue Gewissheit der Evidenz des sich selbst gegebenen Selbstbewusstseins, das nicht hinterfragbar ist. In der Offenheit liegt aber gerade das didaktische Potenzial des Gedankenexperiments, worauf am Ende dieses Kapitels noch eingegangen wird. Warum Gedankenexperimente im Zusammenhang mit komplexen philosophischen Fragestellungen sinnvoll eingesetzt werden knnen, erlutert KANT in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Der ins Stocken geratene erkenntnistheoretische Diskurs in der Philosophie, der den sicheren Gang der Wissenschaft noch nicht recht gefunden hat, sondern Gefahr luft bloes Herumtappen zu sein, bedarf der Vernunft, um einem wissenschaftlichen Anspruch zu gengen. Im Gegensatz dazu knnen empirische Wissenschaften, basierend auf einer Umnderung der Denkart, als erfolgreicher im Hinblick auf Erkenntnisfortschritte angesehen werden. Dies veranlasst KANT, diesem Erfolg nachzusinnen, ja gar ihn im Versuche nachzuahmen (KrV, B VII). Als Ausgangspunkt fr sein Gedankenexperiment bezieht sich KANT auf die ersten berlegungen des NIKOLAUS KOPERNIKUS, der, nachdem es mit der Erklrung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, gedanklich versuchte, nicht alle Sterne sich um die Erde drehen zu lassen, sondern die Erde sich drehen und die Sterne ruhen zu lassen.

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Im Hinblick auf erkenntnistheoretische Untersuchungen (zum Vernunftgeschfte gehrend) unternimmt KANT folgendes Gedankenexperiment: Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis msse sich nach den Gegenstnden richten; aber alle Versuche ber sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert wrde, gingen unter dieser Voraussetzung zu nichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstnde mssen sich nach unserer Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Mglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die ber Gegenstnde, ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen soll (KrV, Vorrede zur 2. Auflage). Den besonderen Vorzug in dieser Vorgehensweise sieht KANT in der Umnderung der Denkart, dem Versuch, einen neuen Weg des Denkens zu beschreiten, der einerseits gewohnte und ins Stocken geratene Denkstrukturen aufweicht und andererseits die Bereitschaft zur ffnung fr neue, bislang unversuchte Wege des Denkens erhht. KANTs Gedankenexperiment ging unter dem Terminus Kopernikanische Wende in die Philosophiegeschichte ein. Im Verlauf der gesamten Philosophiegeschichte lassen sich zahlreiche, zum Teil auch sehr originelle und leicht einprgsame Gedankenexperimente finden, die als Ausgang philosophischer Reflexionen fungieren. Es geht darum, in der kritischen Auseinandersetzung mit widerstreitenden Positionen oder auch beispielsweise in der Auseinandersetzung mit anderen Wissenschaften dem/der Gesprchspartner/in oder Leser/in komplexe Zusammenhnge zu verdeutlichen. Er/Sie kann darin untersttzt werden, seinen/ihren Blick, der in einer allzu gewohnten Perspektive verharrt, fr eine andere Sichtweise zu ffnen, auch um im Diskurs ausgewhlte Problemfelder zu fokussieren. Gerade in der aktuellen Diskussion der Philosophie des Geistes finden wir zahlreiche Gedankenexperimente, die in Anlehnung an die Tradition von LEIBNIZ eingesetzt werden. LEIBNIZ Gedankenexperimente haben in der Philosophie ihren festen Platz eingenommen, wie etwa der Spaziergang durch das Gehirn, das wir uns mastabgetreu so vergrert vorstellen, dass wir darin wie in einer Mhle spazieren gehen knnten. Dies dient LEIBNIZ zur Veranschaulichung des Problems von Perzeption und Empfindungen. PETER BIERI rekurriert auf das Experiment von LEIBNIZ und unternimmt seinerseits einen Rundgang durch das Gehirn mit einem Hirnforscher auf dem neusten Stand des Wissens, um Rtsel des Bewusstseins im Hinblick auf die Erfahrung des Subjektseins zu problematisieren. In hnlicher Weise verfahren andere Philosophen. Mit THOMAS METZINGER stellen wir uns Auerirdische vor, die auf unserem Planeten landen, mit ANSGAR BECKERMANN philosophische Zombies, oder mit THOMAS NAGEL widmen wir uns der Frage: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? Eine Variante der oben genannten

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Gedankenexperimente unternimmt HOLM TETENS in Geist, Gehirn, Maschine, wobei er rekurrierend auf BIERI eine These in Form eines Gedankenexperiments formuliert, um diese im Anschluss kritisch zu reflektieren. Aus der Vielfalt philosophischer Gedankenexperimente sollte hier noch kurz ETIENNE BONNOT DE CONDILLAC erwhnt werden, da er zahlreiche Gedankenexperimente durchfhrt, die im philosophischen Diskurs der Sprachphilosophie oder auch der Erkenntnistheorie oftmals aufgegriffen werden. Zu einer gewissen Berhmtheit gelangte die fiktive Marmorstatue, ein menschliches Wesen, umgeben von einer Marmorhlle, abgeschottet von der Auenwelt. Dieser Statue werden nach und nach Sinne verliehen (Trait des sensations, prface). Interessant ist u. a. sein Gedankenexperiment von der haselnusskleinen Welt, um das Problem der Mastbe der Zeit zu veranschaulichen (ebd.). Des Weiteren sei hier verwiesen auf die Darstellung der Arbeitsbereiche (Kap. 4), wo unter den unterrichtspraktischen Hinweisen auf die didaktische Anbindung von Gedankenexperimenten im Unterricht teilweise explizit eingegangen wird. Ihr Einsatz im Unterricht sollte gerade nicht dazu dienen, den Philosophen nur hinterherzudenken. Es geht vielmehr gerade darum, Schlerinnen und Schlern die Mglichkeit zu bieten, eigene Lsungen und Antworten zu finden. Bei einer Besprechung der zweiten Meditation von DESCARTES knnten zum Beispiel die Schlerinnen und Schler dazu aufgefordert werden, die Fragestellung selbst zu beantworten natrlich ohne den weiterfhrenden Text von DESCARTES vorliegen zu haben. Ihre Unvoreingenommenheit kann dazu fhren, dass Mglichkeiten in den Blick kommen, an die der Autor eines Gedankenexperimentes gar nicht gedacht hat, die aber nichtsdestoweniger bedenkenswert sein knnen. Die Prsentation von mglichen Antworten kann dabei auch schriftlich beispielsweise in einem philosophischen Essay erfolgen. Natrlich sollten Schlerinnen und Schler die Mglichkeit haben, das Fr und Wider von Lsungen in einem Unterrichtsgesprch zu diskutieren. Eine Diskussion kann auch erneut den Ansto geben, dass Schlerinnen und Schler eigene Gedankenexperimente erfinden. Ein Pldoyer fr Gedankenexperimente im Philosophieunterricht knnte folgende Aspekte fokussieren: 1. Das Gedankenexperiment befriedigt ein Bedrfnis nach Anschauung. Begriffe ohne Anschauung so das Diktum KANTs sind leer. Gedankenexperimente wirken der Abstraktheit philosophischer Begriffe entgegen. Die Flle des Wirklichen, mit der es die Philosophie zu tun hat, ist dadurch prsent.

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2. Gedankenexperimente befriedigen ein Bedrfnis nach Kreativitt. Die Fhigkeit der Schlerinnen und Schler, die Welt multiperspektivisch zu sehen, wird angeregt, vor allem dann, wenn sie selbststndig Gedankenexperimente konstruieren. 3. Gedankenexperimente fhren von der Vertrautheit der erfahrbaren Welt weg zu einer didaktisch wertvollen Unvertrautheit, ja Erschtterung. 4. Die philosophische Reflexion und Urteilskraft der Schlerinnen und Schler ist gefordert, unter den im Experiment festgelegten Prmissen Schlsse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen. In besonderer Weise ist die philosophische Urteilskraft gefordert, wenn es im Gedankenexperiment um Fragen der praktischen Philosophie geht. 5. Gedankenexperimente fhren nicht nur zu den Grundfragen philosophischen Denkens, sondern lassen diese gerade in ihrer existenziellen Bedeutung und Bedeutsamkeit zum Vorschein kommen.

2.6

Die philosophische Problemreflexion

Die Problemreflexion ist eine Bearbeitungsform, mit der philosophische Problemstellungen auf der Basis von unterschiedlichen Materialien (z. B. Text oder Kunstwerk) von Schlerinnen und Schlern eigenstndig bearbeitet werden knnen. Die Aufgabenstellung Fhren Sie eine philosophische Problemreflexion auf der Basis des Materials X durch erffnet die Mglichkeit, nicht nur auf einzelne Fragestellungen zu antworten, die zu dem Material gestellt werden, sondern einen selbststndig strukturierten Reflexionsprozess zu entfalten und eigene Entscheidungen hinsichtlich der Schwerpunktsetzung zu treffen. Gleichwohl sollten ergnzende Arbeitshinweise gegeben werden, um den Reflexionsprozess der Schlerinnen und Schler (z. B. die Auswahl von Schwerpunkten) zu erleichtern. Somit wird in der philosophischen Problemreflexion eine Errterung eines philosophischen Problems umfassend und differenziert dargelegt. Die Problemreflexion besteht im Wesentlichen aus drei Reflexionsdimensionen: Problemerfassung Problembearbeitung Problemverortung

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Eine Problemreflexion kann diskursiv wie auch prsentativ durchgefhrt werden (siehe Kap. 2.1). Problemerfassung Aus dem Material, das den Schlerinnen und Schlern vorliegt, werden philosophische Implikationen erfasst und formuliert und in entsprechende Denktraditionen der Philosophie eingeordnet. Es werden Schwerpunktsetzungen vorgenommen und der zu bearbeitende Reflexionsrahmen skizziert. Sollte es sich um eine diskursive Problemreflexion auf der Basis eines prsentativen Materials handeln (z. B. eines Kunstwerkes), so sind eine Interpretation des Materials und ihre begrifflich angemessene Formulierung erforderlich. Hierauf muss ebenfalls bei einer prsentativen Bearbeitung geachtet werden, z. B. durch eine Kommentierung. Bezieht sich die diskursive Problemreflexion auf prsentatives Material, so sind zunchst die Interpretation des Materials und ihre diskursiv-begriffliche Formulierung gefordert. Sollte die Aufgabenstellung so gestaltet sein, dass die Schlerin oder der Schler sich auch fr eine prsentative Bearbeitungsform entscheiden kann, dann ist in diesem Falle von ihr oder ihm eine Begrndung fr diese Entscheidung zu leisten. Insgesamt gilt fr eine prsentative wie auch diskursive Problemreflexion, dass zunchst das philosophische Problem begrifflich-systematisch zu bestimmen und ggf. in Abgrenzung zu anderen philosophischen Problemen zu formulieren ist. Problembearbeitung Die erfasste philosophische Problemstellung wird in dieser Reflexionsphase entfaltet, vertieft und in einen greren philosophischen Zusammenhang gestellt. Dazu gehren beispielsweise Textbearbeitungsformen, Analyse von Argumentationsstrukturen, die Folgerichtigkeit von Begrndungszusammenhngen, begriffsanalytische Auseinandersetzung, der Vergleich bzw. die Gegenberstellung mit anderen philosophischen Positionen, die den Reflexionsrahmen vertiefen. In der prsentativen Bearbeitung kommt es darauf an, der philosophischen Aussage in dem zu entstehenden Produkt in verdichteter Form Ausdruck zu verleihen. Es kommt auf eine differenzierte Darstellung der philosophischen Idee an, das heit, dass Plausibilitt und Transparenz in Bezug auf die formulierte Problemstellung gegeben sein mssen. Die Schlerin oder der Schler hat die Mglichkeit, ihr/sein prsentatives Produkt durch kommentierende Anmerkungen zu ergnzen oder zu erweitern.

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Problemverortung Die Problemverortung erfordert, dass die Schlerin oder der Schler eine eigene Position zu dem bearbeiteten Problem einnimmt. In dieser Reflexionsphase bieten sich beispielsweise folgende Mglichkeiten an: eine resmierende Stellungnahme zum bearbeiteten Problem, Beurteilung des Problems, Neubestimmung des Problems, Vorschlge zur Weiterbearbeitung, Darstellung der Relevanz des Problems hinsichtlich aktueller gesellschaftlicher Prozesse. Philosophische Problemreflexion im kurzen berblick Problemerfassung Allgemeine Schritte, die in der Aufgabenstellung nher przisiert werden knnten, z. B.: aus dem vorgelegten Material philosophische Implikationen erfassen und formulieren philosophische Schwerpunkte herausarbeiten und diese in einen entsprechenden philosophischen Kontext einordnen den fr die Problembearbeitung vorgesehenen Reflexionsrahmen skizzieren die Entscheidung fr eine prsentative Bearbeitung skizzieren Problembearbeitung Allgemeine Schritte, die in der Aufgabenstellung nher przisiert werden knnten, z. B.: Reflexionsrahmen diskursiv entfalten oder kreativ-knstlerisch (prsentativ) bearbeiten erfasste philosophische Implikationen vertiefen und in einen greren philosophischen Kontext stellen sich auf der Basis des vorgelegten Materials argumentativ auseinandersetzen (diskursiv), verschiedene philosophische Positionen in die Problementfaltung mit einbeziehen (diskursiv und prsentativ) Problemverortung Abschlieende Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Problembearbeitung, z. B.: resmierend Stellung nehmen zu Relevanz und Lsungsperspektiven des diskursiven oder prsentativen Ergebnisses einbezogene philosophische Anstze modifizieren andere Lsungsanstze aufzeigen weitere prsentative oder diskursive Bearbeitungsmglichkeiten vorschlagen

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die prsentative Gestaltung in einen Begrndungszusammenhang stellen die prsentative Bearbeitung durch einen Kommentar ergnzen Diese drei Bereiche bilden in sich nicht drei abgeschlossenen Einheiten, sondern sind stets aufeinander bezogen. Es kann durchaus sein, dass im Denkprozess beispielsweise eine bereits formulierte philosophische Problemstellung in der weiteren Bearbeitung (z. B. in der Problembearbeitung) eine Modifizierung erfhrt oder gar eine neue Problembestimmung notwendig wird. Ebenso kann eine Verortung (z. B. eine vorlufige Bezugnahme auf die aktuelle Relevanz des Problems im gesellschaftlichen Kontext) bereits in der Problembearbeitung vorgenommen werden. Die philosophische Problemreflexion verlangt in hohem Mae Selbststndigkeit im philosophischen Denken. Von daher ist es unabdingbar, dass Schlerinnen und Schler im Unterricht schrittweise an diese Arbeitsform herangefhrt werden, ihr Selbstvertrauen in das eigene philosophische Denken gestrkt wird und sie ausreichend Kompetenzen entwickeln, ihren philosophischen Reflexionen in diskursiver oder auch prsentativer Form Ausdruck zu verleihen.

2.7

Philosophieren mit Bildern

Kunstwerke also auch physische Bilder lassen sich nicht lesen, wie man Bcher liest, ihre Mitteilungen sind nicht verbal im diskursiv-begrifflichen Sinne (vgl. Kap. 2.1). Der Philosophieunterricht beschftigt sich im Kern mit philosophischen Texten. Philosophische Fachterminologie, begriffliche Stringenz und schlssige Argumentation gehren notwendig zu einem philosophischen Diskurs. Daran hat sich auch nichts gendert. Es geht in der philosophischen Reflexion mit Bildern um eine Erweiterung im Zuge des Methodenpluralismus eines modernen Philosophieunterrichts. Mitunter wahren Philosophielehrerinnen und -lehrer immer noch eine kritische Distanz gegenber dem Einsatz von Bildern im Philosophieunterricht, sofern diese ber die Illustration von Texten oder z. B. den Stundeneinstieg hinaus verwendet werden sollen. Dies knnte u. a. auch mit der Frage nach der Kompetenz im Umgang mit Bildern zusammenhngen: Man fhlt sich dabei nicht so recht zu Hause. Dennoch gibt es inzwischen zahlreiche Bestrebungen, nicht nur literarische Texte und Filme im Philosophieunterricht einzusetzen, sondern diesen auch durch die philosophische Bildre-

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flexion zu bereichern. Dies wird von der Didaktik der Philosophie vielseitig untersttzt. Lehrwerke der Philosophie bieten fr die Schlerhand methodische Vorschlge zum Umgang mit Bildern an. Der illustrative Einsatz von Bildern wird inzwischen erweitert durch das Angebot, geeignete Bilder in die philosophische Reflexion mit einzubinden. R. BRANDT, der sich in der aktuellen philosophischen Diskussion mit Fragen der sthetik beschftigt, ist der Auffassung, dass wir philosophische Gedanken in Bildern entdecken knnen. Er spricht von philosophischen Bildern, die in ihrer eigenstndigen Anschaulichkeit Mitteilungen implizieren, die nicht verbal sind, sondern in diesem spezifischen Medium ihren Ausdruck finden. Was ist dieses spezifische Medium? R. BRANDT bringt deutlich zum Ausdruck, dass wir durchaus ber Erfahrung mit Dichterphilosophen, also philosophisch sprachlichen Kunstwerken (z. B. PLATON, EPIKUR) verfgen, doch Probleme damit haben, Malerphilosophen also philosophierende Malwerke an ihre Seite zu stellen. Farben und Formen knnen nach BRANDT (hnlich wie Phoneme und Grapheme) mit Bedeutungen imprgniert, d. h. verbunden werden. Wenn diese Imprgnierung entsprechend kultiviert wird, kann die Malerei ebenso wie Schrift und Sprache in der Lage sein, auch komplexe Gedanken zum Ausdruck zu bringen und komplizierte Argumente zu entfalten. Das Ideal des Philosophen und Kunsthistorikers G. BOEHM wre der denkende Kunsthistoriker und der sehende Philosoph, die, wie er meint, so weit nicht voneinander entfernt seien. Es soll also kein Konkurrenzverhltnis zwischen unterschiedlichen Erkenntnisformen aufgebaut werden, sondern es geht im Kern darum, Bilder in ihrer Erkenntnisleistung ernst zu nehmen und dieses Kulturgut zu pflegen. Nach G. BOEHM schulen Bilder die Anschauungsfhigkeit; die Kultur des Sehens ist aus seiner Sicht eng verbunden mit der Kultur der Bilder. Fragen der Bildwissenschaft berhren Fragen unterschiedlicher Disziplinen und Strmungen der Philosophie (z. B. sthetik, Erkenntnistheorie, Anthropologie, Phnomenologie). Nach G. BOEHM befindet sich die Philosophie mit der Kunstgeschichte und Bildwissenschaft in einem produktiven Spannungsverhltnis. Nach der Ansicht des Philosophen und Kunsthistorikers H. BREDEKAMP gibt es keine allgemein gltige Definition von Bild. Doch es kann in Anlehnung an HEGEL angesehen werden als ein sinnliches, materiell gebundenes Scheinen von etwas, das Bedeutung anbietet und das der Betrachter zu interpretieren vermag. H. BREDEKAMP geht davon aus, dass Bilder und die von ihnen ausgelsten Reflexionen philosophische Dimensionen bergen knnen, die schwer zu entschlsseln sind, wenn sie nicht aus der Sphre der Bilder selbst und der ihnen eigenen Geschichte entwickelt werden (HORST BREDEKAMP: Fenster der Monade, Berlin 2004, S. 7). In diesem Sinne sucht H. BREDEKAMP einen kunsthistorischen Zugang zu Denkern wie LEIBNIZ oder

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HOBBES. Didaktisch relevant ist H. BREDEKAMPs Ansatz dahingehend, dass er auf rezeptionstheoretischer Ebene fr eine groe Offenheit im Umgang mit Bildern pldiert. Doch fordert er, dass am Anfang jeder Bildreflexion eine Beschreibung des materiellen und formalen Gehalts des Bildes stehen muss, damit sichergestellt werden kann, auf welcher Basis welche Erkenntnis und welche Assoziation dem Gegenstand nahe kommen oder von ihm wegdriften grtmgliche Offenheit also, aber dennoch kein anything goes. Der Philosoph und Kulturwissenschaftler K. H. LDEKING verweist auf einen Aspekt, der didaktisch ebenfalls von groer Relevanz ist: Er geht davon aus, dass gerade heute Bilder im sozialen Kontext mit zur Entwicklung unserer Identitt beitragen. Bilder, die uns tagtglich umgeben, und Bilder, die wir in unseren Gehirnen generieren, prgen unser Denken und Handeln. In Anlehnung an J. LACANs kritischen Blick auf Bilder macht er deutlich, dass wir uns nicht nur in Bildern erkennen, sondern auch verkennen knnen. Dieser Umstand erfordert, dass wir uns mit Bildern und dem, was mit uns bei ihrem Betrachten geschieht, auseinandersetzen, Bildkritik anstreben, d. h. Bilder nicht passiv als Gegebenes hinnehmen, sondern uns mit den Wirkungsmglichkeiten von Bildern im sozialen Kontext beschftigen sollen. 2.8 Die philosophische Problemreflexion mit Bildern

Mglichkeiten zum Einsatz von Bildern: Bild als Illustration


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als Einstieg fr ein Brainstorming als Illustration fr bestimmte Themen(bereiche) zur Veranschaulichung von philosophischen Positionen ...

Bearbeitungsformen mit Bildern


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philosophische Problemreflexion philosophischer Essay

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Gedankenexperiment ...

In dieser Bearbeitungsform ist die Bildreflexion Bestandteil der philosophischen Problemreflexion. Diese Bearbeitungsform ist recht komplex und erfordert von Schlerinnen und Schlern eine eigenstndige Reflexionsleistung, bietet aber auch Freiheiten im philosophischen Reflexionsprozess. Schlerinnen und Schler mssen mit der Bearbeitungsform der philosophischen Problemreflexion mit Bild Erfahrungen sammeln knnen, eine schrittweise Heranfhrung ist notwendig. Zu bungszwecken oder auch aus zeitkonomischen Grnden knnen schwerpunktmig Teilaspekte der philosophischen Problemreflexion mit Bild bearbeitet werden. Anfnglich, aber auch ganz generell ist es mglich, dass der Schlerin oder dem Schler fr die Bearbeitung auch in Kursarbeiten die Kriterien fr die philosophische Problemreflexion und Bildbetrachtung zur Orientierung vorliegen. Die philosophische Problemreflexion kann in der Aufgabenstellung konkretisiert werden, das heit, dass die Aufgabenstellung ausweist, welche Aspekte oder Schwerpunkte in die Problemreflexion eingebunden werden sollten. Beispiel: Nehmen Sie eine philosophische Problemreflexion auf der Basis des Kunstwerks Ceci nest pas une pipe (Das ist keine Pfeife) von REN MAGRITTE vor. Beziehen Sie in Ihre Reflexion die sprachphilosophischen Anstze von LUDWIG WITTGENSTEIN und BENJAMIN LEE WHORF ein. Im Philosophieunterricht steht der rezeptionstheoretische Ansatz im Mittelpunkt der Bildreflexion, das heit, dass wir der Frage nachgehen, wie der Bildbetrachter dem Bild als Denkender begegnet, wie er mit seiner Wahrnehmung sein Handeln, Fhlen und Denken antizipiert. Die Bildbetrachtung darf nicht auf der Stufe eines subjektiven Ergriffenseins stehen bleiben, sondern muss bergehen in eine (diskursive) Argumentation des im Bild Erkannten. Die Argumentation wird auf im Bild nachweisbare Anhaltspunkte gesttzt (siehe Betrachtungskriterien). Es geht darum, zu entdecken bzw. aus der sthetischen Verdichtung zu entfalten, was berrascht, irritiert, was den Blick wie fhrt und/oder ggf. auch verfhrt. Es geht weiterhin darum, inwiefern das Bild philosophische Gedanken evoziert und diese in philosophischen Problemzusammenhngen zu erschlieen ermglicht.

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Was sollte bei der Auswahl von Bildern bercksichtigt werden? Bei der Bildauswahl ist darauf zu achten, dass philosophische Implikationen erkennbar enthalten sind. Diese mssen Schlerinnen und Schler auf der Basis ihres aktuellen Kenntnisstands erfassen knnen. Unter dieser Prmisse eignen sich Kunstwerke, Fotografien, Bilder aus Werbung, Poster etc. Bilder knnen z. B. im Kontext eines Unterrichtsthemas stehen. Es ist durchaus legitim, diese im angesprochenen Kontext unter ganz bestimmten (eingeschrnkten) Aspekten zu betrachten. Weiterhin kann auch die Mglichkeit genutzt werden, das Bild durch andere Materialien zu ergnzen, z. B. Statements des Knstlers, Zitate aus Rezeptionen, Briefen, Kritiken. Dieses dritte Element kann somit die Funktion eines Schlssels oder eines Katalysators erfllen. Wie kann man mit Bildern angemessen philosophieren? Die unten aufgefhrten Betrachtungsaspekte zeigen den Reichtum von Annherungsmglichkeiten an Bildern auf. Sie knnen in der Bildreflexion relevant sein, doch mssen sie stets an die philosophische Reflexion angebunden sein. Fr die philosophische Bildreflexion ist es nicht sinnvoll, alle Aspekte abzuarbeiten, was in diesem Umfang im Unterricht in der Regel auch nicht mglich und auch im Rahmen der philosophischen Problemreflexion nicht sinnvoll ist. Es geht vielmehr darum, Schlerinnen und Schlern einen praktikablen Katalog an Operationen an die Hand zu geben, der ihnen den Betrachtungshorizont ffnet bzw. zur Orientierung der Bildbetrachtung dient. Es ist durchaus legitim, nach weniger zu fragen im Bewusstsein, dass man genau eben dieses tut. Alle folgenden Ausfhrungen sind unter diesem Aspekt zu verstehen. Erste Phase der Aneignung des Kunstwerks Wer sich einer philosophischen Problemreflexion mit Bild stellt, sollte sich zu Beginn ganz unbefangen auf das Bild einlassen. Der spontane, erste Eindruck bietet die Mglichkeit zu einer unbefangenen Wahrnehmung, geschtzt vor Urteilen von auen. Das ist wichtig! Das ganz persnliche Sehen, der eigene Blick, der sich selbst zum Ausgangspunkt einer kritischen Prfung nach ausgewhlten Kriterien unterzieht, ist die beste Voraussetzung fr eine erfolgreiche Reflexion, da er nicht unter den Druck des Hinterherdenkens gert.

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Zusammenwirken von Bild und philosophischer Problemreflexion (vgl. auch Kap. 2.6) Im Anschluss an den ersten Eindruck wird die Bildbetrachtung im Hinblick auf die philosophische Problemerfassung vertieft. Fragen nach philosophischen Implikationen des vorliegenden Bildes stehen im Zentrum der berlegungen: Welche philosophischen Fragen knnen auf der Basis des vorliegenden Bildes aufgeworfen werden ( Problemerfassung)? Das philosophische Problem wird konkretisiert und formuliert. Welche/r Schwerpunkt/e innerhalb der identifizierten philosophischen Problemstellung bietet bzw. bieten sich zur weiteren Bearbeitung an und warum ( Ausgangspunkt der Problembearbeitung)? In der Problembearbeitung wird das erkannte philosophische Problem vertiefend reflektiert, zum vorliegenden Bild (und ggf. Zusatzmaterial) in Beziehung gesetzt und dann in einen entsprechenden Argumentationszusammenhang gebracht: Wie wird das erkannte philosophische Problem im vorliegenden Bildmaterial zum Ausdruck gebracht? Welche Betrachtungskriterien des Bildes sind zur Entfaltung der philosophischen Aussage besonders wichtig? In welchen greren philosophischen Kontext kann das vorliegende Problem eingebunden werden? Welche philosophischen Positionen bieten sich zur Gegenberstellung (Kontrastierung) an? Kann man in diesem Zusammenhang z. B. auf andere Knstler rekurrieren? In der abschlieenden Problemverortung knnte u. a. in der philosophischen Problemreflexion mit Bildern auch der Frage nachgegangen werden, inwiefern das Bild in seiner ihm spezifischen bildhaften (prsentativen) Ausdrucksform die philosophische Problemstellung in einem neuen, anderen Licht darstellt, eventuell im Gegensatz zu sich sprachlich uernden Philosophen. Beispiele fr mgliche Aufgabenstellungen und Erwartungshorizonte zu Problemreflexionen mit Bildern finden sich in den EPA.

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3 UNTERRICHTSORGANISATION
3.1 Differenzierung von Grundkurs und Leistungskurs Leistungskurse unterscheiden sich von Grundkursen durch Vertiefung philosophischer Problemangebote, einen hheren Grad an selbststndigem Arbeiten, eine systematischere Erarbeitung von philosophischen Inhalten und deren Reflexion in greren Kontexten. Dies impliziert: (1) Ein grerer Umfang an Denkangeboten aus der Tradition der Philosophie wird in komplexeren philosophischen Kontexten behandelt und vertiefter im Hinblick auf problemgeschichtliche Zusammenhnge reflektiert. Dies lsst sich u. a. durch eine breitere Auswahl an Originaltexten, geeigneten Bildern, Kunstwerken etc., bersichten, Strukturbildern erreichen. Weiterhin ist die Bearbeitung einer Ganzschrift im Leistungskurs empfehlenswert. (2) Denkmethoden des Philosophierens (siehe Kap. 1.2, auch 1.3) geraten strker in den philosophischen Problemhorizont. (3) Es erfolgt eine strkere Hinfhrung zur selbststndigen, systematischeren Gestaltung von Reflexionsprozessen unter Einbeziehen interdisziplinrer Zusammenhnge. (4) Ein breiteres Repertoire an Bearbeitungsformen sowie Formen schriftlicher Ausfhrungen wie z. B. die Philosophische Problemreflexion auf der Basis von diskursivem und prsentativem Material, textanalytische Verfahren, Gedankenskizzen oder Gedankenexperimente, Protokolle, philosophische Essays usw. kommen zum Einsatz. (5) Es erfolgt eine vertiefte Anleitung zu wissenschaftspropdeutischen Arbeitsweisen wie z. B. Umgang mit Aspekten aus der Philosophiegeschichte, Lexika, Textsammlungen etc.

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3.2

Erluterungen zu den verbindlichen Arbeitsbereichen

Die in Kap. 4 angefhrten bersichten geben in ihrer Gesamtheit einen berblick darber, welche Arbeitsbereiche im Laufe des Oberstufenunterrichts bercksichtigt werden mssen. Die Auswahl der Arbeitsbereiche orientiert sich an den wichtigsten philosophischen Disziplinen. Alle Arbeitsbereiche enthalten folgende Rubriken: Philosophische Einfhrung in den Arbeitsbereich (vgl. 3.3) Einfhrungstexte in die jeweiligen Arbeitsbereiche haben die Funktion, die Themen und Fragestellungen der jeweiligen philosophischen Disziplinen zu umreien sowie einen systematischen und philosophiehistorischen Einblick in den spezifischen Problemhorizont dieser philosophischen Disziplinen zu erffnen. Eine Vollstndigkeit wird dabei selbstverstndlich in keiner Weise angestrebt. Auf die in diesen Texten besprochenen Positionen kann, aber muss nicht im Unterricht Bezug genommen werden. Die Einfhrungstexte werden in einer Handreichung weiter expliziert.

Verbindliche Inhalte (vgl. 3.3, 3.4) Was verbindlich im Unterricht bearbeitet werden muss, wird hier zum Ausdruck gebracht. Die verbindlichen Aussagen sind bewusst so offen formuliert, dass die Lehrkraft noch selbststndig entscheiden muss, wie die Verbindlichkeiten konkret umgesetzt werden. Unter Positionen werden dabei philosophische Theorien verstanden, die Grundstrmungen in den einzelnen Disziplinen der Philosophie darstellen; der Begriff wird aber auch fr Theorien einzelner Philosophen verwendet. Im Unterricht soll darauf geachtet werden, dass einzelne Positionen von Philosophen exemplarisch fr Grundpositionen der Philosophie behandelt werden. So sind etwa LOCKE und HUME Beispiele fr die empiristische Position der Erkenntnistheorie.

Beispiele fr mgliche Fragen im Unterricht Hier aufgefhrte Fragen knnen Neugierde fr den Arbeitsbereich wecken, vorschnelle Antworten erschttern, was in eine Unruhe philosophischen Denkens mnden kann. Sie stehen modellhaft fr hnlich auftauchende Fragen, die sich aus den Problemfeldern der Arbeitsbereiche ergeben und auch Fragen der Lerngruppen sein knn-

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ten. Solche oder hnliche Fragen knnten beispielsweise ein Unterrichtsgesprch erffnen.

Unterrichtspraktische Hinweise In den unterrichtspraktischen Hinweisen, die in der Handreichung publiziert werden, werden Vorschlge fr den Unterricht angeboten, z. B. empfehlenswerte Texte, mgliche Themenschwerpunkte, unterrichtsmethodische Hinweise, Bearbeitungsformen.

Vernetzung mit Denkmethoden des Philosophierens (vgl. 1.3) Hier erscheinen Hinweise, wie Denkmethoden im Problemhorizont des jeweiligen Arbeitsbereichs angewandt werden knnen. Es soll modellhaft gezeigt werden, inwiefern Methoden des Denkens in ihrer Pluralitt fr den Unterricht relevant sind.

Verknpfung mit anderen Arbeitsbereichen (vgl. Kap. 2) Hier werden modellhaft Mglichkeiten aufgezeigt, wie die Problemhorizonte der verschiedenen Arbeitsbereiche miteinander in Bezug gesetzt werden knnen. Das didaktische Ziel ist darin zu sehen, dass Schlerinnen und Schler Philosophie ganzheitlich wahrnehmen.

3.3

Verbindlichkeiten und Freirume

Die einzelnen Arbeitsbereiche und die darin enthaltenen Verbindlichkeiten sind nicht einzelnen Kurshalbjahren zugeordnet. Eine Ausnahme bildet der Arbeitsbereich Einfhrung in die Philosophie, der verbindlich in 11.1 zu behandeln ist. Alle Arbeitsbereiche sind im Laufe des Oberstufenunterrichts zu bercksichtigen. In jedem Arbeitsbereich werden verbindliche Inhalte aufgefhrt. Es wird ausgewiesen, wie viele Positionen innerhalb eines Arbeitsbereichs bearbeitet werden mssen. Bei der Gesamtplanung der Unterrichtsreihen ber die verschiedenen Kurshalbjahre hinweg sollte eine ausgewogene Bercksichtigung verschiedener Epochen angestrebt werden, damit die Schlerinnen und Schler lernen, systematische und philosophiegeschichtliche Zusammenhnge erkennen zu knnen, gerade auch dann, wenn aktuelle Strmungen der Philosophie thematisiert werden.

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Die geschichtliche Bedingtheit auch des aktuellen Philosophierens wird den Schlerinnen und Schlern transparent, indem sie lernen, Kontinuitt und Diskontinuitt philosophiegeschichtlicher Entwicklungen wahrzunehmen, um so zunehmend in kompetenter Weise an philosophischen Diskursen partizipieren und eine prozessuale Selbstverortung vornehmen zu knnen (vgl. 1.2, 2.5). Die Fachlehrkrfte bestimmen in eigener Verantwortung und mit Blick auf die Lerngruppe, ggf. auch in Absprache mit dieser, die Verteilung der verbindlichen Inhalte ber die Kurshalbjahre (vgl. 3.4). Bei der Bearbeitung sollte grundstzlich darauf geachtet werden, einerseits Bezge zwischen ausgewhlten Positionen innerhalb eines Arbeitsbereichs herzustellen und andererseits die Arbeitsbereiche untereinander zu verknpfen (Erkennen analoger Denkanstze, Vergleiche, kontrastierende Gegenberstellungen etc.). Problemstellungen von ausgewhlten Positionen sollten demnach nicht nur mit Positionen innerhalb eines Arbeitsbereichs in Bezug gesetzt, sondern darber hinausgehend in der Diskussion philosophischer Problemstellungen auch anderer Arbeitsbereiche unter anderer Perspektive erneut reflektiert werden. Problemstellungen, die im Kontext bestimmter Arbeitsbereiche auftauchen, knnten demnach auch in anderen Arbeitsbereichen, ggf. auch unter anderen Perspektiven, erneut reflektiert werden. Das rein additive Aneinanderreihen von einzelnen Positionen wird dem Bildungsanspruch und der Zielsetzung des Oberstufenunterrichts in einem Leistungskurs Philosophie nicht gerecht. Die ausgewhlten Positionen der einzelnen Arbeitsbereiche knnen sowohl innerhalb eines Kurshalbjahres als auch ber mehrere Kurshalbjahre verteilt werden. Dies erffnet die Mglichkeit, gezielt die Bearbeitung von Positionen an die Bearbeitung von Positionen anderer Arbeitsbereiche anzubinden. So knnten beispielsweise zwei Positionen des Arbeitsbereichs Ethik in 11.1 bearbeitet, dabei grundstzliche Problemstellungen der Ethik reflektiert und die zwei Positionen miteinander verglichen werden. Die dritte verbindlich zu bearbeitende Position der Ethik knnte aber in 12.2 bearbeitet werden, um diese gezielt mit Problemreflexionen der Rechtsphilosophie zu verknpfen. Dieses Vorgehen erleichtert Schlerinnen und Schlern, philosophische Fragen, die zugleich verschiedenen Arbeitsbereichen zugeordnet werden knnen, in ihrer philosophischen Interdisziplinaritt zu erkennen und entsprechend zu reflektieren. So kann zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Willensfreiheit des Menschen als eine Problemstellung des Arbeitsbereichs Ethik identifiziert werden, aber auch als Problemstellung des Arbeitsbereichs Rechtsphilosophie und folglich in eine Unterrichtsreihe zu diesem Arbeitsbereich eingebunden werden. Falls philosophische Ganzschriften zur Bearbeitung ausgewhlt werden, sollten bei der Bearbeitung nach Mglichkeit verschiedene Arbeitsbereiche miteinander verknpft werden (vgl. dazu die unterrichtspraktischen Hinweise in der Handreichung zum Lehrplan).

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Des Weiteren ist verbindlich, dass Schlerinnen und Schler bereits ab Beginn der Jahrgangsstufe 11 kontinuierlich aufbauend eine Pluralitt an Formen der Textbearbeitung kennen lernen sowie Argumentationsstrukturen erkennen und Argumentationsstrategien selbststndig gebrauchen. Es ist darauf Wert zu legen, dass Schlerinnen und Schler im Laufe des Oberstufenunterrichts mit philosophischen Denkmethoden so vertraut werden, dass sie diese zunehmend im philosophischen Diskurs anwenden knnen. Dies impliziert die zunehmende Sicherheit im Umgang mit philosophischer Terminologie. Ergeben sich bei der Bearbeitung der Verbindlichkeiten Freirume, knnen diese dazu genutzt werden, die erworbenen Kenntnisse zu vertiefen, beispielsweise indem diese mit Problemfeldern anderer philosophischer Disziplinen vernetzt werden. So wre etwa die Einbindung von grundlegenden Aspekten der Logik in die unterrichtliche Behandlung von Erkenntnistheorie oder Sprachphilosophie denkbar. Die moderne Disziplin der Interkulturellen Philosophie bietet fr die Gestaltung von Freirumen interessante Problemfelder, die sich an alle hier ausgewiesenen Arbeitsbereiche anbinden lassen. Die Interkulturelle Philosophie nimmt globale philosophische Strmungen in den Blick und setzt sich u. a. kritisch mit der eurozentrierten Philosophie auseinander. Denkbar wre auch ein Exkurs in andere Wissenschaften, beispielsweise die Einbindung biologischer Erkenntnisse in den Arbeitsbereich Anthropologie; doch auch aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse aus den Kognitionswissenschaften knnten in die unterrichtliche Behandlung der Anthropologie, der Philosophie des Geistes oder auch der Erkenntnistheorie eingebunden werden. Interessant wren auch philosophisch relevante Aspekte der modernen Physik im Kontext der Arbeitsbereiche Naturphilosophie oder Metaphysik. Ein Exkurs in die Kunstgeschichte knnte an den Arbeitsbereich sthetik angebunden werden. Mit diesen Beispielen wird auf die vielfltigen fachbergreifenden und fcherverbindenden Mglichkeiten hingewiesen, die von den einzelnen Fachbereichen genutzt werden knnen. Weiterhin bietet sich eine solche Zusammenarbeit der einzelnen Fcher mit dem Fach Philosophie an Projekttagen an.

40

3.4

Beispiele zur Verteilung der Arbeitsbereiche ber die Kurshalbjahre

1. Beispiel 11.1 11.2 12.1 12.2 13

Einfhrung in die Philosophie Anthropologie

Metaphysik

sthetik

Sprachphilosophie Ethik

Wissenschafts-/ Naturphilosophie

Erkenntnistheorie

Geschichtsphilosophie

Politische Philosophie und Rechtsphilosophie

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sieben Positionen

2. Beispiel 11.1 11.2 12.1 12.2 13

Einfhrung in die Philosophie Erkenntnistheorie

Ethik

Anthropologie

Metaphysik

sthetik

Geschichtsphilosophie

Politische Philosophie und Rechtsphilosophie

Sprachphilosophie Wissenschafts/Naturphilosophie

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sieben Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

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3. Beispiel 11.1 11.2 12.1 12.2 13

Einfhrung in die Philosophie Metaphysik

Anthropologie

Wissenschafts-/ Naturphilosophie

Geschichtsphilosophie Politische Philosophie und Rechtsphilosophie

sthetik

Erkenntnistheorie

Ethik

Sprachphilosophie

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sieben Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

4. Beispiel 11.1 11.2 12.1 12.2 13

Einfhrung in die Philosophie

sthetik

Metaphysik

Ethik

Politische Philosophie und Rechtsphilosophie

Wissenschafts/Naturphilosophie Insgesamt mindestens sechs Positionen

Anthropologie

Erkenntnistheorie

Sprachphilosophie Geschichtsphilosophie

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sechs Positionen

Insgesamt mindestens sieben Positionen

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4 HINWEISE ZU DEN ARBEITSBEREICHEN


Einfhrung in die Philosophie Gnothi seauton Erkenne dich selbst! Diese Forderung, die auf einer Sule in der Vorhalle des Tempels des Apollon in Delphi zu lesen war, darf als Leitidee aller Philosophie gelten. Was unter Philosophie auch immer zu verstehen ist, ihre Forderung nach Selbsterkenntnis des Menschen, nach Reflexion seiner Erkenntnismglichkeiten, seines Seins in Theorie und Praxis sowie einer umfassenden Erkenntnis dessen, was ist und sein kann, ist mit der Idee der Philosophie als einer Liebe zur Weisheit verbunden. Die ersten Philosophen des Abendlandes sind Naturphilosophen; sie denken ber den Ursprung (arch) und das Sein der Dinge nach. Die erste Seinslehre, in der das unbewegte, ewige Sein dem Fluss der Dinge entgegengestellt wird, geht auf PARMENIDES zurck. Mit der Denkbewegung der Sophistik verbindet man gngigerweise eine Hinwendung der Philosophie zum Menschen, zu seiner Praxis und seinem kulturellen Sein. Wichtig sind in der Sophistik Reflexionen ber Sprache und die Lehre der Redekunst. Im Lauf ihrer Geschichte etablieren sich Disziplinen der Philosophie, die zu unterschiedlichen Grundfragen Stellung beziehen. IMMANUEL KANT reduziert bekanntlich in den Vorlesungen zur Logik das Feld der Philosophie, insofern sie Wissenschaft von den letzten Zwecken der menschlichen Vernunft sein will, auf vier Grundfragen (Was kann ich wissen?, Was soll ich tun?, Was darf ich hoffen?, Was ist der Mensch?). Die erste Frage beantwortet die theoretische Philosophie, whrend die praktische Philosophie sich der Beantwortung der zweiten Frage zuwendet. Das Themengebiet der Religion ordnet KANT der dritten Frage zu, whrend die vierte Frage durch die Anthropologie beantwortet werde. Da sich die ersten drei Fragen auf die vierte bezgen, knne man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen. KANTs Hervorhebung der Anthropologie ist sinnvoll, weil alle Fragen vom Menschen gestellt werden und alle Antworten auch zur Wesensbestimmung des Menschen beitragen. Anspruch und Grenzen des Erkenntnisstrebens der Philosophie werden im Lauf ihrer Geschichte in ganz unterschiedlicher Weise bewertet. GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL etwa meint (in der Vorrede zur Phnomenologie des Geistes), die Philosophie msse ihren Namen der Liebe zum Wissen ablegen und wirkliches Wissen werden, wissenschaftliches System als der wahren Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert. Einem solch geradezu khnen Verstndnis von Philosophie steht etwa die Beschei-

EINFHRUNG IN DIE PHILOSOPHIE

43

denheit des Skeptizismus DAVID HUMEs gegenber, dessen Anliegen darin besteht, den Menschen darber aufzuklren, in welcher Weise menschliches Wissen und menschliche Praxis aus Erfahrung hervorgeht; diese beruht auf inneren und ueren Perzeptionen, die in HUMEs Terminologie als impressions bezeichnet werden und die die Basis darstellen fr alle Ideen des Geistes, selbst fr solche Ideen wie Ich oder Gott. Die Beantwortung metaphysischer Fragestellungen ist nach HUME dem Menschen genauso verwehrt wie die Einsicht in Naturgesetze (DAVID HUME: Eine Untersuchung ber den menschlichen Verstand). In Anspielung auf die sptantike Schrift des BOETHIUS Trost der Philosophie traut HUME der Philosophie auch nur die Fhigkeit zu einem schwachen Troste zu (HUME: Vom schwachen Trost der Philosophie). Was Philosophie berhaupt ist, ist somit umstritten, sie kennen zu lernen nur mglich im Akt des Philosophierens selbst, weil sie berhaupt nur im Akt Existenz hat, wie JOHANN GOTTLIEB FICHTE meint. Dass die Philosophie keine Lehre ist, sondern eine Ttigkeit, bemerkt LUDWIG WITTGENSTEIN im Tractatus logico-philosophicus.

Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4) Bearbeitet werden mssen mindestens drei Deutungen dessen, was Philosophie ist bzw. sein kann, mit ihrer jeweiligen Verankerung innerhalb einer philosophischen Position. Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht Warum ist etwas und nicht nichts? (ERNST BLOCH) Warum bin ich berhaupt? Bin ich berhaupt? Woher wei ich, dass ich ich bin? War ich gestern derselbe, der ich heute bin oder war ich ein anderer? Warum bin ich ich und nicht du? (PETER HANDKE) Gibt es die Welt wirklich?

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EINFHRUNG IN DIE PHILOSOPHIE

Was ist eine Zahl? Was ist Zeit? Kann sich der Mensch erkennen? Was ist Staunen, was ist Neugierde? Wann und warum zweifeln Menschen? Warum fangen Menschen an zu philosophieren? Macht Wissen glcklich oder unglcklich?

Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan. Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich an: Phnomenologische Denkmethode: Die Vernetzung mit der phnomenologischen Denkmethode knnte darauf abzielen, dass Schlerinnen und Schler die Bedeutung des Staunens sich bewusst machen. Verschiedene Gedankenexperimente, die auch schriftlich bearbeitet werden knnen, fhren dahin, etwa: Stellen Sie sich die Welt ohne Menschen und Tiere vor! Gibt es dann berhaupt die Welt?; Stellen Sie sich vor, ein Blindgeborener erlangt durch eine Operation sein Augenlicht wieder. Beschreiben Sie die Empfindungen, wenn er wieder sehen kann! Mgliches Essaythema: Wenn ein Mensch stirbt, stirbt auch eine Welt. Ebenso kann die Bedeutung des Zweifelns durch Schreibversuche bewusst werden, etwa: Woher wei ich, dass ich es bin, der denkt?

EINFHRUNG IN DIE PHILOSOPHIE

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Analytische Denkmethode: Kontrastierend knnen zwei verschiedene Begriffe von Philosophie in Bezug gesetzt werden. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden dabei herausgearbeitet (z. B. Skeptizismus HUMEs im Gegensatz zu HEGELs Verstndnis von Philosophie als Wissenschaft). Es knnen auch Begriffe der Philosophie vergleichend analysiert werden (z. B. Zweifel und Gewissheit). Spekulative Denkmethode: Mit welchen Themen wird sich die Philosophie in 3000 Jahren beschftigen? Verknpfung der Arbeitsbereiche

Im Arbeitsbereich Einfhrung in die Philosophie gewinnen die Schlerinnen und Schler zunchst einen berblick ber die wichtigsten Disziplinen der Philosophie. Die Grundfrage Warum ist etwas und nicht nichts?, die Ausdruck von Staunen ist, verbindet den Arbeitsbereich mit der Metaphysik. Ausgehend von einer Behandlung der vier Grundfragen KANTs knnten Bezge zur Anthropologie hergestellt werden (vgl. zu einer mglichen Textauswahl die unterrichtsbezogenen Hinweise). Bezge zur Erkenntnistheorie erscheinen ebenfalls sinnvoll, weil die Frage nach den Erkenntnismglichkeiten des Menschen zu den Grundfragen des Philosophierens zhlt.

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EINFHRUNG IN DIE PHILOSOPHIE

Philosophische sthetik

Die sthetik (als Theorie der freien Knste, als untere Erkenntnislehre, als Kunst des schnen Denkens und als Kunst des der Vernunft analogen Denkens) ist die Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis. Mit diesen Worten erffnet ALEXANDER GOTTLIEB BAUMGARTEN seine Reflexion zur sthetik; er gilt mit seinem 1750 erschienenen Werk Aesthetica als Begrnder der wissenschaftlichen sthetik. sthetische Erkenntnis ist nach BAUMGARTEN mit einem besonderen Wahrnehmungsvermgen verbunden, der cognitio sensitiva, die sich vom wissenschaftlichen Erkennen unterscheidet, indem sie nicht Ganzes analysiert, sondern das Ganze in seiner Komplexitt, seiner Verdichtung aufnimmt. Vollstndiges Erkennen bedarf sowohl des wissenschaftlich-analytischen als auch des sthetischen Denkens. Ganz allgemein wird in der sthetik die Frage nach dem Schnen gestellt, wobei unterschiedliche Problemfelder beleuchtet werden, u. a. auch im Rahmen von Werkbzw. Wirkungssthetik. Einerseits wird nach der Theorie des Schnen gefragt, was auch die Frage nach dem Kunst- bzw. Naturschnen umfasst, aber auch die Frage nach dem Schnen, das nicht wahrnehmbar ist. Andererseits werden Fragestellungen aufgeworfen nach dem Schnen in der Kunst oder aber nach der Theorie der Kunst, was einen engen Zusammenhang zur Kunstphilosophie darstellt. Im Prozess der ideengeschichtlichen Entwicklung des Begriffs sthetik werden vielschichtige Verknpfungen zu anderen philosophischen Fragestellungen reflektiert, wie z. B. zu Erkenntnistheorie, Ethik, Anthropologie, Religionsphilosophie, Neurowissenschaften, Medienwissenschaften. Daraus ergeben sich vielfltige unterschiedliche Deutungsanstze im philosophisch-sthetischen Diskurs. Ein grundlegendes Problem der sthetisch-philosophischen Reflexion betrifft die Frage nach Kriterien zur Beurteilung des Schnen und ihren intersubjektiven Verbindlichkeiten. Diese Reflexion kann im Kern nicht auf erkenntnistheoretische Problemstellungen bzw. Reflexionen aus dem Bereich der Philosophie des Geistes verzichten, wie beispielsweise BAUMGARTEN, MENDELSSOHN und auch KANT darlegen. Im aktuellen philosophischen Diskurs haben Fragen nach der Instrumentalisierung und Autonomie sthetischer Ausdrucksformen ebenfalls an Bedeutung gewonnen. Stets ist es Jugendlichen ein Bedrfnis, eigene sthetische Ausdrucksformen (z. B. Kleidung, Musikgeschmack) mit denen anderer zu vergleichen und sich beispielsweise hierber auch als Einzelner sowie als Gruppe zu definieren. Kritische Auseinandersetzungen werden bereits von Jugendlichen vielfach angestrengt, gerade auch im Hinblick auf die aktuelle sthetisierung des Krpers, die Attraktivittsforschung, sthetisierung von Lebensrumen im Zusammenhang gesellschaftlich-konomischer

PHILOSOPHISCHE STHETIK

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Aspekte. Weiterhin knnte es ber diesen Zusammenhang hinaus fr Schlerinnen und Schler interessant sein, auch die scheinbar unpolitische Dimension der sthetik in unserer Gesellschaft nher zu beleuchten. Es ist davon auszugehen, dass Jugendliche ein Erkenntnisbedrfnis haben, das zu verstehen, was sich zeigt, sich nicht in Sprache expliziert sagt. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4) Mindestens drei verschiedene philosophische Positionen der sthetik aus verschiedenen philosophischen Epochen mssen bearbeitet werden. Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht Sind sthetische Ausdrucksformen zeitlos? Wovon hngen Schnheitsideale ab? Knnen sthetische Aussagen allgemeingltig sein? Gibt es schnes Denken? Was ist sthetische Erfahrung? Welche Faktoren bedingen sthetische Erfahrung, in welchen Kontexten ereignen sich sthetische Ausdrucksformen? Aus welchen Grnden verfolgen Menschen sthetische Interessen? Ist eine Zuwendung zum sthetischen ethisch vertretbar, oder ist es angesichts drngender (ethischer, gesellschaftlicher, politischer) Probleme ein Luxus der Privilegierten? Werden schne Menschen in der Gesellschaft bevorzugt? Kann Kunst beruhigen oder heilen? Knnen Bilder Aggressionen oder Irritationen auslsen? Gibt es gefhrliche Bilder? Was ist Kitsch? Was veranlasst Menschen, bestimmte Kunstwerke zu verbieten?

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PHILOSOPHISCHE STHETIK

Darf das moralisch Verwerfliche schn erscheinen, z. B. in einem Kunstwerk, im Film ? Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan. Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an:

Phnomenologische Denkmethode: Anhand eines Textbeispiels wie etwa DIDEROT zu CHARDIN knnte die Schlerin/der Schler sich selbst in einem philosophischen Essay in der Auseinandersetzung mit einem Bild versuchen.

Analytische Denkmethode: Formanalysen zu einem Kunstwerk mit philosophischen Implikationen; philosophische Begriffe wie Kunst, Symbol oder Konstellation knnen in der Kontrastierung unterschiedlicher philosophischer Texte analysiert werden. Im Bild knnen eventuell Bildzitate aufgesprt und im jeweiligen Kontext analysiert werden. Mglich wre auch eine Bearbeitung im Sinne einer Archologie des Begriffs. Der Begriff Symbol knnte dabei beispielsweise in seiner Etymologie beleuchtet und/oder hinsichtlich zentraler Momente seiner Bedeutungsgeschichte reflektiert werden. Weiterhin knnen Metaphern sowohl hinsichtlich ihrer Bedeutungsgeschichte als auch im konkreten Kontext des vorgelegten Materials untersucht werden. Dekonstruktivistische Denkmethode: Textpassagen oder ausgewhlte Bilder mit philosophischen Implikationen, z. B. mit eigenen Kommentaren, Erluterungen, Ergnzungen versehen, die sich jedoch deutlich vom Original absetzen ggf. die Differenz von eigenen Gedanken zum vorliegenden Text und zentraler Textaussage aufzeigen

PHILOSOPHISCHE STHETIK

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Verknpfung der Arbeitsbereiche

Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich: Ethik (z. B. Bilderstreit, Kirchenbilder des Knstlers SCHREITER) Anthropologie, z. B. anthropologische Implikationen in Kunstwerken (BEUYS Kunstbegriff, der Mensch in Bildern von FRIDA KAHLO) Politische Philosophie, z. B. die gesellschaftlich-politische Dimension von Kunst, etwa die wirkungssthetische Absicht von Kunst (politische Satire, Karikaturen, Bilder), der Umgang mit jdischem Erbe der Kunst nach dem 2. Weltkrieg, die Wirkung von politisch intendierten Bildern (z. B. Wahlplakate) Sprachphilosophie, z. B. WITTGENSTEINs Bildtheorie der Sprache, der Zusammenhang von Sprache und Bild nach VILM FLUSSER Erkenntnistheorie, z. B. Wahrnehmung, Kodieren von Schrift und Bild aus konstruktivistischer Sicht (z. B. SIEGFRIED J. SCHMIDT) Philosophie des Geistes (Bildgebende Verfahren, ihre Interpretationen und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen in Hirnforschung und Philosophie)

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PHILOSOPHISCHE STHETIK

Geschichtsphilosophie Sie wird also kommen, die Zeit, da die Sonne hienieden nur noch auf freie Menschen scheint, Menschen, die nichts ber sich anerkennen als ihre Vernunft, da es Tyrannen und Sklaven, Priester und ihre stumpfsinnigen und ihre heuchlerischen Werkzeuge nur noch in Geschichtsbchern und auf dem Theater geben wird. Diese Worte stammen aus der Feder des Aufklrers MARIE JEAN ANTOINE NICOLAS CARITAT, MARQUIS DE CONDORCET, (dt. Ausgabe Frankfurt/M. 1976, S. 198), der damit in seinem Werk Entwurf einer historischen Darstellung der Fortschritte des menschlichen Geistes den ungebrochenen Glauben der Aufklrung an den Fortschritt der Menschheit im 18. Jahrhundert zum Ausdruck bringt. Im 20. Jahrhundert schreibt HANNAH ARENDT: Es ist gegen die menschliche Wrde, an den Fortschritt zu glauben (HANNAH ARENDT: Das Urteil. Texte zu Kants politischer Philosophie, Mnchen 1985, S. 102). Die aufgeklrte Erde strahlt im Zeichen des triumphalen Unheils, stellen THEODOR W. ADORNO und MAX HORKHEIMER in Dialektik der Aufklrung im 20. Jahrhundert (Frankfurt/M. 1969, S. 9) fest. Das in der Aufklrung angenommene Fortschreiten zum Besseren, die Verfeinerung der Sitten der Vlker (ANNE ROBERT JACQUES TURGOT) haben offenbar eine bittere Enttuschung erfahren ein bses Erwachen aus dem Traum des Fortschrittsoptimismus oder vorbergehender Pessimismus? Welches historische Bewusstsein in der geschichtsphilosophischen Reflexion kommt hier jeweils zum Ausdruck und welche Aspekte der geschichtsphilosophischen Reflexion stehen in diesem Kontext? Die Geschichtsphilosophie zielt auf Geschichte im Ganzen; sie reflektiert ber eine Verlaufsform von geschichtlichen Prozessen und fragt danach, ob darin Gesetzmigkeiten erkennbar sind. Sie fragt nach dem Subjekt der Geschichte, nach deren Ziel, Sinn und Zweck. Ein einfacher Weg, den Anfang von Geschichtsphilosophie zu bestimmen, wre, auf die Begriffsgeschichte zurckzugreifen. 1765 prgt VOLTAIRE den Begriff philosophie de lhistoire. Er will einen Gegenentwurf zu einer christlich-religis geprgten Geschichtsschreibung verfassen und die Geschichtsforschung in den Stand der Wissenschaften erheben. Geschichte soll in natrlichen Begriffen dargestellt werden (philosophie naturelle), die Geschichtsschreibung soll en philosophe sein, d. h. allgemeine philosophische Prinzipien sollen auf die Betrachtung historischer Ereignisse angewandt werden. Die neue Wissenschaft soll rein empirisch verfahren und historische

GESCHICHTSPHILOSOPHIE

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Tatsachen aus natrlichen Ursachen kausal erklren (certitude historique). So vollzieht die Geschichtsphilosophie ihre Entwicklung zur philosophischen Disziplin im 18. Jahrhundert nicht nur von ihrem Namen her, sondern entspringt dem Geist der Aufklrung. In der aufklrerischen Kritik an Staat und Kirche entfaltet sich das brgerliche Bewusstsein; Vernunft wird verstanden als Entwicklung der Zivilisation und Kultivierung der Menschheit. Nach REINHART KOSELLECK hat die Geschichtsphilosophie das Erbe der Theologie angetreten, indem die christliche Eschatologie in abgewandelter Form als skularer Fortschritt auftritt, was sich in den teleologisch geprgten Fortschrittstheorien innerhalb der Geschichtsphilosophie nachweisen lsst (REINHART KOSELLECK: Kritik und Krise). Den eigentlichen Ursprung fr ein lineares Geschichtsverstndnis sieht KARL LWITH in einer christlich-eschatologisch ausgerichteten Geschichtsauffassung, die ausgehend von der Schpfung, dem Anfang der Geschichte, das Ende in den Blick nimmt; diese Geschichtsauffassung zielt auf ein unwiderrufliches Ende ab, auf ein endgltiges Letztes, nmlich die Erfllung in Gott. Daher, so LWITH in der Einleitung zu Weltgeschichte und Heilsgeschehen, kann Geschichtsphilosophie in diesem Sinne keine Wissenschaft sein, denn der Glaube an das Heil kann nicht wissenschaftlich begrndet werden. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu 3.2-3.4)

Mindestens drei Positionen geschichtsphilosophischen Denkens aus verschiedenen Epochen, davon mindestens eine aus der Aufklrung und eine aus zeitgenssischer Philosophie im Vergleich oder in kontrastierender Gegenberstellung, mssen bearbeitet werden. Begriffe wie Dialektik, Prozess, Aufklrung und Fortschritt mssen im Kontext geschichtsphilosophischer Reflexion errtert werden.

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GESCHICHTSPHILOSOPHIE

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht

Kann man Zeit festhalten? Wann dauert die Zeit eine Ewigkeit und wann vergeht sie wie im Fluge? Kann der Mensch seinen Zeitgeist empfinden? Brauchen wir eine Vorstellung davon, wie Geschichte abluft? Kann sich das Tier erinnern und hat es eine Geschichte? Gibt es Geschichte ohne den Menschen? Gibt es Geschichte ohne Erinnerung? Was heit Wider das Vergessen? Wann kann man von einem geschichtlichen Ereignis sprechen? Welche geschichtlichen Ereignisse haben unsere Gegenwart besonders beeinflusst und warum? Knnen wir aus Vergangenheit und Gegenwart Aussagen ber die Zukunft ableiten? Was wird mglicherweise aus unserer Gegenwart fr die Zukunft eine Bedeutung haben? Bestimmt das Schicksal die Geschichte der Menschen? Braucht der Mensch Zukunftsvisionen? Knnen sich Ereignisse in der Geschichte wiederholen? Warum errichten Menschen Denkmler oder Gedenksttten? Kann es Geschichte ohne Schrift und Bild geben? Kann Geschichte verflscht werden, und warum (nicht)? Kann jede/r Einzelne von uns in der Geschichte wirksam werden? Was ist ein (geschichtlicher) Prozess? Gibt es einen Anfang bzw. ein Ende der Menschheitsgeschichte? Schreitet die Menschheit in ihrer Geschichte fort, gibt es Rckschritte? Kann der Mensch aus der Geschichte lernen? Kann es versunkene Welten, vergessene Ereignisse geben?

GESCHICHTSPHILOSOPHIE

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Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan.

Vernetzung mit Denkmethoden Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an: Analytische Denkmethode: z. B. historisch-begriffliche Analysen von Zeit, Prozess, immanentes Gesetz (hier knnte auch geschichtsphilosophisch problematisiert werden, ob und inwiefern Geschichtsphilosophie nur dann den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben kann, wenn Prinzipien und Gesetze von Geschichtsverlufen entdeckt werden knnen, z. B. Dialektik, Kausalitt) Phnomenologische Zugnge (prsentativ oder diskursiv): Zeiterfahrungen, Zeitvorstellungen, Zeitbewusstsein, meine Geschichte in meiner Zeit, Vergangenheit und meine Vorstellungen davon, persnliche Deutung (Relevanz fr mein eigenes Leben) von Bildern, Fotografien etc., Textpassagen, persnlicher Kommentar zu MARCEL PROUST (Madeleine), Betrachtung der Materialien vor dem Hintergrund eigener Rezeptionserfahrungen oder persnlicher Erkenntnisneugierde, Aufzeigen des Erkenntnisinteresses an Geschichtsphilosophie (welche im Kurs aufgeworfenen Fragen sind interessant und warum?) Dialektische Denkmethode: z. B. Vergleich der dialektischen Denkstile von MARX und HEGEL Dekonstruktivistische Denkmethode: bearbeitete Texte aufbrechen, beispielsweise einen Textausschnitt aus KANTs Schrift Mutmalicher Anfang der Menschengeschichte (z. B. der Gedanke des Erwachens der Vernunft am Anbeginn der Menschengeschichte), Randaussagen des Textes aufgreifen, kommentieren, implizite Aussagen explizieren (z. B. zum Verhltnis von Mensch und Tier hinsichtlich der Menschengeschichte Mensch zum Schaf: Der Pelz, den du trgst, hat die Natur fr mich gemacht Beginn der Geschichte der Mensch, entlassen aus dem Mutterschoe der Natur)

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GESCHICHTSPHILOSOPHIE

Verknpfung der Arbeitsbereiche

Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich:

Metaphysik: z. B. Kritik FEUERBACHs an HEGEL hinsichtlich der Aufgabe der Theologie und der Philosophie sowie an der Metaphysik und Dialektik bei HEGEL (Grundstze der Philosophie der Zukunft, 21) im kontrastiven Vergleich zu HEGEL (Enzyklopdie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, 384) Anthropologie/Ethik: z. B. der Mensch, der sich erinnert bzw. Geschichte macht, erleidet die (Ohn)Macht des Einzelnen in seinem geschichtlichen Kontext (KANT: Aufklrung, Antagonismus; Menschenbild von JONAS, insbes. Verantwortung); das Erinnern: historisches Gedchtnis des Menschen in der Antike und in der modernen Gedchtnisforschung Wissenschaftsphilosophie und Ethik: Kulturgeschichte (z. B. Medizin, Technik, Mobilitt, Architektur, Design, Moden); Relevanz der technischen Entwicklung fr geschichtsphilosophische berlegungen und ethische Problemstellungen, die sich daraus ergeben (z. B. ANDERS, HORKHEIMER, HSLE, JONAS, BIRNBACHER) Politische Philosophie: geschichtsphilosophische Prozesse vor dem Hintergrund staatsphilosophischer Modelle

GESCHICHTSPHILOSOPHIE

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Anthropologie

Die Frage nach dem, was den Menschen ausmacht, die Frage nach seinen ihm eigenen Mglichkeiten, seinen Trumen, die er von sich hat, seinen Nten, aber auch seinen Abgrnden und seiner Fragwrdigkeit, ist ein Thema, das den Menschen schon immer in allen Kulturen begleitet; in Mythen, in den Religionen, in der Literatur, aber auch in der Philosophie wird die Frage nach dem Menschen gestellt. Konstanten menschlichen Selbstverstndnisses zeigen sich in seiner Geschichte. Gnothi seauton - Erkenne dich selbst! konnte der antike Besucher auf einer Sule in der Vorhalle des Tempels des Apollon in Delphi lesen, jener griechischen Licht- und Vernunftgottheit, die dem Chaos magebend und gebietend entgegentritt. Der zweite (etwa 900 v. Chr. entstandene) Schpfungsmythos des Jahwisten im Buch GENESIS der Bibel erzhlt davon, dass der Mensch das gttliche Verbot missachtet, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Die Verheiung der Schlange (Ihr werdet sein wie Gott) geht in Erfllung. Gott selbst anerkennt die Gotthnlichkeit von Adam und Eva: Seht, die Menschen sind geworden wie wir. Sie erkennen Gut und Bse (Gen. 3,22). Die Gotthnlichkeit - Motiv auch des ersten, aber jngeren Schpfungsmythos der Priesterschrift, der den Menschen als Ebenbild Gottes deutet - erscheint als Konsequenz der Tat jener Grenzberschreitung, die dem Menschen zu allererst sein Antlitz verleiht, bezahlt aber mit dem Preis der Verbannung aus dem Paradies. Mit ihr in Nacktheit und den Widrigkeiten einer feindseligen Natur ausgesetzt beginnt die Geschichte des Menschen. Der erste Brudermord steht an deren Beginn. Ungeheuer ist viel, und nichts / Ungeheurer als der Mensch, heit es im Chorlied aus der Antigone von SOPHOKLES (V. 332f.). In GOETHEs Faust stellt Mephisto im Dialog mit dem Herrn jenes Attribut, das so die Meinung des abendlndischen Anthropozentrismus - das Menschliche des Menschen berhaupt erst konstituiert, die menschliche Vernunft, radikal in Frage: Der kleine Gott der Welt bleibt stets vom gleichen Schlag / Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. / Ein wenig besser wrd er leben, / Httst du ihm nicht den Schein des Himmelslicht gegeben. / Er nennts Vernunft und brauchts allein, / Nur tierischer als jedes Tier zu sein (Prolog im Himmel, V. 281-286). In der berhmten Prometheus-Hymne hingegen erschafft GOETHE in der Darstellung der stolzen und sich auflehnenden Haltung der mythischen Figur, die in der berlieferung des HESIOD gegen den Willen des Zeus den Menschen das Feuer bringt und ihnen in ihrer Bedrftigkeit hilft, Zivilisation und Kultur zu errichten, ein Bild der schpferischen Tatkraft des Menschen.

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ANTHROPOLOGIE

Schon GOETHE knnte mit der Gestalt des Prometheus (allgemein wird der Name mit Vorausdenker bersetzt) auch technische Errungenschaften verbunden haben den Blitzableiter etwa, der die Insignien der Macht des mythischen Gottes, Blitz und Donner nmlich, in Frage stellt. Auf das Bild des gefesselten Prometheus bei AISCHYLOS nimmt HANS JONAS mit dem Gegenbild des endgltig entfesselten Prometheus im Vorwort seines Hauptwerkes Das Prinzip Verantwortung Bezug, in dem er den Gefahren, die mit der nie geahnten und bedrohlichen Machtflle moderner Technik und Naturbeherrschung einhergehen, die Besinnung einer Verantwortungsethik entgegenhalten will. Grundstzliche Fragestellungen wie die Frage nach der Erkenntnisfhigkeit des Menschen, aber auch seiner Erkenntnisgrenzen, die Frage nach seiner Verantwortung (fr sich selbst und fr die Natur), aber auch nach seinem Egoismus, die Frage nach seiner Freiheit und nach seiner Unfreiheit, die Frage nach seiner Sozialitt, aber auch nach seinem Hang zu Individualitt und Einzigartigkeit, die Frage nach seiner Vernunftbegabtheit und Geschichtlichkeit, aber auch die Frage nach seiner Irrationalitt und seinen Abgrnden, gehren zum Grundbestand anthropologischer berlegungen. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4)

Es mssen drei anthropologische Positionen behandelt werden. Eine Position des 20. Jahrhunderts (oder des 21. Jahrhunderts) muss bei der Auswahl bercksichtigt werden.

ANTHROPOLOGIE

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Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht Kann sich der Mensch ein Bild von sich selbst machen? Kann Materie denken? Kann der Mensch ohne Liebe leben? Kann der Mensch ohne soziale Kontakte ein Mensch werden, ein Mensch bleiben? Kann ich andere Menschen verstehen? Kann ich mich so sehen, wie andere Menschen mich sehen? Wer sieht mich, wie ich wirklich bin ich oder der andere? Kann sich der Mensch selbst kennen lernen oder bleibt er sich selbst ein Rtsel? Knnen Tiere sprechen? Haben Tiere Kultur? Leben Tiere nur in der Gegenwart oder haben sie eine Zukunft? Braucht der Mensch Zukunft? Braucht der Mensch Visionen? Kann der Mensch ohne Hoffnung leben? Braucht der Mensch ein Gedchtnis? Kann sich der Mensch ohne Geschichte begreifen? Ist die Sterblichkeit eine Last oder ein Segen? Kann es ein Ich ohne Krper geben? Kann der Mensch die Welt berleben? Ist der Mensch das Ende der Evolution? Luft die Evolution zum Menschen hin? Welche Bedeutung hat die Schrift fr den Menschen? Braucht der Mensch Kunst? Ist der Mensch nur da ganz Mensch, wo er spielt? Ist Arbeit ein Grundbedrfnis des Menschen? Ist die Technik fr den Menschen ein Segen oder ein Fluch? Wei ein Schachcomputer, dass er Schach spielt?

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ANTHROPOLOGIE

Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan. Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an: Phnomenologische Denkmethode: Gedankenexperimente, die im Kontext von Schreibversuchen erscheinen knnten, erschlieen in besonderer Weise anthropologische Grundfragen. Beispiele von Aufgaben: Htten Sie vom Baum der Erkenntnis gegessen?, Stellen Sie sich eine Welt vor, in der es keine Bilder und keine Schrift (alternativ: keine Sprache) gibt. Welche Konsequenzen htte dies fr das menschliche Leben? Die menschliche Grundbefindlichkeit der Sehnsucht kann essayistisch oder in anderen Formen kreativen Schreibens bearbeitet werden, ebenso anthropologische Themen wie Langeweile oder Angst. Analytische Denkmethode: Die Analyse und weiterfhrende philosophische Reflexion des Gedankenexperiments Das chinesische Zimmer von JOHN R. SEARLE (aus: Geist. Eine Einfhrung) eignet sich dazu, Aporien des Leib-Seele-Problems zu entdecken (Problem der Erklrungslcke) oder die kontrovers diskutierte Frage nach der Mglichkeit von Selbstbewusstsein knstlicher Intelligenz zu errtern. Das innerhalb der Philosophie des Geistes verwendete Gedankenexperiment des philosophischen Zombies (DAVIS CHALMERS u. a.) kann ebenfalls als Ausgangspunkt analytischer Auseinandersetzung mit dem Leib-Seele-Problem dienen. Mgliche Fragestellung: Kann man einen (philosophischen) Zombie identifizieren? Natrlich kann auch das berhmte Gedankenexperiment der Mhle (LEIBNIZ: Monadologie, 17) Ausgangspunkt analytischer Reflexionen werden, um das Problem der Erklrungslcke im Kontext des Leib-Seele-Problems zu klarem Bewusstsein zu bringen. Dialektische Denkmethode: Ausgehend von dem DOSTOJEWSKI-Zitat Wenn Gott nicht existiert, ist alles erlaubt kann das Themengebiet Freiheit ohne Gott antithetisch diskutiert werden. Das Zitat berhrt im Grunde die Frage nach dem Wesen der Freiheit: Ist Freiheit anzubinden an ein Gesetz oder ist Freiheit eine Freiheit von Willkr? Ist sittliche Freiheit autonom oder religis (in Anbindung an Gott) zu deuten?

ANTHROPOLOGIE

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Spekulative Denkmethode: Wie stellen Sie sich das Leben der Menschen in 2000 Jahren vor? Die Frage kann zum Beispiel Thema eines Schreibversuchs oder eines Unterrichtsgesprchs sein. Verknpfung der Arbeitsbereiche

Die anthropologische Frage sollte bei der Behandlung aller Arbeitsbereiche mitgedacht werden. Bezge zu anderen Arbeitsbereichen knnten etwa ber folgende Themen hergestellt werden: Mensch und Sprache (Sprachphilosophie), der Mensch als metaphysisches Wesen (Metaphysik), der Mensch als Kunst schaffendes Wesen (sthetik), der Mensch als moralisches Wesen (Ethik), der Mensch als soziales Wesen, das die Gemeinschaft und den Staat braucht (Staatsphilosophie), der Mensch als ein Wesen, das geschichtlich ist und Macht hat (Geschichtsphilosophie).

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ANTHROPOLOGIE

Sprachphilosophie

In der griechischen Mythologie wird uns von der sprechfreudigen Echo erzhlt, die im Auftrag des Zeus dessen eiferschtige Frau Hera mit Gesprchen ablenken sollte, damit er sich seinerseits ungesehen mit den Nymphen vergngen konnte. Hera, wtend ber diesen Betrug, bestraft Echo mit dem Verlust des eigenstndigen Sprechens, sodass diese nunmehr nur noch in der Lage ist, die letzten ausgesprochenen Worte von anderen mit ihrer Stimme wiederzugeben (vgl. Varianten: Pan und Echo, Narziss und Echo). Auch in der Bibel wird in der Erzhlung vom Turmbau zu Babel veranschaulicht, welch tiefgreifenden Verlust es bedeutet, wenn die sprachliche Kommunikation gestrt wird (Gen 11,1-9). Auch wenn wir in zahlreichen Alltagssituationen die sich dort ereignende Kommunikation als intakt bezeichnen wrden, d. h. wir uns keiner Sprachverwirrung ausgesetzt, ja uns geradezu verstanden fhlen, bleibt doch die Frage, ob die Inhalte, die das Werkzeug Sprache zum Ausdruck bringen will, dabei auch dem Gegenber hinreichend klar und deutlich vermittelt werden knnen. Sprachreflexionen in der Philosophie sind so alt wie die Philosophie selbst, auch wenn der Terminus Sprachphilosophie erst im 19. Jahrhundert geprgt wird. Sprachphilosophie als eigene philosophische Disziplin kommt erst spt in den Blick. Bei FRANCIS BACON finden wir eine Unterscheidung von literarischer Grammatik, die uns beim Erlernen von Fremdsprachen untersttzt, und philosophischer Grammatik. Letztere untersucht die Analogie zwischen Wrtern und Sachen. JOHANN GOTTFRIED HERDER ist der erste, der die Termini Sprache und Philosophie miteinander verknpft und von Sprachenphilosophie spricht. Diese hat sich, so HERDER, erstmals bei den antiken Griechen entzndet, sie ist zurckzufhren auf deren beraus kunstreichen Umgang mit Sprache in Form von Erzhlungen, Geschichtsschreibung, ffentlichen Reden (JOHANN GOTTFRIED HERDER: Ideen zur Philosophie der Menschheit, 1. Teil, 1. Buch, Kap., V). Im Verlauf der Philosophiegeschichte finden sich Sprachreflexionen in weit verzweigter Form, eingebunden in philosophische Disziplinen wie z. B. die Anthropologie, Erkenntnistheorie, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes, Wissenschaftsphilosophie und Ethik. Ebenso greifen andere Wissenschaften sprachphilosophische Reflexionen auf, entwickeln Synthesen und arbeiten zunehmend trans- und interdisziplinr mit der Philo-

SPRACHPHILOSOPHIE

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sophie zusammen, wie beispielsweise Semiotik, Psycholinguistik, Informatik. Die Auseinandersetzung aktueller philosophischer Strmungen mit empirischen Wissenschaften stellt im Hinblick auf die Trans- bzw. Interdisziplinaritt die Frage nach der Terminologie der einzelnen Wissenschaften. Gerade hinsichtlich mglicher Erklrungen von Phnomenen (z. B. Bewusstsein, Geist, Seele) und Beschreibung von Forschungsergebnissen scheinen Wissenschaften untereinander oftmals nicht die gleiche Sprache zu sprechen, es kommt zu Verwirrungen bis hin zu Missverstndnissen. Fr den Philosophen PETER BIERI gilt es daher, eine historische Neugierde fr Begriffsgeschichten zu entwickeln. Der amerikanische Philosoph THOMAS NAGEL will genau solchen Problemen entgehen, indem er mit seinem Ansatz bemht ist, Klarheit in die Diskussion ber die logische Struktur von Sprache zu bringen. In seiner Schrift Das letzte Wort stellt er einen Zusammenhang von Denken und Sprache her: Das Verstehen von Sprache ist eine Form des Denkens, aber die Sprache ist nicht der Stoff, aus dem Gedanken gemacht sind. Fr viele Typen des Denkens ist die Sprache ebenso unerlsslich wie Diagramme fr die Geometrie. Der Inhalt des Denkens muss nach NAGEL von den Bedeutungen der Wrter klar differenziert werden. Ein sprachliches System kann sehr wohl kulturell geprgt sein, gewissen Konventionen unterliegen, doch die Gltigkeit der Gedanken ist davon unabhngig. Selbst wenn unsere Sprachgewohnheit in uns das Gefhl der Objektivitt aufkommen lsst, wir dadurch eine Aussage als richtig bewerten, so wird nach NAGEL die durch Konvention geprgte Sprachpraxis nicht von der Objektivitt aus dem Felde geschlagen: Was eine Menge von Stzen bedeutet, ist von Konventionen abhngig. Was aus einer Menge von Prmissen folgt, ist von Konventionen unabhngig (alle Zitate aus: THOMAS NAGEL: Das letzte Wort, Kap. 3). Wenn wir die Ratio erklren wollen, wird uns dies mit phnomenologischen Beschreibungen oder subjektivistisch ausgerichteter Reflexion nicht gelingen. Es geht NAGEL um die Suche nach den letzten logischen Notwendigkeiten von Sprachpraktiken, und er wendet sich entschieden gegen alle Sprachreflexionen, an die Stelle des Fundamentalen, der Letzterklrung soziale, psychologisch-kulturelle Fakten ermitteln und darauf aufbauend Sprachanalysen vornehmen. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4) Mindestens drei verschiedene sprachphilosophische Positionen aus verschiedenen philosophiegeschichtlichen Epochen mssen bearbeitet werden.

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SPRACHPHILOSOPHIE

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht

Knnen wir ohne Sprache denken? Gibt es Unsagbares, etwas, wo uns die Worte fehlen? Was heit im bertragenen Sinne sprachlos sein? Wirken sich kulturelle Strukturen auf unsere Sprache aus? Warum ist es so schwer, eine Fremdsprache zu lernen? Was macht die bersetzung von einer Sprache in eine andere Sprache so schwierig? Wirkt sich Sprache auf unsere Gefhle aus? Was heit: Wir sprechen eine Sprache? Kann man mit Hilfe der Sprache zu Erkenntnissen gelangen? Wieso knnen wir bestimmte Wrter nur schwer in unsere Muttersprache bersetzen? Knnen Worte Realitten schaffen? Welche Rolle spielt Sprache in der Politik? Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan.

SPRACHPHILOSOPHIE

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Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an: Phnomenologische Denkmethode: Es wre mglich, auf der Basis der Problemstellung innerhalb des Gedankenexperiments von METZINGER oder auch ausgehend von CONDILLAC ein eigenes Gedankenexperiment durchzufhren. Analytische Denkmethode: Hier wre denkbar, dass der Anspruch des analytischen Denkstils im Sinne von FREGE anhand von Ausschnitten aus der Begriffsschrift oder auch aus der Schrift des WIENER KREISES nher untersucht werden knnte, z. B.: Was wird von einer Formelsprache erwartet? Ist dies leistbar? Dekonstruktivistische Denkmethode: Man knnte eine kleine Textpassage von HERAKLIT ohne die bersetzung des Wortes logos lesen, eine Recherche anstellen, was das Wort logos bedeutet, die fr diesen Text geeignetste bersetzung verwenden und mit dem Text begrnden. Kreative Denkmethode: Verfassen eigener Gedankenexperimente und philosophischer Essays Verknpfung der Arbeitsbereiche Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich: Erkenntnistheorie/Philosophie des Geistes: Zusammenhang von Sprache und Gedchtnis (z. B. GERHARD ROTH, WOLF SINGER), Zusammenhang von Sprache und Bewusstsein (WOLF SINGER) Wissenschaftsphilosophie: z. B. Wissenschaftssprachen und ihre Transparenz sthetik: z. B. Sprache im Bild Bild in der Sprache; FLUSSERs Theorie der Schriftentwicklung aus dem Bild; Zusammenwirken von Bild und Sprache in Film und Fernsehen Politische Philosophie: z. B. Sprache in politischen Kommunikationsformen Sprache in Medien, z. B. SMS, Chatrooms

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SPRACHPHILOSOPHIE

Metaphysik Obwohl es der Sache nach schon ein metaphysisches Denken vor ARISTOTELES gibt und obwohl die Wortfindung ta meta ta physika mglicherweise auf ANDRONIKOS VON RHODOS, den ersten Herausgeber der Werke des ARISTOTELES, zurckgeht, gilt ARISTOTELES nach gngiger Lesart als Begrnder der Metaphysik als eigenstndiger Disziplin, die bei ihm den Namen der Ersten Philosophie trgt: Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht und das demselben an sich Zukommende. Diese Wissenschaft ist mit keiner der brigen Wissenschaften identisch, denn keine der brigen Wissenschaften handelt allgemein vom Seienden als Seiendem, sondern sie grenzen einen Teil des Seienden ab und untersuchen die fr diesen sich ergebenden Bestimmungen, wie z. B. die mathematischen Wissenschaften (ARISTOTELES: Metaphysik, Buch IV). Merkmale dieser Ersten Philosophie sind nach ARISTOTELES neben der Wissenschaftlichkeit dieses Philosophierens die nicht mehr berbietbare Allgemeinheit ihrer Erkenntnis, die sich darin uert, dass die Erste Philosophie nach den letzten Prinzipien und den hchsten Ursachen des Seins Ausschau halte. CHRISTIAN WOLFF fhrt eine begriffliche Differenzierung von Metaphysik und Ontologie ein. Danach sind metaphysica generalis und ontologia synonyme Begriffe, abzugrenzen von einer metaphysica specialis, die in der Systematik WOLFFs wiederum in rationale Theologie, rationale Kosmologie und rationale Psychologie zu unterteilen ist (CHRISTIAN WOLFF: Discursus praeliminaris de philosophia in genere). Die Erste Philosophie bei ARISTOTELES umfasst der Sache nach sowohl Ontologie als auch spezielle Metaphysik. Trotz der systematischen Differenzierung von Ontologie und Metaphysik bei WOLFF bleibt jedoch eine klare Trennung strittig. Metaphysische Fragestellungen sind beispielsweise die Fragen nach einem ersten, unbewegten Beweger (ARISTOTELES), nach der Freiheit des Willens (IMMANUEL KANT), nach der Geschlechtsliebe (ARTHUR SCHOPENHAUER), nach dem Bsen (FRIEDRICH WILHELM JOSEPH SCHELLING), nach der Verantwortung des Menschen (HANS JONAS). Diese Fragestellungen werden immer im Kontext einer die Erfahrung und die Erfahrungswissenschaften transzendierenden Theorie in den Blick genommen, die das Ganze der Welt und unserer Erfahrung, die wir mit der Welt und uns selbst machen, zu deuten versucht. Mit A. N. WHITEHEAD kann man sagen, dass Metaphysik den Entwurf eines kohrenten, logischen und notwendigen Systems allgemeiner Ideen darstellt, auf dessen Grundlage jedes Element unserer Erfahrung interpretiert werden kann (ALFRED NORTH WHITEHEAD: Prozess und Realitt). Zumindest fr eine phnomenologische Perspektive stellt auch der Materialismus eine metaphysische Theorie dar, weil im Materialismus die Materie als absolut existierender Grund aller Erfahrung von Wirklichkeit sowie der Selbsterfahrung des Subjektes gesetzt wird.

METAPHYSIK

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Fr SARTRE etwa, der sich dem phnomenologischen Denkansatz verbunden sieht, ist die materialistische Theorie transempirisch und steht deshalb auch nicht in Einklang mit dem empiristisch geprgten Erkenntnisideal des Positivismus, dem sie sich eigentlich verpflichtet fhlt. Der Materialismus stellt folglich so SARTRE eine metaphysische Position dar, weil er eine Stellungnahme a priori zu einem Problem abgibt, das unendlich ber unsere Erfahrung hinausgeht (JEAN-PAUL SARTRE: Materialismus und Revolution). Ob Metaphysik berhaupt mglich ist und ob es Metaphysik als endgltiges, wahres System geben kann, wird in der Geschichte der Philosophie unterschiedlich bewertet. GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL ist der Ansicht, dass in der Philosophie der Weltgeist sich seiner selbst bewusst werde. Nach WHITEHEAD hingegen knnen Philosophen niemals hoffen, Grundprinzipien der Metaphysik endgltig zu formulieren. Schwche der Einsicht und Unzulnglichkeiten der Sprache stnden dem im Wege. Die empiristisch-positivistische Denktradition in der Philosophie (JOHN LOCKE, DAVID HUME, AUGUSTE COMTE, RUDOLF CARNAP u. a.) lehnt Metaphysik als Wissenschaft ab. In der Philosophie der Subjektivitt wird das, was Erste Philosophie ist, gleichsam neu verhandelt, weil in dieser das (transzendentale) Subjekt als diejenige Instanz erscheint, durch die die Verfassung des Seins letztbegrndet wird. Innerhalb der Denktradition der analytischen Philosophie kommt es zu einer Neubesinnung auf ontologische Fragestellungen (analytische Ontologie). Welchen Stellenwert auch immer Metaphysik und Ontologie innerhalb des philosophischen Diskurses haben mgen, der Hang des Menschen zum metaphysischen Fragen charakterisiert den Menschen selbst, gehrt zu seiner Naturanlag (KANT) und scheint ihn als animal metaphysicum (SCHOPENHAUER) auszuzeichnen.

Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4) Mindestens zwei metaphysische Positionen aus verschiedenen Epochen und eine Position der Metaphysikkritik mssen bearbeitet werden.

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METAPHYSIK

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht

Warum gibt es berhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts? (MARTIN HEIDEGGER: Was ist Metaphysik?) Wann begann die Zeit und wo endet der Raum? Ist das Leben unter der Sonne nicht blo ein Traum? (PETER HANDKE: Lied vom Kindsein) Woran glaubt der Mensch? Warum gibt es Glauben? Bedarf der Mensch der Transzendenz? Gibt es eine Selbsttranszendenz des Menschen? Sehnt sich der Mensch nach dem Guten oder will er das Bse? Kann der Mensch wirklich das Bse wollen? Warum haben die meisten Tiere (und natrlich auch der Mensch) berhaupt Bewusstsein? Warum gibt es Leid? Kann es zwei absolut identische Dinge geben? Kann es im Leben des Menschen absolute Gewissheit geben - zum Beispiel in der Liebe, in der Erkenntnis, im Handeln? Ist der Mensch das Ziel der Natur? Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan.

METAPHYSIK

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Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an: Phnomenologische Denkmethode: Metaphysische Fragen, die hufig als beunruhigend wahrgenommen werden, eignen sich deshalb dazu, auch essayistisch verarbeitet zu werden. Im phnomenologischen Denkstil werden demnach metaphysische Fragen als Fragen der Lebenswelt entdeckt. Mgliche Themen fr Essays sind zum Beispiel: die Angst, der Tod, die Zeit (der Beginn meiner Zeit; die Zeit, die der Mensch zur Entfaltung seines Leben braucht; die Zeit, die auf den Tod hinluft; der Augenblick, der die Zeit aufhebt; die heilige Zeit im Gegensatz zur profanen Zeit). In Gedankenexperimenten, die auch Ausgangspunkt von Essays sein knnen, knnen Selbstverstndlichkeiten und Gewohnheiten der Lebenswelt verndert werden, um sie gerade dadurch ins Bewusstsein zu bringen, etwa: Stellen Sie sich vor, Sie wrden entdecken, dass alle Ihre Mitmenschen Automaten wren. Welche Konsequenzen htte diese Entdeckung fr Ihr Handeln, Ihr Selbstbewusstsein, Ihre Zukunft? Dieses Gedankenexperiment lsst die (im Sinne KANTs) metaphysische Frage nach der Willensfreiheit des Menschen bzw. das Determinismusproblem auch als fundamentales Problem lebensweltlicher Erfahrung erscheinen. Spekulative Denkmethode: Stellen Sie sich vor, die Menschen wren unsterblich. Beschreiben Sie das Leben und das Lebensgefhl der Menschen! (in Anlehnung an ein Gedankenexperiment von HANS JONAS in Last und Segen der Sterblichkeit). Das spekulativ angelegte Gedankenexperiment kann (mglicherweise) den Tod als segensreiches Ende des individuellen, menschlichen Lebens und als Voraussetzung fr die metaphysisch gedeutete Schpferkraft des Lebens zur Evidenz bringen. Analytische Denkmethode: (Auch) Begriffe der Metaphysik entziehen sich hufig einer genauen Definierbarkeit. Trotzdem sollte sich der analytische Verstand an ihnen abarbeiten. Was meinen wir zum Beispiel damit, wenn wir von dem Absoluten sprechen? Haben Begriffe der Metaphysik eine Bedeutung - oder sind sie leere Begriffe? Was meinen wir damit, wenn wir sagen, eine Handlung entspringe unserer Willensfreiheit? (Vergleiche dazu als Ansto und Modell die Analyse von THOMAS NAGEL: Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einfhrung in die Philosophie, Kapitel 6: Willensfreiheit.)

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METAPHYSIK

Dialektische Denkmethode: Metaphysische Thesen stoen hufig auf Widerspruch; so knnen beispielsweise klassische Gottesbeweise auf den Prfstand gestellt werden. Eine selektive Lektre der Transzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft bietet sich im Kontext einer solchen dialektischen Erprobung der spekulativen Vernunft an. Die sinnliche Gewissheit aus HEGELS Phnomenologie des Geistes ist ein Text, in der die Gewissheit der Sinnlichkeit unter Anwendung der dialektischen Methode aufgehoben wird. Schlerinnen und Schler sollten den Text nicht einfach nachvollziehen, sondern Teile der Argumentation antizipieren, also zu der These der sinnlichen Gewissheit eine Antithese formulieren. Dekonstruktivistische Denkmethode: Aufgebrochen werden knnen Bedeutungen von Begriffen zum Beispiel dadurch, dass man sie aus Kontexten herauslst, um sie inhaltlich zu verndern. In der Wissenschaftslehre aus dem Jahre 1805 (Anmerkung zur 3. Stunde) formuliert FICHTE: Das Absolute selbst nemlich lt sich nur (in) der Relation auf das Relative denken. Dies ist Beispiel einer Begriffsdekonstruktion, die auch Schlerinnen und Schler vornehmen knnen. Begriffe knnen gerade dadurch Kontur gewinnen, dass man sie verfremdet, in andere Kontexte bringt, ihre Inhalte erweitert oder eben entscheidend verndert. Verknpfung der Arbeitsbereiche

Der Arbeitsbereich Metaphysik bietet vielfltige Mglichkeiten der Verknpfung mit anderen Arbeitsbereichen. So kann zum Beispiel die Philosophie HEGELs Gegenstand von Metaphysik und Geschichtsphilosophie sein. Sehr starke Berhrungspunkte ergeben sich vor allem auch mit der sthetik. So kann zum Beispiel die sthetik SCHOPENHAUERs auf ihre metaphysischen Implikationen hin befragt werden. In Bezugnahme auf den Arbeitsbereich Ethik kann beispielsweise errtert werden, ob das Wertefundament ethischer Prinzipien metaphysisch begrndet werden kann oder muss.

METAPHYSIK

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Wissenschaftsphilosophie Naturphilosophie

Naturwissenschaften ermglichen nicht nur Erkenntnisse ber die phnomenale Welt, sondern auch Erkenntnisse ber uns selbst, insbesondere ber die Erkenntnisfhigkeit des Menschen als Teil der Natur. Alle Kulturen bemhen sich um die Deutung der wahrgenommenen Wirklichkeit, die Ordnung der Eigenschaften der Welt. Haben die Erklrungen zunchst die Form von Mythen und Erzhlungen, so erfolgen sie seit der griechischen Antike zunehmend in Begriffen der Vernunft. Der heutige Mensch wird in vielen Kontexten seines Lebens mit naturwissenschaftlichem Denken vertraut gemacht, z. B. mit der Vorstellung von Ursache und Wirkung, von Materie und Bewegung, was dazu fhrt, dass das in den Naturwissenschaften wurzelnde Weltbild weitreichende Folgen fr unser Weltverstndnis hat. Naturwissenschaft ist eine Kulturleistung, ein Bemhen um die Klrung einer naturgesetzlichen Ordnung. Wissenschaftsphilosophie nennt man jene Disziplin der Philosophie, die sich im weitesten Sinne mit den Fragen nach den Mglichkeitsbedingungen von Wissenschaft und ihren Methoden auseinandersetzt. Obwohl sich der Begriff erst im Laufe des 20. Jahrhunderts etabliert, gehen wissenschaftstheoretische berlegungen bis auf ARISTOTELES zurck. Wissenschaftsphilosophie steht in einem sehr engen Verhltnis zur Erkenntnistheorie, die nach den Mglichkeitsbedingungen von Erkenntnis berhaupt fragt. Auf der Basis erkenntnistheoretischer Vorentscheidungen werden in der Wissenschaftsphilosophie die Methoden und Theoriebildungen, vor allem der Naturwissenschaften, aber auch der empirischen Sozialwissenschaften und der hermeneutischen Wissenschaften auf ihre Logik, Sprache, Argumentations- und Vorgehensweise hin untersucht. Wissenschaftsphilosophie kann auf der einen Seite eher normativ verstanden werden. Als normative Disziplin beschreibt sie Methoden wissenschaftlicher Erkenntnis, die Orientierungsmastbe hergeben fr die wissenschaftliche Praxis. Der deskriptive Ansatz in der Wissenschaftsphilosophie orientiert sich hingegen daran, wie Wissenschaftler tatschlich zu ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangen. Ausgehend von der wissenschaftlichen Praxis und ihrer Geschichte entwickelt die deskriptive Wissenschaftsphilosophie Modelle und Theorien von Wissenschaft. Sehr viel strker als die normative Wissenschaftsphilosophie fokussiert sie auch die Geschichtlichkeit der Wissenschaft, begreift Wissenschaft als geschichtliches Phnomen. In der aktuellen Diskussion treten wissenschaftsethische Reflexionen immer mehr in den Fokus der philosophischen Auseinandersetzung mit Wissenschaft, was dem Umstand geschuldet ist, dass die Gefahren der Anwendung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Technik desto deutlicher hervortreten, je mehr die mit dieser Technik einhergehende Macht des Menschen gegenber der Natur

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WISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE - NATURPHILOSOPHIE

wchst. Eine (kritische) Reflexion von Werten und Konsequenzen wissenschaftlichen Handelns gehrt deshalb zum Kontext der Wissenschaftsphilosophie hinzu, wobei dem von einigen Autoren favorisierten Begriff der Wissenschaftsphilosophie eher auch wissenschaftsethische und wissenschaftskritische Reflexionen zuzuordnen sind als dem Begriff der Wissenschaftsphilosophie, der hufig z. B. im logischen Empirismus des WIENER KREISES fr ein Wissenschaftsideal steht, mit dem eine Abkehr von allen sinnlosen metaphysischen Setzungen verbunden ist. Die Nhe der Wissenschaftsphilosophie zu den Naturwissenschaften begrndet auch den Zusammenhang zur Naturphilosophie, die danach fragt, was wir berhaupt unter Natur zu verstehen haben und was die Erkenntnisbedingungen von Natur sind. Je nach unterschiedlicher philosophischer Position kann Naturphilosophie in Wissenschaftsphilosophie aufgehen weil eben Natur nichts anderes zu sein scheint als die in der Naturwissenschaft erkannte Natur oder sich als eher eigenstndige Disziplin der Philosophie behaupten. In Abhngigkeit von der philosophischen Position kann Naturphilosophie auch Metaphysik der Natur sein. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4) Zwei Positionen der Wissenschaftsphilosophie und eine Position der Naturphilosophie mssen bearbeitet werden.

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht Seit wann gibt es Naturgesetze? Werden Naturgesetze entdeckt oder erfunden? Wann ist Wissenschaft wissenschaftlich? Braucht der Naturwissenschaftler Phantasie? Wem dient die Wissenschaft? Darf der Mensch alles machen, was er machen kann? Kann man die Handlungen von Menschen wissenschaftlich erklren? Wie kommt Bewusstsein in die Welt und wozu dient es? Hat die Natur eine Wrde? Kann man die Natur verstehen? Ist der Mensch die Krone der Schpfung?

WISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE - NATURPHILOSOPHIE

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Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, literarischen Texten, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan. Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an: Analytische Denkmethode: Analyse unterschiedlich verwendeter Begriffe wie z. B. Reprsentation, Perzeption, Geist, Bewusstsein; die Begriffsverwirrung in der transdisziplinren Zusammenarbeit von Philosophie und empirischen Wissenschaften (Stellungnahmen von Hirn-, Kognitionsforschern und Philosophen zu Begriffsproblemen, wie z. B. PETER BIERI, ANSGAR BECKERMANN, DIETER STURMA) Spekulative Denkmethode: Hierbei geht es darum, an Beispielen der genannten Gedankenexperimente eigene Gedankenexperimente im thematischen Zusammenhang zu versuchen. Interessant wren im Zusammenhang des Gedankenexperiments von LEIBNIZ die Kommentierung dazu von CHURCHLAND in Die Seelenmaschine sowie die darin enthaltene fiktive Argumentation eines Biologielehrers aus dem Jahre 1952. Phnomenologische Denkmethode: Das eigene Denken beobachten: Wie ordne ich meine Gedanken, die aus mir flieen? Wie bringe ich sie in ein System? (Brief des 16jhrigen HUME an seinen besten Freund Ramsay). Anhand dieses Beispiels knnte der eigene Umgang mit (ungeschtzten) philosophischen Gedankeneinfllen in Form eigener philosophischer Reflexion in Bezug auf individuelle Denkstrategien in verschiedenen Textformen (Brief, Dialog, Artikel, Strukturbilder, Cluster) formuliert oder illustriert werden. Dekonstruktivistische Denkmethode: Der fiktive Dialog zwischen DESCARTES und LIBET knnte umgeschrieben werden, z. B. um einen weiteren Gesprchspartner erweitert, eventuell mit Hilfe eines weiteren philosophischen Textes aus der Philosophie des Geistes.

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WISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE - NATURPHILOSOPHIE

Verknpfung der Arbeitsbereiche

Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich: Ethik (z. B. CHURWISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE - NATURPHILOSOPHIE ch einer neuen Ethik) CHLANDs oder METZINGERs Forderung na Anthropologie hinsichtlich der Problematik: Hat der Mensch einen freien Willen oder ist er determiniert (und wenn ja, inwiefern)? Sprachphilosophie: Zusammenhang zwischen Denken, Bewusstsein und Sprache sthetik: Zusammenhang von Erkenntnis und Empfindung (z. B. Musik); bildgebende Verfahren, ihre Interpretationen und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen in Hirnforschung und Philosophie des Geistes Wissenschaftsphilosophie: philosophische Auseinandersetzungen mit wissenschaftlichen Ergebnissen durch die Jahrhunderte, z. B. DESCARTES, KANT, HEGEL

WISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE - NATURPHILOSOPHIE

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Ethik Der philosophischen Ethik, von ARISTOTELES unter dem Titel ta ethika als Disziplin in die Philosophie eingefhrt, geht es darum, Grundstze des guten Handelns und des guten Lebens zu finden und darzulegen, dass nach deren Magabe der Mensch sein ganzes praktisches Leben (seine Maximen, seine grundlegenden Einstellungen gegenber sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur, seine Pflichten und Rechte sowie sein Glcksstreben, sein Streben nach Selbstverwirklichung und sein konkretes Handeln) reflektieren, kritisch bewerten und letztlich auch autonom bestimmen kann. Wie genau aus der theoretischen Einsicht auch ein gutes Handeln entspringen kann, gehrt zu den offenen Fragen ethischer Reflexion, auch der gegenwrtigen. Bereits der etymologische Ursprung des Wortes (von griechisch ethos: Sitte, Gewohnheit) verweist darauf, dass Ethik ihren Ausgang nimmt von gesellschaftlich anerkannten Einstellungen und Normen, die den Kontext darstellen, auf den sich die philosophische Ethik bezieht. Anthropologisch gesehen tragen Moral und Ethik dem Umstand Rechnung, dass der Mensch der aus der Natur Entlassene ist, der als soziales Wesen Richtlinien fr sein Handeln braucht, um als Mngelwesen nicht berfordert zu sein. Ethik kann somit die soziale Integration des Individuums intendieren. Ethik kann sich aber auch der Frage nach dem ethischen Wert des Ungehorsams und der Nonkonformitt zuwenden. Die Fhigkeit zu rationaler Kritik sowie die Fhigkeit, rationale Kritik dialogisch zu vermitteln, sollten zum Wertekonsens jeder Ethik gehren. Insofern sie philosophisch begrndete Orientierungsmastbe fr das richtige Handeln bereitstellt, ist Ethik normativ, als solche abzugrenzen von der empirisch orientierten Ethik (Soziologie, Psychologie), deren Intention darin besteht, moralische Wertsysteme deskriptiv zu erfassen, aber auch von der Metaethik, die das ethische Argumentieren und die Sprache der Ethik zum Gegenstand hat und deren Intention darin zu sehen ist, Ethik auf ihre Mglichkeit hin zu berprfen (GEORGE EDWARD MOORE, RICHARD MERVIN HARE u. a.). An welchen Wertmastben und Normen Menschen tatschlich ihr Leben und Handeln ausrichten, wird somit von der deskriptiven Ethik erfasst; Fragen wie zum Beispiel die, was wir berhaupt meinen, wenn wir im Kontext moralischer Urteile den Begriff des Guten verwenden, gehren zur Metaethik. Metaethische Reflexionen knnen selbstverstndlich auch im Kontext normativer Argumentationen auftauchen. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4) Drei unterschiedliche Positionen der Ethik mssen exemplarisch bearbeitet werden. Bei der Auswahl sind zwei klassische Positionen der Ethik sowie eine Position der Gegenwartsethik zu bercksichtigen.

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ETHIK

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht

Kann es berhaupt eine universal gltige Ethik geben? Kann es berhaupt eine normative Ethik geben? Kann das Gute in dem Bsen enthalten sein oder umgekehrt? Fhren ethische Einsichten zu einem guten Handeln? Warum soll der Mensch moralisch sein? Hat der gut Handelnde auch ein gutes Leben? Was ist das schlimmste Verbrechen? Gibt es Werte, die keinem Wandel unterliegen? Welche Relevanz haben ethische Diskussionen in unserer Gesellschaft? Welchen Stellenwert darf der Egoismus in meinem Handeln haben? Darf der Mensch in Ausnahmefllen tten, um gute Ziele zu verfolgen? Muss ich mich immer und ohne Ausnahme an ein Versprechen halten? Kann lgen ethisch erlaubt oder sogar ethisch wertvoll sein? Welchen Stellenwert haben gesellschaftlich anerkannte Werte fr mein Handeln? Was heit eigentlich Doppelmoral? Gibt es Handlungsmaximen, in denen ethische Mastbe keine Rolle spielen drfen? Knnen Willensfreiheit und Naturnotwendigkeit zusammengedacht werden? Hat es einen Sinn, zwischen Handlungs- und Willensfreiheit zu unterscheiden? Hat der Mensch berhaupt eine Wrde? Wie ist die Wrde des Menschen philosophisch begrndbar? Hat nur der Mensch eine Wrde? Haben Tiere Rechte? Ist die medizinische Nutzung von Embryonen ethisch vertretbar? Darf der Mensch ber seinen eigenen Tod verfgen? Ist nur Objekt der Moral, wer auch Subjekt der Moral sein kann?

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Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan. Vernetzung mit Denkmethoden

Anhand der Bearbeitung der Ethik KANTs knnten beispielsweise die phnomenologische, die analytische und die dialektische Denkmethode eingebt werden, indem man sich auf ganz zentrale Aspekte dieser Ethik besinnt: KANTs Ethik ist eine Maximenethik; der kategorische Imperativ bezieht sich immer auf Maximen, die ihren Platz in der Lebenswelt der handelnden Subjekte haben. Die phnomenologische Denkmethode hat damit zu tun, Phnomene der Lebenswelt in den Blick zu nehmen und diese beschreibend zu erfassen. In Schreibversuchen (Essays, Kurzgeschichten) knnen Schlerinnen und Schler ein Bewusstsein davon entwickeln, welche Maximen fr ihre Lebensgestaltung Geltung haben. Der kategorische Imperativ stellt eine Regel dar, mit deren Hilfe das moralische Subjekt seine Maximen dahingehend berprft, ob sie zu einer Universalisierung fhig sind. Dieses Verfahren ist ein analytisches, in dem das vernnftige Subjekt prft, ob es mit der Universalisierung seiner Maximen in einen Widerspruch mit der Vernunft gert. Das Beispiel KANTs aus der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, ob eine Maxime, die das lgenhafte Versprechen erlaubt, widerspruchsfrei gedacht werden kann, zeigt nach KANT, dass die Vernunft mit dieser Maxime etwas will, das sie gleichzeitig nicht wollen kann. Eine solche Maxime ist deshalb zu verwerfen. Die Analyse macht die Konsequenzen klar, die mit dieser Maxime in Kauf genommen werden: nach KANT eine Welt, in der es letztlich keine Versprechen mehr gibt. Schlerinnen und Schler sollten unabhngig von dem Text etwa in einem Gedankenexperiment zu hnlichen Ergebnissen kommen knnen, etwa unter der Leitfrage: Sollten Menschen die Maxime haben, ein Versprechen dann zu brechen, wenn dies von Nutzen ist? KANTs Ethik ist eine Ethik, die auf dem Freiheitsprinzip basiert. Mit dem Postulat eines solchen Prinzips gelangt die Vernunft nach KANT in eine Dialektik.
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Zwischen dem Postulat von Freiheit einerseits und dem Naturbegriff KANTs in der Kritik der reinen Vernunft andererseits, der alle Naturdinge dem Kausalittsprinzip unterworfen sieht und somit von einer durchgngigen Determiniertheit in der Natur ausgeht, gert die Vernunft in eine Dialektik, die aber nicht zu verwerfen, sondern an der festzuhalten ist. Didaktisch fruchtbar gemacht werden kann dieser Umstand zum Beispiel dadurch, dass Schlerinnen und Schler sich dieser Fragestellung in einem Essay annhern, der diese Dialektik der Vernunft sichtbar macht, zum Beispiel mit der Aufgabenstellung: Ist Ihr Selbstverstndnis vereinbar mit der Ansicht, der freie Wille des Menschen sei bloe Illusion? Verknpfung der Arbeitsbereiche

Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich: Anthropologie: Hat der Mensch eine Willensfreiheit oder unterliegt er einer Naturnotwendigkeit? Interkulturelle Philosophie: die Goldene Regel in verschiedenen Kulturkreisen Sprachphilosophie: Metaethik ist zum groen Teil Sprachanalyse. Metaphysik: Hier knnte man zum Beispiel der Frage nachgehen, ob ein Wertefundament von Ethik einer metaphysischen Ausrichtung bedarf.

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Erkenntnistheorie - Philosophie des Geistes

Allen Menschen ist zuteil, sich selbst zu erkennen und verstndig zu denken, schreibt der Vorsokratiker HERAKLIT (Fragment 116), eine Aussage, die uns sogleich an die Aufforderung Gnothi seauton erkenne dich selbst erinnert, eingemeielt in die Sule der Vorhalle des Apollontempels in Delphi. Diese Aufforderung, auf die sich GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL in seiner Schrift Enzyklopdie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ( 377) nach mehr als 2000 Jahren bezieht, beurteilt die Erkenntnis des Geistes als die konkreteste und darum hchste und schwerste. Es geht dabei, so HEGEL, nicht nur um Selbsterkenntnis, sondern umfassend um die Bedeutung der Erkenntnis des Wahrhaften des Menschen wie des Wahrhaften an und fr sich des Wesens selbst als Geistes. Der Begriff Geist wird von KARL MARX und FRIEDRICH ENGELS mit dem Begriff Bewusstsein verknpft. In der philosophischen Reflexion ber die Entstehung des menschlichen Bewusstseins kommen sie zu folgendem Schluss: Der 'Geist' hat von vornherein den Fluch an sich, mit der Materie 'behaftet' zu sein, die hier in der Form von bewegten Luftschichten, Tnen, kurz der Sprache auftritt. Die Sprache ist so alt wie das Bewutsein (FRIEDRICH ENGELS, KARL MARX: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 88). ARTHUR SCHOPENHAUER deutet in der Auseinandersetzung mit Zustnden des Willens und dem Subjekt des Wollens das Ich als ein nicht zu lsendes Problem; es ist, so SCHOPENHAUER, der Weltknoten und daher unerklrlich (ARTHUR SCHOPENHAUER: Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, 42). Diese wenigen Beispiele zeigen, wie eng Problembereiche der Erkenntnistheorie mit Problembereichen der Philosophie des Geistes verflochten sind: Einerseits weisen Begriffe wie Geist, Bewusstsein und Ich auch im Kontext der Frage nach Wahrheit, Sprache oder auch dem freien Willen im Laufe der Philosophiegeschichte ein breites Deutungsspektrum auf, andererseits scheint das Geist-Krper-Problem als im Weltknoten eingebunden kaum lsbar zu sein. Die klassische Erkenntnistheorie fragt danach, was Wissen ist, wie wir zu Erkenntnissen kommen, nach den Quellen der Erkenntnis. Weiterhin fragt sie, welchen Wahrheitsanspruch wir hinsichtlich des aus der Erkenntnis gewonnenen Wissens erheben knnen, ob dies auf ein sicheres, unbezweifelbares Fundament gestellt werden kann und ob und wenn ja, inwiefern wir von einer extramentalen Welt ausgehen knnen.

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ERKENNTNISTHEORIE PHILOSOPHIE DES GEISTES

Die Philosophie des Geistes fragt nach mentalen Phnomenen, greift das klassische Leib-Seele-Problem auf und fragt danach, wie sich die Beziehung zwischen unserem Geist und der materiellen Natur unseres Seins erklren lsst, wie z. B. REN DESCARTES vor mehr als 300 Jahren. So geht es der Philosophie des Geistes auch darum, ob mentale Phnomene eine Art von physischen Phnomenen sein knnen, wie dies materialistische Modelle bejahen. Begriffe wie Geist, Seele, Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Ich stehen im Kern der Philosophie des Geistes, die in diesem Zusammenhang auf erkenntnistheoretische Denkanstze nicht verzichten kann. Das Interesse an empirischen Daten und Theorien hat im 20. Jahrhundert durch Psycholinguistik und Neurowissenschaften die erkenntnistheoretische Reflexion entscheidend bereichert und zu einem neuen Aufschwung innerhalb der Philosophie des Geistes gefhrt. Die Flut von Verffentlichungen zur aktuellen Auseinandersetzung der Philosophie des Geistes mit experimentellen und empirischen Wissenschaften zeigt den Versuch, mit neuen Begrifflichkeiten neu gewonnene Einsichten darzulegen. Die Neurowissenschaften greifen, wie OLAF BREIDBACH in seiner Schrift Die Materialisierung des Ichs darlegt, ihrerseits auf eine umfassende Tradition zurck, besonders im Hinblick auf Begriffe und Konzepte, und sie sind weit davon entfernt, mit ahistorischen Begriffen zu arbeiten. Die Herausforderung ergibt sich demnach einerseits daraus, dass Begriffe aus der Philosophie und naturwissenschaftliche Begriffe neu ausgehandelt werden mssen, und anderseits daraus, dass gngige Methoden der einzelnen Wissenschaften in gemeinsamen Projekten sinnvoll zu verknpfen oder gar vllig neu zu berdenken sind. Dabei ist zu bercksichtigen, dass inzwischen eine internationale Zusammenarbeit der Wissenschaften entstanden ist, sodass philosophische Texte zumeist in englischer Sprache verfasst werden. Daraus folgt, dass empirische Praxis und philosophische Metatheorie begrifflich eine Ebene finden mssen, um in ihrer Zusammenarbeit zu akzeptablen Lsungen zu kommen. So wird in aktuellen philosophischen Schriften von mentalen Phnomenen gesprochen, im Gegensatz zu physischen Phnomenen. Mental heit in diesem Sinne also nicht-physisch. PETER BIERI erlutert in Analytische Philosophie des Geistes die Verwendung des Begriffs mental. Dieser umfasse psychisch, geistig, und seelisch. Mental, so BIERI, ist der Begriff, der am wenigsten festgelegt zu sein scheint, der weniger gelufig ist. So bietet er sich als terminus technicus an, der alle Phnomene umfasst, die der ontologische Dualismus als nicht-physisch ansieht, z. B. ein breites Spektrum von emotionalen Zustnden wie Zorn bis zu kognitiven Phnomenen wie Gedanken und Meinungen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass in englischsprachigen Texten dieser Terminus gngig ist.

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Wnschenswert wre es im Leistungskurs Philosophie, nicht nur Positionen der Erkenntnistheorie wie die Gegenberstellung von Rationalismus (z. B. DESCARTES, SPINOZA und LEIBNIZ) und Empirismus (z. B. LOCKE, HUME, BERKELEY) und deren berwindung durch KANT zu vertiefen, sondern auch Aspekte des Konstruktivismus und der Philosophie des Geistes aufzugreifen. Auf der Basis von Kenntnissen aus klassischen erkenntnistheoretischen Positionen knnten Fragen nach dem Wissen, dem phnomenalen Bewusstsein, dem Leib-Seele-Problem und der Intentionalitt des Mentalen bearbeitet werden. Hier knnten z. B. Begriffe um das Phnomen Geist aus aktuellen, also auch kontroversen philosophischen Anstzen heraus nher beleuchtet werden. Es ist davon auszugehen, dass Jugendliche ein Erkenntnisbedrfnis haben, das zu verstehen, was sich zeigt, sich nicht in Sprache expliziert sagt. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4)

Mindestens drei unterschiedliche erkenntnistheoretische Positionen aus verschiedenen philosophiegeschichtlichen Epochen und deren Gegenberstellung, davon eine zeitgenssische Position, mssen im Unterricht behandelt werden. Ein Bezug zur Philosophie des Geistes muss hergestellt werden.

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht

Wie verlsslich sind Alltagserfahrungen? Knnen wir Gedanken lesen, sichtbar machen? Woran kann man Wahrheit erkennen? Ist dem Menschen ein Bedrfnis nach Erkenntnis angeboren? Wie hngen Glauben und Wissen zusammen? Wann ist Erkenntnis wahr? Erkennen wir Tuschungen? Was ist Erfahrung? Knnen wir zur vollstndigen Erkenntnis der Welt gelangen? Welche Rolle spielt die Psychologie in Bezug auf Wissen und/oder Erkenntnis? Was ist Erkenntnis? Wie gelangen wir zu Wissen?

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ERKENNTNISTHEORIE PHILOSOPHIE DES GEISTES

Was ist Bewusstsein? Was ist ein Begriff? Kann Wissen dem Menschen nutzen oder schaden? Sollte jedes Wissen allen Menschen zur Verfgung stehen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Wissen und Macht? Gibt es einen Zusammenhang von Kultur und Erkenntnis? Wie ist Erfahrung bzw. Erkenntnis mglich? Welche Rolle spielt die Wahrnehmung fr das Erkennen? Sind Naturgesetze objektiv? Inwiefern kann der Anspruch auf eine subjektive oder objektive Sichtweise der Dinge erhoben werden? Worin unterscheiden sich subjektive und objektive Aussagen? Hat Sprache, mit der wir Wahrheiten und Erfahrungen austauschen, Einfluss auf unser Erkennen? Welche Rolle spielen Raum und Zeit fr unsere Wahrnehmung? Knnen wir zu gesichertem Wissen gelangen? Welche Gltigkeit knnen wissenschaftliche Erkenntnisse haben? Worin unterscheiden sich menschliche und knstliche Intelligenz? Unterrichtspraktische Hinweise

Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan.

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Vernetzung mit Denkmethoden

Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an: Analytische Denkmethode: Analyse unterschiedlich verwendeter Begriffe wie z. B. Reprsentation, Perzeption, Geist, Bewusstsein; die Begriffsverwirrung in der transdisziplinren Zusammenarbeit von Philosophie und empirischen Wissenschaften (Stellungnahmen von Hirn-, Kognitionsforschern und Philosophen zu Begriffsproblemen, wie z. B. PETER BIERI, ANSGAR BECKERMANN, DIETER STURMA) Spekulative Denkmethode: Hierbei geht es darum, an Beispielen der o. g. Gedankenexperimente eigene Gedankenexperimente im thematischen Zusammenhang zu versuchen. Interessant wren im Zusammenhang des Gedankenexperiments von LEIBNIZ die Kommentierung dazu von CHURCHLAND in Die Seelenmaschine sowie die darin enthaltene fiktive Argumentation eines Biologielehrers aus dem Jahre 1952. Phnomenologische Denkmethode: Das eigene Denken beobachten: Wie ordne ich meine Gedanken, die aus mir flieen? Wie bringe ich sie in ein System? (Brief des 16jhrigen HUME an seinen besten Freund Ramsay). Anhand dieses Beispiels knnte der eigene Umgang mit (ungeschtzten) philosophischen Gedankeneinfllen in Form eigener philosophischer Reflexion in Bezug auf individuelle Denkstrategien in verschiedenen Textformen (Brief, Dialog, Artikel, Strukturbilder, Cluster) formuliert oder illustriert werden. Dekonstruktivistische Denkmethode: Der fiktive Dialog zwischen DESCARTES und LIBET knnte umgeschrieben werden, z. B. um einen weiteren Gesprchspartner erweitert, eventuell mit Hilfe eines weiteren philosophischen Textes aus der Philosophie des Geistes.

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ERKENNTNISTHEORIE PHILOSOPHIE DES GEISTES

Verknpfung der Arbeitsbereiche

Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich: Ethik (z. B. CHURCHLANDs oder METZINGERs Forderung nach einer neuen Ethik) Anthropologie hinsichtlich der Problematik: Hat der Mensch einen freien Willen oder ist er determiniert (und wenn ja, inwiefern)? Sprachphilosophie: Zusammenhang zwischen Denken, Bewusstsein und Sprache sthetik: Zusammenhang von Erkenntnis und Empfindung (z. B. Musik); bildgebende Verfahren, ihre Interpretationen und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen in Hirnforschung und Philosophie des Geistes Wissenschaftsphilosophie: philosophische Auseinandersetzungen mit wissenschaftlichen Ergebnissen durch die Jahrhunderte, z. B. DESCARTES, KANT, HEGEL

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Politische Philosophie und Rechtsphilosophie I. Politische Philosophie Staatsphilosophie Hinter dem griechischen Begriff Politik in der Antike steht polis. 1260 bersetzt WILHELM VON MOERBEKE ta politika von ARISTOTELES ins Lateinische, wobei er Politik mit politica wiedergibt und polis, also alles, was Stadt und Brger angeht, mit civitas (Brgerschaft). Die Entfaltung des Begriffs Staat, abgeleitet von lateinisch status, beginnt in der italienischen Renaissance mit dem Wort stato, wie dieses im Principe von NICCOL MACHIAVELLI verwandt wird, um damit Republiken und Frstentmer zu bezeichnen (Tutti gli stati sono o repubbliche o principati). Der Staatsbegriff, der erst im 17. Jahrhundert in Deutschland an Bedeutung gewinnt, bezeichnet trotz seiner Vorlufer eine neuzeitliche Institution. Als Phnomen der Neuzeit ist der Staat nach GEORG JELLINEK geprgt durch drei Elemente: Gebietshoheit (Staatsgebiet), Staatsvolk und Staatsgewalt. Die Politische Philosophie und somit auch die Staatsphilosophie knnen auf anthropologische Theorien nicht verzichten; denn alle Staatstheorien basieren auf Menschenbildern, die den jeweiligen staatstheoretischen Ansatz entscheidend prgen. Die jeweiligen anthropologischen Grundannahmen knnen sich sehr stark voneinander unterscheiden. THOMAS HOBBES anthropologische Voraussetzung zeigt einen Menschen, der von Natur aus stets nach seinem berlebenswillen handelt. HOBBES berhmte Sentenz homo homini lupus zeichnet ein Bild, das sich eklatant von der aristotelischen Vorstellung des Menschen als zoon politikon unterscheidet. JEANJACQUES ROUSSEAU hlt den Menschen von Natur aus fr gut; erst durch die Sozialisation in gesellschaftliche Einrichtungen entfremdet er sich von seinem natrlichen Gutsein und wird verdorben. IMMANUEL KANT geht von einem von der Natur eingerichteten menschlichen Antagonismus aus (das Bedrfnis sich zu vereinzeln, sich aber auch zu vergesellschaften), spricht im Hinblick auf eine Staatserrichtung von einem Volk von Teufeln, das eines Herrn bedarf (vgl. dazu den Arbeitsbereich Geschichtsphilosophie). MACHIAVELLI vertritt die Auffassung, dass der Mensch, der nur das Gute erstrebt, zugrunde gehen muss, weil er inmitten von Menschen lebt, die nicht gut sind; daher muss ein Herrscher lernen, sich wie ein Fuchs zu verhalten, das heit wie ein Meister, der die Kunst von Heuchelei und Verstellung beherrscht. Ganz allgemein kann man aus der Sicht der Politischen Anthropologie von zwei entgegengesetzten Anstzen ausgehen: Also wre die Frage zu klren, ob der Mensch grundstzlich ber ein Bedrfnis nach Bildung einer harmonischen Gemeinschaft verfgt, oder ob er vielmehr zu Konflikten neigt und der Gemeinschaft bedarf, um kriegerische oder destruktive Strukturen zum Wohle aller zu vermeiden.

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POLITISCHE PHILOSOPHIE UND RECHTSPHILOSOPHIE

Begriffe wie beispielsweise Staat, Macht, Autoritt bedrfen stets einer klaren Explikation, nicht nur um sie vom allgemeinen Gebrauch abzugrenzen, sondern auch um ihre Bedeutung im philosophischen Diskurs im Vergleich zu ihrer Verwendung in empirischen Wissenschaftsbereichen wie der Politikwissenschaft und Sozialwissenschaft herauszustellen. Eine sprachliche Abgrenzung von Begriffen gegenber den empirischen Wissenschaften ist insbesondere auch deshalb wichtig, da die gegenwrtige philosophische Reflexion ber Politik und Staatstheorie nicht ohne Rekurs auf Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften auskommen kann, etwa was neuere Erkenntnisse ber den Menschen hinsichtlich seines Sozial- bzw. Kommunikationsverhaltens angeht. Im Kern wird danach gefragt, ob es berzeugende Grnde fr die Existenz eines Staates gibt, und danach, wie dieser Staat beschaffen sein soll. Im Wesentlichen widmet sich die Reflexion der Fragestellung, wie menschliches Miteinander in Institutionen gem bestimmten Prinzipien gestaltet sein soll. Dabei handelt es sich nicht ausschlielich um einen Diskurs darber, warum und worin Staatsgewalt besteht, sondern es geht auch um die Frage nach der Berechtigung eines Staates, also nach seiner ethischen Begrndung. Somit beinhaltet der normative Begriff der Legitimation einen zentralen Bezug zur Praktischen Philosophie. II. Rechtsphilosophie Der enge Zusammenhang zwischen Rechtsphilosophie und Staatsphilosophie bzw. Politischer Philosophie wird schon im Hinblick auf die Tatsache ersichtlich, dass der moderne, demokratische Staat ohne ein funktionierendes Rechtssystem nicht auskommen kann. Der demokratische Rechtsstaat verlangt die rechtliche Legitimation politischer Macht, definiert deren Ausgestaltung und schreibt die Konformitt des politischen Handelns mit dem geltenden Recht und Vlkerrecht vor. Nach JRGEN HABERMAS mnden Diskurse politischer Willensbildung in juristische Diskurse, um schlielich in der Gesetzgebung ihren Ausdruck zu finden. HABERMAS geht von einer Interdependenz zwischen Recht und Politik aus, da sich beide wechselseitig bedingen. Rechtsphilosophie kann als ein Versuch angesehen werden, eine Wesensbestimmung des menschlichen Rechts vorzunehmen, die Funktion und Funktionsweise des Rechts innerhalb der Gesellschaft zu bestimmen, den Zusammenhang des Rechts mit dem Staatswesen zu beleuchten sowie grundlegende Fragen der Legitimation des Rechts zu beantworten. Das Verhltnis von Recht und Moral zu bestimmen, gehrt zu den bedeutendsten Aufgaben der Rechtsphilosophie. Die Unterscheidung von Recht und Moral wird nach gngiger Lehrmeinung erst als eine Errungenschaft des 18. Jahrhunderts angesehen.

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Die kritische Reflexion des Zusammenhangs von Machtinteressen und Rechtsordnung, zum Beispiel in totalitren Staaten, gehrt weiterhin zu den wichtigen Problemfeldern der Rechtsphilosophie. Unter Recht versteht man jene Institution, die die partikularen, einander zum Teil widerstrebenden Interessen der Individuen eines Gemeinwesens durch verbindlich festgelegte Verhaltensregeln (Rechtsnormen) vermitteln und zur Vershnung bringen soll. Die Aufgabe des Rechts und der das Recht konkretisierenden Rechtsordnung besteht darin, den sozialen Frieden zu sichern. Zum Rechtssystem der modernen Demokratie gehrt somit die Machtbefugnis des Staates, die ihm obliegenden Gewalten unter Bercksichtigung des Prinzips der Gewaltenteilung auszuben. Ein funktionierendes Rechtssystem schtzt aber auch das Individuum kraft der ihm in der Verfassung zugesicherten Grundrechte vor den Zugriffen des Staates und gewhrleistet so dessen Autonomie, die wiederum die Voraussetzung darstellt, dass der ffentliche, demokratische und die Demokratie tragende Meinungsaustausch funktionieren kann. Adressat von Gebots- bzw. Verbotsnormen sind also nicht nur die Brgerinnen und Brger eines Staates, sondern auch der Staat selbst, der durch seine Amtstrger reprsentiert wird, deren Aufgabe darin besteht, die dem Staat obliegenden Gewalten zur Ausbung zu bringen. Der Rechtssprechung kommt innerhalb einer Rechtsordnung die Aufgabe zu, die abstrakten Rechtsnormen konkret zur Anwendung zu bringen. Insbesondere im angelschsischen Recht (case law) hat sie prjudizierenden Charakter fr die zuknftige Jurisdiktion. Verbindliche Inhalte (vgl. dazu Kap. 3.2-3.4)

Mindestens vier verschiedene philosophische Positionen mssen bearbeitet werden, davon zwei aus der Politischen Philosophie und zwei aus der Rechtsphilosophie. Folgende Aspekte sollten dabei insgesamt bercksichtigt werden: 1. der innere Zusammenhang zwischen staatstheoretischen und rechtsphilosophischen Vorstellungen 2. der Zusammenhang von Politik, Recht, Gesetz und ethischen Grundstzen

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POLITISCHE PHILOSOPHIE UND RECHTSPHILOSOPHIE

Beispiele fr inhaltliche Fragen im Unterricht Wo und wie werden Staat und Recht in meinem Alltag fr mich greifbar? Wie she ein Leben ohne staatliche Strukturen und Gesetze aus? Soll es ein Widerstandsrecht gegen die Staatsgewalt geben? Was sind mgliche Kriterien fr einen idealen Staat? Was mssen Politikerinnen und Politiker wissen und knnen? Was macht eine menschliche Gemeinschaft zu einem Staat? Spielen Menschenbilder fr staatliche Strukturen und fr das Rechtsverstndnis eine Rolle? Wie soll ein demokratischer Staat das Verhltnis von Mehrheiten und Minderheiten regeln? Welche (rechtlichen) Voraussetzungen mssen erfllt sein, damit ein Staat als demokratisch bezeichnet werden kann? Gibt es eine bessere Staatsform als die Demokratie? Welche Aufgaben soll der Staat bernehmen? Gibt es Lebensbereiche, die von staatlicher Reglementierung frei sein sollten? Wre(n) ein Weltstaat und/oder ein Weltgericht wnschenswert? Gibt es ethische Grundstze, die ber staatlichen Gesetzen stehen? Gibt es eine gerechte Strafe? Unterrichtspraktische Hinweise Zahlreiche Hinweise fr den Unterricht wie z. B. zu philosophischen Ganztexten, Textauszgen, geeigneten Bildern, literarischen Texten, Filmen, befinden sich in der Handreichung zu diesem Lehrplan.

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Vernetzung mit Denkmethoden Folgende Mglichkeiten der Vernetzung des Arbeitsbereichs mit Denkmethoden bieten sich beispielsweise an:

Phnomenologische Denkmethode: Von Alltagserfahrungen ausgehend knnen staatliche Strukturen fassbar gemacht und deren Einflsse auf das persnliche Leben reflektiert werden (Sammeln und Zusammen- bzw. Gegenberstellen von Erlebnisberichten, Bildmaterial etc.). Analytische Denkmethode: Bildreflexion zu prsentativem Material, diskursive sprachanalytische Untersuchungen zu Begriffen wie Macht, Staat, Gerechtigkeit, Freiheit. Spekulative Zugnge: essayistische Auseinandersetzungen mit Bildmaterial, diskursive Gedankenexperimente etwa in Anlehnung an RAWLS (Schleier des Nichtwissens) oder auch in Anlehnung an HOBBES oder ROUSSEAU zum Naturzustand des Menschen Verknpfung der Arbeitsbereiche

Folgende Verknpfungen mit anderen Arbeitsbereichen wren mglich:

Anthropologie: Alle staats- und rechtsphilosophischen Denkmodelle implizieren anthropologische Prmissen, z. B. Antagonismus im Sinne von IMMANUEL KANT oder auch der berlebenstrieb im Sinne von THOMAS HOBBES. Interkulturelle Philosophie: Menschenrechte fr alle Menschen in globalen Strukturen (Anerkennung von Gemeinschaften indigener Vlker); Patentrechte aus ethischer Sicht (SEYLA BENHABIB und VANDANA SHIVA); die Idee eines Weltstaates (ERNST TUGENDHAT) Philosophie des Geistes: mgliche Schlussfolgerungen im Hinblick auf Recht, Gesetz und Kommunikation in staatlichen Gemeinschaften auf der Basis neuerer Erkenntnisse der Hirnforschung zu Determination und Willensfreiheit des Menschen Geschichtsphilosophie: Konsequenzen von Geschichtsprozessen fr moderne staatliche Strukturen (Umgang mit Opfern des NS-Regimes)

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Mitglieder der fachdidaktischen Kommission: Ruth Lieberich (Leitung) Wilhelm-Remy-Gymnasium, Bendorf Wolfgang Spies Gymnasium an der Stadtmauer, Bad Kreuznach

Mittlere Bleiche 61 55116 Mainz [email protected] www.mbwjk.rlp.de

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